Es musste getan werden - Stephen Mack - E-Book

Es musste getan werden E-Book

Stephen Mack

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Beschreibung

Anfang 1942, während der düsteren Monate nach der abrupten Bombardierung von Pearl Harbor, wurde eine Gruppe von 29 Navajo-Marines, unmittelbar nach ihrem Ausbildungslager in einen Raum mit vergitterten Fenstern und Wachpersonal gebracht. Ihre Aufgabe war es, einen Top- Secret Code zu ersinnen, den die besten kryptoanalytischen Köpfe im Kaiserreich Japan nicht entschlüsseln können. Und das gelang ihnen! Dieses Buch dokumentiert ihre erstaunliche Kriegsleistung: die Formation und Verwendung des Navajo Codes. Das Buch berichtet aber auch über die Lebensweise von acht Navajo-Codesprechern - und zwar mit ihren eigenen Worten. Sie erzählen über ihre schwierigen Lebensbedingungen, besonders in ihrer Kindheit, ihre Erfahrungen während der Internatsschulzeit, wo der Gebrauch ihrer Navajo-Muttersprache strengstens untersagt war, manchmal sogar mit brutalen Mitteln unterbunden wurde. Dieses Buch ist ihre Lebensgeschichte. Es ist die Geschichte eines Codes und seinen bescheidenen Anfängen, eines Codes , den die meisten genialen Köpfe nicht brechen konnten, ein Code, der tausenden Amerikanern das Leben rettete. Es ist eine Geschichte über eine lebensgefährliche Aufgabe, oft unter tödlichem feindlichen Feuer, bei dem einige den höchsten Preis zahlen mussten. Es ist eine Geschichte über Intelligenz, Mut und letzten Endes über Patriotismus.

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Stephen Mack

Es musste getan werdenDie Navajo-Code-Sprecher erinnern sich an den Zweiten Weltkrieg

Dem Volk der Diné gewidmet

Danksagung

In erster Linie möchte ich allen Navajo-Code-Sprechern meinen tief empfundenen Dank aussprechen, die so großzügig ihre persönlichen Erinnerungen mit mir geteilt haben: Keith Little, Präsident der Navajo Code Sprecher Assoziation, sowie Samuel Tso, dem Vize-Präsident und (in alphabetischer Folge): Kee Etsicitty, Jack Jones, Alfred Newman, Chester Nez, Alfred Peaches und Bill Toledo. Auch dem ehemaligen Präsidenten, Albert Smith, danke ich dafür, dass er diesem Projekt seine Zustimmung gegeben hat. Besonders Keith Little hat großen Zeitaufwand betrieben und das Projekt mit großer Sorgfalt betreut! Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Ohne die Hilfe von Victoria Jarvison wäre das Buch nicht zustande gekommen, denn es war ihre Idee. Sie ermöglichte die vielen Interviews sowie die Übersetzungen verschiedener Abschnitte des Buches aus der Navajo Sprache ins Englische. Danke, Vicky.

Weitere wesentliche Beiträge für das Zustandekommen dieses Buches stammen von Sharon Culley, der Archivspezialisten bei NWCS-Stills (der Networker Consulting Service für Bildmaterial beim National Archiv in College Park, Maryland; weitere Beiträge stammen von Eunice Kahn, Archivar beim Navajo Nation Museum in Window Rock, Arizona; von Roseann Willink, Professorin für das Studium der Navajo Sprache an der Universität von New Mexico für die Mithilfe am Manuskript; und von der Pima County Public Library Beratungsstelle sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der bibliographischen Auskunft.

Mein Dank gilt Gregory Cajete, dem Direktor für Amerikanische Studien der Ureinwohner an der Universität von New Mexico und Lloyd L. Lee, seinem Assistenz-Professor, welche beide ein hilfreiches Feedback gegeben haben – sowie auch Debra Cordero, Stephen W. Stone, Rhonda Holdren und Leslie Rowe. Jeff A. Cherino danke ich für seine Hilfe bei einigen Interviews sowie Joan Gentry für ihre Bemühungen bei der Bildersuche.

Mein inniger Dank gilt meinem Vater, Courtney Mack, dessen großzügige Unterstützung dieses Buch erst möglich machte.

Stephen Mack

ES MUSSTE GETAN WERDEN

Die Navajo-Code-Sprecher erinnern sich an den Zweiten Weltkrieg

Stephen Mack

Mitglieder der Navajo-Code-SprecherAssoziation: Vorn, von links nach rechts: Alfred Peaches, Kee Etsicitty, Jack Jones, Chester Nez, Alfred Newman; hintere Reihe, von links nach rechts: Albert Smith, Samuel Tso, Keith Littke, Wilford Buck, Samuel Smith, Bill Toledo, Jimmy Begay. Aufnahme vom 15. September 2007 vor Trader Barb´s Gallery, Old Town, Albuquerque.Foto von Stephen Mack

Entwurf und Herausgabe vonWhispering Dove Design, LLC

Impressum

Es musste getan werden, Stephen MackTraumFänger Verlag Hohenthann, 2020

1. Auflage eBook März 2022

eBook ISBN 978-3-948878-28-3

Übersetzung: Ursula Maria Ewald

Lektorat: Kerstin Groeper

Korrektorat: Janis Sonnberger

Satz und Layout: Janis Sonnberger, merkMal Verlag

Datenkonvertierung: Bookwire

Titelmontage: Courtney Mack

Titelfotos: Iwo Jima Monument, Washington, D.C.

Fotos: Stephen Mack

Foto Landing on Bougainville: Foto-Leihgabe NationalarchivRücktitelfoto Monument Valley: Courtney Mack

Copyright by TraumFänger Verlag GmbH & Co. Buchhandels KG, Hohenthann

Inhalt

Einführung

Zur Einführung

Kapitel 1: Kindheit in der Reservation und die Schulzeit

Kapitel 2: Sonntag, 7. Dezember 1941

Kapitel 3: Rekrutierung und Ausbildung

Kapitel 4: Auf dem Schlachtfeld

Kapitel 5: Iwo Jima

Kapitel 6: Kriegsende

Kapitel 7: Es geht nach Hause

Kapitel 8: Das Leben nach dem Krieg

Epilog

Anhang 1: Der Navajo-Code

Anhang 2: Ehrenliste für die Navajo-Code-Sprecher

Index

Der Autor

EINFÜHRUNG

„Wenn die Japaner gewonnen hätten … was wäre dann wohl passiert?“, grübelte Samuel Tso an einem Nachmittag im Sommer, als er allein in der Hotel-Lobby in Gallup, New Mexico, war. Mr. Tso ist einer der überlebenden Navajo-Code-Sprecher, der sich an die Zeit vor 60 Jahren erinnert. Die Frage über einen möglichen Sieg der Japaner war nicht gerade eine belanglose geistige Herausforderung, der man an einem müßigen Nachmittag nachging. Nein, es war eher ein besorgniserregender Umstand und sein Ausgang war alles andere als sicher gewesen. Die ganze Existenz der Vereinigten Staaten von Amerika hat auf dem Spiel gestanden. Der Zweite Weltkrieg war ein Kampf ungeheuren Ausmaßes gewesen, ein Krieg, in dem die Navajo-Code-Sprecher eine entscheidende Rolle gespielt hatten.

Die Bedrohung ihrer ganzen Existenz war für die Navajos keineswegs eine neue Erfahrung gewesen. Damals, als die Navajo-Sprecher noch Kinder waren, hatte sich schon einmal so ein tragisches Kapitel in der amerikanischen Geschichte ereignet, an das sich einige Ältere noch erinnern können: Im Jahr 1864 waren die Navajos – mit vorgehaltener Waffe – zu einem Marsch gezwungen worden, der sie aus ihrem Heimatgebiet zu einem desolaten Ort im östlichen New Mexico geführt hatte, und das mitten im tiefsten Winter. Hunderte starben bei dieser Zwangsumsiedlung. Schwangere Frauen wurden dabei von den amerikanischen Soldaten erschossen. Kinder verschwanden einfach. Vier Jahre mussten die Navajos in diesem einem Konzentrationslager ähnlichen Gebiet verbringen, ehe sie in ihr Heimatgebiet zurückkehren durften. Berichte darüber, was als der „Lange Weg“ (oder Hwéeldi) bekannt wurde, sind von da an bei Zusammenkünften mündlich überliefert worden. Keith Little, ein weiterer Navajo-Code-Sprecher, erinnert sich: „Die einzige Möglichkeit, wie wir uns daran erinnern können, ist die, dass die älteren Stammesmitglieder (die Leute, die dort geboren worden sind, oder eben dort waren, oder zurückgekehrt waren) ihre Geschichten über das erzählen, was damals passiert ist. Andere waren zu jung, konnten sich kaum daran erinnern, zurückgekommen zu sein, oder sie erinnerten sich an nichts mehr. Hier, bei diesen gemeinsamen Treffen, wurden sie wachgerüttelt. Aber sie wussten, dass ihre Eltern einst Gefangene waren.“ Mr. Little fährt fort: „Während sie erzählen, wird die entsprechende Person auch vorgestellt. Etwa so: `Sie nahm an dem Hwéeldi teil und kehrte zurück´, oder `diese Frau war dort geboren worden oder jene Person …´

Einige der Überlebenden des Hwéeldi erlebten sogar ein weiteres schlimmes Ereignis in der Geschichte der Navajos: die bundesstaatlich erzwungene Reduzierung ihres Viehbestandes in den 1930ern, also eine erzwungene Regulierung.“

Mr. Little ergänzt:

Sie wurden gezwungen, ihren Viehbestand zu reduzieren. Viele Pferde wurden getötet – sie wurden einfach in eine Ecke getrieben und diese Polizisten, oder wer immer sie waren, erschossen sie eins nach dem anderen mit ihren Gewehren. So erging es auch den Ziegen. Es waren angeblich zu viele. Die Ziegen würden alle Pflanzenwurzeln abfressen oder die Zweige abkauen und so weiter. So waren sie die nächsten. Es waren angeblich auch zu viele Pferde. Und natürlich hatten sie auch zu viele Schafe. Der Verlust der Schafe traf die Navajos am meisten. Sie bringen ein sicheres Einkommen und liefern Fleisch. Schafe sind fast für alles nützlich. Sie sichern die Existenz des Volkes.

Die Auswirkungen auf die Ökonomie sowie die Kultur der Navajos waren verheerend. Während der Zeit dieser Zwangsreduzierungen gab es weitere Ereignisse in fernen Ländern wie in Asien, globale Auswirkungen also, und die Schockwelle erreichte sogar die entfernte Navajo-Reservation, zerstörte Leben und veränderte die Navajo-Völker für immer.

Japan handelte nach der Strategie des hakko ichiu (die ganze Welt unter einem Dach; alle acht Enden - also die sieben Erdteile plus die Antarktis) und begann einen Eroberungskrieg. 1931 fiel die Mandschurei, China, an die Kwantung Armee, eine besonders nationalistische Armeeeinheit des japanischen Militärs. Am Morgen des 29. Januar 1932 wurde das Chapai Viertel von Schanghai durch japanische Bomber eingeäschert – tausende Frauen und Kinder waren die Opfer. Im selben Jahr zog sich Japan aus dem Völkerbund zurück. Ende 1937 fiel Nanking an Japan – durch eine Invasion mit Akten unglaublicher Grausamkeit. 1938 wurde die Regierung von Chiang Kai-Sheks nach Chungking zurückgedrängt. Canton fiel. Hankow fiel. 1940 unterzeichnete Japan den Dreimächte-Pakt (Berlin-Pakt) mit Deutschland und Italien; danach stellten die Vereinigten Staaten den Export von Eisen und Stahl nach Japan ein. Im folgenden Jahr überfiel Japan Indochina. Als Vergeltungsschlag verhängten die Amerikaner, Holländer und Briten Embargos auf Stahl und Öl. Die Einfuhr von Öl nach Japan reduzierte sich daraufhin auf ein Minimum. Ohne Öl wären aber die Armee und die Marine Japans nicht mehr kampffähig. Japan erkannte, dass der Krieg mit Amerika so gut wie unvermeidlich war, um an Öl zu kommen. So wurde beschlossen, den ersten Schlag auf die Vereinigten Staaten ohne Vorwarnung auszuführen. Am 7. Dezember 1941 griffen die Japaner also Pearl Harbor an. Erst Stunden nach dem Angriff erklärte Japan den Amerikanern offiziell den Krieg. Im Gegenzug erklärte Präsident Franklin D. Roosevelt am 8. Dezember Japan den Krieg. Drei Tage danach erklärten Deutschland und Italien Amerika den Krieg. Der Fehdehandschuh war geworfen und die Vereinigten Staaten konnten nicht länger untätig bleiben und die sich ausbreitenden Gräueltaten in Europa und Asien als Zaungast beobachten.

In den noch verbliebenen Wochen von 1941 konnten die Japaner weiter vorstoßen. Am 10. Dezember wurde die strategisch wichtige Insel Guam erobert, Burma wurde am 11. Dezember überfallen und der Wake Island Atoll am 22. Dezember eingenommen. Hongkong kapitulierte am ersten Weihnachtsfeiertag.

Die Vereinigten Staaten wagten sich mit stark geschwächter Kriegsflotte in den Krieg. Das Jahr 1942 begann mit fortgesetzten Siegen Japans, einschließlich der Einnahme der Philippinen. Der Wendepunkt der Alliierten im Pazifikkrieg kam endlich am 4. Juni, als Japan die Seeschlacht um Midway verlor. Es war die erste Niederlage der Marine in der Geschichte Japans. Ab diesem Zeitpunkt bis zum Ende des Krieges befand sich Japan in der Defensive. Die Alliierten rückten vor, entrissen den Japanern die strategische Führung – und befreiten eine Insel nach der anderen. Noch im Jahr 1942 wurde die Insel Guadalcanal zurückerobert, danach auch Bougainville. Die blutigen Kämpfe auf diesen Pazifikinseln hielten die nächsten Jahre an, die ihren Höhepunkt in dem heftig verteidigten Iwo Jima und der Invasion von Okinawa erreichten. Wesentlich ist, dass die Navajo-Code-Sprecher diese Phase des Krieges Schritt für Schritt begleiteten, angefangen von Guadalcanal bis zur Besetzung Japans.

Um diesen Krieg zu gewinnen, bedurfte es des Transports von Streitkräften, insbesondere der Artillerie, in einem Umfang, wie es die Geschichte der Menschheit bis dahin noch nicht gekannt hatte. Dieser enorme Aufwand musste gesteuert werden, ansonsten wäre schnell Chaos die Folge gewesen. Um das zu vermeiden, wurden ausgeklügelte Codes entworfen, die höchste Sicherheit gewährleisten sollten.

Die Marine-Einheiten übertrugen einigen jungen Navajos, die gerade ihre Grundausbildung absolviert hatten, die Aufgabe, einen Code zu entwickeln, der es selbst den intelligentesten kryptoanalytischen Köpfen Japans unmöglich machen sollte, ihn zu knacken. Die 29 Navajo-Marines, später als die „First 29“ bekannt, erfüllten erfolgreich in nur sieben Wochen die ihnen anvertraute Aufgabe. Allerdings mussten sie noch strenge Tests bestehen. Nach Aussage von Simon Singh wurden die Code-Brecher der amerikanischen Marine aufgefordert, den neu erstellten Navajo-Code zu brechen. (Das ist dieselbe Truppe, die schon Japans „Code-Purple“ geknackt hatte).

Doch selbst nach drei Wochen intensivster Arbeit waren die Marine-Code-Brecher nicht in der Lage, den Code der Navajos zu entschlüsseln. (The Code-Book: The Evolution of Secrecy from Mary, Queen of Scots to Quantum Cryptography [New York: Doubleday, 1999, S. 196])

Trotzdem gab es noch ein gewisses Maß an Skepsis, weil nach einigen Tests des Navajo-Codes eine ziemliche Panik unter dem Militärpersonal ausgelöst wurde. Die unbekannte Navajo-Sprache wurde irrtümlich für japanisch gehalten und es wurde angenommen, dass die Japaner in die amerikanischen Funkfrequenzen einbrechen würden. Diese Zwischenfälle, gepaart mit gewisser vorurteilsbehafteter Skepsis, verhinderten den sofortigen Einsatz des Navajo-Codes. Das kostete Zeit, aber die sagenhafte Geschwindigkeit und Genauigkeit des Navajo-Codes setzte sich über die Skepsis der Feldkommandeure hinweg. Die Anzahl der Code-Sprecher wuchs bis Kriegsende von 29 auf 420.

Einer der Code-Sprecher sprach über ihre Erfolge, als hätten sie einfach nur ihre Arbeit getan; ein anderer sah darin eine Handlung, die das Maß der reinen Pflichterfüllung überstieg. Hatten sie ihren Job erfüllt? Mit Sicherheit. Mehr als nur Pflichterfüllung? Eindeutig ja! Ihre Pflicht als Kommunikations-Spezialisten bestand in der Übertragung von Informationen an ihre Vorgesetzten, verschlüsselte Befehle an die Untergeordneten zu geben und den Nachschub zu koordinieren. Und diesbezüglich verrichteten sie ihre Pflichten bewundernswert. Die Aufgabe der Navajo-Code-Sprecher im Kampf war: 1. Die Nachricht in Englisch zu empfangen; 2. diese in den Navajo-Codezu übersetzen (nicht in die normale Navajo-Sprache) – mit anderen Worten, sie mussten die Nachricht auf der Stelle verschlüsseln; 3. diese Botschaft über ihr Navy-Funkgerät zu einem anderen Navajo-Code-Sprecher zu übermitteln, der 4. die Botschaft entschlüsselte, sie ins Englische übertrug und niederschrieb, und das alles schnell, akkurat und gewissenhaft. Oft geschah dies unter intensivem feindlichen Beschuss. Für diesen gefährlichen und geistig anspruchsvollen Job mussten die Code-Sprecher fließend Englisch und Navajo beherrschen sowie den Navajo-Code in- und auswendig können.

Keith Little erinnert sich daran, dass die „Code-Sprecher einer Abteilung immer in der ersten oder zweiten Welle eines Landungstrupps dabei waren, also in der ersten Landeeinheit. Sie schleppten ihre `Funkgeräte´mit und drangen so weit wie möglich ins Inland vor. Sie bauten ihre Ausrüstung oft unter mörderischem, feindlichen Beschuss auf.“ Natürlich waren sie als Kommunikationsspezialisten oft eine besondere Zielscheibe für den Feind. Dass der alte TBX Transmitter, ein militärisches Funkgerät, angekurbelt werden musste, – ein recht lauter Prozess – hat die Sache nicht wirklich begünstigt; es war aber notwendig, um genügend Energie für die Übertragungen zu erzeugen. Der Navajo-Code-Sprecher Kee Etsicitty hat folgende Erinnerung an den älteren Transmitter:

Es gab keine moderne Ausrüstung. Der alte Typ des Navy-Funkgeräts wurde TBX genannt; ein altes großes Gerät, das angekurbelt werden musste … so etwas hatten wir. Ich vermute mal, dass drüben bei der `Stateside-Gruppe´ sie bereits mit den neuen Geräten arbeiteten. Tja, die neuen … sie kamen nicht zu den Code-Sprechern. Sie kamen zuerst zum Schiff, oder zum Hauptquartier. Da wurden sie hingeliefert. Die moderne Ausstattung – die bekamen wir nicht. Wir hatten immer den alten Typ.

Keith Little war einer der Glücklichen, der auf dem Schlachtfeld die neueren batteriebetriebenen Funkgeräte verwenden konnte. Aber er war noch an dem alten TBX Funkgerät ausgebildet worden und erinnert sich:

Man hatte einen großen Generator und man musste sich auf einen Hocker setzen – falls einer da war – und den Generator anwerfen. Das machte höllischen Lärm. Ein Kabel von der Frontseite verbindet den Generator mit dem Funkgerät, wo ein weiterer Mann es bedient. Es sind also zwei Ausrüstungsgegenstände, und man braucht drei Leute, um es herumzuschleppen. Aber im Gefecht hatte ich eine transportable Anlage. Die musste man nicht ankurbeln.

Navajo-Code-Sprecher Kee Etsicitty gibt ein Beispiel:

Die Navajo-Sprache lebt von der Beschreibung. Wenn ich `hill – Hügel´ in Navajo sage, dann bedeutet es `a lump on earth – ein Klumpen auf der Erde´, während `hill´ im Englischen nur ein Wort ist. H-I-L-L. Ok. Wenn man aber eine Botschaft über den Hügel senden will, sagt man `horse – Pferd´, und man fügt ein `H´ dazu. Fertig. Dann denkt man an `sick´ – krank, man weiß, S-I-C-K, aber es gibt ein anderes Wort für krank, das ist `ill´. Man kennt: I-L-L. Siehst du, wie einfach es ist? Du nimmst das `H´ und `sick´. Du sagst `horse sick – Pferd krank´. Du setzt das `H´ an `I-L-L´. Du setzt es zusammen und hast nun `hill´. Somit hast du das Code-Wort.

Die folgenden acht Kapitel enthalten Geschichten, die Stephen Mack von Navajo-Code-Sprechern erzählt worden sind (oft im Beisein von Victoria Jarvison); Geschichten, die sie mit eigenen Worten erzählen. Gelegentlich wurden jedoch kleine Änderungen vorgenommen. So wurde manchmal grammtikalisch die Zeit eines Verbs verändert, damit es mit dem Rest des Satzes zusammenpasst. Gewöhnlich wurden Wiederholungen eines Wortes gestrichen, was passiert, wenn jemand nach dem richtigen Wort suchte, was oft geschah. Diese Veränderungen waren der Klarheit des Textes geschuldet. Die Worttreue in ihren Geschichten ist ja nicht notwendigerweise gefährdet durch Füllwörter wie `you know – weißt du.´ Doch selbst diese Redewendungen wurden oft in den Erzählungen belassen. So wie Fehler in der genetischen Vererbung die physische Individualität einer Person ausmachen, zeigen Gewohnheiten in der Sprache seine individuelle Ausdrucksweise.

Im Verlauf des Buches werden die Texte der Navajo-Code-Sprecher in der Schriftart Palatino geschrieben, so wie wir jetzt lesen. Die Texte der Interviewer, der Familienmitglieder der Code-Sprecher, werden kursiv geschrieben. Auch die Wörter der Navajos werden kursiv geschrieben, zum Beispiel: anaalí. Für den entsprechenden Navajo-Code wird die Schriftart Courier New verwendet: wol-lachee. Diese Differenzierung wurde gemacht, weil die Schreibweise der Navajo-Wörter im Navajo-Code-Wörterbuch (erstellt von den Ersten 29) einmalig ist, im Unterschied zur gewöhnlichen Navajo-Orthographie – oder aller vorigen, zu diesem Thema.

Zur Einführung

Code-Sprecher wurden vom Militär eingesetzt, um im Krieg geheime Nachrichten in einer unbekannten Sprache verschlüsselt senden zu können.

Die ersten Code-Sprachen wurden bereits im Ersten Weltkrieg von den Soldaten mit Hilfe der Cherokee- und Choctaw-Indianersprachen als Code-Sprache eingesetzt. Der Cherokee-Code wurde von der 30. US-Infanterie Division während der 2. Schlacht an der Somme im September 1918 erfolgreich genutzt. Die Choctaw- oder Chahta-Sprache wurde als Code-Sprache codiert und ebenfalls im Ersten Weltkrieg im Kampf der Maas-Argonnen Offensive am 26. Oktober 1918 von der 36. Infanterie Division eingesetzt. Auch die Comanchen nahmen mit 14 Code-Sprechern in der 4. Infanterie Division an der Normandie Invasion teil. Daran erinnerte sich ein Militär-Ingenieur aus Los Angeles, Philip Johnston, der perfekt Navajo sprach. Zu Beginn des 2. Weltkriegs schlug er die Sprache des Navajo-Stammes zur Codierung für die Marine Corps der Vereinigten Staaten vor. Nach dem Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 meldeten sich viele Navajo-Indianer freiwillig, um an der Verteidigung und Rettung ihrer Mutter Erde teilzunehmen. Zu der Zeit gab es noch keine Navajo-Schriftsprache. Aber Johnston glaubte fest an die Fähigkeit der ersten 29 Navajo-Code-Talkers, einen entsprechenden Code zu entwickeln, der nicht dechiffrierbar ist; durch die vielen Dialekte, deren Syntax und Phonologie war das besonders kompliziert. Die Navajo-Sprache gehört mit dem Tlingit zu den drei großen regionalen Sprachgruppen der athapaskischen Sprachfamilie, den Na-Dené Sprachen. Zunächst erabeitete Johnston Texte, kodierte Navajo-Wörter, lehrte die ersten vier ausgesuchten Navajos, diese zu senden und zu dekodieren. Drei Zeilen aus der englischen Sprache konnten in 20 Sekunden kodiert werden, gegenüber 30 Minuten durch eine Funkstation. Die erste Gruppe von 29 Navajos schuf bereits im Mai 1942 den nutzbringenden Code in Cap Pandleton. Philip Johnston hatte den Plan bereits mit dem kommandierenden General der Pazifik-Flotte, Generalmajor Clayton B. Vogel, abgestimmt.

Der Navajo-Code basiert auf dem Navy Phonetic Alphabet, auf englischen Wörtern und den einzelnen Buchstaben (s. Anhang). Ein Code-Buch wurde erstellt, nach welchem in geschützten Camps intensiv gelernt wurde.

Die Leistungen der Navajo-Code-Talkers im Pazifikkrieg gegen Japan sind nicht hoch genug einzuschätzen. Bei einer Schlacht von Iwo Jima hatte die 5. Marine Division unter Major Howard Connor sechs Navajo-Code-Talkers im Dauereinsatz. Sie sendeten und erhielten fehlerlos 800 Botschaften. Connor bestätigte später, „Ohne die Navajos hätten die Marines Iwo Jima niemals eingenommen.“ Die Ersten 29 hatten 200 weitere Code-Sprecher ausgebildet.

Der letzte der 29 Begründer, Chester Nez, starb am 4. Juni 2014.

Bis zur Freigabe des Codes 1968 hatten sie keine besondere Anerkennung erhalten. Präsident Donald Reagan verlieh ihnen 1982 eine besondere Anerkennungsurkunde und ernannte am 14. August 1982 diesen Tag zum Navajo-Code-Sprecher Ehrentag, der jährlich festlich begangen wird. Präsident Bill Clinton unterzeichnete am 21. Dezember 2000 das Public Law 106-554; 114 Statute 2763, um die Gold- und Silber-Medaillen des Kongresses den Ersten 29 und den weiteren 300 Code-Talkers aushändigen zu können. Präsident George W. Bush vollendete diese Übergabe an die letzten fünf Überlebenden bzw. deren Familienmitglieder bei einer Feier im Capitol Rotunda in Washington DC. Dazu gehörte sein Public Law 110-420, das er am 15. November 2008 unterzeichnet hatte. Jeder Native-American-Code-Sprecher, der im Ersten und Zweiten Weltkrieg im Militär der Vereinigten Staaten diente, erhält nun die Goldmedaille des Kongresses. Am 27. November 2017 erschienen drei überlebende Code-Sprecher mit dem Präsidenten der Navajo-Nation, Russel Begay, bei Präsident Donald Trump im Oval Office zu einer offiziellen Feier im Weißen Haus.

Die Direktorin des National Congress of American Indians, Jacqueline Pata, hob den Dienst aller Native Talkers hervor. Der von Trump benutzte Name `Pocahontas´ für die Ureinwohner wurde vom National-Congress der Indianer Amerikas abgelehnt.

Diese Code-Sprecher haben den Beweis erbracht für die Macht des Wortes:

`Native Languages´ sind anerkannte Waffen im Krieg.

Dem Autor dieses wertvollen Tatsachenberichtes, Stephen Mack, sowie allen seinen freiwilligen Helfern, den Navajo-Code-Sprechern die sich für Interviews, Gesprächsrunden und Bekenntnisse bereit erklärt haben, `It had to be done´ zu veröffentlichen, sei hiermit herzlichst gedankt.

Am 7. November 2019 kam der Film über die Seeschlacht `Midway – für die Freiheit´, von dem deutschen Regisseur Roland Emmerich in die deutschen Kinos. Die Wende im Pazifikkrieg wurde mit dem Sieg der amerikanischen Streitkräfte über die Kaiserliche Japanische Armee auf dem Midway-Atoll eingeläutet.

Als Übersetzerin danke ich besonders dem Autor Stephen Mack und natürlich dem TraumFänger Verlag für das entgegengebrachte Vertrauen, dieses beeindruckende Werk als Tatsachenbericht in die deutsche Sprache übersetzen zu dürfen.

Ursula Maria EwaldRadeberg, November 2019

1

Kindheit in der Reservation und die Schulzeit

Sie strafen dich; indem du in der Ecke knien musst. Dreißig Minuten. Und dann fragen sie, „OK, Sam, wirst du wieder Navajo sprechen?“ Und du antwortest mit yes oder no – in Navajo!

– Samuel Tso

Keith Little Anfang 1930

Foto-Leihgabe Keith Little

Keith Little, Präsident der Navajo-Code-Sprecher Assoziation zur Zeit, als dieses Buch entstand, erläutert die Vorgeschichte zu den Navajo-Code-Sprechern: