Erfolg durch Partnerschaft - Reinhard Mohn - E-Book

Erfolg durch Partnerschaft E-Book

Reinhard Mohn

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  • Herausgeber: Siedler
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Reinhard Mohn, geboren 1921, war in fünfter Generation Mitglied der Gründerfamilie des Traditionsunternehmens Bertelsmann. Er baute in sechs Jahrzehnten aktiven beruflichen Engagements einen Konzern auf, der heute mit an der Weltspitze internationaler Medienhäuser rangiert. Mit großem Mut zum unternehmerischen Risiko, verbunden mit gesellschaftlicher Weitsicht und wirtschaftlichem Sachverstand, schuf er ein Lebenswerk, für das weltweit über 100.000 Mitarbeiter stehen. Reinhard Mohn starb am 3. Oktober 2009.

Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt „Von der Welt lernen" (C. Bertelsmann 2008).

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Seitenzahl: 251

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Inhaltsverzeichnis
 
Vorwort
 
I. – Einleitung
Die Bedeutung von gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Strukturen
 
II. – Der Wandel der ökonomischen und politischen Strukturen
Tragende Elemente der Vergangenheit
Die Bedeutung von Identifikation und Motivation
Veränderungen der Arbeitsprämissen in der Wirtschaft
Der Einfluß der Demokratisierung
Das Kapital verliert an Einfluß
Neue Anforderungen an den Unternehmer
Der zukünftige Rang der sozialen Frage
Ein neues Verständnis sozialer Verantwortung
Beispiele betrieblicher Sozialpolitik
 
III. – Konsequenzen des Wandels unserer Gesellschaft
Unternehmensziele in der Vergangenheit
Die Entwicklung neuer Unternehmensziele
Das Zielverständnis in der Bertelsmann AG
Ziele der Bertelsmann AG
Die Bertelsmann Stiftung
Konsequenzen für die Führungstechnik
Die Delegation von Kompetenz und Verantwortung
Die Bedeutung der Personalarbeit im dezentral verfaßten Unternehmen
Planung und Kontrolle
Erfolgsbeteiligung der Führungskräfte
Die Motivation der Führungskräfte
Die Koordination dezentrifugaler Bestrebungen
Anwendung moderner Führungstechnik
Die Eitelkeit im Leben des Managers
Das Profil des Managers
Die originäre menschliche Eitelkeit und ihre Auswirkung auf den Manager
Der Einfluß des Selbstbewußtseins
Ist die Selbstdarstellung für den Manager eine Notwendigkeit?
Erscheinungsformen und Wirkungen der Eitelkeit
Therapien gegen die Eitelkeit
Fazit
Struktur und Stil des partnerschaftlichen Unternehmens
Das Selbstverständnis des partnerschaftlichen Unternehmens
Die Bedeutung der Harmonisierung
Selbstverwirklichung
Führung als Mandat
Die Einstellung des Vorgesetzten zum Mitarbeiter
Der Wert von Vertrauen und Kooperation
Die Kontrolle der Unternehmenskultur
Das neue Verhältnis von Arbeit, Kapital und Management
Kann das Kapital noch führen?
Der Beitrag der Politik zur Konfliktlösung
Das Mitbestimmungsgesetz aus führungstechnischer Sicht
Koordination im Aufsichtsrat?
Der Mitarbeitervertreter im Aufsichtsrat
Folgen der Parität
Der Mißbrauch der Mitbestimmung
Die Weiterentwicklung der Mitbestimmung
Die Mitsprache am Arbeitsplatz
Mitsprache im öffentlichen Dienst
Grenzen und Folgen der Mitsprache
Die Verantwortung des Staates für die Strukturen in der Wirtschaft
Zwang zum kooperativen Dialog
Die Unternehmensverfassung: Spiegel des Selbstverständnisses des Unternehmens
Die Durchsetzung der Unternehmensverfassung
Unternehmensverfassung der Bertelsmann AG
Das Unternehmen und seine Ziele
Das Unternehmen in der Gesellschaft
Das Unternehmen und seine Mitarbeiter
Leitsätze für die Führung im Hause Bertelsmann
Präambel
Organe der Führung
Grundsätze der Führung
Besetzung von Führungspositionen
Führungsverhalten
Weitere Bausteine des partnerschaftlichen Unternehmens – Soziale Hilfestellung
Materielle Gerechtigkeit
Die Finanzierung
Kapital der Aktionäre
Genußkapital
Emissionsmöglichkeiten am Kapitalmarkt
Finanzierungsbeitrag der betrieblichen Pensionsordnung
Information und Mitsprache
Satzung für die Mitarbeiterbesprechung in der Bertelsmann AG
Präambel
Mitwirkungsbereiche am Arbeitsplatz
Mitarbeiterbesprechung (MAB)
Besprechungsordnung
Information der Mitarbeiter
MAB-Beauftragter
Kooperationsvereinbarungen in der Bertelsmann AG:
Mitbestimmung in der Hauptversammlung
Mitbestimmung im Aufsichtsrat
Der Status der Geschäftsführer
Die Betriebsratsarbeit nach dem Betriebsverfassungsgesetz
Mitwirkung durch Mitarbeiterbesprechung
Die Unternehmensverfassung ruft zur Mitwirkung auf
Die Chance zum Aufstieg
Die Sicherung der Unternehmenskontinuität
Sicherung der Kontinuität der Führung – Einfluß in der Hauptversammlung der ...
Sicherung der Kontinuität des Kapitalbesitzes
 
IV. – Anforderungen an die Evolution des marktwirtschaftlichen Systems
Neue Ziele und ein neuer Führungsstil für die Tarifpartner
Neue Prämissen für die Tarifpartner
Bewertung des Zielverständnisses der Arbeitgeberverbände
Bewertung der Strategie der Gewerkschaften
Kooperative Tarifpartnerschaft
Notwendige Wandlungen des demokratischen Systems
Geringer Evolutionszwang im Staat
 
V. – Folgen und Wirkungen eines partnerschaftlichen Unternehmensverständnisses
Der Weg zur Partnerschaft
 
VI. – Neue Ziele in der Welt der Arbeit
Begründung des Erfolgs der Marktwirtschaft
Bilanz der Sozialen Marktwirtschaft
Neue Arbeitsprämissen für die Wirtschaft
Welche Ziele bewegen die Wirkungsfaktoren Kapital, Führung und Arbeit? – Das Kapital
Bedeutung und Wirkungsweise der Führung
Bedingungen und Selbstverständnis des Faktors Arbeit
Fazit
Fortschreibung der Ziele von Kapital, Management und Arbeit
Ist das Leitbild der unternehmerischen Führung überholt?
Fazit
Hindernisse bei der Erarbeitung neuer Ziele in der Wirtschaft
 
VII. – Freiheit für den kreativen Menschen
Kreativität in der Wirtschaft
Kreativität im Staat
Kreativität in der Politik
1. Beispiel: Lernen aus der Entwicklung der Führungstechnik
2. Beispiel: Einführung von Wettbewerb als Reformauslöser
Sind Adaptionen im politischen Bereich möglich?
Welche Führungs- und Ordnungsstrukturen brauchen wir in der Zukunft?
 
Copyright
Vorwort zur vierten Auflage
Nach drei vergriffenen Auflagen liegt nun eine neue, erweiterte Auflage des Buches vor. Manche Beiträge sind noch in den achtziger Jahren verfaßt worden. Dennoch habe ich bei erneuter Lektüre festgestellt, daß sie keineswegs an Aktualität eingebüßt haben. In der Zwischenzeit haben sich die Intensität des Wettbewerbs und die globale Kooperation verstärkt. Die in vielen modernen Gesellschaf ten auftretenden Krisenerscheinungen sind nicht unabwendbar. Sie erinnern uns jedoch daran, daß zur Sicherung von Wettbewerbs- und Evolutionsfähigkeit unserer Wirtschaft, des Staates und der Politik vermehrt Anstrengungen erforderlich sind. Die Tendenz zum Beharren und zur Wahrung von Besitzständen und Gewohnheiten muß überwunden werden!
Meine Unternehmensstrategie setzt bei der Notwendigkeit an, die Ziele der Wirtschaft neu zu definieren und dabei das Selbstverständnis aller Beteiligten zu berücksichtigen. Die zur Umsetzung erforderlichen Instrumente heißen »Unternehmenskultur« und »moderne Führungstechnik«. Die dabei zu realisierende Dezentralisation setzt die Identifizierungsmöglichkeit mit der Aufgabenstellung voraus. Neue Entwicklungen, insbesondere in den USA, beweisen die Richtigkeit des Konzepts.
Als aktuelle Ergänzung habe ich zwei Aufsätze hinzugenommen: Zum einen »Die Eitelkeit im Leben des Managers«, die nicht selten zu verheerenden Folgen in der deutschen Wirtschaft geführt hat; zum anderen »Freiheit für den kreativen Menschen«, eine Maxime, die im Kontext unserer bürokratisierten Strukturen von höchster Aktualität ist.
Ich hoffe, daß die in der erweiterterten vierten Auflage meines Buches dargestellten Überlegungen zur Systemfortschreibung in Wirtschaft und Gesellschaft beitragen.
 
Reinhard Mohn
Gütersloh, im März 1996
I.
Einleitung
Die Bedeutung von gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Strukturen
Ein Rückblick auf die geistigen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen unseres Jahrhunderts macht deutlich, daß der Wandel zu einem Charakteristikum unserer Zeit geworden ist. Mehr Wissen, intensiver Wettbewerb und höhere Ansprüche der Menschen haben eine Evolutionsgeschwindigkeit ausgelöst, die in früheren Jahrhunderten unbekannt war. Mit dieser Evolution Schritt zu halten, ist zu einer großen Herausforderung für die Menschheit geworden. Von der Befähigung, die sich uns stellende Aufgabe zu bewältigen, werden die Sicherheit und der Lebensstandard der Völker abhängen. Wer glaubt, sich dem globalen Wettbewerb der Systeme und der konkurrierenden Leistungsfähigkeit entziehen zu können, wird ins Abseits der Entwicklung geraten. Die betroffenen Völker werden sich in der Folge mit einem verringerten Freiheitsspielraum und Lebensstandard zufriedengeben müssen.
Die Entwicklungsgeschwindigkeit in den verschiedenen Lebensbereichen ist in unserer Zeit unterschiedlich. Sie hängt wesentlich ab von der Befähigung der Ordnungssysteme, Evolutionen auszulösen und zu gestalten. Dieser Prozeß wird gefördert durch den Wettbewerb der Leistungen. Wo Fehlverhalten und Stagnation nicht durch harte Sanktionen korrigiert werden, hat die Evolution keine Chance. Zur Verdeutlichung dieser Auffassung sei auf die geistige, politische und wirtschaftliche Situation in Monopolstrukturen hingewiesen. Gerade in unserer Zeit muß deutlich sein, daß Flexibilität und menschengerechte Weiterentwicklung der Ordnungssysteme eine Prämisse der Existenz geworden sind.
Die Menschen erfassen diese Abhängigkeiten nur undeutlich. Ihre Unzufriedenheit richtet sich in erster Linie gegen die Relikte überholter Strukturen. Sie zweifeln an der Kompetenz der politischen Führung und staatlichen Verwaltung. Sie beklagen den geringen Spielraum der Selbstverwirklichung in der Welt der Arbeit. Die frühere religiöse und ethische Orientierung des Menschen ist einem geistigen Vakuum gewichen. So wächst der Zweifel, ob der Fortschritt und die vielerlei neuen Erkenntnisse und Möglichkeiten unserer Zeitepoche wirklich zu einem menschenwürdigeren Leben führen. Für diese Situationsanalyse will ich nachstehend einige Beispiele aufführen.
Mit Recht sind wir stolz auf unseren demokratischen Staat. Dieses politische Ordnungssystem entspricht dem Staatsverständnis des heutigen Menschen. Gleichzeitig und auch mit gutem Grund tadeln wir aber die mangelnde Leistungsfähigkeit der demokratischen Gesellschaftsordnung. Weil in der Politik nicht konsequent, qualifiziert und vorausschauend gehandelt wird, können viele Aufgabenstellungen nicht angemessen gelöst und Fehlentwicklungen nicht verhindert werden. Ist aber dieser Tatbestand wirklich ein unvermeidliches Resultat demokratischer Ordnung? Sollten wir nicht die Frage aufwerfen, ob ein verbessertes, weiterentwikkeltes Demokratieverständnis zu befriedigenderen Leistungen führen könnte? Sind die Staatsverschuldung, der Mangel systematischer Personalarbeit im Führungsbereich, eine antiquierte Führungstechnik und die Bürokratie der staatlichen Verwaltung wirklich systemimmanente Bestandteile der Demokratie?
Für mich gibt es auf solche Fragen eine klare Antwort: Die Demokratie kann und muß weiterentwikkelt werden. Kein Ordnungssystem darf beanspruchen, sakrosankt oder endgültig zu sein. Es muß seine Zielsetzungen ebenso wie seine Resultate hinterfragen lassen. Das gilt auch für den demokratischen Staat. Gewiß werden dann Gewohnheiten in Frage gestellt, keineswegs aber die demokratische Ordnung. Im Gegenteil: Die Erhaltung unserer demokratischen Gesellschaftsordnung hat den systemkritischen Dialog zur Voraussetzung.
Ein gleichartiger Besinnungsprozeß erscheint mir auch erforderlich in bezug auf das sicherlich richtige Streben des Menschen nach Selbstverwirklichung. Der heutige Mangel an ethischer Orientierung zeitigt an dieser Stelle verhängnisvolle Mißverständnisse und Folgen. Selbstverwirklichung wird allzu oft als isolierte Durchsetzung eigener Interessen verstanden. Die natürliche Abhängigkeit des einzelnen von der Gemeinschaft glaubt man vernachlässigen zu können. Die Resultate einer solchen Lebensorientierung beobachten wir täglich in Form zunehmender Egozentrik und gemeinschaftsfeindlichen Egoismus. Alle Sonntagsreden können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Rücksichtslosigkeit in unserer Zeit ebenso zunimmt wie menschliche Isolierung und Enttäuschung. Daß Gemeinschaft halten dem Wesen des Menschen gemäß ist und damit seinem Ziel der Selbstverwirklichung entspricht, wird nicht erfaßt. Dann kann es nicht verwundern, wenn viele Menschen es ablehnen, die Gesetze der Gemeinschaft aktiv und passiv zu befolgen. Wir wollen der Gemeinschaft nicht wieder einen überhöhten Rang zuweisen, aber man muß doch begreifen, daß Selbstverwirklichung und menschliche Gemeinschaft einander bedingen. – Wo ist aber die Instanz, welche diese Erkenntnis durchsetzt? Ist es das Elternhaus, die Schule, die Kirche, oder sind es die Politiker? Glauben wir wirklich, daß junge Menschen ihre Lebensorientierung und insbesondere ihre Gemeinschaftsbindung ganz auf sich allein gestellt finden können? Sollten wir wirklich auf eine ethische und philosophische Orientierungshilfe verzichten?
Wirtschaft und Staat liefern für den Einfluß sachgerechter Ordnungssysteme besonders anschauliche Beispiele. In der Wirtschaft haben sich die Voraussetzungen der Tätigkeit in einem Jahrhundert entscheidend verändert. Umfang und Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung sind mit früheren Verhältnissen kaum noch vergleichbar. Ein unbarmherziger internationaler Wettbewerb sorgt für die Evolution der Arbeitsverfahren und der Ordnungssysteme. In schneller Folge sind hier beachtliche Fortschritte gemacht worden. – Im Bereich der staatlichen Zuständigkeit ist die Fülle der Aufgaben in gleicher Weise gewachsen. Hier aber gibt es kaum Sanktionen für Fehlverhalten, und da auch noch der Wettbewerb fehlt, bleiben die notwendigen Systementwicklungen aus. So hat die Ineffizienz unseres Staates bereits unglaubliche Dimensionen angenommen. Die Unzufriedenheit der Bürger unseres Staates hat wahrhaftig gute Gründe. Viele Elemente staatlicher Führungs- und Verwaltungspraxis entstammen dem vorigen Jahrhundert. So richtig und fortschrittlich sie damals waren, so unbrauchbar sind sie heute. Ihre Auswirkungen stellen eine schwere Belastung für das Staatsverständnis des demokratischen Bürgers dar. Wenn aus dieser Situation nicht in absehbarer Zeit Konsequenzen gezogen werden, wächst die Gefahr, daß die Glaubwürdigkeit des demokratischen Ordnungssystems in Frage gestellt wird.
Um es ins Allgemeine zu wenden: Ich möchte herausstellen, daß die Befähigung zur Evolution von Ordnungssystemen in unserer Zeit entscheidend für den Erfolg ist. Es ist bedauerlich, daß diese Tatsache weithin nicht erfaßt wird. Die Unbeweglichkeit unseres Denkens und das Festhalten an Gewohnheiten beschwören Versagen und Gefahr herauf. Das gilt für alle Bereiche unserer Kultur. – Dieses Buch will sich vorrangig mit den Ordnungsstrukturen im Bereich eines Wirtschaftsunternehmens befassen. Die vom Staat gesetzten und einflußnehmenden Rahmenbedingungen, die Aufgaben der Tarifparteien und das Verhalten des Staates selbst werden angesprochen, soweit sie Einfluß auf die Arbeit des Unternehmens haben.
II.
Der Wandel der ökonomischen und politischen Strukturen
Das im Jahr 1985 gefeierte hundertfünfzigjährige Jubiläum des Hauses Bertelsmann gab mir Veranlassung, über die Gründe der Kontinuitätsbefähigung dieses Unternehmens nachzudenken. An existenzbedrohenden Schwierigkeiten und Gefahren hat es im Verlauf der Geschichte des Verlages wahrhaftig nicht gefehlt. Aber alle Krisen konnten nach meiner Meinung immer wieder überwunden werden, weil die Zielsetzung und Haltung der Verleger des Hauses Bertelsmann der Aufgabenstellung entsprachen. Diesen Männern ging es gewiß nicht nur um Geld, obwohl die Bestreitung des Lebensunterhaltes für meine Vorfahren oft schwer genug gewesen ist. Ihre Lebensarbeit war vielmehr ausgerichtet auf das Wohl und die Bedürfnisse der Menschen ihrer Zeit. Ihr Bemühen galt dem Leser der Verlagsprogramme, den Bürgern unserer Stadt und den Mitarbeitern des Betriebes. Ihr Berufsverständnis scheiterte nicht an Kriegen, Verboten und Wirtschaftskrisen. Das Bemühen, dem Menschen zu helfen, erwies sich immer wieder als eine beständige Quelle der Kraft. Die Mitarbeiter des Hauses respektierten diese Haltung und standen in schwerer Zeit treu zum Unternehmen. Die Kontinuität des Hauses Bertelsmann steht deutlich im Zusammenhang mit solchen menschlichen Bezügen.
Tragende Elemente der Vergangenheit
Mir scheint, daß ein ethisch bestimmtes Fundament für ein Unternehmen auch in unserer Zeit nicht an Bedeutung verloren hat. Wichtiger als unternehmerische Werkzeuge, wie Kapital und Führungstechnik, ist noch heute die Ausrichtung der Unternehmenszielsetzung auf den Menschen. Jedes Unternehmenskonzept muß hier seinen Anfang nehmen. Gewiß, mir ist deutlich, daß neben ethischen Zielsetzungen heutzutage vielerlei Neuerungen in unseren Denkweisen und Gewohnheiten notwendig sind. Dies gilt für unsere Produktionsanlagen und Arbeitsverfahren. Aber auch die Relationen der Wirkungskomponenten von Kapital, Arbeit und Führung müssen überprüft werden. Liebgewordene Vorstellungen, wie die Wahrung der Familientradition in der Führung eines Unternehmens, sind fragwürdig geworden. Die Gewerkschaften müssen erkennen, daß Umverteilung und Klassenkampf nicht mehr weiterführen. Die Unternehmer und Manager sollten ihre Aufgabe eher als ein Mandat der Gesellschaft verstehen als als einen auf Besitz beruhenden Anspruch. Vielerlei Wandlungen sind noch zu bewältigen.
Als Fazit scheint aber die Erkenntnis Bestand zu haben, daß eine klare, auf den Menschen ausgerichtete Zielsetzung das beste Fundament einer beständigen und erfolgreichen Unternehmensentwicklung darstellt. Bei der Betonung ethischer Grundlagen ist mir deutlich, daß Ordnungssysteme auch geeignet sein müssen, den gestellten Aufgaben zu entsprechen. Dabei muß der Grundsatz beachtet werden, daß Systeme dort ihre Grenzen haben, wo ihre Auswirkungen gegen elementare Eigenarten menschlichen Wesens verstoßen. Die bestgemeinten politischen, religiösen und wirtschaftlichen Systeme sind zum Scheitern verurteilt, wenn sie den Menschen überfordern.
Die Bedeutung von Identifikation und Motivation
Eine andere Prämisse für Ordnungsstrukturen innerhalb eines Unternehmens ist in unserer Zeit neu hinzugekommen. Um die unverzichtbare Kreativität zur Weiterentwicklung des Arbeitsprozesses zu wekken, bedarf es bei den Mitarbeitern der Identifikation mit der Aufgabenstellung. Auch die Leistungsbereitschaft am Arbeitsplatz hängt von einer entsprechenden Motivation entscheidend ab. An dieser Stelle ist ein Blick auf die demokratische Gesellschaftsordnung lehrreich. Nur wenn der demokratische Staat die Politik nach der Meinung der Wählermehrheit ausrichtet, ist er handlungsfähig. In der Wirtschaft heißt das in ähnlicher Weise, daß die Menschen den Sinn ihrer Berufsarbeit verstehen und akzeptieren müssen, wenn ihr Unternehmen erfolgreich sein will.
Die Abhängigkeit von der Motivation der Menschen ist nicht zu allen Zeiten ein Kriterium der Funktionstüchtigkeit eines Systems gewesen. Früher war es möglich, über lange Zeiträume mit Gewalt und Zwang Ordnungen durchzusetzen und in ausreichendem Umfang leistungsfähig zu gestalten. Dabei muß es uns aber deutlich sein, daß die Voraussetzung für die Funktionstüchtigkeit solcher Systeme eine relativ unentwickelte Kultur und eine minimale Evolutionsgeschwindigkeit in allen Lebensbereichen waren. Diese Voraussetzungen sind in unserer Zeit nicht mehr gegeben, und dementsprechend werden autoritäre Strukturen an Bedeutung und Wirksamkeit verlieren. Ein solcher Entwicklungsprozeß braucht naturgemäß Zeit.
Diese neuen Bedingungen unserer Existenz müssen begriffen und erlernt werden. Falsches Traditionsverständnis, die Neigung, auf liebgewordenen Gewohnheiten zu beharren, die Abneigung, Neues zu erlernen, stellen bei diesem Prozeß erhebliche Hindernisse für die Entwicklung dar. Auch menschlich begründete Erschwernisse ergeben sich zum Beispiel bei Führungskräften, wenn sie mühsam erworbene Rechte im Rahmen der heute notwendigen Delegation von Verantwortung auf andere Menschen und Instanzen übertragen müssen. Für Führungskräfte bedeutet dieser Verzicht um des Erfolges willen eine beachtliche menschliche Herausforderung. Ich glaube, daß für die meisten Unternehmer die freiwillige und bewußte Beschränkung der Macht sogar schwieriger ist als beispielsweise die Beteiligung der Mitarbeiter am Gewinn ihres Unternehmens.
Die Notwendigkeit einer Berücksichtigung menschlicher Eigenart und Motivation sei an einigen Beispielen erläutert. Dem Marxismus möchte ich ursprüngliche humane Zielsetzungen nicht absprechen. Seine Einschätzung des menschlichen Wesens war aber sehr unrealistisch. Kein Ordnungssystem kann auf die Dauer Bestand haben, welches den Menschen falsch einschätzt und seine angeborenen Impulse so unterdrückt, wie das in den kommunistischen Ländern geschieht. Auch aus diesem Grund ist die Planwirtschaft zum Scheitern verurteilt.
Dieses theoretisch perfekte Ordnungssystem versagt, weil es die Motivation der Menschen vernachlässigt und außerdem den Schwierigkeitsgrad der Steuerungsaufgabe völlig unterschätzt.
In diesem Zusammenhang sind auch die jugoslawischen Erfahrungen mit der Selbstverwaltung in der Wirtschaft lehrreich. Zu all den Handikaps der Planwirtschaft kommt dort noch die Unfähigkeit des von demokratischen Entscheidungsstrukturen stark abhängigen Systems, qualifizierte Führungseliten auszubilden. So führen vorwiegend theoretisch entwickelte Systeme selbst mit gut gemeinten Absichten oft zum Scheitern, und die betroffenen Menschen haben die bedauerlichen Folgen zu tragen.
Ein weiteres Beispiel aus unserer staatlichen Verwaltungspraxis: Dort kommt es aus anderen Gründen zum Konflikt zwischen einem starren Ordnungssystem und den gestellten Anforderungen. Manche unserer Politiker und auch die staatliche Hierarchie scheinen davon überzeugt zu sein, daß der sicherlich richtige Gleichheitsgrundsatz aller Bürger gegen die Anwendung moderner Führungstechnik spricht. Das führungstechnische Prinzip der Delegation von Verantwortung und leistungsgerechter finanzieller Anreizsysteme ist im staatlichen Zuständigkeitsbereich nicht sehr verbreitet. Entsprechend sieht es mit der Motivation, der Leistung und Kreativität unserer Beamten aus. Jeder sieht Fehler im System – ohne sie abstellen zu können. Also tut man zunehmend »Dienst nach Vorschrift«.
Sicherlich war es ursprünglich richtig, die Arbeit der staatlichen Verwaltung auf das Pflichtbewußtsein der Beamten zu gründen. Dieses Konzept setzt aber relativ statische Verhältnisse, das heißt einen geringen Wandel in der Bewältigung hoheitlicher Funktionen, voraus. Heute gibt es diese Prämissen nicht mehr. Alle Bereiche des menschlichen Lebens sind in unserer Zeit vom schnellen Wandel erfaßt. Auch unsere staatlichen Organe müssen sich dem anpassen und flexiblere Strukturen entwickeln. Es wird sich zeigen, ob unsere Bürger auf Dauer die bald nicht mehr zu bezahlende staatliche Bürokratie mit ihrer scheinbaren Perfektion höher einschätzen als Leistungsfähigkeit, Sparsamkeit und Flexibilität.
In einer Zeit weltweiter Kommunikation ist es zum ersten Mal möglich – und gleichzeitig hochinteressant -, die Ergebnisse unterschiedlicher Ordnungssysteme zu beobachten. Wer dieses tut, wird schnell erkennen, daß konservative, dogmatische und zentralistische Ordnungsstrukturen den Aufgaben dieser Zeit nicht mehr gewachsen sind.
Jedes Ordnungssystem, das Leistungsfähigkeit und Kontinuität anstrebt, muß von der Zustimmung des Menschen getragen werden. Anders ausgedrückt: Es muß den originären Zielsetzungen und Veranlagungen des Menschen entsprechen. Und noch einmal sei in diesem Zusammenhang herausgestellt, daß Ordnungssysteme niemals einen endgültigen Charakter haben. Sie müssen der jeweils gestellten Aufgabe ihrer Zeit gerecht werden und entsprechend wandlungsfähig sein.
Eine wichtige Prämisse für die Evolutionsfähigkeit der Systeme ist eine Ordnungsstruktur, die Wandlungen begünstigt und qualifizierte Führungskräfte in die richtigen Schaltstellen transportiert. Negativ ausgedrückt bedeutet dies, daß auf die Zukunft ausgerichtete Strukturen in der Lage sein müssen, antiquierte oder falsche Lösungen auszumerzen. Dies gilt insbesondere für die personelle Komponente der Führung, die ohnehin auf den Erfolg jeglicher Organisation den entscheidenden Einfluß hat. Darüber hinaus muß man sich bewußt sein, daß die Zunahme des Wissens und der Druck des Wettbewerbs die Evolutionsgeschwindigkeit in allen Lebensbereichen ständig erhöhen. Oft genug sehen wir, wie die Befähigung des Menschen, sich neuen Gegebenheiten anzupassen, der Entwicklung hinterherhinkt.
In der Tat hat es eine solche Herausforderung durch die Evolution in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben. Gewiß ist es bequemer, sich dem Entwicklungstrend zu entziehen; wer die menschliche Natur kennt, wird das verständlich finden. Aber diese Verweigerungshaltung ist wenig realistisch. Zwar sollten wir nicht ohne Not bewährte Gewohnheiten und Auffassungen aufgeben. Aber wir müssen den Mut haben, uns mit den Gegebenheiten unserer Zeit und ihren Entwicklungen auseinanderzusetzen. Dies ist oft schwierig und manchmal ärgerlich – letzten Endes aber doch wohl dem Wesen menschlicher Natur gemäß.
Veränderungen der Arbeitsprämissen in der Wirtschaft
Aus heutiger Sicht präsentiert sich uns das 19. Jahrhundert als die Gründerzeit der modernen Wirtschaft. Vermehrte naturwissenschaftliche Kenntnisse, maschinelle Fertigungsverfahren und rasch wachsende Märkte ließen Produktionsanlagen riesigen Ausmaßes entstehen. Im Vergleich zu heute war die unternehmerische Aufgabe noch relativ einfach. Starke und kreative Persönlichkeiten konnten ganz auf sich gestellt große Wirtschaftseinheiten erfolgreich führen. Die Korrektur des Wettbewerbs war gering und der Faktor Arbeit billig. Bei traumhaften Gewinnspannen und geringer Steuerbelastung ließ sich das erforderliche Kapital schnell bilden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht war zwar auch damals die Bereitstellung von Dienstleistungen und Produkten für die Gesellschaft ein übergeordnetes Ziel des Wirtschaftens.
Diese Definition würde aber wohl kaum dem Selbstverständnis des Unternehmers im 19. Jahrhundert oder auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts entsprochen haben. Zu jener Zeit empfand der Unternehmer seine Tätigkeit als ein Stück Selbstverwirklichung. Er wollte gestalten, Erfolg haben und auch Geld verdienen, und er schätzte die sich dabei am Rande ergebenden Attribute wie Macht und Ansehen. Gewiß hat es auch seinerzeit bei manchem Unternehmer ein Gefühl für die gesellschaftliche und soziale Verantwortung seines Wirkens gegeben. In den meisten Betrieben hatte der Faktor Arbeit aber lediglich eine Ersatzfunktion für Tätigkeiten, die maschinell noch nicht besser bewältigt werden konnten. Um Erfolg zu haben, galt es, die Kosten des Faktors Arbeit zu reduzieren. Das gelang in der Tat in beängstigender Art und Weise!
Zu dieser Analyse der Motivation und der Arbeitsprämissen des Unternehmers gehört eine Betrachtung der Lebensverhältnisse des arbeitenden Menschen im 19. Jahrhundert, für den der Besitz einer Arbeitsstelle in der Industrie ein schmales, oft kaum ausreichendes Einkommen bedeutete. Wer keinen Arbeitsplatz finden konnte, verfiel einer Armut, die uns im Zeitalter der sozialen Marktwirtschaft kaum noch vorstellbar ist. Über die Existenzerhaltung hinaus dürften den damaligen Arbeiter – was sein berufliches Tun anlangt – kaum positive Motive bewegt haben.
Der Einfluß der Technisierung und die sich rasch vergrößernden Märkte multiplizierten die Konsequenzen des kapitalistischen Systems. Die Unternehmen wuchsen zu riesigen organisatorischen Einheiten. Die Ansammlung von Kapital und Macht in der Industrie nahm gewaltige Dimensionen an. Die Position des arbeitenden Menschen verbesserte sich aber trotz des zunehmenden Wohlstands bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts kaum. Im Gegenteil: Die neuen Produktions- und Rationalisierungsmöglichkeiten verschlechterten eher die Existenzbedingungen des Arbeiters. Die Betrachtung des Selbstverständnisses der Unternehmer und der Relation von Kapital und Arbeit führte bald an den Rand einer vorrevolutionären gesellschaftlichen Situation.
Der Einfluß der Demokratisierung
Nur der parallel verlaufenden Demokratisierung der Gesellschaft in den westlichen Ländern ist es zu verdanken, daß in der Wirtschaft der Übergang zu einem evolutionären Prozeß gefunden werden konnte. Neue politische Parteien und die sich allmählich durchsetzenden Gewerkschaften leiteten einen Wandlungsprozeß ein, durch den der Mensch wieder in den Mittelpunkt wirtschaftlicher Tätigkeit gestellt wurde.
Dieser Evolutionsprozeß bis zum heutigen Konzept der sozialen Marktwirtschaft war schwierig und voller Auseinandersetzungen. Aber er war in der westlichen Welt erfolgreich in dem Sinne, daß die Grundelemente des kapitalistischen Systems auch in einer humaneren Gesellschaftsordnung erhalten blieben. Die Steuerung von Produktion und Warenverteilung erfolgte weiterhin nach den Prinzipien der Effizienz und Rentabilität. Der Marktmechanismus steuerte die Evolution sinnvoll und demokratisch zugleich. So entwickelte sich ein Wirtschaftssystem, welches Humanität mit Leistungsfähigkeit verband und unter dem Druck des Wettbewerbs evolutionsfähig blieb.
Ganz anders verlief zur gleichen Zeit dieser Prozeß in den Ostblockländern. Dort wurden die alten autoritären Herrschaftsstrukturen der Vergangenheit im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwar ausgewechselt, letzten Endes aber nicht abgelöst. Sie blieben vielmehr in den zentralistischen Strukturen der sozialistischen Einheitsparteien erhalten. So entstanden der Staatskapitalismus und die zentralistische Planwirtschaft.
Erst langsam wird in unserer Zeit den Machthabern im Osten deutlich, daß ihre Wirtschaftsordnung durch die gestellten Aufgaben überfordert ist. Man beginnt zu verstehen, daß Kreativität und Einsatzbereitschaft auf Dauer nicht befohlen und Anreize durch politische Dogmen nicht ersetzt werden können. So überrascht es nicht, daß überall zaghaft die ersten Ansätze sichtbar werden, die natürlichen menschlichen Anlagen wieder in die Wirtschaftsordnung einzubeziehen. Den Völkern im Ostblock steht in dieser Hinsicht noch ein weiter Weg der Erkenntnis und der Realisierung bevor. Selbst ein Jahrhundert ist für einen solchen Entwicklungsprozeß nur eine kurze Zeitspanne.
Im Westen haben sich in unserem Jahrhundert die Prämissen für die Arbeitsweise des Unternehmens wesentlich verändert. Der Entscheidungsfreiraum des Unternehmers wurde im Rahmen des Harmonisierungsprozesses intern und extern erheblich eingeschränkt. Parallel dazu ergab sich eine erhebliche finanzielle Belastung der Unternehmen zugunsten der Mitarbeiter und des Staates. Diese Kosten ebenso wie die Folgen des Wettbewerbs reduzierten die Gewinnspanne in der Wirtschaft. Darüber hinaus verlangten die Interessen der Gesellschaft auch eine öffentliche Rechtfertigung der Tätigkeit des Unternehmers.
Solche Entwicklungen und insbesondere der Evolutionszwang eines immer härteren Wettbewerbs gestalteten die Führungsaufgabe immer schwieriger. Für nicht wenige Unternehmer bedeutete dies schließlich Überforderung und Demotivation. Denn während auf der einen Seite vom Unternehmer ein immer höherer Einsatz verlangt wurde, verlor seine Tätigkeit auf der anderen Seite einen wesentlichen Teil ihrer ursprünglichen Attraktivität, nämlich die Möglichkeit zur Gestaltung eines relativ großen Freiraums.
Das Kapital verliert an Einfluß
Auch für den Einfluß des Kapitals haben sich die Prämissen verändert. Verallgemeinernd können wir eine Tendenz feststellen, die aus dem Kapital herzuleitenden Rechte einzuschränken. Was damit gemeint ist, zeigt ein Blick auf die vielerlei gesetzlichen Regelungen im Bereich der Sozial-, Steuer- und Kartellpolitik. Auch das Mitbestimmungsgesetz gehört in diesen Zusammenhang. Während die sich weiterentwickelnden Arbeitsprämissen der Wirtschaft einen zunehmenden Kapitalbedarf der Betriebe bedingen, wird gleichzeitig die Entstehung neuen Kapitals bei den früheren Besitzern außerordentlich erschwert. Die Besteuerung der Gewinne, des Vermögens und der Erbschaften zehrt an den ererbten Vermögen und behindert das Entstehen neuer. So ist es nicht verwunderlich, daß kaum noch ein Unternehmer beziehungsweise eine Familiengesellschaft den sich stellenden finanziellen Anforderungen gerecht werden kann.
Nun sind die finanziellen Sorgen des Unternehmers natürlich nicht ohne weiteres identisch mit den Sorgen seines Unternehmens. In unserer Zeit gibt es vielerlei andere und ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten. Der Prozeß der Umstellung der Unternehmensfinanzierung vom Alleinbesitz auf andere Finanzierungsarten vollzieht sich langsam. Als Motor dieser Entwicklung erweisen sich auf der einen Seite die Steuerbelastung und andererseits der zunehmende Finanzbedarf der Firmen. Die verständlichen menschlichen Widerstände des Unternehmers gegenüber fremdem Kapital treten langsam zurück vor dem Funktionsanspruch des Unternehmens.
Die Minderung der Berechtigung zur Führung allein aufgrund von Kapitalbesitz hat im übrigen gravierende ordnungspolitische Aspekte. Es war ja gerade ein entscheidendes Element des kapitalistischen Systems, daß die Steuerung der Betriebe vom Gewinnstreben beeinflußt wurde. Wenn aus durchaus richtigen gesellschaftspolitischen Gründen heute eine breitere Streuung des Kapitalbesitzes erstrebt wird, so müssen wir doch zur Kenntnis nehmen, daß sich als Nebenprodukt eine Verschlechterung des kapitalistischen Systems ergeben kann.
Die Aufspaltung von Eigentum und Führung hat weitreichende Folgen. Die Identität der Interessen der Aktionäre und der Unternehmensführung nimmt deutlich ab. Ein nicht am Kapital beteiligter Manager ist geneigt, ganz anderen subjektiven Zielen Priorität einzuräumen. Während zum Beispiel der Unternehmer den Erfolg seiner Arbeit im wesentlichen mit dem erzielten Gewinn definierte, ist der heutige Manager häufig mehr an der Größe seines Umsatzes und der daraus resultierenden öffentlichen Anerkennung interessiert. – Es ist zwar richtig, daß ein qualifizierter Manager für das Unternehmen von größerer Bedeutung ist als die Aufrechterhaltung einer Familientradition. Dieses Argument mindert aber nicht die Sorge bezüglich der nachlassenden Steuerungsfähigkeit des kapitalistischen Systems.
Mir scheint deshalb, daß wir darüber nachzudenken haben, wie wir die Funktionstüchtigkeit des Kapitals und damit auch des kapitalistischen Systems in der Zukunft sichern können. Die in dieser Hinsicht zur Zeit bestehenden Verhältnisse sind nicht besonders hilfreich. So hat zum Beispiel die Vertretung und Mitwirkung des Kapitals in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft nur noch eine sehr formale Bedeutung im Sinne der Erfüllung des Aktiengesetzes. Bei Licht besehen gilt das leider auch für eine große Anzahl von Aufsichtsräten in unserer Wirtschaft. Während die Konzeption des deutschen Aktiengesetzes eine führungstechnisch durchaus plausible Teilung der Macht an der Unternehmensspitze zwischen Aufsichtsrat / Kontrolle und Vorstand / Exekutive vorsah, sieht die Realität häufig anders aus. Nur formal wählt noch die Hauptversammlung ihre Vertreter, das heißt die Aufsichtsräte. In Wirklichkeit einigen sich über die Besetzung dieser Positionen die Vorstände mit dem Aufsichtsratspräsidium und den Inhabern der Depotstimmrechte längst vor der Hauptversammlung. Entsprechend gelangen zunehmend nur noch dem Vorstand genehme Persönlichkeiten in die Kontrollinstanz des Aufsichtsrats. Hier zeichnet sich eine Veränderung der Führungstechnik ab, die weder dem Aktiengesetz noch den Spielregeln des Kapitalismus entspricht.
Die gleiche Problematik ist auch in den USA bekannt. Dort wird bei gravierenden Führungsfehlern in großen Unternehmen deshalb häufig die Frage aufgeworfen, ob in den kontrollierenden Boards – unseren Aufsichtsräten – nicht auch Vertreter der Öffentlichkeit einen Platz haben sollten. Diese Alternative halte ich für höchst bedenklich. Die auf solche Weise nominierten Board-Mitglieder dürften nur in den seltensten Fällen die Qualifikation für ihre Aufgabe mitbringen. Richtiger erscheint mir die Suche nach einer Lösung, welche das Kapital wieder instand setzt, qualifizierter zu reagieren.
Ich vermute, daß dazu in erster Linie ein unabhängiger und qualifizierter Aufsichtsrat erforderlich ist. Die Mitglieder dieses Gremiums müßten dann allerdings sehr viel mehr Zeit und Arbeit in ihre Aufgabe investieren, als dies heute üblicherweise geschieht. Ihre Wahl dürfte nicht nur formal, sondern müßte auch faktisch durch die Vertretung des Kapitals erfolgen. Dazu wird es notwendig sein, die derzeitige Praxis des Depotstimmrechts zu überdenken und neben Banken auch Aktienfonds mit dieser Aufgabe zu betrauen. Ich denke weiter an den Ausbau der Aktionärsvereine sowie an die Einschaltung von Wirtschaftsberatungsgesellschaften. Dem Aktionär sollten aufgrund gesetzlicher Vorschriften mehr Alternativen für die Vertretung seiner Stimmrechte angeboten werden müssen, sofern er diese in der Hauptversammlung nicht selbst wahrnehmen will.
Wenn wir auf diese Weise die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder qualifizierter gestalten und die Aufsichtsratsarbeit selbst sachgerecht ausführen, besteht eine gute Chance, den Kapitaleinfluß wieder zu verstärken. Den anderen denkbaren Weg, das Instrument der Hauptversammlung, insbesondere in Publikumsgesellschaften mit starker Aktienstreuung, wieder funktionsfähig zu machen, halte ich persönlich für aussichtslos. Die jahrzehntelangen Bemühungen der Experten haben diesbezüglich keine überzeugenden Resultate gebracht. Mir scheint es deshalb nur konsequent, darüber nachzudenken, ob man nach einer sachgerechten Intensivierung der Aufsichtsratsarbeit die Institution der Hauptversammlung nicht auf die Wahl der Repräsentanten des Kapitals im Aufsichtsrat beschränken sollte. Die wenigen heute noch von der Hauptversammlung ausgeübten Funktionen könnten sehr viel besser von einem qualifizierten Aufsichtsrat wahrgenommen werden. Eine solche Weiterentwicklung erscheint mir am ehesten geeignet, den Einfluß des Kapitals auf die Führung und Unternehmenspolitik einer Aktiengesellschaft wiederzubeleben. – Angesichts der sich ständig verschlechternden Führungsleistungen des Kapitals sollten wir diese Überlegungen intensivieren.
Neue Anforderungen an den Unternehmer
Verändert haben sich in unserer Zeit aber nicht nur die Anforderungen an die Kontrolle, sondern auch die an die Führung eines Unternehmens. Während früher nicht selten die Existenz einer ausreichenden Menge von Kapital für den Erfolg einer Aktion entscheidend war, hat sich heute der Schwerpunkt auf die personelle Führungskomponente verlagert. Der Schwierigkeitsgrad im Bereich der Führung ist so erheblich gestiegen, daß nur außerordentlich qualifizierte Persönlichkeiten diesem Anspruch gerecht werden können. Das zeigt sich in unserer Zeit besonders deutlich in mittelständischen Unternehmen. Nicht mehr der Kapitalbesitz legitimiert zur Führung, sondern einzig und allein die Qualifikation, die gestellte Aufgabe zu lösen.
Viele Unternehmer, die auf eine lange Firmentradition verweisen können, möchten diese veränderte Situation nicht wahrhaben. Ihnen sei aber gesagt, daß vor ihren persönlichen Interessen das Gebot der Verfassung unseres Staates steht, welches klar sagt, daß Eigentum verpflichtet. In diesem Zusammenhang kann das bedeuten, im Interesse der Kontinuität des Unternehmens auf den Führungsanspruch der Familie zu verzichten.
Die zwangsläufig zunehmende Trennung von Kapitalbesitz und Führungsrecht mag man bedauern. Die frühere Einheit wird aber nicht aufrechtzuerhalten sein. Da ist es besser, wir erkennen die Konsequenz der Entwicklung an und bemühen uns um die Evolution des kapitalistischen Systems in dem Sinne, daß das Kapital wieder befähigt wird, die ihm zugedachte Einflußnahme sachgerecht auszuüben.