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Der Mensch ist in Zusammensetzung und Funktion ein unbeschreiblich komplizierter Organismus, über den wir enorm viel, aber noch lange nicht alles wissen. Damit dieser Organismus unter dem Dauerbeschuss von belastenden Umwelteinflüssen aller Art nicht erkrankt und leistungsfähig bleibt, erfährt der Leser bei der Begleitung des jungen Unternehmensberaters Leon Kaymann, was jeder einzelne präventivmedizinisch für sich, auch mit ärztlicher Begleitung, tun kann. Von Rücken- über Gelenkgesundheit, über Herz-Kreislaufgesundheit, über Gehirn und Psyche, über Stressmedizin und Brainfood, über Hormone, Menopause und Hormonersatz, über Neurotransmitter und Mikronährstoffe und intelligente Ernährung, über Schnarchen und Schlafapnoe, über Mitochondrien und Freie Radikale und einiges mehr erfährt der interessierte Leser. Damit ist er nach den ersten achtzig Seiten gerüstet eigene Risiken früh zu erkennen, sie spezialärztlich durch einen Präventivmediziner abklären zu lassen und gegen zu steuern bevor daraus Krankheiten entstehen. Spannend "Weiterlesen" sollte er dann unbedingt, denn es hängt alles mit allem zusammen. Vertiefen und Verknüpfen des Gelesenen verbunden mit Informationen zu akutem und chronischem Stress und zur Neurostressachse, zu Insulintrennkost, zu Vitaminen, Hormonen und Omega-3-Fettsäuren, zu Burnout-Syndrom und Depression. Was hat das Immunsystem mit Stress und Stress mit Gefäßverkalkung und diese mit Herzinfarkt und Schlaganfall zu tun und wie kann ich das verhindern? Gut verständlich und locker berichtet der Autor über zahlreiche wichtige aktuelle medizinische Themen, die in den Jahren der Praxistätigkeit in dieser Breite angefallen sind und "bearbeitet" werden mussten.
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Seitenzahl: 247
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Arbeitsverdichtung bedeutet nicht weniger, als hohe Erwartungen und ebensolche Anforderungen bereits an junge Menschen zu stellen, die z. B. nach ihrem Studium in verantwortungsvollen Positionen in meist international aufgestellten großen Unternehmen, in Kanzleien oder Kliniken motiviert tätig sind. Hoher Zeiteinsatz, großer Arbeits- und Erfolgsdruck, permanente vertikale und horizontale Mitarbeiterbeurteilung und Kontrolle, unzureichende Ernährung, zu wenig Bewegung, wenig Schlaf, keine Entspannung und vor allem Dauerstress sind die in ihrer mittel- bis langfristigen Wirkung auf Psyche und Physis meist nicht beachteten Begleiter.
Aus der langjährigen Beobachtung im Zuge ärztlicher Betreuung dieser Akteure habe ich die Überzeugung gewonnen, dass sich bei dem stetig steigenden Druck von außen zwangsläufig auch der „Innendruck“ erhöhen muss, um einen Kollaps des Individuums zu vermeiden.
Die in den letzten Jahren exponentiell ansteigenden Fälle von Burnout und Depressionen, von psychischen Erkrankungen insgesamt, beflügelten diese Überlegungen. Entstanden ist schließlich ein unter ganzheitlicher medizinischer Betrachtung und auf Basis aktueller valider Wissenschaft motivierendes, aufklärendes und über biologische Hintergründe informierendes Buch.
Wem kurze und knappe Informationen und Empfehlungen ausreichen, der findet sie im ersten Teil des Buches. Wer nach dem Wie und dem Warum fragt, erhält im zweiten Teil zusätzlich vertiefende, doch allgemein verständliche wissenschaftliche Erläuterungen.
Gefühle machen Moleküle, Moleküle machen Gefühle. Alle sinnlichen Eindrücke lösen Kettenreaktionen auf der biochemischen und damit auch auf der psychischen Ebene aus. Die „Mitspieler“ dieses Spiels werden hier vorgestellt: die Hormone, die Neurotransmitter und die Mikronährstoffe. Ihr hochkomplexes Zusammenwirken wird durch eine optimal zusammengesetzte Ernährung, d. h. durch ausreichende Zufuhr der wichtigen Mikronährstoffe, erst ermöglicht. Moderate und regelmäßige körperliche Bewegung regen die Produktion von Hormonen und Neurotransmittern an. Unter chronischer Stressbelastung gerät die fein austarierte Balance dieser Systeme jedoch außer Kontrolle. Erkrankungen der Psyche und des Körpers sind die Folge.
Wir kennen die Auslöser, die Folgen sowie das Verhalten und Zusammenwirken der „Mitspieler“. Da letztere seit einigen Jahren auch routinemäßig gemessen werden können, sind wir in der komfortablen Situation, frühzeitig intervenieren zu können, um Schlimmeres zu verhüten. Wir kommen somit der späteren Krankheit zuvor. Denn Prävention ist in jedem Fall – wenn immer möglich – der „Reparatur“ vorzuziehen. Dies gilt für unseren Stütz- und Halteapparat genauso wie für das Herz-Kreislauf-System, die Atmungsorgane und den Magen-Darm-Trakt sowie das Immunsystem.
Begleiten Sie Leon Kaymann, einen jungen Unternehmensberater, der Interesse daran hat, zu erfahren, wie alles zusammenhängt und funktioniert und was er selbst tun kann, um den anhaltenden Belastungen seines Berufslebens auch in den kommenden Jahren nicht nur standzuhalten, sondern um sie gesund, motiviert und kreativ zu bewältigen.
Später Dienstschluss für Leon Kaymann
Kritische Betrachtung des Tages
Woran merke ich, wenn in meinem Körper etwas „falsch läuft“?
Tage wie dieser ...
Teil 1 – Alles hängt mit allem zusammen!
Beschwerdefreiheit
Gesundheit
Gesundheitsprävention: Verhütung und Erhaltung
Faktoren für ein gesundes Leben
Beweglichkeit und Prävention
Ein kurzer Einführungskurs „Rückenschule“
Gelenke wollen bewegt und belastet werden
Die Hauptursachen möglicher Beschwerden sind leicht auszumachen
Praktizierte Rückengesundheit
Praktizierte Gelenkgesundheit
Knochengesundheit
Regelmäßige körperliche Betätigung wirkt präventiv
Herz-Kreislauf-Gesundheit
Die zwei Herzen
Was kann gemessen werden?
Der Gefäß-Check
Prävention der Atherosklerose
Magen-Darm-Trakt
Der Weg eines Bissens
Häufige Darmkrankheiten und -störungen
Neuronale Gesundheit
Was nützt und was schadet unserem Gehirn?
Chronischer Stress
Stressprävention und Stressvermeidungsstrategien
Stresshormone und Neurotransmitter analysieren und ausgleichen
Genussmittel reduzieren und Ernährung umstellen
Brainfood: Wie können Nährstoffe gezielt über die Nahrung eingesetzt werden?
Sport – Entspannung – Schlaf
Das Immunsystem
Leistungsfähigkeit
Die Hormone steuern ...
Mitochondriale Medizin
Nitrosativer Stress
Wollen wir uns ändern? Wir sollten.
Teil 2 – Weiterlesen
Wie sollte ein Frühstück zusammengestellt sein? Wie ein Mittagessen, wie ein Abendessen?
Fett allein macht nicht dick. Insulin-Trennkost. Keine Kohlenhydrate am Abend.
Alter und Bewegung
Reduzierung der Leistungsfähigkeit. Veränderte Adaptationsreserven. Fitness im Hotelzimmer. Das tägliche Bewegungsprogramm.
Chronobiologie – Leben mit der inneren Uhr
Der cirkadiane Rhythmus. Melatonin: das Mutterhormon der inneren Uhr.
Schlaf und Schnarchen
Schlaf-Wach-Rhythmus. Schlafapnoe. Stresshormone herunterfahren.
Stress – Neurostress
Vom Reiz zur Erkrankung. Die drei Stress-Stadien. „Fight or Flight“. Adrenalin und Cortisol.
Hormone – unsere Botenstoffe
Botenstoffe, Koordinatoren und Steuerelemente. Hormonproduktion und Regelkreise. Stammdaten männlicher/ weiblicher Hormone. Oft verabreicht und doch ein schlechtes Image. Hormonersatztherapien.
Neurotransmitter (NT)
Noradrenalin, Serotonin und Dopamin. Störungen der Neurotransmission.
Das Burnout-Syndrom – Vorlauf, Diagnostik, Therapie
Chronischer Stress und Depression. Körperliche und psychische Erschöpfung. Die Neurostressachse. Der Männergesundheits-Report.
Die Ernährung – Mangel im Überfluss
Von Omega-3 und Omega-6. Mangel an Vitalstoffen. Massensterben für unsere Kochtöpfe. Lieber weniger, das aber gut.
Freie Radikale und „silent inflammations”
Atherosklerose: Entzündung der Gefäßwände. Niedergang des Hormonspiegels. Neurodegenerative Erkrankungen.
Komponenten der Ernährung
Proteine, Fette, Kohlenhydrate. Eine „artgerechte“ Ernährungsweise. Vitamine und Mineralien. Aminosäuren – Bausteine des Lebens.
Das Immunsystem
Symptome eines geschwächten Immunsystems. Immunsenesenz. Von Mikro- und Phytonährstoffen.
„Dinner Cancelling“ und das Melatonin
Anti-Aging leicht gemacht. Insulin und das Wachstumshormon. Melatonin und der „Hibernisationseffekt“.
„Schlank im Schlaf“ oder Insulin-Trennkost
Physiologische Verteilung der Nahrungsmittelaufnahme. Mit dem Getreide kam der Zucker. 700 Meter für die Nahrungssuche.
Praktizierte Prävention
Die vier Stufen der Prävention. Genvarianten-Diagnostik. Check-up – auch wenn nichts weh tut. Haut-Screening und Impfungen. Prävention ist Privatsache.
Die Zukunft der medizinischen Versorgung in Deutschland
Literaturhinweise
Die spätabendliche Rückfahrt vom Büro nach Hause hat auch Vorteile. In München ist die Rushhour gegen 23.00 Uhr längst vorüber, der Verkehr ist immer noch dicht, aber er fließt. Leon Kaymann benötigt für die Fahrt von seinem Büro nach Bogenhausen knapp 15 Minuten. Anders als morgens ist die Fahrt stressfrei, kein Zeitdruck. Die vorerst letzte Zigarette des Tages genießt er bei Tempo 80. Zu Hause angekommen stellt er den BMW Z4 in der Tiefgarage auf den reservierten Parkplatz und schlendert zum Aufzug. Diesen lässt er bis zum 2. Stock fahren, um wenigstens die letzten beiden Treppen zu Fuß zu gehen.
Seine neue Wohnung ist nach dem Umzug schon fast komplett eingerichtet. Wie lange er hier bleiben wird, ist ungewiss. Voll funktionsfähig ist die vom Vormieter übernommene ultramoderne Küche. Der riesige Kühlschrank ist notdürftig mit Bier, ein paar Eiern, einem Rest Butter und einem Glas Erdbeermarmelade bestückt. Drei Scheiben vorgeschnittenes Brot warten auf der Arbeitsfläche in ihrer Folienverpackung.
Zum Frühstück gab es heute Morgen in Eile nur einen Kaffee aus der Espresso-Maschine. Im Büro trank Kaymann dann noch drei Tassen Kaffee mit Milch und Zucker und knabberte dazu einige Schokokekse. Das Mittagessen fiel, wie so häufig, aus, musste er doch um 14.00 Uhr seine aktuelle Präsentation vorstellen – da galt es zu überzeugen. Abends stieg er auf Cola um.
Seine derzeitige Beratertätigkeit findet in einem großen Versicherungskonzern statt. Die ständigen Wechsel des Einsatzortes stören ihn nicht, doch diesmal ist die Büroausstattung suboptimal: Das Sitzmöbel ist unbequem, im Gegensatz zum Schreibtisch aber immerhin höhenverstellbar, der Laptop liegt viel zu niedrig auf. Da Leon 185 cm groß ist, passt alles nicht so recht zusammen.
Zu Hause registriert er das übliche leichte Ziehen im Schultergürtel und unteren Rückenbereich. Auf den letzten beiden Treppen hat er eben zügig zwei Stufen auf einmal genommen und beim Öffnen der Wohnungstüre etwas geschnauft.
Bis vor zehn Jahren war Leon im Bundeskader für Modernen Fünfkampf. Seinen Wehrdienst leistete er in der Sportkompanie der Bundeswehr in Warendorf ab. Er nahm erfolgreich an nationalen und internationalen Wettkämpfen teil. Regelmäßige umfangreiche sportmedizinische Untersuchungen gaben ihm einen guten und sicheren Rahmen für seine weitere körperliche Leistungsfähigkeit. Nach dem Studium war die sportliche Laufbahn jedoch beendet und damit auch seine sportmedizinische präventive Betreuung.
Wann immer er hiernach Zeit fand, joggte er, einfach um sich fit zu halten. Auch jetzt läuft er gelegentlich am Wochenende entlang der rauschenden Isar unter Schatten spendenden Bäumen.
Heute Abend nimmt er aber erst einmal ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank und rekelt sich entspannt auf seiner großzügig bemessenen Liegelandschaft. Mit der Fernbedienung zappt er durch die Programme und landet schließlich bei einem Action-Film. Nach einer halben Stunde meldet sich heftiger Hunger. Er verquirlt die letzten vier Eier und bereitet sich ein schnelles Rührei auf dem Induktionsherd zu. Zusammen mit einer trockenen Scheibe Brot isst er mit Appetit die erste und letzte warme Mahlzeit des Tages. Er führt noch zwei Telefongespräche und begibt sich dann gegen 0.20 Uhr zu Bett.
Kein Frühstück, das den spezifischen beruflichen Anforderungen Rechnung trägt: Ohne Kohlenhydrate und Proteine erfolgt keine Energiebereitstellung für eine optimale Gehirnleistung. Frühe Ermüdung und Konzentrationsstörungen am Vormittag können die Folgen sein. Der zusätzliche Kaffegenuss (alternativ die Cola) stimuliert die durch den Stress ohnehin schon hochaktiven Nebennieren.
Süße Snacks und (Zucker-) Getränke nebenher: Die üblichen falschen Angebote und gängigen Fehlgriffe sind verbunden mit unnötigen Blutzuckersteigerungen und unerwünschten Insulinaktivitäten sowie einer Umwandlung der Zuckerüberschüsse in Fettdepots.
Arbeits- und Sitzmöbel: Diese sind ergonomisch nicht tolerabel, eine Anpassung ist für die Rücken- und Gelenkgesundheit unbedingt erforderlich. Die aktuellen Folgen: Schmerzen im Schultergürtel- und Lendenwirbelsäulenbereich – diese sind gleichzeitig auch die muskulären Zielpartien chronischer Stressbelastung.
Chronischer Stress: Der Mensch ist für akuten Stress gerüstet (Alarmphase gefolgt von Widerstands- und Erholungsphase), nicht aber für Dauerstress über Tage, Wochen und Monate. Ein Burnout kombiniert mit einer Depression und totaler Erschöpfung sind vorprogrammiert. Frühe Symptome: traurige Grundstimmung, Ungeduld, Aufbrausen, Lustlosigkeit, Schlafstörungen, Überforderungsgefühle bis zu Potenzstörungen und einem geschwächten Immunsystem.
Ersatzloser Ausfall des Mittagessens: Es sollte in Ruhe im Sitzen und nicht in Eile am Stehtisch in der Fußgängerzone (Stichwort „Fressmeile“) eingenommen werden. Andernfalls wird dem Körper wichtige Energiezufuhr vorenthalten, ohne die der Tag geistig produktiv kaum zu gestalten ist und die hohen Anforderungen dauerhaft nicht zu erfüllen sind.
Rauchen – auch in Maßen – ist bekanntlich nicht konditionsfördernd. Bereits drei Zigaretten am Tag (alle acht Stunden eine) verschlechtern die Körperdurchblutung, besonders folgenreich sind die Minderdurchblutung des Gehirns und des Herzens.
Das Abendessen ist in dieser Zusammensetzung höchst defizitär. Es trifft nach 19.00 Uhr auf einen schlafenden Magen-Darm-Trakt mit einer reduzierten Transport- und Resorptionsfähigkeit. Folgen: Völlegefühl, Blähungen, verminderte Schlafqualität.
Wenn der Alkoholgenuss ein Viertel Liter Wein oder eine Flasche Bier abends übersteigt, wird die Schlaf- und Regenerationsfähigkeit mit der Alkoholmenge korrelierend beeinträchtigt. Die Folgen: morgens unausgeschlafen, nicht erholt. Betont sei zudem die alkoholtoxische Wirkung auf Gehirn, Leber und Herz.
Auch die Zahl der Schlafstunden ist entscheidend: Sieben bis acht Stunden sollten es sein. Das in diesem Rahmen liegende individuelle Schlafmaß sollte möglichst jede Nacht genossen werden. Unser körpereigenes „Schlafhormon“ Melatonin wird ab ca. 20.00 Uhr quantitativ zunehmend bis 02.00 Uhr und von da an wieder abfallend bis morgens 07.00 Uhr gebildet. Physiologisch vorteilhaft ist es, sich der Wirkung dieses Neurotransmitters über möglichst viele Stunden auszusetzen.
Sportliche Bewegung: Fehlanzeige. Kein Training von Ausdauer und Kraft führt bereits bei alltäglichen Bewegungen wie Treppensteigen zu leicht eintretender Erschöpfung (Luftnot) sowie insgesamt zu geringerer Belastbarkeit des Organismus.
Mancher Leser
wird seinen Tagesablauf in diesen zehn Punkten wiedererkennen. Aber keine Angst: Ein Weiterlesen kann helfen, die alltäglichen Mechanismen zu verstehen und somit die körperliche, geistige und psychische Gesundheit langfristig zu erhalten.
Eine Frage, die Leon genauso wie seine Freunde und Kollegen interessiert.
Um sie befriedigend beantworten zu können, haben Ärzte mindestens sechs Jahre Studium und ein Staatsexamen sowie noch einmal sechs Jahre und mehr Facharztweiterbildung inklusive Facharztprüfung absolviert. Eine Beantwortung dieser Frage im bloßen Checklistenformat ist für den Laien also nicht möglich.
Je mehr ein praktizierender Arzt im Laufe seiner Tätigkeit in die ungeheure Komplexität des menschlichen Organismus eindringt, je mehr er sein medizinisches und bestenfalls auch sein biochemisches und endokrinologisches Wissen in dieser Zeit erweitert und vertieft – angereichert mit der täglichen Erkenntnis eines nahezu unüberschaubaren menschlichen Variantenreichtums –, umso respektvoller und demütiger wird er sein.
Auf die Zusammenhänge zwischen Psyche, Geist und Körper wird an verschiedenen Stellen in diesem Buch hingewiesen. Alles hängt mit allem zusammen.
Nur die ganzheitliche Erfassung des Menschen in seinem Lebensumfeld mit Beruf, Partnerschaft, Familie, Umwelt, Ernährung, Bewegung führt zur Erkenntnis bzw. zur Diagnose und nachfolgend zur richtigen Therapie.
Der menschliche Körper hat nur begrenzte Möglichkeiten, sich zu „äußern“ – hierfür aber unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten:
Durst, Schwitzen, erhöhte Temperatur, Fieber ganztags oder nur abends bzw. morgens und über den Tag abnehmend, Frieren, Schüttelfrost (nur bei hohem Fieber).
Hungergefühl, Sattsein, Völlegefühl, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust oder -zunahme, Erbrechen, Durchfall (selten oder häufiger pro Tag), helle Stühle, dunkle Stühle, schwarze Stühle, breiig, wässrig, jeweils mit blutigen Beimengungen, helles Blut oder dunkles Blut mit oder ohne Schleimbeimengungen.
Krampfartige (Bauch-) Schmerzen, stechende Bauchschmerzen, einseitige Bauchschmerzen rechts oben, mittig, unten oder eher links oben etc., ohne oder mit Fieber, mit oder ohne Erbrechen, mit oder ohne Durchfall.
Rückenschmerzen: oben, unten, mittig, atemabhängig, bewegungsabhängig, nur beim Husten oder auch beim Stuhlgang, davon unabhängiger Dauerschmerz, mit oder ohne Ausstrahlung z. B. in die Hände oder die Beine, nur einseitig, auch beidseitig mit Kribbeln oder Taubheit oder gar Lähmung.
Herzschmerzen: rechts, links, ganzer Brustkorb, in den linken Arm ausstrahlend, stechend, ringförmig, handtellergroß links, nur Oberbauch, mit oder ohne Schweißausbruch oder Angstgefühl. Mit Herzklopfen, Herzstolpern, Herzrasen, Aussetzern, Zunahme bei Belastung oder auch nicht, keine Änderung in Ruhe, verbunden mit Luftnot in Ruhe oder nur beim Treppensteigen oder generell zunehmende Luftnot. Dicke Unterschenkel mit bleibenden Druckdellen beidseitig oder nur einseitig, kombiniert mit vermehrtem nächtlichen Wasserlassen.
Kniegelenkschmerzen: beidseitig oder rechts oder links, innen, außen, hinten, vorn, bei Bewegung, beim Beugen oder/und Strecken, in Ruhe, bei Belastung, treppauf oder treppab oder beides, beim Hinknien, Anlaufschmerz beim Aufstehen, Belastungsschmerz beim Spazierengehen oder Ruheschmerz im Bett – oder alles in Kombination. Mit Fieber oder ohne Fieber, Flüssigkeit im Knie, erstmalig oder schon häufiger, auch früher schon in anderen Gelenken.
Hüftgelenkschmerzen: Anlaufschmerz beim Aufstehen, Belastungsschmerz beim Spazierengehen oder Ruheschmerz im Bett – oder alles in Kombination. Ausstrahlend vom unteren Rücken, mit Leistenschmerz, aber kein Leistenbruch, Ausstrahlung von oberer Lendenwirbelsäule in die Leiste, ohne oder mit Ausstrahlung ins Knie.
Hinzu kämen nach ärztlicher Befragung und Untersuchung noch die den jeweiligen Organsystemen zugeordneten Laborbefunde, die Ultraschallbefunde des Bauches (soweit nötig und möglich: Leber, Gallenblase, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Darm, Blase, Prostata), die Ruhe-EKG- und Herz-Ultraschallbefunde, Stress-Echo, später evtl. Langzeit-EKG, Belastungs-EKG und Spiro-Ergometrie.
Beispiel Knie:
Das dicke Kniegelenk kann durch eine Punktion entlastet und die entnommene Flüssigkeit chemisch und histologisch untersucht werden. Ist sie klar, opal oder trübe, zähflüssig und fadenziehend oder dünnflüssig? Im Labor können Entzündungszellen, weiße Blutkörperchen, Harnsäurekristalle, Rheumafaktoren u. a. nachgewiesen bzw. im günstigen Fall nicht nachgewiesen werden. Dann war es ein Reizerguss. Aber warum? Nach Prellung oder nach einem anderen Trauma? Meniskusschaden? Knorpelschaden der Kniescheibenrückseite? Eine Abklärung ist in jedem Fall angezeigt.
Bei Wirbelsäulenbeschwerden erfolgen vielleicht und bei den Gelenken sicher die Röntgenuntersuchungen – was letztlich aber vom ärztlichen Untersuchungsbefund abhängt. Auch Einsätze von Computertomogramm und MRT, Magen- und Darmspiegelungen oder nur eine proktologische Enddarmuntersuchung können beim Auftreten bestimmter Symptome (auch in Kombination) erforderlich werden.
Die kleine Symptomauswahl mag die große Problematik des richtigen Zu- und Einordnens der eigenen Symptome zu entsprechenden Krankheitsbildern für den medizinischen Laien ausreichend demonstrieren.
Da helfen weder die Apothekenrundschau noch die Gesundheitsseite in der Lokalzeitung am Samstag, weder die TV-Gesundheitssendungen noch die unzähligen Infos aus dem Netz weiter. Es sind dies sicher gut gemeinte mediale Darstellungen jeweils kleinster medizinischer Problemsegmente, die aber in der klaren Luft der Unwissenheit zum freien Schweben verurteilt sind, ohne an vorhandenes Wissen andocken zu können.
Es bleibt dabei:
Die Anamnese, auch mittels Fragebogen, sowie die Befunderhebung mittels einer gründlichen körperlichen Untersuchung – verbunden mit den notwendigen medizinisch-technischen Untersuchungen – führen nach Auswertung und Gewichtung der erhobenen Befunde sowie nach differenzialdiagnostischer Überlegung schließlich zur Diagnose. Erst daran schließt sich die Therapie an mit späterer Befundkontrolle und Therapieanpassung.
Tage wie der zuvor beschriebene sind für Leon Kaymann eher die Regel als die Ausnahme. Zwar fällt nicht immer das Arbeitsende in die späten Abendstunden. Aber an einem Acht-Stunden-Tag ist das umfangreiche Arbeitspensum kaum zu bewältigen. Für Privates, für Entspannung und Erholung, Stressabbau, Sport, gesunde Ernährung und die Nutzung der vielfältigen kulturellen Angebote bleibt nur wenig Zeit. Dabei wären sie ein wertvolles balancierendes Gegengewicht.
Aus seinen sportaktiven Jahren weiß Leon, dass Höchstleistungen nur mit einer strukturierten Trainingsvorbereitung zu erbringen sind. Für den Fünfkampf trainierte er früher die drei motorischen Hauptbeanspruchungsformen Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit sowie die selektiven motorischen Hauptbeanspruchungsformen Flexibilität und Koordination.
Eigentlich weiß er, dass zum Erhalt seiner Leistungsfähigkeit so selbstverständlich erscheinende Bereiche wie eine ausgewogene Ernährung, mentales Training, Stressabbau und guter Schlaf unabdingbar sind und neben Phasen der Konzentration auch Phasen der Entspannung beachtet und umgesetzt werden müssen.
Diese Erkenntnisse waren jedoch in den Jahren des Studiums und der sich anschließenden Berufstätigkeit in den Hintergrund getreten. Seit zehn Jahren hat er nun keinen Arzt mehr konsultiert, was in diesem Alter auch nicht ungewöhnlich ist. Er fühlt sich ja kerngesund, ein zwingender Anlass, sich mit Fragen seiner Gesundheit und ihrer Erhaltung zu beschäftigen, besteht für ihn nicht.
Das ändert sich jedoch, als er an einem Wochenende bei seinen Eltern in Köln nach vielen Jahren einen guten Freund seines Vaters wiedertrifft. Dieser hatte ihn zu Fünfkampf-Zeiten sportmedizinisch betreut, und Leon berichtet ihm über sein Studium, seine Berufstätigkeit und seine Lebensweise in den vergangenen Jahren.
Der befreundete Arzt erzählt ihm seinerseits von seinem erweiterten Fach- und Betreuungsgebiet, das inzwischen auch die Präventiv- und Stressmedizin einschließt. Gerade in der Sportmedizin sei der präventivmedizinische Gedanke schon lange verankert. Zunehmend nachgefragt würden in seiner Praxis nun Problemlösungen bei hormoneller Dysbalance, bei chronischem Stress, bei Burnout und den damit oft einhergehenden Depressionen. Die Betroffenen seien immer jünger. Ein Burnout-Syndrom sei bei der heutigen Arbeitsverdichtung vorwiegend bei Dreißigjährigen, aber auch bei Älteren zu diagnostizieren. Weiter führt er aus, dass dank immer neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Ernährung sowie Nahrungsergänzungsmittel bzw. sogenannte Mikronährstoffe zunehmend im medizinischen Fokus stehen, um die weit verbreiteten Gesundheitsrisiken Übergewicht und Bluthochdruck zu vermindern.
Er überzeugt Leon davon, dass die „Reparaturmedizin“ ihren Stellenwert bis auf Weiteres behalten werde, die Zukunft aber der Präventiv- sowie der individualisierten Medizin gehöre.
Er sagt: Wenn wir frühzeitig auf der Altersuhr des Lebens lesen lernen, werden wir die bisher relativ kurze Zeit der Jugend zulasten der langen Zeit des Alterns verschieben und unsere geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, unsere Kreativität und Lebensfreude länger erhalten können.
In der Folgezeit erhält Leon viele wertvolle Tipps von dem befreundeten Arzt. Er wird zu seinem medizinischen Coach.
Immer wenn Leon seine alten Freunde trifft, die mittlerweile als Banker, Unternehmensberater, Ärzte und Anwälte selbstständig oder in großen Unternehmen tätig sind, stellt er fest, dass sie alle hoch motiviert sind und sehr hart arbeiten – mancher sechzig Stunden in der Woche. Doch kaum einer von ihnen scheint sich darüber Gedanken zu machen, dass seine mentalen und physischen Batterien endlich sind.
Durch seinen medizinischen Coach weiß Leon inzwischen: Der Vorteil, die Summe aller physischen und psychischen Belastungen vermeintlich risikofrei und ohne Konsequenzen kompensieren zu können, liegt derzeit einzig in seinem noch relativ jungen Lebensalter.
Schlafdefizit, chronischer Stress, mangelhafte Ernährung, fehlende Nahrungsergänzungen oder Mikronährstoffe, Bewegungsarmut, evtl. Übergewicht, Genussmittelmissbrauch, geringe Sensibilität gegenüber dem Gedanken der eigenen Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung – also ein eher sorgloser Umgang mit der Gesundheit – bleiben mittel- bis langfristig bei allen interindividuellen Unterschieden niemals ohne Folgen.
Der Scheitelpunkt der Belastbarkeit und damit der Leistungsfähigkeit liegt bei biologisch-physiologischer Betrachtung des menschlichen Organismus zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr. Ein 30-jähriger Sportler gehört nicht ohne Grund bereits zu den Senioren. Somit wächst in den folgenden Jahrzehnten die Notwendigkeit, das Problembewusstsein für die realen Alterungsprozesse zu schärfen.
Mit zunehmender Lebenserfahrung – gewonnen durch das Bestehen beruflicher und privater Herausforderungen – geht idealerweise auch ein Zuwachs an Fähigkeiten einher, Probleme in ihrer Komplexität und Vernetzung schnell zu erkennen und routiniert zu lösen. Der Einsatz eigener Ressourcen kann somit ökonomischer gesteuert werden. Aber der Alterungsprozess des gesamten Individuums schreitet hiervon unbeeindruckt unaufhaltsam voran (Somatopause).
Bei Männern verläuft der Prozess der Andropause, der wesentlich von der Abnahme alterungsrelevanter Hormone bestimmt ist, eher moderat und über viele Jahre. Bei Frauen stellt der abrupte Abfall der Geschlechtshormone mit Beginn der Menopause jedoch einen massiven Eingriff in Psyche und Physis dar. Dieser wird zwar subjektiv und objektiv unterschiedlich wahrgenommen, er ist aber durchaus präsent. Hitzewallungen und gelegentliche Schweißausbrüche sind vergleichsweise unbedeutende, häufig als unangenehm empfundene Symptome. Sie sind aber nur die Spitze des Eisberges eines wesentlich tiefer gehenden und breiter greifenden Alterungsprozesses. Eine wirksame Anti-Aging- bzw. Präventionstherapie ruht daher immer auf mehreren, exakt aufeinander abgestimmten Säulen.
Abbildung 1 – Quelle: German Society of Anti-Aging Medicine (GSAAM)
Regelmäßige präventivmedizinische Untersuchungen sowie Vorsorgeuntersuchungen sind daher ab dem 35. Lebensjahr zu empfehlen.
Leon Kaymann und sein Arzt
haben sich schließlich entschlossen, alle guten Tipps und Empfehlungen mit dem zum Verständnis notwendigen Faktenwissen in diesem Buch zusammenzustellen, um es Interessierten und Betroffenen jeder Altersklasse zugänglich zu machen.
Nachfolgend werden wir uns daher mit den wichtigsten Themen von Gesundheit und Gesunderhaltung auseinandersetzen, die uns Richtung geben sollen, die aber – wie es der Natur des Menschen entspricht – nur scheinbar voneinander abgegrenzt sind und daher allein für ein besseres Verständnis hier getrennt behandelt werden. Unter ihnen bestehen Verbindungen, Abhängigkeiten, fließende Übergänge. Sie bedingen sich gegenseitig auf der organischen, biochemischen und psychischen Ebene.
Sie ist in jedem Alter ein erstrebenswerter und zu bewahrender Zustand, da sie uns ein unbeschwertes Leben und Handeln in Beruf und Freizeit ermöglicht. Geistige Arbeit wird nicht beeinträchtigt und körperliche Beweglichkeit wird nicht behindert. Dies gilt für psychische und physische Beschwerdefreiheit gleichermaßen und impliziert zudem gegenseitige Abhängigkeiten dieser beiden Bereiche.
Vergegenwärtigen wir uns also immer die bestehende und nicht trennbare Gehirn-Psyche-Körper-Einheit.
Die Beschwerdefreiheit bei geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter zu erhalten, ist Ziel der sehr komplexen Präventivmedizin.
Sie ist ein wichtiger persönlicher und gesellschaftlicher Wert. Ihre Bedeutung wird oft erst bei Krankheit oder mit zunehmendem Alter erkannt. Welche Einschränkungen mit dem Verlust von Gesundheit verbunden sind, wird dem (alternden) Menschen erst durch eigene durchgestandene Krankheiten sowie gesundheitliche Probleme in seinem Umfeld bewusst.
Da Gesundheit und Krankheit nicht bipolar, sondern als Kontinuum zu sehen sind, demzufolge fließende Übergänge in beiden Richtungen bestehen und Grenzen somit nicht zu ziehen sind, ist Beschwerdefreiheit nicht zwingend mit völliger Gesundheit gleichzusetzen. Umgekehrt ist bei völliger Gesundheit Beschwerdefreiheit wahrscheinlich.
Versuche, Gesundheit zu definieren, sind mannigfaltig. Die zutreffendsten Formulierungen werden hier nachfolgend vorgestellt.
„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ (Weltgesundheitsorganisation – WHO)
„Gesundheit ist ein Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung im Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet.“ (Hurrelmann 1997)
Für eine umfassende Bestimmung von Gesundheit und Krankheit sind dem salutogenetischen Ansatz von Aaron Antonovsky zufolge folgende Aspekte von Bedeutung:
Gesundheit und Krankheit sind beobachterabhängige Konstrukte, wobei sich die Beobachtung von Gesundheit und Krankheit durch soziale Systeme wie die Medizin oder die Wissenschaft von der Beobachtung durch das Individuum unterscheiden kann (objektivierende vs. subjektivierende Sicht).
Die Beobachtung von Gesundheit und Krankheit erfolgt ausschließlich anhand von körperlichen, psychischen und sozialen Symptomen.
Gesundheit und Krankheit sind demnach für sich nicht empirisch fassbar; sie entsprechen Konzepten, mit denen Symptome erklärt werden.
Gesundheit ist die korrekte Ausführung aller physischen und psychischen Funktionen eines Lebewesens.
Man kann zwischen physischer und psychischer Gesundheit sowie Krankheit unterscheiden.
Die Positionierung innerhalb des Kontinuums wird primär durch das Vorhandensein oder die Absenz von physischen und psychischen Krankheiten bestimmt.
Das Auftreten dieser Krankheiten wird unter anderem beeinflusst durch Risikofaktoren (Stressoren), welche die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten und Verletzungen erhöhen, und von Schutzfaktoren, welche die Wirkung der Risikofaktoren beschränken.
Die Risiko- und Schutzfaktoren können in physische, psychische, soziale und physikalisch-materielle Faktoren unterteilt werden.
Durch die Bekämpfung der Risikofaktoren und die Förderung der Schutzfaktoren wird die Wahrscheinlichkeit des Auftretens neuer Krankheiten verringert und die Positionierung innerhalb des Kontinuums verbessert bzw. erhalten.
Wenn sich durch die Verminderung von Risikofaktoren und die Förderung von Schutzfaktoren das Wohlbefinden des Individuums verbessert, kann sich seine Positionierung innerhalb des Kontinuums in Richtung Gesundheit verschieben.
In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Prävention sowie seiner vier Stufen – primordial, primär, sekundär, tertiär – von entscheidender Bedeutung. Der immer (pathogenetisch) krankheitsorientierten Prävention nach Gerald Caplan, also der Verhütung, wird mit dem Salutogenesekonzept von Aaron Antonovski ein Kohärenzgefühl (Verstehbarkeit, Handhabbarkeit, Bedeutsamkeit von lebensbeeinflussenden Ereignissen) als Möglichkeit der Gesundheitserhaltung und -förderung gegenübergestellt.
Informationen zu Vitalität und zu ihrer Erhaltung, dem Menschen Lebenslust und Freude zu geben, sind Inhalt und Ziel der ganzheitlichen Präventionsmedizin, die sich nicht nur im Hormonersatz erschöpft, sondern interdisziplinär auch die Psyche, die Neurotransmitter, die richtige Bewegung und Ernährung, Nahrungsergänzung, Muskel-, Gelenk- und Rückentraining sowie Immunsystemstärkung einschließt, ohne die geistige Fitness zu vernachlässigen.
Würden diese Konzepte in Zukunft nachhaltig eingesetzt – dies wird von Krankenkassen (natürlich möglichst kostenneutral), aber zunehmend auch von Unternehmen und Politikern gefordert –, so würden den überforderten und vorwiegend hochverschuldeten Sozialsystemen (Ausnahmejahre wie 2012 / 2013 / 2014 einmal ausgenommen) enorme Kosten erspart und dem Einzelnen würde mehr Lebensqualität gegeben. Die Realität hinsichtlich der Inanspruchnahme von für die Versicherten kostenlosen Vorsorge- bzw. Früherkennungsangeboten sieht allerdings anders aus.
Prävention setzt erheblich früher als die Früherkennung ein, nämlich bereits in jungen Jahren bei der Suche und Identifizierung von Risikofaktoren und ihrer konsequenten Vermeidung, damit sich aus ihnen keine Krankheiten entwickeln.
Diese sinnvollen präventivmedizinischen Maßnahmen sind jedoch nicht durch die Krankenkassen versichert, selbst wenn sich beispielsweise die AOK seit 40 Jahren als „Gesundheitskasse” bezeichnet. Ein Etikettenschwindel, denn nach wie vor werden nur Krankheitskosten übernommen und zudem Millionen für sogenannte versicherungsfremde Leistungen ausgegeben, in deren Genuss nur wenige, besonders aufmerksame und gut beratene Mitglieder kommen. Vorsorgeprogramme für jüngere Altersgruppen werden dagegen zwar propagiert, laufen aber oft ins Leere.
Im Allgemeinen sind Frauen gesundheitsbewusster als Männer. Dies kann man beispielsweise an der Beteiligung zur Darmkrebsvorsorge erkennen (Männer ca. 10-15 Prozent, Frauen ca. 30 Prozent Beteiligung). Kostenlose Krebsvorsorgeuntersuchungen (SGB V § 25) können Frauen jährlich bereits im Alter ab 20 Jahren und Männer erst im Alter ab 45 Jahren in Anspruch nehmen. Ebenfalls signifikant: Privilegierte Schichten sind gesünder als unterprivilegierte. Der Abstand ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gewachsen, obwohl das Angebot für alle gleichermaßen zugänglich ist.
Die Förderung und Erhaltung der Gesundheit erfordert relativ geringe finanzielle Mittel. Teuer ist dagegen der Versuch, Gesundheit wiederherzustellen, also die sogenannte kurative (Reparatur-) Medizin.
A Körperliche Faktoren:
genetische Faktoren, wie gesunde Chromosomen bzw. Gene
gesunde, frische, vielseitige, vitamin-, spurenelement- und mineralienreiche Nahrung: Obst, Gemüse, Getreide, Kartoffeln, Hülsenfrüchte etc.
gesunde, unbelastete, natürliche Umwelt: Luft, Wasser, Boden, Licht, Luftfeuchtigkeit
gesicherte menschengeschaffene Umwelt: Wärme, Unterkunft, Hygiene, Kleidung, Geborgenheit, Schutz vor Gefahren, Zuwendung, Fürsorge
altersgerechte Körper- und Bewegungskultur während des Wachstums (in Baby-, Kinder- und Jugendzeit)
intakte soziale Beziehungen, z. B. ein Freundeskreis und gute Beziehungen zu Arbeitskollegen
Entspannung und emotionale Ausgeglichenheit
selbstbestimmte körperliche Bewegung und Betätigung (Sport, Spiel, Arbeit)
genug Schlaf, Zeiten der Anspannung sowie der Entspannung, Ruhe und Erholung, keine Hetze, Vermeidung von Stress
eine erfüllte Sexualität mit sich oder einem bzw. mehreren anderen Menschen oder deren gelungene Sublimation
der Gesundheit förderliche Arbeitsbedingungen, keine dauernde Über- oder Unterforderung.
B Seelisch-geistige Faktoren:
Geliebt sein und selbst lieben können:
Lebenspartner, Kinder, Familie, Mitmenschen
Freundlichkeit, Kontaktfähigkeit, soziale Kompetenz
Selbstachtung, Selbstvertrauen:
Erfolg, Anerkennung, Bestätigung, Arbeitsklima, Kritik und Lob (Feedback)
Sicherheit:
Gefühl der Geborgenheit, Religion, Lebenssinn, Spiritualität
Mindestsicherheit betreffend Nahrung, Kleidung, Wohnen
Sicherheit der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse
Vermeidung von Lethargie durch Herausforderung und Aktivität
Freiheit:
Gestaltungsmöglichkeiten, Setzen von lohnenden Zielen
Möglichkeit zur Artikulation, Gedankenfreiheit, Redefreiheit, Berufs- und Partnerwahl
Kreativität – schöpferische Betätigung und Spiel
Verbundenheit:
zum Partner, zu Freunden und zu anderen
Konfliktfähigkeit und Bereitschaft zur Versöhnung
Erlebnisse mit Erinnerungswert
C Materielle Faktoren
Mindestens minimaler Wohlstand
Wohnsituation (mindestens 42 m
2
pro Person in Deutschland anzustrebender Standard)
Altersvorsorge (staatlich bzw. individuell zu organisieren)
Leon Kaymann ist beeindruckt, welche Kaskade von Stichwörtern allein der Begriff „Gesundheit“ auslöst. Dabei ist und kann sie gar nicht vollständig sein – nahezu jeder Bereich unseres Lebens hat direkte oder indirekte Auswirkungen auf unsere Gesundheit, beeinflusst sie positiv oder negativ.
Leon bittet seinen Arzt, ihm die Voraussetzungen für gute Beweglichkeit, die Gründe für ihre Beeinträchtigung und die Möglichkeiten der Optimierung und der Prävention darzulegen.
Unsere Fähigkeit, aufrecht zu gehen, zu laufen, zu springen, Fahrrad zu fahren, auf Schlittschuhen zu laufen, zu schwimmen, zu tauchen und vieles andere mehr, setzt eine umfassende, multikomplexe Koordination und Kooperation voraus von:
zentralem und peripherem Nervensystem einschließlich der Psyche
Muskel-, Bänder-, Gelenk- und Wirbelsäulenapparat
Herz-Lungen-Gefäßsystem (Arterien, Venen, Lymphgefäße)
Hormon-, Botenstoff- und Mikronährstoffsystem
Verdauungs- und Stoffwechselsystem
Diese fünf eng miteinander vernetzten und bei Gesundheit koordiniert arbeitenden Systeme werden uns auch später bei der Behandlung des Themas Leistungsfähigkeit beschäftigen.
Im Jahr 1994 hatte Leons Arzt den ersten Kurs für Rückenschulleiter zusammen mit 23 Orthopäden in Bad Aibling beim Bund deutscher Rückenschulen e.V. absolviert. Gut 90 Rückenschulkurse wurden in seinem Praxis-Institut in den folgenden Jahren durchgeführt. Ab 1996 wurden zudem Kurse zur Ernährung und Gewichtsreduktion zusammen mit Bewegungs- und Verhaltenstherapeutinnen sowie Ernährungswissenschaftlerinnen und alsbald Gelenkschulkurse zusammen mit Krankengymnastinnen angeboten. In sämtlichen Kursarten wurde Basiswissen, kombiniert mit praktischen Demonstrationen und Übungen, interaktiv vermittelt.
Heute hat der Arzt Leon seinen orthopädischen Befund der letzten sportmedizinischen Untersuchung vor 15 Jahren mitgebracht: