Erfolgreich und authentisch im Vertrieb - Herbert Dorrer - E-Book

Erfolgreich und authentisch im Vertrieb E-Book

Herbert Dorrer

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Beschreibung

Dieses Buch ist anders! Anders als alle anderen Bücher zu Vertrieb. Ehrlich, intensiv, menschlich, vielschichtig geht es um Themen, die im Vertriebsalltag wichtig sind. Dieses Buch ist keine Schritt-für-Schritt Anleitung, denn die gibt es sowieso nicht. Da jeder Mensch und jede Vertriebspersönlichkeit anders ist, wird sich jeder Vertriebler und Verkäufer anders entwickeln, bis er seinen optimalen Erfolg erreicht. Dieses Buch gibt einen klaren roten Faden und viele Anregungen zum erfolgreichen Vertrieb, speziell im technischen Bereich. Du wirst Dir auch klarer werden über Deine Aufgabe, Deine Mission. Ebenso bekommst Du Tipps zur Umsetzung Deines Vertriebswissens und viele Anregungen für erfolgreiches Verkaufen. All das ist verpackt und angereichert mit zahlreichen Geschichten.

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Seitenzahl: 221

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Im­pres­s­um

1. Auf­la­ge 2021Co­py­right © 2021 Her­by Dor­rerRo­sen­stras­se 3, 90762 Fürth

Um­schlag­ge­stal­tung: Con­stan­ze Kra­mer, co­ver­bou­tique.de

Bild­nach­wei­se: „Gu­s­tav der Drit­te“: © Be­a­te Kas­par, www.be­a­te-kas­par.depi­xa­bay

Zeich­nun­gen: Her­bert und Leo­nie Dor­rer

Lek­to­rat: Mia Gries, Fe­der­rau­schen | Lek­to­rat & Text­ma­nu­fak­tur

Satz: Con­stan­ze Kra­mer, co­ver­bou­tique.de

Her­stel­lung und Ver­lag: epu­bli.de

Alle Rech­te vor­be­hal­ten. Das vor­lie­gen­de Werk darf we­der in sei­ner Ge­samt­heit noch in sei­nen Tei­len ohne vor­he­ri­ge schrift­li­che Zu­stim­mung der Recht­e­in­ha­ber in wel­cher Form auch im­mer ver­öf­fent­licht wer­den. Das be­trifft ins­be­son­de­re je­doch nicht aus­schließ­lich elek­tro­ni­sche, me­cha­ni­sche, phy­si­sche, au­dio­vi­su­el­le oder an­der­wei­ti­ge Re­pro­duk­ti­on oder Spei­che­rung und oder Über­tra­gung des Wer­kes so­wie Über­set­zun­gen. Da­von aus­ge­nom­men sind kur­ze Aus­zü­ge, die zum Zwe­cke der Re­zen­si­on ent­nom­men wer­den.

Al­les ver­wen­de­te nie­der­ge­schrie­be­ne Wis­sen sind mei­ne Er­kennt­nis­se und Er­in­ne­run­gen aus zahl­rei­chen Ver­triebs­se­mi­na­ren, Bü­chern, per­sön­li­chen Er­fah­run­gen, Er­zäh­lun­gen und per­sön­li­chen In­ter­pre­ta­ti­o­nen.

Alle Fir­men und Per­so­nen sind frei er­fun­den. Et­wai­ge Ähn­lich­kei­ten sind zu­fäl­lig und un­be­ab­sich­tigt.

Lie­be Le­ser,

mei­ne Vi­si­on ist es, ver­trieb­lich er­folg­reich und da­bei glü­ck­lich zu sein. In die­sem Buch wirst Du über er­folg­rei­chen Ver­trieb und über er­folg­rei­ches Ver­kau­fen le­sen. Da ich jahr­zehn­te­lang im Pro­jekt­ma­na­ge­ment und Ver­trieb für Au­to­ma­ti­sie­rungs­tech­nik und Di­gi­ta­li­sie­rung tä­tig war, stam­men mei­ne Er­fah­run­gen meist aus die­sem Um­feld. Du wirst eine su­per­hilf­rei­che Sys­te­ma­tik für den Ver­trieb er­fah­ren und vie­le psy­cho­lo­gisch ori­en­tier­te The­men, die ich mir im Lauf mei­nes Le­bens als Ver­triebs­be­auf­trag­ter nach und nach an­ge­eig­net und in mei­ne Ver­triebs­a­r­beit in­te­griert habe. Da­mit wur­de ich noch er­folg­rei­cher und, am al­ler­wich­tigs­ten für mich, auch per­sön­lich glü­ck­li­cher. Ich fühl­te mich frei­er. Er­folg­rei­cher Ver­trieb be­deu­tet für mich auch, dass ich die Zeit sinn­voll ein­set­ze, mich auf das We­sent­li­che kon­zen­trie­re so­wie sys­te­ma­tisch, ziel­grup­pe­n­o­ri­en­tiert und per­sön­lich­keit­s­o­ri­en­tiert vor­ge­he. Mit der dar­aus re­sul­tie­ren­den Zeit­er­spar­nis kann je­der selbst ent­schei­den, ob er die frei­ge­wor­de­ne Zeit zur Ge­ne­rie­rung zu­sätz­li­cher Auf­trä­ge nutzt, für sich per­sön­lich oder für sein pri­va­tes Le­ben.

Vor­wort Ste­phy Beck

Die di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on zwingt Un­ter­neh­mern & Selbst­stän­di­ge ihre Pro­zes­se im Ver­kauf im­mer wie­der auf den Prüf­stand zu stel­len.

Wer hier die Nase vorn ha­ben will, braucht nicht nur ein gu­tes Bauch­ge­fühl, son­dern auch eine Stra­te­gie, die dem stän­di­gen Wan­del Rech­nung trägt. Es herrscht in den meis­ten Köp­fen noch im­mer der Irr­glau­be, dass es eine top de­si­gnte Web­sei­te, ein su­per Mar­ke­ting und eine be­son­ders gro­ße Sicht­bar­keit & Reich­wei­te braucht, um er­folg­reich zu wer­den.

Das ist grund­sätz­lich nicht falsch, doch Fakt ist egal, wie gut Dein Pro­dukt oder Dei­ne Dienst­leis­tung ist, wenn Du nicht ver­kau­fen kannst, nüt­zen Dir all die­se Tools nichts und der Er­folg bleibt aus.

Um einen po­ten­zi­el­len Kun­den nach­hal­tig zu über­zeu­gen und zu ei­nem tat­säch­li­chen Kun­den zu trans­for­mie­ren – braucht es eine ab­so­lut über­zeu­gen­de Prä­sen­ta­ti­on und eine Stra­te­gie, die durch Kom­pe­tenz den Kun­den bei der Kauf­ent­schei­dung un­ter­stüt­zen.

In die­sem Buch lernst Du Schritt für Schritt, das Sys­tem ken­nen für er­folg­rei­chen Ver­kauf und be­kommst hilf­rei­che Tipps, um Dei­ne Ver­kaufs­per­sön­lich­keit wach­sen zu las­sen, umso nicht nur er­folg­rei­cher im Ver­kauf zu sein, son­dern auch zu ei­nem Kun­den­ma­gnet her­an­zu­wach­sen.

Wir wün­schen dem Au­tor für sei­nen wei­te­ren Weg ma­xi­ma­len Er­folg und Ih­nen nun viel Spaß beim Le­sen, gute Er­kennt­nis­se und noch bes­ser Er­geb­nis­se.

Inhalt

Ka­pi­tel 1­ – Ver­tiebs­sys­te­ma­tik

Jan – mit Ver­triebs­sys­te­ma­tik (fast) je­den Auf­trag ho­len

Wel­che Kun­den su­chen wir?

Die 5 Punk­te von Jans Ver­triebs­sys­te­ma­tik

1. War­um brau­chen wir neue Kun­den? Wel­che Kun­den brau­chen wir?

2. Ist das Pro­jekt­vor­ha­ben wirk­lich eine Ge­schäfts­mög­lich­keit für uns?

3. Das Bu­y­ing Cen­ter – Wer ent­schei­det über den Auf­trag?

Jans Ge­schich­te 1

4. Ken­ne Dei­ne Wett­be­wer­ber und stel­le dei­ne Vor­tei­le in den Fo­kus

5. An­ge­bots­prä­sen­ta­ti­on und das ­kun­den­spe­zi­fi­sche ­Wert­ver­spre­chen

Jans Ent­täu­schung – der ge­kränk­te Ver­triebs­s­tar

Zu­sam­men­fas­sung Ka­pi­tel 1

Ka­pi­tel 2 – Er­folg­rei­che ­Kom­mu­ni­ka­ti­on im Ver­trieb

Jan be­sucht sei­nen Lieb­lings­kun­den

Jans Be­geg­nung mit Gu­s­tav dem Drit­ten

Jans neu­es Ver­triebs­wun­der­tool

Ers­te Lek­ti­on von Gu­s­tav dem Drit­ten: Er­folg­rei­che Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem ­3G-Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mo­dell

Zwei­te Lek­ti­on von Gu­s­tav dem Drit­ten: Er­folg­reich mit 3G im Ver­trieb

Drit­te Lek­ti­on von Gu­s­tav dem Drit­ten: Si­che­rer durch Kom­mu­ni­ka­ti­on mit 3G

Zu­sam­men­fas­sung Ka­pi­tel 2

Ka­pi­tel 3 – Der per­fek­te Ver­käu­fer

Die nächs­te Ge­schäfts­mög­lich­keit im Ze­ment­werk

Die Ei­gen­schaf­ten des per­fek­ten Ver­käu­fers

Jans Ge­schich­te 2

Ich will lang­lau­fen! – Der Un­ter­schied zwi­schen ­er­folg­rei­chem und nicht er­folg­rei­chem Ver­kauf

Jans Ge­schich­te 3

Das Bet­teln um ein Flug­ti­cket

Zu­sam­men­fas­sung ­Ka­pi­tel 3

Ka­pi­tel 4 – Er­ken­ne und nut­ze die Ver­triebs­ka­nä­le: Vor­be­rei­tung für den Auf­trag

Die Ge­schäfts­mög­lich­keit im Mo­bi­li­täts­be­reich – Der Wert der Qua­li­tät

Er­ken­ne und ken­ne die Ver­triebs­ka­nä­le

Die Ein­wand­be­hand­lung ist auf­trags­ent­schei­dend

Ein­wän­de und Vor­wän­de – Der Preis

Ge­spräch mit Frank

Die Fra­ge­tech­nik

Zu­sam­men­fas­sung Ka­pi­tel 4

Ka­pi­tel 5 – Die An­lei­tung zum ­er­folg­rei­chen Ver­triebs­ge­spräch

Die Ge­schäfts­mög­lich­keit bei der Bä­cke­rei

Ju­dith soll ih­ren ers­ten Auf­trag ho­len!

Ju­dith in ih­rem ers­ten Kun­den­ge­spräch

Work hard – par­ty hard (af­ter suc­cess)

Zu­sam­men­fas­sung Ka­pi­tel 5

Ar­beits­blät­ter

1. Ver­triebs­sys­te­ma­tik

Die fünf Schrit­te zur Kun­den­ge­win­nung

Das kun­den­spe­zi­fi­sche Wert­ver­spre­chen

2. Die per­so­nen­be­zo­ge­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on: die drei Per­sön­lich­keit­s­ty­pen

3. Die Ver­triebs DNA

4. Die sie­ben Schrit­te ei­nes ge­lun­ge­nen Ge­sprächs4

5. Dei­ne ziel­kun­den­ge­rich­te­te Prä­sen­ta­ti­on

Das Fi­na­le – mein Wunsch für dich

Über den Au­tor

Glos­sar

Ka­pi­tel 1­Ver­tiebs­sys­te­ma­tik

Ty­pi­sches Bild der Pro­duk­ti­on in ei­ner Brau­e­rei

Jan – mit Ver­triebs­sys­te­ma­tik (fast) je­den Auf­trag ho­len

Spit­zen­ver­trieb ba­siert im­mer auf ei­ner über­ra­gen­den Ver­käu­fer­per­sön­lich­keit.

Her­by Dor­rer

Jan saß in sei­nem Auto. Laut, wie meis­tens, hat­te er sein Au­to­ra­dio auf­ge­dreht. Mu­sik von AC/DC schall­te aus den Bo­xen der Sei­ten­tü­ren. Jan sang laut mit, wie er es auch schon als Tee­n­a­ger ger­ne ge­tan hat­te: „High­way to Hell!“ Er moch­te Rock­mu­sik und be­son­ders gern hör­te er sie, wenn er eu­pho­risch und zu­frie­den war. Heu­te war er gut drauf und über­dreht, es war ein per­fek­ter Tag. Er lieb­te sei­nen Job und sein Le­ben.

AC/DC hat­te zwar vor Jans Ju­gend­zeit am Be­liebt­heit- und Be­kannt­heits­ho­ri­zont ge­stan­den, aber er hat­te die­se Grup­pe vor ei­ni­ger Zeit tief in sein Herz ge­schlos­sen. Vor ei­ni­gen Mo­na­ten, zur Fünf­zig­jah­res­fei­er sei­ner Fir­ma, spiel­te eine AC/DC-Co­ver­band. Das was war der ab­so­lu­te Ham­mer für Jan, sei­ne Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen, die ein­ge­la­de­nen Lie­fe­ran­ten, Lie­fe­ran­tin­nen und Kun­den und Kun­din­nen. Es wa­ren etwa 250 Per­so­nen bei der Par­ty, bei der es Es­sen, Trin­ken, Vor­trä­ge und als Abend­pro­gramm die AC/DC-Co­ver­band gab. Jan er­in­ner­te sich im­mer wie­der ger­ne an den Abend, und ein freu­di­ges Be­we­gungs­ge­fühl ström­te durch sei­nen Kör­per. Vor sei­nem in­ne­ren Auge sah er die schweiß­durch­näss­ten Männ­chen, die auf der Büh­ne her­um­spran­gen und in ei­nem Wahn­sinns­sound einen AC/DC-Hit nach dem an­de­ren zum Bes­ten ga­ben.

Ein Gast, er war ge­bür­ti­ger Aus­tra­li­er, war bei die­sem Event auch da­bei. Er war ein­ge­fleisch­ter AC/DC-Fan und wohl me­gas­tolz auf sei­ne Lands­leu­te. Er kam rich­tig in den Flow auf der klei­nen Tanz­flä­che vor der Büh­ne. Auch Jan und sei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ge­ri­e­ten, an­ge­spornt durch den aus­tra­li­schen Tän­zer, in eine voll­kom­me­ne Tanz­tran­ce. Die auf der Büh­ne mit Gi­tar­ren und Mi­kro­fon her­um­sprin­gen­den Dar­stel­ler pu­sh­ten die Stim­mung ge­konnt im­mer wei­ter und im­mer mehr. Die Mu­si­ker wa­ren klei­ne Män­ner, alle wohl um die einss­ech­zig groß, aber vol­ler Ener­gie und wah­re Showpro­fis. Ein gro­ßer Teil der Gäs­te tanz­te sich stun­den­lang in Tran­ce.

Es war ein tol­ler Abend für Jan ge­we­sen. Wie­der mal so rich­tig die Sau raus­las­sen und ab­tan­zen – das hat­te ihm gut­ge­tan. Die­ses le­ben­di­ge Glücks­ge­fühl hat­te er seit­dem im­mer wie­der in sich ge­spürt.

Gleich am nächs­ten Tag nach der Fir­men­fei­er hat­te sich Jan eine „Best of AC/DC“-Samm­lung auf sein Smart­pho­ne ge­la­den. Nun hör­te er die Songs stän­dig im Auto oder auch zu Hau­se im Wohn­zim­mer.

Be­son­ders ger­ne hör­te er die Mu­sik in emo­ti­o­na­len und freu­d­er­füll­ten Mo­men­ten, wie jetzt, als er auf dem Weg zu­rück ins Büro war. Er war ge­ra­de bei ei­nem po­ten­zi­el­len Kun­den ge­we­sen, der re­gi­o­nal be­kann­ten Brau­e­rei Do­nau­bräu, und hat­te sein An­ge­bot prä­sen­tiert. Jan war su­per­zu­frie­den mit sich. Beim Kun­den hat­te er ein An­ge­bot zur Er­neu­e­rung und Er­wei­te­rung der Pro­duk­ti­ons­an­la­ge mit dem Werks­lei­ter durch­ge­spro­chen. Jans Fir­ma ver­trieb Hard- und Soft­ware für pro­du­zie­ren­de Be­trie­be, und er war der­je­ni­ge, der die Pro­duk­te mit sei­nem Ver­kaufs­ta­lent an den Mann oder die Frau brach­te.

Jan schüt­tel­te den Kopf zur Mu­sik hin und her. An der nächs­ten Am­pel guck­te er zum Sei­ten­fens­ter raus. Der Fah­rer im da­ne­ben­ste­hen­den Auto blick­te eben­so raus und schau­te Jan an. Zu­erst ver­zog er sein Ge­sicht, als woll­te er sa­gen: „Was bist denn du für ein Idi­ot?“ Aber dann be­gann auch er, den Kopf von der einen Sei­te auf die an­de­re Sei­te zu schüt­teln und grins­te. Viel­leicht hör­te er auch ge­ra­de Rock­mu­sik. Mit ei­nem leich­ten Quiet­schen be­schleu­nig­te Jan sein Auto, als die Am­pel auf Grün um­ge­schal­tet hat­te.

Nach die­sen ad­re­na­lin­ge­la­de­nen Mi­nu­ten mach­te er die Mu­sik aus und sag­te zu sich selbst: „Das hast du echt su­per ge­macht. Du hast su­per prä­sen­tiert und ar­gu­men­tiert.“

Meist war Jan gut ge­launt nach ei­ner An­ge­bots­prä­sen­ta­ti­on. Er moch­te es, beim Kun­den zu sein, dort al­les vor­zu­stel­len und vor al­lem: da­nach den Auf­trag zu er­hal­ten!

Er fuhr aufs Fir­men­ge­län­de und park­te sei­nen Wa­gen auf dem Kurz­park­platz, der ei­gent­lich den Kun­den vor­be­hal­ten war. Es wa­ren bei sei­ner An­kunft ge­nug Plät­ze frei. Also dach­te Jan, dass er für die paar Stun­den hier par­ken und sich den wei­ten Weg vom Mit­a­r­bei­ter­park­platz er­spa­ren könn­te.

Jan war rich­tig über­mü­tig, als er ausstieg. Er hat­te ein tol­les Kun­den­mee­ting hin­ter sich und war auf­ge­pu­sht durch die Mu­sik. Mit sei­ner Ak­ten­ta­sche in der Hand stol­zier­te er be­däch­tig zum Bü­ro­ge­bäu­de, den Gang ent­lang zu sei­nem Büro und wei­ter zu sei­nem Schreib­tisch.

Sei­ne Kol­le­gin Ju­dith, die ih­rem Platz im Vie­rer­schreib­tisch­block ne­ben ihm hat­te, war ver­tieft in ihre Ar­beit am Bild­schirm. Sie war als Werks­s­tu­den­tin an­ge­stellt und be­reits im letz­ten Se­mes­ter ih­res Stu­di­ums. Sie hoff­te, dass sie nach ih­rem Ab­schluss in we­ni­gen Mo­na­ten eine Fes­t­an­stel­lung be­kom­men wür­de.

Ju­dith be­merk­te Jan erst nach ei­ni­gen Mo­men­ten, nach­dem er zwei­mal ge­räus­pert hat­te. Sie sah ihn ver­wun­dert an und muss­te wohl so­fort ge­spürt ha­ben, dass er ihr et­was mit­tei­len woll­te.

„Na, wie war‘s, Jan? Du siehst zu­frie­den aus“, stell­te Ju­dith mit ei­nem freund­li­chen Grin­sen im Ge­sicht fest.

Jan hat­te auf die An­spra­che ge­war­tet. End­lich konn­te er los­le­gen und von sei­nem er­folg­rei­chen Tag er­zäh­len.

„Ja! Ich habe al­les rich­tig ge­macht bei dem An­ge­bots­ge­spräch. Ich war heu­te rich­tig gut drauf. Ich habe mei­ne Er­klä­run­gen laut der Agen­da mit den vor­be­rei­te­ten Punk­ten per­fekt rü­ber­ge­bracht. Ich habe die bei­den Ge­sprächs­part­ner, Rü­di­ger Mei­er, den Werks­lei­ter, und den kauf­män­ni­schen Ver­ant­wort­li­chen, Cars­ten Ho­fer, mit Fra­gen be­dacht. Na­tür­lich mit den re­le­van­ten Fra­gen für ih­ren je­wei­li­gen Ver­ant­wor­tungs­be­reich! Ich hat­te al­les im Griff und habe das Ge­spräch ge­schickt ge­führt. Den­noch hat­ten die Kun­den den weit­aus grö­ße­ren Re­de­an­teil. Das lag dar­an, dass ich das Ge­spräch mit gu­ten Fra­gen ge­lenkt habe. So be­kam ich gute Ant­wor­ten. Die In­for­ma­ti­o­nen, die ich noch brauch­te, habe ich so leicht be­kom­men.“

Ju­dith hat­te den Mund schon ge­öff­net und woll­te et­was sa­gen, aber Jan war so eu­pho­risch am Er­zäh­len, dass sie dann doch stumm blieb.

„Und dann er­klär­te ich dem Werks­lei­ter die ge­naue ROI-Be­rech­nung, die Ren­ta­bi­li­täts­be­rech­nung. ROI steht für Re­turn on In­vest, aber das weißt du ja be­stimmt, oder?“

Ju­dith nick­te.

Dar­auf­hin fuhr Jan mit sei­nem Er­leb­nis­be­richt fort. „Ich habe ihm Bei­spie­le da­für ge­ge­ben, wie sei­ne In­no­va­ti­ons­freu­dig­keit für das Image sei­ner Fir­ma hilf­reich sein wird. Klar konn­te ich rü­ber­brin­gen, dass sich eine In­ves­ti­ti­on in un­ser Sys­tem be­reits nach zwei Jah­ren durch Ein­spa­run­gen im En­gi­nee­ring und im ope­ra­ti­ven Be­trieb amor­ti­siert ha­ben wird. Dem kauf­män­ni­schen Ver­ant­wort­li­chen habe ich die ge­nau­en Lie­fer- und Zah­lungs­plä­ne er­läu­tert. Auch habe ich ihm eine ver­bind­li­che Zu­sa­ge ei­ner Lie­fe­rung in­ner­halb von zwei Wo­chen ge­ge­ben. Ich hat­te vor­her un­se­re La­ger­be­stän­de kon­trol­liert und wuss­te, dass wir der­zeit so viel auf La­ger ha­ben, dass es schon mit dem Teu­fel zu­ge­hen müss­te, wenn wir das nicht schaf­fen wür­den. Eben­so pro­du­ziert der­zeit un­ser Werk rei­bungs­los und per­fekt.“

Die Wor­te spru­del­ten nur so raus aus Jan. Er war Ver­triebs­be­auf­trag­ter mit Herz und See­le.

Nach ei­ni­ger Zeit un­ter­brach Ju­dith den Ge­sprächs­fluss, der nie­mals zu en­den schien. Sie kam nicht mehr mit.

„War­te mal, Jan. Du er­zählst mir so viel und so schnell. Ich kann dir gar nicht fol­gen.“

Jan be­merk­te sei­ne Eu­pho­rie wohl nun auch selbst, sprach zu­erst et­was lei­ser wei­ter und stopp­te sich dann. Wenn er rich­tig gut drauf war, konn­te er sich nur schwer zü­geln. Jan merk­te aber auch, dass Ju­dith sehr in­ter­es­siert zu­hör­te. Sie war in­tel­li­gent und war im­mer dazu be­reit, et­was Neu­es zu ler­nen. Dar­um er­zähl­te er ihr gern, wie sei­ne Ter­mi­ne ab­ge­lau­fen wa­ren. Spon­tan kam ihm der Ge­dan­ke, ihr sei­ne Er­kennt­nis­se ge­nau­er zu er­klä­ren.

Ge­nau das lieb­te Jan in der Tat: sein Wis­sen wei­ter­zu­ge­ben, um selbst noch si­che­rer und sat­tel­fes­ter zu wer­den, in­dem er von sei­nen Er­fah­run­gen be­rich­te­te.

„Hey, Ju­dith“, sag­te er zu ihr. „Wenn dich mei­ne ver­trieb­li­che Ar­beit in­ter­es­siert, dann zei­ge ich dir ger­ne mehr dazu. Hast du Zeit?“

„Wow, das wäre toll!“, ant­wor­te­te Ju­dith be­geis­tert. Sie woll­te in die Fes­t­an­stel­lung und war un­glaub­lich auf­merk­sam. Ju­dith woll­te so viel Wis­sen wie mög­lich auf­sau­gen. Sie griff sich so­fort No­tiz­block und Stift, da­mit sie al­les auf­schrei­ben konn­te.

Jan und Ju­dith gin­gen in die Be­spre­chungs­ecke mit dem Flip­chart. Jan blät­ter­te das obers­te Blatt um, das je­mand voll­ge­schrie­ben hat­te, und schrieb auf dem neu­en, wei­ßen Blatt los. Da­bei mur­mel­te er noch: „War­um kön­nen die Kol­le­gen ihre voll­ge­schrie­be­nen Blät­ter nicht mit­neh­men oder zu­min­dest um­blät­tern …?“

Wel­che Kun­den su­chen wir?

Je­der Un­ter­neh­mer braucht neue Kun­den und Auf­trä­ge, um be­ste­hen zu blei­ben und zu wach­sen.

Her­by Dor­rer

Jan dreh­te sich zu Ju­dith und zeig­te auf das Blatt, als er fer­tig ge­schrie­ben hat­te. Es stan­den nur die Wor­te „Kom­ple­xer Ver­trieb vs. Pro­dukt­ver­trieb“ drauf.

„Kom­ple­xer Ver­trieb vs. Pro­dukt­ver­trieb“

Jan sah Ju­dith an und leg­te los.

„Zu­erst mag ich dir mal zei­gen, von wel­cher Ver­triebs­art wir hier spre­chen. Wir sind hier im kom­ple­xen Ver­trieb. Es gibt für je­den Kun­den und für je­des Pro­jekt eine ei­ge­ne bes­te Lö­sung. Wir ver­wen­den zwar Stan­dard­pro­duk­te und Stan­dard­kon­fi­gu­ra­ti­o­nen, also ver­bin­den und ver­schal­ten wir ver­schie­de­ne Pro­duk­te mit­tels Hard­ware und Soft­ware. Fast al­les läuft in di­gi­ta­len Pro­zes­sen ab. Je­der Kun­de und je­des Pro­jekt hat aber eine an­de­re in­di­vi­du­el­le Aus­le­gung. Der Stand­ort je­des Kun­den ist an­ders, dies wirkt sich auf den Bau der Pro­duk­ti­ons­an­la­ge aus. Jede Pro­duk­ti­on ist an­ders, die me­cha­ni­sche Aus­le­gung ist an­ders und vor al­lem die Soft­ware ist an­ders. So­mit ha­ben wir bei je­dem Pro­jekt eine ei­ge­ne Kon­fi­gu­ra­ti­on. Na­tür­lich ver­su­chen wir, so viel wie mög­lich zu stan­dar­di­sie­ren und zu ska­lie­ren, aber es bleibt im­mer ein Stück In­di­vi­du­a­li­tät in je­dem Pro­jekt, bei je­dem Kun­den.“

„Stan­dar­di­sie­rung ist ein enor­mer Kos­ten­vor­teil. Das habe ich auch schon an der Uni ge­lernt. Bei un­se­ren ty­pi­schen Kun­den geht das wohl nicht im­mer“, füg­te Ju­dith hin­zu.

„Ja, ge­nau. Noch dazu wol­len vie­le Kun­den ei­ge­ne in­di­vi­du­el­le Aus­wer­tun­gen der Pro­zess­da­ten und sie wün­schen sich, dass der Au­to­ma­ti­sie­rungs- und Pro­duk­ti­ons­pro­zess an­ge­zeigt wird. Eben­so tickt jede In­dus­trie, jede Bran­che et­was an­ders. Des­we­gen braucht es einen er­fah­re­nen Ver­triebss­pe­zi­a­lis­ten, der ne­ben der ein­ge­setz­ten Au­to­ma­ti­sie­rung und An­triebs­tech­nik auch die Tech­no­lo­gie beim Kun­den kennt, und au­ßer­dem das Zu­sam­men­spiel un­se­rer Pro­duk­te und mit den an­de­ren Kom­po­nen­ten.“

„Heu­te bist du bei Do­nau­bräu ge­we­sen. Wie war das da?“

„Ja … Brau­e­rei­en. Stell dir zwei Brau­e­rei­en vor. Bei­de ha­ben einen sehr ähn­li­chen Pro­duk­ti­ons­pro­zess, aber nicht den glei­chen. Die eine Brau­e­rei setzt auf we­ni­ge Bier­sor­ten und be­lie­fert etwa gro­ße Su­per­markt­ket­ten und Gast­häu­ser. Die Brau­e­rei da­ne­ben er­zeugt vie­le un­ter­schied­li­che Bier­sor­ten und auch noch Sai­son­bie­re für die Stark­bier­zeit oder die Volks­fes­te. So­mit braut zwar jede Brau­e­rei Bier, braucht aber ver­schie­de­ne Soft­wa­re­lö­sun­gen oder Di­gi­ta­li­sie­rungs­lö­sun­gen. Die Brau­e­rei mit den vie­len un­ter­schied­li­chen Bier­sor­ten braucht mehr Re­zep­tu­ren und eine mög­lichst ein­fa­che und schnel­le Um­stel­lung von der einen Sor­te auf die an­de­re Sor­te.“

„Das kann ich mir gut vor­stel­len“, warf Ju­dith ein. „Bei­de Brau­e­rei­en sind even­tu­ell gleich groß und ha­ben den­noch un­ter­schied­li­che An­for­de­run­gen an un­se­re Au­to­ma­ti­sie­rung und Pro­zess­dar­stel­lung.“

„Gut, Ju­dith, ge­nau­so ist es“, be­stä­tig­te Jan. „Beim kom­ple­xen Ver­trieb liegt das Ent­schei­den­de dar­auf, dass wir uns zu­sätz­lich auf den Mehr­wert für den Kun­den fo­kus­sie­ren, den er hat, wenn er un­se­re vor­ge­schla­ge­ne Lö­sung an­wen­det. Hier­zu braucht es an­de­re Fä­hig­kei­ten als beim Pro­dukt­ver­kauf.“

„Kannst du mir das bit­te ge­nau­er er­klä­ren?“, frag­te Ju­dith.

Jan freu­te sich über ihr In­ter­es­se. Er war in sei­nem Ele­ment. „Na klar! Im ein­fa­chen Pro­dukt­ver­trieb liegt das Ent­schei­den­de und Dif­fe­ren­zie­ren­de beim Pro­dukt und des­sen Vor­tei­len. Beim Pro­dukt­ver­trieb ist die wich­tigs­te Sa­che, dass wir die Pro­duk­te ken­nen und wis­sen, wie es sich auf das Um­feld aus­wirkt. Beim kom­ple­xen Ver­trieb grei­fen vie­le Zahn­räd­chen in­ein­an­der.“

„Ich ver­ste­he“, sag­te Ju­dith. „Kannst du mir da­für ein Bei­spiel aus der Pra­xis ge­ben?“

Jan fiel so­fort ein all­ge­mei­nes Bei­spiel ein. „Ja, stell dir Ver­käu­fer beim Bä­cker vor. Sie müs­sen das an­ge­bo­te­ne Brot und die Back­wa­ren ken­nen. Sie soll­ten die Zu­ta­ten ken­nen, mit de­nen die Back­wa­ren her­ge­stellt wur­den. Sie müs­sen auch das Sor­ti­ment ken­nen. Und echt gute Ver­käu­fe­rin­nen und Ver­käu­fer kön­nen auch be­ra­ten, in­dem sie etwa die Vor­zü­ge von Voll­korn er­klä­ren und ei­nem Di­a­be­ti­ker na­he­le­gen, Voll­korn­pro­duk­te zu es­sen. Mit die­sem Pro­dukt tun sie der Kund­schaft et­was Gu­tes und wahr­schein­lich auch sich selbst, da das Voll­korn­pro­dukt einen hö­he­ren Preis und eine hö­he­re Ge­winn­span­ne hat. Gute Ver­käu­fe­rin­nen und Ver­käu­fer soll­ten ihre Pro­duk­te ge­nau ken­nen.“

Ju­dith nick­te, sah aber et­was nach­denk­lich aus. Jan woll­te es ihr noch an­schau­li­cher er­klä­ren.

„Oder se­hen wir uns Au­to­ver­käu­fer an: Sie müs­sen ihr Sor­ti­ment ken­nen, sich mit Au­tos aus­ken­nen und zu­sätz­lich fun­dier­te Kennt­nis­se über an­de­re Au­to­mar­ken und den Wett­be­werb ha­ben. Beim kom­ple­xen Ver­trieb musst du die Pro­duk­te, die Aus­wir­kun­gen der Pro­duk­te auf das Sys­tem, auf das Um­feld und den Pro­duk­ti­ons­ab­lauf ken­nen. Es gilt also in ei­ni­gen Be­rei­chen eine an­de­re Vor­ge­hens­wei­se als beim Ver­kau­fen von Pro­duk­ten. Aber vie­les ist gleich. Ver­trieb ist auch Ver­kauf.“

„Kling echt kom­plex … und ein­leuch­tend“, un­ter­brach Ju­dith den be­geis­ter­ten Ge­sprächs­fluss Jans.

„Es ist kom­plex und in­ter­es­sant!“, ant­wor­te­te Jan. „Du wirst es bald kla­rer se­hen kön­nen. Das kommt mit der Er­fah­rung.“

Die 5 Punk­te von Jans Ver­triebs­sys­te­ma­tik

Der Kun­de steht in je­dem Ab­schnitt des Ver­trieb­spro­zes­ses im Mit­tel­punkt.

Her­by Dor­rer

1. War­um brau­chen wir neue Kun­den? Wel­che Kun­den brau­chen wir?

Jan ging wie­der zum Flip­chart. Er schrieb auf ein neu­es Blatt. Als Jan fer­tig war, be­trach­te­ten er und Ju­dith sein Werk.

1. Kun­de­n­aus­wahl – Pas­sen der Kun­de und wir zu­sam­men?

2. Ge­schäfts­mög­lich­keit – Hat der ­Kun­de wirk­lich Hand­lungs­be­da­rf?

3. Bu­y­ing-Cen­ter-Ana­ly­se – Wer ­ent­schei­det beim Kun­den?

4. Der Wett­be­werb und wir – Wie gut sind wir auf­ge­stellt, um den ­Auf­trag zu er­hal­ten?

5. Kun­den­spe­zi­fi­sches Wert­ver­spre­chen – Wie hel­fen wir dem Kun­den, sei­nen Wert zu stei­gern?

Nach ei­ni­gen Mo­men­ten wen­de­te sich Jan wie­der vom Flip­chart ab und sprach zu Ju­dith: „Hier habe ich fünf Punk­te auf­ge­schrie­ben, wie ich sys­te­ma­tisch bei ei­nem Ver­trieb­spro­jekt vor­ge­he. Ich be­gin­ne mit der Kun­de­n­ana­ly­se, dann ma­che ich wei­ter mit der Prü­fung, ob wir tat­säch­lich Auf­trags­chan­cen ha­ben. Da­nach ana­ly­sie­re ich die Ent­schei­dungs­pro­zes­se beim Kun­den und stel­le un­se­ren mög­li­chen Wert für den Kun­den dar. Das Er­geb­nis be­trach­te ich dann im Ver­gleich zu un­se­ren Wett­be­wer­bern. Dann geht es zu dem so­ge­nann­ten kun­den­spe­zi­fi­schen Wert­ver­spre­chen. Das ist wohl der wich­tigs­te Punkt hin­sicht­lich ei­ner mög­li­chen Auf­trags­ge­win­nung.“

Jan hielt kurz inne und sah Ju­dith an. Da sie wei­ter­hin auf­merk­sam wirk­te und an­schei­nend mehr wis­sen woll­te, dreh­te er sich wie­der zum Flip­chart. „Be­gin­nen wir nun mit dem so­ge­nann­ten Ver­kaufs­trich­ter. War­um brau­chen wir neue Kun­den, Ju­dith?“

Ju­dith über­leg­te kurz. Es war ihre Art, vor ei­ner Ant­wort kurz nach­zu­den­ken und dann ge­zielt zu ant­wor­ten. Da­bei schüt­tel­te sie ihr lo­cke­res brau­nes Haar meist zur Sei­te und lä­chel­te leicht. Ihre Art mach­te sie sym­pa­thisch und sie wirk­te da­mit auf an­de­re Men­schen sehr kom­pe­tent. Sie lenk­te mit die­sem Ver­hal­ten leicht die Auf­merk­sam­keit in Be­spre­chun­gen auf sich. Bei Kun­den wür­de sie wohl auch kom­pe­tent und sym­pa­thisch wir­ken – das nahm Jan zu­min­dest an. Bis­her hat­te sie noch kei­nen Kun­den­ter­min wahr­ge­nom­men.

Nach et­was Be­denk­zeit ant­wor­te­te sie. „Wir brau­chen Kun­den, um zu wach­sen. Da­mit un­ser Um­satz wächst ... Und da­mit wir Kun­den vom Wett­be­wer­ber zu uns brin­gen und so­mit Markt­an­tei­le ge­win­nen“, spru­del­te es aus Ju­dith her­aus.

„Su­per. Du bist ja schon ein Pro­fi!“, sag­te Jan und er­hob sei­nen Dau­men.

„Dan­ke, Jan! Dein Lob be­deu­tet mir viel!“, er­wi­der­te Ju­dith und lä­chel­te zu­frie­den.

„Ger­ne. Schau­en wir auf das Flip­chart. Hier habe ich mein Ver­triebs­kon­zept skiz­ziert.“

Ju­dith be­trach­te­te das Flip­chart. Jan be­gann, die Punk­te auf dem Blatt zu er­klä­ren.

„Wir brau­chen neue Kun­den, da je­des Jahr wel­che weg­fal­len. Zum Bei­spiel, weil eine Fir­ma in­sol­vent wird. Oder Fir­men stel­len die Ge­schäfts­tä­tig­keit aus ir­gend­wel­chen Grün­den ein, etwa we­gen Ge­schäfts­auf­ga­be oder Um­o­ri­en­tie­rung. Manch­mal wird eine Fir­ma auf­ge­kauft oder sie wird mit ei­ner an­de­ren Fir­ma fu­sio­niert. Je nach Bran­che und Re­gi­on kön­nen so schon mal zehn Pro­zent der Kun­den pro Jahr weg­bre­chen. In man­chen Bran­chen oder Seg­men­ten so­gar we­sent­lich mehr. Die­se Kun­den müs­sen wir durch neue Kun­den er­set­zen. Hier gilt es auch, Aus­schau zu hal­ten nach Ne­w­co­mern am Markt. Nach Kun­den, die neu in den Markt ein­tre­ten. Auch nach Fir­men mit völ­lig neu­en Ge­schäfts­ide­en. Manch­mal ent­wi­ckeln sich auch völ­lig neue Ge­schäfts­mo­del­le.“

Jan brauch­te eine kur­ze Pau­se und trank et­was Was­ser. Dann er­zähl­te er wei­ter.

„Denk nur mal an die Han­dys vor zwan­zig Jah­ren. Vor­her hat nie­mand an so­was ge­dacht. Nie­mand brauch­te es, weil es nie­mand kann­te. Dann sprieß­ten plötz­lich neue Kun­den wie Pil­ze aus dem Bo­den. Han­dys muss­ten pro­du­ziert wer­den. Dazu brauch­ten die Her­stel­ler Au­to­ma­ti­sie­rung, und das wa­ren völ­lig neue Kun­den für uns. Oder denk an die Soft­ware: Plötz­lich soll­te die Soft­ware auch am Han­dy, heu­te am Smart­pho­ne, funk­tio­nie­ren, und die Be­die­ner woll­ten übers Han­dy den Pro­duk­ti­ons­pro­zess ih­rer Fa­brik be­ob­ach­ten und so­gar steu­ern. Sol­che tech­no­lo­gi­schen Neu­e­run­gen müs­sen wir früh­zei­tig er­ken­nen. Dann kön­nen wir als ei­ner der ers­ten Lie­fe­ran­ten am Markt mit­mi­schen. Hier­zu brau­chen wir eine gute Markt­be­ob­ach­tung, ei­ge­ne Vi­si­o­nen und wir müs­sen die Bran­che gut ken­nen. Jetzt ge­ra­de sind die E-Cars und die da­zu­ge­hö­ri­gen Bat­te­ri­en ein neu­es Ge­schäfts­mo­dell. Da­durch gibt es völ­lig ver­än­der­te Nach­fra­gen in der Au­to­mo­bil­bran­che und bei de­ren Zu­lie­fe­rern.“

Aus­lau­fen­de Ba­de­wan­ne als Syn­onym für „Kun­den­schwund“

Jan hat­te wäh­rend sei­nes Mo­no­logs eine Ba­de­wan­ne an das Flip­chart ge­malt.

Ju­dith frag­te: „Was hast du denn da ge­zeich­net, Künst­ler?“

„Ich stel­le mir das so wie eine Ba­de­wan­ne vor. Wenn der Pfrop­fen nicht dicht ist, fließt im­mer wie­der Was­ser raus und die schö­ne vol­le Ba­de­wan­ne wird mit der Zeit im­mer lee­rer. So stel­le ich mir das auch mit den Kun­den vor. Mit der Zeit schwin­den sie und ich muss im­mer wie­der gu­cken, dass neue Kun­den nach­kom­men. Also: Was­ser muss nach­flie­ßen.“

„Coo­les Bei­spiel, Jan! Es macht Spaß, dir zu­zu­hö­ren. Ich be­kom­me von dir so vie­le In­for­ma­ti­o­nen. Das hilft mir echt wei­ter in mei­ner Ent­wick­lung und ich kann mir al­les gut vor­stel­len.“

Das hör­te Jan ger­ne. Ju­dith teil­te sei­ne Eu­pho­rie für den Ver­trieb und das freu­te ihn. Er sprach di­rekt wei­ter.

„Am wich­tigs­ten ist mei­ner Mei­nung nach der Ge­schäfts­aus­bau bei be­ste­hen­den Kun­den. Es ist es­sen­zi­ell, dass wir die be­ste­hen­den Kun­den bei uns hal­ten. Das ist auch um ein Viel­fa­ches güns­ti­ger, als neue Kun­den zu ak­qui­rie­ren. Es be­nö­tigt we­ni­ger Zeit, we­ni­ger Auf­wand. Bei be­ste­hen­den Kun­den müs­sen wir un­ser Ge­schäft hal­ten. Und wir kön­nen etwa durch Up­sel­ling oder Cross-Sel­ling un­ser Ge­schäfts­vo­lu­men er­hö­hen. Wenn wir also bei den rich­ti­gen Kun­den sind, die in ih­rem Markt über­durch­schnitt­lich wach­sen, ha­ben wir eine gute Chan­ce, dass wir auch über­durch­schnitt­lich wach­sen und so­mit un­se­re Mar­kan­tei­le er­hö­hen.“

„Jan?“, un­ter­brach Ju­dith. „Was meinst du mit Cross-Sel­ling und Up­sel­ling?“

„Cross-Sel­ling be­deu­tet, dass wir zu­sätz­lich zu un­se­rem An­ge­bot wei­te­re Pro­duk­te, Sys­te­me oder Leis­tun­gen ver­kau­fen. Etwa, wenn ich der Brau­e­rei ne­ben un­se­rem Au­to­ma­ti­sie­rungs­sys­tem auch noch das pas­sen­de In­stal­la­ti­ons­ma­te­ri­al ver­kau­fe. Das hat die Brau­e­rei ge­wohn­heits­be­dingt bis­her im­mer vom Wett­be­wer­ber ge­kauft. Wenn sie es nun bei mir kauft, kann ich un­ser Auf­trags­vo­lu­men er­hö­hen und even­tu­ell dem Kun­den so­gar einen Vor­teil ver­schaf­fen. Und zwar den Vor­teil, dass er mit ei­nem Lie­fe­ran­ten we­ni­ger ver­han­deln muss und sei­nen Ein­kauf und Er­satz­teil­pro­zess straf­fen kann. Na­tür­lich muss das für uns und den Kun­den sinn­voll sein. Wir müs­sen auch in die­sem Pro­dukt oder Dienst­leis­tungs­be­reich wett­be­werbs­fä­hig sein. Der Kun­de muss eben­so einen Be­ne­fit für sich er­ken­nen.“

Ju­dith nick­te be­stä­ti­gend. „Das kann ich voll und ganz nach­voll­zie­hen. Der Kun­de muss Vor­tei­le für sich er­ken­nen.“

Jan fuhr fort. „Up­sel­ling be­deu­tet, dass ich dem Kun­den eine hö­he­re Dienst­leis­tung oder ein hö­her­wer­ti­ges Pro­dukt ver­kau­fe als ur­sprüng­lich an­ge­dacht. Bei der Brau­e­rei etwa habe ich ein grö­ße­res, leis­tungs­fä­hi­ge­res Au­to­ma­ti­sie­rungs­ge­rät an­ge­bo­ten als tech­nisch not­wen­dig und ur­sprüng­lich vor­ge­se­hen. Die­ses leis­tungs­fä­hi­ge­re Ge­rät kann bei zu­künf­ti­gen Er­wei­te­run­gen ver­wen­det wer­den. Zu­sätz­lich hat es ei­ni­ge Kom­fort­funk­ti­o­nen, die das klei­ne­re Ge­rät nicht hat. So­mit kann der Kun­de eine zu­künf­ti­ge Sys­te­m­er­wei­te­rung kos­ten­güns­ti­ger durch­füh­ren als mit der klei­ne­ren Ver­si­on. Hier muss der Kun­de den Mehr­wert aber klar er­ken­nen und ihn in ei­nem Ver­gleich mit Wett­be­wer­bern, die eine Min­dest­va­ri­a­n­te an­bie­ten, preis­lich be­rück­sich­ti­gen. Dies ist oft auf­wän­dig, da vie­le nur das ak­tu­el­le Pro­jekt und die Prei­se hier­für in Be­tracht zie­hen und die Wett­be­wer­ber ver­glei­chen. Hier ist es eine gro­ße Kunst des Ver­triebss­pe­zi­a­lis­ten, dass er es für den Kun­den klar, trans­pa­rent und werts­pe­zi­fisch dar­stellt.“

„Okay“, sag­te Ju­dith. „Ich hab‘s ver­stan­den. Lass mich mal kurz re­flek­tie­ren. Ich su­che mir im­mer ei­ge­ne ein­fa­che Bei­spie­le, um Neu­es in mei­nem Ge­hirn zu ver­an­kern.“

Jan hol­te wäh­rend Ju­diths Nach­denk­pau­se einen Kaf­fee und Kek­se für die bei­den. Das Ge­spräch schien noch zu dau­ern, denn ihr Wis­sens­durst war noch nicht be­frie­digt.

„Gut“, sag­te Ju­dith nach ei­ni­gen Mo­men­ten und ei­ni­gen Schlu­cken Kaf­fee. „Ich den­ke, ich habe es ver­in­ner­licht. Cross-Sel­ling ma­chen Ver­käu­fer bei mir fast täg­lich“, sag­te sie lei­se la­chend. „Heu­te früh war ich tan­ken. An der Kas­se frag­te mich der Kas­sie­rer, ob‘s auch noch ein Kaf­fee sein darf. Er muss­te wohl ge­ahnt ha­ben, dass ich Lust auf Kaf­fee hat­te. Also be­stell­te ich einen Cappuc­ci­no. Dann be­merk­te er wohl auch noch mei­nen ver­steck­ten Blick auf das Scho­ko­cro­is­sant hin­ter der The­ke. Er bot mir das Crois­sant an, und be­vor ich ja ge­sagt hat­te, be­weg­te er es schon mit der Zan­ge von der The­ke in die Pa­pier­tü­te. So­mit hab ich heu­te früh drei Pro­duk­te ge­kauft, an­statt nur das Ben­zin. Und noch was: Er hat auch Up­sel­ling ge­macht, in­dem er mir fast bei­läu­fig die XL-Va­ri­a­n­te des Cappuc­ci­nos emp­fahl und ver­kauf­te.“

Jan strahl­te. Sie ver­stand wirk­lich schnell!„Ja, ge­nau, Ju­dith. Das war ein gu­ter Ver­käu­fer!“

„Für Up­sel­ling bin ich be­son­ders emp­fäng­lich.“ Ju­dith grins­te. „Ich ver­die­ne noch nicht son­der­lich viel als Werks­s­tu­den­tin, aber spe­zi­ell kurz nach der Ge­halts­zah­lung bin ich hier sehr emp­fäng­lich … Letz­tes Mal hab ich an­statt der Null­acht­fünf­zehn­blu­se doch die Mar­ken­blu­se ge­kauft, ob­wohl sie dop­pelt so viel ge­kos­tet hat. Das muss ich wohl von mei­nem Va­ter ge­erbt ha­ben. Der woll­te letz­tes Jahr einen klei­nes Fa­mi­lien­au­to kau­fen. Dann kam er doch mit dem Mit­tel­klas­se­wa­gen in­klu­si­ve un­zäh­li­ger Ex­tras nach Hau­se.“

Jan lacht. „Das sind su­per­gu­te Bei­spie­le! Ich ver­ste­he nicht, war­um vie­le Ver­käu­fer Cross-Sel­ling und Up­sel­ling nicht ver­in­ner­licht ha­ben. Je­der soll­te es ma­chen. Und nun kommt die Kö­nigs­dis­zi­plin: neue Kun­den vom Wett­be­wer­ber zu uns ho­len. Das ist meist viel auf­wän­di­ger, zei­t­in­ten­si­ver, kos­ten­in­ten­si­ver und über­zeu­gungs­in­ten­si­ver, als be­ste­hen­de Kun­den zu hal­ten und aus­zu­bau­en. Hier braucht es einen an­de­ren Ty­pus von Sales. Der Ver­käu­fer, der Kun­den vom Wett­be­wer­ber ab­wirbt und für uns ge­winnt, muss über­zeu­gend, hart­nä­ckig und be­stän­dig sein. Eben­so muss er die rich­ti­gen Leu­te zum rich­ti­gen Zeit­punkt beim an­ge­peil­ten Kun­den in sei­nem Ein­fluss ha­ben. Etwa, wenn beim End­kun­den eine weit­rei­chen­de Sys­tem­neu­ent­schei­dung an­steht oder wenn der End­kun­de ge­ra­de mit dem der­zei­ti­gen Sys­tem Pro­ble­me hat. Dann ist un­ser Zeit­fens­ter als neu­er Be­wer­ber ge­kom­men, in dem wir ein­stei­gen kön­nen. In ei­ner Ver­triebs­schu­lung oder in ei­nem Buch habe ich mal ge­lernt, dass der Ver­trieb­ler für Be­stand­kun­den der Far­mer ist und der Ver­triebs­ty­pus für Neu­kun­den­ge­win­nung der Hun­ter.“

„Da ist was Wah­res dran. In dem Buch wur­den wohl die eng­li­schen Be­grif­fe ver­wen­det, um es präg­nan­ter zu be­schrei­ben, den­ke ich“, mein­te Ju­dith.