Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dieses Buch ist anders! Anders als alle anderen Bücher zu Vertrieb. Ehrlich, intensiv, menschlich, vielschichtig geht es um Themen, die im Vertriebsalltag wichtig sind. Dieses Buch ist keine Schritt-für-Schritt Anleitung, denn die gibt es sowieso nicht. Da jeder Mensch und jede Vertriebspersönlichkeit anders ist, wird sich jeder Vertriebler und Verkäufer anders entwickeln, bis er seinen optimalen Erfolg erreicht. Dieses Buch gibt einen klaren roten Faden und viele Anregungen zum erfolgreichen Vertrieb, speziell im technischen Bereich. Du wirst Dir auch klarer werden über Deine Aufgabe, Deine Mission. Ebenso bekommst Du Tipps zur Umsetzung Deines Vertriebswissens und viele Anregungen für erfolgreiches Verkaufen. All das ist verpackt und angereichert mit zahlreichen Geschichten.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 221
Veröffentlichungsjahr: 2021
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
1. Auflage 2021Copyright © 2021 Herby DorrerRosenstrasse 3, 90762 Fürth
Umschlaggestaltung: Constanze Kramer, coverboutique.de
Bildnachweise: „Gustav der Dritte“: © Beate Kaspar, www.beate-kaspar.depixabay
Zeichnungen: Herbert und Leonie Dorrer
Lektorat: Mia Gries, Federrauschen | Lektorat & Textmanufaktur
Satz: Constanze Kramer, coverboutique.de
Herstellung und Verlag: epubli.de
Alle Rechte vorbehalten. Das vorliegende Werk darf weder in seiner Gesamtheit noch in seinen Teilen ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Rechteinhaber in welcher Form auch immer veröffentlicht werden. Das betrifft insbesondere jedoch nicht ausschließlich elektronische, mechanische, physische, audiovisuelle oder anderweitige Reproduktion oder Speicherung und oder Übertragung des Werkes sowie Übersetzungen. Davon ausgenommen sind kurze Auszüge, die zum Zwecke der Rezension entnommen werden.
Alles verwendete niedergeschriebene Wissen sind meine Erkenntnisse und Erinnerungen aus zahlreichen Vertriebsseminaren, Büchern, persönlichen Erfahrungen, Erzählungen und persönlichen Interpretationen.
Alle Firmen und Personen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten sind zufällig und unbeabsichtigt.
Liebe Leser,
meine Vision ist es, vertrieblich erfolgreich und dabei glücklich zu sein. In diesem Buch wirst Du über erfolgreichen Vertrieb und über erfolgreiches Verkaufen lesen. Da ich jahrzehntelang im Projektmanagement und Vertrieb für Automatisierungstechnik und Digitalisierung tätig war, stammen meine Erfahrungen meist aus diesem Umfeld. Du wirst eine superhilfreiche Systematik für den Vertrieb erfahren und viele psychologisch orientierte Themen, die ich mir im Lauf meines Lebens als Vertriebsbeauftragter nach und nach angeeignet und in meine Vertriebsarbeit integriert habe. Damit wurde ich noch erfolgreicher und, am allerwichtigsten für mich, auch persönlich glücklicher. Ich fühlte mich freier. Erfolgreicher Vertrieb bedeutet für mich auch, dass ich die Zeit sinnvoll einsetze, mich auf das Wesentliche konzentriere sowie systematisch, zielgruppenorientiert und persönlichkeitsorientiert vorgehe. Mit der daraus resultierenden Zeitersparnis kann jeder selbst entscheiden, ob er die freigewordene Zeit zur Generierung zusätzlicher Aufträge nutzt, für sich persönlich oder für sein privates Leben.
Die digitale Transformation zwingt Unternehmern & Selbstständige ihre Prozesse im Verkauf immer wieder auf den Prüfstand zu stellen.
Wer hier die Nase vorn haben will, braucht nicht nur ein gutes Bauchgefühl, sondern auch eine Strategie, die dem ständigen Wandel Rechnung trägt. Es herrscht in den meisten Köpfen noch immer der Irrglaube, dass es eine top designte Webseite, ein super Marketing und eine besonders große Sichtbarkeit & Reichweite braucht, um erfolgreich zu werden.
Das ist grundsätzlich nicht falsch, doch Fakt ist egal, wie gut Dein Produkt oder Deine Dienstleistung ist, wenn Du nicht verkaufen kannst, nützen Dir all diese Tools nichts und der Erfolg bleibt aus.
Um einen potenziellen Kunden nachhaltig zu überzeugen und zu einem tatsächlichen Kunden zu transformieren – braucht es eine absolut überzeugende Präsentation und eine Strategie, die durch Kompetenz den Kunden bei der Kaufentscheidung unterstützen.
In diesem Buch lernst Du Schritt für Schritt, das System kennen für erfolgreichen Verkauf und bekommst hilfreiche Tipps, um Deine Verkaufspersönlichkeit wachsen zu lassen, umso nicht nur erfolgreicher im Verkauf zu sein, sondern auch zu einem Kundenmagnet heranzuwachsen.
Wir wünschen dem Autor für seinen weiteren Weg maximalen Erfolg und Ihnen nun viel Spaß beim Lesen, gute Erkenntnisse und noch besser Ergebnisse.
Kapitel 1 – Vertiebssystematik
Jan – mit Vertriebssystematik (fast) jeden Auftrag holen
Welche Kunden suchen wir?
Die 5 Punkte von Jans Vertriebssystematik
1. Warum brauchen wir neue Kunden? Welche Kunden brauchen wir?
2. Ist das Projektvorhaben wirklich eine Geschäftsmöglichkeit für uns?
3. Das Buying Center – Wer entscheidet über den Auftrag?
Jans Geschichte 1
4. Kenne Deine Wettbewerber und stelle deine Vorteile in den Fokus
5. Angebotspräsentation und das kundenspezifische Wertversprechen
Jans Enttäuschung – der gekränkte Vertriebsstar
Zusammenfassung Kapitel 1
Kapitel 2 – Erfolgreiche Kommunikation im Vertrieb
Jan besucht seinen Lieblingskunden
Jans Begegnung mit Gustav dem Dritten
Jans neues Vertriebswundertool
Erste Lektion von Gustav dem Dritten: Erfolgreiche Kommunikation mit dem 3G-Kommunikationsmodell
Zweite Lektion von Gustav dem Dritten: Erfolgreich mit 3G im Vertrieb
Dritte Lektion von Gustav dem Dritten: Sicherer durch Kommunikation mit 3G
Zusammenfassung Kapitel 2
Kapitel 3 – Der perfekte Verkäufer
Die nächste Geschäftsmöglichkeit im Zementwerk
Die Eigenschaften des perfekten Verkäufers
Jans Geschichte 2
Ich will langlaufen! – Der Unterschied zwischen erfolgreichem und nicht erfolgreichem Verkauf
Jans Geschichte 3
Das Betteln um ein Flugticket
Zusammenfassung Kapitel 3
Kapitel 4 – Erkenne und nutze die Vertriebskanäle: Vorbereitung für den Auftrag
Die Geschäftsmöglichkeit im Mobilitätsbereich – Der Wert der Qualität
Erkenne und kenne die Vertriebskanäle
Die Einwandbehandlung ist auftragsentscheidend
Einwände und Vorwände – Der Preis
Gespräch mit Frank
Die Fragetechnik
Zusammenfassung Kapitel 4
Kapitel 5 – Die Anleitung zum erfolgreichen Vertriebsgespräch
Die Geschäftsmöglichkeit bei der Bäckerei
Judith soll ihren ersten Auftrag holen!
Judith in ihrem ersten Kundengespräch
Work hard – party hard (after success)
Zusammenfassung Kapitel 5
Arbeitsblätter
1. Vertriebssystematik
Die fünf Schritte zur Kundengewinnung
Das kundenspezifische Wertversprechen
2. Die personenbezogene Kommunikation: die drei Persönlichkeitstypen
3. Die Vertriebs DNA
4. Die sieben Schritte eines gelungenen Gesprächs4
5. Deine zielkundengerichtete Präsentation
Das Finale – mein Wunsch für dich
Über den Autor
Glossar
Typisches Bild der Produktion in einer Brauerei
Spitzenvertrieb basiert immer auf einer überragenden Verkäuferpersönlichkeit.
Herby Dorrer
Jan saß in seinem Auto. Laut, wie meistens, hatte er sein Autoradio aufgedreht. Musik von AC/DC schallte aus den Boxen der Seitentüren. Jan sang laut mit, wie er es auch schon als Teenager gerne getan hatte: „Highway to Hell!“ Er mochte Rockmusik und besonders gern hörte er sie, wenn er euphorisch und zufrieden war. Heute war er gut drauf und überdreht, es war ein perfekter Tag. Er liebte seinen Job und sein Leben.
AC/DC hatte zwar vor Jans Jugendzeit am Beliebtheit- und Bekanntheitshorizont gestanden, aber er hatte diese Gruppe vor einiger Zeit tief in sein Herz geschlossen. Vor einigen Monaten, zur Fünfzigjahresfeier seiner Firma, spielte eine AC/DC-Coverband. Das was war der absolute Hammer für Jan, seine Kollegen und Kolleginnen, die eingeladenen Lieferanten, Lieferantinnen und Kunden und Kundinnen. Es waren etwa 250 Personen bei der Party, bei der es Essen, Trinken, Vorträge und als Abendprogramm die AC/DC-Coverband gab. Jan erinnerte sich immer wieder gerne an den Abend, und ein freudiges Bewegungsgefühl strömte durch seinen Körper. Vor seinem inneren Auge sah er die schweißdurchnässten Männchen, die auf der Bühne herumsprangen und in einem Wahnsinnssound einen AC/DC-Hit nach dem anderen zum Besten gaben.
Ein Gast, er war gebürtiger Australier, war bei diesem Event auch dabei. Er war eingefleischter AC/DC-Fan und wohl megastolz auf seine Landsleute. Er kam richtig in den Flow auf der kleinen Tanzfläche vor der Bühne. Auch Jan und seine Kolleginnen und Kollegen gerieten, angespornt durch den australischen Tänzer, in eine vollkommene Tanztrance. Die auf der Bühne mit Gitarren und Mikrofon herumspringenden Darsteller pushten die Stimmung gekonnt immer weiter und immer mehr. Die Musiker waren kleine Männer, alle wohl um die einssechzig groß, aber voller Energie und wahre Showprofis. Ein großer Teil der Gäste tanzte sich stundenlang in Trance.
Es war ein toller Abend für Jan gewesen. Wieder mal so richtig die Sau rauslassen und abtanzen – das hatte ihm gutgetan. Dieses lebendige Glücksgefühl hatte er seitdem immer wieder in sich gespürt.
Gleich am nächsten Tag nach der Firmenfeier hatte sich Jan eine „Best of AC/DC“-Sammlung auf sein Smartphone geladen. Nun hörte er die Songs ständig im Auto oder auch zu Hause im Wohnzimmer.
Besonders gerne hörte er die Musik in emotionalen und freuderfüllten Momenten, wie jetzt, als er auf dem Weg zurück ins Büro war. Er war gerade bei einem potenziellen Kunden gewesen, der regional bekannten Brauerei Donaubräu, und hatte sein Angebot präsentiert. Jan war superzufrieden mit sich. Beim Kunden hatte er ein Angebot zur Erneuerung und Erweiterung der Produktionsanlage mit dem Werksleiter durchgesprochen. Jans Firma vertrieb Hard- und Software für produzierende Betriebe, und er war derjenige, der die Produkte mit seinem Verkaufstalent an den Mann oder die Frau brachte.
Jan schüttelte den Kopf zur Musik hin und her. An der nächsten Ampel guckte er zum Seitenfenster raus. Der Fahrer im danebenstehenden Auto blickte ebenso raus und schaute Jan an. Zuerst verzog er sein Gesicht, als wollte er sagen: „Was bist denn du für ein Idiot?“ Aber dann begann auch er, den Kopf von der einen Seite auf die andere Seite zu schütteln und grinste. Vielleicht hörte er auch gerade Rockmusik. Mit einem leichten Quietschen beschleunigte Jan sein Auto, als die Ampel auf Grün umgeschaltet hatte.
Nach diesen adrenalingeladenen Minuten machte er die Musik aus und sagte zu sich selbst: „Das hast du echt super gemacht. Du hast super präsentiert und argumentiert.“
Meist war Jan gut gelaunt nach einer Angebotspräsentation. Er mochte es, beim Kunden zu sein, dort alles vorzustellen und vor allem: danach den Auftrag zu erhalten!
Er fuhr aufs Firmengelände und parkte seinen Wagen auf dem Kurzparkplatz, der eigentlich den Kunden vorbehalten war. Es waren bei seiner Ankunft genug Plätze frei. Also dachte Jan, dass er für die paar Stunden hier parken und sich den weiten Weg vom Mitarbeiterparkplatz ersparen könnte.
Jan war richtig übermütig, als er ausstieg. Er hatte ein tolles Kundenmeeting hinter sich und war aufgepusht durch die Musik. Mit seiner Aktentasche in der Hand stolzierte er bedächtig zum Bürogebäude, den Gang entlang zu seinem Büro und weiter zu seinem Schreibtisch.
Seine Kollegin Judith, die ihrem Platz im Viererschreibtischblock neben ihm hatte, war vertieft in ihre Arbeit am Bildschirm. Sie war als Werksstudentin angestellt und bereits im letzten Semester ihres Studiums. Sie hoffte, dass sie nach ihrem Abschluss in wenigen Monaten eine Festanstellung bekommen würde.
Judith bemerkte Jan erst nach einigen Momenten, nachdem er zweimal geräuspert hatte. Sie sah ihn verwundert an und musste wohl sofort gespürt haben, dass er ihr etwas mitteilen wollte.
„Na, wie war‘s, Jan? Du siehst zufrieden aus“, stellte Judith mit einem freundlichen Grinsen im Gesicht fest.
Jan hatte auf die Ansprache gewartet. Endlich konnte er loslegen und von seinem erfolgreichen Tag erzählen.
„Ja! Ich habe alles richtig gemacht bei dem Angebotsgespräch. Ich war heute richtig gut drauf. Ich habe meine Erklärungen laut der Agenda mit den vorbereiteten Punkten perfekt rübergebracht. Ich habe die beiden Gesprächspartner, Rüdiger Meier, den Werksleiter, und den kaufmännischen Verantwortlichen, Carsten Hofer, mit Fragen bedacht. Natürlich mit den relevanten Fragen für ihren jeweiligen Verantwortungsbereich! Ich hatte alles im Griff und habe das Gespräch geschickt geführt. Dennoch hatten die Kunden den weitaus größeren Redeanteil. Das lag daran, dass ich das Gespräch mit guten Fragen gelenkt habe. So bekam ich gute Antworten. Die Informationen, die ich noch brauchte, habe ich so leicht bekommen.“
Judith hatte den Mund schon geöffnet und wollte etwas sagen, aber Jan war so euphorisch am Erzählen, dass sie dann doch stumm blieb.
„Und dann erklärte ich dem Werksleiter die genaue ROI-Berechnung, die Rentabilitätsberechnung. ROI steht für Return on Invest, aber das weißt du ja bestimmt, oder?“
Judith nickte.
Daraufhin fuhr Jan mit seinem Erlebnisbericht fort. „Ich habe ihm Beispiele dafür gegeben, wie seine Innovationsfreudigkeit für das Image seiner Firma hilfreich sein wird. Klar konnte ich rüberbringen, dass sich eine Investition in unser System bereits nach zwei Jahren durch Einsparungen im Engineering und im operativen Betrieb amortisiert haben wird. Dem kaufmännischen Verantwortlichen habe ich die genauen Liefer- und Zahlungspläne erläutert. Auch habe ich ihm eine verbindliche Zusage einer Lieferung innerhalb von zwei Wochen gegeben. Ich hatte vorher unsere Lagerbestände kontrolliert und wusste, dass wir derzeit so viel auf Lager haben, dass es schon mit dem Teufel zugehen müsste, wenn wir das nicht schaffen würden. Ebenso produziert derzeit unser Werk reibungslos und perfekt.“
Die Worte sprudelten nur so raus aus Jan. Er war Vertriebsbeauftragter mit Herz und Seele.
Nach einiger Zeit unterbrach Judith den Gesprächsfluss, der niemals zu enden schien. Sie kam nicht mehr mit.
„Warte mal, Jan. Du erzählst mir so viel und so schnell. Ich kann dir gar nicht folgen.“
Jan bemerkte seine Euphorie wohl nun auch selbst, sprach zuerst etwas leiser weiter und stoppte sich dann. Wenn er richtig gut drauf war, konnte er sich nur schwer zügeln. Jan merkte aber auch, dass Judith sehr interessiert zuhörte. Sie war intelligent und war immer dazu bereit, etwas Neues zu lernen. Darum erzählte er ihr gern, wie seine Termine abgelaufen waren. Spontan kam ihm der Gedanke, ihr seine Erkenntnisse genauer zu erklären.
Genau das liebte Jan in der Tat: sein Wissen weiterzugeben, um selbst noch sicherer und sattelfester zu werden, indem er von seinen Erfahrungen berichtete.
„Hey, Judith“, sagte er zu ihr. „Wenn dich meine vertriebliche Arbeit interessiert, dann zeige ich dir gerne mehr dazu. Hast du Zeit?“
„Wow, das wäre toll!“, antwortete Judith begeistert. Sie wollte in die Festanstellung und war unglaublich aufmerksam. Judith wollte so viel Wissen wie möglich aufsaugen. Sie griff sich sofort Notizblock und Stift, damit sie alles aufschreiben konnte.
Jan und Judith gingen in die Besprechungsecke mit dem Flipchart. Jan blätterte das oberste Blatt um, das jemand vollgeschrieben hatte, und schrieb auf dem neuen, weißen Blatt los. Dabei murmelte er noch: „Warum können die Kollegen ihre vollgeschriebenen Blätter nicht mitnehmen oder zumindest umblättern …?“
Jeder Unternehmer braucht neue Kunden und Aufträge, um bestehen zu bleiben und zu wachsen.
Herby Dorrer
Jan drehte sich zu Judith und zeigte auf das Blatt, als er fertig geschrieben hatte. Es standen nur die Worte „Komplexer Vertrieb vs. Produktvertrieb“ drauf.
„Komplexer Vertrieb vs. Produktvertrieb“
Jan sah Judith an und legte los.
„Zuerst mag ich dir mal zeigen, von welcher Vertriebsart wir hier sprechen. Wir sind hier im komplexen Vertrieb. Es gibt für jeden Kunden und für jedes Projekt eine eigene beste Lösung. Wir verwenden zwar Standardprodukte und Standardkonfigurationen, also verbinden und verschalten wir verschiedene Produkte mittels Hardware und Software. Fast alles läuft in digitalen Prozessen ab. Jeder Kunde und jedes Projekt hat aber eine andere individuelle Auslegung. Der Standort jedes Kunden ist anders, dies wirkt sich auf den Bau der Produktionsanlage aus. Jede Produktion ist anders, die mechanische Auslegung ist anders und vor allem die Software ist anders. Somit haben wir bei jedem Projekt eine eigene Konfiguration. Natürlich versuchen wir, so viel wie möglich zu standardisieren und zu skalieren, aber es bleibt immer ein Stück Individualität in jedem Projekt, bei jedem Kunden.“
„Standardisierung ist ein enormer Kostenvorteil. Das habe ich auch schon an der Uni gelernt. Bei unseren typischen Kunden geht das wohl nicht immer“, fügte Judith hinzu.
„Ja, genau. Noch dazu wollen viele Kunden eigene individuelle Auswertungen der Prozessdaten und sie wünschen sich, dass der Automatisierungs- und Produktionsprozess angezeigt wird. Ebenso tickt jede Industrie, jede Branche etwas anders. Deswegen braucht es einen erfahrenen Vertriebsspezialisten, der neben der eingesetzten Automatisierung und Antriebstechnik auch die Technologie beim Kunden kennt, und außerdem das Zusammenspiel unserer Produkte und mit den anderen Komponenten.“
„Heute bist du bei Donaubräu gewesen. Wie war das da?“
„Ja … Brauereien. Stell dir zwei Brauereien vor. Beide haben einen sehr ähnlichen Produktionsprozess, aber nicht den gleichen. Die eine Brauerei setzt auf wenige Biersorten und beliefert etwa große Supermarktketten und Gasthäuser. Die Brauerei daneben erzeugt viele unterschiedliche Biersorten und auch noch Saisonbiere für die Starkbierzeit oder die Volksfeste. Somit braut zwar jede Brauerei Bier, braucht aber verschiedene Softwarelösungen oder Digitalisierungslösungen. Die Brauerei mit den vielen unterschiedlichen Biersorten braucht mehr Rezepturen und eine möglichst einfache und schnelle Umstellung von der einen Sorte auf die andere Sorte.“
„Das kann ich mir gut vorstellen“, warf Judith ein. „Beide Brauereien sind eventuell gleich groß und haben dennoch unterschiedliche Anforderungen an unsere Automatisierung und Prozessdarstellung.“
„Gut, Judith, genauso ist es“, bestätigte Jan. „Beim komplexen Vertrieb liegt das Entscheidende darauf, dass wir uns zusätzlich auf den Mehrwert für den Kunden fokussieren, den er hat, wenn er unsere vorgeschlagene Lösung anwendet. Hierzu braucht es andere Fähigkeiten als beim Produktverkauf.“
„Kannst du mir das bitte genauer erklären?“, fragte Judith.
Jan freute sich über ihr Interesse. Er war in seinem Element. „Na klar! Im einfachen Produktvertrieb liegt das Entscheidende und Differenzierende beim Produkt und dessen Vorteilen. Beim Produktvertrieb ist die wichtigste Sache, dass wir die Produkte kennen und wissen, wie es sich auf das Umfeld auswirkt. Beim komplexen Vertrieb greifen viele Zahnrädchen ineinander.“
„Ich verstehe“, sagte Judith. „Kannst du mir dafür ein Beispiel aus der Praxis geben?“
Jan fiel sofort ein allgemeines Beispiel ein. „Ja, stell dir Verkäufer beim Bäcker vor. Sie müssen das angebotene Brot und die Backwaren kennen. Sie sollten die Zutaten kennen, mit denen die Backwaren hergestellt wurden. Sie müssen auch das Sortiment kennen. Und echt gute Verkäuferinnen und Verkäufer können auch beraten, indem sie etwa die Vorzüge von Vollkorn erklären und einem Diabetiker nahelegen, Vollkornprodukte zu essen. Mit diesem Produkt tun sie der Kundschaft etwas Gutes und wahrscheinlich auch sich selbst, da das Vollkornprodukt einen höheren Preis und eine höhere Gewinnspanne hat. Gute Verkäuferinnen und Verkäufer sollten ihre Produkte genau kennen.“
Judith nickte, sah aber etwas nachdenklich aus. Jan wollte es ihr noch anschaulicher erklären.
„Oder sehen wir uns Autoverkäufer an: Sie müssen ihr Sortiment kennen, sich mit Autos auskennen und zusätzlich fundierte Kenntnisse über andere Automarken und den Wettbewerb haben. Beim komplexen Vertrieb musst du die Produkte, die Auswirkungen der Produkte auf das System, auf das Umfeld und den Produktionsablauf kennen. Es gilt also in einigen Bereichen eine andere Vorgehensweise als beim Verkaufen von Produkten. Aber vieles ist gleich. Vertrieb ist auch Verkauf.“
„Kling echt komplex … und einleuchtend“, unterbrach Judith den begeisterten Gesprächsfluss Jans.
„Es ist komplex und interessant!“, antwortete Jan. „Du wirst es bald klarer sehen können. Das kommt mit der Erfahrung.“
Der Kunde steht in jedem Abschnitt des Vertriebsprozesses im Mittelpunkt.
Herby Dorrer
Jan ging wieder zum Flipchart. Er schrieb auf ein neues Blatt. Als Jan fertig war, betrachteten er und Judith sein Werk.
1. Kundenauswahl – Passen der Kunde und wir zusammen?
2. Geschäftsmöglichkeit – Hat der Kunde wirklich Handlungsbedarf?
3. Buying-Center-Analyse – Wer entscheidet beim Kunden?
4. Der Wettbewerb und wir – Wie gut sind wir aufgestellt, um den Auftrag zu erhalten?
5. Kundenspezifisches Wertversprechen – Wie helfen wir dem Kunden, seinen Wert zu steigern?
Nach einigen Momenten wendete sich Jan wieder vom Flipchart ab und sprach zu Judith: „Hier habe ich fünf Punkte aufgeschrieben, wie ich systematisch bei einem Vertriebsprojekt vorgehe. Ich beginne mit der Kundenanalyse, dann mache ich weiter mit der Prüfung, ob wir tatsächlich Auftragschancen haben. Danach analysiere ich die Entscheidungsprozesse beim Kunden und stelle unseren möglichen Wert für den Kunden dar. Das Ergebnis betrachte ich dann im Vergleich zu unseren Wettbewerbern. Dann geht es zu dem sogenannten kundenspezifischen Wertversprechen. Das ist wohl der wichtigste Punkt hinsichtlich einer möglichen Auftragsgewinnung.“
Jan hielt kurz inne und sah Judith an. Da sie weiterhin aufmerksam wirkte und anscheinend mehr wissen wollte, drehte er sich wieder zum Flipchart. „Beginnen wir nun mit dem sogenannten Verkaufstrichter. Warum brauchen wir neue Kunden, Judith?“
Judith überlegte kurz. Es war ihre Art, vor einer Antwort kurz nachzudenken und dann gezielt zu antworten. Dabei schüttelte sie ihr lockeres braunes Haar meist zur Seite und lächelte leicht. Ihre Art machte sie sympathisch und sie wirkte damit auf andere Menschen sehr kompetent. Sie lenkte mit diesem Verhalten leicht die Aufmerksamkeit in Besprechungen auf sich. Bei Kunden würde sie wohl auch kompetent und sympathisch wirken – das nahm Jan zumindest an. Bisher hatte sie noch keinen Kundentermin wahrgenommen.
Nach etwas Bedenkzeit antwortete sie. „Wir brauchen Kunden, um zu wachsen. Damit unser Umsatz wächst ... Und damit wir Kunden vom Wettbewerber zu uns bringen und somit Marktanteile gewinnen“, sprudelte es aus Judith heraus.
„Super. Du bist ja schon ein Profi!“, sagte Jan und erhob seinen Daumen.
„Danke, Jan! Dein Lob bedeutet mir viel!“, erwiderte Judith und lächelte zufrieden.
„Gerne. Schauen wir auf das Flipchart. Hier habe ich mein Vertriebskonzept skizziert.“
Judith betrachtete das Flipchart. Jan begann, die Punkte auf dem Blatt zu erklären.
„Wir brauchen neue Kunden, da jedes Jahr welche wegfallen. Zum Beispiel, weil eine Firma insolvent wird. Oder Firmen stellen die Geschäftstätigkeit aus irgendwelchen Gründen ein, etwa wegen Geschäftsaufgabe oder Umorientierung. Manchmal wird eine Firma aufgekauft oder sie wird mit einer anderen Firma fusioniert. Je nach Branche und Region können so schon mal zehn Prozent der Kunden pro Jahr wegbrechen. In manchen Branchen oder Segmenten sogar wesentlich mehr. Diese Kunden müssen wir durch neue Kunden ersetzen. Hier gilt es auch, Ausschau zu halten nach Newcomern am Markt. Nach Kunden, die neu in den Markt eintreten. Auch nach Firmen mit völlig neuen Geschäftsideen. Manchmal entwickeln sich auch völlig neue Geschäftsmodelle.“
Jan brauchte eine kurze Pause und trank etwas Wasser. Dann erzählte er weiter.
„Denk nur mal an die Handys vor zwanzig Jahren. Vorher hat niemand an sowas gedacht. Niemand brauchte es, weil es niemand kannte. Dann sprießten plötzlich neue Kunden wie Pilze aus dem Boden. Handys mussten produziert werden. Dazu brauchten die Hersteller Automatisierung, und das waren völlig neue Kunden für uns. Oder denk an die Software: Plötzlich sollte die Software auch am Handy, heute am Smartphone, funktionieren, und die Bediener wollten übers Handy den Produktionsprozess ihrer Fabrik beobachten und sogar steuern. Solche technologischen Neuerungen müssen wir frühzeitig erkennen. Dann können wir als einer der ersten Lieferanten am Markt mitmischen. Hierzu brauchen wir eine gute Marktbeobachtung, eigene Visionen und wir müssen die Branche gut kennen. Jetzt gerade sind die E-Cars und die dazugehörigen Batterien ein neues Geschäftsmodell. Dadurch gibt es völlig veränderte Nachfragen in der Automobilbranche und bei deren Zulieferern.“
Auslaufende Badewanne als Synonym für „Kundenschwund“
Jan hatte während seines Monologs eine Badewanne an das Flipchart gemalt.
Judith fragte: „Was hast du denn da gezeichnet, Künstler?“
„Ich stelle mir das so wie eine Badewanne vor. Wenn der Pfropfen nicht dicht ist, fließt immer wieder Wasser raus und die schöne volle Badewanne wird mit der Zeit immer leerer. So stelle ich mir das auch mit den Kunden vor. Mit der Zeit schwinden sie und ich muss immer wieder gucken, dass neue Kunden nachkommen. Also: Wasser muss nachfließen.“
„Cooles Beispiel, Jan! Es macht Spaß, dir zuzuhören. Ich bekomme von dir so viele Informationen. Das hilft mir echt weiter in meiner Entwicklung und ich kann mir alles gut vorstellen.“
Das hörte Jan gerne. Judith teilte seine Euphorie für den Vertrieb und das freute ihn. Er sprach direkt weiter.
„Am wichtigsten ist meiner Meinung nach der Geschäftsausbau bei bestehenden Kunden. Es ist essenziell, dass wir die bestehenden Kunden bei uns halten. Das ist auch um ein Vielfaches günstiger, als neue Kunden zu akquirieren. Es benötigt weniger Zeit, weniger Aufwand. Bei bestehenden Kunden müssen wir unser Geschäft halten. Und wir können etwa durch Upselling oder Cross-Selling unser Geschäftsvolumen erhöhen. Wenn wir also bei den richtigen Kunden sind, die in ihrem Markt überdurchschnittlich wachsen, haben wir eine gute Chance, dass wir auch überdurchschnittlich wachsen und somit unsere Markanteile erhöhen.“
„Jan?“, unterbrach Judith. „Was meinst du mit Cross-Selling und Upselling?“
„Cross-Selling bedeutet, dass wir zusätzlich zu unserem Angebot weitere Produkte, Systeme oder Leistungen verkaufen. Etwa, wenn ich der Brauerei neben unserem Automatisierungssystem auch noch das passende Installationsmaterial verkaufe. Das hat die Brauerei gewohnheitsbedingt bisher immer vom Wettbewerber gekauft. Wenn sie es nun bei mir kauft, kann ich unser Auftragsvolumen erhöhen und eventuell dem Kunden sogar einen Vorteil verschaffen. Und zwar den Vorteil, dass er mit einem Lieferanten weniger verhandeln muss und seinen Einkauf und Ersatzteilprozess straffen kann. Natürlich muss das für uns und den Kunden sinnvoll sein. Wir müssen auch in diesem Produkt oder Dienstleistungsbereich wettbewerbsfähig sein. Der Kunde muss ebenso einen Benefit für sich erkennen.“
Judith nickte bestätigend. „Das kann ich voll und ganz nachvollziehen. Der Kunde muss Vorteile für sich erkennen.“
Jan fuhr fort. „Upselling bedeutet, dass ich dem Kunden eine höhere Dienstleistung oder ein höherwertiges Produkt verkaufe als ursprünglich angedacht. Bei der Brauerei etwa habe ich ein größeres, leistungsfähigeres Automatisierungsgerät angeboten als technisch notwendig und ursprünglich vorgesehen. Dieses leistungsfähigere Gerät kann bei zukünftigen Erweiterungen verwendet werden. Zusätzlich hat es einige Komfortfunktionen, die das kleinere Gerät nicht hat. Somit kann der Kunde eine zukünftige Systemerweiterung kostengünstiger durchführen als mit der kleineren Version. Hier muss der Kunde den Mehrwert aber klar erkennen und ihn in einem Vergleich mit Wettbewerbern, die eine Mindestvariante anbieten, preislich berücksichtigen. Dies ist oft aufwändig, da viele nur das aktuelle Projekt und die Preise hierfür in Betracht ziehen und die Wettbewerber vergleichen. Hier ist es eine große Kunst des Vertriebsspezialisten, dass er es für den Kunden klar, transparent und wertspezifisch darstellt.“
„Okay“, sagte Judith. „Ich hab‘s verstanden. Lass mich mal kurz reflektieren. Ich suche mir immer eigene einfache Beispiele, um Neues in meinem Gehirn zu verankern.“
Jan holte während Judiths Nachdenkpause einen Kaffee und Kekse für die beiden. Das Gespräch schien noch zu dauern, denn ihr Wissensdurst war noch nicht befriedigt.
„Gut“, sagte Judith nach einigen Momenten und einigen Schlucken Kaffee. „Ich denke, ich habe es verinnerlicht. Cross-Selling machen Verkäufer bei mir fast täglich“, sagte sie leise lachend. „Heute früh war ich tanken. An der Kasse fragte mich der Kassierer, ob‘s auch noch ein Kaffee sein darf. Er musste wohl geahnt haben, dass ich Lust auf Kaffee hatte. Also bestellte ich einen Cappuccino. Dann bemerkte er wohl auch noch meinen versteckten Blick auf das Schokocroissant hinter der Theke. Er bot mir das Croissant an, und bevor ich ja gesagt hatte, bewegte er es schon mit der Zange von der Theke in die Papiertüte. Somit hab ich heute früh drei Produkte gekauft, anstatt nur das Benzin. Und noch was: Er hat auch Upselling gemacht, indem er mir fast beiläufig die XL-Variante des Cappuccinos empfahl und verkaufte.“
Jan strahlte. Sie verstand wirklich schnell!„Ja, genau, Judith. Das war ein guter Verkäufer!“
„Für Upselling bin ich besonders empfänglich.“ Judith grinste. „Ich verdiene noch nicht sonderlich viel als Werksstudentin, aber speziell kurz nach der Gehaltszahlung bin ich hier sehr empfänglich … Letztes Mal hab ich anstatt der Nullachtfünfzehnbluse doch die Markenbluse gekauft, obwohl sie doppelt so viel gekostet hat. Das muss ich wohl von meinem Vater geerbt haben. Der wollte letztes Jahr einen kleines Familienauto kaufen. Dann kam er doch mit dem Mittelklassewagen inklusive unzähliger Extras nach Hause.“
Jan lacht. „Das sind supergute Beispiele! Ich verstehe nicht, warum viele Verkäufer Cross-Selling und Upselling nicht verinnerlicht haben. Jeder sollte es machen. Und nun kommt die Königsdisziplin: neue Kunden vom Wettbewerber zu uns holen. Das ist meist viel aufwändiger, zeitintensiver, kostenintensiver und überzeugungsintensiver, als bestehende Kunden zu halten und auszubauen. Hier braucht es einen anderen Typus von Sales. Der Verkäufer, der Kunden vom Wettbewerber abwirbt und für uns gewinnt, muss überzeugend, hartnäckig und beständig sein. Ebenso muss er die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt beim angepeilten Kunden in seinem Einfluss haben. Etwa, wenn beim Endkunden eine weitreichende Systemneuentscheidung ansteht oder wenn der Endkunde gerade mit dem derzeitigen System Probleme hat. Dann ist unser Zeitfenster als neuer Bewerber gekommen, in dem wir einsteigen können. In einer Vertriebsschulung oder in einem Buch habe ich mal gelernt, dass der Vertriebler für Bestandkunden der Farmer ist und der Vertriebstypus für Neukundengewinnung der Hunter.“
„Da ist was Wahres dran. In dem Buch wurden wohl die englischen Begriffe verwendet, um es prägnanter zu beschreiben, denke ich“, meinte Judith.