Es lebe die demokratische Republik - Emma Herwegh - E-Book

Es lebe die demokratische Republik E-Book

Emma Herwegh

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Beschreibung

Erinnerungen an den Kampf für Freiheit und Demokratie 1848/1849 Die Buchreihe »Bibliothek der frühen Demokratinnen und Demokraten« feiert das Jubiläum der »Deutschen Revolution« von 1848 mit einem Auftaktband, der Emma Herweghs Bericht über das »Abenteuer« der »Demokratischen Legion« sowie ihre Korrespondenz mit anderen »Revolutionären« enthält. Diese Dokumente zeigen das Bild einer Frau, die ihr gesamtes erwachsenes Leben dem Kampf für die Demokratie gewidmet hat. Im Frühjahr 1848 trat Emma Herwegh als einzige Frau an der Seite von 850 Freiheitskämpfern in den Kampf. Die von Exilanten in Paris gegründete »Deutsche demokratische Gesellschaft«, als deren politischer Präsident ihr Mann Georg Herwegh gewählt wurde, gründete eine »Legion« und marschierte über Straßburg nach Deutschland, um den badischen Aufständischen um Friedrich Hecker zur Hilfe zu eilen. Das Ziel war es, im Großherzogtum Baden, wie es zuvor in Paris geschehen war, die demokratische Republik auszurufen. Das Unternehmen endete jedoch in einer vernichtenden Niederlage, und Emma und Georg Herwegh mussten, als politisch Verbannte und steckbrieflich gesuchte »Verräter«, wie schon in den Jahren zuvor im Exil leben. Von dort aus kämpften sie weiter für ein freiheitliches und demokratisches Deutschland und Europa. Die Buchreihe versammelt erstmals die Schriften, Biografien, Gedanken und Geschichten der frühen Demokrat*innen und würdigt sie. Der Fokus liegt auf den beiden Revolutionsjahren 1848/1849. Die ersten 5 von 16 Bänden erscheinen im Frühjahr 2023. Die einzigartige Bibliothek ist eine offizielle Kooperation mit der Paulskirchen-Stadt Frankfurt am Main.

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Seitenzahl: 202

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Edition PaulskircheEmma Herwegh

Es lebe die demokratische RepublikMit einem Vorwort von Elke HeidenreichHerausgegeben von: Jörg Bong, Ina Hartwig, Helge Malchow, Nils Minkmar, Walid Nakschbandi und Marina Weisband

Kurzübersicht

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Titelseite

Über Edition Paulskirche

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

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Über Edition Paulskirche

Bibliothek der frühen Demokratinnen und Demokraten

 

Herausgegeben von: Jörg Bong, Ina Hartwig,Helge Malchow, Nils Minkmar, Walid Nakschbandi und Marina Weisband

 

Idee und Konzeption: Jörg Bong

Projektleitung und Redaktion: Rüdiger Dammann

Gestaltung: Kurt Blank-Markard

 

In Kooperation mit:

In der Buchreihe »Bibliothek der frühen Demokratinnen und Demokraten« werden erstmals die Schriften, Biografien, Gedanken und Geschichten der frühen Demokrat*innen versammelt und gewürdigt. Im Zentrum stehen die beiden Revolutionsjahre 1848/1849. Die ersten 5 von 16 Bänden erscheinen im Frühjahr 2023. Die einzigartige Bibliothek ist eine offizielle Kooperation mit der Paulskirchen-Stadt Frankfurt am Main.

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Über dieses Buch

Der Auftakt einer einzigartigen Buchreihe zum Jubiläum der »Deutschen Revolution« von 1848: Emma Herweghs Bericht über das »Abenteuer« der »Demokratischen Legion« sowie ihre Korrespondenz mit anderen »Revolutionären« zeigen das Bild einer Frau, die ihr gesamtes erwachsenes Leben in den Dienst der Demokratie stellte.

Als einzige Frau an der Seite von 850 Freiheitskämpfern zieht die dreißigjährige Emma Herwegh im Frühjahr 1848 in den Kampf. Die in Paris von Exilanten gegründete »Deutsche demokratische Gesellschaft«, zu deren politischem Präsidenten ihr Mann, Georg Herwegh, gewählt wurde, gründet eine »Legion« und will über Straßburg nach Deutschland marschieren, um den badischen Aufständischen um Friedrich Hecker zur Hilfe zu eilen. Das Ziel: Im Großherzogtum Baden – wie es kurz zuvor, im Februar 1848, in Paris geschehen war – die demokratische Republik auszurufen.

Das Unternehmen scheitert in einer vernichtenden Niederlage, Emma und Georg Herwegh können knapp entkommen, müssen jedoch – als politisch Verbannte und steckbrieflich gesuchte »Verräter« – wie schon die Jahre zuvor im Exil verbringen. Von dort aus kämpfen sie »blitzeschleudernd« weiter, mit Wort und Tat, für ein freiheitliches und demokratisches Deutschland und Europa.

 

Emma Herwegh (1817–1904) kämpfte als einzige Frau an der Seite von 850 Freiheitskämpfern mit Wort und Tat für ein freiheitliches und demokratisches Deutschland. Die aufbegehrende Revolution 1848 scheiterte, woraufhin sie die Zeit bis zu ihrem Tod 1904 in Paris als als politisch Verbannte und steckbrieflich gesuchte »Verräterin« verbrachte.

 

Elke Heidenreich, geboren 1943, studierte Germanistik und arbeitete lange Jahre für Funk und Fernsehen, ehe sie sich für eine Weile zurückzog, um mehrere Bücher zu schreiben (Kolonien der Liebe, Der Welt den Rücken, Nero Corleone usw.). Seit 2012 ist sie Teil des Kritikerteams der Sendung Literaturclub des Schweizer Fernsehens SRF.

Inhaltsverzeichnis

Eine rabiate Republikanerin

»Liebe und Freiheit sind eins«

Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris – Von einer Hochverräterin (1849)

Im Interesse der Wahrheit

Vorwort

An das französische Volk!

Die Pariser deutsche demokratische LegionAn unsere deutschen Mitkämpfer aus Frankreich und der Schweiz und an das deutsche Volk.

Aus Briefen

Briefe von Michail Bakunin

Briefwechsel zwischen Georg und Emma Herwegh (1847)

Brief von Friedrich Hecker

Briefe von Theodor Mögling

Brief an die Schwester, Fanny Piaget (1848)

Brief an Georg (1849)

Anhang

Biografische Notiz

Editorische Notiz

Quellen

Aus Briefen

Eine rabiate Republikanerin

Vorwort von Elke Heidenreich

Der erste Eindruck, wenn man ihre Schriften und Briefe liest: Was für eine fabelhafte Person! Wie kühn, wie leidenschaftlich, wie unbestechlich, wie klug, wie emanzipiert! Und dann liest man weiter und liest auch über sie und wird skeptischer: Wie besessen! Wie anstrengend! Wie starrsinnig!

Was denn nun? Soll man für Emma Herwegh schwärmen, soll man sie verdammen, oder liegt es irgendwo in der Mitte? »Emma – Herweghs verfluchtes Weib« nennt Michail Krausnick eine Schrift über sie und zitiert damit einen württembergischen Soldaten, der Emma auf der Flucht verfolgt hatte. »Die Freiheit der Emma Herwegh« heißt Dirk Kurbjuweits Roman. Sie beschäftigt die Gemüter.

Ich habe siebzehn Jahre in Baden-Baden gewohnt, wo auch die Herweghs ab 1866 im Stadtteil Lichtenthal gelebt haben und wo Herwegh 1875 starb. In dieser Stadt war ihr Andenken immer lebendig, und lange glaubte ich, die irritierend erschütternden Zeilen seien von ihr:

»Wir haben lang genug geliebt,

und wollen endlich hassen!«

Was für eine Frau, dachte ich, und weiß jetzt: Es sind Verse ihres Mannes Georg Herwegh, dem und dessen politischen Ideen sie quasi ihr ganzes Leben gewidmet hat, ihr Leben und ihre Kraft, von der sie offensichtlich mehr hatte als er, der Poet und Revolutionär. Wäre er auch ohne Emma so weit gegangen, wie er ging, hätte er ohne sie so viel Verfolgung, so viel Exil auf sich genommen, so wenig künstlerische Entfaltung erfahren, er, der doch eigentlich Dichter war, wenn auch mit einem flammenden Herzen für die noch zu erkämpfende Demokratie? Hätte er ohne Emma auch so leidenschaftlich weitergemacht?

Auch Emma hätte ein anderes Leben haben können als das unruhige an der Seite eines Revolutionärs. Aber es scheint, als habe sie ein Leben auf der Flucht, mit lauter Männern, zu Pferde, Pistolen im Hafter, illegal über Grenzen, geradezu geliebt. Wie hat das alles angefangen?

Sie kommt als Emma Siegmund, geboren im Mai 1817, aus reichem, bürgerlichem Haus. Der Vater ist Hoflieferant für feine Seide und andere Stoffe, hat ein Modewarengeschäft in Berlin, ein großes prächtiges Haus in der Nähe des Schlosses. Man hat Geld, Bildung, Kontakte in Salons. Emma lernt Sprachen, kennt sich in der Literatur aus, sie zeichnet, sie komponiert, sie reitet und schwimmt nachts im See, benimmt sich überhaupt oft unerhört und nicht wie eine Dame aus bester Gesellschaft: Konflikte mit der Mutter sind vorprogrammiert. Sie schreibt Tagebuch, sowohl leidenschaftlich, was die Sehnsucht nach einem anderen Leben, als auch gelangweilt, was eben das tägliche Bürgerleben betrifft. Sie teilt ordentlich aus, nennt die Männer in ihrer Umgebung »Beamtenseelen, Menschenware, niederträchtige Gesellschaft, Schufte, Philister, liberales Pack, Schöngeister, Windbeutel, Esel, entmarkte Gesellen, Höflinge, Speichellecker«. Heiratsanträge lehnt sie durchweg ab. Ohnehin wäre sie viel lieber ein Mann und schreibt in ihr Mädchentagebuch: »Es gibt Stunden, Tage, wo ich alles hingeben möchte, ein Mann zu sein. Alles, damit ich so auftreten könnte, wie’s die innere Stimme mich heischt und der Frauenrock mir verbietet.«

In ihre Jungmädchenzeit fallen die französische Juli-Revolution von 1830, nach der König Karl X. abdankte und ins britische Exil flüchtete, der Novemberaufstand in Polen für nationale Einheit und Unabhängigkeit und das Hambacher Fest 1832, auf dem Demokratie, Freiheit und eine vereinte deutsche Nation gefordert wurden, die es nicht gab. Der Funke glomm, in ganz Europa.

Emma ist begeistert von den Freiheitskämpfen der Polen, hat und unterstützt Freunde dort, verachtet den russischen Zaren und den preußischen König, und in ihrem Tagebuch schreibt sie 1841: »Wie aber, wenn eine Zeit käme, wo jeder Mensch königlich dächte, wo die Gesamtbildung eine so allgewaltige wäre, dass der Mensch im Andern nur den Bruder sähe, wo nur Verdienste anerkannt würden, wo der Geist des Göttlichen sich in jeder Brust offenbart hätte; bedürfte es dann jener Könige noch?«

Sie sehnt sich nach Veränderung, aber mehr noch: nach Liebe. Und die junge Emma, nun schon 25 Jahre alt und fast übers Heiratsalter hinaus, wartet. Worauf? Sie weiß es selber nicht. Auf ein Ereignis, auf einen frischen Wind, auf die große Liebe. Und dann liest sie die Gedichte des jungen Georg Herwegh, »Gedichte eines Lebendigen«, und da sind sie, diese Zeilen:

»Wir haben lang genug geliebt,

und wollen endlich hassen.«

Das ist es! Sie soll ausgerufen haben: »Das ist die Antwort auf meine Seele!« Raus aus dem sanften behüteten Bürgerleben, rein ins Abenteuer einer anderen Welt, einer anderen Denkart! Sofort verliebt sie sich in den Schreiber dieser Zeilen, will ihn kennenlernen, lernt ihn kennen, ihn, der eine Art Popstar auf Lesereise ist: Am 6. November 1842 kommt er auf ihre Initiative in ihr Elternhaus in Berlin, und die Verlobung passiert genau sieben Tage danach, am 13  November. Es heißt, sie sei diejenige gewesen, die den Antrag gestellt habe. Denkbar ist es. Denn die traditionelle Frauenrolle und die Zurückhaltung der Frau galten für Emma Siegmund so wenig wie dann für Emma Herwegh. Sie war emanzipiert, ehe es diesen Gedanken überhaupt gab. Ihre feste Überzeugung: Eine Frau ist in nichts weniger wert als ein Mann. Herwegh schrieb nach der Begegnung mit ihr an einen Freund: »Das Mädchen ist noch rabiater als ich und ein Republikaner von der ersten Sorte.« Das zeigt sich in einem Brief Emmas an ihn, kurz nach der Verlobung, im Dezember 1842, wo sie schreibt: »Wir wollen vereint Blitze in die Welt schleudern, ach, und ich will ihnen beweisen, was eine Frau tun kann, wenn sie ihr eigen Ich beiseite setzt.« Und ab jetzt gerät Emma in einen Liebes- und Lebensstrudel, der nicht mehr abreißt.

Die Umstände ihrer Hochzeit im Februar 1843 (der russische Anarchist Bakunin fungierte als Trauzeuge) sind abenteuerlich, alles ist abenteuerlich an diesem Leben, und man fragt sich, wie diese Frau überhaupt die drei Kinder Horace, Camille und Marcel bekommen und aufziehen konnte, bei den dauernden Ortswechseln, den strapaziösen Reisen mit einem Haufen schlecht ausgerüsteter, gesuchter und verfolgter Revolutionäre, immer sie vorneweg als einzige Frau, ein Leben für Georg, gegen den König, für die Revolution, in wechselnden, immer elender werdenden Wohnungen, auf Gewaltmärschen, mit Krankheit und Verfolgung. Und sogar ihren Witz verliert sie dabei nie und schreibt einmal an ihren Mann: »Im Übrigen ist die Erde rund, und wenn man so sukzessive von einem Ort zum andern ausgewiesen wird, so muss man endlich doch wieder nach Hause kommen.«

Georg macht manchmal schlapp, Emma nie. Alexander Herzen schreibt in seinen Erinnerungen »Mein Leben«: »Sie war in ihrer Art nicht dumm und verfügte über weit mehr Kräfte und Energie als er.« Schweizer Zeitungen berichteten, Emma spränge auf Wirtshaustische, rauche Zigarren und hielte flammende Reden.

Und flammend ist ja auch die hier vorliegende Schrift, auf deren Titel sie nicht ihren Namen nennt, sondern als Autorin angibt: »Von einer Hochverräterin.« Denn als solche wurde sie mittlerweile steckbrieflich gesucht. Es ist eine Trotz-Schrift über den misslungenen Feldzug demokratischer Freiheitskämpfer von Paris nach Deutschland, ein Misslingen, für das Herweghs »Deutsche Demokratische Gesellschaft« selbst nichts konnte. Da kam vieles zusammen, und Emma wollte klarstellen, was.

Es gab Vorwürfe gegen ihren Mann, er sei feige gewesen und verantwortungslos und habe die Legion ins Scheitern geführt. Emma schreibt: »Herwegh hatte bei allem, was er getan, nie einen persönlichen Zweck, nie etwas anderes als das eine, große Ziel: die Freiheit aller vor Augen gehabt, und diesem sich zu nähern sorglos seinen Weg verfolgt, unbekümmert um das Lob oder den Tadel, der ihn treffen könnte.«

Schon seinetwegen musste sie diese flammende Rechtfertigungsschrift einer Republikanerin unter die Leute bringen, was nicht ganz einfach war. Der Aufsatz sollte zunächst bei Zacharias Carl Löwenthal in Frankfurt erscheinen, aber der will es nicht drucken, weil zu viele Schmähungen gegen einen seiner persönlichen Freunde darin seien. Auch die vielen Majestätsbeleidigungen machen es nicht leicht, einen Verleger zu finden – schließlich wird einiges gestrichen und die Schrift kann 1849 erscheinen, bei Arthur Levysohn in Grünberg, Schlesien, und: Sie wird sofort verboten. Wenn man den Text heute liest, ahnt man, welche Strapazen die Verfasserin auf sich genommen hat, wie viel Mut und Überzeugung es sie gekostet haben mag, an diesem gefährlichen Zug der Kämpfer für die Demokratie durch feindlich gesonnenes Land teilgenommen zu haben. Das tapfere Häuflein der Freiheitskämpfer war nicht nur durch Polizei und Soldaten bedroht, sondern zermürbt durch tagelange Gewaltmärsche in Schnee, Regen, Matsch, auf Geröllpfaden, hungernd, verzweifelt. Emma muss als eine Art Anführerin immer wieder Mut gemacht und angetrieben haben – mit unvorstellbarer Energie und Disziplin. Das ist zu bewundern. Es gab durchaus auch andere Frauen, die in dieser Zeit Vorkämpferinnen für Emanzipation und Demokratie wurden, zum Beispiel die Schriftstellerin Fanny Lewald, die Frauenrechtlerin Louise Aston, die dichtete: »Freiem Leben, freiem Lieben/bin ich immer treu geblieben«, oder Louise Otto, die den Allgemeinen Deutschen Frauenverein gründete. Aber keine personifizierte sich mit der Sache der politischen Revolution so bedingungslos wie Emma Herwegh.

Und es fällt auch auf, dass sie nie national, sondern immer europäisch denkt – die Demokratie ist ihr ein »großes, weltbefreundendes Ereignis«, sie will sie nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Aber sie muss auch starrköpfig gewesen sein und nicht eingesehen haben, wann die Sache verloren war. Am Ende ging es nur noch darum, das Leben zu retten, das eigene und das einiger hundert Männer. Genau besehen ist ihre Schrift, durch die ein frischer, zorniger Wind weht, der Versuch einer Rechtfertigung für ihren Mann Georg Herwegh und sein Scheitern. Und dabei mag die Liebe zu ihm eine sehr viel geringere Rolle gespielt haben als ihr unverbrüchlicher Glaube an die Idee der Revolution. Denn schon 1843, noch vor der Hochzeit, hatte sie in einem Brief an Herwegh geschrieben: »Was die Leute Liebe nennen, ist mir lächerlicher, skizzenhafter Seelenkitzel. Man sieht ja, was daraus wird, Kinder höchstens, für die Menschheit aber nichts, keine Tat, keine Selbstverleugnung, nichts als eitle Sichwiederspiegelung des jämmerlichen Subjekts, was man nicht gering genug anschlagen kann, wenn es gilt, Opfer zu bringen in rechtem Sinne des Wortes.« Andererseits, in einem Brief nur zwei Wochen später: »Nur in der Liebe fühle ich mich ganz fertig und gestählt zu Größtem.«

Dirk Kurbjuweit lässt sie in seinem Roman »Die Freiheit der Emma Herwegh« dem jungen Frank Wedekind in ihrer Dachkammer in Paris ihr Leben erzählen und sagen: »Was meinen Sie, was eine Frau tun musste, die in der Politik wirken wollte? (…) Sie musste den richtigen Mann heiraten, das war damals so, nur über die Liebe konnte man sich emanzipieren, und jetzt ist es nicht viel anders. Ich konnte politisch wirken, weil ich einen politischen Mann hatte.« Ein Romantext, aber vielleicht sehr nah an der Wahrheit, und die Gespräche mit dem jungen Wedekind gab es ja tatsächlich. Und sie erzählt Wedekind auch, sie sei recht apart, aber nicht besonders schön gewesen: Sie habe seidenweiches Haar gehabt, ideale Lippen, eine schmale Stirn, eine feine Nase, aber alles habe nicht so ganz zueinander gepasst. In ihrer Ehe mit Georg gab es Betrug (vermutlich auf beiden Seiten), Eifersucht, sogar eine zeitweise Trennung, ehe man wieder zueinander fand, aber es gab niemals Zweifel an der gemeinsamen politischen Mission und am festen Glauben an die Revolution für die Demokratie.

Mut und Leidenschaft sind dieser Frau nicht abzusprechen, Augenmaß mitunter schon. Alexander Herzen, anfangs Freund und Mitkämpfer, später Gegner (unter anderem auch wegen der heftigen Affäre, die Georg Herwegh mit Herzens Frau hatte!), schreibt in seinen Erinnerungen:

»Die äußerlich veranlagte, bewegliche Emma hatte nicht das Bedürfnis nach intensiver innerlicher Arbeit, die offensichtlich nur Schmerzen verursachte. Sie gehörte zu jenen unkomplizierten Zweitakt-Naturen, die mit ihrem Entweder-Oder jeden gordischen Knoten, ganz gleich ob von links oder von rechts, zerhauen, nur um irgendwie davon loszukommen und aufs neue weiterzueilen – wohin? Das wissen sie selber nicht.«

Vielleicht. Aber Emma Herwegh war und blieb radikal, auch die deutsche Einigung unter preußischer Führung 1871 konnte sie nicht beeindrucken. In ihrer Schrift heißt es: »Es wird eine ewige Schmach in der Geschichte bleiben, dass sich in jenen Tagen, wie das Heil der ganzen Menschheit an dem einen Wort ›Republik‹ hing, kein Mann gefunden, der genug Kopf und Herz besessen hätte, dieses eine Wort zu sagen.«

In ihrer Republik gab es keine Könige oder Kaiser. Ihr Leben lang erfüllte sie die selbst gewählte Rolle als Gefährtin und Mitstreiterin eines revolutionären Helden. Barbara Rettenmund und Jeanette Voirol kratzen an diesem Bild und schreiben in ihrem Buch über Emma Herwegh: »Bei genauerer Betrachtung finden wir jedoch weder Held noch Gefährtin.«

Ja, vieles an Emmas Rigorosität mag irritieren. Aber gilt nicht noch heute, was sie in dieser Schrift so formuliert, als käme frischer Wind zu einem gerade geöffneten Fenster herein? »Dass zu einer neuen Welt vor allem neuer Stoff gehört, neue breite Weltanschauungen, Urmenschen, wenn man sich so ausdrücken darf, um den alten Egoismus, der alten Torheit und zivilisierten Barbarei dem Wesen, nicht nur dem Schein nach den Garaus zu machen – daran denken die Wenigsten, geschweige, dass sie fähig oder Willens wären, sich selbst mit umzuschaffen – und ohne das gehts nicht ehrlich vorwärts.«

Als Georg Herwegh 1875 starb, ließ sie ihn in der Schweiz begraben, in freier Erde, und dort liegt sie auch. Sie überlebte ihn um fast 30 Jahre.

Und sie ist ihren demokratischen Idealen bis an ihr Lebensende im März 1904 in Paris treu geblieben. Erlebt hat sie die Demokratie nicht mehr, es gab in Deutschland noch immer einen Kaiser, und abgesehen vom kurzen Zwischenspiel der Weimarer Republik wurde erst rund hundert Jahre nach den Ereignissen des Jahres 1848 die Demokratie in Deutschland verfassungsmäßige Wirklichkeit: nämlich 1949. Und wir wissen, dass sie noch immer nicht selbstverständlich, dass sie erschütterbar ist, dass sie immer aufs Neue verteidigt werden muss. Schon Georg Herwegh schrieb in einem Resümee der damaligen Ereignisse: »Ohne Republik keine schöpferische Entwicklung des Volkes, ohne Republik kein Wohlstand des Volkes, ohne Republik keine Einheitskraft im Innern und nach Außen, ohne Republik keine Freiheit und keine Freiheit für die Dauer.«

In einem brüchig gewordenen und gefährdeten Europa gelten diese Worte wie eh und je.

»Liebe und Freiheit sind eins«

1.

Nein, ich möchte Dich um alle Freuden der Welt nicht ruhiger, als Du bist; nur wo Bewegung ist Fortschritt, nur im fortwährenden Kämpfen Glück. Ich weiß, dass uns keine idyllische Zukunft winkt, ich weiß, dass unsere Charaktere sich noch arg aneinander reiben müssen, um ungehindert dieselbe Bahn zu verfolgen, aber diese Erkenntnis gibt mir Mut und Freudigkeit statt Besorgnis. Solchen Mann habe ich mit gewünscht, nur solchen konnte ich lieben – und liebe ich.[1]

 

2.

Es geht mir mit Deiner Prosa wie mit Deinen Versen, sie sind mir beide der Schlüssel zu meiner eigenen Natur, und tausend Dinge, die noch unbewusst in mir lagen, weckt der heimatliche Klang Deiner Stimme gleich gereift ins Leben. (…) Wir bedürfen beide einander durch und durch, und keine Macht soll uns um eine Faser der Seligkeit betrügen, die uns miteinander, und in der Tatkraft durcheinander, werden muss. Schleudere Deine Blitze, denke an nichts, als an das eine, Dein Mädchen liebt die Gewitter, wenn sie rechter Art sind, und wird mitten in dem Feuer nur noch gestählter werden. Du liebst Deutschland, das weiß ich, wie entrüstet Du auch sein magst, oder vielmehr Deine Entrüstung zeigt es – nur was wir lieben, kann uns zur Verzweiflung bringen. Bin ich nur erst mit Dir, mich dünkt, ich könnte die Welt dann erobern, unsere Liebe scheint mir alles möglich machen zu können. (…) Sei auf nichts stolz, als auf Deines Mädchens Liebe, darauf aber kannst Du nicht stolz genug sein, und auf ihre Gesinnung, was Eins ist. Freiheit, Liebe, trenn’ es, wer es kann, bei mir ist’s Eins.[2]

Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris – Von einer Hochverräterin (1849)

Im Interesse der Wahrheit

Vorwort

Man hat über das Entstehen, die Absicht und das Resultat der deutschen, demokratischen Legion aus Paris schriftlich und mündlich so viel und so schlecht gefabelt, dass es mir im Interesse der Wahrheit nicht unwichtig scheint, die Sache in ihrem rechten Lichte hinzustellen, so, wie es aber nur der vermag, der wie ich vom Anfang bis zum Schluss dem ganzen Unternehmen Schritt für Schritt mit Sympathie und tätiger Teilnahme gefolgt ist.

Alle andere Bedenken, die mich zu jeder anderen Zeit bestimmen würden, den literarischen Weg nie zu betreten, müssen in einem Augenblick wie dem jetzigen wegfallen, wo es weder einer besonderen Begabung noch eines schriftstellerischen Berufs bedarf, auch seine Stimme für die Freiheit zu erheben und der Verleumdung energisch entgegen zu treten; sondern nur eines Menschen, dessen Gefühlsnerven etwas über den Kreis seiner Privatverhältnisse hinausreichen, dessen Herz ein starker Resonanzboden alles dessen (ist), was in dem der ganzen Menschheit pulsiert.

Diese Eigenschaft dünkt mich, ist weder eine ausschließlich männliche noch weibliche – sie gehört beiden Geschlechtern an, soweit sie sich eben mit Beibehaltung der ihnen eigentümlichen Auffassungsweise zu Menschen emanzipiert haben.

Ich mache diese lange Vorrede zu einer vielleicht recht kurzen, recht unbedeutenden Arbeit, um mich von vornherein gegen den Verdacht zu wahren, die Zahl der schriftstellerischen Frauen (mit dem technischen Ausdruck bas bleus genannt) irgendwie selbst auch nur vorübergehend vermehren zu wollen.

Vor dieser Laufbahn hat mich alles geschützt, was überhaupt schützen kann: Der Mangel an Beruf, an Neigung dazu, und vor allem Eins, das am sichersten und zugleich am schönsten vor der literarischen Pest bewahrt – ein gutes, liebendes Geschick.

Ich nehme heute die Feder zur Hand, wie ich schon bemerkt, als die mir im Moment einzig zu Gebot stehende Waffe im Interesse der Wahrheit und in dem der armen gefangenen Freunde, etwas, sei es auch noch so gering, zu tun. Der Deutsche, soweit ich ihn kenne, gibt leichter Geld für Geschriebenes als für Lebendiges aus, und da mir’s vollkommen einerlei, ob man diese kleine Broschüre aus Interesse, Neugier, ja, selbst aus Böswilligkeit kauft, ob man sie mit Gleichgültigkeit, mit Geringschätzung oder mit Befriedigung beiseitelegt, vorausgesetzt dass man sie kauft, so denk ich, ich fang ohne Weiteres an.

E. H.

 

Drei Tage hatten den Kindern von Paris genügt, die alte, morsche Welt mit all ihren Vorurteilen, ihren Privilegien zu begraben und das Banner einer neuen jubelnd aufzupflanzen.

Ich sage, den Kindern von Paris, denn sie waren es recht eigentlich, welche ohne Führer, selbst von den Deputierten der Opposition verlassen, am 24. Februar als Sieger in die Tuilerien[3] einzogen und dem Königtum durch den einstimmigen Ruf: Vive la République ein Ende machten.[4]

Ja, vive la République! Aber eine solche, wie sie groß und keusch aus den Händen des armen Volkes hervorgegangen, und von ihm weder als das ausschließliche Eigentum seiner noch irgendeiner anderen Nation, sondern als das beglückende Band aller Völker gedacht und geschaffen war.

Darum allein hatte diese Revolution auch eine Bedeutung, darum die ungeteilten Sympathien aller guten, freien Menschen.

Polen, Italiener, kurz, die verschiedenen fremden Nationen, die hier in Paris zahlreich repräsentiert waren, schickten als Ausdruck ihrer Freude und Bewunderung Adressen und Deputationen an das französische Volk, das auch jetzt wieder so glorreich die Initiative für Alle ergriffen hatte – nur die Deutschen, die gewöhnlich hintennach ziehen und zum Fest kommen, wenn alle Andern längst abgespeist und ihnen nichts als die beaux restes übrig gelassen, hatten es noch nicht zu einem gemeinsamen Gruß bringen können.

Um jene Zeit kam der ehemalige Redakteur der Brüsseler Zeitung, Herr Adelbert von Bornstedt[5], nach Paris und machte einen Besuch bei Herwegh. Er lud ihn zu einer Versammlung von Deutschen ein, die noch am selben Abend im Café de Mulhouse zustande kommen sollte, um sich wegen einer Adresse an das französische Volk zu beraten. Gegen 400 fanden sich zur bestimmten Stunde auch daselbst ein und verständigten sich, oh Wunder!, wirklich darüber, dass es an der Zeit wäre, eine gemeinsame Manifestation zu machen.

Diese ohne Aufschub ins Werk zu setzen, erwählten sie gleich aus ihrer Mitte ein Komitee, zu dessen Präsidenten sie Herwegh ernannten und ihm den Adress-Entwurf übertrugen. Herr v. Bornstedt und Herr v. Löwenfels[6] wurden zu Vizepräsidenten gewählt, und einige andere Herren, an deren Namen ich mich im Augenblick nicht erinnere, übernahmen die Stelle der Sekretäre.

Um die deutsche Nation bei den Franzosen würdig zu vertreten, bedurfte es eines unbefleckten Namens, einer Stimme, die dem deutschen Volke lieb und bekannt war – deshalb fiel die einstimmige Wahl auf Herwegh. Der Name des Herrn v. Bornstedt war damals, so wenigstens sagte man uns, kompromittiert; ob mit Recht oder Unrecht, weiß ich nicht, und es kümmert mich auch wenig. Wir hatten nichts für, nichts gegen ihn, er war uns unbekannt.

Herwegh nahm die Wahl an, setzte die Adresse auf, und das Komitee erließ einen Ruf an sämtliche hier lebende Demokraten, sich Montag, den 6. März, im Saale Valentino einzufinden, um darüber abzustimmen.

Die Versammlung war zahlreich. Gegen 4000 Deutsche hatten sich eingefunden, und mit großem und ungeheucheltem Beifall die Adresse von Herwegh begrüßt, welche ich hier wörtlich einschalten will.

An das französische Volk!

Der Sieg der Demokratie für ganz Europa ist entschieden. Gruß und Dank vor allem dir, französisches Volk! In drei großen Tagen hast du mit der alten Zeit gebrochen und das Banner der neuen aufgepflanzt für alle Völker der Erde.

Du hast endlich den Funken der Freiheit zur Flamme angefacht, die Licht und Wärme bis in die letzte Hütte verbreiten soll.