Erfolgsfaktor Klimaneutralität im Unternehmen - Ralf Utermöhlen - E-Book

Erfolgsfaktor Klimaneutralität im Unternehmen E-Book

Ralf Utermöhlen

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Beschreibung

Dr. Ralf Utermöhlen erläutert, warum Unternehmen angesichts der Dringlichkeit des Klimawandels eine Schlüsselrolle beim Übergang zu einer klimaneutralen Gesellschaft spielen. Er erklärt, was Klimaneutralität für Unternehmen bedeutet und beschreibt die relevanten nationalen und internationalen Definitionen und Regelungen. Es deckt Denkfehler und Hindernisse auf, die den Wandel behindern, und bietet praktische Lösungen für klimaneutrale Geschäftsmodelle. Darüber hinaus erläutert er die Berechnungsmethoden für Corporate Carbon Footprint und Product Carbon Footprint sowie für Absenkungspfade gemäß den Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens. Das Buch soll Verständnis für das Thema schaffen und vor allem Lust machen, sich auf den Weg zur Klimaneutralität der eigenen Organisation zu machen. Inhalte: - Unternehmen und ihre wesentliche Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität     - Wie Unternehmen und ihre Aktivitäten zum Klimawandel beitragen - Wege zur Klimaneutralität der Unternehmen - Der Carbon Footprint: die Basis jeder Klimastrategie - Zukunftsfähige Praxis: Wie ein Unternehmen wirklich klimaneutral wird - Der Absenkpfad: Ziele im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens - Instrumente einer Klimakommunikation

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Seitenzahl: 367

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

InhaltsverzeichnisHinweis zum UrheberrechtImpressumVorwortIntro1 Die Aktualität der Klimakrise1.1 Die anthropogenen Ursachen des Klimawandels1.2 Die Brisanz des Klimawandels und seine gefährlichen ­absehbaren Folgen1.3 Leitplanken für Auswege aus der Klimakrise2 Unternehmen und ihre wesentliche Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität2.1 Lösungsanbieter durch klimaneutrale Produkte und Dienstleistungen2.2 Gute Gründe, ein Unternehmen klimaneutral zu gestalten3 Klimaneutrale Unternehmen sind wichtig und attraktiv, aber wo sind sie?3.1 Wie tragen Unternehmen und ihre Aktivitäten zum ­Klimawandel bei?3.2 Wie definiert sich Klimaneutralität für Unternehmen?3.3 Die vorgebliche Klimaneutralität einiger Unternehmen heute3.4 Warum Kompensation keine Lösung ist3.5 Beispiele für registrierte, aber nicht wirksame Kompensationsprojekte3.6 Fazit zu vielen der Kompensationsprojekte, die für »Klimaneutralitäts-Claims« herangezogen werden4 Wege zur Klimaneutralität für ­Unternehmen4.1 Das Konzept des globalen Restbudgets4.2 Wissenschaftsbasierte Klimazielsetzungen für jedes Unternehmen4.3 Leitplanken und Handlungsprinzipien für eine wirksame Strategie zur Treibhausgasneutralität5 Der Carbon Footprint: Die Basis jeder Klimastrategie5.1 Der Prozess des »Carbon Accounting«5.2 Das Prinzip der Kohlendioxidäquivalente (CO2eq)5.3 Das Greenhouse Gas Protocol: Rahmenwerk für die Kohlenstoffbilanzierung5.4 Die Bilanzraum-Abgrenzung5.5 Direkte Emissionen Scope 15.6 Indirekte Emissionen aus Energiebezügen Scope 25.7 Indirekte Emissionen Scope 35.8 Der testierfähige Bericht zur Bilanzierung der ­Treibhausgasemissionen6 Zukunftsfähige Praxis: Wie wird ein ­Unternehmen wirklich klimaneutral?6.1 Die Klimaambition6.2 Die Analyse des Scope 1: Direkte Emissionen ­schnellstmöglich senken6.2.1 Scope 1 granular betrachten und Reduktionspotenziale registrieren6.2.2 Wärmebedarf erfassen und Effizienzpotenziale nutzen6.2.3 Ausstieg aus der Verfeuerung fossiler Energieträger zur Beheizung von Gebäuden und Prozessen6.2.4 Möglichkeiten und Grenzen des »Zaubermittels« Wasserstoff6.2.5 Fugitive Emissionen von Klimagasen beenden6.2.6 Klimafokussierte Dienstreiserichtlinien6.2.7 Verabschiedung von Kfz mit Verbrennungsmotoren: Nutzung von Elektromobilität6.2.8 Konzepte für klimafreundlichen Güterverkehr6.3 Einflussnahme im Scope 2: Bezug von klimafreundlicher Energie6.3.1 Energieeffizienz verbessern6.3.2 Wann hilft Grünstrom der Klimabilanz?6.3.3 Regenerative Eigenerzeugung6.3.4 Nutzung von Power Purchase Agreements6.3.5 Reduzierung des Netzstrombezugs durch Zwischenspeicherung6.4 Die Einbindung von Scope 3 in die Klimastrategie6.5 Der Absenkpfad: Ziele im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens6.5.1 Wissenschaftliche Anforderungen an Absenkpfade6.5.2 Absenkpfade in der Praxis6.6 Die revidierte Klimaambition6.7 Operationalisierung der Klimastrategie und organisatorische Veränderungen6.7.1 Analogien zum Umwelt- und Energiemanagementsystemen6.7.2 Klimabewusste Beschaffung6.7.3 Klimafreundliche Prozessentwicklung6.7.4 Organisatorische Eingriffe: Klimaschutzschulungen und klimasensible Vergütungsstrukturen6.8 Moralischer und ethischer Wertekanon7 Die Klimakommunikation7.1 Strenge Maßstäbe für klimabezogene Aussagen7.2 Beispiele für teure Pannen in der Klimakommunikation7.3 Handlungsprinzipien für seriöse Klimakommunikation7.4 Instrumente einer Klimakommunikation7.4.1 Der testierte CCF7.4.2 Teilnahme am Carbon Disclosure Project (CDP)7.4.3 Publizierte wissenschaftsbasierte Klimaziele und Absenkpfade7.4.4 Der Bericht zur Kohlenstoffneutralität im Sinne der ISO 140687.4.5 Der CCF als Teil der geprüften Umwelterklärung nach EMAS7.4.6 Mitwirkung als SBTi-Signatory7.4.7 Reporting nach CSRD8 Klimaneutralität im gesellschaftlichen ­Diskurs8.1 Umgang mit Klimawandelskeptikern und -leugnern8.2 Sollen doch erstmal die anderen …8.2.1 Chinas Klimaambitionen8.2.2 Die aktuellen Klimaziele Indiens und ein Blick auf die USA8.3 Anforderungen an eine wirksame Klimapolitik8.4 Perspektiven: Ganze Branchen werden sich verändern8.4.1 Transformation in der Stahlindustrie8.4.2 Perspektiven klimafreundlicher Zementherstellung8.4.3 Tourismus-Branche: Der Weg der TUI AG8.4.4 Klimafreundliche mittelständische Druckereibetriebe8.5 Klimaneutrale Produkte und ihre Wettbewerbsvorteile9 SchlussgedankenLiteraturverzeichnisAnhangChecklisten zu Scope 1 bis 3Checkliste: Revidierte Klimaambition

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ISBN 978-3-648-18385-4

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Dr. Ralf Utermöhlen

Erfolgsfaktor Klimaneutralität im Unternehmen

1. Auflage, Mai 2025

© 2025 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG

Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg

www.haufe.de | [email protected]

Bildnachweis (Cover): Stoffers Grafik-Design, Leipzig, KI-generiert mit Midjourney

Produktmanagement: Mirjam Gabler

Lektorat: Helmut Haunreiter

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Der Verlag behält sich auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Sofern diese Publikation ein ergänzendes Online-Angebot beinhaltet, stehen die Inhalte für 12 Monate nach Einstellen bzw. Abverkauf des Buches, mindestens aber für zwei Jahre nach Erscheinen des Buches, online zur Verfügung. Ein Anspruch auf Nutzung darüber hinaus besteht nicht.

Sollte dieses Buch bzw. das Online-Angebot Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte und die Verfügbarkeit keine Haftung. Wir machen uns diese Inhalte nicht zu eigen und verweisen lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung.

Vorwort

Von Claudia Kleinert

Klimaneutralität – ein großes Wort, das oft abstrakt wirkt, aber für mich eine sehr konkrete Bedeutung hat. Als langjährige Moderatorin und Vortragende in den Bereichen Energie, Nachhaltigkeit und Wirtschaft habe ich viele Diskussionen geführt, beeindruckende Innovationen gesehen und Unternehmen erlebt, die sich aktiv auf den Weg in eine klimafreundliche Zukunft machen. Ich weiß aber auch: Die größten Herausforderungen liegen nicht in der Erkenntnis, dass wir handeln müssen – sondern darin, wie wir es tun.

Genau hier setzt dieses Buch von Dr. Ralf Utermöhlen an. Es ist eine Schatzkiste an Wissen, voller Klarheit und Praxisnähe. Wer glaubt, Klimaneutralität sei ein Thema für Idealisten, wird hier eines Besseren belehrt. Unternehmen haben nicht nur eine Verantwortung, sondern vor allem eine riesige Chance: Wer sich frühzeitig mit einer ernsthaften Klimastrategie beschäftigt, schafft Wettbewerbsvorteile, sichert seine Zukunftsfähigkeit und wird zum Vorreiter in einer sich rasant wandelnden Wirtschaftswelt.

Doch warum fällt vielen Unternehmen dieser Schritt so schwer? Zu teuer, zu komplex, zu unsicher? Genau hier setzt Utermöhlens Ansatz an: Er räumt mit Unsicherheiten auf und zeigt anhand von erprobten Strategien und realen Beispielen, wie Unternehmen unterschiedlicher Branchen bereits erfolgreich die Weichen für eine klimaneutrale Zukunft gestellt haben. Dabei macht er deutlich, dass es nicht um Perfektion, sondern um den mutigen ersten Schritt geht.

Die Umstellung auf ein klimaneutrales Geschäftsmodell ist keine Last, sondern eine große Chance – sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich. Unternehmen, die sich frühzeitig anpassen, sichern nicht nur ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit, sondern prägen aktiv die Zukunft. Der Schlüssel dazu liegt in Offenheit, Mut zur Veränderung und einer durchdachten Strategie, die nicht nur in der Nachhaltigkeitsabteilung existiert, sondern im gesamten Unternehmen gelebt wird.

Ralf Utermöhlen geht weit über theoretische Konzepte hinaus – er liefert handfeste Lösungen, mit denen Klimaneutralität machbar wird. Sein tiefes Fachwissen, kombiniert mit jahrelanger Erfahrung in der Beratung von Unternehmen, macht ihn zu einem der wichtigsten Experten auf diesem Gebiet. Seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge verständlich und praxisnah darzustellen, ist beeindruckend. Dieses Buch gibt Unternehmen nicht nur eine Orientierung, sondern auch die nötige Motivation und konkrete Werkzeuge, um die Transformation erfolgreich zu gestalten.

Denn eines ist klar: Nachhaltigkeit ist kein »Nice-to-have«, sondern ein echter Erfolgsfaktor. Wer jetzt klug investiert, sich bewusst aufstellt und Klimaschutz als Teil der Unternehmensstrategie begreift, wird langfristig profitieren – wirtschaftlich, gesellschaftlich und nicht zuletzt in der Wahrnehmung der Kunden.

Dieses Buch ist mehr als eine Anleitung – es ist ein Appell zum Handeln. Und ich bin überzeugt: Wer es liest, wird nicht nur klüger, sondern auch motivierter sein, die eigene Zukunft aktiv und nachhaltig zu gestalten.

Claudia Kleinert

Intro

Ich darf mich kurz vorstellen: Mein Name ist Ralf Utermöhlen, ich bin 1963 in Braunschweig geboren, habe in meiner Heimatstadt und in Bordeaux Chemie studiert und in diesem Fach auch promoviert. Schon Ende der 1980er-Jahre war mir – sicher durch meine Verankerung in einer naturwissenschaftlichen Denkschule – klar, dass der Umgang der Menschen mit diesem Planeten die Welt an natürliche Belastungsgrenzen führt und dass insbesondere Unternehmen der Schlüssel dazu sind, die Umwelt weniger zu belasten. Im Jahr 1991 habe ich mich daher entschlossen, ein auf Umwelt-, Ressourceneffizienz- und Nachhaltigkeitsaufgaben spezialisiertes Consultingunternehmen zu gründen und habe damit das Thema besetzt, als es in der öffentlichen Debatte noch viel weniger vorkam als heute. Diesem Beruf gehe ich nun seit mehr als drei Jahrzehnten nach.

2015 veröffentlichte ich mein erstes Buch über allgemeine Nachhaltigkeitsstrategien für Unternehmen. Ich habe darin dargestellt, dass sich alle Unternehmen fragen müssen, ob ihre eigenen Produkte jetzt und auch künftig in einer nachhaltigen Gesellschaft benötigt werden, ob ihr Geschäftsmodell unter dem Gesichtspunkt »Nachhaltigkeit« Bestand hat und – falls die Antwort nein lauten sollte – wie und mit welchem Tempo sie ihr Geschäftsmodell umbauen müssten. In einem weiteren, begleitenden Schritt sollten Visionen für das eigene Geschäftsmodell entwickelt werden, die für einen längeren Zeitraum Bestand haben. Nachhaltigkeit vertieft zu verstehen und diese Visionen zu entwickeln bezeichnete ich damals als das fehlende Momentum.

Für den Anfang dieses Prozesses empfahl und empfehle ich immer noch eine Bestandsaufnahme, in deren Kern drei Fragen stehen, die sich jedes Unternehmen stellen muss:

Was bedeutet die nachhaltige Entwicklung mit allen Treibern und Prognosen für unser Geschäftsmodell?

Welche Teile unserer Wertschöpfungsprozesse sind nicht nachhaltig im Sinne der Definition »Dauerhafte Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können« und was können wir schrittweise daran ändern?

Was kann unser Unternehmen besonders gut und was kann man davon im Kontext der nachhaltigen Entwicklung nutzen? Mit dieser letzten Frage ist gemeint, dass etwa ein Unternehmen, das hochkompetent im Präzisionsschleifen von Metall ist, natürlich ebenso gut Teile für Flugzeugturbinen wie für Windräder schleifen kann. Selbstverständlich nicht von heute auf morgen, aber mittelfristig.

Diese drei Fragen1 entsprechen dem gedanklichen Ansatz, den die EU knapp sechs Jahre später im April 2021 als zentrales Konzept in die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) aufgenommen hat, also in jener EU-Richtlinie, die Unternehmen verpflichtet, umfassender und detaillierter über ihre Nachhaltigkeitspraktiken zu berichten. Die sogenannte doppelte Wesentlichkeitsbetrachtung (Double Materiality) in die beiden Richtungen »inside out« und »outside in« wird jetzt von allen berichtspflichtigen Unternehmen erwartet. Die CSRD schreibt vor, dass Unternehmen sowohl die Auswirkungen der Umweltveränderungen und der gesellschaftlichen Trends auf ihre Geschäftstätigkeit als auch ihre eigenen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft berücksichtigen müssen.

Meine Teams und ich haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Unternehmen beim Aufbau von Nachhaltigkeitsstrategien begleitet. Bei der Beantwortung der Frage »Welche Teile unserer Wertschöpfungsprozesse sind noch nicht nachhaltig?« kam fast ausnahmslos heraus, dass der Beitrag zum Klimawandel durch das jeweilige Unternehmen zu groß und der Anteil fossiler Energien zu hoch ist. Der Weg zu geringeren Klimabelastungen bei gleichzeitigem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist für die meisten Unternehmen sehr herausfordernd.

Dabei sind klimaneutrale Unternehmen eine absolute Notwendigkeit, wenn die Transformation in eine stark nachhaltige und damit zwangsläufig auch klimaneutrale Gesellschaft gelingen soll, denn nur wenn Unternehmen klimaneutral erzeugte Produkte und Dienstleistungen anbieten, kann eine arbeitsteilige, komfortable Gesellschaft erhalten bleiben, die es Kunden ermöglicht, ihr gesamtes Dasein ohne Belastung des Klimas und der Biosphäre zu gestalten – dies werde ich in Kapitel 2 schlüssig und schwerlich widerlegbar herleiten.

Weiterhin ist bereits absehbar, dass Unternehmen, die kein Transformationskonzept ihres Geschäftsmodells mit einer starken Reduzierung ihrer Beiträge zum Klimawandel bis hin zur echten Klimaneutralität vorweisen können, künftig nur noch sehr schwer Zugang zur Refinanzierung erhalten und Marktanteile verlieren werden.

Der Weg zur Klimaneutralität ist somit für die Gesellschaft und Unternehmen gleichermaßen essenziell zur Zukunftssicherung.

Das war der Anstoß für dieses Buch. Weil das Thema der Klimaneutralität innerhalb der nachhaltigen Entwicklung eine ganz besondere Bedeutung hat, habe ich mich entschieden, in meinem zweiten Buch umfassend zu beschreiben, wie Unternehmen den Weg zu einem klimaneutralen Geschäftsmodell gestalten können.

Damit der Elefant gleich im Raum steht: Dies ist ein Buch über das aktuell noch nicht Existente – denn wirklich vollständig klimaneutrale Unternehmen gibt es nicht, zumindest im Jahr 2024 noch nicht.

Was mich daher in den letzten Jahren stets gewundert und häufig auch verärgert hat, ist die Tatsache, dass sich viele Unternehmen als klimaneutral bezeichnen, obwohl sie eigentlich nicht einmal einen korrekt berechneten Absenkpfad ihrer eigenen Beiträge zum Klimawandel haben, dem wissenschaftsbasierte Ziele zugrunde liegen, und stattdessen vermeintliche Klimaneutralität durch das Erwerben von »Zertifikaten« aus sogenannten Kompensationsprojekten herleiten. Glücklicherweise gibt es hierzu mittlerweile eine klare Rechtsprechung und zahlreiche Unternehmen mussten den Claim »Klimaneutralität«, wenn er nur auf Kompensation beruhte, umformulieren oder zurückziehen.

Ein Ärgernis ist es auch, wenn über Klimaneutralität kommuniziert wird, bevor die Inhalte stehen – Klimastrategie und Klimaneutralität sind zunächst kein Marketing- oder PR-Thema, sondern ein naturwissenschaftlich-technisches Thema, über das erst nach Feststellen der substanziellen Inhalte kommuniziert werden kann, aber niemals umgekehrt. Das Thema darf keinesfalls in die ausschließliche Hoheit von Kommunikationsabteilungen geraten.

Mein Buch zeigt nach einer allgemeinen Einführung konkrete Wege für Praktiker auf, wie sie ihr Geschäftsmodell und Ihr Unternehmen klimaneutral gestalten können. Gleichermaßen lege ich aber auch den Finger in die Wunde und erläutere Denkfehler und Irrwege, die manche Unternehmen heute noch Geld kosten, Marktchancen verlieren lässt und eben trotz des Anspruchs, klimaneutral zu werden, nicht zum Ziel führen.

Ausgehend von der Brisanz und den absehbaren Folgen des Klimawandels leite ich her, warum Unternehmen eine wesentliche Rolle auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft spielen, erläutere, was Klimaneutralität für Unternehmen tatsächlich ist und welche Definitionen und Regularien national und international existieren. Danach lege ich die Gründe dafür dar, ein Unternehmen klimaneutral zu gestalten, erkläre den Lesern die Berechnungsmethoden für Corporate Carbon Footprint und Product Carbon Footprint sowie für Absenkpfade konform zu den Vereinbarungen des Pariser Klimaschutzabkommens. Es folgen dann die konkreten energietechnischen und umwelttechnischen Ausführungen dazu, wie ein Unternehmen klimaneutral werden kann.

Die Schlusskapitel widmen sich den Perspektiven verschiedener Branchen.

Adressaten meines Buchs sind sowohl das Management und Technikabteilungen als auch Kommunikationsabteilungen und Führungskräfte in Unternehmen aller Branchen und Größen. Das Buch ist eindeutig ein Sachbuch, aber es ist so geschrieben, dass es für jedermann verständlich ist und die Bedeutung des Themas »Klimaneutrale Unternehmen« transparent macht.

Es gibt sehr viele Papiere, Leitfäden und Übersichten zum Thema Carbon Footprint und Klimaneutralität – warum also dann noch ein Buch?

Sehr einfach: Ich bin der tiefen Überzeugung, dass die Strategien der Industrie, der Finanzwirtschaft, des Handels und des Gewerbes – also der Wirtschaft in Gänze – eine tragende Rolle bei der Bewältigung der Klimakrise spielen. Ich möchte mit diesem Buch allen Praktikern in Unternehmen, die sich seriös mit dem Thema befassen wollen, ein gut lesbares, mit Beispielen, praktischen Erfahrungen und Checklisten ausgestattetes Kompendium liefern, das nicht nur einen Überblick gibt und eine praktische Handreichung ist, sondern auch Interesse weckt, Verständnis schafft und Lust auf das Ziel Klimaneutralität für die jeweils eigene Organisation vermittelt. Selbstverständlich sind auch alle Interessierten, die nicht unmittelbar im beruflichen Kontext mit dem Thema zu tun haben, herzlich eingeladen, das Buch zu lesen.

Seien Sie neugierig, Sie werden praktische Tipps und Anregungen für Ihr eigenes Unternehmen erhalten!

1 Utermöhlen (2015) S. 57

1 Die Aktualität der Klimakrise

Die wissenschaftlich schon lange erkannte Klimakrise steht seit einigen Jahren im Zentrum des gesellschaftlichen Diskurses, weil sie bereits jetzt drastische Auswirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft hat – und sich diese Folgen weiter verschärfen, wenn nicht schnell gehandelt wird. Die Zeichen sind so stark, dass nahezu jedermann erkennt: Ein Weiter so beim Umgang mit Ressourcen, Klima und Biosphäre führt die Weltgemeinschaft in eine Situation, die mindestens unangenehm, vermutlich für die Mehrzahl der Menschen künftiger Generationen sogar gefährlich wird und die erforderliche Transformation wird die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen massiv verändern.

1.1 Die anthropogenen Ursachen des Klimawandels

Die Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen aus industriellen Prozessen, der Mobilität und Beheizung haben in den letzten 150 Jahren zu einem erheblichen Zusatzbeitrag zum natürlichen Treibhauseffekt geführt, sodass die jährlichen globalen Durchschnittstemperaturen im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um ca. 1 Kelvin angestiegen sind; in einzelnen Jahren wie im Jahr 2024 sogar 1,6 Kelvin über das vorindustrielle Niveau (ich verwende in diesem Buch den physikalisch korrekten Terminus Kelvin für Temperaturveränderungen).

Ursache des Klimawandels ist in erster Linie die Tatsache, dass wir als Menschen seit Beginn der industriellen Revolution ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts täglich viel zu hohe Mengen fossiler Energieträger aus der Erde holen und verbrennen und damit die Kohlenstoffmenge in der Biosphäre permanent erhöhen. In der Folge steigt die Konzentration des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre. Der natürliche Treibhauseffekt wird durch diesen anthropogenen Zusatz verstärkt.

Die Nutzung fossiler Energieträger ist aber nicht die einzige Ursache des Klimawandels, weitere anthropogene Aktivitäten verstärken den Effekt:

Abholzung von Regenwäldern: Regenwälder binden große Mengen Kohlendioxid durch Fotosynthese und sind Rückzugsräume für biologische Vielfalt. Mit der Abholzung von Regenwäldern beschleunigen wir den Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre noch.

Umnutzung von Land, auf Englisch Land Use, Land Use-Change and Forestry ­(LULUCF): Intakte Böden fungieren als Kohlenstoffspeicher, sie können große Mengen an organischem und anorganischem Kohlenstoff speichern. Hierbei spielen unterschiedliche Mechanismen eine Rolle, von denen ich nur die beiden wichtigsten anreißen möchte:

Mikroorganismen im Boden zersetzen organische Materialien (z. B. Pflanzenreste, abgestorbene Kleinorganismen) und wandeln sie in langzeitstabile organische Verbindungen um, die im Humus gespeichert werden. Organismen wie Würmer und Insekten tragen ebenfalls zur Zersetzung organischen Materials bei und fördern die Durchmischung des Bodens, was die Kohlenstoffspeicherung verbessert.

Kohlensäureverwitterung: In Wasser gelöstes CO2 aus der Luft reagiert mit Mineralien im Boden und führt zur Bildung von Carbonaten, die als anorganischer Kohlenstoff im Boden gespeichert werden.

Diese Effekte sind aber eben nur bei intakten Böden dauerhaft wirksam. Wenn Böden versiegelt, Wälder eingeschlagen oder landwirtschaftliche Praktiken so ausgeführt werden, dass die Humusbildung reduziert wird, verliert der Boden Teile seiner Funktion. LULUCF wird als Umweltwirkungskategorie seit den 1970er-Jahren untersucht. Die Veränderungen der Bodennutzung verändern auch die Produktivität des Bodens, der Ökosysteme und die biologische Vielfalt, die Kohlenstoff- und biogeochemischen Kreisläufe, die Wasser- und Energiekreisläufe und haben somit Einfluss auf Klimaschwankungen und -veränderungen.2Das für Forschung und Politikberatung zu ländlichen Räumen, Landwirtschaft, Wald und Fischerei zuständige Thünen-Institut hat in einer sehr aktuellen Veröffentlichung festgestellt, dass der LULUCF-Sektor in den vergangenen Jahren durch Umnutzungen häufig eine Nettoquelle für Treibhausgase in Deutschland war. Grundlage für diese Aussage waren Zeitreihenvergleiche der Treibhausgasemissionen (Summe aus CO2, CH4 und N2O) im LULUCF-Sektor, die einen Zeitraum von 1990 bis heute erfassen.3

Die Versiegelung von Flächen stört zum einen den Wasserhaushalt, führt in Ballungsräumen aber auch zu einer immensen zusätzlichen Aufheizung. Die Durchschnittstemperatur auf kleinstem Raum steigt an sonnigen Tagen noch stärker an, was für viele Menschen gesundheitliche Probleme nach sich zieht.

Ein besonderes Phänomen ist die Bedrohung durch das Auftauen von Permafrostböden, zum Beispiel (aber nicht nur) in Sibirien. Wissenschaftliche Erhebungen gehen davon aus, dass in den seit zehntausenden von Jahren gefrorenen Böden – sei es in der Arktis, in Hochgebirgen oder in antarktischen Regionen – zwischen 1.300 und 1.600 Gigatonnen Kohlenstoff in Form organischer Substanz gespeichert sind. Das ist in etwa doppelt so viel wie in der gesamten Atmosphäre (etwa 800 Gigatonnen).

Beim durch den Klimawandel beschleunigten Auftauen der Dauerfrostböden würde diese Kohlenstoffmenge in Form von Methan oder Kohlendioxid freigesetzt, somit wäre das Auftauen des Permafrosts – ein logisches Phänomen – sowohl Folge als auch Beschleuniger des Klimawandels. Gewaltige Mengen von Treibhausgasen würden aus den auftauenden Böden in die Atmosphäre entlassen. Dass dieser Prozess der klimainduzierten Permafrost-Erosion bereits begonnen hat, belegen aktuelle Forschungsbeobachtungen: Im nördlichen Jakutien (Russland) liegt der sogenannte Batagay-Megaslump, eine riesige Thermokarst-Landform, der durch thermische Erosion entstanden ist und sich durch Tauwettereinbrüche permanent vergrößert. In dieser Region ist laut einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2023, an der auch das Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (Alfred Wegener Institut) mitwirkte, die durchschnittliche Jahrestemperatur um mehr als 2,4 Kelvin gestiegen. Die mittlere Sommertemperatur stieg um etwa 1,6 Kelvin. Das führt dazu, dass sich die eigentlich im Permafrost liegende Formation durch Schmelze – wie eben erwähnt – sichtbar vergrößert.4 Es muss befürchtet werden, dass diese Batagay-Einsturzsenke bei fortschreitendem Auftauen Kohlenstoffspeicher freilegt, die hunderttausende Jahre eingeschlossen waren.

2 Liang et al (2012)

3 Gensior et al. (2024)

4 Murton et al. (2024)

1.2 Die Brisanz des Klimawandels und seine gefährlichen ­absehbaren Folgen

Es gibt genügend Ausarbeitungen zu den Folgen des Klimawandels, dennoch gehört es in dieses Buch, eine kurze Übersicht mit Blick auf künftige unternehmerische Aktivitäten zu geben. Mit einer Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur geht eine Reihe anderer anthropogener Umweltveränderungen einher und die fortschreitende atmosphärische und troposphärische Erwärmung macht das menschliche Leben und auch die Randbedingungen für jegliche wirtschaftliche Aktivitäten anders, als wir sie bislang kennen.

Folgende Themen sind zu beleuchten:

Die Zunahme von starken Wetterereignissen wie Orkanen und massiven Regenfällen in sehr kurzer Zeit ist bereits heute spürbar. Es ist nicht in jedem Einzelfall bei jedem starken Wetterereignis wissenschaftlich sicher zu sagen, ob es sich um ein normales Wetter-Phänomen handelt oder um eine Folge des Klimawandels, wenn auch ein jüngeres Spezialgebiet der Meteorologie, die sogenannte »Klimaattributionsforschung« (auch Zuordnungsforschung) in vielen Fällen belegen kann, ob bzw. dass es sich um eine Klimafolgenerscheinung handelt. Hierbei wird mit einer sehr hohen Rechenleistung in Computermodellen das Wetter in einer Welt ohne Klimawandel mit dem heutigen Wetter verglichen, um zu überprüfen, ob das Wetter durch Klimawandel extremer geworden ist. Mit dieser Methode kann beispielsweise wissenschaftlich sehr fundiert dargelegt werden, dass das Risiko von Hitzewellen im Mittelmeerraum durch den Klimawandel circa 100-mal wahrscheinlicher geworden ist5.

Mein langjähriger Kunde, die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, der größte Rückversicherer der Welt, betreibt seit Jahrzehnten eine eigene Georisikoforschung und veröffentlicht seit vielen Jahren jährliche Studien zu den Naturkatastrophen. Nur ein paar Beispiele für das Jahr 2017, um die Dimension dessen, was uns erwartet, zu verdeutlichen:6

»Harvey« war im Jahr 2017 der regenreichste tropische Wirbelsturm, der je die USA heimsuchte. Einige Orte verzeichneten über 1.500 Millimeter Niederschlag; die Schäden summierten sich auf etwa 95 Milliarden US-$

der Hurricane »Irma« erreichte Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h mit einem Schadenvolumen von 57 Milliarden US-$

ein Monsun in Südostasien forderte 2.700 Menschenleben

… und all das sind nur Beispiele aus einem einzigen Jahr.

Sicher ist, die Häufigkeit und die Schwere von Wetterereignissen steigen auch in Europa: Überschwemmungen, wie wir sie nicht nur im Jahr 2021 im Ahrtal und 2024 in Süddeutschland und den Alpenrepubliken erlebt haben, zerstören Immobilien, andere wirtschaftliche Werte und natürlich auch die Lieferketten regionaler oder überregionaler Unternehmen.

Eine sehr häufig diskutierte und auch landläufig bekannte Folge des Klimawandels ist der Anstieg des Meeresspiegels. Die Commission of Small Island States on Climate Change and International Law (COSIS), eine Art Selbsthilfeorganisation kleiner Inselstaaten, hat mittlerweile wegen der Folgen des Anstiegs des Meeresspiegels mehrere internationale Gerichtsverfahren angestrengt. Der Seegerichtshof hat in einem Gutachten im Mai 2024 festgehalten, dass Schäden, die bereits durch den Klimawandel entstanden sind, repariert werden müssen und beim Internationalen Gerichtshof ist ebenfalls eine Klage zu diesem Thema anhängig. Dies bedeutet, dass berechtigterweise erhebliche Kosten auf die Industriestaaten zukommen werden.

Schon in seinem Sonderbericht »1,5 0C globale Erwärmung« im Jahr 2018 bekundete der zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC): »Bis zum Jahr 2100 wird der globale mittlere Meeresspiegelanstieg laut Projektionen bei 1,50C globale Erwärmung um etwa 0,1 m geringer als bei 20C sein (mittleres Vertrauen). Der Meeresspiegel wird bis weit über das Jahr 2100 hinaus weiter ansteigen (hohes Vertrauen) und das Ausmaß und die Geschwindigkeit dieses Anstiegs hängen von zukünftigen Emissionspfaden ab. Eine geringere Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs eröffnet größere Anpassungschancen für menschliche und ökologische Systeme kleiner Inseln, niedrig gelegener Küstengebiete und Deltas (mittleres Vertrauen)« 7. Auch diese IPCC-Studie belegt: Jedes Zehntel Grad weniger Temperaturerhöhung zählt, jede Anstrengung lohnt.

0,1 m klingt zunächst nach nicht viel, aber laut Studien kann ein Meeresspiegelanstieg von 10 cm die Häufigkeit von Überschwemmungen, die normalerweise nur alle 100 Jahre passieren, in manchen Regionen – u. a. New York und Jakarta – auf alle 10 Jahre oder sogar jedes Jahr erhöhen. Es geht beim Anstieg des Meeresspiegels somit nicht nur um einige Atolle, kleine Inselstaaten oder Halligen – bei einer globalen Erwärmung von circa 1,5 K sind bis zu 10 Millionen Menschen in Küstengebieten durch Überflutung betroffen. Bei 2,5 bis 3 K würde es 170 Millionen Menschen betreffen, die dort, wo sie bislang leben, mit steigenden Temperaturen nicht mehr dauerhaft sicheren Schutz und Wohnraum finden.

Die Versauerung der Weltmeere: Etwa ein Viertel des durch menschliche Aktivitäten verursachten Ausstoßes von Kohlendioxid wird von den Ozeanen aufgenommen. Durch die Lösung von CO2 in Wasser sinkt der pH-Wert. Hierzu gibt es eine Reihe von Studien. Wissenschaftler gehen von einem vorindustriellen pH-Wert des oberflächennahen Meerwassers von durchschnittlich 8,25 aus. Dieser hat sich nun durch die Aufnahme von Kohlendioxid auf Werte von durchschnittlich 8,14 verringert. Nun mag man sagen, »eine Stelle nach dem Komma – ob grob 8,2 oder grob 8,1, das merkt man doch beim Baden im Mittelmeer nicht«. Aufgrund des Schutzmantels der menschlichen Haut stimmt das sogar, aber die eben beschriebene Verringerung des pH-Wertes ist fatal, da es sich um eine logarithmische Skala handelt: Der pH-Wert ist der negative dekadische Logarithmus der Konzentration von Hydronium-Ionen im Wasser, diese sind die Säurebildner. Und die logarithmische Skala verstellt uns den Blick darauf, dass die zitierte Veränderung 30 Prozent mehr Säurebildner im Wasser bedeutet.

30 Prozent mehr Säure klingt schon einmal anders als 0,1 hinter dem Komma, nicht wahr?

In der Konsequenz können sehr viele Organismen, die Endoskelette oder Exoskelette bilden, dies nicht mehr in der gewohnten Form tun. Hierzu gehören Korallen, Krill, kleinste Schalentiere, die in der Nahrungskette der Ozeane ganz unten stehen. Somit werden die Nahrungsketten innerhalb der Ozeane durch die Versauerung dünner und faszinierende Horte biologischer Vielfalt wie die Korallenriffe sterben ab. Bedenkt man, dass ein großer Teil der Weltbevölkerung die Weltmeere als wesentliche Proteinquelle benötigt, dann liegt auf der Hand, dass Probleme in den Nahrungsketten der Meere auch für uns Menschen problematisch werden.

Wassermangel auch in Regionen, die wir bislang für wassersicher hielten: In vielen Teilen Deutschland verdunstet bereits heutzutage mehr Wasser, als in den üblicherweise niederschlagsreichen Monaten an Niederschlag fällt. Diese Tendenz verstärkt sich, denn Pflanzen verdunsten mit steigenden Temperaturen mehr Feuchtigkeit und entziehen den Böden mehr Wasser. Im Auftrag eines seit Jahrzehnten sehr erfolgreichen Unternehmens, das für seine Produktion auf eine stabile Wasserversorgung angewiesen ist, haben wir in den Jahren 2023 und 2024 eine Wasserrisiko– und Vulnerabilitätsbetrachtung vorgenommen und sind für zwei deutsche Produktionsstandorte zu folgendem Schluss gekommen: »Ein potenzielles Versorgungsrisiko in bestimmten Jahren ist möglich; es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in den meisten Jahren bis 2050 genügend Trinkwasser anstehen, in einzelnen Jahren jedoch auch zu Knappheiten kommen, die mindestens zu Maßnahmen wie Verbot der Bewässerung von Ziergärten, Verbot der Nachbefüllung privater Schwimmbäder und eventuell Reduzierung der Entnahmen für nicht systemkritische Industrie bedeuten.«

Dieser Kunde hat auf die Ergebnisse unserer Analysen reagiert, indem er sich nun mit der Unterstützung von Projekten, die Wasser in den jeweiligen Regionen seiner Produktionsstandorte halten, auseinandersetzt. Hierzu zählen künstliche Rückhaltebecken und die Renaturierung von Bachläufen entlang von Feldrändern und Waldrändern.

Verlust von Ernteerträgen in der Nahrungsmittelerzeugung: In Deutschland ist eine der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Branchen die Landwirtschaft – dies ist auch logisch, denn kaum eine andere Branche ist so stark vom Wetter abhängig. Hier belasten mehrere Phänomene: Das sind zum einen Veränderungen und zeitliche Verschiebungen von Niederschlägen. Zum anderen geben die langjährigen Temperatur Aufzeichnungen klare Hinweise, dass der Klimawandel den Zeitpunkt des Vegetationsbeginns verschiebt und auch das Datum des letzten Spätfrosts verschoben wird. Die Vegetationsperiode beginnt immer früher und der letzte Frost im Frühjahr trifft dann auf empfindliche Blüten, zum Beispiel von Kirsch- oder Apfelbäumen, bzw. auf frühe Fruchtstadien des Obstes und auf die ersten Austriebe im Weinbau. Der späte Frost führt zur Bildung von Eiskristallen in den Pflanzenzellen. Dies zerstört die Zellwände und die Pflanzenmasse vertrocknet. Im Jahr 2017 beispielsweise hat der Spätfrost in Europa in einigen Anbauregionen einen Ernteverlust von bis zu 80 Prozent ausgemacht. Die Münchener Rückversicherung schätzte die Kosten hierfür auf 3,3 Milliarden €.8

Der Deutsche Bauernverband hatte bereits vor einigen Jahren darauf hingewiesen, dass in Deutschland die Sommer trockener und die Winter nasser werden. Milde Winter begünstigen auch die Verbreitung neu eingeschleppter unerwünschter Beikräuter und Schädlinge. Wichtige deutsche Ertragspflanzen wie Raps, Gerste oder Weizen, die bereits im Spätsommer gesät werden, brauchen im Winter den Kältereiz für die so genannte Vernalisation. Dies ist ein biologischer Prozess, bei dem Pflanzen eine Kälteperiode durchlaufen müssen, um ihre Entwicklung fortzusetzen und im Folgejahr zur Blüte zu kommen. Der Kältereiz muss über einen längeren Zeitraum unter 10 0C, aber über dem Gefrierpunkt liegen – bei zu mildem Winterwetter bleibt dieser Reiz aus und es drohen Ernteeinbußen. Viele Landwirte beginnen daher bereits, neue Kulturpflanzen anzubauen. Auch Schadorganismen, deren Eier anders als früher die milden Winter überstehen, machen den Ackerbauern zu schaffen.9

Unsere heimischen Wälder, Gärten und Parks sind durch den Klimawandel ebenfalls in Gefahr. Buchen leiden an der durch ungewöhnlich warmes Winterwetter und eine unnormale Abfolge von Dürren und Hitzewellen begünstigten Baumkrankheit »Buchen-Schleimfluss« und treiben im kommenden Jahr nicht mehr aus, weil der Schleim den Eintritt von Bakterien und parasitischen Pilzen ermöglicht. Forstwirte reklamieren zwar immer wieder, mit resistenten Arten klimaresistente Wälder aufzubauen, aber auch Experten verfügen aktuell über keine finale Klarheit darüber, welche Baumarten in unseren Breiten in einigen Jahrzehnten weiterhin bestehen können. Im Rahmen eines Projekts »Netzwerk Zukunftsbäume« wurden potenziell geeignete Bäume der Zukunft (weniger für Wälder, vornehmlich für Straßen und Parks) über einen Zeitraum von zehn Jahren (2013 bis 2023) an der Universität Hohenheim phänologisch untersucht. Generell gilt: Klimarobuste Bäume müssen tief wurzeln können, um an tiefere wasserführende Schichten zu gelangen. Untersucht und nach ersten Ergebnissen als geeignet befunden wurden u. a. Baumarten wie der Feldahorn der Sorte »Elsrijk«, die amerikanische Linde, Stadtulmen (besonders sturmresistent), die Hängebirke und die gemeine Esche (tolerant gegenüber Hitze- und Trockenheitsstress).10 Zu beachten ist, dass neu eingeführte Baumarten in Europa ggf. auch neue ökologische Probleme mit sich bringen können. Der Wald ist aber für uns Menschen nicht nur touristisches Naherholungsgebiet, sondern Wälder und große Parks sind Horte der Biodiversität, durch die Verdunstungskühlung Verbesserer des Mikroklimas im Sommer sowie Sauerstofflieferant.

Was in unserer Umgebung nur »unangenehm« ist, könnte weltweit zu einer Katastrophe führen: Intakte Tropenwälder haben in den vergangenen Jahrzehnten etwa die Hälfte der weltweiten terrestrischen Kohlenstoffaufnahme gebunden und etwa 15 Prozent der anthropogenen Kohlendioxidemissionen entfernt. Klimabedingte ­Vegetationsmodelle sagten bislang in der Regel voraus, dass diese »Kohlenstoffsenke« der Tropenwälder noch Jahrzehnte anhalten wird. Ein neues statistisches Modell, das Kohlendioxid, Temperatur, Dürre und Walddynamik berücksichtigt, deutet nun allerdings auf einen langfristigen Rückgang der Aufnahmekapazität der afrikanischen Wälder hin, während die Senke im Amazonasgebiet schneller abnimmt11. Wenn somit der Amazonas-Regenwald in 15 bis 20 Jahren nach diesen aktuellen Studien aus dem Jahr 2020 seine Fähigkeit verlieren könnte, Kohlendioxid aus der Luft zu binden, würde der Amazonas statt der natürlichen Sauerstoffneubildung durch Fotosynthese zu dienen, die Atmosphäre mit zusätzlichen Treibhausgasen belasten!

Die physischen Konsequenzen sind fatal, aber auch die Kosten des Klimawandels sind immens. Die Soforthilfen in trockenen Sommern wie im Jahr 2018 für Landwirtschaft und Forstwirtschaft saldieren sich jeweils zu mehreren 100 Millionen €. Vorsorgemaßnahmen vor Waldbränden durch Investitionen in Feuerwehren und Investitionen in Küstenschutz bewegen sich ebenfalls in Dimensionen von 100 Millionen € und die Schäden durch einen Orkan wie im Jahr 2020 betrugen bundesweit etwa 675 Millionen €12.

Für Deutschland mag das ein Ärgernis sein, aber vermutlich noch keine Katastrophe. Jedoch werden wir bei einem Temperaturanstieg von durchschnittlich 1,5 K alle zehn Jahre schwere Dürren in Südeuropa erleben, zwischen 1 Milliarde und perspektivisch 3 Milliarden Menschen werden regelmäßig weltweit unter der Trockenheit leiden. Bei 2,5 bis 3 K stünden im Mittelmeerraum zwischen 20 und 30 Prozent weniger Trinkwasser zur Verfügung und bei einem ungebremsten Ausstoß an Klimagasen wäre ein Viertel der chinesischen Bevölkerung von Wassermangel betroffen.

Dies führt zu einem Rückgang der Erträge in tropischen Regionen: In Afrika würden sich die Erträge der wichtigsten Feldfrüchte zwischen zehn und 20 Prozent reduzieren, in Asien wäre mit einem Rückgang der Reiserträge um 5 bis 12 Prozent zu rechnen. In der Folge bedroht der Hunger 500 Millionen Menschen mehr als bislang.

Dies führt natürlich zu einer Steigerung von politischen Instabilitäten und ist Auslöser von Migration. Eine Reihe von Studien sprechen von bis zu 250 Millionen Menschen mehr im Vergleich zu heute, die fluchtgefährdet sind und ihre angestammte Herkunftsregion verlassen wollen.

Fluchtgefährdet sind aber nicht nur die Menschen in fernen kleinen Inselstaaten oder in Dürregebieten: Nach Starkregen, Hochwasser und Geröll-Lawinen in den Schweizer Alpen im Sommer 2024 wurde erstmals erwogen, dass einzelne Siedlungen in Alpentälern wegen der wachsenden Gefahren vermutlich aufgegeben werden müssen13 – in einigen Alpentälern beschleunigt sich die bereits stattfindende Abwanderung, in besonders exponierten Alpentälern entwertet der Klimawandel so die Infrastruktur, Immobilien und andere Sachwerte rapide.

Die Biodiversitätskrise, von manchen Wissenschaftlern als »Das sechste Sterben« bezeichnet, wird als Zwillingskrise des Klimawandels betrachtet. Seit den 1970er-Jahren ist der Bestand an Tieren in den Wirbeltierklassen (Vögel, Amphibien, Reptilien, Fische und Säugetiere) weltweit massiv gesunken. Zwischen 1970 und 2018 hat der WWF in seinem Living Planet Report einen durchschnittlichen Rückgang der relativen Häufigkeit der überwachten Wildtierpopulationen auf der ganzen Welt um 69 Prozent festgestellt. Lateinamerika weist den größten regionalen Rückgang der durchschnittlichen Populationsdichte auf (94 Prozent), während die Populationen von Süßwasserarten insgesamt den größten globalen Rückgang zu verzeichnen haben (83 Prozent)14. Dass der Kuckuck keine Wirtseltern mehr findet, in deren Nest er seine Eier legen kann, wenn er als Zugvogel aus seinem Winterquartier unsere Breiten erreicht, weil mit früher beginnendem Frühjahr die heimischen Vögel ihre Brut bereits begonnen haben und die Jungvögel bereits ausgeschlüpft sind, mag wie eine Petitesse wirken, wird aber weitere ökologische Folgen nach sich ziehen. Die Ausbreitung der pazifischen Auster in der deutschen See verdrängt die heimische Miesmuschel, was zu Ertragsverlusten für die Muschelkulturen führt, aber auch Eiderenten und Möwen die Nahrung nimmt, denn die harte Schale der pazifischen Auster können sie nicht knacken. Mit jedem Tier, dessen Lebensbedingungen schlechter werden, geraten andere Organismen in Gefahr; die Ökologie ist ein immer noch nicht komplett verstandenes, kompliziertes Geflecht. Es würde zu weit führen, hier in Details zu gehen, aber die durch den Klimawandel beschleunigte Reduzierung der Biodiversität wird uns Menschen teuer zu stehen kommen. Auch hier sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen.

Häufung von vorzeitigen Todesfolgen durch übermäßige Hitze. Der Homo Sapiens ist für das ihn umgebenden Temperaturspektrum ausgelegt. Der Blutkreislauf des Menschen sorgt für Kühlung, indem warmes Blut unter der Hautoberfläche durch Kontakt mit der Außenluft abkühlt und bei besonders hoher Wärme wird durch Schwitzen die Kühlung verbessert, weil die Verdunstungskälte (mit anderen Worten, die dem Körper entzogene Wärmeenergie, um das Wasser zu verdunsten) genutzt wird. Das bedingt eine permanente Wasserzufuhr und die Verdunstungskühlung funktioniert schlecht, wenn die Umgebungsluft feucht ist. Große Hitze schädigt den Körper, alte Menschen, kleine Kinder und Menschen mit Vorerkrankungen sind in besonders großer Gefahr. Es ist statistisch bereits nachgewiesen, dass Hitzewellen wie etwa in den Jahren 2003 oder 2018 in jedem europäischen Land zu mehreren 1.000 vorzeitigen Todesfällen führen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO fasst das wie folgt zusammen:

»Im Laufe der letzten 50 Jahre haben fast 150 000 Menschen in der Europäischen Region der WHO aufgrund extremer Temperaturen ihr Leben verloren.

Der Weltorganisation für Meteorologie zufolge forderten über die letzten 50 Jahre 1672 registrierte klima- und wetterbedingte Katastrophen über 159 000 Opfer und verursachten 476,5 Mrd. US-$ an wirtschaftlichen Schäden in der Europäischen Region. Obwohl 38 Prozent der Katastrophen auf Überschwemmungen und 32 Prozent auf Stürme entfielen, waren extreme Temperaturen für 93 Prozent aller Todesopfer verantwortlich.«15

Neben der tragischen Tatsache, dass durch Hitzewellen Menschen sterben, verändern sich durch regelmäßige Extremwetter auch Kaufkraft und Konsumverhalten und somit die Stabilität der wirtschaftlichen Randbedingungen.

Um einem ganz perfiden Gegenargument vorzubeugen: Es gibt Publizisten, die der Erhöhung der Durchschnittstemperatur insofern etwas positives abgewinnen können, als sie behaupten: »Ja, durch Hitze mögen im Sommer mehr Menschen sterben, dafür erfrieren dann im Winter weniger Obdachlose.« Abgesehen davon, dass der Vergleich schon in absoluten Zahlen hinkt, gibt es bessere Methoden, den Kältetod von Menschen zu verhindern, als ausgerechnet das Mittel, den gesamten Planeten aufzuheizen.

Tropenkrankheiten erreichen Europa

In den Jahren 2008 bis 2013 hatte ich die Ehre und Freude, die LUBW (Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg) nach der europäischen Umweltmanagement Verordnung EMAS als Umweltgutachter auditieren zu dürfen. Hierbei führte ich auch regelmäßige Gespräche mit den Wissenschaftlern, die das Bio-Monitorring für das Land Baden-Württemberg verantworten. Bei einem dieser Audits berichteten mir die Forscher auch von ihren neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Ergebnissen. Sie zeigten mir ein kleines Insekt in einem Glasgefäß, das ich auf den ersten Blick nicht erkannte. Für mich ähnelte es einer Mücke. Es handelte sich um den ersten Nachweis der Tigermücke (St. Albopicta) in Deutschland: Bei einer Falleninspektion Ende September 2007 wurden fünf Eier der nicht einheimischen St. Albopicta auf dem Substrat für die Eiablage auf einem Parkplatz im Süden der Autobahn A5 gefunden. Nur zwei der Eier schlüpften, beide geschlüpften Larven entwickelten sich zu erwachsenen Tieren und wurden eindeutig als Tigermücke identifiziert.16

Die Freude über diesen publikationsträchtigen Fund war seitens der Wissenschaftler der LUBW schon damals vermischt mit Besorgnis. Die Forscher werteten den Fund des Tigermoskitos als klares Indiz für die Erwärmung und erklärten mir bereits damals, dass es vermutlich nur eine Frage der Zeit sei, bis mit diesem Insekt auch gefährliche tropische Krankheiten Deutschland erreichen würde. Mittlerweile wird insbesondere in Süddeutschland regelmäßig das Einschleppen (über Transportprozesse aus südlichen Ländern) und die lokale Vermehrung dieser asiatischen Tigermücke nachgewiesen, was vor den Auswirkungen des Klimawandels nicht nachweisbar war – die asiatische Tigermücke ist wärmeaffin und sie gilt als sehr aktiver Überträger für verschiedene humanpathogene Viren wie das Zika-Virus, Chikungunya-Virus und Dengue-Fiebervirus.

Eine weitere Tropenkrankheit, die uns mit steigenden Durchschnittstemperaturen bedroht, ist das so genannte West-Nil-Fieber, das zu Hirnhautentzündungen oder Virus-Enzephalitis führen kann und in Nord Amerika bereits seit 1999 grassiert. Dieses Virus verbreitet sich mit höheren Temperaturen weiter nach Norden. Auch die durch Sandmücken übertragene Leishmaniose (Kala-Azar), die unbehandelt eine hohe Sterberate aufweist, gehört zu den mit dem Klimawandel auch Europa erreichenden Infektionen (durch eine frühzeitige Diagnose und Therapie kann die Letalität auf ca. 5 Prozent reduziert werden) ebenso wie tropische Riesenzecken, die Fleckfieber übertragen. Die aus einigen südeuropäischen Regionen lange bekannten Fälle der Frühsommer-Meningitis FSME wandern mittlerweile deutlich nach Norden.

Nun kann man sagen, dass gegen viele dieser Krankheiten bereits Impfstoffe existieren und weiterhin neue Medikamente und Therapien entwickelt werden. Das ist sicher auch richtig. Dennoch war es immer eine der Voraussetzungen für die Entwicklung der europäischen Kultur und auch der wirtschaftlichen Stärke, dass es eben relativ wenige autochthone Krankheitserreger (also solche, die ursprünglich einheimisch sind) in Europa gibt, die sich rasant verbreiten und zu Epidemien führen – schon die Arbeitszeitausfälle durch neue und mehr Erkrankungen als Folge des Klimawandels werden die Sozialsysteme und die Unternehmen zusätzlich belasten.

Gegen zusätzliche Treibhausgasemissionen wird landläufig auch häufig mit dem Verzicht auf Fernreisen geworben. Warum in die Ferne reisen, wenn man auch in Deutschland und seinen Nachbarländern wunderbar Urlaub machen kann? Aber auch der Tourismus, für viele Regionen eine wesentliche Einnahmequelle, wird leiden. Im Sommer wird es in einigen Teilen Südeuropas so heiß und trocken sein, dass dort niemand freiwillig mehr sein möchte. Dass dies alles bereits Realität ist, die Unternehmen der Tourismuswirtschaft hohe Summen kostet und Menschen die Lebensqualität verdirbt, zeigte der Sommer 2024. National Geographic berichtete unter dem Titel »Südeuropa am Limit: In welchen Regionen Urlaub künftig schwieriger werden könnte« unter anderem: »Die italienischen Behörden haben Dürre-Warnungen für ganz Italien herausgegeben – am schlimmsten betroffen: Sizilien. 70 Prozent der Insel leiden unter extremer Trockenheit. Sizilien droht zur Wüste zu werden. Das Auswärtige Amt warnt Reisende vor dem »erheblichen Wassermangel«, der damit einhergeht. In einigen Ortschaften wird das Wasser streng rationiert«. Weiter berichtet das Magazin vom Befall der Badestrände der aufgeheizten Adria mit der giftigen Alge Ostreopsis Ovata: »Betroffene Strandbesucher berichteten über grippeähnliche Symptome wie Hautrötungen, Atemnot, Erkältungen, Fieber und Bindehautentzündung«.

Wassernotstand herrschte 2024 auch in den spanischen Regionen Katalonien und Andalusien und auch Griechenland war betroffen: »Die Rekordhitze, die laut einer Analyse der World Weather Attribution Initiative hauptsächlich durch den menschengemachten Klimawandel ausgelöst wird, ist allerdings nicht das einzige Problem des Landes. Seit Jahren kämpfen die Griechen mit den Folgen der andauernden Hitze, unter anderem mit Waldbränden. Mitte August tobte vor den Toren Athens der größte Waldbrand des Jahres 2024.«17

Erhöhte Temperaturen führen in unseren heimischen Gewässern zur Vermehrung von Blaualgen, die das Badewasser mit toxischen Stoffen belasten. Die Nord- und Ostsee kann durch die Vibrio-Bakterien immer häufiger belastet werden, was in der Saison 2024 bereits zu Todesfällen an der deutschen Küste geführt hat. »In Mecklenburg-Vorpommern sind zwei Menschen im Zusammenhang mit einer Vibrionen-Infektion gestorben. Einer von ihnen soll sich die Infektion beim Baden in der Ostsee zugezogen haben. (…) Vibrionen sind laut Robert-Koch-Institut (RKI) weltweit in Süß- und Salzgewässern zu finden. Auch in der Nord- und Ostsee sind die »Nicht-Cholera-Vibrionen« (Vibrio vulnificus) ein Bestandteil der normalen Bakterienflora und kommen vereinzelt in leicht salzhaltigen Binnengewässern vor. Besonders stark vermehren sich die Bakterien bei einem Salzgehalt von 0,5 bis 2,5 Prozent sowie ab einer Wassertemperatur von über 20 Grad Celsius.«, so der Bayerische Rundfunk in einem Beitrag im August 202418. Wenn man im Meer nicht mehr ungefährdet baden und schwimmen kann, leiden der Tourismus und die Lebensqualität.

Ich habe hier bewusst Quellen außerhalb der wissenschaftlichen Fachwelt zitiert, denn Reiseinteressierte informieren sich in allgemein zugänglichen Medien und wenn solche Meldungen in seriösen Nachrichtenkanälen verbreitet werden, leidet die Tourismusbranche erst Recht.

Wer einen vertieften Eindruck haben möchte, wie sehr sich Europa und insbesondere Deutschland mit der Erwärmung verändert, der verfolge die Informationen des NatCatSERVICE der Munich Re, eine der weltweit umfangreichsten Datenbanken zur Analyse und Bewertung von Schäden aus Naturkatastrophen und der lese das in diesem Abschnitt bereits zitierte Buch »Deutschland 2050« von Nick Reimer und Toralf Staud. Aber genau in diesem apokalyptisch wirkenden Werk wird ein Silberstreif zitiert: »Das Klimasystem der Erde ist träge, viele Elemente reagieren mit erheblicher Verzögerung. Erst nach Mitte des 21. Jahrhunderts laufen die Varianten der Zukunft deutlich auseinander. Entschließt sich also die Menschheit (und die Bundesregierung) doch noch zu strengem Klimaschutz, dann flacht die Erhitzungskurve ab Mitte des Jahrhunderts ab. Dann werden die Wetterverhältnisse des Jahres 2100 stark jenen von 2050 ähneln. Land und Leben sehen dann zwar deutlich anders aus als heute, aber man wird es noch wiedererkennen. Deutschland wäre zwar ein heißeres Land – aber das Klima würde sich langfristig auf diesem Niveau einpendeln. Bleiben jedoch schnelle und drastische Emissionssenkungen aus, beschleunigt sich der Klimawandel weiter…«19

Nicht alle Prognosen zu den Folgen des Klimawandels werden zwingend so eintreten, wie sie aktuell skizziert werden und insbesondere bezüglich der Kipppunkte gibt es keine klaren, wissenschaftlichen Belege, wann sie auftreten werden. Aber hier gilt für mich das Denkprinzip »nehmen wir einmal an, die Pessimisten hätten recht« – dann müssen wir alles tun, um den Klimawandel zu bremsen, denn eine Wahrheit ist übergreifend auf jeden Fall richtig: Eine aufgeheizte, wärmere Welt ist ungesünder, instabiler und unsicherer als die Welt, wie wir sie kennen. Alle ernstzunehmenden Studien besagen, dass der Klimawandel bei mehr als 2 Kelvin Temperaturanstieg zu schweren Verwerfungen führen wird. Unsicherheit und Instabilität sind schlechte Voraussetzungen für wirtschaftliches Handeln. Der Ausweg kann nur darin bestehen, den anthropogenen Treibhauseffekt schnellstmöglich zu stoppen. Unternehmen haben somit bereits aus rein wirtschaftlicher Sicht allen Grund, aktiv mitzuwirken, um ein weiteres Fortschreiten des Klimawandels zu verhindern.

Der Klimawandel ist bekanntermaßen nicht das einzige durch anthropogene Aktivitäten verursachte Umweltproblem: Die Endlichkeit der für unsere Lebensweise genutzten Ressourcen und das »Littering«, also die Vermüllung ganzer Umweltkompartimente an Land oder in den Meeren, sind weitere Folgen menschlicher Existenz auf unserem begrenzten Planeten. In diesem Kontext ist auch alarmierend, dass die Erde möglicherweise sieben der neun planetarischen Grenzen überschritten hat. Mit dem sogenannten Planetary Health Check des Potsdam Instituts für Klimaforschung (PIK), der eine holistische Bewertung der »Gesundheit des Planeten« als Verbesserung des Informationsniveaus für globale Entscheidungsträger darstellen soll, wurde dies im September 2024 publiziert:20

Zu den neun planetarischen Grenzen gehören neben dem Klimawandel der Biodiversitätsverlust, die Befrachtung der Biosphäre mit Schadstoffen, der Abbau der Ozonschicht, die Aerosolbelastung der Atmosphäre, Versauerung der Ozeane, negative Modifizierung biogeochemischer Kreisläufe, Veränderung in Süßwassersystemen und »LULUC« – die Veränderung der Landnutzung.

Bei sechs dieser Systeme wurden nach Bewertung des PIK bereits kritische Werte überschritten, ab denen sie nicht mehr kontinuierlich funktionieren können. Der Klimawandel, die weltweite Einführung neuer »Entitäten« (wie synthetische Chemikalien, Kunststoffe und gentechnisch veränderte Organismen, wobei ein erheblicher Teil dieser Stoffe noch nicht auf seine Umweltauswirkungen untersucht wurde), der weltweite Verlust der genetischen Vielfalt und der Verlust der funktionalen Integrität der Biosphäre sowie die Veränderung der biogeochemischen Flüsse (die exzessive Verwendung von Phosphor und Stickstoff in der Landwirtschaft hat zu erheblichen ökologischen Veränderungen geführt) werden als »in Hochrisikozonen befindlich« eingestuft. Überschreitungen in etwas geringerem Maß wurden bei der Veränderung des Landsystems und des Süßwassers registriert. Alle Werte haben sich den Daten zufolge verschlechtert. Auch die zuvor beobachtete Erholung der stratosphärischen Ozonkonzentration hat ein Plateau erreicht, mit gemischten Trends und anhaltenden Herausforderungen bei der Bekämpfung des antarktischen Ozonlochs.

Auch diese Umweltfolgen würden deutlich reduziert, wenn Unternehmen klimaneutral agieren oder sich zumindest auf den Weg zur Klimaneutralität begeben, da mit der Reduzierung der Klimabeiträge auch die Emissionen anderer Schadstoffe verringert werden, Stoffkreisläufe geschlossen werden müssen und mehr Recycling stattfinden wird.

Meine persönliche Interpretation der Studien, der wissenschaftlichen Berichte und aller Prognosen geht in die gleiche Richtung: Jedes Zehntel Kelvin Temperaturerhöhung macht die Welt für die dann lebenden Menschen schwieriger, unwirtlicher und gefährlicher. Aufgeben ist daher keine Option. Wir – und mit »Wir« meine ich die gesamte Gesellschaft – müssen alle Optionen ausschöpfen, die uns helfen, eine komfortable, friedliche und arbeitsteilige Gesellschaft zu erhalten und gleichzeitig den Klimawandel so gut es geht zu begrenzen.

5 Friederike Otto (2019), S. 198

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