Euro Fantasy - Pit Boston - E-Book

Euro Fantasy E-Book

Pit Boston

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Beschreibung

Hier zu lesen sind fantastische Stories, Fantasien aus Europa. Sie wurden gesammelt und handeln überall auf der Welt - wie es in Europa üblich ist - international. Sie geben einen Fingerzeig auf das, was nicht immer so klar oder eindeutig ist. Sie lassen Vermutungen zu und sind Raum für das, was unfassbar und merkwürdig scheint. Dabei wird die Realität, die Wirklichkeit nicht ausgeklammert. Im Gegenteil, vielmehr wollen die Stories eine Ergänzung derselben sein. Denn das Leben ist oftmals unbegreiflich und schwierig zu fassen. Vielleicht sind all diese Geschichten eine Flucht, die sich jeder offenhalten kann? Vielleicht auch eine Beruhigung, dass es nicht unnormal ist, wenn man etwas erlebt, was man sich nicht zu erklären vermag. In jedem Fall sind sie das, was wir tief in uns tragen, was uns Menschen ausmacht: Sie sind ein Teil unseres Lebens.

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Seitenzahl: 418

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Inhaltsverzeichnis

Haus Nr. 37

Zeuge

Unfall

Friedhof

Geisterhaus

Der Engel

Gruselfahrt

Die Sängerin

Ein Wunder

Spuk

Die Leiche

Schwarzer Vogel

Der Autor

Böse Frau

Das Licht

Schwarzer Schleier

Jenny

Das Grauen

Ashley

Lucille

Nick

Jack

Asteroiden

Ron

Thomas

Taxi

Die Blues-Bar

Mary

Lane

Sam

Tom

Amy

Kim

Das Bakterium

Der erfolglose Autor

Claas

Shila

Agnes

Gina

Die Geburt

Lisa

Larry

Der Würstchenverkäufer

Gruselwald

Das Phänomen

Verrückter Traum

Ausgebrannt

Eine Liebe

Geisterhaus

Mein schönstes Geschenk

Der Lottogewinn

Das alte Auto

Das alte Ehepaar

Steffen

Die Gedenktafel

Der Schornsteinfeger

Zeit des Lebens

Haus Nr. 37

Oftmals gibt es Dinge im Leben, die wir uns nicht erklären können. Manchmal handeln wir nach speziellen Mustern, ohne dass wir sie kennen oder verstehen. Irgendwann, wenn wir diese Phase überwunden haben, wundern wir uns, dass wir so und nicht anders gehandelt hatten.

Seit zwei Jahren lebte Sally nun schon in ihrer kleinen Mietwohnung im Haus mit der Nummer 37. Die beiden Zimmer reichten ihr vollkommen aus. Nachdem ihr Mann bei einem tragischen Autounfall verstorben war, hatte sie sich hierher zurückgezogen. Die Ruhe in diesem winzigen Domizil mitten in der riesigen Stadt San Francisco genoss sie sehr. Bis zu diesem Tag, an welcher sie eine seltsame Unruhe beschlich. Aus unverständlichen Gründen begann sie, Dinge aus ihrem Schlafzimmer heraus zu räumen. Zuerst einige kleinere Gegenstände. Später einen Stuhl und eine Kommode. Sie konnte sich ihr Handeln nicht erklären, glaubte, so langsam verrückt zu werden. Hatte sie am Ende den Tod ihres geliebten Ehemannes nicht verkraftet? Oder woran lag es wirklich?

Sie zwang sich zur Ruhe, wollte den Drang vergessen. Doch vergeblich. Kaum saß sie auf dem Sofa, um sich einen Film im Fernsehen anzuschauen, kam wieder dieses merkwürdige Kribbeln. Sie musste einfach ins Schlafzimmer, um es auszuräumen. Irgendwann arrangierte sie sich mit diesem Gedanken und räumte das gesamte Schlafzimmer restlos leer. Selbst das Bett stellte sie ins Wohnzimmer. Als der Raum völlig ausgeräumt war, kehrte wieder Ruhe in ihre Seele. Doch was nutzte ihr der leere Raum? Unmöglich konnte sie die schönen Schlafzimmermöbel im Wohnzimmer stehen lassen. Und zum Verkaufen waren sie ihr zu schade. Zu sehr hing sie an den alten Möbeln, die sie sich damals zusammen mit ihrem Mann angeschafft hatten.

Eines nachts wurde sie von lautem Getöse aus dem Schlaf gerissen. Es rumpelte und knackte und in ihr keimte der Verdacht, dass es ein Erdbeben sein musste. Das Getöse wurde stärker und stärker. Schließlich wackelte das ganze Haus. Die Möbel wackelten und schoben sich ineinander.

Panisch sprang sie aus ihrem Bett. Aber es war zu spät. Sie konnte die Wohnung nicht mehr verlassen. Die Schlafzimmermöbel, welche sie vorübergehend im Wohnzimmer deponiert hatte, versperrten ihr den Weg. Sie schoben sich vor die Tür und vors Fenster. Nur ihr Bett blieb unberührt. Immer dichter schoben sich die alten Möbel ineinander und bildeten einen Ring um ihr Bett.

Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Knall, der das ganze Haus erschütterte, dann wurde es ruhig.

Sally hatte sich auf ihr Bett gekniet und sich die Zudecke über den Kopf gezogen. Sie rechnete schon mit dem Schlimmsten. Doch nichts geschah. Vorsichtig legte sie die Zudecke aufs Bett zurück und stand auf.

Stöhnend und mit zittrigen Händen schob sie die Schränke auseinander und bahnte sich einen schmalen Weg. In der Diele sah es aus, als ob ein Orkan gewütet hatte. Die Lampe war von der Decke gefallen und die Garderobenschränke hatten beim Umfallen die Wohnungstür aufgebrochen. Das Treppenhaus war eingestürzt. Überall an den Wänden klafften lange breite Risse. Heraus gebrochene Ziegel lagen auf den Läufern. Auf den heruntergefallenen Bildern hatten sich Unmengen an Putz und Staub niedergelassen. Sally starrte auf die Überreste ihrer Wohnung.

Doch als sie ins Schlafzimmer schaute, erschrak sie fürchterlich. Der gesamte Fußboden war eingestürzt und dort wo einst ihr Bett stand, klaffte ein riesiges Loch.

Stunden später wurden sie und noch vier Überlebende aus dem baufälligen Haus gerettet. Sie zog in ein kleines Haus auf dem Lande. Ihre alten Möbel nahm sie mit und hütete sie wie ihren Augapfel.

Umgeräumt hatte sie seit ihrem Einzug dort draußen nie wieder, doch die Hausnummer, in welcher sie fortan lebte, war die 37.

Zeuge

James war beschuldigt, zwei Frauen zuerst um ihr Vermögen gebracht und dann auf grausame Art umgebracht zu haben. Nun saß er vorm Schwurgericht und die Anwesenden warteten gespannt auf das Urteil.

Doch James wäre nicht James, wenn er sich nicht noch etwas einfallen ließe. Er hielt kurzerhand seinen ihm zugewiesenen Strafverteidiger für befangen und holte sich einen befreundeten Anwalt, der ihn für eine gehörige Summe freikaufen sollte. Und so wurde auch diese Sitzung wie schon die vorangegangenen Sitzungen vertagt. James schien sich darüber zu freuen, denn jeder Tag, der nutzlos verging, gab ihm ein Stück mehr die Chance, frei gesprochen zu werden. Denn der Richter war schon alt und wollte seinen allerletzten Fall möglichst schnell und ohne großes Aufsehen über die Bühne bringen. James wusste das genau, denn er hatte ja das Geld der Ermordeten und konnte seinen geldgierigen Anwalt mit solcherlei Detektivarbeit beauftragen.

Nur die Angehörigen der Opfer wurden von Verhandlung zu Verhandlung schwächer. Als endlich die nächste Verhandlung begann, schaute der Richter bereits angespannt auf die Uhr. Und als schließlich James vermeintliche und bestochene Zeugen auftraten, grinste der nur. Er war sich vollkommen sicher, dass er diesen Prozess gewinnen würde.

Als die Geschworenen im Gerichtssaal erschienen, um den Anwesenden ihr Urteil mitzuteilen, frohlockte James bereits. In den Augen des Richters entdeckte er Langeweile und die Hoffnung, diese letzte Verhandlung seiner Laufbahn ordnungsgemäß und schnell abzuschließen.

Die Geschworenen erhoben sich und James spürte, dass er nur noch gewinnen konnte. Und schließlich verkündeten die Geschworenen ihr Urteil: Unschuldig!

Erleichtert sackte James zusammen. Sein Rechtsanwalt fing ihn gerade noch rechtzeitig auf, bevor er auf den kalten Fußboden fiel. Lachend und auf dem Fußboden liegend bedankte sich James kaltschnäuzig und nickte höhnisch den Angehörigen der Opfer zu. Die konnten nicht fassen, was da eben passierte. Einige schrien: „Mörder!“, anderen wurde es einfach nur übel. Und es schien ganz seltsam, denn James klopfte seinem Rechtsanwalt dankbar auf die Schulter und grinste ihn an. Und der freute sich, denn ihm waren einige Tausend Dollar aus James Diebesgut sicher.

Die beiden verließen frohgemut das Gerichtsgebäude und der Rechtsanwalt fuhr James zur Bank, wo dieser sich einen gehörigen Batzen seines erlogenen und gestohlenen Geldes abholen wollte, um es dem Anwalt als Dankeschön zu geben.

Als James die Bank betrat, holte er tief Luft und schritt mit stolz geschwellter Brust durch die riesige Schalterhalle. An einem Kassenschalter wollte er sich gerade hunderttausend Dollar abholen, da schrie jemand hinter ihm: „Los, Geld raus und hinlegen! Das gilt für alle hier!“

James bekam einen derartigen Schreck, dass er sein bereits erhaltenes Geld auf den Boden fallen ließ. Der Räuber brauchte sich nur noch zu bedienen. Als sich James nicht gleich auf den Boden legte, schlug ihn der Räuber mit seinem Revolver brutal nieder. Dabei fiel James der seltsame silberne Ring am kleinen Finger des Räubers auf. Er stellte einen Totenkopf dar und war ziemlich groß. Doch es stürmten noch zwei weitere maskierte Räuber in die Bank. Und die sicherten sämtliche Türen. So konnte der dritte Gangster in aller Ruhe das Geld und den Schmuck der Opfer einsammeln.

Als er den letzten Dollarschein eingesteckt hatte, wollte er die Schalterhalle schnellstens wieder verlassen. Er gab seinen beiden an der Tür stehenden Kumpanen ein Zeichen und die rannten hinaus und sicherten den Weg bis zu ihrem Wagen. James schien nur darauf gewartet zu haben. Gerade als der Räuber die Bank verlassen wollte, sprang er von hinten auf ihn zu und packte ihn am Bein. Der Räuber stolperte und fiel zu Boden. Doch er wollte das Geld nicht so leicht wieder herausrücken. Und so kam es zu einem kurzen Kampf.

Plötzlich löste sich ein Schuss!

Die Kunden erstarrten in ihrer Liegeposition und hielten sich vor Schreck die Hände über den Kopf und das Schalterpersonal starrte auf die beiden Männer, die regungslos am Boden lagen. Waren sie nun beide tot? Schließlich erhob sich der Räuber und floh. James blieb regungslos am Boden zurück. Als der Notarzt eintraf, stellte der nur noch James´ Tod fest.

Es war James Rechtsanwalt, der sich am darauf folgenden Morgen die Tageszeitung an einem Kiosk geben ließ. Schon auf der Titelseite erkannte er seinen ehemaligen Klienten. Und als er dann noch las, dass dieser James ein Opfer eines Banküberfalles war, traf ihn beinahe der Schlag. Aber nicht etwa, weil er so traurig über James´ Ableben war. Nein, vielmehr war er sauer, weil er nun nicht zu seinem Anteil kam, den ihm James nach der gewonnenen Gerichtsverhandlung versprochen hatte.

Zwei der Räuber wurden gefasst und es stellte sich heraus, dass es sich um die beiden Ehemänner der Frauen handelte, die James vor Monaten ermordet hatte. Als James Tage später in aller Stille beigesetzt wurde, war es eisig kalt und der Sturm peitschte den Regen über die Grabstellen. Zur Beisetzung von James Urne kam nur ein einziger Gast. Der alte, schwarz gekleidete Mann sprach kein Wort und trug trotz des schlechten Wetters eine schwarze Sonnenbrille. Außerdem trug er einen merkwürdigen silbernen Ring am kleinen Finger. Dieser Ring zeigte einen Totenkopf und als James unter der Erde war, verließ der Mann sofort wieder den Friedhof. Dabei nahm er seine Sonnenbrille ab. Darunter stachen zwei rote Augen durch die Düsternis und zwei seltsame Erhebungen formten sich unter seinem breitkrempigen schwarzen Hut…

Unfall

Ray war Bürgermeister einer kleinen Gemeinde. Er war nicht sehr beliebt und er hatte nur eines im Sinn: möglichst schnell recht viel Geld zu scheffeln. Dafür sann er sich die gemeinsten Dinge aus. Um das Stattsäckel und damit auch seine eigene Tasche zu füllen, stellte er sogar auf Waldwegen Blitzgeräte auf. So kassierte er all die Fahrradfahrer ab, die auf den Waldwegen radelten und wurde immer reicher und reicher.

Schließlich ordnete er sogar an, dass man ihm die gesamten Einnahmen, welche man den Bürgern in Form von erfundenen Steuern aus den Taschen zog, auf sein eigenes Konto überweisen sollte. Die Bürger hatten von alledem nicht die blasseste Ahnung, wunderten sich nur, dass ihre kleine Stadt mehr und mehr verkam.

Schon bald gab es weder ein Schwimmbad noch einen öffentlichen Park. Doch Ray wurde immer gieriger. Er dachte schon darüber nach, sich die Einnahmen der Kirche anzueignen. Doch zunächst kaufte er sich einen richtig teuren Luxuswagen von dem bereits ergaunerten Geld. Damit fuhr er jeden Morgen vor sein Rathaus und ließ sich sogar mit seinem neuen Auto fotografieren. Jeder sollte sehen, wie reich er doch war.

So achtete er natürlich auch nicht auf die Geschwindigkeit, wenn er mit diesem Fahrzeug übers Land brauste. Er brauchte sich ja auch nicht zu fürchten, denn er hatte längst alle Polizeistreifen bestochen. Und so war er auch auf der Landstraße der King.

Eines Abends jedoch schien alles anders zu werden.

Gerade war er daheim angekommen und wollte seinen Wagen in die mit Marmor ausgelegte Garage fahren, da bemerkte er, dass er seine Aktentasche im Büro in der Stadt vergessen hatte. Stöhnend ließ er sich in die weichen Ledersitze fallen und raste noch einmal los. Es hatte zu regnen begonnen und die Landstraße war rutschig und feucht. Und da es Herbst war, lag eine Menge Laub auf der nassen Fahrbahn. Ray raste wie ein Irrer übers Land und näherte sich einer steilen Kurve. Er übersah die Pfützen und als er die Kurve nicht mehr schaffte, trat er aufs Bremspedal.

Auf der Straße fuhr jedoch nicht nur er. Inmitten der Kurve befand sich in diesem unseligen Moment auch ein Radfahrer, der nicht mehr ausweichen konnte. Rays Wagen reagierte nicht auf die Bremse, rutschte über die Straße und rammte den Fahrradfahrer. Der fiel zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Ray hatte natürlich einen fürchterlichen Schreck bekommen. Er stieg aus und schaute nach dem Fahrradfahrer. Der lag regungslos neben seinem total verbeulten Fahrrad und rührte sich nicht. Ray starrte auf den Mann und dann auf sein Fahrzeug. Die gesamte Frontpartie war eingedrückt. Und plötzlich bekam er es mit der Angst zu tun, sprang ins Fahrzeug zurück und raste mit quietschenden Reifen davon. Noch einmal schaute er in den Rückspiegel, vergewisserte sich, dass ihm auch niemand folgte. Offenbar hatte er Glück gehabt und war nur mit dem Schrecken davongekommen. Sein Wagen jedoch schien das Ganze nicht so schadlos überstanden zu haben. Die Lenkung musste irgendeinen Schaden davongetragen haben. Ständig zog das Fahrzeug nach links.

Er verringerte die Geschwindigkeit und kam ungesehen bis in seine Garage. Doch immer wieder sah er den Verunglückten vor sich, den er auf der Straße liegen gelassen hatte. Sollte er nicht doch die Polizei oder wenigstens einen Notarztwagen rufen? Doch was wäre, wenn man seine Stimme erkannte? In wenigen Wochen fanden Wahlen statt. Wenn sein Unfall bekannt würde, dann wäre er erledigt. Und dann wäre es aus mit seinem schönen Leben und dem ganzen Geld, welches er sich bis dahin unbemerkt in die eigene Tasche wirtschaften konnte.

Er spürte, wie ihm der Atem stockte. Mit zitternden Händen griff er zum Telefonhörer und wählte die Nummer der Polizei. Aber dann siegten die Angst und die Schmach, alles verlieren zu können. Er legte wieder auf und rief einen Ganoven im Nachbardorf an, den er schon oft für seine miesen Zwecke missbraucht und gut dafür bezahlt hatte. Er bot ihm viel Geld an, wenn der seinen Wagen notdürftig reparierte und ihn wiederherrichten würde. Der Gauner holte den Wagen noch in der gleichen Nacht.

Und am nächsten Morgen war Ray zehntausend Dollar leichter und sein Wagen frei von allen Unfallspuren.

Mit hoch erhobenem Haupte fuhr er in sein Rathaus und ließ sich großmütig von seiner Sekretärin die neuesten Meldungen aus der Region mitteilen. Als die von dem schweren Unfall auf der Landstraße berichtete, wurde Ray ganz blass. Und als sie ihm auch noch mitteilte, dass der Radfahrer nur noch tot geborgen werden konnte, fühlte er sich sogar ein wenig schuldig. Doch er überspielte das sehr professionell hinter seiner beispiellosen Arroganz und seiner Boshaftigkeit. Zunächst wollte er zu seinem Autohaus, um den reparierten Wagen in Zahlung zu geben und sich umgehend einen neuen Wagen zu kaufen.

So fuhr er los und der Autohändler kaufte ihm den Wagen sofort ab. Da der Autohändler dieses Modell jedoch nicht mehr auf Lager hatte, musste Ray in eine andere Stadt fahren, um dort nach diesem Modell zu suchen. Er fand einen Autohändler, der exakt dieses Modell im Angebot hatte und schon am nächsten Tag konnte Ray das neue Fahrzeug abholen. Er glaubte, damit wären alle Spuren, die vielleicht doch noch auf ihn hinweisen konnten, endgültig beseitigt.

Am darauf folgenden Tag ließ er sich von seiner Sekretärin in die Stadt fahren. Sein neues Fahrzeug glänzte im Sonnenlicht und er freute sich, endlich losfahren zu können. Da es das gleiche Modell war, musste er sich auch gar nicht erst umgewöhnen. Er stieg ein und brauste los.

Seine Sekretärin, die eigentlich hinter ihm herfahren wollte, bis sie vorm heimischen Rathaus eintrafen, kam einfach nicht mehr hinterher. Zu schnell hatte sie Ray aus den Augen verloren. Doch sie hatte ja ohnehin nichts zu melden. Und selbst, wenn Ray geblitzt würde, dann bekäme er keine Strafe. Er hatte ja alle bestochen und musste nichts befürchten. So rekelte er sich selbstzufrieden und hochnäsig in seinem butterweichen Ledersitz. Er begutachtete die neue Wurzelholzverkleidung, die überall in seinem neuen Wagen angebracht war. Und er schaute aus den getönten Scheiben hinaus auf die Straße. Seine Stereoanlage spielte seine Lieblingssongs ab und er fühlte sich so richtig gut.

Als er an der Stelle vorüberkam, an welcher er den Radfahrer überfahren hatte, schaute er nur einmal kurz in den Straßengraben. Doch er war sich seiner Sache derart sicher, dass ihm dieses Erlebnis schon bald und viel zu schnell entfiel. Er wollte einfach nicht mehr daran denken und drückte noch einmal recht kräftig auf die Tube. Der Wagen raste los und Ray lauschte verzückt dem kraftvollen Sound des Motors.

Plötzlich jedoch bemerkte er, dass die Lenkung nicht mehr richtig funktionierte. Immer wieder zog es das Auto auf die Gegenfahrbahn. Sollte dieser Wagen etwa kaputt sein? Ray wollte anhalten, doch aus irgendeinem Grund funktionierten auch die Bremsen nicht. Wie wild trat er auf das Bremspedal, doch es regierte nichts. In Panik zog er die Handbremse, aber auch die schien wohl einen Defekt zu haben. Der Wagen wurde schneller und schneller und Ray trieb es den Angstschweiß auf die Stirn. Die Luft wurde ihm knapp und es kam so, wie es kommen musste. An der nächsten Biegung kam der Wagen von der Straße ab und raste gegen einen dicken Baum.

Durch den heftigen Aufprall wurde Ray aus dem Wagen geschleudert und verlor das Bewusstsein. Seine Sekretärin, die Minuten später an der Unfallstelle eintraf, fand ihn leblos im Straßengraben liegend vor. Der später eintreffende Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststellen.

Als die Polizei den Wagen genauer untersuchte, stellte sich anhand der Fahrzeugnummer schließlich heraus, dass es sich um Rays vorherigen Wagen handelte. Und das war seltsamerweise jenes Fahrzeug, mit welchem er Tage zuvor den Fahrradfahrer totgefahren hatte…

Friedhof

Es herrschte große Aufregung in der Stadt. Denn ein Gerücht machte die Runde, dass böse Geister die Stadt bedrohten. Das versetzte natürlich die Leute in Angst und Schrecken. Und so musste man etwas unternehmen, damit die Geister nicht irgendwann über die Stadt herfielen. Doch wie sollte man als Mensch gegen einen Geist ankommen. Würde so etwas wirklich gut gehen können? Am Ende könnten sich die Geister an den Leuten rächen und es wäre nicht auszudenken, was dann geschah.

So schlossen sich die Leute zusammen. Sie fanden, dass es wohl das Beste sei, wenn sie gemeinsam gegen die ominösen Geister zu Felde zogen. Doch sehr schnell bemerkten sie, dass sie gar nicht wussten, wo sich die vermeintlichen Geister eingenistet hatten. Und dann gab es noch die alles beherrschende Unsicherheit: waren es wirklich böse oder doch „nur“ gute Geister? Keiner konnte das sagen. Doch irgendjemand munkelte, dass die Geister böse seien und schon bald zum Angriff bliesen.

Kurt war ein Zeitungsverkäufer, der in einem kleinen winzigen Kiosk mitten in der Stadt arbeitete. Er glaubte nicht an Geister und fand das Gerücht nur unsinnig und gefährlich. Dennoch wollte er der Sache auf den Grund gehen. Denn irgendjemand hatte dieses Gerücht ja verbreitet.

Er musste wirklich lange recherchieren, bis er auf die Spur eines alten Mannes, der irgendwo am Rande der Stadt lebte, kam. Lange suchte er nach ihm und fand schließlich sein sehr einsam gelegenes, verfallenes Haus. Der Alte galt als sonderlicher Einzelgänger, mit dem wohl niemand etwas zu tun haben wollte. Kurt wollte sich mit ihm unterhalten. Doch das klappte erst nach dutzenden vergeblichen Anläufen.

Als es schließlich soweit war, berichtete ihm der Alte, dass er in der Tat mehrere seltsame Erscheinungen gesehen hatte. Angeblich würden sie wie Geister aussehen und schon bald über die Stadt herfallen. Außerdem hätten die Geister etwas mit dem Friedhof der Stadt zu tun.

Kurt konnte sich das beim besten Willen und aller Fantasie nicht vorstellen. Denn wenn es schon solcherlei Geister gäbe, warum wollte der Alte so genau über deren Vorhaben Bescheid wissen? Nein, da musste noch etwas ganz anderes zugrunde liegen, nur was?

Da er von dem Alten nichts weiter in Erfahrung bringen konnte, ging er unverrichteter Dinge wieder heim. Unterwegs dachte er nur an das, was der Alte zu ihm gesagt hatte. Was, wenn doch etwas Wahres an dieser Sache war? Und was wäre, wenn der Alte mit diesen Geistern irgendetwas anderes gemeint hatte? Wären die Leute dann in Gefahr? Sollte er vielleicht mal mit dem Bürgermeister sprechen? Doch das wäre zu riskant. Denn eine Panik musste er unbedingt vermeiden. Und dann wäre es auch immer noch nicht ganz klar, ob ihn der Bürgermeister überhaupt empfangen würde. Er musste also selbst sehen, was er tun konnte.

Im Internet versuchte er, diverse Dinge über Geister in Erfahrung zu bringen. Doch viel Ernsthaftes und wirklich Glaubhaftes war da nicht zu finden. Mit Spukgeschichten und albernen Fotos, die nur zusammengeschnitten waren, konnte er keinen Blumentopf gewinnen.

Schließlich und enttäuscht von der erfolglosen Suche ging er zu seinem Kiosk und sortierte die Zeitungen. Da fiel ihm ein seltsamer Artikel auf. Der beschäftigte sich mit Geisterbeobachtungen ganz in der Nähe.

Als er die Zeitung aufschlug, um den Artikel in voller Länge nachzulesen, sah er ein Foto, welches ihm echt erschien. Darauf waren mehrere verschwommene Gestalten zu sehen, die über einem Friedhof kreisten. Das mussten die obskuren Geister sein. Und dieser Friedhof befand sich ganz in der Nähe. Aber was hatte das zu bedeuten? Wieso wollten die Geister auf den Friedhof, wenn dort doch keine lebendigen Menschen und demzufolge auch keine Seelen mehr zu holen waren?

Gerade wollte er die Zeitung weglegen, da las er zufällig eine andere Überschrift: Friedhofsgelände soll verlegt werden.

Plötzlich kam ihm ein Verdacht. Sollten diese Geistererscheinungen vielleicht etwas damit zu tun haben? Er musste sich vergewissern, ob etwas an dieser Meldung dran war. Er rief beim Friedhofsverwalter an und tatsächlich. Aufgeregt berichtete der ihm, dass schon bald mit der Verlegung der Grabstellen begonnen werden sollte. Kurt konnte das nicht fassen. Wieso sollte der Friedhof verlegt werden? Der Verwalter wusste eine Antwort: man wollte ein riesiges Bürohaus an dieser Stelle errichten. Und der Friedhof sollte an einer Stelle entstehen, wo der Boden steinig und eigentlich sehr ungeeignet war.

Kurt war fassungslos. Sollte tatsächlich das Geld über die armen Seelen auf dem Friedhof siegen? Das Gelände war doch schon seit ewigen Zeiten ein Friedhof und Generationen lagen in dieser Erde begraben. Da konnte man dort doch kein Bürohaus errichten. Das war vollkommen undenkbar. Und er schrieb einen Brief an den Bürgermeister. Doch eine Antwort erhielt er nicht.

So kam es, wie es kommen musste, die Bagger rollten an und die ersten Gräber sollten eingeebnet werden. Da geschah etwas sehr Seltsames: noch ehe der Bagger sich in den Boden bohren konnte, fuhr plötzlich eine heftige Windbö über das Gelände. Der Wind wurde so stark, dass sich die Anwesenden an herumstehenden Bäumen festhalten mussten. Über dem Friedhofsgelände erschienen dutzende grauenhafte Gesichter. Sie rissen ihre Münder auf und schrien derart laut und grässlich, dass sich alle die Ohren zuhielten.

Als sich jedoch der Spuk legte, wollte der Bagger loslegen. Merkwürdigerweise gelang es ihm nicht, in den Boden einzudringen. Alles schien hart wie Stahl geworden zu sein.

Der Friedhofsverwalter, der noch bis zuletzt um Aufschub gebettelt hatte, konnte nicht glauben, was er da sah. Die Männer des Bautrupps starrten fassungslos auf die verbogene Baggerschaufel. Es half nichts, sie mussten vorerst ihr unfaires Werk beenden. Denn es war vollkommen unmöglich, weiter zu arbeiten.

Am nächsten Tag kam der Bagger gar nicht erst auf das Friedhofsgelände. Alle Tore waren versperrt und ließen sich auch nicht öffnen.

Kurt, der alles von Anfang an verfolgt hatte, sprach noch einmal mit dem Verantwortlichen für die Verlegung, Wolf Hektor. Doch der war unerschütterlich. Er beharrte auf seinem Auftrag und schaute stolz auf seinen neuen Straßenkreuzer, den er sich erst vor zwei Tagen zugelegt hatte. Er setzte sich hinein und brauste davon. Kurt aber ließ er einfach im Regen stehen.

Seltsamerweise ging die Arbeit am nächsten Tag nicht weiter. Regungslos wartete der Bagger vor dem Friedhof und keiner schien sich für die Arbeit zu interessieren. Kurt, der schon sehr früh am Morgen auf der Baustelle erschienen war, um ein letztes Mal mit Hektor zu sprechen, wunderte sich, dass der noch nicht vor Ort war.

Da erschien der Baggerführer und rief schon von weitem, dass Hektor etwas Furchtbares zugestoßen sei. Man hätte ihn am Morgen tot in der Dusche seines Hauses aufgefunden. Kurt konnte nicht glauben, was er da hörte. Sollten sich am Ende die Geister an ihm gerächt haben – aber das war doch vollkommen unmöglich? Und weil es nun keinen Verantwortlichen mehr gab, wurden die Arbeiten abgebrochen.

Kurt war froh, dass der Friedhof verschont blieb, wenngleich er schon ins Nachdenken kam, warum Hektor so plötzlich sterben musste. Doch er konnte nichts für ihn tun, hatte ja immer versucht, mit ihm zu sprechen.

Als er sich mit dem Friedhofsverwalter unterhielt und ihm von Hektors Tod berichtete, wurde dieser plötzlich sehr still. Dann bat er Kurt in das kleine Friedhofsgebäude und kramte ein altes Buch hervor. Er blätterte eine Weile darin und schien schließlich etwas sehr Wichtiges gefunden zu haben.

Mit düsterer Stimme las er aus dem Buch vor: „Martin Linde, gestorben am 07. Januar 1861. Zusatzeintrag: Wer mich in meiner Totenruhe stört, wird es bitter bereuen.“

Kurt konnte zunächst nichts damit anfangen. Doch dann raunte der Friedhofsverwalter: „Martin Linde lebte einst in einem verfallenen Hause am Stadtrand und war der Urgroßvater von Wolf Hektor, dem Verantwortlichen für die Verlegung des Friedhofes …“

Geisterhaus

Rea wollte dieses alte Haus. Es gefiel ihr und sie wollte auch weg aus ihrer alten, nicht sehr schönen Umgebung in der Stadt. Diese hohen Wohnblocks jagten ihr in der letzten Zeit sogar Angst ein. Und in ihrem Job fühlte sie sich auch nicht mehr wohl. Deswegen suchte sie sich eine neue Umgebung und sie fand dieses wunderschöne Haus am Wald.

Sie wunderte sich, dass dieses malerisch gelegene Haus sehr lange Zeit leer stand. Es hatte einfach keinen Käufer gefunden und eine ältere Dame, die gerade vorüberlief, meinte nur, dass es in diesem Haus nicht mit rechten Dingen zuging. Rea jedoch ließ sich dadurch nicht beirren. Sie hatte es satt noch länger in ihrem Wohnsilo zu vegetieren. Weil sie auch einen neuen Job gefunden hatte, den sie sogar online erledigen konnte, stand dieser Veränderung nichts mehr entgegen.

Der Tag des Umzugs kam und Rea freute sich auf die Zeit in ihrem neuen Hause. Und die ersten Tage verliefen genauso, wie sie es sich vorgestellt hatte. So langsam richtete sie sich ein, kaufte sich neue Gardinen und neue Möbel. Sie gestaltete sich dieses kleine Haus genau nach ihren ganz speziellen Wünschen und glaubte, dass sie dort viele Jahre, vielleicht sogar bis ins hohe Alter, leben würde. Doch sie irrte sich!

Es begann an einem Abend im November. Sie kam aus der Stadt und hatte sich ein neues Besteck mitgebracht. Gerade wollte sie es auspacken, da rumorte es in den Küchenschränken. Zunächst glaubte sie, dass sie sich verhört habe. Doch das Rumoren wurde stärker und stärker. Sie wollte der Sache nachgehen und suchte die ganze Küche ab. Doch sie konnte nicht herausfinden, woher dieser Krach kam.

Als sie sich an den Tisch setzte, um etwas zu essen, öffnete sich wie von Geisterhand eine Schublade. Noch hatte sie es nicht bemerkt, doch plötzlich flogen Besteckteile durch die Luft und Rea erschrak fürchterlich. Sie wollte sich in Sicherheit bringen, doch da bemerkte sie, dass nicht sie attackiert wurde. Die Besteckteile flogen bis zu ihrem Tisch und legten sich dann neben ihren Teller.

Rea glaubte, zu träumen, sie konnte nicht glauben, was sie da sah. Was ging in diesem Hause nur vor? Doch es wurde immer schlimmer. Die Gardinen zogen sich von allein auf und wieder zu. Fenster öffneten sich und schlossen sich nach einigen Minuten wieder und schließlich schaltete sich das Licht ein und dann wieder aus. Rea glaubte, verrückt zu werden. Unmöglich konnte sie noch länger in diesem verrückten Hause bleiben. Sie hatte die vage Hoffnung, dass es wenigstens die Nacht über ruhig blieb.

Doch da lag sie falsch, denn gegen Mitternacht hörte sie Schritte, die auf dem Gang vor dem Schlafzimmer und in der oberen Etage auf und ab liefen. Es hörte sich derart gespenstisch an, dass sie kein Auge schließen konnte und panisch die Schlafzimmertür verriegelte.

Und plötzlich kam ein Gefühl, welches sie in ihrem Wohnsilo in der Stadt selten hatte, Angst! Sie fürchtete sich und die alten Bilder an den Wänden, die noch vom Vorbesitzer des Hauses stammten, bewegten sich und aus den Augen der dort abgebildeten Personen lief Blut die Wand hinunter. Nein, dieses Haus schien verflucht zu sein. Nur konnte sie diesen rätselhaften Fluch nicht brechen. Sie musste ihn ertragen oder eben ausziehen.

Schließlich kam es soweit, dass der Tisch in ihrer Küche eines Morgens komplett gedeckt war. Die Kaffeemaschine bereitete selbständig den Kaffee zu und als Krönung backte sogar ein köstlich duftender Kuchen in der Backröhre des alten Herdes. Und immer und überall fiel Rea ein kleines Foto von einer fremden jungen Frau auf. Mal stand es neben der Kaffeekanne und mal neben ihrem Essteller. Es war überall dabei und Rea konnte sich absolut keinen Reim darauf machen. Irgendwann fürchtete sie sich sogar davor.

Weil sie es einfach nicht mehr aushielt, nahm sie sich eine kleine Zweitwohnung in der Stadt. Sie musste erst einmal wieder zu sich kommen und den Spuk in ihrem Haus hinter sich lassen. Nur ging das nicht so einfach. Immer wieder fuhr sie hinaus, um es doch noch einmal zu versuchen. Sie konnte nicht glauben, dass möglicherweise ein Geist in ihrem Haus umging, der anscheinend nicht zur Ruhe kam. Doch sie konnte diesen Gedanken nicht mehr loswerden. Jedes Mal, wenn sie im Haus war, drängte sich dieser Gedanke auf und der Spuk ließ auch nicht lange auf sich warten.

Eigentlich glaubte sie nicht so recht an Geister und paranormale Phänomene, doch sie erkundigte sich in ihrem Lieblingsrestaurant in der Stadt nach einem Parapsychologen oder einem Geisterjäger. Schon nach kurzer Zeit erhielt sie eine Adresse in Downtown und fuhr sofort dorthin.

Mr. Jenkins war ein netter, älterer Herr. Sofort bemerkte Rea die Gelassenheit und die Ruhe, welche der alte Mann ausstrahlte. Noch zweifelte sie ein wenig, glaubte nicht, dass er im Stande sei, Geister aufzuspüren. Doch als er zu erzählen begann, wie er vorgehen wollte, schöpfte sie Vertrauen. Sie wollte endlich wissen, wer oder was in ihrem Hause umging.

Jenkins brauchte keine Gerätschaften, als er sich für eine Woche in Reas Haus einmietete. Er meinte, dass er lediglich sein Gespür benutzte, welches er angeblich von seiner geliebten Mutter geerbt hatte.

Rea unkte, dass möglicherweise der Geist nicht mehr kommen würde. Doch da hatte sie sich geirrt. Schon am ersten Abend nach Erscheinen des Geisterjägers fing es wieder an.

Besteckteile flogen durch die Luft und das Licht im Haus schaltete sich ein und wieder aus.

Jenkins schloss seine Augen und meinte dann, dass er eine starke Energiequelle im Hause verspürte, die sich ständig durch alle Zimmer bewegte. Er sagte, dass er sie genau lokalisieren konnte. Rea beobachtete misstrauisch Jenkins´ Spielchen. Doch sie hatte Vertrauen und hoffte, dass Jenkins wusste, was er da tat.

Und nachdem er eine ganze Nacht im Keller des Hauses verbracht hatte, bat er Rea am darauf folgenden Morgen zu einem Gespräch. Er wollte der jungen Frau von seinen Beobachtungen berichten und seine Ansichten und Erkenntnisse zu diesem Fall schildern. Er meinte, dass er eine junge Frau gesehen habe, die das Besteck auflegte und durch die Türen ging. Auch habe sie die Lampen im Haus ein- und ausgeschaltet. Von dem rätselhaften Foto, welches Rea andauernd erschienen war, sagte er nichts. Offenbar hatte sich dieses Bild vor ihm bisher nicht gezeugt.

Aufgeregt erkundigte sich Rea bei Jenkins, ob er das Foto schon gesehen habe. Doch der schüttelte nur den Kopf. Aber kaum hatte er das getan, da erschien das Foto vor ihm auf dem Tisch. Jenkins schien gar nicht erstaunt, er sagte nur, dass es diese junge Frau war, die er im Keller gesehen habe.

Rea konnte das alles nicht begreifen. Was passierte da nur? Doch dann wackelte das Foto und fiel schließlich vom Tisch. Es fiel geradewegs auf eine lockere Diele. Jenkins wollte das Foto aufheben, da betrachtete er sich die undichte Stelle in den Dielen. Dann zog er kräftig an der losen Diele und hatte sie schließlich in der Hand. Darunter lag ein altes zerfetztes Buch. Es sah aus wie ein Tagebuch. Rea hob es auf und betrachtete es interessiert.

„Was mag da nur drinstehen“, hauchte sie leise. Und Jenkins nahm es ihr aus der Hand. Neugierig schlug er es auf. Darin fand er jede Menge Gekritzel, welches nur sehr schwer zu entziffern war. Doch eines konnte er ganz deutlich lesen: den Namen Mary Miss.

Rea traf beinahe der Schlag, als sie das hörte. Und sie bat Jenkins, das Buch noch am selben Abend so gut wie möglich zu entziffern. Die beiden setzten sich an den Tisch und hielten sich mit starkem Kaffee wach. Gegen Mitternacht hatte Jenkins die ersten Sätze entziffern können. Gespannt wartete Rea auf seine Ausführungen. Er hatte sich Notizen gemacht und las diese nun vor: „Mary Miss … habe ich meine kleine Tochter gesund gepflegt … es geht ihr schon wieder besser … Tom hat mich wieder geschlagen … ich werde wohl bald weggehen, fliehen … aber es ist doch unser Haus …ach meine geliebte Rea… ich habe Dich so lieb“

Rea glaubte, sich verhört zu haben. Sprach Jenkins etwa von Rea? Dann hieß die Tochter von dieser rätselhaften Agnes also Rea, genau wie sie. Und nun wollte sie es genau wissen. Vor lauter Aufregung konnte sie nicht ins Bett gehen und am nächsten Morgen fuhren die beiden schon sehr früh zu einer Polizeistation.

Sie musste unbedingt herausfinden, ob es eine Mary Miss gab und ob ihr etwas zugestoßen war. Der Polizeibeamte fand tatsächlich heraus, dass vor dreißig Jahren eine Mary Miss als vermisst gemeldet wurde. Doch sie konnte nie gefunden werden.

Es stellte sich schließlich heraus, dass es sich bei Mary Miss um die Mutter von Rea handelte. Agnes´ Leiche wurde im Keller von Reas Haus, welches einst dem Ehepaar Tom und Mary Miss gehörte, gefunden. Agnes wurde von ihrem Mann ermordet und im Keller vergraben. Vorsorglich hatte sie ihre Tochter Rea bei einer fremden Frau vor die Tür gelegt.

So erfuhr Rea nie von ihrer richtigen Mutter. Über all die vielen Jahre hatten es ihre Pflegeeltern nicht gesagt. Rea war erleichtert und doch auch traurig, dass diese furchtbaren Dinge nun ans Licht gekommen waren. Aber sie konnte fortan ruhig in ihrem Hause leben, denn der Geist von Mary Miss hatte seine Ruhe gefunden und kehrte nie mehr zurück.

Nur Mr. Jenkins kam oft und schlich immer um Rea herum. Und immer an Agnes ´ Geburtstag legte er frische Blumen auf ihr Grab …

Der Engel

Peter lebte allein irgendwo in Texas auf dem Lande. Er hatte sich längst mit seinem Schicksal abgefunden, denn er fand einfach keine Arbeit mehr. Immer wieder bekam er zu hören, dass er zu alt sei oder dass man sich doch für einen anderen Bewerber entschieden habe.

So ging ihm irgendwann das Geld aus und er musste sich mit Gelegenheitsjobs mühsam über Wasser halten. Seine Eltern lebten nicht mehr und er musste sehen, wie er sein Leben meisterte. Nicht immer kam jemand aus der Nachbarschaft und erbarmte sich seiner. Doch zur Kirche wollte er dennoch jeden Sonntag.

Meryl, eine sehr nette junge Frau holte ihn jedes Mal von daheim ab und gemeinsam fuhren sie dann in die Kirche. Mit der Zeit hatte er sich an Meryl gewöhnt und sie lernten sich näher kennen. Es blieb ja auch nicht aus, denn der Gottesdienst in der Kirche brachte sie zusammen. Außerdem war sie die einzige Person, die keine Schwierigkeiten mit Peters ewiger Arbeitslosigkeit hatte.

Es kam die Zeit, da konnten sie nicht mehr voneinander lassen. Meryl wollte ihren kleinen Landwirtschaftsbetrieb aufgeben, um für immer mit Peter zusammen zu ziehen. Doch dazu sollte es nicht kommen. Schon im Radio vernahm Peter die furchterregende Nachricht, dass aus einem ganz in der Nähe befindlichen Strafgefängnis ein bereits verurteilter Mörder ausgebrochen sei. Er war auf der Flucht und überall wurde er von der Polizei gesucht. Und es kam noch schlimmer!

Ausgerechnet dieser Mann stand eines Nachts vor Peters kleinem Häuschen. Als er dummerweise von einem jungen Mann auf der Straße erkannt wurde, verfolgte der Mörder diesen Mann und holte ihn schnell ein. Als der gerade die Polizei anrufen wollte, erschlug ihn der Täter. Die Leiche zerrte er in Peters Hauseingang und legte sie dort ab. Dann rief er bei der Polizei an und teilte den Beamten mit verstellter Stimme mit, dass er den gesuchten Täter gesehen habe. Zudem nannte er den Beamten Peters Adresse und verschwand.

Peter konnte von alldem nichts ahnen. Er lag in seinem Bett und sah nicht, welches Übel sich seinem Hause näherte. Die schnell eintreffenden Beamten fanden schließlich die Leiche vor und nahmen Peter fest. Und das Allerschlimmste war, dass Peter dem wahren Täter wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlichsah. Er konnte sich überhaupt nicht gegen die Anschuldigungen zur Wehr setzen, denn der echte Täter hatte vorgesorgt. Nachdem er die Leiche in Peters Haus verbracht hatte, blieb ihm noch genügend Zeit, um sich Peters Ausweispapieren zu bemächtigen und stattdessen gefälschte Dokumente dort zu hinterlassen.

Für Peter gab es kein Entrinnen mehr. Und als Meryl am Tag darauf zu Peter kam, fand sie ihn dort nicht mehr vor. Sie nahm an, dass er verreist war, ohne ihr etwas zu sagen und fuhr enttäuscht wieder zu sich nach Hause.

Peter wurde in Untersuchungshaft genommen und es war der absolute Alptraum für ihn. Von einem mehr oder weniger erträglichen Leben war er in der sprichwörtlichen Hölle gelandet. Er konnte nichts mehr essen und es ging ihm von Tag zu Tag schlechter.

Irgendwann kam es zu einer Verhandlung und er wurde „schuldig“ gesprochen. Sein Ende war besiegelt und er landete als verurteilter Mörder in einer Todeszelle. Wie in Trance ertrug er dieses fürchterliche Schicksal. Seine Gedanken aber kreisten bereits um Friedhöfe, den Teufel und das Verderben. Dabei dachte er immer wieder an Meryl. Wie würde es ihr wohl ergangen sein? Sicher würde sie glauben, dass er nichts mehr von ihr wissen wollte.

Von Tag zu Tag wurde er depressiver und weil er bereits von Selbstmord faselte, entschloss man sich schließlich, ihn vorerst in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Doch auch dort war es die Hölle auf Erden für ihn. Er fand sich unter wahnsinnigen Straftätern und dem stupiden Einerlei des Alltags in einer solchen Klinik wieder. Dort schienen die restlichen Hoffnungen vollends zu sterben. Die starken Medikamente ließen ihn durch die Tage gleiten und er gab sich langsam auf.

Eines nachts jedoch hatte er einen seltsamen Traum. Er sah sich in seinem Krankenzimmer liegen. Vor den Fenstern spannte sich der dicke Stacheldraht und grässlich entstellte Monster liefen mit langen Messern bewaffnet auf den Gängen umher.

Plötzlich entstieg aus dem Himmel ein goldener Engel herab. Er flog geradewegs durch die Gitterstäbe und den todbringenden Stacheldrahtzaun hindurch, bis hinein in Peters Krankenzimmer. Dort löste er die Fesseln und ergriff den staunenden Peter. Dann verschwand er mit ihm aus diesem entsetzlichen Moloch hinauf in den sternenklaren Himmel. Und Peter fühlte sich bei diesem Traum so unendlich frei. Es war ganz merkwürdig, aber alles erschien ihm so real. Es war, als erlebte er das alles in Wirklichkeit. Doch als er seine Augen aufschlug, fand er sich in seinem furchtbaren Kerker wieder.

Dennoch fasste er plötzlich den Entschluss, sich nicht noch länger unterkriegen zu lassen. Er wollte unter gar keinen Umständen aufgeben und seine vorangegangene Depression wich einer unerklärlichen Stärke. Jeden Abend kniete er nieder und betete vor dem vergitterten Fenster. Ihm war vollkommen egal, was die Aufseher dazu meinten. Ihm war wichtig, den Glauben an das Gute nicht zu verlieren. Er konnte sich nicht erklären, woher diese Kraft kam, doch es fühlte sich wirklich gut an. Zum ersten Mal nach diesen entsetzlichen Erlebnissen hatte er wieder die nötige Kraft und die Hoffnung all das durchzustehen.

Schon bald wurde er als „geheilt“ ins Gefängnis zurückverlegt. Und dort tat er einfach das, was er all die vielen Tage zuvor schon getan hatte, er betete und hoffte.

Eines nachts, als er sich zum Schlafen auf seine Pritsche legte, schaute er noch lange aus dem vergitterten Fenster nach draußen. Er sah den sternenklaren Himmel und bemerkte plötzlich, wie eine hell leuchtende Sternschnuppe über das Himmelszelt zog. Doch sie verlosch nicht, nein, sie wurde heller und heller. Schließlich kam sie näher und Peter stand auf und beobachtete die vermeintliche Sternschnuppe von seinem Fenster aus.

Wie ein Raumschiff aus einer anderen Galaxie sank die zauberhafte Sternschnuppe zur Erde herab. Peter konnte es kaum glauben, denn der sonderbare Himmelskörper kam bis vor sein Fenster geflogen und schwebte dort minutenlang auf und ab. Peter war geblendet von der Helligkeit, doch er wunderte sich, dass niemand sonst Notiz von dieser Erscheinung nahm. Wie konnte das nur sein? Es war doch beinahe so hell wie am Tag. Warum bemerkte das keiner?

Doch er konnte sich nicht mehr weiter wundern, denn plötzlich zischte es und wie ein Laser schnitt ein scharfer Lichtstrahl die Gitterstäbe seiner Zelle entzwei. Im Nu war das Gitter verschwunden und die Sternschnuppe verwandelte sich vor Peters Augen in einen funkelnden Engel. Der lächelte ihn an und gab ihm Zeichen, sich an seinen Flügeln festzuhalten. Peter tat dies und war sofort von grellem, aber angenehmem Licht umgeben. Doch es war ganz seltsam, dieses Licht war so unglaublich behaglich, dass er die Flügel nie wieder loslassen wollte.

In diesem Rausch bemerkte er gar nicht, wie sich der Engel blitzartig in die Lüfte erhob und durchs Universum flog. Peter sah nur dieses helle märchenhafte Licht um sich herum und glaubte sich bereits im Zauberland. Wie war das nur möglich? War das wirklich ein Engel oder nur die Aliens, die ihn entführen wollten? Aber er spürte so viel Liebe und Zuneigung beim Anblick des wohltuenden Lichts, dass er diesen Gedanken schnell wieder vergaß. So etwas Unfassbares konnte nur ein Engel vollbringen.

Die beiden glitten durch Raum und durch Zeit und Peter vergaß alles, was ihn einst so belastete. Er vergaß den Kerker und die vielen Niederlagen und schlimmen Erlebnisse der letzten Tage. Er sah nur diesen zauberhaften Engel und plötzlich tauchte das Bildnis einer wunderschönen Frau vor ihm auf. Es war Meryl, die ihn da anlächelte. Wo kam sie nur her? War sie ebenfalls mit diesem Engel geflogen? Doch so schnell wie ihr makelloses Gesicht erschienen war, verschwand es auch schon und das Licht um ihn herum verschwand.

Er bemerkte, dass er die ganze Zeit seine Augen geschlossen hatte – wie konnte er da nur all das sehen?

Die beiden waren in einem dichten Wald gelandet. Und der Engel schaute Peter mit seinen großen Augen an, lächelte dabei wieder so vertrauensvoll. Peter hatte Tränen in den Augen und konnte nicht glauben, was da mit ihm geschehen war. Er war frei und hatte gar nichts dafür tun müssen. Aber er wusste auch, dass er unschuldig in Haft gesessen hatte. Nur, was würde wohl geschehen, wenn man bemerkte, dass er geflohen sei?

Da sprach der Engel plötzlich zu Ihm: „Bleibe drei Tage und drei Nächte in der Hütte dort vorn unter den Bäumen. Dann komme ich und hole Dich ab. Und Du wirst frei sein.“

Peter nickte nur ungläubig und der Engel erhob sich und flog davon. Etwas weiter vor sich entdeckte er tatsächlich diese Hütte.

Es war ein winziges Holzhäuschen, das halb verfallen zwischen dichtem Buschwerk und hohen Bäumen stand. Peter ging darauf zu und öffnete die knarrende Tür. Darin befanden sich nur ein Bett und ein Tisch. Weder fand er etwas zu essen noch zu trinken. Wie sollte er ohne all diese lebensnotwendigen Dinge überleben? Er legte sich erst einmal aufs Bett. Dort jedoch schlief er schließlich hundemüde und erschöpft ein.

In seinen Träumen, konnte er nicht sehen, dass er drei Tage und drei Nächte durchschlief. Als ihn jemand auf die Wange küsste, glaubte er, der Engel sei zurückgekommen. Verzückt öffnete er seine Augen und blickte in das lächelnde Gesicht von seiner geliebten Freundin Meryl. Sie stand vor ihm und wunderte sich, dass er so lange geschlafen hatte. Peter wollte ihr gerade von dem märchenhaften Engel berichten und sie fragen, wie sie den Weg in den Wald zu dieser seltsamen alten Hütte gefunden hatte. Doch als er sich umschaute, konnte er es nicht fassen. Er befand sich in einem komfortablen Hotelzimmer und all seine Sachen lagen wohl geordnet auf einem kleinen Schränkchen gegenüber des Bettes.

Meryl hatte die Zeitung in der Hand und hielt sie freudestrahlend in die Höhe. „Du bist frei!“, rief sie laut. Und ehe Peter überhaupt begreifen konnte, was da vor sich ging, sprach sie weiter: „Man hat den richtigen Täter auf frischer Tat gestellt und bei ihm Deinen Ausweis gefunden, Er hat bereits alles gestanden und sitzt in Untersuchungshaft.“

Peter konnte es nicht glauben. Konnte es wirklich wahr sein, was er da hörte? War er wirklich frei? Ihm schien das Ganze derart unwirklich, dass er sich erst einmal in den Arm zwicken musste. Als das wehtat, wusste er, dass er nicht mehr träumte. Alles war real. Und er erinnerte sich an das, was der Engel zu ihm sagte. Er musste tatsächlich drei Tage und Nächte durchgeschlafen haben. Aber warum war er zwischendurch nicht aufgewacht? War er wirklich so müde? Und warum kam der Engel nicht noch einmal zu ihm?

Er wollte sich doch so gern bei ihm bedanken. Aber der Engel kam nicht mehr. Und außerdem war Meryl bei ihm. Die beiden umarmten sich und küssten sich schließlich heiß und innig. Sie wussten, dass sie füreinander bestimmt waren. Dieses fantastische Wunder, welches er erleben durfte, hatten sie wohl nur diesem Engel zu verdanken. Doch waren es nicht auch Peters grenzenlose Hoffnung und seine unbändige Kraft, die ihn zu dieser Schicksalswendung gebracht hatten? Nur sein starker Wille, leben zu wollen und die Kraft, alles durchzuhalten, belohnte ihn schließlich. Und der Engel war am Ende nur ein Produkt seiner Seele, seiner wundervollen Träume, oder?

Er wollte nicht weiter darüber nachdenken. Er war froh, dass er dieses Glück haben durfte und ein solch unglaubliches Wunder erleben konnte. Er hatte zu seinem Leben zurückgefunden und er dankte Gott für dieses neue Leben.

Peter und Meryl wurden ein Paar und lebten glücklich in der großen Stadt. Peter genoss jeden Tag sein neues Leben, denn er war sich ganz sicher, dass es Engel gab. Man musste nur ganz fest daran glauben. Und außerdem lebte er ja nun dort, wo es leichtfiel, daran zu glauben – er war in Los Angeles, der Stadt der Engel …

Gruselfahrt

Vor einigen Jahren lebte ich in Berlin. Ich studierte an der dortigen Universität und besaß kaum Geld. Und ausgerechnet in dieser Zeit hatte ich ein sehr merkwürdiges Erlebnis, an welches ich mich erst kürzlich wieder erinnerte.

Damals lebte ich zur Untermiete bei einer alten Dame, Frau Spindler. Sie sorgte wirklich sehr fürsorglich für mich und erließ mir sogar eine Monatsmiete, weil ich mich erst einleben musste. Trotzdem blieben mir immer noch sehr hohe Ausgaben. Am teuersten war die S-Bahn, und ich musste mir schon bald eine Wochenkarte kaufen, damit ich die Kosten unter Kontrolle halten konnte.

Ich hatte mal wieder einen sehr stressigen Tag vor mir und musste schnellstens in die Uni. Eigentlich hatte ich mich verspätet, weil ich einfach nicht aus dem Bett kam. Deswegen hatte Frau Spindler schon einen Kaffee für mich gebrüht. Zum Frühstücken aber kam ich nicht mehr. Ich nahm meine Tasche und zog mir noch im Gehen die Jacke über.

Als ich auf den Bahnsteig kam, wo die S-Bahn fuhr, wunderte ich mich, dass kein Mensch dort wartete. So etwas kannte ich nicht, denn die anderen Tage war der Bahnsteig regelrecht überfüllt. Ich überlegte, ob vielleicht ein Feiertag … aber dieser Tag war kein Feiertag. Es war ein ganz normaler Mittwoch. Ich fand das sehr sonderbar. Auch die Fahrkartenautomaten funktionierten nicht.

Als die S-Bahn einfuhr, wurde alles noch viel mysteriöser, denn der gesamte Zug war menschenleer. Das konnte doch gar nicht sein.

Ich zögerte, dachte, es wäre ein Zug, der nur ins Depot gefahren wurde. Irritiert schaute ich auf die Anzeige über dem Gleis. Doch dort stand gar nichts. Wieso wurde nicht angezeigt, wohin diese S-Bahn fuhr? Die Türen öffneten sich und der Zug schien so lange zu warten, bis ich endlich eingestiegen war. Ich schaute auf die Uhr und stieg schließlich ein. Ich setzte mich ans Fenster und der Zug setzte sich in Bewegung.

Immer schneller wurde der Zug, und die Landschaft flog wie ein zu schnell abgespulter Film vor dem Fenster vorbei.

An der nächsten Station hielt der Zug und wieder entdeckte ich keine Leute. Niemand stieg aus, keiner stieg ein. Nur dutzende Fledermäuse flatterten wie Geister durch die Station. Das Licht flackerte und ein seltsam kühler Wind drang durch die offenen stehenden Türen in den Zug.

Und wieder schlossen sich die Türen und der Zug setzte sich in Bewegung. Diesmal schien er noch viel schneller zu fahren als eben noch. Er raste über die Gleise, dass es mir bereits angst und bange wurde.

An der nächsten Station sah es noch viel furchterregender aus. Anstelle des Schildes, welches sonst den Namen der Station anzeigte, hing ein großes schwarzes Kreuz über dem Bahnsteig. Überall standen Grabsteine und der Bahnsteig glich eher einem Friedhof als einer Bahnstation. Ich spürte, wie die Angst durch meinen Leib nach oben kroch. Der eiskalte Wind fegte durch die offenen Türen wie der kalte Hauch des Todes. Mir zog eine Gänsehaut über den Rücken.

Die Türen schlossen sich und der Zug raste los. Und diesmal schien er wie durch einen Tunnel zu rasen. Es wurde stockdunkel und irgendwann flirrten grelle Lichtpunkte wie Sterne an den Fenstern vorbei. Ich verstand nicht, was in diesem furchtbaren Zug vor sich ging. Es grenzte bereits an Hexerei. War der Zug verflucht? Aber so etwas konnte doch gar nicht möglich sein, oder doch?

Es dauerte sehr lange, bevor der Zug endlich langsamer wurde. Als er hielt, bekam ich schließlich den Schock meines Lebens. Die Bahnstation, an welcher der Zug hielt, war die gleiche Station, an welcher ich losgefahren war. Wie konnte so etwas nur möglich sein? Waren wir im Kreis gefahren? Aber konnte das wirklich funktionieren?

Zunächst wollte ich nicht aussteigen. Doch auf dem Bahnsteig stand ein seltsamer alter Mann in einem schwarzen Mantel. Er sah furchterregend aus – sein Gesicht war weiß und verhärmt. Er nickte mir zu und lief in Richtung Ausgang. So schnell ich konnte stieg ich aus und lief dem Fremden hinterher.

Draußen auf der Straße herrschte wieder ganz normaler Betrieb. Doch den Fremden sah ich nirgends mehr. Ich schaute auf die Uhr und