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Damit Wandel im Unternehmen nachhaltig gelingt, müssen Sie Ihre Mitarbeiter bei Change Projekten mit ins Boot holen. Dieses Buch legt den Schwerpunkt auf die wichtigsten Aspekte des Change Managements: Wie lässt sich das Innovationspotenzial der Mitarbeiter fördern, um Ideen für zukunftsweisende Veränderungen zu finden? Welche kritischen Erfolgsfaktoren sind bei der Umsetzung von Change Prozessen zu beachten? Und wie lassen sich Mitarbeiter mit Hilfe von Change Marketing für den Wandel begeistern? Inhalte: - Wie Sie Ihren Mitarbeitern den Changeprozess erleichtern. - Warum Change Konflikt braucht. - Change-Marketing und Innovationsmanagement. - Change-Projektmanagement, Organisations- und Prozessdesign. - LIFO®-Tabellen und Change-Lexikon. - Mit hilfreichen Tipps aus der Praxis für die Praxis.
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Seitenzahl: 454
Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Print ISBN: 978-3-648-05609-7 Bestell-Nr. 10103-0001EPUB ISBN: 978-3-648-05610-3 Bestell-Nr. 10103-0100EPDF ISBN: 978-3-648-05611-0 Bestell-Nr. 10103-0150
Dr. Reiner Czichos Erfolgsfaktor Change Management1. Auflage
© 2014, Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, [email protected]: Bettina Noé
Lektorat: Nicole Jähnichen, www.textundwerk.de
Satz: kühn & weyh Software GmbH, 79110 FreiburgUmschlag: RED GmbH, 82152 KraillingDruck: fgb · freiburger graphische betriebe, 79108 Freiburg
Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie der Auswertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen, vorbehalten.
Aus vielen Gesprächen mit Führungskräften und Professionals weiß ich, dass die meisten von Ihnen nicht wirklich Bücher von vorne bis hinten lesen, geschweige denn ausgiebig studieren. Sie kaufen Management-, Organisations- und Psychologie-Bestseller, ja. Vor allem nette Pinguin-, Mäuse- oder Eisbärengeschichten waren eine Zeitlang in, wenn es um Change Management geht. Über solche Geschichten kann man kurz nachdenken, lächeln und das Buch weglegen, sie vergessen und allzu leicht über die möglichen Erkenntnisse hinweggehen.[2]
Viel beschäftigt mit wenig Zeit und noch weniger Geduld suchen Sie jedoch tatsächlich nach schnörkellosen Anwendungsideen, die sich gut und schnell in die Praxis umsetzen lassen. Dem komme ich hier gerne entgegen.
Dieses Buch fasst viele meiner Erfahrungen aus meiner bald 40-jährigen Praxis als Manager, Berater, Trainer, Buchautor und als Projekt-Coach in vielen Change-Projekten zusammen. Naturgemäß kann ich in einem Buch nicht alle meine Erfahrungen und Ideen darstellen; diese werde ich sicher in weiteren Publikationen zum Thema verarbeiten – versprochen!
Ich habe die verschiedenen Bereiche, mit denen man im Change konfrontiert wird, für Ihren Berufsalltag aufbereitet: pragmatisch verdichtet, mit dutzenden Beispielen aus der Praxis und mit einfach anzuwendenden Werkzeugen, die schnell Wirkung zeigen, die ich daher gerne auch „Wirkzeuge” nenne.
Sie halten ein Buch in der Hand, das Sie nicht auf einmal von vorne bis hinten durchlesen sollten bzw. können, sondern einen Wirkzeugkasten, nach dem Sie greifen sollten, wenn Sie konkrete Ideen zu den recht verschiedenen Themen des Change Managements suchen.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß und wertvolle Anregungen bei der Lektüre!
Ihr Reiner Czichos
Capgemini Consulting führte 2010 eine Studie zum Change Management durch. Sie ergab, dass die Topmanager und Führungskräfte „Change” auch noch in 2020 als Bestandteil der Führungsarbeit sehen werden, mit einer wachsenden und dann auch selbstverständlichen Bedeutung im Alltag. Change Management ist nach der Studie kein Selbstzweck, sondern die Antwort auf einen inhaltlich business-bedingten Verbesserungsbedarf im Unternehmen: „Veränderung ist die einzige Konstante und deshalb wird Change in Zukunft noch viel mehr gewichtet.”[3]
Hauptziele der Business-Transformation sind:
Wachstum erhöhen
Kosten senken
Qualität verbessern
Integration stärken
Globales Agieren ermöglichen
Im Fokus der Studie standen vor allem die entscheidenden Erfolgsfaktoren für Change-Prozesse. Die Capgemini Consulting fasst hierzu 10 Painpoints (Schmerzpunkte bzw. Stellhebel) zusammen:
Das Fazit der Studie: Change Management als Aufgabenfeld von morgen und übermorgen wird in einer Zeit des stetig zunehmenden Wandels die erfolgreichen Unternehmen von den weniger veränderungsfähigen unterscheiden. Die Schaffung einer grundsätzlich veränderungsfähigen Organisation bleibt eine Herausforderung für viele Unternehmen. Veränderungsbereitschaft als Basis jeglicher Transformation ist absolut notwendig. Konkret sind damit Einsicht in Veränderung und Mut zu Entscheidungen gefordert.[5]
(Nach Lutz von Rosenstiel, Change Management Praxisfälle, 2013)
Die Gründe, warum Change-Projekte initiiert werden, sind vielfältig. Immer jedoch kennzeichnet sie die Entscheidung des Managements, dass das bisherige Vorgehen nicht optimal war und man so nicht weitermachen kann.
Change ist in Unternehmen quasi alltäglich – und doch gänzlich un- oder missverstanden. Oft werden auch Change-Projekte gar nicht als Change-Projekte identifiziert und daher auch nicht als solche gemanagt. Schauen Sie mal auf die folgende Liste von Change-Projekten, die ich in meinem Leben als Berater und Coach schon miterleben durfte:[6]
Neue strategische Ausrichtung
„Neue” Unternehmenskultur
Einführung von Unternehmens-/Führungsleitlinien
Einführung von Projekt- und/oder Accountmanagement
Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems
Einführung von Zielvereinbarungen und Mitarbeitergesprächen
Neue hierarchische Anbindung
Eine Hierarchieebene weniger oder mehr
Neues Reporting-System
Neues Meeting-System
Neue Policies
Neue gesetzliche Regelungen
Ein Sparprogramm wird aufgesetzt
Abbau von tausenden Stellen
Outsourcing
Die Prozesse werden schlanker gemacht
Aufkauf durch einen Investor
Merger mit einem anderen Unternehmen
Aufkauf eines anderen Unternehmens bzw. Beteiligung an einem anderen Unternehmen
Einführung eines neuen IT-Systems, z. B. eines ERP-Systems oder einer Shareware
Ein neues Werk, eine neue Geschäftsstelle
Expansion ins Ausland
Die Firmensprache ändert sich vom Deutschen ins Englische
Neue Produkte und/oder Services
Neue Produktionslinien
Neue Kunden
Neue Lieferanten
Zusammenlegung zweier Abteilungen
Ein neuer Chef bzw. Teamleiter
Anzahl der Teammitglieder ändert sich
Die Rollen im Team werden neu definiert
Zusammenarbeit mit einem neuen Kollegen
Neue Ziele für die Mitarbeiter
Beförderung
Ein Teammitglied fällt für längere Zeit aus
Neue Formblätter
Umzug an einen anderen Standort
Verlegung des Arbeitsplatzes von einem Raum/Gebäude in einen anderen Raum bzw. in ein anderes Gebäude
Keine Drucker mehr am Arbeitsplatz, sondern in einer zentralen Service-Einheit[7]
Ist die Angst vor dem Wandel dem Menschen im Allgemeinen und Führungskräften sowie ihren Mitarbeitern im Besonderen „angeboren”? Betrachtet man den real existierenden Verlauf von Veränderungsprozessen in Unternehmen, findet man für diese These einige Belege: Mitarbeiter finden 1.001 Gründe, warum das Neue nicht funktionieren kann und wehren sich zum Teil mit Händen und Füßen auch gegen die notwendigsten Change-Prozesse. Dabei haben wir doch alle einen kompetenten „Lehrmeister”, der uns zeigt, wie Veränderungsprozesse erfolgreich gemanagt werden können – unser Privatleben.
Schauen wir auf unser Leben im Privaten, jagt eine Veränderung die nächste: Kindergarten, Schule, Gymnasium, das erste Mal, Lehre, das erste Auto, Uni, Examen, Berufseinstieg, Heirat, das erste Kind, Umzug von der Lüneburger Heide in die Großstadt München, Scheidung, der 40. Geburtstag, der Tod eines Elternteils, Krankheit des Partners und vieles andere mehr.
Die Stressforschung weist nach, dass solche Veränderungen im privaten Bereich weitaus größere Belastungen darstellen als ein hektischer 14-Stunden-Tag am Arbeitsplatz. All dies sind Belastungen und Veränderungen, mit denen wir umzugehen gelernt haben. Und so sollte man vermuten, dass wir alle Meister sind im Managen von Veränderungen. Und das sind wir auch – im privaten Umfeld haben wir es bereits x-mal bewiesen. Was aber hat das mit den Veränderungen zu tun, die Führungskräfte im Unternehmen anstoßen und managen sollen?[8]
Machen Sie sich bewusst, dass Sie aus Ihrem Privatleben lernen können. Wer private Veränderungen erfolgreich gemanagt hat, muss keine Angst haben vor den Veränderungen, die im Unternehmen anstehen. Natürlich – im Privatleben haben wir „Helfer”, die uns dabei unterstützen, diese einschneidenden Veränderungen zu bewältigen. Ratgeber-Bücher, Zeitschriften, Lifestyle-Magazine, Filme – eine ganze Industrie steht bereit, uns Ratschläge zu erteilen, wie wir mit diesen Einschnitten umgehen können. Aber auch ohne diese „Change-Helfer” gibt es seit langer Zeit gesellschaftlich institutionalisierte Hilfen, die uns „lehren”, Veränderungen in unser Leben zu integrieren. Oft ohne dass wir uns dessen bewusst sind, bilden uns diese „Zeremonienmeister” zu Experten in Sachen Change Management aus: unsere Familie, unsere Freunde und Bekannten.
Da sind zunächst einmal die Vorbilder: Wir sehen und erleben in der Familie, bei den Freunden, in der Bekanntschaft so gut wie jeden Tag andere Menschen, die im Privatbereich existenzielle Veränderungen verarbeiten und bewältigen. Wenn wir selbst in eine Change-Situation kommen, haben wir bereits viele positive oder auch negative Change-Beispiele hautnah miterlebt. Zudem stehen die meisten Veränderungen einige Zeit im Voraus fest, sie fallen nicht vom Himmel. Wir bereiten uns aktiv auf die Veränderung vor, wir fiebern dem Ereignis entgegen. Wir können es lenkend beeinflussen, verlieren die Scheu vor ihm.[9]
Für die Bewältigung tiefgreifender Änderungen haben wir Menschen Rituale entwickelt. Die genau festgelegten Abläufe bei Hochzeitszeremonien und Beerdigungen etwa verleihen dem Ereignis einen festen Rahmen; wir gewinnen Sicherheit mit ihnen. Danach wird noch monate- und jahrelang darüber erzählt und berichtet, es entstehen Geschichten, es bilden sich Mythen. In Fotoalben und Videofilmen, in Facebook oder/und in YouTube wird das „allen” mitgeteilt, in Tagebüchern festgehalten; in Romanen werden hundertfach solche dramatischen oder freudigen Geschehnisse zum Nachlesen aufgeschrieben. Diese aktive Verarbeitung von Veränderungen wirkt identitätsstiftend.
Sie sehen: Im privaten Bereich haben wir gelernt, mit Veränderungen umzugehen und sie zu managen. Sollten wir diesen Erfahrungsschatz nicht auch dazu nutzen, im beruflichen Bereich die Angst vor dem Wandel zumindest zu relativieren?
Schauen Sie doch einmal auf die vergangenen zehn Jahre Ihres bisherigen Lebens und machen Sie sich die vielen persönlichen Veränderungen bewusst, vor allem die eher negativen. Vergegenwärtigen Sie sich, wie Sie mit ihnen umgegangen sind: Waren Sie verzagt, ängstlich und verzweifelt? Vielleicht zu Beginn, natürlich – aber dann haben Sie sich wahrscheinlich der Situation aktiv zugewandt und festgestellt, dass Sie nicht alleine stehen. Verwandte und Freunde waren bei Ihnen, oft auch offizielle Vertreter der Gesellschaft, wie etwa der Pfarrer oder der Standesbeamte bei der Hochzeit, der Professor bei der feierlichen Überreichung des Diploms. Diese Menschen helfen uns, den Einschnitt im Leben, das Ende einer Phase und den Start in die neue Phase bewusst zu markieren.[10]
Begleitet sind diese Ereignisse von Symbolen: die Schultüte, der Doktorhut, der Ehering, die Urkunde. Symbole sind Anker: Sie verankern Ereignisse in unserer Erinnerung, so dass wir sie immer wieder abrufen können. Besitzen Sie vielleicht auch noch Ihre Abiturzeitschrift?
Schade, dass viele Manager – die meisten, wenn man seriösen Experten, Ärzten und auch Trainern und Coachs glauben darf – sich kaum Zeit für ihr Privatleben nehmen. Sie könnten so Einiges daraus lernen, wie sie Veränderungen im Unternehmen anstoßen und managen sollten. Es wird viel von der Harmonie zwischen Berufs- und Privatleben, von der Balance zwischen diesen zwei Lebensaspekten geredet und geschrieben. „Work-Life-Balance” ist das neue Modewort. Hier, im ganz konkreten Bereich des Veränderungsmanagements, besteht nun eine reale Möglichkeit, diese zwei Aspekte miteinander zu verknüpfen. Voraussetzung dafür ist, dass Sie die bisherigen privaten Erfahrungen ernst nehmen, aus bewältigten privaten Veränderungen lernen. Wenn dies nicht gelingt, dann gilt auch weiterhin für viele Manager: privat ein Change-Profi, beruflich ein Change-Amateur!
Nebenbei: Mich stört der Begriff „Work-Life-Balance”. Wörtlich übersetzt bedeutet er „Arbeits-Lebens-Balance”. Ich frage mich und Sie: Ist Arbeit nicht auch Leben?[11]
Als Entscheider-Manager haben Sie es einfach und machen es sich auch vielleicht zu einfach. Aus guten rationalen Gründen und mit auf die Zukunft ausgerichteten Zielen ordnen Sie an, dass Strukturen und/oder Abläufe in Ihrem Unternehmen verändert werden. Rein rational gesehen macht das Sinn – und das muss und wird doch auch jeder Mitarbeiter einsehen! Das kann eine „Kleinigkeit” sein wie die folgende Änderung.
Jeder Mitarbeiter hatte bisher neben seinem Schreibtisch einen eigenen Drucker stehen. Das wird jetzt abgeschafft. Auf jeder Etage gibt es von nun an einen zentralen Drucker, an dem jeder seine Dokumente ausdrucken muss. Diese neuen Drucker sind das Beste vom Besten, mit allen Funktionen, die man sich wünschen kann, und: Sie sind wesentlich schneller als die alten! Jeder muss froh darüber sein. Eventuell haben Sie bzw. Ihre Assistentin weiterhin einen eigenen Drucker. Das ist ja auch selbstverständlich, oder?
Beschleicht Sie hier auch der Gedanke, dass diese Umstellung nicht nur eine rein technische Änderung ist? Richtig: Hier werden Gewohnheiten von Mitarbeitern radikal geändert. Jeder Einzelne muss für sich ein neues Arbeitsmuster entwickeln: Man kann nicht mehr so eben ein Blatt ausdrucken lassen, man müsste nämlich 15 Meter weit gehen für jedes einzelne Blatt. Also muss man sich neu überlegen, wann man was ausdrucken lassen will. Ich denke, ich brauche diese Geschichte nicht weiter fortzuführen.[12]
Damit sind wir aber bei dem Kernproblem jeglicher Änderungen im Unternehmen. Am Ende werden von den Mitarbeitern mehr oder weniger kleinere oder größere Verhaltensänderungen verlangt. Menschen müssen oder „dürfen” ihre Verhaltensprogramme ändern.
Die Grafik veranschaulicht in einfacher Weise, wie wir programmiert werden und sind. Wir wissen, dass unsere Gene uns bereits vor-programmiert, aber nicht endgültig festgelegt haben. Dann setzt Erziehung ein.
Genetische Vorprogrammierung
Der Kreis soll die genetische Vorprogrammierung darstellen. Die Pfeile symbolisieren die Erziehung und die Erfahrungen, die uns über die Jahre und Jahrzehnte dazu bringen, Verhaltensmuster zu programmieren, die je öfter eingesetzt, desto eher fast automatisch ohne viel zu denken ablaufen und damit zur Routine werden.
Erinnern Sie sich noch an Ihre Fahrstunden? Ich gestehe, dass ich in einer Fahrstunde einen Unfall gebaut habe, weil ich mehrere Dinge nicht gleichzeitig auf die Reihe gebracht habe. Ich hatte eine Fahrlehrerin; es war die Zeit der Miniröcke … und ich war beim Lenken abgelenkt. Die Hecke, in die ich fuhr, hat dem Auto glücklicherweise keinen großen Schaden zugefügt. Nach Jahrzehnten an Fahrpraxis habe ich mit Ablenkungen heute keine Probleme mehr. Das Autofahren ist voll programmiert. Interessant: Wenn ich ein paar Tage einen Leihwagen mit Gangschaltung gefahren bin und dann wieder in meinen Wagen mit Automatik einsteige, greife ich fast automatisch nach der Gangschaltung, um den Gang einzulegen. Seit ca. 25 Jahren fahre ich Automatik, dennoch meldet sich das Gängeschalten, das ich vor 48 Jahren gelernt habe, immer wieder.[13]
Genauso ist es mit Ihren Gewohnheiten im Büro oder in der Fabrikhalle oder im Außendienst. Gewohnheiten sind gut, sie sind hilfreich. Sie laufen ab, ohne dass man denken muss. Das befreit das Gehirn und spart Energie für andere Dinge. Gewohnheiten machen zunächst einmal produktiv, aber nicht unbedingt produktiver. Eingeschliffene Gewohnheiten können geradezu Innovationen und Produktivitätssteigerungen verhindern, wenn sich die Bedingungen und Vorgaben ändern und Sie sich neue Gewohnheiten aneignen müssen.
Veränderung in Unternehmen fängt mit einer Idee an, was man wie anders machen könnte bzw. aufgrund von Problemen anders machen muss und will: Etwas Neues muss her, man braucht Ideen, die machbar sind. Es geht dabei nicht nur um neue Produkte und Dienstleistungen, sondern auch um neue Abläufe, Strukturen, Informationssysteme, neue Mitarbeiterqualifikationen und vieles mehr. In diesem Kapitel geht es mir daher keineswegs nur um Produktinnovation, an die die meisten denken, wenn sie Innovation hören. Mir geht es um Innovation auch in Führung, Prozessen, Systemen, Strukturen und Beziehungen innerhalb von Unternehmen und von den Unternehmen zu Kunden und Lieferanten und Partnern etc. Ich meine sogar, dass Innovationen auf all diesen verschiedenen Gebieten notwendig sind, damit in einem Unternehmen Produktinnovationen entstehen und sich durchsetzen können.[14]
Ich erlaube mir, einige ausgewählte Passagen aus einem längeren Artikel von Stephan Maaß in „Die Welt” vom 18.02.2014 als Einleitung zu diesem Kapitel zu nutzen. Wie der Beitrag zeigt, sind Führung und Führungsverhalten zwei der entscheidenden Faktoren für Innovation im Unternehmen.
„Im Auslandsvergleich top, bei der Innenbeschau flop. Kaum ein deutscher Industriemanager sieht sein eigenes Unternehmen in der technologischen Spitzenklasse. Woran liegt das?
„Die deutsche Industrie gilt als überdurchschnittlich innovativ. Im internationalen Vergleich belegen deutsche Firmen stets Spitzenplätze, wenn es um Ausgaben für Forschung und Entwicklung oder die Anmeldung neuer Patente geht. Doch fragt man deutsche Spitzenmanager nach der Innovationskraft in ihrem eigenen Unternehmen, herrscht Katerstimmung. Nicht Stolz über die eigene Wettbewerbsfähigkeit oder Ehrgeiz, die eigene Position weiter zu verbessern, sind die vorherrschenden Emotionen in der Führungsriege der hiesigen Industrie, sondern Zweifel.”
„Das ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Spezialchemiekonzerns Altana: Nur vier Prozent der Manager geben ihren eigenen Unternehmen die Bestnote in puncto Innovationskraft. Aber 90 Prozent sind davon überzeugt, dass die Innovationsfähigkeit eines Industrieunternehmens einen starken Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg hat.”[15]
„Unterschiede gebe es auch in der Wahrnehmung des Führungsverhaltens, so Wolfgruber. Zwar würden 70 Prozent der Manager die Wertschätzung von Mitarbeitererfolgen für sehr innovationsfördernd halten, aber nur ein Drittel der Berufseinsteiger gebe an, dass ihre guten Leistungen aktiv kommuniziert und honoriert werden.”
„Für Unternehmen sei es sehr wichtig, dass eine Kultur herrschte, in der Innovationen reifen könne”, so Georg Wießmeier, Technologievorstand bei Altana. ,Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens hängt nicht allein vom Budget für Forschung und Entwicklung ab.’ Es sei die Summe vieler wichtiger innovationsfördernder Strukturen, Werte und Verhaltensweisen, die es im Unternehmen fest zu verankern gelte.”
„Wießmeier nennt ein Beispiel: ,Es ist wichtig, dass Vorgesetzte wertschätzend auf ungewöhnliche Vorschläge reagieren. Denn gerade neue Pfade und Blicke über den Tellerrand tragen zur Entwicklung von Innovationen bei.’ Aber die Umfrage zeige, dass in zwei Dritteln der Unternehmen Ideen abseits der Norm nicht immer positiv aufgenommen würde.”
„Eine aktive Förderung von unkonventionellen Denk- und Vorgehensweisen finde nach Angaben der Berufseinsteiger sogar nur in 15 Prozent der Unternehmen statt. Das würden die Manager bestätigen: Nur zwölf Prozent sehen im eigenen Unternehmen eine breite Akzeptanz für Mitarbeiter, die Neuland wagen wollen. Selbst vermeintliche Standards zur Innovationsförderung wie ein betriebliches Vorschlagswesen seien in weniger als einem Viertel der Unternehmen voll etabliert.”[16]
„Aber die Studie zeige auch, dass die Mehrheit der Industriemanager von innovativen Mitarbeitern Eigenschaften erwarte, die diese häufig nicht mitbrächten. Zwei Drittel der Führungskräfte wünschen sich beispielsweise Flexibilität und Veränderungsbereitschaft von ihren Teams. Nur knapp ein Drittel der Berufseinsteiger erfüllen diese Anforderung nach eigener Einschätzung.“
Von Stephan Maaß in: „Die Welt” vom 18.02.2014
„Creaktivität” - ein Kunstwort aus Creativität und Aktivität. Überraschend und ungewöhnlich dieser Begriff? Ich habe dieses Kunstwort erfunden, um zu zeigen, dass es nicht reicht, Ideen zu haben. Ideen gibt es viele. Man muss sie auch aktiv und mutig umsetzen. Der Begriff „Unternehmer” kommt schließlich von „unternehmen”. Nicht nur Invention, sondern auch Innovation ist also gefordert. So gesehen beinhaltet mein Kunstwort „Creaktivität” schon immer auch das Thema Innovation.
Ideen sind der Grundstoff für Veränderungen. Unglaublich, wie viel Ideen-Input von Ihren Mitarbeitern käme, wenn Sie sie nur fragen würden. Ideen lösen Veränderungen aus, Ideen sind Provokationen, sie stören das gewohnte Gleichgewicht. Daher werden sie oft im Keim erstickt, man sitzt sie aus. Oder man sagt dem Ideengeber: „Mach mal!” Und das, ohne ihn mit Kompetenzen, Zeit und Ressourcen auszustatten. Wer so behandelt wird, der wird dann schon bald aufgeben und seine Idee einstampfen.[17]
Ideen werden aber gebraucht, um in der chaotischen Welt auf den Veränderungswellen zu schwimmen und um Neues zu gestalten.
Wie könnten Sie also eine Unternehmenskultur schaffen, die Ideen fördert und fordert und auch aktiv für deren Implementierung sorgt? Creaktivitätsseminare sind „nur” die Voraussetzung dafür, aber bei weitem noch nicht hinreichend. Sie brauchen ein aktives Innovationsmanagement.
Das war das Motto und die Mission des zweitgrößten Computerunternehmens Digital Equipment Corporation (DEC) in den 1980er Jahren, in dem ich von Genf aus verantwortlich war für Organisations- und Personalentwicklung, für die Funktionen Software Services und für International Engineering. Damals wurde dieser Spruch belächelt. Aber: Es ist so geschehen. IT hat die Welt verändert! Seitdem durfte ich viele Change- und Innovationserfahrungen in Projekten mit meinen Kunden in den unterschiedlichsten Branchen sammeln. Es scheint mir dabei meist, auch heute noch, als ob ich immer wieder mit meinen Kunden dort anfange, wo ich damals angefangen habe. Für viele Unternehmen scheinen die Themen Change und Innovation (immer wieder) neue Themen zu sein.
Ordnung und Stabilität und Ruhe schaffen ist out. Es gilt nicht mehr: „Wie integrieren wir, wie schaffen wir stabile Strukturen und Prozesse?” Wer in dieser turbulenten Welt als Unternehmen (auch als Einzelperson!) erfolgreich überleben will, der muss sich folgende Frage stellen:„Welche flexiblen Prozesse, Strukturen, Menschen brauchen wir, um uns immer wieder neu in Frage zu stellen und immer wieder zu verändern?”[18]
Manager, die dieser Tage sagen, dass nach dem jetzigen Change wieder Ruhe und Stabilität einkehren werde, sind entweder Lügner oder dumm. Wir brauchen Innovation … ständig.
Es mag so sein, dass ich genau in Ihrer Branche, lieber Leser, nun wirklich keine Erfahrungen habe. Hierzu zwei kleine Geschichten aus meiner Praxis.
Mein Team und ich waren in die Endauswahl für ein großes Change Management-Projekt bei einer Bank gekommen. Im entscheidenden Gespräch fragt mich der Vorstandssprecher, welche Erfahrungen ich denn bereits im Bankensektor habe. Ich sagte, ehrlich wie ich bin: „Keine!” Nach einer kleinen Pause, in der ich die Überraschung auf seinem Gesicht ablesen konnte, fügte ich hinzu: „Wollen Sie das Know-how hören, sehen und nutzen, das Sie von Branchen-Experten immer schon kennen? Oder brauchen und wollen Sie neues Know-how, neue Erfahrungen? Brauchen Sie frische, provozierende Perspektiven?” Wir bekamen den Auftrag und durften diese Bank über mehr als fünf Jahre bei ihrem Change Management begleiten.
Krankenhausmanager habe ich einmal mit folgenden Worten provoziert: „Ist es richtig, dass Sie sich in einer,Branche” befinden, die von außen betrachtet, recht schizophren ist? Ich lese und höre von fantastischen Fortschritten in der Medizin und in der Medizintechnologie. Ich lese und höre aber auch, dass Krankenhäuser immer noch ,verwaltet' werden. Und da liest man von Misswirtschaft und Kostenproblemen etc. Ich denke, dass in Ihrer Branche noch viele Führungs-, Struktur-, Prozess-Innovationen anstehen. Sie sollten von den Erfahrungen in anderen Branchen lernen. Machen Sie Ihre Benchmarks nicht in Ihrer eigenen Krankenhaus-Branche, sondern gehen Sie fremd!”[19]
Um das Konzept des Innovationsmanagements besser zu verstehen, sollten wir zunächst ein paar Begrifflichkeiten klären.
Ideen sind der Stoff, aus dem Innovationen gemacht werden.
Change Management ist das Management-Konzept, mit dem Sie Innovationen in Ihrem Haus implementieren können.
Projektmanagement liefert dazu die Planungstechnologie.
Change-/Innovationsmarketing ist der Kommunikationsprozess, mit dessen Hilfe Beteiligte und Betroffene informiert und involviert werden.
Und in allen Phasen braucht es immer wieder creaktive Ideen.
Sie können Innovationsmanagement aber auch als das alles umspannende Konzept sehen. Um Innovationen zu managen, brauchen Sie die anderen Elemente. Jeder Change, mit Hilfe des Projektmanagements entwickelt und implementiert, bringt eine Innovation hervor.
Wie Sie es auch immer sehen wollen, Innovationsmanagement ist nicht etwas gänzlich Neues, sondern es ist eingebettet in Bekanntes. Oder einfach nur: eine besondere Perspektive; in einer turbulenten Welt ist es sogar eine überlebensnotwendige Perspektive.
Häufig wird Innovation ausschließlich damit in Verbindung gebracht, neue Technologien, Produkte und Services zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Das ist sehr kurzsichtig, finde ich. Denn es braucht auch Innovationen in den Prozessen und Strukturen und in Unternehmens- und Führungskulturen, um ein Klima für die eigentliche Innovation zu schaffen. Was nützen die schönsten Ideen, wenn die internen Voraussetzungen nicht stimmen? Genau darauf werde ich mich konzentrieren: Was können Sie in den Unternehmen aktiv tun, um Innovation zu ermöglichen?
Und das ist genau das Ziel dieses Buches: Ihnen, den Führungskräften auf den mittleren und unteren Ebenen von Unternehmen, Handlungsoptionen hierfür aufzuzeigen.
Sollten Sie mehr darüber erfahren wollen, welche Umfeldfaktoren in welcher Weise auf Unternehmen und deren Innovationswillen, -fähigkeit und -kraft einwirken, empfehle ich Ihnen, z. B. einen Blick in das Buch von Gerald Steiner zu werfen: „Das Planetenmodell der kollaborativen Kreativität, Systemisch-kreatives Problemlösen für komplexe Herausforderungen”. Und im Internet finden Sie eine unüberschaubare Anzahl von Publikationen dazu.
Es scheint, dass alle Unternehmen so konzipiert sind, als ob sie auf ewig bestehen würden. Viele (auch junge) Menschen sehen sich wohl immer noch auf unbestimmte Zeit, am besten bis zur Pensionierung, in einem Unternehmen, in dem sie auch ihre Karriere machen und dann irgendwann in den wohl verdienten Ruhestand gehen wollen. Sicherheit, Kontinuität sind ihre Maxime.[21]
Aber: Unternehmen, die auf dem Markt bleiben wollen, die ihren Mitarbeitern Kontinuität sichern wollen, müssen den ständigen, oft überraschenden Wandel im Umfeld erkennen, darauf reagieren, sich anpassen, oder besser noch diesen Wandel teilweise mitgestalten, ihn vorwegnehmen. Wer Kontinuität will, muss also Change und Innovation lieben. Schauen wir einmal tiefer in dieses Paradox:
Die Mitarbeiter wollen wissen, wo sie sich befinden. Sie müssen wissen, mit wem sie zusammenarbeiten. Sie müssen wissen, was sie erwarten können und was man von ihnen erwartet. Sie müssen die Werte und Spielregeln des Unternehmens kennen.
Um Veränderungen schnell herbei- und durchführen zu können, braucht man enge und langfristig etablierte Beziehungen zu Lieferanten und Distributoren. Die Japaner haben dafür den Begriff „Keiretsu”. Er bedeutet „Partnership in change”, Partnerschaft in der Veränderung. In den USA nennt man dasselbe Prinzip „Economic Chain-Accounting” als Partnerschaft zwischen Hersteller und Lieferanten.
Das Unternehmen selbst braucht eine „Persönlichkeit”, die es auf dem Markt für die Kunden, für die Mitbewerber, für die Lieferanten und Distributoren ununterscheidbar macht. Der US-amerikanische Ökonom Peter F. Drucker meint, dass hier wohl die größte Herausforderungen für Manager in der Zukunft liegt. Die „Persönlichkeit” des Unternehmens ist das Stabile, das Überdauernde, das über Jahre/Jahrzehnte (zum Teil auch Jahrhunderte) entstandene Bild, das Mitarbeiter und Kunden und Lieferanten und Konkurrenten haben. Diese kann nur langfristig geändert werden. Sie ermöglicht erst, dass Veränderungen in Zielen, Prozessen, Strukturen etc. möglich werden.[22]
Innovationen sind nie ohne Risiko; sie nicht zu wagen, birgt jedoch ein um ein Vielfaches größeres Risiko in sich.
Ich lehne mich in meinem Denken und Arbeiten stark an mein großes Vorbild Peter F. Drucker an (siehe z. B. Peter F. Drucker: „Management Challenges for the 21st Century”, S. 73 - 93). Drucker beschreibt eine Reihe von Strategien, die Sie als Change-Leader durchführen sollten, um Ihr Unternehmen fit für die Zukunft zu halten bzw. erst einmal fit zu machen. Ich erlaube mir, Drucker nicht nur nachzueifern, sondern seine Gedanken und seine Struktur zu nutzen, um meine Erfahrungen einzubringen und meine Gedanken daran weiterzuentwickeln.
Drucker nennt drei Fallen, in die Sie als Innovations- und Change-Leader besser nicht stolpern sollten:
Da ist zunächst die Falle, dass man eine Innovationschance meint ergreifen zu müssen, die außerhalb des eigenen Visions- und Strategierahmens liegt. Hier gilt wie so oft: „Schuster bleib bei Deinen Leisten!” Es wirkt ja erst einmal sehr gut, wenn man sich mit Dingen beschäftigt, die außerhalb der angestammten Kultur und Kompetenzen liegen. Aber es kostet sehr viel Energie, Zeit und Geld, sich damit zu beschäftigen, es richtig zu lernen, in den Griff zu bekommen, es produktiv und erfolgreich zu machen.[23]
Sie sollten zudem Innovation nicht mit „Neuigkeit” verwechseln. Eine Innovation schafft neue Werte wohingegen eine Neuigkeit nett und amüsant ist; sie macht Leute aufmerksam. Die entscheidende Frage, ob man etwas Neues starten sollte, kann nicht sein: „Mögen wir das?”, sie muss lauten: „Mögen das unsere Kunden … und werden sie dafür bezahlen?”
Die dritte Falle: Verwechseln Sie Aktion nicht mit „Bewegung” oder gar Aktionismus. Meist, wenn ein Produkt, ein Service, ein Prozess etc. nicht mehr zu positiven Ergebnissen führt, greifen Manager zum Zaubermittel „Umorganisation”. Klar, es braucht Reorganisation. Aber die muss nach der strategischen Entscheidung über Produkte, Services etc. kommen. Der inzwischen Jahrzehnte alte Spruch von Drucker gilt mehr denn je: „Structure follows strategy!”
Innovation ist harte Arbeit. Der große „erleuchtete” Erfinder Edison hat einmal sinngemäß Folgendes geäußert: „Innovation ist zu 99 % Transpiration und nur zu 1 % Genie.” Es gilt also: „Inspiration follows transpiration!”
Innovation ist die Grundlage dafür, wirklich vorneweg vor den Mitbewerbern zu gehen, also Change-Leader zu sein. Drucker meint, dass Motivation dafür nicht einmal so sehr diejenige ist, dem Mitbewerb eine Nasenlänge voraus zu sein. Der Antriebsgrund ist vielmehr ein psychologischer: Durch systematisches und professionelles Innovationsmanagement schafft man im Unternehmen ein Innovationsklima. Veränderungen werden so als Chancen gesehen. Die MitarbeiterInnen sollen den Change als natürlich ansehen, ihn nicht nur begrüßen, sondern selbst initiieren und antreiben.[24]
Schauen Sie nicht nur über den Tellerrand, sondern auch weit darüber hinaus. Regelmäßig, alle sechs bis 12 Monate, sollten Sie nach Chancen-Fenstern (Opportunity-Windows) Ausschau halten. Das können sein:
die eigenen unerwarteten Erfolge und auch unerwarteten Fehler, aber auch die der Mitbewerber
Inkongruenzen in den Produktions- und/oder Distributionsprozessen sowie Inkongruenzen im Kundenverhalten
Veränderungen in der Struktur Ihrer Branche oder des Marktes
demografische Veränderungen
Veränderungen gesellschaftlicher Werte und/oder Bedeutungen, Interpretationen, Wahrnehmungen
Veränderungen in den politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen
neues Wissen, Forschungsergebnisse
Jede dieser Veränderungen sollte auf folgende Aspekte abgeklopft werden:
„Inwieweit ist dies eine Innovationschance für uns?
„Sind das Indikatoren für verändertes Kunden-/Marktverhalten?”
„Sind das Chancen für neue und andersartige Technologien?”
„Sind das Indikatoren für neue und andersartige Distributionskanäle?”
Eine bewährte Methode, die Ihnen bei dieser Analyse helfen kann, ist die SWOT-Analyse. Sie können mit Brainstorming à la SWOT eine Menge Innovationsideen entwickeln.[25]
SWOT-Analyse
Wenn Sie die Fragen 1 und 2 nach den inneren Stärken und Schwächen beantwortet haben, brainstormen Sie, welche Trends im Umfeld Ihres Unternehmens abzusehen sind (Markt, Technologien, Wirtschaft, Politik etc.) und welche davon Ihrer Meinung nach Chancen bzw. Gefahren für Sie darstellen. Danach diskutieren Sie die Fragen 5 bis 8, um herauszufinden, wie Sie angesichts der Chancen und Gefahren Ihre Stärken und Schwächen aus- bzw. abbauen und einsetzen könnten.
Ihr „Das-geht-bei-uns-nicht”-Zensor mag Sie hindern, die Ideen umzusetzen. Angst vor dem Risiko?
(Siehe Cornelius Herstatt, Theorie und Praxis der frühen Phasen des Innovationsprozesses, in: IOmanagement, 10/1999)
Checken Sie anhand der folgenden Liste, ob Sie bzw. Ihr Unternehmen genügend tut, um Innovationen anzukurbeln.
Sie können Beratungsunternehmen mit Analysen zu Innovationsprojekten reich machen. Diese sind sicherlich gut im Analysieren. Und Sie könnten damit versuchen, alle möglichen Risiken im Vorfeld auszuschalten. Wenn es schiefgeht, können Sie sich ja immer noch auf den Sachverstand der Berater berufen. Langwierige monatelange Untersuchungen und schwere Aktenordner voll mit Papieren sind oft ein Indiz für die Geldverschwendung, die notwendig wird, weil Manager sich absichern wollen bzw. müssen. Das Meiste und Wichtigste hätten sie selbst gewusst. Sie hatten nur niemanden, der ihnen alles in wissenschaftlicher Sprache mit Zahlen untermauert hinschreibt. „Was man schwarz auf weiß besitzt, das kann man getrost … in das Regal stellen!” „Schrankware” ist ein bezeichnender Begriff dafür.
Oft genug war ich schon in der Situation, dass ich als externer Berater, Trainer und Coach die Analysen und Berichte und Organisationshandbücher der Unternehmensberater als Einziger wirklich gelesen und studiert habe, während die auftraggebenden Manager und die Mitarbeiter kaum einen Blick in sie warfen.
Drucker meint: „Sie können keine Marktuntersuchung über das wirklich Neue machen!” Sie können nichts im Markt studieren, was noch nicht bekannt ist. Marktstudien und auch Computersimulationen können also den Test in der Realität nicht ersetzen. Man braucht Pilotprojekte.
Wie kann man das nun bewerkstelligen? Suchen und finden Sie jemanden in Ihrem Hause, der das Neue wirklich will und es auch umsetzen will und kann. Finden Sie einen Champion, jemanden der überzeugt ist und sagt: „Das ist mein Ding. Ich führe das zu einem Erfolg!”[28] Dieser Champion braucht Unternehmereigenschaften, braucht
Überzeugung
Begeisterung
Begeisterungsfähigkeit
Kontakte und gute Beziehungen
Durchhaltevermögen und
die Sponsorship des Topmanagements
Diese Rolle könnte auch ein „guter” Kunde oder ein engagierter Kooperationspartner übernehmen, einer von denen, die Neues gerne nehmen und ausprobieren, die die Ersten sein wollen, die Chancen wittern, die mitentwickeln wollen: die Innovatoren.
Vergessen Sie nie: Nichts klappt beim ersten Mal hundertprozentig richtig. Wenn man Neues in und an der Praxis erstmalig ausprobiert, tauchen Probleme auf, die man sich vorher gar nicht vorstellen konnte. Schwierigkeiten, die man eventuell in einer Analyse potenzieller Probleme meinte herausgefunden zu haben (wenn man so etwas denn überhaupt macht!), entpuppen sich in der Realität oft als harmlos. Laut Drucker ist es fast ein Naturgesetz, dass das wirklich Neue seinen wichtigsten Markt und seine wichtigste Anwendung nicht dort findet, wo man es geplant hatte, sondern ganz woanders.
So hatte James Watt, der Erfinder der Dampfmaschine, bis zu seinem Lebensende den Zweck seiner Erfindung nur darin gesehen, Wasser aus Kohlengruben zu pumpen. Erst sein Partner, Matthew Boulton, sah die Anwendungsmöglichkeit in der Textilindustrie, im Spinnen und Weben von Baumwolle.[29]
Creaktivität ist auch dann noch angesagt, wenn man schon euphorisch aufbrechen und loslaufen will, um die Idee, den Plan, sofort zu verwirklichen. Der Moderator oder der Chef sollten aber erst einmal bremsen: „Moment mal! Ist wirklich alles prima? Danke für die Creaktivität und die Begeisterung und den Tatendrang. Nun sollten wir aber sicherstellen, dass sich der Plan auch wirklich realisieren lässt!”
Ich finde es durchaus sehr creaktiv, sich Gedanken darüber zu machen,
welche möglichen Probleme bei der Umsetzung auftreten könnten.
welche Ursachen diese möglichen Probleme haben könnten, um sich dann zu fragen,
was man jetzt sofort präventiv dagegen tun kann, sodass sich diese Probleme erst gar nicht einstellen bzw.
was man später tun könnte (Schubladenplan), wenn die Probleme tatsächlich auftreten.
Die so gefundenen Ideen bzw. Aktionen sollten unbedingt in den Aktionsplan aufgenommen werden.
Schließen Sie Bündnisse innerhalb und außerhalb des Unternehmens:
mit den „eigenen” Mitarbeitern, die als Wissensarbeiter meist recht schnell das Unternehmen wechseln könnten, wenn sie sich schlecht geführt fühlen. Sie lassen sich nicht mit Befehl und Gehorsam führen. Sie sind Partner.
mit Menschen, die für Outsourcing-Firmen arbeiten, die aber tatsächlich Mitglieder von Arbeitsteams im Unternehmen sind.
mit unabhängigen externen Spezialisten.
Worauf kommt es nun in erster Linie an, wenn es darum geht, diese Partnerschaften zu gestalten und langfristig zu erhalten?[30]
Ein sehr wichtiger Aspekt ist hier: Information!„Wer muss worüber informiert werden?” – diese Frage wird zur Schlüsselfrage. Informationsmanagement wird umso wichtiger, da die Mitglieder von Teams nicht mehr notwendig Tür an Tür sitzen und arbeiten. Sie können auf mehrere Städte oder gar Kontinente verteilt sein. Das ist möglich dank moderner Informationstechnologie, und diese muss sinnvoll genutzt werden: „Wer wird worüber zu welchem Zweck auf welchem Weg und wann informiert?” Natürlich kann virtuelle Kommunikation nicht die direkte persönliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ersetzen. Information ist umso wichtiger, je eher eine Veränderung nicht nur eine Verbesserung ist, sondern eine wirkliche Innovation, etwas Neues. Es braucht hier die streng eingehaltene Spielregel: „Keine Überraschungen!” Das Neue muss mit den Menschen zusammen vorbereitet werden. Die Entscheider und die Betroffenen müssen informiert und involviert sein, mitwirken, um unnötigen Widerstand zu vermeiden. Denn Widerstand verlangsamt den Innovationsprozess. Involvierung und kontinuierliche Information beschleunigen ihn. Ihre Mitarbeiter sind viel „erwachsener” und creaktiver und bereitwilliger mitzumachen als Sie glauben – vorausgesetzt, Sie nehmen sie ernst.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Kontinuität. Dazu gehört, dass die Mission, die Werte, die Definition dessen, was für das Unternehmen „Leistung” ist, längerfristig annähernd gleich bleiben. Dieser Rahmen liefert die Entscheidungsgrundlage dafür, welche Innovationen angepackt werden sollen/dürfen und welche nicht. Es macht keinen Sinn, alle paar Jahre dem Unternehmen eine neue Identität, einen neuen Sinn und Zweck zu verpassen. Das würde auch nicht klappen. Solche Unternehmen sind schnell vom Markt, da ihre Mitarbeiter und Lieferanten und Distributoren desorientiert sind und sich Kunden nicht mit dem Unternehmen identifizieren können.[31]
Der dritte wichtige Aspekt ist die Anerkennung für Erfolge. Man weiß, dass Innovation kaum oder gar nicht stattfinden wird, wenn die Innovatoren nicht für Bemühungen und Erfolge anerkannt werden, wenn sie nicht im Unternehmen aufsteigen, wenn man nicht sieht, dass Innovation belohnt wird. Innovatoren müssen in die höheren Managementebenen aufrücken. Das tut nicht nur den Innovatoren gut, sondern das setzt auch Zeichen für alle Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens und auch für die Partner außerhalb des Unternehmens.
(Siehe dazu auch das Kapitel 3.5 Die Netzwerkorganisation.)
Innovative Unternehmen sind darauf angewiesen, dass das vorhandene Know-how ständig aufgefrischt und erweitert wird. Genau wie es sich herumgesprochen hat, dass Professionals nur dann Professionals bleiben können, wenn sie lebenslang lernen. Der hier beschriebene Know-how-Transferprozess ist ein Lernprozess für Organisationen. Sie brauchen Innovationen, um zu lernen, um nicht auf der Stelle zu treten oder gar hintan zu geraten, um im Markt bestehen bleiben zu können.[32]
Voraussetzung dafür ist die Definition Ihrer Core-Kompetenzen, wie das folgende Beispiel illustriert.
Ein Automobilhersteller entdeckte wieder, dass der Kern des Unternehmens-Know-hows das Entwickeln und Bauen von Motoren ist, nicht von Automobilen. Seine Erkenntnis: Ein Auto ist nur eines der Produkte, in das Motoren eingebaut werden können. Flugzeuge, Schiffe, Rolltreppen und vieles mehr haben auch Motoren. Wenn der Automobilmarkt stagniert oder gar zusammenbrechen würde, könnte dieser Hersteller umschalten auf andere Produkte. Denn er pflegt insbesondere alles dasjenige Know-how, das mit der Entwicklung und Herstellung von Motoren (aller Art) zu tun hat. Und hierauf – auf der Basis der definierten Core-Kompetenz – liegt auch sein Innovationsfokus.
Wenn Sie z. B. Krankenhausmanager sind, dann stelle ich Ihnen die Frage so: „Was sind die Kernkompetenzen in Ihrem Hause?” Die Antwort darauf fällt scheinbar leicht: Diagnose von Krankheiten, Geburtshilfe, Herzchirurgie, beste Pflege, Reha, Hotel für Besucher ...
Was also müssten Sie besonders pflegen? Was müssten alle MitarbeiterInnen und Führungskräfte besonders gut können? Und, ausgehend von Ihren Kernkompetenzen: Welche Innovationen liegen nahe?
Eine Konsequenz des Core-Competenz-Denkens kann auch das Outsourcing sein. Soll ein Hersteller von medizinisch-technischen Analyse-Geräten wirklich seinen eigenen Fuhrpark unterhalten, eine eigene IT-Abteilung einrichten? Brauchen Sie wirklich eine eigene Trainingsabteilung? Public Relations? Eine Rechtsabteilung? Das können spezialisierte Unternehmen mit den entsprechenden Kernkompetenzen besser und billiger. Das gehört nicht zu Ihrer Kernkompetenz. Für Sie sind das nur Overhead-Kosten. Sie könnten ja enge partnerschaftliche Beziehungen zu diesen „Lieferanten” aufbauen und mit ihnen Kunden-/Lieferanten- bzw. Level-of-Service-Vereinbarungen treffen.[33]
Wenn Sie sich auf Ihre Core-Kompetenzen besinnen, dann sollten Sie diese nicht nur pflegen, sondern auch durch immer wieder neue Innovationen weiterentwickeln. Dazu stehen Ihnen mindestens die folgenden drei Wege offen:
Zusammenarbeit mit externen Know-how-Trägern: Es sind oft kleine Unternehmen oder „Einzelkämpfer”, die neues Know-how entwickeln. Kooperationen mit diesen sind angesagt, mit dem Ziel, von ihnen zu lernen. Selbstverständlich sollen die Externen dabei auch gut Geld verdienen.
Ihre Marktbedarfsbeobachtung kann Bedarfe und Bedürfnisse entdecken, für die Sie gezielt nach neuem Know-how suchen bzw. es gezielt entwickeln.
Auch Ihre interne Personalentwicklung sollten Sie darauf ausrichten. Ich denke beim Thema Personalentwicklung nicht – wie leider meistens üblich – nur an Seminare zu „weichen” Themen (Führung, Kommunikation, Verkaufen etc.), sondern auch an die Weiterentwicklung in Arbeitstechniken (Projektmanagement, effiziente Arbeitstechniken etc.) und auch an die fachlich-technische Weiterbildung. In der Berufspraxis setzen Mitarbeiter die erworbenen Fähigkeiten ganzheitlich ein. Daher meine ich, dass es auch ein ganzheitliches Personalentwicklungskonzept braucht. Selbstverständlich kann das dann an die verschiedenen Experten-Gruppen delegiert und von ihnen „getrennt”, aber in enger Zusammenarbeit mit den anderen Fachrichtungen, durchgeführt werden. Zur Personalentwicklung gehören schließlich auch die Entwicklung, die Bereitstellung und das Management zahlreicher Werkzeuge wie etwa Rollenbeschreibungen, Zielvereinbarungen, etc.[34]
Phasen
Je besser Sie diese drei Wege nutzen, desto glatter kann dann der nachfolgende, aber zentrale Know-how-Transferprozess ablaufen, der im Grunde ein Projektmanagement-Prozess ist.