Essanfälle adé - Olivia Helmer-Wollinger - E-Book

Essanfälle adé E-Book

Olivia Helmer-Wollinger

0,0
12,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Stopp mit dem Diät-Jo-Jo: für mehr körperliche und seelische Gesundheit Leidest du unter emotionalen Essanfällen oder Essdruck und lehnst deinen Körper ab? In diesem Ratgeber erfährst du, warum du oft viel mehr isst, als du willst, und wieso mehr Disziplin und Diäten wenig nutzen, um dich langfristig besser zu fühlen. Du lernst herauszufinden, wie viel und welche Nahrung dein Körper benötigt und auch, wie du dich seelisch nähren kannst. Denn je weniger emotionalen Mangel du empfindest, desto seltener wirst du zur Kompensation oder Regulation essen. Das Buch hilft dir zu erforschen, wer du bist und was du brauchst, damit du im Einklang mit dir und deinem Körper leben kannst.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Essanfälle adé

OLIVIA HELMER-WOLLINGER, 1972 in Wien geboren, probierte gefühlt jede Diät aus und führte viele Jahre einen erbitterten Kampf gegen ihren Körper. Erst als sie sich selbst den Frieden anbot, konnte ihre lebensverändernde Reise hin zur seelischen Gesundheit beginnen. Seit dem Jahr 2000 engagiert sie sich als Wegbegleiterin für Menschen, die unter ihrem emotionalen Essverhalten leiden. Heute arbeitet sie als Praktizierende der Rosen-Methode sowie der Emotionalkörper-Therapie in Ihrer Praxis für Körperarbeit und bloggt auf www.aivilo.at.

Sich ständig mit anderen vergleichen, Kalorien zählen, Essanfälle ertragen – irgendwann entschied Olivia Helmer-Wollinger, nicht länger einem illusorischen Wunschgewicht hinterherzulaufen, sondern endlich wieder leben zu wollen. Ihr Ratgeber kombiniert persönliche Erfahrungen mit Fachwissen und zeigt auf, wie ein Ausstieg aus dem emotionalen Essverhalten gelingen kann. Schritt für Schritt nimmt sie die Leserinnen und Leser mit auf die Entwicklungsreise von emotionalem Essdruck und Selbstabwertung hin zu mehr Körperbewusstsein, Respekt für und Loyalität zu sich selbst. Die vielen Impulse und praktischen Übungen helfen, alten Verhaltensmustern und Gedankenspiralen zu entkommen, die eigenen Körpersignale besser zu deuten und sich selbst auf emotionaler Ebene zu versorgen, damit mehr Selbstliebe und innere Freiheit entstehen können.

Olivia Helmer-Wollinger

Essanfälle adé

Wie du deinen körperlichen und emotionalen Hunger verstehen und sättigen lernst

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

Vollständig überarbeitete Neuausgabe des Titels Essanfälle ade. Vom emotionalen Essen zum persönlichen Wohlfühlgewicht1. Auflage Januar 2025Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44 b UrhG ausdrücklich vor.Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich bitte an [email protected]© 2025 Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117 BerlinUmschlaggestaltung: Zero-media.net, MünchenTitelabbildung © FinePic®, MünchenLektorat: Birte MeyerE-Book Konvertierung powered by pepyrusISBN978-3-8437-3633-6

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

Auf einigen Lesegeräten erzeugt das Öffnen dieses E-Books in der aktuellen Formatversion EPUB3 einen Warnhinweis, der auf ein nicht unterstütztes Dateiformat hinweist und vor Darstellungs- und Systemfehlern warnt. Das Öffnen dieses E-Books stellt demgegenüber auf sämtlichen Lesegeräten keine Gefahr dar und ist unbedenklich. Bitte ignorieren Sie etwaige Warnhinweise und wenden sich bei Fragen vertrauensvoll an unseren Verlag! Wir wünschen viel Lesevergnügen.

Hinweis zu UrheberrechtenSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Titelei

Das Buch

Titelseite

Impressum

Herzlich willkommen!

Vorwort zur vollständig überarbeiteten Neuausgabe

Das erwartet dich in diesem Buch

Kapitel 1:Das emotionale Essverhalten verstehen

Meine Geschichte

Selbsttest: Wie süchtig ist dein Essverhalten?

Erster Blick hinter die Symptome

Mögliche Ursachen für Essanfälle

Den inneren Kampf beenden

Weitere Fragen

Weiterführende Quellen

Kapitel 2:Nahrung

für deinen Körper

Wie wir versuchen, den Körper zu kontrollieren

Den Körper mit ins Boot holen

Hunger des Körpers spüren

Sättigung des Körpers spüren

Herausfinden, was du essen willst

Wie wir essen

Ernährungsgewohnheiten verändern – meine Erfahrungen

Hunger nach Sport

Weitere Fragen

Weiterführende Quellen

Kapitel 3:Nahrung für deine Gedanken

Gedanken über dich selbst

Gedanken über andere

Gedankenkreise beruhigen

Neue Gedanken einladen

Digitale Gedankenwelten

Weitere Fragen

Weiterführende Quellen

Kapitel 4:Nahrung für deine Seele

Beziehungspflege mit dir selbst

Hilfe annehmen

Weitere Fragen

Weiterführende Quellen

Kapitel 5:Nahrung für deine

Gefühle

Ablauf der Gefühlswahrnehmung

Zugang zu deinen Gefühlen finden

Mit deinen Gefühlen kommunizieren

Komplexe Gefühlswellen

Beispiele zum Umgang mit Gefühlen

Unbeschwertheit zulassen

Weitere Fragen

Weiterführende Quellen

Kapitel 6: Umgang mit Rückfällen

Neue Definition von Rückfall

Wie fühlt sich ein Essanfall an?

Umgang mit Essanfällen

Wie kannst du einen Essanfall verhindern?

Fortschritte bemerken

Weiterführende Quellen

Kapitel 7: Das Leben

ohne

Essanfälle

Unser Körperhaus

Abschließende Worte

Wertschätzung

Literaturverzeichnis

Buchtipps

Podcasts

YouTube

Filme

Weblinks

Anhang

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Herzlich willkommen!

Herzlich willkommen!

Vorwort zur vollständig überarbeiteten Neuausgabe

Die allererste Version dieses Buches entstand im Jahr 2000. Damals noch als 54-seitiges DIN-A4-Heft, das ich im Copyshop ausdruckte und in der Selbsthilfegruppe verteilte, die ich gerade gegründet hatte. Ich war 28 Jahre alt, und es war das erste Jahr, in dem mich keine Essanfälle mehr quälten.

Seitdem hat sich einiges weiterentwickelt, sowohl bei mir persönlich als auch in der Gesellschaft. Und all die Jahre wuchs dieses Buch mit, bis es schließlich zu dem wurde, was du nun in deinen Händen hältst.

Wie schon bei der ersten Ausgabe sind meine Ansprüche auch dieses Mal hoch. Schließlich möchte ich nicht weniger als die Essenz all jener Erfahrungen zu Papier bringen, die ich bis heute auf dem Gebiet des emotionalen Essens sammeln durfte.

Kaum ist dieser Satz getippt, melden sich kritische Stimmen, die mir Zweifel einflüstern möchten. Früher wäre dies eine jener typischen Situationen gewesen, in denen ich wie ferngesteuert zu Süßigkeiten gegriffen hätte, um mich zu beruhigen, zu trösten und das seelische Unwohlsein abzudämpfen.

Doch aus Erfahrung weiß ich heute, dass mir das emotionale Essen in diesem Moment weder Genuss noch nachhaltige Hilfe bieten kann. Stattdessen wende ich verschiedene Strategien der Selbstregulation an, die ich auf meinem Heilungsweg Schritt für Schritt verinnerlicht habe: Zunächst mache ich mir bewusst, dass diese kritischen Stimmen bloß uralte Bekannte von mir sind. Sie wollen mir auf ihre ganz eigene Art und Weise mitteilen, dass etwas in mir gerade das Bedürfnis nach Sicherheit hat. Daher reduziere ich die Komplexität der nun bevorstehenden Herausforderung, indem ich mich auf den unmittelbar nächsten Schritt konzentriere: Ich mache mir eine gute Tasse Tee.

Dann reguliere ich meine anrollende Gefühlswelle, indem ich mich mit meinem Atem und meiner Herzensmitte verbinde. Was brauche ich noch an Selbstfürsorge? Einen bequemen Platz neben meiner schwarzen Katze und eine kuschelige Decke. Dazu noch ein paar Lieder, die mir Mut gespendet haben, als ich noch auf Kriegsfuß mit meinem Körper und meinem Essverhalten stand. Diese Musik bringt mich auf die Idee, meine alten Tagebücher hervorzukramen.

Ich bemerke, dass meine Gefühlswelle von vorhin abgeebbt ist. Langsam keimt Freude darüber auf, dass ich gleich gemeinsam mit dir, liebe Leserin und lieber Leser, ergründen darf, welche Rolle das emotionale Essen in deinem Leben spielt.

Ich blättere in meinen Tagebüchern, und plötzlich flattert mir eine Kunstpostkarte entgegen, die ich mit Mitte 20 kaufte, in der schwärzesten Phase meines Lebens. Die Karte zeigt ein Ölgemälde aus dem Jahr 1819, gemalt vom norwegischen Landschaftsmaler Johan Dahl, und trägt den Titel »Morgen nach einer Sturmnacht«. Zu sehen ist ein Matrose, der auf einem Felsvorsprung kauert und seinen Kopf in den Armen vergräbt. Im Hintergrund versinkt sein Schiff in der rauen See, umgeben von dunklen Wolken. Der Matrose wirkt völlig allein auf dieser Welt, bis auf einen süßen Hund, der vor ihm sitzt und ihn treuherzig anblickt. Am Horizont lichtet sich der Himmel, der neue Tag bricht an.

Erst heute kann ich in Worte fassen, welche Gefühle diese Postkarte damals, als ich sie kaufte, berührte: In mir waren tiefe Einsamkeit, Trauer, Verzweiflung und ein Abgeschnittensein von mir und meiner Lebendigkeit. Es gab eine tiefe Sehnsucht nach Verbindung zu wohlwollenden Mitmenschen an meiner Seite, die mein Sein verstehen und akzeptieren würden. Gleichzeitig spürte ich Hoffnung beim Blick in die Zukunft: Der Tiefpunkt war erreicht, ab jetzt konnte es nur noch besser werden.

Heute, 30 Jahre später, lebe ich in dieser Zukunft – meiner Gegenwart. Ich habe meine Heimat in mir und um mich herum gefunden und bin im Frieden mit meinem Körper und dem Essen.

In diesem Buch beschreibe ich, wie diese Veränderung gelang. Außerdem teile ich mit dir mein über die Jahre entstandenes Fachwissen, das ich in meiner Praxis für Körperarbeit sammeln durfte. Ich hoffe, dass einige dieser Erfahrungen, Gedanken und Anregungen für dich und deinen persönlichen Weg hilfreich sind.

Das erwartet dich in diesem Buch

Dieser Ratgeber ist für dich geeignet, wenn du unter übermäßigem, emotionalen Essverhalten leidest, regelmäßig Essdruck oder Essanfälle erlebst und mit deinem Körper auf Kriegsfuß stehst.

Im ersten Kapitel »Das emotionale Essverhalten verstehen« möchte ich dir verständlich machen, dass Essdruck bzw. Essanfälle unbewusste Problemlösungsstrategien sind. Wir überlegen, wieso sie in dein Leben gekommen sein könnten. Auch wenn es dich im Moment sehr belastet, kann das übermäßige emotionale Essen nicht einfach durch restriktive Diäten oder durch strenge Disziplin abgestellt werden. Mit dem tiefen Verständnis für deine Verhaltensmuster kann die Selbstverurteilung abnehmen und dein Leben leichter werden.

Im zweiten Kapitel »Nahrung für deinen Körper« beschäftigen wir uns mit den drei zentralen Fragen von Menschen, die aufgrund ihres emotionalen Essverhaltens leiden: Was soll ich essen? Wie viel soll ich essen? Und: Wann soll ich essen? Ich stelle dir Strategien vor, wie du entlang deiner Körperbedürfnisse leben lernst und wie du mit der Tatsache umgehen kannst, dass in unserer Überflussgesellschaft praktisch an jeder Ecke Essen verfügbar ist.

Im dritten Kapitel »Nahrung für deine Gedanken« bekommt der liebe Kopf ausgiebig Raum. Viele Menschen mit emotionalem Essverhalten verlieren sich häufig in Gedankenschleifen, die wenig konstruktiv sind und daher mehr belasten als Lösungen bieten. Deshalb sehe ich mir mit dir an, wie du diese kreisenden Gedanken beruhigen kannst.

Im vierten Kapitel »Nahrung für deine Seele« möchte ich dir ein paar Werkzeuge an die Hand geben, mit denen du dafür sorgen kannst, dass es dir mit dir selbst besser geht, auch wenn du dich im Moment noch ablehnst oder sogar hasst. Außerdem ermuntere ich dich zum Annehmen von Hilfe in Form von Psychotherapie und Körperarbeit.

Im fünften Kapitel »Nahrung für deine Gefühle« üben wir das Spüren und sehen uns Möglichkeiten an, wie du Gefühle ohne das Hilfsmittel Essen regulieren kannst. Denn regelmäßige Essanfälle und auch übermäßiges »Grasen«1 deuten darauf hin, dass du das Essen einsetzt, um deine Gefühle zu beruhigen bzw. sie herunterzuschlucken.

Im sechsten Kapitel »Umgang mit Rückfällen« beschäftigen wir uns mit der Frage, wie du einen Essanfall verhindern könntest, und machen uns Gedanken über Erste-Hilfe-Maßnahmen, falls dieses Vorhaben nicht gelungen ist.

Im siebten Kapitel »Das Leben ohne Essanfälle« beschreibe ich, wie es sich anfühlt, wenn sich die Essanfälle verabschiedet haben.

Dieses Buch bietet viele Anregungen und Ideen, wie du dich weiterentwickeln und wachsen kannst. Da mein Beruf (oder eigentlich meine Berufung) die Körperarbeit ist, habe ich auch einen körperorientierten Zugang zum Thema gewählt.

Das Ziel ist es, dich zu nähren, und zwar nicht nur auf körperlicher, sondern vor allem auch auf seelischer Ebene. Je satter du bist, also je weniger Mangel du in deinem Leben empfindest, desto seltener wirst du das Essen zum Zweck der Regulation oder Kompensation benutzen. Es geht darum, Schritt für Schritt herauszufinden, wer du bist und was du brauchst, um deinem wahren Selbst entsprechend leben zu können.

Falls du, liebe Leserin oder lieber Leser, selbst nicht von Essanfällen betroffen bist, sondern das Buch liest, um andere Personen mit emotionalem Essverhalten besser zu verstehen, fühle dich ebenso herzlich willkommen. Es wird viel darum gehen, Selbstakzeptanz und Gefühle zu spüren bzw. zu regulieren – ein Thema, das nicht nur für Menschen mit Essanfällen wichtig ist. Es könnte daher sein, dass du in diesem Buch auch einiges findest, das für dich persönlich von Interesse ist.

Dieses Buch ist dafür da, dir möglichst viele Impulse zu geben, daher lade ich dich zu zahlreichen Übungen ein, jeweils markiert mit einem kleinen Herzen . Lass dich von der Fülle bitte nicht abschrecken. Es ist tatsächlich unmöglich, alle Impulse und Übungen auf einmal oder in kurzer Zeit zu absolvieren. Beginne mit jener Übung, die dich am meisten anzieht oder die dir im Moment am leichtesten fällt.

Im Zuge des Lesens werden dir immer wieder Tagebucheintragungen begegnen. Diese stammen aus meinen Tagebüchern, allerdings wurden die Texte teilweise gekürzt oder zusammengefasst und sanft lektoriert, um sie für dich besser lesbar zu machen.

Außerdem werde ich mit dir einiges aus meiner persönlichen Geschichte teilen. Vielleicht wirst du dich in manchem wiederfinden. Auf alle Fälle hoffe ich, dass du spüren kannst, dass du mit deinen Essproblemen nicht allein bist.

Weil in einem Buch niemals alles gesagt werden kann, versorge ich dich am Ende der Kapitel mit zahlreichen weiterführenden Informationsquellen in Form von Büchern, Podcasts, Videos oder Filmen, die am Ende des Buches nochmals vollständig zitiert werden.

Da viele der Themen in diesem Buch sehr persönlich sind, habe ich entschieden, dich, liebe Leserin oder lieber Leser, in diesem Buch mit »du« anzusprechen. Falls wir irgendwann mal persönlichen Kontakt haben, beispielsweise in meiner Praxis in Wien, und dir das »Sie« lieber ist, sag bitte Bescheid.

Der Weg aus dem emotionalen Essverhalten ist eine Reise zu dir selbst. Hierfür gefällt mir der Vergleich zu Forschungsexpeditionen früherer Zeiten, als es noch weiße Flecken auf der Landkarte gab und sich mutige Menschen aufmachten, neue Wege zu entdecken. Allerdings geht es bei unserer Forschungsreise nicht um fremde Länder, sondern um die eigene innere Landkarte, auf der es mehr weiße Flecken gibt, als wir es für möglich halten würden. Diese Reise zu dir selbst ist vielleicht die mutigste, die du in deinem Leben antreten kannst.

Forschungstagebuch: Forscherinnen und Forscher machen sich Notizen und lernen ständig dazu. Daher empfehle ich dir, dir für unsere gemeinsame Reise ein Tagebuch zuzulegen. Darin kannst du Beobachtungen und Erkenntnisse festhalten und sortieren. Vor allem in Zeiten, in denen du meinst, dich im Kreis zu drehen, kann es wichtig sein, dich zu erinnern: »So vieles habe ich bereits geschafft!«

Ich lade dich ein, ein besonders schönes Tagebuch auszuwählen. Eines, das dir wirklich gefällt und dir Freude bereitet. Schließlich wird es dich eine Zeit lang begleiten.

Bevor wir gleich mit unserer gemeinsamen Reise beginnen, ist es mir noch wichtig, darauf hinzuweisen, dass dies ein Selbsthilfebuch ist, das weder Psychotherapie noch ärztliche Konsultationen ersetzt. Falls du körperlich bzw. psychisch erkrankt bist oder in Sorge davor, wende dich bitte unbedingt an dafür zuständiges Fachpersonal.

Jetzt lass uns aber mit dem ersten Kapitel starten, in dem wir uns die Ursachen emotionalen Essens genauer ansehen.

Kapitel 1:Das emotionale Essverhalten verstehen

Denke ich an die Menschen, die ich persönlich und näher kenne, kann ich feststellen: Jede und jeder von ihnen isst auch aus emotionalen Gründen. Ich glaube, dass dieses Verhalten sogar völlig natürlich ist, denn Essen bietet so viel mehr als bloß das Stillen des körperlichen Hungers: Es kann Emotionen beruhigen, trösten, Freude bereiten, Genuss und Glücksmomente bringen, Frustmomente versüßen, Stress besänftigen, Verbundenheit mit anderen Menschen schenken, schöne Erinnerungen wecken und vieles mehr.

Problematisch wird das emotionale Essverhalten erst dann, wenn es den eigenen Alltag vereinnahmt und Leid verursacht. Wie das aussehen könnte, möchte ich dir anhand des folgenden Tagebucheintrags zeigen:

Ich habe immer noch dieses Essproblem. Gerade stopfe ich ein Erdnussbutterbrot in mich hinein. Eigentlich bin ich gar nicht hungrig. Wenn ich ein paar Wochen lang täglich Sport machen und weniger essen würde, wäre mein Gewicht so, wie ich es gerne hätte, aber ich habe einfach zu wenig Disziplin. Es ist zum Kotzen. Jeden Tag sage ich »morgen«. Und währenddessen fresse ich weiter.

Und wieder einmal werde ich es versuchen: morgen. Mein Plan für die nächste Woche: Drei Früchte zum Frühstück, drei zu Mittag, nur Gemüse am Abend. Jeden Tag Fitnesscenter. Am Samstag werde ich H. besuchen, mit dem Fahrrad. Bei ihr gibt es sicher wieder viele Kekse. Wenn ich es schaffe, dieser Versuchung zu widerstehen, bin ich toll. Keine Kekse an diesem Tag! Dafür Früchte, so viele ich will. Auf Cola light und Kaffee will ich ganz verzichten, davon hatte ich viel zu viel in letzter Zeit, und mein Magen wehrt sich schon.

(Gerade habe ich mir auch noch Schokolade reingeschoben – hat mir nicht geschmeckt.)

Wenn ich diese paar Tage überstehe, werde ich mich blendend fühlen. Wenn ich es nicht schaffe, bin ich selbst schuld und darf nicht jammern. Kein Mitleid.

Die Cola- und Kaffee-Abstinenz wird hart. Aber verdammt noch mal: Ein paar Tage wird es doch möglich sein?! Reiß dich zusammen! Wie soll ich jemals erfolgreich sein, wenn ich mich nicht unter Kontrolle habe und viel zu wenig Willensstärke aufbringen kann?

Zwei Tage später notierte ich in mein Tagebuch:

Ich konnte meinen Diätplan wieder einmal nicht durchhalten. Jeden Montag denke ich: neue Woche, neue Chance! Und am Ende der Woche mache ich mich über Kekse, Erdnussbutterbrote oder Ähnliches her.

Ich habe einfach kein Durchhaltevermögen. Mir fehlt die Disziplin. Bevor ich mich über Kalorienbomben oder eine zweite oder dritte Portion hermache, kämpfe ich kaum eine Sekunde mit meinem Über-Ich, und schon gebe ich nach. Ich denke nicht einmal mehr nach, sondern stopfe alles in mich rein, bis ich nicht mehr kann … und das will was heißen.

Wenn ich so weitermache, erreiche ich nie mein Wohlfühlgewicht. Ich werde mich nie wohlfühlen. Aber wenn ich nicht fähig bin, mich zurückzuhalten, gibt’s auch kein Mitleid. Ich brauche nur ein bisschen mehr Selbstdisziplin. Einmal versuche ich es noch. Einmal noch. Ich muss mich mehr anstrengen. Ab morgen.

Das Typische an diesem ewigen Diätkreislauf ist, dass wir hundertprozentig davon überzeugt sind, die Lösung für mehr Wohlbefinden zu kennen: abnehmen! Also einfach mehr Gemüse und weniger Zucker oder Fast Food essen, die Gesamtkalorien reduzieren und mehr Sport treiben.

Es hört sich so einfach an, und trotzdem funken immer wieder »Ausrutscher« in Form von Essanfällen dazwischen. Warum? Diese Frage werden wir auf den folgenden Seiten erkunden.

Meine Geschichte

Wenn das Essverhalten Suchttendenzen zeigt, dreht sich vieles um Essen und Körpergewicht. Doch das Thema zieht noch viel weitere Kreise. Um das zu erklären, möchte ich einen Ausschnitt meiner Geschichte mit dir teilen.

Vielleicht treffen einige Dinge auch auf dich zu und andere nicht. Meine Geschichte darf dir als Orientierung dienen. Denn manchmal können wir unser eigenes Verhalten besser einordnen, wenn wir hören, wie andere Menschen damit umgegangen sind. Außerdem kann es helfen, von anderen Schicksalen zu erfahren, um sich nicht mehr ganz so seltsam oder allein zu fühlen.

Der Beginn meiner Diätkarriere

Der Beginn meiner Diätkarriere verlief ziemlich unspektakulär: Ich fühlte mich zu dick und wollte abnehmen. Aufgrund des riesigen Matura-Stresses und danach aus Einsamkeit während meiner Au-Pair-Zeit in Paris sprach ich vermehrt dem Stress- und Trostessen zu, und damit häuften sich einige Kilos an.

Ich schämte mich für mein neues Gewicht und wollte es so rasch wie möglich wieder loswerden. Daher tat ich das, was mir am sinnvollsten schien: Ich verordnete mir eine strenge Diät, und zwar die sogenannte Trennkost, die damals en vogue war. Sie gab vor, dass ich bis mittags ausschließlich Obst essen, strikt Kohlehydrate von Proteinen trennen und möglichst auf Süßspeisen verzichten sollte. Zusätzlich dokumentierte ich jeden Morgen gewissenhaft mein Gewicht, natürlich bis auf die Dezimalzahlen genau.

Es lief hervorragend. Ich nahm ab und erreichte das niedrigste Gewicht, das ich je als Erwachsene gehabt hatte. Ich redete mir ein, dass ich dieses Gewicht mühelos würde halten können. Doch die Wirklichkeit sah anders aus: Bereits nach wenigen Monaten schlichen sich die ersten Heißhungerattacken ein. Die Essensmengen waren noch recht harmlos und somit leicht zu verdrängen: Beispielsweise stopfte ich mir beim Abräumen eine Handvoll übrig gebliebener Nudeln in den Mund. Ich weiß noch, dass ich mich währenddessen fragte: »Was tue ich hier eigentlich?«

Blicke ich zurück, ist mir heute klar, dass dies nicht der Grundstein für meine Diätkarriere war. Dass ich mich zum ersten Mal für meinen Körper geschämt habe, liegt viel länger zurück: Bereits im Alter von vier Jahren verglich ich mich mit einer Kindergartenfreundin. Obwohl gleich alt, war sie einen Kopf kleiner als ich, und neben ihr kam ich mir entsetzlich plump vor. Meine Figur und vor allem meine Körpergröße waren also ein Thema für mich, seit ich denken kann.

Später, in der Pubertät, war mir nicht bewusst, dass die zunehmenden Kurven zum Frauwerden dazugehören. Statt die Veränderungen meines Körpers als natürlich zu akzeptieren, war ich sicher, einfach zu viel zu essen. In der Folge begann ich, meine Essensmengen mit anderen Gleichaltrigen zu vergleichen und mich zunehmend unwohl in meinem Körper zu fühlen.

Die große Krise

Meine nagenden Selbstzweifel konnte ich durch meinen ersten Diäterfolg zwar verdrängen, aber natürlich nicht heilen. Sie eskalierten, als ich Anfang 20 war. Damals wurde ich von meinem Freund zuerst betrogen und danach verlassen. Ich litt entsetzlich, weil ich nicht nur ihn, sondern auch seine Familie, in der ich mich geborgen fühlte, verlor.

Kurz darauf machte ich mit Freundinnen Urlaub in Griechenland. Ich wollte meinen Liebeskummer betäuben und nahm geradezu ungehemmt Alkohol und Süßspeisen zu mir – mit dem Ergebnis, dass der Knopf meiner Jeans nach dieser Reise nur noch mit großer Mühe zuging. Das war ein Schock für mich. Diese Kilos mussten unbedingt wieder runter, und zwar schnell!

Aus heutiger Sicht ist es interessant oder vielmehr traurig, dass mein damaliges Gewicht diese panische Reaktion in mir auslöste, denn es war ein ähnliches, wie ich es momentan auf die Waage bringe. Anders als heute war es mir damals unmöglich, meinen Körper zu akzeptieren. Das Bild, das ich von mir hatte, war verzerrt und meine Selbstablehnung groß.

Zurück zur »Erfolgsdiät«

Daher war es nur logisch, wieder zu meiner »Erfolgsdiät« zurückzukehren, die schon einmal so hervorragend geklappt hatte. Diesmal hielt ich mich noch viel strenger an die Vorgaben: Statt nur bis zum Mittag, aß ich manchmal den ganzen Tag ausschließlich Obst und verzichtete vollständig auf Süßspeisen. Mittlerweile kannte ich die Kalorientabellen auswendig und achtete darauf, jeden Tag nur eine bestimmte Menge an Kalorien zu mir zu nehmen.

Trotz dieser Anstrengungen purzelten die Kilos diesmal nicht so leicht. Denn es funkten vermehrt Heißhungerattacken dazwischen, die sich bei Weitem nicht mehr harmlos anfühlten: Ich stopfte in rasantem Tempo alles, was ich mir eigentlich verboten hatte, in mich hinein, und zwar in großen Mengen, bis ich nicht mehr konnte.

Kein Mitspracherecht für meinen Körper

Je länger ich mich mit Diäten und Gewichts-Jo-Jo herumschlug, desto mehr war ich davon überzeugt: »Diesem Körper kann ich nicht trauen. Die Gier muss kontrolliert werden, sonst nimmt sie überhand.«

Daher räumte ich meinem Körper immer weniger Mitspracherecht ein: Es war die Körperwaage, die bestimmte, wie viel ich essen durfte, und es war die Küchenwaage, die kontrollierte, wie viele Kalorien auf meinem Teller landeten.

Meine Gedanken rund um Körper und Gewicht nahmen einen immer größeren Raum in meinem Kopf ein. In mir rotierten ständig Fragen wie: Habe ich schon wieder zu viel gegessen? Wieso isst meine Bekannte ungeniert Pommes? Darf ich auch welche essen, oder soll ich doch lieber beim Salat bleiben? Wie kann es sein, dass sie angeblich nach nur einer Rippe Schokolade genug hat? Ich habe das Gefühl, nie genug zu haben. Warum kann ich mich nicht am Riemen reißen? Wie kann ich es endlich schaffen abzunehmen? Ob die anderen merken, wie groß meine Gier ist?

Diese nicht enden wollende Grübelei führte dazu, dass ich mich im Alltag viel zu oft darin verlor und nicht wirklich anwesend war. Außerdem trieben meine Gedanken manch seltsame Blüte: Ich freute mich über die Pein einer Darmgrippe, weil sich mir dadurch die Möglichkeit bot, rasch ein paar Kilos zu verlieren.

Klein, zart, zierlich? Leider nein

Alles hätte ich dafür gegeben, klein, zart und zierlich zu sein und in Blümchenkleidern süß auszusehen. Denn genau das entsprach meinem Bild von einer schönen, begehrenswerten Frau, bei der die Männer garantiert Schlange stehen würden. Doch das Prädikat »süß« passte einfach nicht zu mir, und auch die anderen Idealvorstellungen konnte ich aufgrund meines Körperbaus nicht bedienen.

Beim Einkaufen war daher der Dreifachspiegel in den Umkleidekabinen mein persönlicher Feind: Er hob jeden Makel besonders hervor. Passte mir ein Kleidungsstück nicht, hatte ich einen Grund mehr, meinem Körper die Schuld dafür zu geben. Allerdings war es nicht nur das Gewicht, das mich störte, sondern auch meine Körpergröße von 1,83 Meter. Wer sich für sich selbst schämt, dem fällt es ohnehin schwer, geeignete Kleidung zu finden. Hat der Körper darüber hinaus kein Durchschnittsmaß, wird es noch schwieriger.

Aufgrund meiner Körpergröße ist meine Konfektionsgröße größer und mein Gewicht höher als bei kleineren Frauen mit vergleichbarer Figur. Damals begriff ich nicht, dass es also eine Frage der Relation war. Ich konnte nur die absoluten Zahlen sehen. Ich schämte mich, weil ich nicht in die Hosen meiner Freundinnen passte, abgesehen davon, dass mir diese viel zu kurz waren. Ich schnitt sogar die Wäschemarken aus meinen Slips heraus, nur damit ja niemand meine Maße mitbekommen konnte.

Doch das war noch lange nicht alles. Die Liste, mit den Dingen, was mir an mir nicht gefiel, wofür ich mich schämte, ging noch weiter: Ich fand, dass ich zu feines Haar hatte, mir die Taille fehlte, meine Knie seltsam geformt waren und mein Po zu flach war, mein Gesicht zu wenig Kanten hatte, ich beim Lachen zu viel Zahnfleisch zeigte und so weiter.

Was ich rückblickend herzzerreißend finde, ist, dass sich meine harte Selbstkritik auf Eigenschaften meines Körpers fokussierte, die ich nicht ändern konnte. Mein Körpergewicht schien der einzige Punkt auf dieser langen Liste zu sein, auf den ich Einfluss nehmen konnte, und war damit so etwas wie ein Rettungsanker für mich.

Ich wäre so gern …

Neben meinem Aussehen gab es noch so viel mehr, was mich an mir störte: Wie sehr wünschte ich mir, eine dieser sportlichen, energiegeladenen Frauen zu sein, die so makellos in ihren bauchfreien Trainingsoutfits aussahen. Doch ich konnte meine sportlichen Ziele nie erreichen, geschweige denn schön dabei aussehen. Wie gern hätte ich zu jenen extrovertierten Menschen gehört, die andere schnell für sich gewinnen konnten. Ich brauchte jedoch eine gefühlte Ewigkeit, bis ich auftaute und meine Stimme fand. Außerdem konnte ich mir den Lernstoff an der Uni nicht so rasch merken wie »die anderen«. Mit einem tollen Hobby konnte ich auch nicht aufwarten. Ich fand mich einfach langweilig.

Auch diese Mängelliste hätte ich ewig weiterführen können. Ich fühlte mich ständig als »zu …«: zu dick, zu hässlich, zu unweiblich, zu groß, zu dumm, zu faul, zu unsportlich, zu laut oder zu leise, zu langsam, zu untalentiert, zu uncool, zu unfähig, zu nervig, zu undankbar, zu wenig, zu viel, zu falsch. Kurz gesagt: Ich sehnte mich danach, nicht ich sein zu müssen.

Eines meiner toxischen Gedankenmuster lautete: »Wenn ich schon nicht perfekt bin, versuche ich wenigstens, alles perfekt zu tun.« Ich hoffte, durch Perfektion meine Minderwertigkeitsgefühle verbergen zu können und die dringlich ersehnte Wertschätzung und Liebe zu bekommen, um damit »heil« zu werden. Also versuchte ich, die beste Version meiner selbst zu werden. Doch dieses Projekt scheiterte kläglich, denn ich schaffte es nie, meinen Ansprüchen gerecht zu werden. Außerdem machte mir mein alles andere als perfektes Essverhalten regelmäßig einen Strich durch die Rechnung.

Sooft es ging, setzte ich mir die »Alles ist gut«-Maske auf und versuchte andere genauso wie mich selbst davon zu überzeugen, dass es mir total super ging. Die bittere Wahrheit holte mich nach den Essanfällen ein, die sich häuften. In diesen Momenten konnte ich spüren, dass ich alles andere als glücklich war.

Ein wichtiger Tiefpunkt

Da ich immer noch glaubte, mein Körper sei schuld an meiner Misere, zog ich die Daumenschrauben noch fester und quälte mich durch eine Saftkur, die ich für viel Geld kaufte. Außerdem meldete ich mich in einem Fitnesscenter an und zwang mich mehrmals die Woche dorthin.

Unter großer Anstrengung erreichte ich endlich mein Wunschgewicht. Ich erwartete, nun endlich glücklich sein zu können, ausgeglichen und selbstbewusst aufzutreten und mit meiner tollen Ausstrahlung alle Sympathien zu gewinnen.

Doch nichts von alledem geschah. Ich war unzufriedener denn je. Das Schlimmste: Ich konnte mir nicht erklären, warum. Obwohl ich endlich mein Traumgewicht hatte, schaffte ich es schon wieder nicht, mein strenges Diätregime dauerhaft durchzuziehen. Aus lauter Verzweiflung hatte ich prompt mehrere Essanfälle und landete schnell wieder bei meinem alten Gewicht und bei meinen vertrauten Problemen.

Rückblickend weiß ich, woran es lag: Ich machte mein Gewicht für alles Negative in meinem Leben verantwortlich. Dafür, dass ich mich in meinem Körper nicht wohlfühlte, unzufrieden mit meinem Leben war, Minderwertigkeitskomplexe hatte, mich selbst nicht leiden konnte, abwertend von mir dachte und meinen Traumpartner nicht fand.

Was passierte, als ich abnahm? Ich fühlte mich in meinem Körper noch immer nicht wohl. Ich war noch immer unzufrieden. Ich hatte noch immer Selbstzweifel. Ich hasste mich immer noch. Ich war nach wie vor nicht von meiner Ausstrahlung überzeugt. Und der Traumprinz ließ weiter auf sich warten.

Mit der Gewichtsabnahme hatte ich mit einem Schlag auch meinen vertrauten Sündenbock verloren, doch das Negative in meinem Leben war geblieben.

Irgendwann war es dann so weit: Ich konnte mir nicht mehr vormachen, ich hätte mein Leben im Griff. Im Gegenteil: Es ging mir richtig schlecht, wie dieser Tagebucheintrag zeigt:

Ich sitze hier, meine Gedanken müde von dem vielen Essen, starre vor mich hin. Aus. Ich will nicht mehr. Wann wache ich auf aus dieser verdammten Lethargie? Wer weckt mich auf? Kann ich mich nicht selbst rausholen? Habe ich meinen Glauben verloren? Ich lebe, ich bin gesund, ich habe Liebe in meinem Herzen – warum bin ich nicht glücklich und dankbar für diese Geschenke? Ich brauche all meine Kraft, um nicht in ein Loch zu fallen. Ich mache mich seit Jahren verrückt und habe noch nie länger als ein bis zwei Wochen ohne Fressanfall durchgehalten.

Ich fühle mich sinnlos. Seit einer Woche hat mich niemand gefragt, ob ich etwas unternehmen will. Klar, ich könnte jemanden anrufen. Aber wozu? Die Leute sind mir so egal. Es ist mir alles egal. Ich bin allen (mehr oder weniger) egal. Wozu mich aufraffen? Ich war seit genau einer Woche nicht mehr weg, außer Fitnesscenter und Uni. Ich kann nicht mehr.

Das Fressen heute Nachmittag hat seinen Zweck erfüllt: Ich konnte ca. drei Stunden schlafen. Dann eine Serie zu Ende geschaut. Was nun? Schon wieder fressen? Mir ist jetzt schon schlecht. Ins Fitnesscenter? Dazu ist mein Magen zu voll. Ich kann nicht ewig weiterschreiben. Wieder schlafen? Aufräumen? Fressen? Oder doch duschen?

Wenn ich wieder verliebt wäre, dann wäre alles besser. Aber jemanden zu finden kostet viel Kraft. Kraft, die ich nicht habe. Ich bin müde. Ich fühle mich so alleine. Ich hasse alles – oder nein – ich hasse nicht alles, das stimmt nicht. Ich kann nichts genießen. Mir ist alles egal.

Ich fühle mich leer. Das Leben geht an mir vorbei. Mein Sinn des Lebens ist es, glücklich zu sein. Also hat mein Leben keinen Sinn?! Der Gedanke, dass ich es nicht allein schaffen könnte, macht mich wahnsinnig. Ich verschwende die mir gegebene Zeit. Mir ist das alles bewusst, und doch bin ich unfähig, etwas zu ändern.

Was mir an diesem Tagebucheintrag auffällt, ist, dass ich mich dafür verurteilte, nicht dankbar zu sein. Damals war ich überzeugt, dass ich – bis auf eine Beziehung – doch alles hatte, daher konnte ich mir mein Unglück nicht erklären. »Stell dich nicht so an und reiß dich zusammen!«, schalt ich mich selbst, denn schließlich gab es so viele Menschen auf dieser Welt, denen es wirklich schlecht ging. Ich hingegen – davon war ich überzeugt – hatte doch nur ein paar Wohlstandsprobleme.

Ich litt, und gleichzeitig spielte ich mein Leid herunter. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass ich eine Essstörung hatte und zusätzlich wahrscheinlich depressive Verstimmungen. Eine offizielle Diagnose erhielt ich nie, was daran liegt, dass ich meine Probleme nicht ernst genug nahm und in der Akutphase mit niemandem darüber sprach.

Selbstehrlichkeit kann wehtun

Auch wenn wir es eigentlich besser wissen, ist es dennoch wunderbar möglich, uns selbst etwas vorzumachen. Denn der Mechanismus der Verdrängung arbeitet äußerst stark und wirkungsvoll. Auch bei mir: Jahrelang sah ich nicht wirklich hin. Schließlich folgte auf jede Tiefphase ein Hoch, in dem ich komplett vergaß, was zuvor abgelaufen war. Immer wieder war ich überzeugt davon, »es« mit der neuen Diät hinzubekommen. Garantiert!

Ich wollte und konnte mein Problem mit dem Essen nicht sehen. Aß ich »verbotene« Dinge, dann schnell und meistens, indem ich nebenbei irgendetwas anderes tat. Essen? Ich doch nicht! Oder ich »graste« vor mich hin, aß im Stehen rasch mal einen kleinen Bissen hier, mal ein Stückchen dort, was eben gerade so herumlag. Fiel doch niemandem auf, schon gar nicht mir selbst. Während eines Fressanfalls half mir der Trancezustand zu verdrängen. War dieser vorbei, wurde mir meine Misere wieder schmerzlich bewusst. Doch bereits am Morgen danach begann die nächste Diät, und ich war wieder fest entschlossen, mich von nun an nur noch gesund zu ernähren.

Mein Weg aus dem Teufelskreis konnte erst beginnen, als ich mir endlich ehrlich eingestand:

Ja, ich habe ein Problem, und zwar ein gewaltiges.

Ich schaffe es nicht, meine Diät- und Sportpläne einzuhalten, und es ist mir unmöglich, mein Wunschgewicht dauerhaft zu erreichen.

Ich führe ein Doppelleben: Ich zähle jede einzelne Kalorie, ernähre mich gesund UND stopfe bei Essanfällen massig fettiges, zuckriges Zeug in mich hinein.

Mir geht es alles andere als gut, egal wie viele »Ich bin so happy«-Masken ich mir aufsetze.

Der Silvestervorsatz, »Ab 1.1., 0:01 Uhr ist Schluss damit!«, wirkt nicht.

Es bringt nichts, noch länger auf das eine Schlüsselerlebnis zu hoffen, das mir endlich den Schalter im Gehirn umlegt. Ich muss beginnen, an mir zu arbeiten. Und zwar jetzt!

Etwas später kam noch eine Erkenntnis dazu:

Ich brauche Hilfe, ich schaffe es nicht allein.

Selbsttest: Wie süchtig ist dein Essverhalten?

Ist es noch emotionales Essen oder bereits eine Essstörung? Diese Grenze lässt sich leider nicht schnurgerade ziehen, doch deine Alarmglocken sollten spätestens dann läuten, wenn du wegen deines Essverhaltens leidest und das Gefühl hast: »Irgendwas stimmt damit ganz gewaltig nicht.« Der nachfolgende Selbsttest kann dir helfen, eine grobe Orientierung zu erhalten.

Bevor du mit dem Test beginnst, noch ein Disclaimer: Er bezieht sich vor allem auf Bulimie mit oder ohne Erbrechen und auf Binge Eating, wobei auch diese Formen der Essstörung anorektische Phasen haben können. Der Test basiert auf meinen Praxiserfahrungen und erhebt keinerlei wissenschaftlichen Anspruch. Er ersetzt selbstverständlich keine ärztliche oder psychotherapeutische Diagnose, daher biete ich bewusst keine Punkteauswertung an. Doch je mehr Aussagen du mit Ja beantwortest, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass hinter deinem Verhalten eine Essstörung steckt, du also an einer Erkrankung der Psyche leidest.

Ich habe regelmäßig Essanfälle, bei denen ich das Gefühl habe, die Kontrolle zu verlieren.

Ich bewerte Lebensmittel in »gesund, also erlaubt« oder »ungesund, also verboten«. Sobald ich etwas aus der zweiten Kategorie esse, plagt mich das schlechte Gewissen.

Bei Essanfällen stopfe ich vor allem die »verbotenen« Lebensmittel in großem Tempo in mich hinein. Nicht selten vergesse ich dabei meine Essmanieren. Ich esse oft so lange, bis mich körperliche Beschwerden zwingen aufzuhören oder bis ich erbreche. Danach habe ich Schuld- und Reuegefühle oder ekle mich vor mir selbst.

Ich habe zwar keine heftigen Essanfälle, aber ich »grase«oft, das heißt, ich esse mal hier, mal dort eine Kleinigkeit oder trinke zuckerhaltige Getränke, meistens nebenbei, und am Ende des Tages weiß ich nicht mehr, was ich zu mir genommen habe. Manchmal gehe ich über viele Stunden wie ferngesteuert zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her, immerzu auf der Suche nach neuem »Stoff«.

Bei sehr starkem Essdruck esse ich manchmal auch Dinge, von denen ich glaube, dass sie niemand aus meinem Freundeskreis in dieser Form essen würde, beispielsweise einen Haufen Zuckerwürfel, ein ganzes Glas Honig oder Lebensmittel aus dem Mülleimer, die ich schon weggeworfen hatte in der Hoffnung, sie nicht zu essen.

Um das übermäßige Essen auszugleichen, setze ich Gegenmaßnahmen, zum Beispiel mache ich extra Sport, faste, nehme Diuretika oder Abführmittel und/oder erbreche. Setze ich keine Gegenmaßnahmen, habe ich ein schlechtes Gewissen.

Meine Stimmung hängt von der Zahl auf der Waage ab und davon, ob ich einen »guten« oder »schlechten« Esstag hatte.

Ich habe oft Angst, mit dem Essen zu beginnen, da die Gier mich plötzlich packen könnte. Manchmal verursacht ein einziger falscher Bissen die Überzeugung »Jetzt ist es eh schon egal«, und ich muss unkontrolliert weiteressen.

Ich fühle mich fast immer zu dick oder hässlich, und ich hasse meinen Körper. Meine Figur taxiere ich, wann immer ich mein Spiegelbild erblicke. Oder im Gegenteil: Ich ignoriere meinen Körper komplett und beachte ihn überhaupt nicht.

Ich mache Essenspläne, bei denen ich detailliert festlege, was ich wann essen darf. Habe ich mein Kalorienlimit überschritten, reduziere ich die Kalorien für den nächsten Tag. Manchmal nehme ich mein diätkonformes Essen sogar zu Einladungen mit, damit ich dort nichts anderes essen muss.

Ich drücke mich vor einigen sozialen Aktivitäten, obwohl ich gern dabei wäre. Beispielsweise gehe ich nicht auf Partys aus Angst, dass meine Diätpläne vom Buffet durchkreuzt werden, oder ich vermeide es, ins Schwimmbad zu gehen, weil ich nicht möchte, dass andere meinen Körper sehen.

Ich vergleiche meine Essensmengen mit denen anderer Menschen. Ich versuche, weniger zu essen als meine Begleitung. »Verbotene« Dinge esse ich überwiegend heimlich. Außer wenn ich beschwipst oder betrunken bin, dann esse ich sie auch vor anderen ungehemmt.

Es kommt vor, dass ich Menschen anlüge, um mein Essverhalten zu verschleiern.

Um Hunger zu verhindern, konsumiere ich kalorienfreie Getränke, Kaugummi oder Zigaretten. Ich trinke extra viel Wasser oder Tee, um weniger essen zu müssen. Wenn es mir gelingt, das Essen hinauszögern, und mein Magen hörbar knurrt, macht mich das stolz.

Mir ist es unmöglich, Essen übrig zu lassen, selbst wenn ich mehr als satt bin. Es fällt mir schwer, Essen mitzunehmen, zu Hause zu haben oder vorzukochen. Am liebsten würde ich immer gleich alles aufessen.

Ich esse, wenn ich Gefühle nicht aushalten kann, wie zum Beispiel Anspannung, innere Leere, Traurigkeit, Unsicherheit. Wenn ich erschöpft bin, esse ich, anstatt mich auszuruhen.

Aufgrund meines Essverhaltens fühle ich mich oft isoliert oder unverstanden. Ich bemühe mich, nach außen fröhlicher und souveräner zu wirken, als ich mich fühle, daher verleugne ich mich oft selbst.

Ich nehme vieles persönlich und fühle mich oft schuldig. Ich frage mich häufig, was andere Menschen über mich denken. Ich bemühe mich, alles so perfekt wie möglich zu tun und es anderen Menschen recht zu machen.

Manchmal denke ich, ich kann machen, was ich will, es ist nie genug, nie richtig. Ich habe keine besonders hohe Meinung von mir selbst. Ich denke, dass ich wenig liebenswert bin.

Essen beherrscht meine Gedanken und mein Leben.

Abschließend möchte ich zu diesem Test noch sagen: Im Moment ist es vielleicht gar nicht so wichtig, wie du dein Essverhalten benennst. Viel wichtiger ist es, festzustellen, dass dein Essverhalten und die damit einhergehende Gedankenwelt eine große Belastung für dich darstellen, und dir zu erlauben, dich eingehender mit dem Thema zu befassen.

Erster Blick hinter die Symptome

Nun möchte ich gemeinsam mit dir einen Blick hinter die Symptome wagen: Kann es sein, dass das häufige emotionale Essen bzw. die Essanfälle deswegen in deinem Leben sind, weil sie wichtige Dienste für dich übernehmen?