Erfolg in der chinesisch-deutschen Wirtschaftskommunikation - Enuo Wang - E-Book

Erfolg in der chinesisch-deutschen Wirtschaftskommunikation E-Book

Enuo Wang

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Beschreibung

Enuo Wang verfolgt die neuesten Entwicklungen in der chinesisch-deutschen Geschäftskommunikation und bietet uns in ihrem vorliegenden Buch eine interaktive Perspektive auf diesen wichtigen – und noch immer von vielen Missverständnissen geprägten – Bereich interkultureller Kommunikation. Das Buch setzt sich mit 12 Beispielfällen aus unterschiedlichen Bereichen praxisnah auseinander – auf den Ebenen Sach- und Beziehungsorientierung, Direktheit und Indirektheit, Hierarchie und Gesellschaftsordnung sowie Regelbefolgung und Flexibilität. In einer einzigartigen Kombination aus Theorie und Praxis verhilft uns die Autorin zu präziserer und erfolgreicherer Kommunikation in der chinesisch-deutschen wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

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Seitenzahl: 161

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Flexibilität

Hierarchie

Danksagung

I Theoretischer Teil

Kapitel 1 Kultur

Text 1: Kulturbegriff und Kulturdimensionen

Text 2: Kulturkonzepte in der internationalen Managementliteratur

Text 3: Methodologische Überlegungen

Weiterführende Literatur

Aufgaben

Kapitel 2 Vorurteile und Stereotype

Text 1: Pauschalurteile über Deutsche und Chinesen

Text 2: Umgang mit dem Anderen

Text 3: Fremdeinschätzung

Weiterführende Literatur

Aufgaben

Kapitel 3 Kommunikation

Text 1: Sprache als Mittel des Informationsaustauschs

Text 2: Kommunikationsbegriff und „Organon-Modell“ nach Bühler

Text 3: Vier-Ohren-Modell

Weiterführende Literatur

Aufgaben

Kapitel 4 Kulturschock

Text 1: Die Phasen des Kulturschocks

Text 2: China-Kompetenz

Text 3: Deutschland-Kompetenz

Weiterführende Literatur

Aufgaben

Kapitel 5 Interkulturelle Kompetenz

Text 1: Fachkompetenz

Text 2: Methodenkompetenz

Text 3: Persönlichkeit und Sozialkompetenz

Weiterführende Literatur

Aufgaben

Kapitel 6 Interkulturelles Training und Interkulturelles Lernen

Text 1: Forschungsstand zu IKT und IKL

Text 2: Der Forschungsgegenstand IKT und IKL

Text 3: Formen des IKT

Weiterführende Literatur

Aufgaben

II Trainingseinheit

Kapitel 7 Sach- oder Beziehungsorientierung

Beispiel 1: Geschäftsverhandlungen

Beispiel 2: Keine Einladung zum Abendessen als Gegenleistung, richtig?

Beispiel 3: Innerer Kreis und äußerer Kreis

Zusammenfassung

Beispielanalyse

Weiterführende Literatur

Kapitel 8 Direktheit und Indirektheit

Beispiel 1: Warum immer „Ja, gut“ gesagt und nicht diskutiert wird

Beispiel 2: Die Chinesen kommunizieren immer offener

Beispiel 3: Bescheidenheit und Höflichkeit lernen

Beispiel 4: Nächstes Mal bitte keine Geschenke

Zusammenfassung

Beispielanalyse

Kapitel 9 Hierarchie und Gesellschaftsordnung

Beispiel 1: Dialog über das Konzept der Hierarchie in der chinesischen und deutschen Geschäftskommunikation

Beispiel 2: Respekt und Ehrfurcht

Beispiel 3: Sitzordnung und Arbeitsatmosphäre

Zusammenfassung

Beispielanalyse

Kapitel 10 Regeln und Flexibilität

Beispiel 1: Wie lange dauert der Transport

Beispiel 2: Krankenversicherungen kaufen oder nicht

Beispiel 3: „Teetasse ohne Henkel“

Zusammenfassung

Beispielanalyse

Chinesische Perspektiven: Ökonomie

Impressum

ibidem-Verlag

Vorwort

Im Jahr 2021 veröffentlichte der Springer Gabler-Verlag ein interessantes Buch mit dem Titel E-Commerce Trends in China. Die Autorin, Christina Richter, ist Personal Branding- und Kommunikationsstrategin und berät Unternehmen aus aller Welt, darunter das in Shenzhen ansässige Beratungsunternehmen Azoya, das internationale Einzelhändler und Brands beim Markteintritt in China unterstützt. Sie ist Co-Autorin des Sachbuchs „Digitales China“ und ihre Mission ist es, mehr Verständnis für die wohl digitalste Gesellschaft der Welt zu schaffen.

In dem Buch schreibt sie:

„E-Commerce hat einen langen Weg zurückgelegt von Katalogen mit Bestellung per Fax hin zur Ein-Klick-Bestellung mit Lieferung am selben Tag. In China machen mobiles Konsumverhalten, der Wunsch nach Unterhaltung und eine omnipräsente Infrastruktur für mobiles Bezahlen den lokalen Einzelhandelsmarkt aus. Auch die Verknüpfung von Online und Offline gehört zum Alltag dazu und Social Commerce und Livestreaming sind heute die beste digitale Nachahmung des klassischen Stadtbummels. Und dabei sehr populär.“

Dieses Buch hat mir so gefallen, weil die Autorin die Innovation und Kreativität in Chinas Wirtschaft bemerkt hat. E-Commerce Trends in China sind ein typisches Beispiel für die Weisheit der Flexibilität in der chinesischen Kultur.

Flexibilität

Die Pandemie, die Anfang 2020 einsetzte, brachte ein neues Geschäftsmodell hervor. Als eine neue Art von E-Commerce-Marketingmodell hat die Live-Übertragung mit Waren spät begonnen, sich jedoch schnell entwickelt. Dieses E-Commerce-Marketingmodell dient jetzt in China als eine wichtige Maßnahme zur Konsolidierung der Erfolge bei der Armutsbekämpfung und zur Förderung der Strategie der Wiederbelebung des ländlichen Raums.

In letzter Zeit haben eine Reihe ausländischer Botschafter in China für viel Aufsehen gesorgt, indem sie ihre Produkte live streamten. Ob es sich nun um die tausende Pfund Kaffeebohnen handelte, die vom ruandischen Botschafter in China vermarktet wurden, oder um den Ceylon-Schwarztee, den der Botschafter Sri Lankas in China empfahl, die Produkte aus der Live-Übertragung waren in Sekundenschnelle ausverkauft, kaum dass sie in den Regalen standen. Die enorme Konsumkraft des chinesischen Marktes versetzte das Ausland in Erstaunen.

Als Bevollmächtigte ihrer Länder in China traten die Botschafter über das Streaming direkt mit den chinesischen Verbrauchern in Kontakt, was die große Bedeutung widerspiegelt, welche die Länder dem chinesischen Markt beimessen, sowie ihren Wunsch, die bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und den humanistischen Austausch zu erweitern. Einer von ihnen, der ruandische Botschafter in China, James Kimonyo, erklärte gegenüber Reportern, dass ruandische Produkte vor einigen Jahren in China nicht sehr bekannt waren, aber die Verbraucher durch die Live-Übertragung auf ruandische Produkte aufmerksam geworden seien und der Umsatz um fast 40 % gestiegen sei. Er sagte, dass die ruandische Bevölkerung sich über die Live-Übertragung von Waren in China gefreut habe und dass der Verkauf das Interesse am Anbau weiterer Produkte geweckt habe.

In Ruanda lebt einer von dreißig Menschen vom Kaffeeanbau. Die Landwirtschaft macht etwa ein Drittel des ruandischen Bruttosozialprodukts aus. 2021 verkauften sich Ruandas Agrarprodukte wie Kaffeebohnen aufgrund der Pandemie nicht gut. Um den Bauern in ihrer Heimat zu helfen, versuchte Kimonyo, die Waren per Live-Webcasting ins Land zu bringen. Bevor er seine Worte ordnen konnte, waren tausende Pfund Kaffeebohnen bereits ausverkauft.

In der Sendung „Silk Road Living Room“ von Guangdong TV wurde Kimonyo als erster afrikanischer Regierungsvertreter gefeiert, der einen chinesischen Live-Streaming-Raum betrat. Er gewann viele Likes und Follower. Allein im Jahr 2020 war er fünfmal live dabei, um ruandische Produkte zu promoten. Bei einer Live-Streaming-Veranstaltung zur Unterstützung von Landwirten teilte er sich die Bühne mit einer chinesischen Webmoderatorin, um für die ruandische Kaffeemarke „Gorilla“ zu werben, die einen Verkaufsrekord von 2.000 Packungen in fünf Minuten aufstellte; bei einer Live-Streaming-Veranstaltung mit UN-Untergeneralsekretär Virasongwe in China verkaufte sich das Gesamtkontingent von 3.000 kg Kaffeebohnen innerhalb einer Sekunde. Dies entspricht dem Umsatz des Produkts im vergangenen Jahr.

Hierarchie

Die Geschichte des Botschafters von Ruanda, der für die Waren in seiner Heimat online warb und sie in China sofort verkaufte, zeigt uns, wie Menschen aus aller Welt einander lieben. In diesem globalen Dorf kennt jeder jeden. Da es der Botschafter war, der für das Produkt warb, hatte das chinesische Volk aufgrund des Vertrauens und des Respekts, den es Anführern entgegenbringt, volles Vertrauen in die Qualität des Produkts. Das Wort „Hierarchie“, das immer negative Assoziationen hervorrief, wird in dieser Geschichte positiv interpretiert. Wenn jeder seine eigene Verantwortung übernehmen und seinen Pflichten nachkommen könnte, wie wunderbar wäre die Welt!

Nachdem im ersten Teil des Buches die grundlegenden Konzepte und Theorien der Disziplin der interkulturellen Kommunikation erläutert und erklärt werden, folgen in der zweiten Hälfte interessante Geschichten über die deutsch-chinesische Wirtschaftskommunikation in Form von „Storytelling“. Was diese Geschichten von den Fallstudien unterscheidet, ist, dass die Hauptfiguren in den Geschichten eine Sammlung von Charakteren der deutsch-chinesischen Geschäftskommunikation sind, was den Erzählstil repräsentativer macht.

Das Buch setzt sich mit zwölf Beispielfällen aus unterschiedlichen Bereichen praxisnah auseinander – auf den Ebenen Sach- und Beziehungsorientierung, Direktheit und Indirektheit, Hierarchie und Gesellschaftsordnung sowie Regelbefolgung und Flexibilität. Auf diese Weise verhilft es Ihnen zu präziserer und erfolgreicherer Kommunikation in der chinesisch-deutschen wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

 

Danksagung

Als ich vor zwanzig Jahren als Auslandsstudentin an der Universität Bonn in Deutschland studierte, schenkten mir mein Gastvater Dieter und meine Gastmutter Helga, ein Ehepaar in den Siebzigern, die größte Nestwärme. Ihr kleiner Garten ist das schönste Zuhause, an das ich mich erinnern kann. Das geschmorte Rindfleisch, das ich am Abend meiner Ankunft in Bonn im Haus meiner BFSU-Klassenkameraden, die dort studierten, aß, ist das köstlichste Essen in meiner Erinnerung. Die zwanzig Jahre der Reise durch die chinesische und deutsche Kultur haben mir beigebracht, das Leben und die Freundschaft noch mehr wertzuschätzen. Dieses Buch basiert auf meinen langjährigen theoretischen und praktischen Erfahrungen in interkulturellen Trainings in Hochschulen und Unternehmen. Die Zeit im Ausland wird von viel Verwirrung und Unverständnis begleitet. Ich hoffe, dass dieses Buch Ihnen helfen kann, eine schöne, vielfältige und abwechslungsreiche interkulturelle Reise zu erleben. Ich möchte dies nicht als Lehrbuch bezeichnen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich Ihnen, meinen Lesern, beibringe, was richtig oder falsch ist, sondern ich hoffe, dass Ihnen dieses Buch Anleitung und Inspiration bietet. Der Vergleich zwischen Kulturen dient nicht dazu, zu entscheiden, was ‚richtiger‘ und was ‚perfekter‘ ist, sondern sich gegenseitig zu erklären und zu verstehen.

ITheoretischer Teil

 

Kapitel 1Kultur

Dieses Kapitel umfasst die folgenden drei Teile: Erstens wird zunächst der Kulturbegriff aus verschiedenen Forschungsperspektiven besprochen. Zweitens geht es näher auf die Kulturkonzepte in der internationalen Managementliteratur ein, und schließlich werden methodologische Überlegungen zur Kulturforschung erörtert.

Text 1: Kulturbegriff und Kulturdimensionen

Kulturbegriff

„Kultur“ als typische Ausprägungsform einer Gesellschaft definiert der Anthropologe Marvin Harris (1989, S. 20) als „die erlernten, sozial angeeigneten Traditionen und Lebensformen der Mitglieder einer Gesellschaft einschließlich ihrer strukturierten, gleichbleibenden Weisen des Denkens, Empfindens und Handelns“. Die in diesem Sinne verstandene „Kultur“ bezieht sich auf eine innerhalb einer sozialen Gemeinschaft geteilte „Lebenswelt“ (Schütz & Luckmann, 1975), die mit bestimmten Mustern des Denkens, Fühlens und Handelns einhergeht, die über die einer Gesellschaft je eigenen Symbole erworben und weitergegeben werden (vgl. Kroeber & Kluckhohn, 1952, S. 181). Für die Angehörigen einer Kultur sind diese Muster häufig nicht explizit abrufbar, sondern stellen nur implizit als „Selbstverständlichkeiten“ (Hofstätter, 1966, S. 57) die Grundlage für ein sinnhaftes, plausibles und weitgehend routinemäßiges Handeln bereit.

Die einer Gesellschaft eigene Lebenswelt hat sich als Folge der Auseinandersetzung der Menschen mit ihrer biologischen Ausstattung, den umgebenden geografischen Bedingungen und den jeweiligen sozialen Gegebenheiten herausgebildet.

Im Laufe seiner individuellen Entwicklung, der sogenannten Ontogenese, wächst der Mensch in die ihn umgebende Lebenswelt hinein. Dieses Hineinwachsen, die sogenannte Enkulturation, muss als dynamischer Prozess betrachtet werden, bei dem Kultur und Individuum in Wechselwirkung stehen: Einerseits trifft das Individuum diese Lebenswelt in Gestalt von Institutionenund Instanzen wie etwa Schule, Eltern, Lehrern und Gleichaltrigen an, andererseits wird es selbst Teil dieser Lebenswelt und kann diese aktiv mitgestalten. “Kultur” muss also sowohl als “Produkt” als auch als “Prozess” betrachtet werden.

Kulturdimensionen

Ausgangspunkt des niederländischen Forschers Geert Hofstede (vgl. Hofstede & Hofstede, 2006) war die Annahme, dass alle Gesellschaften mit ähnlichen Grundproblemen konfrontiert sind, zu deren Lösung sie aber unterschiedliche Antworten gefunden haben. Neben Hofstede führten auch Schwartz, GLOBE, Trompenaars und Hall Studien zur Beschreibung und Klassifikation der Kultur durch. Je nach Herangehensweise, einbezogenen Lebensbereichen, untersuchten Stichproben und Zeitraum der Datenerhebung wurden unterschiedliche kulturunterscheidende Faktoren definiert, doch sind auch die Ähnlichkeiten nicht zu übersehen. Tabelle 1.1 verdeutlicht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Theorien. Keines der dargestellten Klassifikationssysteme ist zur Beschreibung von Kulturen als erschöpfend zu betrachten.

Tabelle 1.1: Beschreibung und Klassifikation der Kulturen

(Mit freundlicher Genehmigung von Hede Helfrich © Helfrich (2013), S. 21 und S. 66.)

Die Begriffe Kultur, (soziale) Diversität, Akkulturation und interkulturelle Trainings werden in vielen verschiedenen Bereichen benutzt. Je nach Verwendungskontext kann sich ihre Bedeutung unterscheiden, weshalb es keine allgemeingültigen Definitionen gibt. Dieses Kapitel erläutert grundlegende Begrifflichkeiten im Rahmen von interkulturellen Trainings.

In diesem Buch wird Kultur als Lebenswelt einer sozialen Gruppe oder Community aufgefasst, die durch gemeinsame Interpretationsmuster, Normen, Werte, Praktiken und Gewohnheiten gekennzeichnet ist, die sich auf der Grundlage gemeinsamer Erfahrungen entwickelt haben (Lott, 2010). Jede Person gehört gleichzeitig unterschiedlichen Kulturen an (z.B. einer ethnischen Gruppe, einem Geschlecht, einer Berufsgruppe, einer bestimmten Weltanschauung etc.). Dieses einzigartige und komplexe multikulturelle Selbst beeinflusst, wie wir uns selbst sehen, wie wir Ereignisse interpretieren, welche Überzeugungen wir zu anderen Personen vertreten und wie wir uns ihnen gegenüber verhalten (Lott, 2010). Der Einfluss der unterschiedlichen Kulturen ist individuell verschieden und kann für dieselbe Person über die Zeit sowie in Abhängigkeit von Situationen und sozialen und politischen Ereignissen variieren (Lott, 2010).

Diversität (auch Diversity; engl.: Vielfalt, Verschiedenheit) bezieht sich darauf, dass sich Personen hinsichtlich bestimmter Eigenschaften und Gruppenzugehörigkeiten voneinander unterscheiden (bzw. ähneln) oder dass sich eine Gruppe oder Organisation aus verschiedenen Personen zusammensetzt, die beispielsweise unterschiedlichen Berufsgruppen, Altersgruppen oder Geschlechtern angehören. Auf welchen Dimensionen sich Personen unterscheiden (bzw. ähneln) können, wird im Kreismodell von Gardenswartz und Rowe (2008) veranschaulicht. Das Modell besteht aus insgesamt vier Schichten. Die erste Schicht stellt die Persönlichkeit eines Menschen dar, die sich während der Sozialisation herausbildet und die individuellen Charaktereigenschaften eines Menschen umfasst. In der nächsten Schicht befinden sich innere Diversitätsdimensionen, die relativ stabil sind. Beispiele hierfür sind das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, die physischen Fähigkeiten, der Geburtsjahrgang oder der ethnische Hintergrund. Diese Dimensionen werden häufig als Kerndimensionen von Diversität bezeichnet. Die sogenannten äußeren Dimensionen in der folgenden Schicht sind bis zu einem gewissen Grad veränderbar. Beispiele sind der Familienstand, die Religion, die Berufserfahrungen oder das Einkommen. Die letzte Schicht bilden organisationale Dimensionen wie der Arbeitsort, Netzwerke oder Eigenschaften der Abteilung. Gardenswartz und Rowe stellen somit ein umfangreiches Modell zur Systematisierung von unterschiedlichen Diversity-Dimensionen dar, welches die Vielzahl und Vielfältigkeit von Dimensionen verdeutlicht, in denen sich Menschen unterscheiden (bzw. ähneln) können.

Diversität kann sich auf vielfältige Weise auswirken: Ein positiver Effekt auf der individuellen Ebene können erhöhte Kreativität und bessere Arbeitsleistungen sein (Leung, Maddux, Galinsky, & Chiu, 2008). Auch Organisationen formulieren Diversität immer häufiger als explizites Ziel und führen unter dem Stichwort Diversity Management Maßnahmen durch, mit denen Diversität gefördert werden soll bzw. die Möglichkeiten von Vielfalt optimal genutzt werden sollen. Ziele sind dabei beispielsweise eine erhöhte Produktivität (Richard, Kirby & Chadwick, 2013) oder die Entwicklung von Innovationen (Yang & Konrad, 2011). Gleichzeitig wird Andersartigkeit jedoch oftmals als bedrohlich wahrgenommen, was zu Verunsicherung und der Abwertung oder gar Diskriminierung von Menschen, die Minderheiten angehören, führen kann (Stephan, 2014). Wichtig ist, zwischen kurz- und langfristigen Konsequenzen von Diversität zu unterscheiden. Putnam (2007) diskutiert, dass Diversität kurzfristig Entsolidarisierungstendenzen und geringeres Vertrauen in Organisationen und Gesellschaften zur Folge haben kann, langfristig jedoch wirtschaftliche und kulturelle Vorteile mit sich bringt. Festzuhalten bleibt, dass Diversität nicht pauschal als ‚gut‘ oder ‚schlecht‘, ‚gewinnbringend‘ oder ‚verunsichernd‘ beurteilt werden kann. Entscheidend ist, wie Individuen, Organisationen und Gesellschaften mit Diversität umgehen. Interkulturelle Trainings können in diesem Zusammenhang einen wichtigen Beitrag leisten. Sie bieten den Teilnehmenden einen Raum, in dem sie ihre persönlichen Kompetenzen gezielt weiterentwickeln können.

Quelle: Agostino Mazziotta, Verena Piper & Anette Rohmann (2016). Interkulturelle Trainings. Ein wissenschaftlich fundierter und praxisrelevanter Überblick. Springer Fachmedien Wiesbaden.

Text 2: Kulturkonzepte in der internationalen Managementliteratur

In der internationalen Managementwissenschaft soll der klassische anthropologische Kulturbegriff den Glauben stärken, dass Kultur nur als Merkmal verstanden werden kann, das einen Menschen vom anderen unterscheidet. Die Akkumulation allgemeiner Faktoren dient dann als endgültiger Standard zur Beschreibung der Merkmale des sozialen und kulturellen Systems.

Hawking (1995) fasst den Kulturbegriff basierend auf den obigen Überzeugungen in chronologischer Reihenfolge zusammen:

Ein Komplex, der Wissen, Überzeugungen, Kunst, Moral, Gesetze, Bräuche und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten umfasst, die Menschen als Mitglieder der Gesellschaft erlernen (Tyler, 1871);

vom Menschen geschaffene Bestandteile der menschlichen Umwelt (Herskovits, 1948);

eine Reihe von gemeinsamem Verständnis, ausgedrückt in Sprache (Becker & Geer, 1970);

die Werte, Überzeugungen und Erwartungen, denen die Mitglieder einer Gesellschaft zustimmen (Van Maanen & Schein, 1979);

das Modell der Überzeugungen und Erwartungen, das von den Mitgliedern anerkannt wird, die den Verhaltenskodex festlegen (Schwartz & Jordan, 1980);

eine kollektive Denkweise, die ein Gruppenmitglied von einem Mitglied einer anderen Gruppe unterscheiden kann (Hofstede, 1980);

drei Aspekte: (1) ein bestimmter Inhalt (Bedeutung und Verständnis); (2) für eine Gruppe; (3) besondere Bedeutung (Louis, 1983);

grundsätzlich ein System zum Erstellen, Übertragen, Speichern und Verarbeiten von Informationen (Hall & Hall, 1987);

die einzigartige Fähigkeit des Menschen, sich an die Umwelt anzupassen und diese Anpassungsfähigkeiten und dieses Wissen an zukünftige Generationen weiterzugeben (Harris & Moran, 1987).

Holden fasst die kulturellen Begriffe in der Managementliteratur in drei Kategorien zusammen:

Kultur bezogen auf einen Aspekt einer Nation oder ethnischen Gruppe, einschließlich der Summe der Merkmale einzelner (kultureller) Managementmethoden und Verhandlungsmethoden;

Kultur bezogen auf die Merkmale einer Organisation („Unternehmenskultur“);

Kultur bezogen auf die Denkweise.

Quelle: Hoecklin, L. (1995). Managing cultural differences: Strategies for competitive advantage. London: Economit Intelligence Unit/Addsion Wesley.

Text 3: Methodologische Überlegungen

Prinzipiell werden in der kulturvergleichenden Psychologie dieselben Anforderungen an die verwendeten Methoden gestellt wie in den anderen psychologischen Disziplinen, aber diese Anforderungen sind in der kulturvergleichenden Psychologie manchmal ungleich schwerer zu erfüllen. Vor allem die Vergleichbarkeit psychischer Phänomene zwischen Gesellschaften mit unterschiedlicher Denkweise, Sprache und Wertvorstellungen stellt eine Herausforderung für die Psychologie dar.

Etische versus emische Perspektive

Zwei Sichtweisen

Innerhalb der Kulturforschung lassen sich zwei Sichtweisen unterscheiden: eine kulturübergreifende Außensicht oder „etische“ Perspektive und eine kulturangepasste Innensicht oder „emische“ Perspektive.

Abbildung 1.2: Etische und emische Perspektive

(Mit freundlicher Genehmigung von Hede Helfrich © Helfrich (2013), S. 29.)

Abbildung 1.2 illustriert die Unterscheidung zwischen den beiden Perspektiven. Beim etischen Ansatz versucht der Forscher bzw. die Forscherin, einen Standpunkt außerhalb der betrachteten Kulturen einzunehmen und damit dem naturwissenschaftlichen Ideal der „Objektivität“ zu genügen. Beim emischen Ansatz dagegen wird versucht, die Phänomene mit den Augen der jeweils Betroffenen zu betrachten und damit dem geisteswissenschaftlichen Ideal der „Perspektivität“ zu entsprechen.

Die Unterscheidung stammt ursprünglich aus der Linguistik: Die Phonetik richtet ihr Augenmerk auf Lautmerkmale, mit Hilfe derer sich der Lautbestand aller Sprachen beschreiben lässt, während die Phonemik diejenigen Lautmerkmale identifiziert, die innerhalb der untersuchten Sprache zur Bedeutungsdifferenzierung beitragen (Pike, 1967). Übertragen auf den Kulturvergleich heißt dies, dass der etische Ansatz universell gültige Vergleichsmaßstäbe anzuwenden versucht, wohingegen der emische Ansatz anstrebt, die funktional relevanten Aspekte innerhalb einer bestimmten Kultur aufzudecken. Teilweise korrespondiert die Unterscheidung mit der Dichotomie zwischen dem „nomothetischen“ und dem „idiographischen“ Ansatz, wie sie besonders in der Persönlichkeitspsychologie deutlich wird. Der nomothetische Ansatz beschreibt die Unterschiede zwischen Individuen als verschiedene Ausprägungen allgemeiner Merkmale, während der idiographische Ansatz die Einzigartigkeit jedes Individuums betont. In der psychologischen Kulturforschung richtet der etische Ansatz das Augenmerk auf universell gültige Variablen, wogegen der emische Ansatz die Einzigartigkeit einer Kultur hervorhebt.

Das Ziel des Kulturvergleichs aus etischer Perspektive besteht darin, die Empfänglichkeit individuellen Handelns und Denkens gegenüber kulturellen Einflüssen zu prüfen. Meist wird hierbei der Faktor „Kultur“ in Form bestimmter kultureller Merkmale wie etwa schulische Bedingungen, Erziehungsstile oder soziale Wertorientierungen operationalisiert. Kultur wird damit als ein Satz von außerhalb der Person liegenden, „unabhängigen“ Variablen betrachtet, deren Auswirkung auf individuelles Erkennen, Lernen und Handeln in Form von „abhängigen“ Variablen untersucht wird.

(Mit freundlicher Genehmigung von Hede Helfrich © Helfrich (2013), S. 27–33.)

Weiterführende Literatur

Gardenswartz, L., & Rowe, A. (2008). Diverse teams at work: Capitalizing on the power of diversity. Alexandria, VA: Society for Human Resource Management.

Harris, M. (1989). Kulturanthropologie. Frankfurt a. M.: Campus.

Hofstätter, P. R. (1966). Einführung in die Sozialpsychologie. Stuttgart: Kröner.

Hofstede, G. & Hofstede, G. J. (2006). Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

Holden, N. (2006). Cross-cultural Management – A Knowledge Management Perspective, übersetzt von Kang Qing, Zheng Tong, Han Jianjun. People’s University of China Press, August, S. 26. (Chinesische Version. 尼格尔霍尔顿 (2006), 著康青郑彤韩建军译《跨文化管理——一个知识管理的视角》中国人民大学出版社,第26页.)

Kroeber, A. L. & Kluckhohn, C. (1952). Culture: A critical review of concepts and definitions. Vol. 47, No. 1, Cambridge, MA: Peabody Museum.

Leung, A. K., Maddux, W. W., Galinsky, A. D. & Chiu, C. Y. (2008). Multicultural experience enhances creativity: The when and how. American Psychologist, 63, 169–181.

Lott, B. (2010). Multiculturalism and diversity: A social psychological perspective. Chichester, UK: Wiley-Blackwell.

Putnam, R. D. (2007). E pluribus unum: Diversity and community in the twenty-first century; The 2006 Johan Skytte prize lecture. Scandinavian Political Studies, 30, 137–174.

Richard, O. C., Kirby, S. L. & Chadwick, K. (2013). The impact of racial and gender diversity in management on financial performance: How participative strategy making features can unleash a diversity advantage. The International Journal of Human Resource Management, 24, 2571–2582.

Schroll-Machl, S. (2007). Die Deutschen – Wir Deutsche. Fremdwahrnehmung und Selbstsicht im Berufsleben. 3. Aufl. Göttingen.

Schütz, A. & Luckmann, T. (1975). Strukturen der Lebenswelt. Neuwied: Luchterhand.

Stephan, W. G. (2014). Intergroup anxiety: Theory, research, and practice. Personality and Social Psychology Review, 18, 239–255.

Yang, Y., & Konrad, A. M. (2011). Diversity and organizational innovation: The role of employee involvement. Journal of Organizational Behavior, 32, 1062–1083.

Aufgaben

1. Welche Erklärung passt zu welchem Begriff?

a) Anthropologe

1) sich in etw. üben, bis man es beherrscht

b) angeeignet

2) Hineinwachsen des Einzelnen in die Kultur der

ihn umgebenden Gesellschaft