Erziehung prägt Gesinnung - Herbert Renz-Polster - E-Book
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Erziehung prägt Gesinnung E-Book

Herbert Renz-Polster

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Beschreibung

Erziehung ist keine Privatsache

»Wer den autoritären Populismus verstehen will, muss dorthin schauen, wo aus kleinen Menschen große Menschen werden - auf die Kindheit.«

Herbert Renz-Polster

Überall in der westlichen Welt macht sich der Rechtspopulismus breit. Die Gaulands, Le Pens und Wilders' blasen zum Angriff auf den Kern der Demokratie. Wie konnte diese neue, fanatische Kälte nur entstehen?

Deutschlands bekanntester Kinderarzt und Familienexperte macht sich auf eine kluge Spurensuche. Er wird fündig: in den Kinderzimmern. In jedem, der nach Abgrenzung, Härte und neuen Autoritäten schreit, entlarvt Herbert Renz-Polster ein verunsichertes, in seinem Drang nach menschlicher Anerkennung allein gelassenes Kind. Ein bestimmter autoritärer Erziehungsstil geht in allen Kulturen einher mit Anfälligkeit für populistische Botschaften.

Zwingend zeigt dieses Buch: Wer rechte Tendenzen verstehen und verhindern will, der muss eben doch auf die unglückliche Kindheit schauen. Hier liegt unsere gesellschaftliche Verantwortung - das Familienklima von heute wird das politische Klima von morgen sein. Erziehung ist kein Privatvergnügen!

Eine überzeugende gesellschaftliche Analyse, bei der das leise Frösteln nicht ausbleibt.

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»Wer den autoritären Populismus verstehen will, muss dorthin schauen, wo aus kleinen Menschen große Menschen werden – auf die Kindheit.«

Herbert Renz-Polster

Überall in der westlichen Welt macht sich der Rechtspopulismus breit. Die Gaulands, Le Pens und Wilders’ blasen zum Angriff auf den Kern der Demokratie. Wie konnte diese neue, fanatische Kälte nur entstehen?

Deutschlands bekanntester Kinderarzt und Familienexperte macht sich auf eine kluge Spurensuche. Er wird fündig: in den Kinderzimmern. In jedem, der nach Abgrenzung, Härte und neuen Autoritäten schreit, entlarvt Herbert Renz-Polster ein verunsichertes, in seinem Drang nach menschlicher Anerkennung allein gelassenes Kind. Ein bestimmter autoritärer Erziehungsstil geht in allen Kulturen einher mit Anfälligkeit für populistische Botschaften.

Zwingend zeigt dieses Buch: Wer rechte Tendenzen verstehen und verhindern will, der muss eben doch auf die unglückliche Kindheit schauen. Hier liegt unsere gesellschaftliche Verantwortung – das Familienklima von heute wird das politische Klima von morgen sein. Erziehung ist kein Privatvergnügen.

Eine überzeugende gesellschaftliche Analyse, bei der das leise Frösteln nicht ausbleibt.

Herbert Renz-Polster

ERZIEHUNG PRÄGT GESINNUNG

WIE DER WELTWEITE RECHTSRUCK ENTSTEHEN KONNTE – UND WIE WIR IHN AUFHALTEN KÖNNEN

Kösel

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Copyright © 2019 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Weiss Werkstatt, München

Covermotive: © shutterstock / ra2studio

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

Redaktion: Dr. Peter Schäfer, Gütersloh

ISBN 978-3-641-23689-2 V003

www.koesel.de

Meiner über 90-jährigen Mutter, die den Irrsinn der autoritären Unterwerfung als Schülerin auf einem Nazi-Internat erlebt hat.

INHALT

Zum Geleit: Wozu ein pädagogisch-politisches Buch?

Des Pudels Kern ist die Erziehung

1 Nur etwas für Abgehängte?

Welchen Nerv die Populisten wirklich treffen

2 Je härter die Kindheit, desto härter die Politik

Landkarten der kindlichen Not

3 Vergiftetes Innenleben, feindliche Außenwelt

So ticken Rechtspopulisten

4 Unter der Lupe: die autoritäre Innenwelt

Die tieferen Emotionen der rechten Bewegung

5 Erziehungsfronten: begleiten oder begrenzen?

Weltbilder prägen Kinderbilder

6 Lebenslang abhängig

Wie die Furcht vor der Freiheit entsteht

7 Wie funktionieren Beziehungssprachen?

Politische Bildung beginnt auf dem Wickeltisch

8 Von der Last zerbrochener Bindungen

Der Kern der autoritären Haltung

9 Die autoritäre Haltung im Wandel

Von der Nazidiktatur bis zur Globalisierung

10 Auf dem Prüfstand: Stimmt die Theorie?

Statistiken offenbaren Kindheitsmuster

11 Geteiltes Deutschland?

Erziehen und wählen in Ost und West

12 Die Kinderzimmer der Anderen

Kindheitsmuster international

13 Wer hat Angst vor der AfD?

Wir sollten unsere Fortschritte nicht unterschätzen

14 Mit Bildung gegen Rechts?

Das Bildungsversprechen auf dem Prüfstand

15 Migration, Religion, Integration

Wie wir die Herausforderungen unserer Zeit lösen

Zum Schluss: Kindheit wagen!

Wo wollen wir eigentlich hin?

Danksagung

Literatur

Anmerkungen Und Quellennachweise

ZUM GELEIT: WOZU EIN PÄDAGOGISCH-POLITISCHES BUCH? Des Pudels Kern ist die Erziehung

Wir erleben einen Schock auf Raten. Da steht eine neue Strenge im Raum, ein roher Ton, den wir uns noch vor wenigen Jahren nicht hätten träumen lassen. Worte wie diese von Alexander Gauland sind ein Angriff auf den Anstand: »Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen.« Als Erklärung dient Techniksprech: »Einen Wasserrohrbruch dichten Sie auch ab.«1

Am weitesten hat sich die neue Kälte in den USA ausgebreitet. Dort regiert jetzt einer, der einmal das Grauen der Sandkästen unserer Kinderjahre war. Jetzt ist er der Held einer halben Nation von Amerikanern – einer Nation, die einmal das beliebteste Land der Erde war. Auch er, Donald Trump, brüstet sich mit Eiseskälte: »Ich werde Waterboarding wieder einführen. Und ich werde verdammt viel schlimmere Dinge als Waterboarding einführen.«2

Diese armen Tröpfe, die hat es immer gegeben. Unsere Eltern hatten sich vielsagend angeschaut, kurz geseufzt und dann beruhigende Worte für uns gefunden, etwa solche: »Weißt du, er hat doch keine Freunde. Da ist niemand für ihn da, wenn er nach Hause kommt.« Mit diesen oder ähnlichen vernünftigen elterlichen Argumenten munitioniert, hat man einen Bogen um die Spielverderber gemacht. Und sich vielleicht für sie geschämt und über sie getuschelt.

Heute können wir keinen Bogen mehr um diese Kinder machen. Immer öfter greifen sie nach der Macht und gestalten die Welt. Es hat sich eingebürgert, ihren Aufstieg als eine Reaktion auf äußere Umstände zu sehen. Auf wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Krisen.

Ich zeige in diesem Buch, dass solche Deutungen zu kurz greifen – ohne eine tiefere Erklärungsebene fehlt der Ereigniskette das entscheidende Glied. Als nach der Wende der rechte Mob durch Hoyerswerda und anderswo zog, waren es die »fehlenden Arbeitsplätze«, die den Ausbruch von Hass und Ausgrenzung erklären sollten. Heute, bei Vollbeschäftigung, verweist man auf den »Globalisierungsstress«, wenn Rechtspopulisten das Heft in die Hand nehmen.

Dabei sollte uns der Blick in die Geschichte doch eigentlich warnen: Die Hinweise auf die äußeren Umstände, auf die Krisen und Verführungen bringen uns nicht weiter. Es war nicht »die Weltwirtschaftskrise«, die einen Hitler an die Macht gebracht hat. Es waren Menschen mit einer klar definierten inneren Haltung. Mit klar artikulierten, autoritären Überzeugungen. Dieser Spur zu folgen hat uns als Gesellschaft gutgetan.

Woher kommen diese Haltungen? Die Frage ist heute so brisant wie damals. Welche Erfahrungen und Prägungen bringen Menschen dazu, dass sie sich ausgerechnet solchen politischen Ideologien unterwerfen? Ausgerechnet solchen Ratgebern und Anführern? Was musste schiefgehen, damit nun ausgerechnet das schlimmste Mobber-Kind auf dem Spielplatz über Krieg und Frieden auf dieser Welt entscheiden darf?

Diese Geschichte beginnt dort, wo wir Menschen klein und abhängig sind: in der Kindheit. In der Kindheit bildet sich der seelische Maßstab, der entscheidet, mit welcher Gesinnung wir einmal durch das Leben gehen werden. In der Kindheit erfahren wir, ob es im menschlichen Miteinander um Macht und Überlegenheit geht – oder aber um Vertrauen und Zusammenarbeit. In der Kindheit bilden wir das soziale Vermögen aus, mit dem wir der Welt und ihren Krisen begegnen.

Dieses Kindheitsvermächtnis will ich in diesem Buch beschreiben. Ich werde die emotionalen und sozialen Einflüsse benennen, die unsere späteren politischen Überzeugungen prägen. Ich werde darlegen, dass die Kindheit im Grunde ein Tanz um die gleichen Fragen ist, die wir auch in der Politik stellen: Bin ich sicher? Bin ich anerkannt? Habe ich eine Stimme? Ich werde zeigen, wie an diesen Fragen der Kompass geeicht wird, mit dem wir später die politische Arena betreten.

Wenn ich die Linien zwischen Erziehungserfahrungen und der späteren politischen Haltung nachzeichne wird auch klar werden, wie wichtig dieses Verständnis für unser aktuelles Zusammenleben ist. Noch nie war Deutschland eine vielfältigere Nation, noch nie trafen so viele biografische, soziale und kulturelle Prägungen aufeinander, Menschen mit und ohne DDR-Erfahrung, Menschen mit deutscher und ausländischer Familiengeschichte, Menschen christlichen Glaubens, aber auch Menschen, die sich zu anderen oder gar keiner Religion bekennen, um nur wenige Beispiele zu nennen. Was uns als Gesellschaft zusammenhalten kann, lässt sich besser verstehen, wenn wir uns damit beschäftigen, wie all diese Menschen als Kinder waren (oder sind).

Und noch ein Wort zu Person, Handlung und Ort

Rechtspopulismus ist ein weltweites Phänomen, und dieses Buch dreht sich vor allem um die Entwicklungen in Deutschland. Dass in diesem Buch immer wieder der Name Donald Trump fällt, ist unvermeidlich, manche der rechtspopulistischen Haltungen und Überzeugungen lassen sich an dieser lebenden Karikatur tatsächlich am besten illustrieren. Ansonsten aber will ich den Auftritt des groß gewordenen Sandwerfers eher tief hängen. Dieser Akteur ist gewiss nicht die politische Krankheit, die die Welt befallen hat – er ist ihr Symptom, und kein Amtsenthebungsverfahren und keine Neuwahlen werden daran etwas ändern.3 Ja, selbst wenn Donald Trump sich plötzlich einen roten Ball auf die Nase setzen und sagen würde: »Bätsch – ist doch alles nur Spaaaaaaaß« – das, wofür er steht, wäre noch immer unter uns und zwischen uns. Und es würde tagtäglich neu entstehen.

Und damit wären wir bei den Schauplätzen dieser Geschichte. Wir werden die verschiedenen rechtspopulistischen Szenen um uns herum kennenlernen (auch die in den neuen Bundesländern), aber auch andere europäische Länder in den Blick nehmen. Gar nicht so selten werden wir aber auf die USA eingehen müssen, die täglich ein Stückchen weiter von der Weltgemeinschaft wegdriften, indem sie mit vielen politischen Entscheidungen dem Fundamentalismus und Egoismus ein Denkmal setzen. In keinem traditionell westlichen Land steht die autoritäre Rechte auf einem tieferen und breiteren Boden – wo, wenn nicht dort, könnten wir ihren Wurzelgrund besser studieren?

Zu diesem Aspekt noch ein persönliches Wort hinterher: Ich habe mit meiner Familie sieben Jahre in den USA gelebt und gearbeitet, unsere vier Kinder haben dort einen großen Teil ihrer Kindheit verbracht, und ja, die Frage, warum ausgerechnet dieses großartige Land in Sachen Rechtspopulismus führend ist, lässt uns auch aus diesem Grund nicht los.

Und das ist – dies als Nachtrag für die zweite Auflage dieses Buches – im Jahr 2020 noch immer so. Die Schizophrenie ist sogar noch offensichtlicher geworden. Die USA erleben ihr zehntes wirtschaftliches Boomjahr in Folge. Das kalte, autoritäre, ausgrenzende Denken aber greift weiter um sich. Im November 2016, kurz vor seinem Wahlsieg, lagen die Zustimmungswerte für Donald Trump bei 37 Prozent. Heute, nach drei Jahren Lügenmarathon, Idiotie, Hetze, ja sogar Aufruf zu Gewalt gegen Andersdenkende, liegen sie bei 43 Prozent. Die Zahl der Hassverbrechen in den USA steigt an, seit Donald Trump in den Wahlkampf zog. Noch einmal: Wir müssen diese Schizophrenie besser verstehen. Und das gilt auch für Deutschland, inzwischen ebenfalls in seinem zehnten wirtschaftlichen Boomjahr – im Osten wie im Westen. Trotzdem entstehen immer tiefere Gräben. Gräben? Ach was, Abgründe. Bei den rechtspopulistischen Wählern stehen 70 Prozent Männer 30 Prozent Frauen gegenüber. Bei der Europawahl im Mai 2019 kam die AfD in den westlichen Bundesländern auf unter neun Prozent der Stimmen – in den östlichen Bundesländern auf das 2,5-fache. Das 2,5-fache! Schaut man noch genauer hin, so erreichte die AfD bei den unter 25-Jährigen in den westlichen Bundesländern um die vier Prozent. Für die Wähler dieser Altersgruppe ist sie dort eine Splitterpartei. In den östlichen Bundesländern dagegen war sie bei den Jungwählern zumeist die beliebteste Partei. Fünfmal häufiger gingen hier die Stimmen nach rechts außen. Fünfmal häufiger. Die Landkarte ist aber noch krasser: Bei den weiblichen Wählerinnen in den westlichen Bundesländern kommt die AfD gerade einmal auf 2,9 Prozent. Bei den ostdeutschen Männern zwischen 45 und 60 Jahren auf 32,4 Prozent. Auf elfmal so viel.* Um diese Zahlen besser zu verstehen, habe ich dieses Buch geschrieben. Dass der Blick auf die äußeren Umstände dafür nicht ausreicht, auch das haben die letzten Jahre bestätigt. Nach der aufwendig durchgeführten Studie »Die andere deutsche Teilung« aus dem Jahr 2019 gibt es keinen einzigen äußeren Faktor, der erklären könnte, woher dieser Graben kommt. Alle sozioökonomischen Indikatoren greifen zu kurz – von Einkommen über Beruf, Schichtzugehörigkeit, Erwerbsstatus bis hin zu Bildungsniveau. Die einzige erklärende Variable findet sich bei Persönlichkeitsfaktoren. Rechtspopulistisch Geneigte stammen aus Gruppen mit den immer gleichen Persönlichkeitsmerkmalen: Wut, Angst und einem diffusen Gefühl von Enttäuschung. Wo kommen diese Gefühle her? Äußere Faktoren jedenfalls können sie nicht erklären.** Dies ist deshalb weder ein Buch über einzelne Länder noch über bestimmte Personen oder Politiker. Die Geschichte, um die es mir geht, dreht sich um die Kinder – und die Kindheiten, die sie erleben. Wollen wir aus dieser Krise unserer Gesellschaften etwas lernen, so darf uns diese Geschichte nicht loslassen: Wie gehen wir mit denen um, die unserer Macht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind?

2 JE HÄRTER DIE KINDHEIT, DESTO HÄRTER DIE POLITIK Landkarten der kindlichen Not

Ich habe Freunde, die ihr Unternehmen verlassen, um mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, da kann ich nur sagen: Moment mal! Meine Kinder würden mich nicht noch mehr lieben, auch wenn ich fünfzehn Mal mehr Zeit mit ihnen verbringen würde.30

Donald Trump

Nachdem wir uns den autoritären Motor des Rechtspopulismus angesehen haben, müssen wir uns fragen: Wie kommt er unter die Motorhaube? Wie entstehen autoritäre Haltungen und Gesinnungen? Denn wenn das erste Kapitel eines gezeigt hat, dann das: Wenn man die äußeren Bedingungen betrachtet, kommt man dem Rechtspopulismus nicht bei. Welche Einflüsse wir auch betrachten – sei es der Bildungsstand, der Ehestand oder der berufliche Status –, sie können nicht ausreichend erklären, warum der eine bei Pegida mitmarschiert, die andere aber gegen Pegida demonstriert. Tatsächlich können Politikwissenschaftler bis heute keinen »typischen« AfD-Wähler beschreiben – es mag die typische Wählerin der Grünen geben, den typischen Anhänger der FDP oder auch der SPD. Aber vom AfD-Anhänger lässt sich eigentlich nur sagen, dass er wahrscheinlich ein Mann ist. Und ab da wird es richtig bunt – da trifft man auf Arbeitslose, Facharbeiter, ehemalige DDR-Bürgerrechtler, Altkommunisten, auf Biobauern, hochwohlgeborenen Adel, die ganze gesellschaftliche Besetzung eben.

Die Suche nach dem Wurzelgrund des Rechtspopulismus beginnen wir am besten, indem wir uns zuerst einige Landkarten anschauen. Diese haben es in sich.

Rätselhafte Landkarten in den USA

Die erste Landkarte, auf die ich eingehen will, bildet die GewalterfahrungenUS-amerikanischer Kinder ab. Und zwar die Gewalterfahrungen, welche die Kinder im Rahmen ihrer Erziehung machen. Wer hier stutzt, sei daran erinnert, dass in den USA die körperliche Züchtigung von Kindern Teil desnormalen erzieherischen Betriebs ist, sie ist nur in einem einzigen Bundesstaat verboten (nämlich in Minnesota, wobei auch da die Auslegung des Gesetzestextes umstritten ist). Die US-amerikanischen Erwachsenen (die Kinder wurden nicht gefragt) finden das auch mehrheitlich in Ordnung: Bis heute stimmen in repräsentativen Umfragen mehr als siebzig Prozent der amerikanischen Bevölkerung folgender Aussage zu: »Manchmal ist es nötig, ein Kind mit ein paar guten, harten Schlägen zu disziplinieren.«31 Kein geringerer als Trumps ehemaliger Berater Stephen Bannon, der nach seinem Abgang aus dem Weißen Haus angekündigt hat, den Präsidenten weiterhin zu unterstützen, hält Prügelstrafen für die beste Methode, um Kinder mit psychischen Problemen zu behandeln. Man sollte solchen Kindern einfach öfter den Hintern versohlen: »I’ve got a cure for mental health issue[s]. Spank your children more.«32

Dass das nicht nur ein theoretisches Bekenntnis ist, zeigen die Daten. Werden drei- bis elfjährige US-amerikanische Kinder zu ihren Erfahrungen mit Strafen befragt, so geben drei Viertel von ihnen an, dass sie von ihren Eltern geschlagen wurden. Ein Drittel berichtet, dass die Eltern dabei einen Gegenstand verwendet hätten.33

Die Gewalt macht dabei auch vor den ganz Kleinen nicht Halt. In einer repräsentativen Umfrage unter US-amerikanischen Eltern von Dreijährigen berichtete die Mehrheit der Mütter, ihr Kind mindestens einmal in dem Monat vor dem Interview geschlagen zu haben.34 Diese Statistiken bedeuten nicht, um einem möglichen Missverständnis gleich zuvorzukommen, dass in den USA nicht auch wunderbare Kindheiten möglich sind – sie sind es. Diese Zahlen belegen nur eines: dass viele Kinder in den USAhäufig, intensiv und systematisch von ihren Eltern geschlagen werden. Oder, wie es der Erziehungswissenschaftler Michael MacKenzie von der Columbia-Universität ausdrückt: »Spanking remains a typical rearing experience for American children.« Bei amerikanischen Kindern stellen Schläge also nach wie vor eine »typische Erziehungspraxis« dar.

Wobei hier zu ergänzen wäre, dass in den USA auch unabhängig von direkter körperlicher Züchtigung ein kontrollierender, strenger Erziehungsstil weit verbreitet ist, der auch emotionale Gewalt teilweise mit einschließt, gerade gegenüber sehr kleinen Kindern. Babys schreien zu lassen und sie auf diese Weise etwa in den Schlaf zu zwingen, gehört zum Beispiel in weiten Teilen der US