Es ist egal, wo du herkommst! - Dawid Przybylski - E-Book

Es ist egal, wo du herkommst! E-Book

Dawid Przybylski

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Beschreibung

Wie werde ich erfolgreich und finanziell unabhängig? Wie nutze ich Hindernisse, um an ihnen zu wachsen? Wie treffe ich die richtigen Entscheidungen? Als Kind nach Deutschland eingewandert, aufgewachsen in einem »sozialen Brennpunkt«, schon im Studium die erste eigene Firma gegründet und heute Millionär: Unterhaltsam und temporeich erzählt Dawid Przybylski seine persönliche Lebens- und Erfolgsgeschichte. In seinem Buch verbindet er individuelle Erfahrungen mit professionellem Insiderwissen aus dem Onlinemarketing und präsentiert damit vielseitig anwendbare Learnings aus den Bereichen digitale Transformation, Management, Teamgeist, Investition, Entscheidungsfindung und Selbstreflexion. Seine Devise: Beruflicher Erfolg und finanzielle Freiheit sind keine Frage der Herkunft, sondern des persönlichen Mindsets.

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DAWID PRZYBYLSKI

ES IST EGAL, WO DU HERKOMMST!

Wie ich durch Onlinemarketing zum Millionär wurde

CAMPUS VERLAG

FRANKFURT/NEW YORK

Über das Buch

Wie werde ich erfolgreich und finanziell unabhängig? Wie nutze ich Hindernisse, um an ihnen zu wachsen? Wie treffe ich die richtigen Entscheidungen? Als Kind nach Deutschland eingewandert, aufgewachsen in einem »sozialen Brennpunkt«, schon im Studium die erste eigene Firma gegründet und heute Millionär: Unterhaltsam und temporeich erzählt Dawid Przybylski seine persönliche Lebens- und Erfolgsgeschichte. In seinem Buch verbindet er individuelle Erfahrungen mit professionellem Insiderwissen aus dem Onlinemarketing und präsentiert damit vielseitig anwendbare Learnings aus den Bereichen digitale Transformation, Management, Teamgeist, Investition, Entscheidungsfindung und Selbstreflexion. Seine Devise: Beruflicher Erfolg und finanzielle Freiheit sind keine Frage der Herkunft, sondern des persönlichen Mindsets.

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Inhalt

Impressum

MEINE GESCHICHTE:VON POLEN NACH PLETTENBERG ZUM EIGENEN PORSCHE

»Du musst nicht spitze sein, um anzufangen. Aber du musst anfangen, um spitze zu werden.«

Zig Ziglar

»Ich würde den umbringen!« Mein sonst eher ruhiger Vater war außer sich, als ich eines Tages vom Sport nach Hause kam. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass nur ein paar Blocks weiter ein Wohnungseinbruch passiert war. Die Bewohner lebten immer mal wieder zwei bis drei Monate im Ausland. Das wussten alle in unserem Viertel. Irgendwer hatte ihre Abwesenheit genutzt, die Wohnung durchwühlt und Wertgegenstände wie den Fernseher und andere Geräte mitgehen lassen. Nein, nicht »irgendwer«. Ich musste schlucken, denn ich wusste ziemlich genau, was abgelaufen war. Zwei Tage zuvor hatte ich selbst in dem Haus gestanden, mit meinen Kumpels Murat, Jakub, Anton, Ünal, Deniz, Roman und Luki.1 Das war die letzte in einer langen Reihe von Mutproben, in der wir, eine Gang von ungefähr zehn Jungs aus aller Herren Länder, einen Nervenkitzel nach dem anderen suchten. Wir sprangen zum Beispiel im Gewerbegebiet von Flachdach zu Flachdach. Der Absturz aus über 15 Metern hätte den Tod bedeuten können, mindestens den Rollstuhl. Wir knackten den Cola-Automaten in der Eingangshalle eines Bürogebäudes und schafften es, vor der Polizei davonzurennen. Unsere »Beute«: eine Dose Cola pro Nase. Und so weiter. Alles ziemlich bescheuert und sicher grenzwertig, aber eher ein Jungenstreich als schwer kriminell.

Der Moment, der mein Leben veränderte

Dann kam der Tag, an dem einer von einer »geilen Sache« schwafelte und ich mich plötzlich in diesem Hausflur wiederfand. Und in einem lichten Moment aus dem allgemeinen Testosteron-Nebel auftauchte und erschrocken feststellte: »Ey, das hier ist Einbruch.« Ich drehte auf dem Absatz um, nachdem ich verkündet hatte: »Ich komme nie wieder!« Bis heute denke ich, das war einer der wichtigsten Momente in meinem Leben. Ein life-changing event, wie man neudeutsch sagt. Ich war 13 Jahre alt und lebte seit meinem fünften Lebensjahr in Plettenberg, einem Städtchen im Sauerland, das sich heute als die Vier-Täler-Stadt vermarktet. Das Plettenberg meiner Kindheit war weniger idyllisch – ein Vorort, der diplomatisch als sozialer Brennpunkt umschrieben wurde. Von den vielen Kindern, die in unserer Straße lebten, waren vielleicht 5 Prozent in Deutschland geboren. Die übrigen: Türken, Serben, Kroaten, Iraner oder Polen. Ich fand das spannend, auch wenn der Umgangston rau war und Prügeleien zum Alltag gehörten – schon, weil Serben und Kroaten sich gerade »zu Hause« im ehemaligen Jugoslawien einen blutigen Krieg lieferten. Meine Familie hatte es aus Polen hierher verschlagen. Meine Mutter, mein Bruder und ich durften 1984 als Spätaussiedler ausreisen, denn meine Großmutter mütterlicherseits war Deutsche. Mein Vater war bereits zwei Jahre zuvor aus seinem kommunistischen Heimatland geflüchtet. Ihn hatte eine Arbeitsstelle nach Plettenberg geführt. Drei Wochen verbrachte ich mit meiner Mutter und meinem Bruder in den Durchgangslagern Friedland und Unna Massen. Dann waren die bürokratischen Hürden genommen und unsere Familie war wieder vereint.

Was mich geprägt hat

Auch wenn sich das jetzt merkwürdig anhört: Ich hatte eine glückliche Kindheit. Meine Eltern kümmerten sich um uns Kinder. Ihre größte Verfehlung bestand aus meiner damaligen Sicht darin, mich mit zehn Jahren unbedingt aufs Gymnasium schicken zu wollen – eine Episode, die ich dank chronischer Lernfaulheit schnell beenden konnte. Mein älterer Bruder und ich hielten zusammen und fanden schnell Freunde. Ich lernte nicht nur Deutsch, sondern konnte bald auch ein paar Brocken Türkisch und Kroatisch. Bei uns war immer was los, und ich bekam schon im Grundschulalter mit, wie unterschiedlich Menschen ticken. Und dass man mit den meisten gut auskommen kann, wenn man sie einfach akzeptiert, wie sie sind. Ich hatte sozusagen eine Multikulti-Kindheit, bevor das Wort Multikulti überhaupt erfunden war– nur eben nicht auf einer internationalen Privatschule mit anderen Akademikerkindern, sondern völlig kostenlos auf der Straße direkt vor unserem Wohnblock. Bis heute kann ich mich schnell auf andere Menschen und Kulturen einstellen. Ich denke sogar darüber nach, einen Zweitwohnsitz in Dubai zu haben, wo ich bereits einen Teil des Jahres lebe. Ich habe keine Scheu, auf Menschen zuzugehen, egal wie sie aussehen oder wie sie angezogen sind. Das hat mir im Business schon oft geholfen.

Im Rückblick war meine Kindheit eine Schulung in Mut und Durchsetzungskraft. Wer sich gegen den Anführer seiner Jugendbande behauptet hat, den kann kein noch so anspruchsvoller Kunde mehr schrecken. Meine Kumpels aus der Mutproben-Zeit sitzen heute zum Teil im Knast. Einer verdient sein Geld als Zuhälter. Warum ich eine andere Richtung eingeschlagen habe, mit dem Umweg über das Gymnasium und die Realschule doch noch Fachabitur machte, studierte und schon im Studium mein erstes richtiges Business gründete? Ich bin sicher: alles Einstellungssache, eine Frage des Mindsets. Und dieses Mindset entsteht schon sehr früh, wie ich heute weiß.

Der Held meiner Kindheit war mein polnischer Großvater, bei dem ich regelmäßig die Sommerferien verbrachte – für mich wie für die meisten Kinder die beste Zeit des Jahres und ein echtes Kontrastprogramm zum Plettenberger Alltag. Mein Großvater hatte ein Transportunternehmen. Mit seinem Lastwagen transportierte er so gut wie alles, was von A nach B musste: Holz, Kohle, Sand, Baumaterial, Möbel … Diese Form der Selbstständigkeit erlaubte das kommunistische Polen gerade noch. Ich war in den Ferien immer dabei, half mit und lernte auf diese Weise viel über Geld und über Verhandeln. Mein Opa war jeden Morgen früh auf und hatte alles im Griff. Er besaß ein großes Netzwerk und gehört zu den fleißigsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Noch heute, mit 95 Jahren, spielt er Fußball mit meinen Söhnen, wenn wir ihn und meine Oma in Polen besuchen. Von meinem Großvater habe ich gelernt, hart zu arbeiten, und vor allem, wie man Geschäfte macht. Auch mein Vater arbeitete hart in einem Stahlwerk und schlug sich zusätzlich die Nächte um die Ohren, weil er auf eine Selbstständigkeit als Unternehmensberater hinarbeitete. Er übte diesen Beruf einige Zeit aus, nahm nach Krankheit und Reha-Maßnahme jedoch wieder eine Festanstellung als Fahrer für Gefahrguttransporte an. Das Unternehmertum liegt bei uns sozusagen in der Familie und man kann gar nicht früh genug damit anfangen. Schon in der Grundschule verkaufte ich mein altes Spielzeug auf dem Flohmarkt und verdiente Geld mit kleinen Fahrradreparaturen. Mein Umfeld war daran nicht unschuldig: Denn hätte ich das auch gemacht, wenn es jede Woche ein fettes Taschengeld gegeben hätte? Wahrscheinlich nicht.

Zu Besuch bei den Großeltern

in Polen

Es ist egal, wo du herkommst!

Vor einer kriminellen Karriere gerettet hat mich vermutlich auch, dass mein Vater den Arbeitsplatz wechselte, als ich 15 war. Wir zogen nach Ahlen/Westfalen, ich wechselte die Schule und verlor auf einen Schlag alle meine Freunde. Plötzlich fand ich mich in einem gutbürgerlichen Milieu wieder. Ich war immer gut in Sport und wurde an der Ahlener Realschule bald gefragt, ob ich nicht im Fußballverein mitspielen wolle. Bald darauf war ich auch im Tischtennisverein. Sport liegt bei uns ebenfalls in der Familie. Mein Vater war sogar mal polnischer Vizemeister im Boxen bei den Junioren. Meine gerade Nase habe ich allein der Tatsache zu verdanken, dass er mir das Boxen als Jugendlicher einfach verbot. Dabei wäre das in Plettenberg ziemlich nützlich gewesen. Jedenfalls war ich in Ahlen auf einmal zu Freunden eingeladen, bei denen zu Hause zwei Autos in der Garage standen, manchmal sogar drei – für Vater, Mutter und die ältere Schwester. Statt in einer Etagenwohnung lebten diese Freunde in Häusern mit Garten. Mindestens einmal im Jahr reisten die Familien in den Urlaub. Meist flog man dafür in irgendwelche Länder, in denen die Sonne offenbar immer schien. Mir war schnell klar: So will ich auch leben! Mein Ehrgeiz war geweckt, auch das ein wichtiger Mindset-Faktor. Ohne das Kontrastprogramm in Plettenberg hätte ich es sicher langsamer angehen lassen. Und auch, wenn ich es mit 15 Jahren noch nicht so klar ausdrücken konnte wie heute, habe ich die Schlussfolgerung intuitiv damals schon gezogen: Wie ich lebe, hängt davon ab, was für Ziele ich mir setze. Und um diese Ziele zu erreichen, muss ich was dafür tun. Die anderen Jungen im Fußball- oder Tischtennisverein oder später im WingTsun-Verein (Selbstverteidigung), sind nicht besser und nicht schlauer als ich. Warum sollte ich nicht erreichen, was sie erreichen?

Was dich in diesem Buch erwartet

In den folgenden Kapiteln erfährst du noch ein bisschen mehr über meine abenteuerliche Kindheit, meine Lehren daraus und darüber, was ich über erfolgreiches Business gelernt habe. Doch eines kann ich dir jetzt schon sagen: Entscheidend im Leben ist nicht, wo du herkommst. Entscheidend ist, wo du hinwillst. Meine Story ist der beste Beweis dafür. Dass ich heute Millionen verdiene und sorgenfrei leben kann, wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Meine Grundschullehrerin wäre wahrscheinlich schon zufrieden gewesen, wenn ich irgendeine Lehre nicht nur angefangen, sondern auch abgeschlossen hätte und danach in einem passenden Job gelandet wäre – anders als meine Kumpel, die ihre Vorstellung, ohne viel Anstrengung ganz viel Kohle zu machen, ins Gefängnis führte. Der Traum meiner Eltern hingegen war, dass ich das Abi schaffe, studieren gehe und mir einen »sicheren Arbeitsplatz« in einer »guten Firma« suche. In ihrer Vorstellung war das ein Job, bei dem ich mir nicht mehr die Hände schmutzig machen müsste wie mein Vater und mein Großvater. Beides wären respektable Lebensläufe gewesen. Die Frage ist nur: Ist das wirklich alles, was möglich ist?

Ich bin überzeugt, es ist mehr drin, für jeden von uns. Auch für dich. Mich machte ein erfolgreiches Online-Business zum Millionär. Um mein Unternehmen groß zu machen, habe ich jahrelang extrem viel gearbeitet. Meine Begeisterung für das Internet und die enormen Möglichkeiten, die es gerade im Marketing bietet, ließ mich auch in harten Zeiten durchhalten. Worauf es meiner Erfahrung nach ankommt, wenn du dir mehr vom Leben versprichst, als deine Eltern dir raten, und was ich in den letzten 20 Jahren über Erfolg gelernt habe, verrate ich dir in diesem Buch. Dass ich mir mit 30 einen Porsche Carrera 4S Cabrio leisten konnte, ist dabei nur eine Randnotiz. Ich habe den Wagen längst verkauft, weil er ohnehin die meiste Zeit in der Garage stand. Zeitweise besitze ich gar kein Auto, sondern leihe mir einfach eins, wenn ich es brauche. Viel wichtiger ist mir meine finanzielle Freiheit, und das heißt: leben zu können, wo und wie ich will. Und wenn für dich ein Porsche zu diesem Lebensmodell gehört oder ein eigenes Boot oder auch der Luxusurlaub auf den Malediven, dann ist das völlig in Ordnung. Doch die Hauptsache ist, dass du jeden Tag das Leben führst, das du dir erträumst.

Unsere Wohnung in Polen

WIE ALLES ANFING: DIE VORTEILE EINER GETTO-JUGEND

»Im Leben kommt es nicht darauf an, ein gutes Blatt in der Hand zu haben, sondern mit schlechten Karten gut zu spielen.«

Robert Louis Stevenson

Multikulti-Schule: Wenn deine Freunde fünf verschiedene Sprachen sprechen

An meinen ersten Schultag erinnere ich mich noch wie heute. Wir – meine Mutter, mein zwei Jahre älterer Bruder und ich – lebten erst seit einigen Monaten bei meinem Vater in Deutschland. Ich dachte, redete und träumte natürlich polnisch. Das war meine Muttersprache, auch wenn meine Oma väterlicherseits aus Ostpreußen stammte und somit Deutsch konnte. Zu Hause in Polen hatte sie mir ein paar aus ihrer Sicht nützliche Vokabeln beigebracht: »Bleistift«, »Lineal« und so weiter. Und so fand ich mich eines Tages auf dem Schulhof der Grundschule Oestertal in Plettenberg wieder, umgeben von lauter lärmenden Kindern, denen ich bestenfalls den Inhalt meines Schulranzens hätte erklären können. Ansonsten verstand ich – Bahnhof. Dass sich hier keiner für ein Gespräch über Bleistifte und Lineale interessierte, war mir sonnenklar. Ich brach in Tränen aus.

Nichts ist so schlimm, wie es aussieht

Doch der Reihe nach. Eines grauen Montagmorgens lieferten meine Eltern mich in der Schule ab. Das erste Schuljahr hatte bereits seit einigen Wochen begonnen, es war also höchste Zeit. Weshalb ich durch das Netz der regulären Einschulungstermine rutschte, weiß heute niemand mehr. Meine Eltern hatten vermutlich Dringenderes zu tun gehabt, als sich nach den Anmeldefristen der Schulbehörde zu erkundigen. Auf dem Weg zu seiner Arbeit im Stanzwerk einer Stahlfirma stoppte mein Vater das Auto vor dem Schultor. Er und meine Mutter nahmen mich an die Hand und machten sich auf die Suche nach meiner Klassenlehrerin. Als diese gefunden war, wurde ich ihr ohne viel Aufhebens übergeben, und ehe ich bis drei zählen konnte, waren meine Eltern verschwunden. Nach Hause käme ich später mit dem Bus, hatten sie mir versichert, denn mit dem Auto musste mein Vater zur Arbeit am anderen Stadtende von Plettenberg.

Die Lehrerin, nennen wir sie Frau Müller, war eine resolute Frau. Sie nickte mir zu, lächelte kurz und sagte etwas wie: »Dann zeige ich dir mal deine Mitschülerinnen und Mitschüler.« Vermute ich jedenfalls, denn sie nahm mich bei der Hand, führte mich auf den Schulhof und ließ mich dort stehen. Da stand ich nun und dachte mit wachsender Verzweiflung: »Was mache ich hier bloß?« Schließlich kamen mir die Tränen. Doch Rettung nahte. Zuerst kam ein Mädchen auf mich zu und begrüßte mich mit »Witaj!« – Polnisch für »Hallo, herzlich willkommen«. Ich starrte sie an wie eine Außerirdische und fragte: »Du sprichst polnisch?« Es stellte sich heraus, dass Lena mit drei Jahren aus Polen nach Deutschland gekommen war und inzwischen fließend Deutsch sprach. Und bevor ich mich von meinem freudigen Schrecken erholt hatte, stieß Murat zu uns, ein türkischer Junge, der der beste Freund meiner Grundschulzeit werden sollte. Irgendwie gab er mir zu verstehen, dass wir uns doch kennen würden, weil wir im selben Stadtteil wohnten. Dieses »Du wohnst doch bei uns« reichte offenbar, um mich unter seine Fittiche zu nehmen. Dann ertönte die Schulklingel und ich trottete hinter Lena und Murat her ins Klassenzimmer. Der Rest des Vormittags ist aus meinem Gedächtnis verschwunden – vermutlich, weil ich ohnehin nichts verstand. Irgendwann durften wir etwas malen, und das konnte ich. Ein winziger Funke Hoffnung glühte auf, dass ich das hier vielleicht doch schaffen würde.

Übungen in Selbstständigkeit

Ich weiß nicht, wie ich ohne Murat zur Bushaltestelle und damit wieder nach Hause gefunden hätte. Meine Eltern vertrauten offenbar darauf, dass ich das irgendwie hinbekommen würde. Schon in Polen war ich schließlich zusammen mit meinem Bruder viel allein gewesen. Meine Mutter arbeitete als Buchhalterin und kam unter der Woche gegen 17 Uhr nach Hause. Mein Vater war zu der Zeit bereits in Deutschland und meine Mutter musste für unseren Lebensunterhalt sorgen. Den Weg vom Kindergarten zu unserer Wohnung fand ich allein, ich hatte einen Schlüssel und ließ mich selbst herein. Stundenlang beschäftigte ich mich damit zu malen – etwas, das ich mir von meinem Vater abgeguckt hatte. Und dann gab es ja noch meinen zwei Jahre älteren »großen« Bruder, mit dem ich ab und zu spielen konnte, wenn er Lust hatte, sich mit mir »Baby« abzugeben.

Vergleiche ich meine Einschulung mit der meiner Kinder oder der von Kindern, die ähnlich behütet aufwachsen, könnte der Unterschied kaum größer sein. Es gibt heute nicht nur Schultüten und festliche Begrüßungsfeiern in der Schul-Turnhalle, sondern Glückwunschanzeigen stolzer Großeltern im Lokalteil der Zeitung, ein gemeinsames Essen im Lieblingsrestaurant mit Patentante oder -onkel, Oma und Opa und wer sonst noch Platz findet. Es gibt schicke neue Klamotten und jede Menge Gratulationen zum großen Tag. Es wird viel Aufhebens um kleine Prinzen und Prinzessinnen gemacht, und ich gönne es ihnen von Herzen. Manchmal beschleicht mich allerdings der Gedanke, ob das alles nicht ein bisschen viel ist. Und so krass mein erster Schultag im Vergleich dazu wirkt: So schlimm war es dann doch nicht. Vielleicht verkläre ich es im Nachhinein, aber nach dem ersten Schock ging es in der Schule ziemlich schnell bergauf für mich. Ich hatte schon am ersten Tag einen besten Kumpel gefunden, der mich auch außerhalb der Schule mit in seine Clique nahm. Deutsch lernte ich rasch, denn das war die einzige Sprache, in der wir Kinder auf der Straße vor unserer Wohnung uns alle verständigen konnten. Und sowohl unsere Schulklasse als auch unsere Straßengang waren so bunt gemischt, dass sich keine ethnischen Untergruppen bildeten. Im Grunde hatte mein erster Tag meine Zuversicht geweckt, dass es irgendwie immer weiter geht, auch wenn es mal düster aussieht.

Hinzu kommt: Meine Eltern waren weder gleichgültig noch gar herzlos, auch wenn ihr Verhalten so wirken mag in einer Zeit, in der viele Kinder jeden Morgen bis vor das Schultor kutschiert, dort pünktlich wieder mit dem Auto abgeholt und überhaupt so weit wie möglich von negativen Erfahrungen abgeschirmt werden. Dass Kinder allein zurechtkommen müssen, war in unserem Milieu gang und gäbe. Und selbst Freunde, die ihre eigenen Kinder heute sehr behüten, erzählen gern, dass sie selbst als Kinder nach dem Mittagessen oder nach den Hausaufgaben mit den Worten »Geh raus, spielen. Und um sechs bist du wieder zu Hause« in die unbeaufsichtigte Freiheit entlassen wurden. Dabei bekommen sie oft glänzende Augen, um dann von ihren Abenteuern mit anderen Kindern zu berichten. Die waren nicht immer ungefährlich, doch die Eltern bekamen Gott sei Dank nichts davon mit.

Alltag in der »Brennpunktschule«

In meiner Klasse versammelten sich Kinder aus vieler Herren Länder. Ihre Eltern waren Kurden, Türken, Serben, Bosnier, Iraker. Deutsche Kinder waren in der Minderheit, aber es war noch nicht die Zeit, in der besorgte Eltern in ein anderes Stadtviertel zogen oder eine Privatschule bezahlten, damit ihre Kinder nicht auf eine so genannte Brennpunktschule gehen müssen – mit der Folge, dass praktisch kein Kind in der Klasse Deutsch spricht. In unserer Klasse mischten sich auch soziale Klassen. So lernte ich schnell, dass andere Menschen nicht nur anders aussehen, schwarzhaarig statt blond sind und nicht so winterbleich wie der typische Westfale, sondern dass sie in manchen Dingen auch anders ticken. Meine türkischen Freunde beispielsweise bekamen sehr oft Ärger, weil sie nie zuhörten und Unsinn machten. Das endete immer mit Geschrei, weil sie einfach keinen Respekt vor der Lehrerin hatten. Auf der anderen Seite ist mir unvergesslich, wie oft ich bei vielen südländischen Freunden mit den Eltern im Wohnzimmer saß, mitessen durfte und hier alle dem Vater und der Mutter zuhörten, wogegen in nordeuropäischen Familien die Kinder häufig ins Kinderzimmer abschoben wurden. Auf dem Schulhof teilten eher die ärmeren ausländischen Kinder etwas mit mir, während die reicheren dich kaum beachteten und fast immer geizig waren. Damals warst du mit einer Capri-Sonne der König der Pause, und auf dem Schulhof ging es ruppig zu.

Frau Müller wusste mit all dem umzugehen. Sie konnte einschätzen, wer klare Ansagen brauchte, weil er diesen Ton von zu Hause gewohnt war, und wer schon auf einen strengen Blick reagierte. Ohne ihre laute Stimme, ihre unerschütterliche Ruhe und ihr resolutes Auftreten wäre sie verloren gewesen bei einer Klasse von etwa 25 Schülern und Schülerinnen aus aller Herren Länder. Im schlimmsten Fall parkte sie Störenfriede für den Rest der Stunde vor der Klassentür. Auch die Ankündigung, beim nächsten Vorfall den Vater einzubestellen, wirkte besonders bei türkischstämmigen Jungen Wunder. Frau Müllers Motto war »Hart, aber herzlich«, sie ließ uns nichts durchgehen, aber sie kümmerte sich auch. Als ich mich anfangs noch mit dem Deutschen abmühte, nahm sie mich beiseite: »Dawid, du musst lesen, lesen, lesen!« Gleichzeitig gab sie mir zu verstehen, dass sie keinen Zweifel hatte, dass ich das alles packen würde. Am Ende lernte ich mehr von meinen Kumpeln auf der Straße als aus Büchern, aber ihr Interesse tat mir gut.

Der Ehrgeiz meiner Eltern

Meine Eltern sprachen zu Hause Polnisch miteinander und taten sich schwer, mir bei den Hausaufgaben zu helfen. Während mein Vater im Stahlwerk als Arbeiter schuftete, stand meine Mutter jetzt in Deutschland am Fließband in einer Fabrik, die Tankpistolen und Zubehör für Tanksäulen herstellte. Nach acht Stunden gleichförmiger Qualitätskontrolle am Band (sie prüfte, ob die fertigen Pistolen fehlerfrei waren) wartete der Haushalt auf sie. Beide waren abends kaputt von ihrem harten Tag. Beide hatten deutlich besser qualifizierte Berufe in Polen aufgegeben, um das Land zu verlassen. Mein Vater hatte dort bei der Musterungsbehörde der polnischen Armee gearbeitet, meine Mutter in der Buchhaltung einer Baustoff-Firma. In Deutschland fingen sie ganz unten an, in schlecht bezahlten Jobs für »Ungelernte«. Beide ließen keinen Zweifel daran, wie wichtig Bildung ist. Du musst lernen! Nur mit einer guten Ausbildung bekommst du später einen guten Job und hast ein gutes Leben! Weil mir das Lernen leichtfiel, insbesondere in Rechnen und Sachkunde, schickten sie mich nach der vierten Klasse gegen meinen Willen aufs Gymnasium – auch gegen die Empfehlung der Grundschule, die mich auf der Realschule besser aufgehoben sah. Viel lieber wäre ich meinen Kumpels auf die Hauptschule gefolgt.

Am Sankt-Ursula-Gymnasium in Attendorn machte ich zum ersten Mal die Erfahrung, dass ich mich wirklich dauerhaft anstrengen musste, um mitzukommen. Meine Mitschüler schafften scheinbar mühelos, wofür ich permanent üben und ackern musste. Darauf hatte ich keine Lust. Meine Noten wurden immer schlechter, auch wenn ich die Versetzung in die sechste Klasse gerade so geschafft hätte, nicht zuletzt dank der geduldigen Nachhilfe von Schwester Angela, einer waschechten Nonne im Nachhilfeinstitut »Silentium«. Meine Eltern lenkten schließlich ein und ließen mich in den Realschulzweig von Sankt Ursula wechseln. Dort gehörte ich zu den guten Schülern der Klasse, ohne viel dafür tun zu müssen. Vor allem Fächer wie Mathe, Physik, Kunst und Sport fielen mir leicht. Meist gelang es mir, mit einer Eins abzuschneiden, und das ohne jegliche Anstrengung. Nach der Realschule trat ich in die Fußstapfen meines Bruders und machte ein Fachabitur als Elektrotechnischer Assistent an der Eduard-Spranger-Schule in Hamm. Richtig anstrengen musste ich mich erst wieder zu Beginn meines Studiums, als ich mich in der ersten Mathematik-Vorlesung hilflos fragte, auf welchem Planeten ich mich die letzten zehn Jahre herumgetrieben hatte. Doch dazu später.

Milieufragen: Die Stadt meiner Kindheit damals und heute

Aus heutiger Sicht hatte ich es in meiner Schulzeit schwer und leicht zugleich. Schwer, weil ich mit einer Sprachbarriere startete und weil ich eben nicht aus einem Elternhaus kam, in dem mittags die Mutter mit dem Essen wartet, fragt: »Wie war es in der Schule?«, um nachmittags mit dem Kind Diktate zu üben und die Hausaufgaben zu kontrollieren. Leicht, weil der liebe Gott mich beim Verteilen der Intelligenz nicht vergessen hat und weil meine Mutter jederzeit für uns Kinder da war, wenn wir sie wirklich brauchten. Sie konnte nicht immer anwesend sein, aber sie ließ keinen Zweifel daran, dass sie uns liebte und unterstützte. Das gilt auch für meinen Vater, der allerdings mit seinem harten Arbeitsalltag in der Stahlfabrik und mit seiner Vergangenheit haderte. Die Ausreise aus dem kommunistischen Polen war ihm nur gewährt worden, weil er sich im Gegenzug verpflichtete, Berichte über den Alltag in Deutschland und potenziell militärisch relevante Fakten zu liefern, was immer das bei einem einfachen Arbeiter sein sollte. Mein Vater entzog sich dieser Pflicht, was zur Folge hatte, dass irgendwann offiziell aussehende Männer vor unserer Wohnungstür standen und im Auftrag des polnischen Staates nach seinem Aufenthaltsort fahndeten. Mein Vater tauchte bei Bekannten unter; wir behaupteten nicht zu wissen, wo er ist. Bis heute wird in unserer Familie über diese Lebensphase nicht gesprochen. Diese Umstände waren vielleicht mit schuld daran, dass mein Vater oft niedergeschlagen und unbeherrscht war und gelegentlich mehr trank, als ihm guttat. Das ohnehin knappe Geld wurde dadurch noch knapper. Schon als Kind lernte ich, wie es sich anfühlt, wenn am Ende des Geldes noch ziemlich viel Monat übrig ist. Gleichzeitig hat mich mein Vater vieles gelehrt, etwa malen und zeichnen, und war mit seinen vielseitigen Interessen ebenfalls ein Vorbild für mich. Er spielt zum Beispiel mehrere Instrumente, darunter Akkordeon und Keyboard und schreibt in seiner Freizeit Gedichte, die auf verschiedenen Webseiten publiziert werden.

Deine Herkunft ist nicht dein Schicksal

Ich bin zwiespältig, wenn ich heute lese, Kinder aus bestimmten Milieus hätten keine Chance und Armut würde vererbt – schließlich bin ich selbst ein Gegenbeispiel. Was mir allerdings geholfen hat, ist, dass in unserer Familie traditionelle Werte wie Fleiß, Disziplin, Zielstrebigkeit, Ehrlichkeit vorgelebt wurden. Ich hatte keine Eltern, die morgens nicht aus dem Bett kommen, sich nach Jahren der Arbeitslosigkeit aufgegeben haben und ihren Kindern vermitteln, es habe sowieso keinen Sinn, sich anzustrengen. Ich bin vielmehr im Glauben erzogen worden, dass Leistung sich lohnt, und ich glaube bis heute daran. Daran musste ich denken, als ich in der Vorbereitung für dieses Buch meinen alten Heimatort, das Viertel in Plettenberg, in dem ich aufwuchs, nach fast 30 Jahren wieder besuchte. In meinem Business braucht man ein Image-Video, und irgendwer kam auf die Idee, dafür auch meine Wurzeln im Bild einzufangen. Also machten die Filmcrew und ich uns auf den Weg. Ohne groß nachzudenken, hatte ich dafür einen Porsche Cayenne gemietet, weil das Equipment und vier Leute darin bequem Platz fanden. In Plettenberg Oesterau sorgte dieses Gefährt gelinde gesagt für Aufsehen. Das Viertel war früher schon nicht wohlhabend, heute ist es eine Katastrophe: Heruntergekommene Häuser, kaputte Elektrogeräte und alte Matratzen am Straßenrand, Müll überall. In einem Wohnblock zapften erkennbar Dutzende Bewohner über illegal gespannte Leitungen Strom aus einer Wohnung ab – ein Anblick, den ich bisher nur aus Reportagen über Entwicklungsländer kannte. Als wir mit unserem schwarzen Luxuswagen dort aufkreuzten, war die Atmosphäre feindselig. Wir wurden misstrauisch beäugt, und ich war insgeheim froh, mich mit Kampfsport auszukennen. Eine Frau sprach uns an: Ob wir nichts Besseres zu tun hätten, als wieder mal das Elend zu filmen? Ob wir denn nicht mal was Positives berichten könnten? Als ich antwortete: »Tun wir doch. Ich bin in dieser Straße aufgewachsen«, wollte sie mir nicht glauben und ging kopfschüttelnd davon.

Glaube nicht alles, was du denkst