Erzählungen für junge Damen und Dichter - Wilhelm Heinse - E-Book

Erzählungen für junge Damen und Dichter E-Book

Wilhelm Heinse

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Beschreibung

Eine Anthologie der besten Kurzgeschichte des deutschen Schriftstellers. Aus dem Inhalt: Aurora und Cephalus. Endymion. Laurette. Der Schiffer. Die gründliche Betrübniß. Die seltsamen Menschen. Der Adel. Der Bluhmenkranz. Dionysius der Tyrann und Aristipp der Weise. Die eilfertige Schäferinn. Die Haushaltung. Das junge Mädchen. Die Zauberinn. Circe. Die Undankbarkeit des männlichen Geschlechts. Melson. Drey Taube. Der betrübte Wittwer. Der Mohr und der Weiße. Der blöde Schäfer. Faustin. Der Kanonikus und seine Köchinn. Aurelius und Beelzebub. Das Diebsgeschlechte. ... u.v.m. ...

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Seitenzahl: 193

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Erzählungen für junge Damen und Dichter

Wilhelm Heinse

Inhalt:

Wilhelm Heinse – Biografie und Bibliografie

Erster Band - Komische Erzählungen

Aurora und Cephalus.

Endymion.

Laurette.

Der Schiffer.

Die gründliche Betrübniß.

Die seltsamen Menschen.

Der Adel.

Zweyter Band - Komische Erzählungen

Der Bluhmenkranz.

Dionysius der Tyrann und Aristipp der Weise.

Die eilfertige Schäferinn.

Die Haushaltung.

Das junge Mädchen.

Die Zauberinn.

Circe.

Die Undankbarkeit des männlichen Geschlechts.

Melson.

Drey Taube.

Der betrübte Wittwer.

Der Mohr und der Weiße.

Der blöde Schäfer.

Faustin.

Der Kanonikus und seine Köchinn.

Aurelius und Beelzebub.

Das Diebsgeschlechte.

Damon und Pythias.

Die Nachbarn.

Der Patient.

Das Wunderbild.

Der Hänfling des Pabstes Johannes XXIII.

Europa.

Die schlauen Mädchen.

Gellerts Tod.

Der kleine Töffel.

Nigrinens Tod.

Liebe und Gegenliebe.

Die Küsse.

Die Schäferstunde.

Axiochus und Alcibiades.

Sokrates und der Wittwer.

Der neue Pygmalion.

Das Zeichen in den Augen.

Philemon und Baucis.

Der zärtliche Liebhaber.

Der Falke.

Die Grazien.

Fragment einer Geschichte des Apollo.

Nadine.

Der erste Kritikus.

Erzählungen für junge Damen und Dichter, W. Heinse

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849627522

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Wilhelm Heinse – Biografie und Bibliografie

Schriftsteller, geb. 15. Febr. 1749 als Sohn eines Predigers zu Langewiesen in Thüringen, gest. 22. Juni 1803 in Aschaffenburg, besuchte das Gymnasium zu Schleusingen, widmete sich in Jena unter großen Entbehrungen dem Studium der Rechte, daneben besonders dem der alten und neuen Literatur, und begab sich dann nach Erfurt, wo er mit Wieland bekannt wurde, der auf seine poetische Richtung große Einwirkung gewann. Durch ein Bändchen »Sinngedichte« empfahl er sich Gleim, der den Mittellosen unterstützte und zu sich einlud. Von Erfurt nahm ihn 1771 ein abenteuernder Hauptmann, v. Liebenstein, der Heinses Talent vollends vergiftete, mit auf Reisen. Nachdem sich diese Verbindung gelöst hatte, lebte H. einige Zeit in der Heimat, erhielt 1772 durch Gleims Vermittelung eine Hauslehrerstelle in Quedlinburg und hielt sich seit 1773 bei Gleim in Halberstadt auf, den Namen Rost führend, bis ihn 1774 J. G. Jacobi als Mitarbeiter an der Zeitschrift »Iris« zu sich nach Düsseldorf berief. Hier war es, wo der Besuch der berühmten Bildergalerie seinen Kunstsinn weckte und er über seinen eigentlichen Beruf erst klar ward. Von unbezwinglicher Sehnsucht nach Italien erfüllt, trat er 1780, von Jacobi und Gleim unterstützt, die Reise dahin an, verweilte 8 Monate in Venedig und dann zumeist in Rom, wo er viel mit dem Maler Müller verkehrte, und kehrte Ende 1783 nach Düsseldorf zurück, wo er sein Hauptwerk: »Ardinghello«, schrieb. Im Oktober 1786 wurde er Lektor des Kurfürsten von Mainz und lebte hier bis 1792 in anregendem Verkehr mit J. v. Müller, G. Forster, Sömmering, Huber, verbrachte darauf ein Jahr in Düsseldorf, kehrte aber 1793 nach Mainz zurück, von wo er 1795 nach dem Baseler Frieden mit dem Kurfürsten nach Aschaffenburg übersiedelte. Auch unter Dalberg (seit 1802) blieb er hier als Hofrat und Bibliothekar tätig. Seine literarische Laufbahn hatte H. durch die Herausgabe der »Sinngedichte« (Halberst. 1771) eröffnet. Dann folgten die Übertragungen zweier obszöner Werke aus der ausländischen Literatur, die »Begebenheiten des Enkolp, aus dem Satyrikon des Petron übersetzt« (Schwabach 1773, 2 Bde.; ein Stück daraus: »Das Gastmahl des Trimalchio«, in Reclams Universal-Bibliothek, Nr. 2616), »Die Kirschen«, nach Dorat (Berl. 1773), ferner »Laidion, oder die Eleusinischen Geheimnisse« (Lemgo 1774). In Rom übersetzte er in Prosa: »Das befreite Jerusalem« (Mannh. 1781, 4 Bde.) und Ariosts »Orlando« (Hannov. 1782, 4 Bde.). Darauf erschienen seine beiden Hauptromane: »Ardinghello, oder die glückseligen Inseln« (Lemgo 1787, 2 Bde.; 4. Aufl. 1838), worin er seine Ansichten über bildende Kunst und Malerei niederlegte (vgl. Jessen, Heinses Stellung zur bildenden Kunst und ihrer Ästhetik. Zugleich ein Beitrag zur Quellenkunde des »Ardinghello«, Berl. 1901) und »Hildegard von Hohenthal« (das. 1795–96, 2 Bde.; neue Aufl. 1838, 3 Bde.), seine Gedanken über musikalische Kunstwerke enthaltend. In »Anastasia und das Schachspiel« (Frankf. 1803, 2 Bde.; 3. Aufl. 1831) legte er in Briefform seine Gedanken über Schach- und Kriegsspiel nieder. Die H. häufig beigelegte Schrift »Fiormona, oder Briefe aus Italien« (Kreuznach 1803) ist nicht von ihm. Eine Sammlung seiner »Sämtlichen Schriften« veranstaltete H. Laube (Leipz. 1838, 10 Bde.); die neueste und beste ist die von Schüddekopf besorgte (»W. Heinses Sämtliche Werke«, Berl. 1902 ff., 10 Bde.). Als künstlerischen Kompositionen fehlt es Heinses Romanen an Geschlossenheit und Rundung, um so mehr zeichnen sie sich durch Macht und Glut der Darstellung aus. Die Reflexion über ästhetische Fragen überwiegt und beherrscht oft ganze Kapitel; aber diese Reflexion ist überraschend feinsinnig, wenn auch häufig allzu einseitig dem sinnlich Reizvollen zugekehrt. Die Handlung der Romane ist unübersichtlich, die Charakterzeichnung oberflächlich, insbes. die Frauengestalten nur sinnlich und ohne Gemüt. Heinses Kunstanschauungen gehen über Winckelmanns klassischen Idealismus hinaus und berücksichtigen im Sinne Herders die Bedingungen von Raum und Zeit. Das treueste Bild von ihm enthalten die »Briefe zwischen Gleim, H. und Johannes v. Müller« (hrsg. von Körte, Zürich 1806–08, 2 Bde.); der »Briefwechsel zwischen Gleim und H.« wurde besser von Schüddekopf herausgegeben (Weimar 1894–95, 2 Bde.). Vgl. Pröhle, Lessing, Wieland, H. (nach den handschriftlichen Quellen in Gleims Nachlaß, Berl. 1877); Hettner, Aus W. Heinses Nachlaß (»Archiv für Literaturgeschichte«, Bd. 10, Leipz. 1881); Schober, Johann Jakob Wilhelm H., sein Leben und seine Werke (Leipz. 1882); Sulger-Gebing, Wilhelm H., eine Charakteristik zu seinem 100. Todestage (Münch. 1903).

Erster Band - Komische Erzählungen

Vadano a volo i canti. Anima pura

Sempre è sicura.

Chiabrera.

I.

Aurora und Cephalus.

 Se della moglie sua vuol l' uomo

 Tutto saper, quanto ella fece, e disse;

Cade dall' allegrezze in pianti, e in guai;

 Onde non può più rilevarsi mai.

Ariosto.

Aurora und Cephalus.

Noch lag, umhüllt vom braunen Schleyer

Der Mitternacht, die halbe Welt;

Es ruht' in ungestörter Feyer

Das stille Thal, das öde Feld,

Der Nymphen-Chor an ihren Krügen,

Der trunkne Faun auf seinem Schlauch;

Vielleicht fügts Nacht und Zufall auch,

Daß Manche noch bequemer liegen;

Der Elfen schöne Königinn

Hatt' ihren Ringel-Tanz beschlossen,

Und sanft auf Blumen hingegossen

Schlief jede kleine Tänzerinn;

Und kurz, es war zur Zeit der Mette,

Als sich Auror zum erstenmal

Aus ihrem Rosen-Bette

Von Tithons Seite stahl.

Die Schlafsucht, die sie ihrem Gatten

Sonst öfters vorzurücken pflag,

Kam diesesmal ihr wohl zu statten.

Sie zieht die Brust, an der er schnarchend lag,

Sanft unter ihm hinweg, verschiebt mit Zephyr-Händen

Die Decke, glitscht heraus, deckt leis' ihn wieder zu,

Wirft einen Schlafrock um die Lenden,

Und wünscht ihm eine sanfte Ruh.

Sie fand im Vorgemach die Stunden,

Die ihre Zofen sind, vom Schlummer noch gebunden,

Nur eine ward, indem die Göttinn sich

Mit leisem Fuß bey ihr vorüber schlich,

Aus einem Traum, den Mädchen gerne träumen,

Halb aufgeschreckt; sie schrie, wie Nymphen schreyn,

Um feuriger geküßt, nicht um gehört zu seyn;

Auror' erschrickt und flieht; allein,

Das Mädchen legt sich, ruhig auszuträumen,

Auf's andre Ohr, und schlummert wieder ein.

Die Göttinn eilt, spannt (was sie nie gethan)

Mit eigner schöner Hand vor ihren Silber-Wagen

Drey rosenfarbe Stuten an,

Und läßt sich nach Hymettus tragen.

Dort steigt sie ab, läßt Pferd und Wagen

In einer Grotte stehn, und sucht mit zartem Fuß,

Aus dessen Tritten Rosen sprossen,

Den schönen Cephalus.

Aurora? Wie? – das Muster weiser Frauen,

Auf deren Treu, die schon Homer uns pries,

Ein jeder alter Mann sein junges Weibchen schauen

Und sie zum Vorbild nehmen hieß?

Sie, die nur ihrem Tithon lachte,

Und, ob er gleich bey silbergrauem Haar

Und taubem Ohr kaum noch ergötzbar war,

Doch Tag und Nacht auf sein Ergötzen dachte;

Die ihre schöne Brust zu seinem Pfülben machte,

Und wenn, nach alter Männer Art,

Die schöne Brust von ihm begeifert ward,

Sich's doch nicht eckeln ließ, ihm ganze Nächte wachte,

Ihm oft die Füße rieb, ihm oft den Puls befühlt',

Erwärmend ihn in ihren Armen hielt,

Ihn immer fragt', ob ihm was fehlte,

Und bis er schlief ihm Mährchen vorerzählte –

Aurora, die so viele Proben gab,

Wie zärtlich sie den alten Tithon liebe;

Sie fiele nun auf einmal ab,

Und hegte fremde Triebe?

Mir ist es leid, daß ich's gestehen muß,

Ihr mögt nun, was ihr wollt, von ihrer Tugend halten,

Allein, so war's! Sie schlich von ihrem Alten

Sich heimlich weg, und sucht den jüngern Kuß

Des schönen Cephalus.

Helvetius und Büffon werden sagen,

Das dieses nicht so unnatürlich sey;

Allein, wie fromme Leute klagen,

So denken beide ziemlich frey.

Doch selbst Sanct Thomas will vorlängst gesehen haben,

Daß junger Mädchen Aug' auf schönen jungen Knaben

Sich gern verweilt; und an Gestalt,

An Neigungen und Reizbarkeit der Sinnen,

Sind, wie man weiß, die ältesten Göttinnen

Stets sechszehn Jahre alt.

Dis war Aurorens Fall, als auf Hymettus Höhen,

Zur Jagd geschürzt, mit Bogen, Pfeil und Spieß,

Der schone Jäger ihr zum erstenmal sich wies.

Verbeut die strengste Pflicht, was sichtbar ist, zu sehen?

Sie sah in Unschuld hin, und blieb, ihm nachzusehen,

Uneingedenk der laurenden Gefahr,

Auf einer Silber-Wolke stehen.

War's ihre Schuld, daß er so reizend war?

Es bleibt hiebey. Doch, da sie, wider Hoffen,

Zum zweytenmal ihn schlafend angetroffen,

Wie sollte sie dem Einfall widerstehn,

Von ihrem Wagen abzusteigen

Um ihn genauer anzusehn?

Die Dämmrung macht oft Manche schön,

Die sich im Sonnenschein mit schlechtem Vortheil zeigen,

Sie muß doch sehn, ob's hier nicht auch so sey.

Er flog letzthin zu schnell vorbey;

Was schadet's näher hinzugehen?

Sie thut's. Allein, wie angenehm erblaßt,

Da sie ihn recht in's Auge faßt,

Ihr Rosen-Mund – den Tithon selbst zu sehen!

Den Tithon? – Ja, doch wie er damals war,

Als er, in auserlesner Schaar

Der schönsten Phrygier, vor Allen

Der Schönste war, vor Allen ihr gefallen,

Mit langem dunkelbraunen Haar,

Mit blühendem Gesicht und Lippen von Corallen.

Je mehr sie ihn beschaut, je stärkre Farben leiht

Ihr gern betrognes Herz der seltnen Aehnlichkeit.

Sie überläßt sich nun mit Ruh den neuen Trieben,

Und findt, ich weiß nicht was für eine Süßigkeit,

Den werthen Greis im Cephalus zu lieben.

Mit welcher Lust, mit welcher Zärtlichkeit

Sie auf das Ebenbild von Tithons schöner Zeit

Die gern betrognen Blicke heftet!

So war er einst mit jedem Reiz geschmückt,

So ward er oft, eh ihn der Jahre Last entkräftet,

Im Taumel süßer Lust an ihre Brust gedrückt!

So sieht und liebt, nach Platons Lehren,

Der junge Kallias in seiner Tänzerinn

Das höchste Gut, womit sich unsre Geister nähren,

Eh' sie, Gott weiß warum, in diese Leiber ziehn.

Singt ihm, den Grazien zu Ehren,

Ihr süßer Mund ein tejisch Liedchen vor,

So glaubt euch der entzückte Thor,

Er höre den Gesang der Sphären:

Ein Druck von ihrer weichen Hand,

Ein Kuß der buhlerischen Zungen,

Erweckt von seinem Götter-Stand

Die schlummernden Erinnerungen;

Auf einmal ist's, ob um ihn her

Der blaue Himmel offen wär',

Er sieht die Sterne doppelt blinken;

Er steigt, verliert sich in den Schwarm

Der Geister, welche Nektar trinken,

Glaubt in den Quell des Lichts zu sinken,

Und sinkt in – Phrynens Arm.

Daß oft dergleichen Aehnlichkeiten

Zu süßen Irrungen verleiten,

Ist ein Erfahrungsatz, den Niemand läugnen wird.

Aurora sah, durch sie verführt,

Im schönen Cephalus den Tithon sich verjüngen,

Und sah es kaum, so faßt sie schon den Schluß,

Die Stunden, welche sie, nicht ohne Ueberdruß,

Bey Diesem nur verträumen muß,

Mit Jenem muntrer zuzubringen.

Mit welcher Lust verschlingt ihr lauschend Ohr

Der raschen Stöber Laut, die ins Gehölze dringen!

Sonst hörte sie der Lerchen frühes Chor

Gern neben ihrem Wagen singen:

Allein ihr däucht in diesem Augenblick

Hylaktors Jagd-Geheul die lieblichste Musik.

Sie sieht die muntern Jäger ziehen,

Das Hift-Horn tönt, der Wald erwacht,

Die Hunde schlagen an, die scheuhen Rehe fliehen;

Doch plötzlich fühlt von einer fremden Macht

Der Jüngling sich ergriffen, fortgezogen,

Und schneller als ein Pfeil vom Bogen

Durch Luft und Wolken weg, wer weiß wohin, gebracht.

Betäubt von seinem Abentheuer

Begriff er nicht, wie ihm geschah.

Er sieht aus Furcht, die stets Gespenster sah,

Bey zugeschloßnem Aug, ein gräßlich Ungeheuer

Mit offnem Schlund ihm dräun und glaubt sein Letztes nah.

Doch Düfte von Ambrosia,

Die ihm, mit süßerm Schwall, als von den Zimmet-Hügeln

An Ceylans Strand, entgegenwehn,

Ermuntern ihn zuletzt, die Augen aufzuriegeln;

Und o! wer wünschte nicht, was er itzt sah zu sehn!

Der Perlenmutter-Saal mit Säulen von Rubinen,

Den unsre Göttinn sich zum Schauplatz auserkohr,

Hat einem Kenner nicht romantisch gnug geschienen.

So stellt euch dann umwölbet mit Schasminen

Auf weichem Moos ein Blumen-Bette vor,

Mit reichem Sammt bedeckt; auf diesem Blumen-Bette,

Was Jupiter sich selbst gewünschet hätte:

Die schönste Fee, so schön und jung, als man

An einem Sommer-Tag sie immer sehen kann;

Und diese Fee in einer Lage

Wie Titian der Liebes-Göttinn giebt,

Und in dem halbgebrochnen Tage,

Worinn die blöde Schaam sich williger ergiebt;

Verhüllt, doch so, daß jede kleine Regung

Das neidische Gewand verschiebt,

Und unter seidnem Flor die steigende Bewegung

Des schönsten Busens sichtbar wird –

Den Anblick stellt euch vor, und werdet nicht gerührt!

Der Jüngling ward's, der in dem Augenblicke,

Worinn der schöne Gegenstand

Ihn überrascht, zu gutem Glücke

Sich selbst zu ihren Füßen fand.

Die Göttinn wundert, wie natürlich,

Sich ungemein, ihn hier zu sehn;

Und er giebt ihr, doch nur figürlich,

Den ganzen Eindruck zu verstehn,

Den so viel reizungsvolle Sachen

Auf sein geblendtes Auge machen.

Die Freyheit, die er nimmt, fällt billig

Dem Schicksal, nach Gebrauch, zur Last;

Und wenn Auror' ihn nur nicht haßt,

Ist er zu jeder Strafe willig.

Aurora will ihm gern gestehn,

Daß Leute, die ihm ähnlich sehn,

Nicht sehr gehaßt zu werden pflegen:

Es sey ihr auch nicht sehr entgegen,

(Sie hält, indem sie dieses spricht,

Die Rosen-Finger vor's Gesicht)

Von einem hübschen Mann sich hochgeschätzt zu wissen –

Wie weit ihr eignes Herz hiebey

Vielleicht zu gehen fähig sey,

Das werde mit der Zeit sich erst entwickeln müssen –

Man komme mit Beständigkeit

Und vielem Muth im Lieben weit;

Doch, was sie seiner Zärtlichkeit

Für diesesmal gestatten wollte –

(Und dieses selbst vielleicht noch nicht gestatten sollte)

Sey, nebst dem Recht, sie ungescheut

Auf seinen Knieen anzuschauen,

Ein ungezweifeltes Vertrauen

In seine Ehrerbietigkeit.

Mein Mann verspricht mit vielen Schwüren,

Indem er ihre Knie aus Dankbarkeit umfaßt,

Sich sehr bescheiden aufzuführen;

Doch Dankbarkeit ist eine schwere Last!

Aus Dankbarkeit, von der er glühet,

Wird ihre schöne Hand, wer weiß wie oft, geküßt,

Und da man sie zerstreut zurücke ziehet,

Indem er noch im Küssen ist,

Verirrt sein Mund – da seht mir doch die Musen!1

Die kleinen Spröden schämen sich

Und halten plötzlich ein – doch ich bekenn' es, ich,

(Und Cicero an Pätum spricht für mich)

Verirrt – wie leicht verirrt man sich! –

Verirrt sein Mund auf ihren Busen.

»Wer einmal, (spricht Marx Tullius,

Doch nicht im Buche von den Sitten)

Und wär's nur mit dem linken Fuß,

Des Wohlstands Gränzen überschritten,

Dem rath' ich, statt aus Blödigkeit

Auf halbem Wege stehn zu bleiben,

Vielmehr die Unbescheidenheit,

So weit sie gehen kann, zu treiben.«

Dies Axioma mag sehr oft nach Ort und Zeit

Ein Körnchen Salz in praxi nöthig haben;

Vermessne, unbescheidne Knaben,

Mit Bart und ohne Bart, gehn leicht hierinn zu weit.

Doch Cephalus (man muß eins wie das andre sagen)

Befand sich wohl bey dem, was Marcus schrieb:

Er wagts von Grad zu Grad, bis ihm vor lauter Wagen

Nichts mehr zu wagen übrig blieb.

Wenn seinem Ungestüm die Göttinn endlich wich,

So that sie freylich nichts, als was sie längst beschlossen.

Mit Cephalus verhielt es sich

Nicht so. Ihm war ein Glück, das ihn den Göttern glich,

Durch bloßen Zufall aufgestoßen,

Und diese Zauberey, die süße Trunkenheit,

Die sein Gehirn auf ziemlich lange Zeit

Der Stimme seiner Pflicht verschlossen,

Ward gradweis aufgelöst, uno endlich ganz zerstreut.

Ihm hatte, da sein Mund (wie schon gesagt) verirrte,

Die Phantasie den gleichen Streich gespielt,

Wodurch die Göttinn ihn für ihren Tithon hielt.

Es stellt' im Feuer der Begierde

Ihm in Auror' sich seine Procris dar:

Wie ähnlich, Götter! Ja, fürwahr!

Sie ist's, Sie ist's! An Stirn und Brust und Haar

Kann in der Welt sich nichts vollkommner gleichen!

Wen muß dies Lächeln nicht erweichen?

So lächelt Procris nur! So schön

Sah er in ihren blauen Augen,

Vor Uebermaaß der Wonne, Thränen flehn,

Und war entzückt sie aufzusaugen!

So dacht' er und Auror, in diesem Stück mehr klug

Als zärtlich, sieht und nährt den nützlichen Betrug.

Nehmt noch dazu die zärtlichste der Farben,

Die dieser Göttinn eigen ist,

Das süße Rosenroth, das ihren Leib umfließt,

Und einen Mund der Griechisch küßt,

Und Augen, die vor Wollust starben:

So wird bey Leuten, die verzeihn,

Sein Selbstbetrug vielleicht verzeihlich seyn.

Doch, wie die stärksten Zauberey'n

Der Wahrheit endlich weichen müssen,

So däucht auch ihm, nach wiederholten Küssen,

Die Aehnlichkeit nicht mehr so groß zu seyn.

Der Dunst zerfließt, der sein Gesicht geblendet,

Er staunt, er fühlt sich träg' und lau,

Und zürnt schon auf sich selbst, daß er an Tithons Frau

So viel Entzückungen verschwendet.

Vergebens sucht ihr feuervoller Blick

Die Flamme wieder anzufachen,

Ihm winkt umsonst ein neues Glück

In ihrem offnen Arm; die Scherze fliehn zurück,

Und Reu' und Ueberdruß erwachen.

Bald kommt es, wie man denken kann,

Zu Fragen und Erläuterungen,

Und Cephalus, von Schaam und Schmerz bezwungen,

Fängt stotternd diese Beichte an:

Zu wahr ist's nur, o Göttinn, mein Betragen

Beleidigt deinen Reiz, und läßt mir weiter nichts,

Als tiefbeschämt mich selber anzuklagen.

Nicht halb so sehr verwirrt von deinen Klagen,

Als meiner eignen Schuld, weiß ich, beym Gott des Lichts!

Nicht was ich sagen soll – Mein Herr, das thut hier nichts,

Fällt ihm Aurora ein, ihr braucht euch nicht zu plagen;

Der Eingang will, so viel ich merke, sagen,

Ihr liebt mich nicht, und habt mich nie geliebt?

Ach, allzuwahr! (ruft Cephalus betrübt,

Indem Auror, doch nur mit halbem Munde,

Bey seinem Ach ihm an die Nase lacht)

Ja, ich gesteh's, daß diese Morgen-Stunde

Mich doppelt ungetreu, mich doppelt strafbar macht.

Unwürdig so beglückt zu werden,

Liebt' ich, o Göttin, dich – die, ohne Schmeicheley,

So sehr verdient, daß ihr ein Herz sich weih –

Dich liebt' ich nie; und ihr – der einzigen auf Erden,

Für die ich zärtlich bin – ihr ward ich ungetreu!

Das Compliment, versetzt die Dame,

Ist minder schmeichelhaft als neu;

Doch, wenn man bitten darf, der Name

Der Schönen, die das hohe Glück genießt,

Daß solch ein Herz für sie nur zärtlich ist?

Der Schein, ich fühl's und sag's mit Schmerzen,

Ist wider mich, spricht Cephalus;

Und doch – vergieb, daß ich so deutlich reden muß!

Du hattest nichts als meinen Kuß,

Und Procris war in meinem Herzen.

Wir waren schon vom Führband an

Die unzertrennlichsten Gespielen,

Und lieben uns, seitdem wir fühlen,

So zärtlich als man lieben kann.

Als Kind schon kannt' ich keine Lust

Als meiner Procris liebzukosen,

Lag gerne mit ihr unter Rosen,

Und spielte mit der jungen Brust.

Wie ward sie oft im Sommerschatten

Am kühlen Bach von mir belauscht!

Wir wußten nicht warum, und hatten

Schon unsre Herzen ausgetauscht.

So wurden wir bey Scherz und Küssen

Eins in des andern Armen groß,

Und unwillkommne Pflichten rissen

Mich weinend itzt aus ihrem Schooß.

Nun folgten kriegerische Spiele

Dem Gänsepiel, der blinden Kuh;

Es floh vorm lermenden Gewühle

Der Kindheit sorgenlose Ruh.

Allein das Bild der holden Schönen

Schwebt mir, wohin ich gehe, nach;

Ein banges wehmuthsvolles Sehnen

Ertränkt mein Aug in stillen Thränen,

Und hält in oder Nacht mich wach.

Itzt deucht der Tag mich nicht mehr helle,

Die Luft nicht blau, der Frühling todt;

Nichts reizt mich mehr, kein Abendroth,

Kein Hayn, kein Schlummer an der Quelle.

Allein sobald ein Götter-Fest

Die Mädchen sichtbar werden läßt,

Und Procris, weiß und frisch-umkränzet,

Mit offner Brust und freyem Haar,

Die Schönste in der bunten Schaar,

Wie Hebe mir entgegenglänzet;

Dann ist mir – nein! der Götter Glück

Kann keinen höhern Grad erschwingen!

Mein offnes Aug, mein starrer Blick

Scheint ihre Reize zu verschlingen:

Sie sieht im gleichen Augenblick

Nach mir sich um, und unsre Blicke

Begegnen sich; sie seufzt, und zieht,

Da sie mein Auge schmachten sieht,

Verschämt die ihrigen zurücke;

Doch bald von Amorn übermogt,

Der ihr im jungen Busen pocht,

Kann sie sich länger nicht erwehren,

Sich zärtlich nach mir hin zu kehren;

Sie füht – »Sehr wohl, mein Herr! Sie fühlt,

Was alle junge Mädchen fühlen.

Sagt mir, ihr, der so vieles fühlt,

Was soll die Elegie erzielen,

Womit ihr mich hier abgekühlt?

Man dächte, wenn man euch so reden hört, es hätte

Noch Niemand es, wie ihr gemacht;

Fangt lieber den Roman von hinten an, ich wette

Er endet doch in einer Hochzeit-Nacht.«

Um kurz zu seyn, so sind es nun drey Jahre,

Fuhr Cephal fort, daß Hymen uns beglückt,

Und ich in Procris Arm erfahre,

Daß After-Liebe nur von Sättigung erstickt.

Mir ist, ob jede Nacht die allererste wäre,

Man sagt sonst der Genuß verzehre

Der stärksten Liebe Glut; bey uns ist's umgekehrt,

Die unsre wird dadurch genährt,

Und wächst, dem Phönix gleich, aus ihrer eignen Asche.

Der Herr (fällt hier die Göttinn ein)

Hat, wahrlich! aus der Purpur-Flasche

Bescheid gethan, er liebt ja ungemein!

Wer hätte sich bey so gestellten Sachen

Des Glücks versehn, ihn ungetreu zu machen?

So widersinnisch als es klingt,

Versetzt er mit gesenkten Blicken,

So wahr ist's doch: was mir ihr Bild vor Augen bringt,

Ein Zug von ihr, ein Blick, ein Augen-Nicken,

Wie Procris nickt, das setzt mich in Entzücken;

Und reizend, Göttinn, wie du bist,

Konnt' Amorn diese Hinterlist

Nur gar zu leicht, zumal im Dunkeln, glücken.

Allein bey kälterm Blut und hellerm Sonnenschein

Soll Venus selbst nicht fähig seyn,

Noch einmal mich so zu berücken.

Die Göttinn wendet lächelnd ein:

Was einst geschehen sey, das könne mehr geschehen.

Sie hofft umsonst! Er schwört ihr Stein und Bein,

Sie niemals mehr für Procris anzusehen.

Und meynst du, fragt Auror, daß ihre Gegentreu

Der seltnen Großmuth würdig sey,

Ihr einer Göttinn Gunst zum Opfer darzubringen?

Die Herzen, glaube mir, sind rar,

Die man versuchen darf, du kennest Amor's Schlingen!

Ein zärtlich Weib ist immer in Gefahr.

Und wäre sie in Danae's Verwahr,

Wohin kann nicht ein goldner Regen dringen?

Seyd unbesorgt, erwiedert unser Held,

Ihr würde selbst vom Zevs vergebens nachgestellt.

Ich kenne sie; sie würd' in ihrem Leben

Auf einen andern Mann, und wär' es ein Adon,

Sich keinen Seiten-Blick vergeben.

Der Götter Fürst regiert auf seinem Thron

Nicht ruhiger, als ich in ihrem Herzen.

Du bist beglückt, versetzt Tithonia,

Und ferne sey's von mir, sie bey dir anzuschwärzen.

Allein, erinnre dich, was kaum dir selbst geschah.

Gelegenheit, mein guter Freund, und Jugend

Sind immer ihrem Falle nah.

Wie oft, daß sich die strengste Tugend

Zu schwach zum Widerstande sah?

Zu allem Glück war kein Versucher da;

Allein man spielt nicht allezeit im Glücke,

Und Unschuld, die nichts Böses denkt noch scheut,

Fällt manchmal bloß aus Sicherheit

In Amors unsichtbare Stricke.

Aurora, die mit Kenntniß sprechen kann,

Spricht so beredt vom süßen Gift der Sünde,

Und unsrer Fehlbarkeit, giebt ihm so viele Gründe,

Und führt so manches Beyspiel an,

Daß ihr die List gelingt. Der Mann fällt in Gedanken,

Und staunt mit unterstütztem Haupt,

Und staunt so lang, bis er Frau Procris fähig glaubt,

Wo nicht zu fallen, doch zu wanken.

Die Eifersucht, ein Uebel, daß er nie