Erzählst du mir noch was? - Silke Rose West - E-Book

Erzählst du mir noch was? E-Book

Silke Rose West

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Beschreibung

Durch Fantasie Nähe schaffen

Für Kinder sind Geschichten kleine Liebesbeweise! Sie sind ein Zeichen für ungeteilte Aufmerksamkeit und Zuwendung – kein Wunder, dass unser Nachwuchs uns so oft um eine Geschichte bittet. Erzählen verbindet uns miteinander, beflügelt unser Mitgefühl, macht uns kreativer und schenkt uns einzigartige Auszeiten in unserer schnelllebigen Welt.

Dieses warmherzige Buch weckt in Eltern die Freude am Fabulieren und bietet viele leicht umsetzbare Ideen für unvergessliche und einzigartige Erzählmomente mit ihrem Kind. Eine großartige Inspiration für alle, die den Erzähler in sich kennenlernen möchten, um ihren Kindern nah zu sein!

Fördert die Sprachentwicklung, Fantasie und Bindung

Der Publikumserfolg aus den USA, in Dutzende Sprachen übersetzt

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Seitenzahl: 172

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Durch Fantasie Nähe schaffen

Für Kinder sind Geschichten kleine Liebesbeweise! Sie sind ein Zeichen für ungeteilte Aufmerksamkeit und Zuwendung – kein Wunder, dass unser Nachwuchs uns so oft um eine Geschichte bittet. Erzählen verbindet uns miteinander, beflügelt unser Mitgefühl, macht uns kreativer und schenkt uns einzigartige Auszeiten in unserer schnelllebigen Welt.

Dieses warmherzige Buch weckt in Eltern die Freude am Fabulieren und bietet viele leicht umsetzbare Ideen für unvergessliche und einzigartige Erzählmomente mit ihrem Kind. Eine großartige Inspiration für alle, die den Erzähler in sich kennenlernen möchten, um ihren Kindern nah zu sein!

Der Publikumserfolg aus den USA, in Dutzende Sprachen übersetzt

SILKE ROSE WEST & JOSEPH SAROSY

ERZÄHLST DU MIR NOCH WAS?

Wie man spielerisch die schönsten Geschichten für Kinder erfindet

Aus dem Amerikanischen von Susanne Schmidt-WussowMit Illustrationen von Rebecca Green

Copyright © 2019, 2021 by Joseph Sarosy and Silke Rose West Illustrations copyright © 2021 by Rebecca GreenPublished by special arrangement with HarperCollins Publishers LLC.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.Das nachfolgende Zitat stammt aus »On the Origin of Stories« von Brian Boyd, Cambridge, MA: Belknap Press, 2009.

Copyright © 2022 Kösel-Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Dr. Daniela Gasteiger

Umschlag: Weiss Werkstatt, München

Umschlagmotiv und Innenteilillustrationen: Rebecca Green

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-28322-3V001

www.koesel.de

Für die Erdenkinder

»Unreal beliefs in unseen forces … are much more likely to motivate action than are modestly real beliefs.«

Brian Boyd, On the Origin of Stories

Inhalt

Einleitung

1. Die Geschichtenschleife

Der Metallrohrwichtel

2. Bleiben Sie authentisch!

Ein Dorf in Deutschland

3. Mit einfachen Geschichten anfangen – schon bei den Kleinen

Der kleine Bär und sein erster Spaziergang

4. Finden Sie Ihren Rhythmus

Die Schildkröte, die ihren Panzer nicht tragen wollte

5. Praktische Grundlagen

Eichhörnchen Bösefuß

6. Beruhigende Geschichten

Ramona und Peter

7. Lehrreiche Geschichten

Der Urangi Riteter

8. Geschichten für die ganze Familie

Eine Weihnachtsgeschichte

9. Das Ende

Schmetterlinge

Nachwort

Danksagungen

Über die Autorin und den Autor

Quellenangaben

Einleitung

Kinder wecken unser Talent, Geschichten zu erzählen. Schon vor der Geburt eines Babys sprechen wir mit diesem rätselhaften Wesen, das wir gern endlich sehen und berühren würden. Behutsam machen wir es mit der Welt bekannt, baden es in einem sanften Strom aus Worten und verankern dabei die ersten Wurzeln der Sprache. Unsere Stimme gibt dem Baby Orientierung und vermittelt ihm, dass es in Sicherheit ist: Für ein Kind sind genau das seine ersten Geschichten. Schon nach kurzer Zeit erobert es jeden Winkel im Haus. Die Erklärungen, mit denen Sie es dann begleiten, sind jeweils winzige Geschichten für sich. Sie lassen Altes und Gewohntes in neuem Licht erstrahlen.

Irgendwann verstehen wir: Fragt ein Kind uns nach einer Geschichte, bittet es nicht um eine Erzählung, sondern um unsere Aufmerksamkeit. Das ist kein bescheidener Wunsch. Vertraut uns ein Kind, ist das ein wertvolles Geschenk. Wenn wir die Bedeutung hinter seiner Bitte erkennen, geht uns das Herz weit auf: Es möchte eine Verbindung aufbauen … zu mir! Dann begreifen wir, dass dieser Augenblick voller Möglichkeiten steckt. Die Geschichten, die dann entstehen, können so einfach und doch so persönlich und tiefgründig sein, dass sie ein Leben lang in Erinnerung bleiben.

Manchmal sind wir aber auch einfach erschöpft. Wir haben einen langen Arbeitstag hinter uns und ein anstrengendes Gespräch mit unserem Partner. Zu Mittag gab es nur einen Müsliriegel und Kaffee. Dann fühlt sich die Vorstellung, uns eine Geschichte auszudenken, nicht gerade nach Vergnügen an, sondern vielmehr nach Arbeit und einem weiteren Anzapfen unseres begrenzten Vorrats an Energie und Kreativität. Schnell fühlen wir uns überfordert und eingeschüchtert, wenn es ums Geschichtenerzählen geht. Nicht nur, dass wir manchmal einfach müde sind – um uns herum tummeln sich außerdem die Giganten der Branche wie Disney, Marvel und J. K. Rowling. Wie können wir damit konkurrieren? Und sollten wir das überhaupt? Vielleicht ist es doch einfacher, alles den Profis zu überlassen!

Dieser Gedanke wäre vielleicht nachvollziehbar, wenn es beim Geschichtenerzählen nur um die Geschichte selbst ginge. Die Forschung zeigt aber (wie Sie ganz sicher bald selbst erkennen werden), dass die ganze Sache vielmehr mit der Beziehung zwischen Erzähler und Publikum zu tun hat, also der zwischen Ihnen und Ihrem Kind. Geht man aus dieser Perspektive an das Thema heran, wird das Geschichtenerzählen leichter, macht mehr Spaß und entwickelt sich zu einem subtilen Ausdruck der Liebe und Nähe zwischen Ihnen und Ihrem Kind.

Erinnern Sie sich noch an früher, wie Ihre Mutter oder Ihr Vater Ihnen eine Geschichte erzählt hat, oder vielleicht ein lieber Opa oder eine Lehrerin? Wenn es Ihnen dabei geht wie den meisten Menschen, werden Sie sich diese Momente mit unverhüllter Zärtlichkeit ins Gedächtnis zurückrufen können. Wahrscheinlich erinnern Sie sich auch noch an Einzelheiten aus der Geschichte, etwa die Hauptfiguren. Aber noch wahrscheinlicher erinnern Sie sich daran, wie sich dieser Moment angefühlt hat. Sie haben sich umsorgt gefühlt. Sie haben gefühlt, dass Sie die Aufmerksamkeit dieses einen liebevollen Erwachsenen hatten und verdienten.

Darum geht es in diesem Buch – nicht darum, Blockbuster-Hits zu erzählen, deren Filmrechte Sie lukrativ verkaufen können. Es geht darum, Geschichten zu erzählen, und zwar einfache Geschichten, die die Beziehung zu Ihrem Kind nähren und an die Sie sich beide für den Rest Ihres Lebens erinnern werden. Um dahin zu kommen, beschäftigen wir uns ganz kurz mit der Wissenschaft des Geschichtenerzählens und dann mit einer einfachen Methode, mit der wir seit dreißig Jahren erfolgreich arbeiten. Sie wird schon viel länger angewendet (seit etwa 60.000 Jahren), aber wir haben sie hier in eine leicht verständliche Beschreibung gekleidet. Übungen und Beispielgeschichten helfen Ihnen dabei, diese Methode zum Leben zu erwecken, und wir sind sicher, dass Sie nach der Lektüre dieses Buchs mehr Selbstvertrauen haben. Warum? Weil Sie schon längst Geschichten erzählen können. Nur wissen Sie das vielleicht noch nicht!

Wer Kindern schon einmal Geschichten erzählt hat, weiß um eine einfache Tatsache: Am Ende gehen die Beteiligten nicht einfach mit einer guten Erzählung im Kopf auseinander – sie fühlen sich einander näher. In der Psychologie spricht man von Bindung. Bindungsorientierte Erziehung (»Attachment Parenting«) ist unter Eltern gerade sehr angesagt. Aber Bindung ist eine merkwürdige und manchmal launische Sache. Psychology Today berichtet, dass 40 Prozent der Kinder in den USA keine gesunde Bindung zu ihren Eltern aufweisen und deshalb wahrscheinlich Schwierigkeiten haben werden, als Erwachsene selbst gesunde Beziehungen einzugehen.1

Der Kern der Bindungstheorie besagt, dass eine gesunde Bindung zu einer oder mehreren Elternfiguren in den ersten Lebensjahren dem Kind dabei hilft, später im Leben selbst positive Beziehungen einzugehen. Da Beziehungen für soziale Wesen wie uns Menschen von entscheidender Bedeutung sind, legt das den Grund für alle möglichen wünschenswerten Entwicklungen wie akademischen und beruflichen Erfolg, psychische Gesundheit und ein gutes Selbstwertgefühl.

Menschen dagegen, denen in der Kindheit eine echte Bindung fehlte, gehen als Erwachsene eher ungute Beziehungen ein. Sie haben Schwierigkeiten in Schule und Beruf, außerdem weisen sie eine Reihe von Verhaltensstörungen auf, von Angsterkrankungen über Aggression bis hin zu Vermeidungsverhalten.

Wichtig ist, Bindung nicht mit Liebe gleichzusetzen. Dass Eltern ihre Kinder lieben und dennoch keine gute Bindung zu ihnen aufbauen, ist gar nicht ungewöhnlich, ja sogar recht häufig. Das ist zu einem großen Teil unserem modernen Leben geschuldet. Bildschirmzeit und volle Terminkalender sind für Eltern wie Kinder immer häufiger ein Thema. Das verstehen wir. Auch wir sind im Stress. Deshalb wollen wir Eltern helfen, von Angesicht zu Angesicht eine Verbindung zu ihrem Kind aufzubauen.

Geschichten zu erzählen ist eine uralte, bewährte Methode, um genau das zu tun. Die moderne Wissenschaft liefert uns einige interessante Erkenntnisse, warum das so gut funktioniert. Was aber vor allem sofort ins Auge fällt: Geschichtenerzählen kostet nichts. Dieser absolut natürliche Vorgang lässt sich mit allen religiösen, gesellschaftlichen und kulturellen Werten, die in Familien vorkommen, vereinbaren. Eigentlich muss Ihnen nicht einmal jemand sagen, wie es geht – genauso wenig, wie man Ihnen das Laufen erklären müsste. Sie tun es einfach. So tief ist das Geschichtenerzählen im Menschsein verwurzelt.

Die Anthropologie beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Geschichtenerzählen. Sie fand heraus, dass die besten Erzählerinnen und Erzähler sich in der Gesellschaft häufig in herausragenden Positionen befanden.2 In der heutigen Welt ist das oft ganz ähnlich. Moderne Geschichten sind ein großes Geschäft und werden häufig durch Filme, Bücher, Musik und Videospiele erzählt. Die Menschen, die sie vor der Kamera und am Schreibtisch erschaffen, gehören zu unseren größten Heldenfiguren und Berühmtheiten.

Nach wie vor hat das Geschichtenerzählen in der Familie einen besonderen Platz. Es schafft nicht nur Bindungen, es ist vielmehr so etwas wie ein Schweizer Taschenmesser für Eltern – ein Multifunktionswerkzeug, das Kinder neue Fertigkeiten lehrt, Empathie aufbaut, belastende Emotionen besänftigt und herausfordernden Lebenssituationen Sinn verleiht. Und wie Sie sehen werden, macht es einen großen Unterschied, ob man eine fremde Geschichte erzählt oder eine eigene.

Sie können sich das ungefähr so vorstellen wie den Unterschied zwischen einer Fertigsauce und einer selbst gekochten Tomatensauce. Eine geübte Geschichtenerzählerin schöpft aus den Ereignissen und Dingen in der unmittelbaren Umgebung des Kindes, ganz so, wie man für eine Sauce Tomaten und Kräuter aus dem eigenen Garten pflücken würde, und macht daraus Geschichten, die nicht nur unterhaltsam (und köstlich), sondern genau auf dieses Kind an diesem Ort zugeschnitten sind.

In diesem Buch behandeln wir die wichtigsten Zutaten für das intuitive Erzählen, damit Sie Ihre eigenen Geschichten direkt aus dem jeweiligen Kontext improvisieren können, in dem Sie und Ihre Kinder leben. Wir haben als Eltern und Lehrende Hunderte, vielleicht Tausende Geschichtenstunden auf dem Buckel. Dennoch hat dieses Buch nichts damit zu tun, wie man unsere Geschichten erzählt oder die von jemand anderem. Es geht nur darum, wie Sie Ihre eigenen erzählen.

Denn im Kern dreht sich beim Geschichtenerzählen alles um Beziehungen. Wir haben gesehen, wie das Erzählen einem Kind den Tag versüßt hat, es wertvolle Lektionen für das Leben lehrte, dazu beitrug, sein Vertrauen zu gewinnen, und sogar Familien dabei half, mit dem Tod eines geliebten Menschen umzugehen. Wären wir der Meinung, dass es die Geschichten selbst waren, die diese Augenblicke trugen, würden wir sie hier abdrucken. Wir glauben aber, dass diese Geschichten, wie alle guten Geschichten, im liebevollen Raum zwischen Erzählerin und Zuhörer wurzelten. Sie kamen still, fast heimlich, zu denen, die gewillt waren zuzuhören. Das macht aus Ihnen den besten Erzähler, die beste Erzählerin für Ihr Kind.

Silke ist Waldorflehrerin und unterrichtet seit über dreißig Jahren in der Vorschule. 1995 gründete sie zusammen mit Gleichgesinnten im US-Bundesstaat New Mexico die Taos Waldorf School. Heute leitet sie einen unabhängigen Waldkindergarten namens Taos Earth Children. In Taos ist sie berühmt für ihr Puppenspiel und ihre Geschichten, außerdem berät sie landesweit Lehrende und Schulen. Joe arbeitete zwei Jahre lang mit Silke bei Taos Earth Children zusammen und gründete 2018 eine unabhängige Grundschule mit erster und zweiter Klasse, die eng mit Silkes Vorschule kooperiert. Joe schreibt außerdem freiberuflich für die Zeitschrift Fatherly und ist der Schöpfer der #GreatDad-Kampagne, die tolle Väter überall in den USA sichtbar machen will.

Für uns beide ist das Geschichtenerzählen ein wesentlicher Bestandteil unseres Tages. Durch Geschichten vermitteln wir Lerninhalte. Beim Erzählen haben wir Spaß. Einen großen Teil unserer Schultage verbringen wir draußen und lernen in den Wäldern und Schluchten im Norden von New Mexico, und unsere Geschichten handeln oft von den Tieren und Pflanzen, die wir hier finden, einem bevorstehenden Feiertag oder einem Bastelprojekt, das wir gerade mit den Kindern fertiggestellt haben. Unsere Figuren geraten gern in Situationen, die die Kinder zuvor selbst erlebt haben. Dazu gehören auch zähe Themen aus dem Schulalltag sowie Verhaltensprobleme, die gelegentlich auftreten. Am Ende einer Geschichte platzen die Kinder nicht selten mit Sätzen wie »Das war die beste Geschichte aller Zeiten!« heraus.

Was Sie in Händen halten, ist keine Geschichtensammlung. Sondern eine Anleitung, wie Sie Ihre eigenen Geschichten erfinden können.

Es stimmt zwar, dass wir gut Geschichten erzählen können. Viel wichtiger aber sind unsere emotionale Verbindung zu den Kindern und das gemeinsame Erlebnis mit ihnen sowie die Tatsache, dass unsere Geschichten aus Ereignissen und Dingen entstehen, die sie wiedererkennen. Gehen wir das Geschichtenerzählen aus dieser Perspektive an, lautet das Ziel nicht, sich die spannendste Geschichte aller Zeiten auszudenken. Vielmehr geht es um einfache Alltagsgeschichten, mit denen die Kinder etwas anfangen können und die helfen, Nähe und Vertrauen zwischen Elternteil (oder Lehrkraft) und Kind zu schaffen.

Es gibt Hunderte Bücher mit Geschichten darin. Manche enthalten auch Anweisungen und Hintergrundinformationen dazu, wie man Geschichten erzählt. Einige dieser Bücher sind hervorragend, aber ihr Schwerpunkt liegt durchgehend darauf, Geschichten zu lernen oder nachzuerzählen, die jemand anders erfunden hat. Wir verfolgen mit diesem Buch eine andere Absicht. Was Sie in Händen halten, ist keine Geschichtensammlung. Sondern eine Anleitung, wie Sie Ihre eigenen Geschichten erfinden können.

Die Technik ist einfach, und wir wenden sie täglich mit viel Abwechslung flexibel an. Ein großer Teil unserer Methode geht auf fachliche Empfehlungen und wissenschaftliche Forschung zurück. Sie brauchen jedoch nur eine einzige Spezialfertigkeit, nämlich den emotionalen Kontakt zu Ihrem Kind – und darin sind Sie besser als jeder andere Mensch.

Die Geschichtenerzählerin Marie Shedlock schreibt in der Einleitung zu ihrem Klassiker The Art of the Storyteller: »Es wäre zu hoffen, dass eines Tages in der Schule Geschichten nur noch von Fachleuten erzählt werden, die der Kunst des Erzählens besondere Zeit und Vorbereitung gewidmet haben.« Shedlock meint es gut, doch das ist genau das Gegenteil unserer Botschaft. Jeder kann gute Geschichten erzählen! Kein Experte kann die Vertrautheit einer Geschichte ersetzen, die aus der direkten Umgebung des Kindes heraus von einem aufmerksamen und liebevollen Elternteil oder einer Betreuungsperson geschaffen wurde. Warum? Weil es beim Geschichtenerzählen um Beziehung geht und nicht um die Geschichte.

Die intuitive Methode, die wir in diesem Buch beschreiben, fußt auf einer simplen Architektur, welche die physischen Gegenstände und Aktivitäten in der unmittelbaren Umgebung Ihres Kindes zum Ausgangspunkt nimmt. Das kann kompliziert sein, wenn etwa ein Konflikt unter Kindern in einen Streit zwischen Eichhörnchen umformuliert werden muss. Oft ist es aber ganz einfach, wenn wir zum Beispiel beim Anblick der nackten Füße eines Kindes erzählen, was passiert ist, als seine Schnürsenkel einen Ausflug zum Bach gemacht haben. Solche Geschichten bringen die Kinder zum Kichern und Nachdenken. Sie fühlen sich als Teil der Geschichte, weil sie die Figuren und Ereignisse aus ihrem wirklichen Leben wiedererkennen. Sie fühlen sich gesehen.

Das ist aber noch nicht alles. Intuitive Geschichten schöpfen aus der Umgebung des Kindes und bieten damit oft eine Gelegenheit zum Spielen. So entsteht eine wunderbare Geschichtenschleife, auf die wir in Kapitel 1 genauer eingehen. Was ein barfüßiges Kind, das kürzlich eine Geschichte über seine Schnürsenkel gehört hat, tun wird, sobald es seine Schuhe findet, kann man sich gut vorstellen.

Es geht nicht um Perfektion, sondern ums regelmäßige Tun.

Die Kapitel in diesem Buch beschreiben in ihrer Gesamtheit die einzelnen Aspekte unserer Methode, aber da jeder Aspekt in sich abgeschlossen ist, können Sie sich auch ganz einfach die Rosinen herauspicken. Jedes Kapitel lässt sich in weniger als zehn Minuten lesen und schließt mit einer Beispielgeschichte, um die Tipps zu veranschaulichen. Das Buch lässt sich gut in einem Rutsch lesen, aber Sie können ebenso gut (was uns fast besser gefallen würde) ein Kapitel lesen, das Gelernte in einer Geschichte für Ihr Kind ausprobieren und sich das nächste Kapitel ein andermal vornehmen. Wenn wir erzählen, und da widersprechen wir Marie Shedlock, geht es nicht um Perfektion, sondern ums regelmäßige Tun. Es gibt keinen Grund zur Eile.

Wir vertrauen auf diese Methode, weil wir sie fast täglich anwenden. Wir haben gesehen, wie sie im Laufe vieler Jahre in verschiedenen Kontexten funktioniert hat. Sie ist flexibel und leicht erlernbar. Das Gerüst ist hilfreich, vor allem, wenn Sie gerade erst anfangen; aber keine zwei Geschichten und keine zwei Erzähler sind jemals dieselben. Gute Geschichten sind, wie gute Menschen auch, so unterschiedlich wie die Gipfel einer Bergkette, mit all den Tälern und Bächen dazwischen. Finden Sie Ihren Platz. Und finden Sie Ihre Stimme. Ihre Geschichten werden die besten Früchte tragen, wenn Sie nicht mehr auf Ratschläge hören, sondern einfach der Geschichte folgen, die bereits in Ihnen schlummert.

Wenn wir uns eine Botschaft wünschen dürften, die Sie aus diesem Buch mitnehmen, dann diese: Sie sind bereits ein guter Erzähler, eine gute Erzählerin. Das macht sie buchstäblich zum Menschen. Erzählen gehört genauso zum Menschsein wie Haare und opponierbare Daumen. Wenn Sie also Appetit auf Tomatensauce haben, kochen Sie Ihre eigene und probieren Sie dazu die ersten Male verschiedene Rezepte aus. Ihre Sauce wird bald besser sein als die Fertigvariante. Aber sobald Sie Ihre individuelle Geschmacksnote gefunden haben, werfen Sie das Kochbuch weg. Ihre Intuition wird Sie und Ihre Kinder weiter bringen, als Sie es sich je hätten träumen lassen.

Die wissenschaftlichen Grundlagen

Seit Jahren fügt die Wissenschaft Erkenntnisse über das Geschichtenerzählen zu einem Gesamtbild zusammen: Geschichten zu erzählen hilft uns, Informationen zu speichern, unsere Aufmerksamkeit zu bündeln, Empathie zu entwickeln und mit schwierigen Lebensereignissen umzugehen. Aber erst in jüngster Zeit werden Stimmen laut, die nach dem Warum fragen.

»Warum entscheiden wir uns in einer Welt voller Notwendigkeiten dafür, so viel Zeit mit Geschichten zu verbringen, von denen sowohl Erzählende als auch Lauschende wissen, dass sie nie passiert sind und nie passieren werden?«3 Damit beginnt das Buch On the Origin of Stories des Evolutionstheoretikers Brian Boyd. Eine ähnliche Frage findet sich in Darwin’s Cathedral von David Sloan Wilson. Dem angesehenen Professor für Biologie und Anthropologie an der Binghamton University wurden für seine Arbeiten unzählige Auszeichnungen verliehen. Kürzlich erhielt er eine Förderung der National Science Foundation, um sein Evolutionsstudienprogramm zu einer nationalen Arbeitsgemeinschaft zu erweitern. Er fragt: Ist es möglich, dass die für eine Kultur bedeutsamen Geschichten (in seinem Fall speziell religiöse Geschichten) die Zuhörenden zu einer Gruppe mit eindeutigen evolutionären Vorteilen vereinen?4

Diese Fragen in ihrer ganzen Tragweite zu behandeln, würde den Rahmen unseres Buches sprengen (wir unterrichten schließlich nur in der Vor- und Grundschule!). Dennoch ist der sich formierende Diskurs zwischen Kognitionsforschung, Neurowissenschaft und Evolutionstheorie höchst aufschlussreich, was die Bedeutung des Geschichtenerzählens angeht, und es lohnt sich, ein kleines Fenster zu dieser Welt aufzustoßen.

Einfach gesagt: Wir sind eine außergewöhnlich soziale Spezies, die manchmal auch als »supersozial« bezeichnet wird. Unser Erfolg als Art und damit auch als Individuen lässt sich größtenteils auf unsere Fähigkeit zurückführen, miteinander zu kooperieren und zu konkurrieren. Diesem schmalen Grat zwischen Kooperation und Wettbewerb, auf dem wir mit unserer Familie, unserem Klan und unseren Nachbarn balancieren, ist es zu verdanken, dass wir außergewöhnliche Werkzeuge entwickelt haben, um Informationen zu teilen oder zurückzuhalten, die Absichten anderer zu erkennen sowie anderen unsere eigenen Vorhaben deutlich zu machen oder zu verbergen.

Geschichten zu erzählen gehört dabei zu den wichtigsten dieser Hilfsmittel. In Geschichten erzählen wir anderen, was passiert ist, was nach unseren Wünschen hätte passieren sollen oder was wir als Nächstes tun wollen. Jennifer Aaker, Marketingdozentin an der Stanford Graduate School of Business, berichtet, dass Menschen Informationen, die in eine Erzählung eingebettet sind, »bis zu 22-mal besser behalten als die reinen Fakten«5. Geschichten sind auch unser wichtigstes Mittel der Wahl, wenn wir andere mit Lügen aufs Glatteis führen wollen, oder es wenigstens versuchen. Die meisten Vierjährigen denken sich spontan eine Geschichte aus, um eine unangenehme Wahrheit zu umgehen, wenn sie in die Enge getrieben werden.6 Erwachsene sind nicht viel besser: Fast 65 Prozent aller Gespräche in der Öffentlichkeit sind Klatsch und Tratsch.7

Doch Geschichten sind viel mehr als nur eine Methode, um Wahrheiten oder Schwindeleien weiterzugeben. Wie wir aus milliardenschweren Filmen, Bestsellern und 30.000 Jahre alten Höhlenmalereien wissen, gehören sie für Menschen auf der ganzen Welt zu den fesselndsten Beschäftigungen. Wir zahlen Geld für gute Geschichten, auch wenn »sowohl Erzählende als auch Lauschende wissen, dass sie nie passiert sind und nie passieren werden«, wie Brian Boyd so prägnant formuliert. Warum?

Jenseits der einfachen Übermittlung von Wahrheit oder Lüge nutzen Menschen Geschichten, um Aufmerksamkeit zu erlangen, Handlungen und Verhaltensweisen (einschließlich Emotionen) zu simulieren und Vertrauen aufzubauen. Vor allem über Geschichten werden Werte zwischen Mitgliedern einer sozialen Gruppe weitergegeben, auch von Eltern zu Kindern. »Geschichten«, stellt ein Artikel in der US-Zeitschrift The Atlantic fest, »können Menschen das Gefühl geben, Kontrolle über die Welt zu haben. Sie lassen Menschen Muster erkennen, wo nur Chaos besteht […] – eine Form der existenziellen Problemlösung.«8