Erste Hilfe für Demokratie-Retter - Jürgen Wiebicke - E-Book

Erste Hilfe für Demokratie-Retter E-Book

Jürgen Wiebicke

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Beschreibung

Unsere liberale Demokratie ist in Gefahr. Rechtsradikale Abgeordnete und Sympathisanten haben keine Hemmungen mehr, völlig unverhohlen ihre Gesinnung zu zeigen, und sie treiben die demokratischen Kräfte vor sich her. Wie können wir unsere Demokratie und die offene Gesellschaft verteidigen gegen die immer radikaler und dreister werdenden Verächter – auch jenseits der Wahlkabine und der Großdemonstrationen? Wie andere ermutigen, mitzumachen? Der Journalist Jürgen Wiebicke gibt uns griffige Regeln an die Hand, mit deren Hilfe jeder von uns jederzeit anfangen kann. Vor der eigenen Haustür. Im Alltag. Denn, und daran müssen wir uns immer wieder erinnern: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, wir müssen sie immer wieder aufs Neue verteidigen. 

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Seitenzahl: 98

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Jürgen Wiebicke

Erste Hilfe für Demokratie-Retter

Kurzübersicht

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Titelseite

Über Jürgen Wiebicke

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

Impressum

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Über Jürgen Wiebicke

Jürgen Wiebicke lebt als freier Journalist in Köln. Seit 17 Jahren moderiert er wöchentlich »Das philosophische Radio« auf WDR5. Sein Buch »Dürfen wir so bleiben, wie wir sind? Gegen die Perfektionierung des Menschen – eine philosophische Intervention« erschien 2013. 2016 »Zu Fuß durch ein nervöses Land – auf der Suche nach dem, was uns zusammenhält«, 2017 »Zehn Regeln für Demokratie-Retter«, 2021 »Sieben Heringe. Meine Mutter, das Schweigen der Kriegskinder und das Sprechen vor dem Sterben« und 2023 »Emotionale Gleichgewichtsstörung. Kleine Philosophie für verrückte Zeiten«. Er gehört zu den Programm-Machern der phil.Cologne, des Internationalen Festivals der Philosophie.

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Über dieses Buch

Unsere liberale Demokratie ist in Gefahr. Rechtsradikale Abgeordnete und Sympathisanten haben keine Hemmungen mehr, völlig unverhohlen ihre Gesinnung zu zeigen, und sie treiben die demokratischen Kräfte vor sich her.

Wie können wir unsere Demokratie und die offene Gesellschaft verteidigen gegen die immer radikaler und dreister werdenden Verächter – auch jenseits der Wahlkabine und der Großdemonstrationen? Wie andere ermutigen, mitzumachen?

Der Journalist Jürgen Wiebicke gibt uns griffige Regeln an die Hand, mit deren Hilfe jeder von uns jederzeit anfangen kann. Vor der eigenen Haustür. Im Alltag. Denn, und daran müssen wir uns immer wieder erinnern: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, wir müssen sie immer wieder aufs Neue verteidigen. 

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Impressum

Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KGBahnhofsvorplatz 150667 Köln

© 2024, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: Jana Meyer-Roberts

 

ISBN978-3-462-31324-6

 

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Inhaltsverzeichnis

Widmung

Motto

Was auf dem Spiel steht

Wenige bewirken viel

Die Welt zum Dorf machen

Politikverachtung gehört geächtet

Die Grenzen der Freiheit sind weit

Über den Unterschied zwischen Gegnern und Feinden

Die Macht der Zivilgesellschaft

Utopien haben Zeit bis morgen

Literaturhinweise

Den Aktiven in Wombach, Nordhausen, im HöVi-Land und an vielen ungenannten »guten Orten« gewidmet, die anderen ein Beispiel dafür geben, dass Demokratie eine Lebensform der Freude und Fülle sein kann.

»Kommunikation kann schiefgehen.

Nicht-Kommunikation wird schiefgehen.«

Frank Richter

Was auf dem Spiel steht

Woran drohen freiheitliche Gesellschaften zu scheitern? Ungeschminkt formuliert: an Faulheit und Feigheit. Beides ist momentan im Übermaß vorhanden, sodass ein für lange Zeit undenkbar gehaltenes Scheitern tatsächlich und unübersehbar als Zeichen an der Wand steht. Aber ein Zeichen ist zum Glück noch lange keine Realität. Es fordert vielmehr zum Hinsehen und Handeln auf, erst recht in dem Jahr, in dem vielerorts feierliche Reden anlässlich des 300. Geburtstags des Aufklärers Immanuel Kant gehalten werden, der bereits im Jahr 1784 die Neigung zu Faulheit und Feigheit als Quellen benannte, warum Menschen sich mitunter gern für die bequeme und selbst verschuldete Unmündigkeit entscheiden. Sie sehnen das Autoritäre herbei, das doch längst überwunden schien. Sie wünschen sich die starke Schulter zum Anlehnen. Sie lassen andere für sich denken und geben den eigenen Verstand an der Garderobe ab. Sie träumen sich zurück in eine Welt von gestern, die so, wie sie sich im Traum darstellt, nie existiert hat. Sie wechseln vom totalen Misstrauen in die Institutionen der Gesellschaft plötzlich in die Leichtgläubigkeit und laufen schlimmstenfalls den Rattenfängern hinterher. Das ist der Charme der einfachen Lösung, die populistische Versuchung: Mit einem Mal wird das eigene Leben wieder übersichtlicher. Genau genommen ist das AfD-Wählen eine Form des Selbstbetrugs.

Ein Scheitern der Demokratie droht zudem ausgerechnet in dem Jahr, in dem es den 75. Geburtstag eines unverhofften Geschenks zu feiern galt, mit dem sich die Gesellschaft der Bundesrepublik im Jahr 1949 selbst beschert hat: das Grundgesetz. Seitdem mit seiner Hilfe die Spielregeln für eine offene Gesellschaft fixiert wurden, hat die westdeutsche Gesellschaft mit übergroßer Mehrheit in der Erwartung gelebt, dass nun das Haus der Demokratie fertig gebaut sei und auch ewig halten werde, allenfalls ab und zu in Form von Regierungswechseln innen neu tapeziert werden muss. Als ob das gute Ende der Geschichte bereits erreicht sei und die Schrecken der Vergangenheit endgültig Historie wären. Und nun sind die Gespenster wieder da und wirken so bedrohlich wie lange nicht. Die ostdeutsche Gesellschaft wiederum dürfte zu DDR-Zeiten lange Zeit mehrheitlich davon geträumt haben, eines Tages ebenfalls ein Leben mit solchen Freiheitsrechten führen zu können, und nun liegt es zu einem guten Teil in ihrer Hand, mit einer Richtungsentscheidung ein Zeichen dafür zu setzen, wohin sich das Land politisch entwickeln wird. Wann gab es je so viel Nervosität vor anstehenden Wahlen, so viel Instabilität mit Blick auf Parteienbindungen? So viel Unwille auch, über Parteigrenzen hinweg nach guten Konsensen zu suchen? Möglichst viel für unverhandelbar zu erklären, am liebsten mit niemandem mehr koalieren zu müssen, wer diese Sehnsucht artikuliert, ist selbst Teil des Problems. Denn es reicht nicht, wenn Parteien, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, zusammengerechnet weiterhin eine Mehrheit haben. Sie müssen mit dieser Mehrheit auch etwas anfangen wollen. Was nun aber droht, sind Mehrheitsverhältnisse, die von den politischen Akteuren und auch vom Wahlvolk nur noch als Zwangsgemeinschaften empfunden werden, die lediglich verwalten, aber nicht mehr gestalten, geschweige denn inspirieren können. Das aber würde die Krise der Demokratie noch einmal drastisch verschärfen. Jedenfalls lässt sich nicht länger ignorieren, dass dieses gemeinsame Haus gewaltig wackelt. So wie alle Häuser in den westlichen Demokratien gerade wackeln. Warum diese Gleichzeitigkeit? Sind es Ermüdungsbrüche, die zum Einsturz führen können? Ist das Modell Demokratie, zu dem sehr oft das mühsame, zeitraubende Aushandeln gehört und die Fähigkeit zum Kompromiss, einfach zu anstrengend und überfordernd, sodass es attraktiv erscheint, sich wieder wie ein Kind in die Scheinsicherheit einer starken Hand zu begeben? Die Trumps dieser Welt führen ihre wählenden Schäfchen aus der Verunsicherung in die große Regression. Ihr Versprechen besteht darin, dass es ein Zurück in die kindliche Trotzphase geben kann, in der sich alles um das eigene Ich dreht, in der man sich besonders stark selbst spürt, wenn man auf den Boden stampft und sich die Ohren zuhält, wenn man auf andere wütend ist und nur die eigenen Bedürfnisse zählen. Wirklich erstaunlich, wer alles ein Recht auf Wut für sich reklamiert und mit gleichgesinnten Zornigen loszieht, damit alle anderen davon erfahren. Auf diese Weise schafft man sich selbst eine infantile Welt, die so gestaltet ist, dass sie immer den eigenen Bedürfnissen entspricht.

Was droht, wenn die großen Vereinfacher obsiegen, wäre nicht weniger als eine Menschheits-Blamage, denn seit zweieinhalbtausend Jahren ringen die klügsten Köpfe darum, wie eine Gesellschaft der Freien mit gleichen Rechten für alle aussehen müsste, haben sich soziale Bewegungen in die Kämpfe ihrer Zeit geworfen: für eine künftige Gesellschaft, die den Einzelnen eben nicht wie ein unmündiges Kind betrachtet oder wie einen Sklaven, den man willkürlich hin und her schieben kann, oder, in unsere Gegenwart gewendet, nicht durch die Verbreitung von Fake News und Hassbotschaften nach Belieben manipulieren kann, indem man ihm den Kopf verdreht. Die Demokratie-Idee lebt von der Vorstellung, dass selbstbewusste und übrigens auch gut informierte Subjekte, die sich nicht von anderen vorschreiben lassen wollen, was ein gutes Leben ist, eine Gesellschaftsform finden, in der man sehr verschieden sein darf und trotzdem mit anderen in Frieden leben kann. Idealerweise finden diese vielen Verschiedenen nicht nur einen Weg, wie sie ihren Dissens organisieren, ohne dass es zu Gewalt kommt (was schon viel wäre), sondern entdecken auch einen gemeinsamen Sinn fürs Wir, machen sich also Gedanken darüber, was eine Gesellschaft zusammenhält, wie sie ihre freiheitliche Lebensweise auch über Krisen hinweg für die Zukunft sichert. Wie sie vermeidet, dass scharfe Ungleichheit mit rasch wachsenden Vermögen beim oberen Zehntel, so wie derzeit, das Empfinden für Gerechtigkeit und Fairness verletzt. Denn Verschiedenheit allein, heute gern Diversity genannt, wird nicht reichen. Etwas Verbindendes muss hinzukommen. Eine geteilte Leidenschaft für eine Lebensform, die schön ist und dem Menschen gemäß, weil ihre Wurzel die Freiheit ist und nicht der Zwang, weil sie unserem natürlichen Streben nach Entwicklung und Vervollkommnung am besten entspricht. Menschen führen ein Leben unterhalb ihrer Möglichkeiten, ein Leben in Unreife, wenn sie sich lieber führen lassen. Ein solches Leben wäre ebenfalls eine Blamage. Wer die Freiheit will und die Vielfalt schätzt, beginnt sich Sorgen zu machen, wenn eine Gesellschaft auseinanderdriftet, ihre Mitte zerbröselt, in Arm und Reich oder in politisch-kulturelle Lager zerfällt, die entfernt voneinander wohnen, ihren jeweiligen Lebensstil womöglich wechselseitig verachten, sich nichts mehr zu sagen haben und im Alltag kaum noch begegnen. Ein Prozess, der in den USA weit vorangeschritten ist und das Phänomen Trump erst hervorgebracht hat, der sich inzwischen aber auch bei uns überdeutlich abzeichnet. Man scheint sich vielerorts nur noch wohlzufühlen unter seinesgleichen, in der wärmenden Gemeinschaft der eigenen Blase. Damit ist hier kein digitaler Medienkonsum gemeint, sondern eine alltägliche Erfahrung, mit wem man es überhaupt noch im direkten Kontakt zu tun hat. Besonders, wer AfD oder Grüne wählt, weist laut der jüngsten Zusammenhaltsstudie der Uni Leipzig häufig eine starke Neigung auf, sich in sozial homogenen Bekanntenkreisen zu bewegen und über nur wenige Kontaktpunkte in andere soziale Welten hinein zu verfügen. Was in der Forschung etwas spröde »Netzwerksegregation« genannt wird, bedeutet im Alltag politische und kulturelle Abschottung und führt im Ergebnis zu einer »affektiven Polarisierung«. Man denkt, fühlt und handelt anders, so der Forschungsbericht, als Menschen, die in gemischten Netzwerken unterwegs sind, und entwickelt daher Verständnisbarrieren für Menschen, die ganz anders leben und denken. Zugespitzt formuliert betrachten sich viele AfD- und Grüne-Wähler wechselseitig wie Menschen von unterschiedlichen Planeten. Nie vorher gesehen, nie miteinander gesprochen.

 

Wir stehen heute auf den Schultern von Riesen. Viele Generationen haben harte Kämpfe geführt und persönliche Opfer gebracht, um die Demokratie nicht nur als Regierungs-, sondern zuallererst als Lebensform gegen bestehende Herrschaftsinteressen durchzusetzen. Die Menschheits-Blamage bestünde folglich darin, durch ein Übermaß an Faulheit und Feigheit dieses unverdiente [15]Erbe aufs Spiel zu setzen. Unverdient deshalb, weil wir Nachgeborenen heute diese Lebensform der Demokratie immer nur als gegebene Selbstverständlichkeit erlebt haben, für die wir uns nicht anstrengen mussten. Sie ist uns in den Schoß gefallen, jedenfalls im Westen der Republik. Wir waren bislang Glückskinder, die in den historischen Ausnahmezustand einer langen Periode von Frieden, Wohlstand und sozialer Sicherheit hineingeboren wurden und durch Gewöhnung etwas für selbstverständlich gehalten haben, was es gar nicht ist. Denn jede Demokratie benötigt zu jeder Zeit eine kritische Masse von aktiven Demokraten, die im Maschinenraum die Arbeit übernehmen, sonst zerstört sie sich selbst. Sie ist wie ein Fahrrad, das immer weiter getreten werden muss, sonst kippt es um. Nur wenn es an genügend Freunden fehlt, haben die Feinde der Demokratie leichtes Spiel. Damit dürfte klar sein, wer in der Vorhand ist, auch jetzt noch, obwohl es längst die pessimistische Versuchung gibt, die uns einflüstern will, dass das Verhängnis unweigerlich seinen Lauf nehmen werde, weil die Kraft der Zerstörung schon so mächtig geworden sei. Eine Versuchung in Gestalt dieses dunklen und zugleich von Angstlust getriebenen Babylon-Berlin-Gefühls, das momentan so verbreitet ist und von der irrigen Vorstellung lebt, Geschichte würde sich immerzu wiederholen, jedenfalls in ihrer bösen Variante. Nein, der Ausgang ist völlig offen, und zu den großartigsten Eigenschaften dieses Hauses der Demokratie gehört seine grundsätzliche