Europa im Visier der USA - Eva C. Schweitzer - E-Book

Europa im Visier der USA E-Book

Eva C. Schweitzer

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Beschreibung

Der neue US-Präsident Donald Trump wurde auf einer Welle von "Amerika first!" ins Amt getragen. Begleitet wird er von radikalen Medien im Internet, die den Amerikanern die Folgen von Merkels Flüchtlingspolitik in den wildesten Farben ausmalen. Nun werden Verträge in Frage gestellt, Grenzen neu definiert und Freund und Feind anders sortiert – vor allem in Europa. Trump, ein international operierender Geschäftsmann, unterstützt rechtspopulistische Parteien, sympathisiert mit Russland und England, die gegen die EU auftreten, und will Importe aus Deutschland, China und Mexiko blockieren. Nicht zum ersten Mal: Ausbrüche von Abschottung und Fremdenfeindlichkeit gab es in Amerika vor beiden Weltkriegen. Für Transatlantiker sind raue Zeiten angebrochen. Aber was bedeutet das für die Bürger? USA-Expertin Eva C. Schweitzer geht dem angespannten Verhältnis zwischen Washington und Europa nach. Faktenreich und kundig zeigt sie, wie der neue US-Präsident die Gräben zwischen Amerika und Europa vertieft und die Spaltung Europas vorantreibt. Was er tut, wird eklatante Auswirkungen nicht nur auf die europäische, sondern unmittelbar auch auf die deutsche Politik haben. Das Ende der westlichen Wertegemeinschaft steht auf dem Spiel – und Deutschland droht zu einem Gegner der USA zu werden.

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Eva C. Schweitzer

Europa im Visier der USA

Das Ende der transatlantischen Freundschaft?

edition berolina

eISBN 978-3-95841-545-4

1. Auflage

© 2017 by BEBUG mbH / edition berolina, Berlin

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Umschlagabbildung: © Fotolia/jessep83

edition berolina

Alexanderstraße 1

10178 Berlin

Tel. 01805/30 99 99

FAX 01805/35 35 42

(0,14 €/Min., Mobil max. 0,42 €/Min.)

www.buchredaktion.de

1. Kapitel

Trumps Amerika und die letzten Tage von Europa – Was der neue amerikanische Präsident für uns bedeutet

An einem Abend im September 2014 lud Steve Bannon zu einem festlichen Dinner mit Cocktails in seine Stadtvilla in Wash­ing­ton ein. Die Villa ist ein stattliches Haus aus roten Ziegeln unweit des Gebäudes des Supreme Court gelegen, dem höchsten Gericht der USA. Bannon war damals Chairman der reißerischen, rechtspopulistischen Website Breitbart.com, er tritt für ein Amerika ein, das von Weißen dominiert wird. Bald sollten Breitbart und insbesondere Bannon die Wahlkampagne für Donald Trump unterstützen. Bannon wohnte nicht nur in der Villa, sie diente ihm auch als Büro für die Breitbart-Hauptstadtreporter sowie für Empfänge, zu denen das konservative Wash­ing­ton geladen war.

Ein paar Dutzend Gäste waren gekommen, darunter Jeff Sessions, der republikanische Senator aus Alabama, der heute Trumps Generalstaatsanwalt ist (und ein großer Fan von Breitbart). Der Ehrengast war ein damals in den USA wenig bekannter britischer Konservativer, Nigel Farage. »Die Leute von Breitbart erzählten mir voller Bewunderung, dass Farage der Führer der United Kingdom Independence Party, der UKIP, sei«, schreibt Reid Cherlin, ein Reporter für das Magazin Rolling Stone, der ebenfalls eingeladen war. »Und Farage sei an der Spitze einer Initiative, Großbritannien aus der Europäischen Union zu holen.« Farage stand am Kamin unter einem Ölgemälde und hielt eine flammende Rede, in der er den damaligen britischen Premierminister, David Cameron, »kinnlos und mutlos« nannte. Die amerikanischen Gäste waren begeistert, aber Cherlin fand den Auftritt so irrelevant, dass er nur ein paar lustlose Notizen machte und später die Aufnahme der Rede löschte. Das, weiß er heute, war ein Irrtum.

Weniger als zwei Jahre später war die Abstimmung zum Brexit erfolgreich, und jeder weiß, wer Nigel Farage ist, nämlich eine der treibenden Kräfte hinter dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Aber keiner weiß, wie stark Breitbart und amerikanisches Geld darin involviert waren – Geld von reichen Trump-Unterstützern. Einer davon ist Sheldon Adelson, ein ultrakonservativer Milliardär, der in Las Vegas mehrere Casinos betreibt und der die lokale Presse aufgekauft hat, um vor Kritik sicher zu sein. Trumps wichtigster Wahlkampfspender aber ist Robert Mercer, der sowohl Breitbart.com als auch Bannons Dokumentarfilme über konservative Politiker finanziert. Mercer hat auch den Brexit finanziell unterstützt, indem er austrittswilligen Briten, allen voran der Initiative Leave.EU, die Dienste seiner Datenanalysefirma Cambridge Analytica zur Verfügung gestellt hat. Cambridge Analytica erstellt sogenannte psychometrische Profile, Persönlichkeitsprofile, mit deren Hilfe sich erfassen lässt, welche politischen Präferenzen Internetnutzer haben. Dazu werden Online-Umfragen genutzt, Daten in Social Media wie Facebook, Pinterest oder Instagram, Daten von öffentlichen Ämtern, Ärzten und E-Commerce-Anbietern, Mitgliedschaften in Vereinen, Wählerverzeichnisse, Kreditkartenkäufe und Kundendatenbanken. So lassen sich Millionen von Wählern mit quasi individuellen Botschaften gezielt ansprechen.

Farage beschäftigt Leute von Breitbart als Berater; der Pressesprecher von Leave.EU, Jack Montgomery, ist der Büroleiter von Breitbart in London. Am Tag nach der Abstimmung zum Brexit lud Bannon UKIP-Führer Farage in das Londoner Büro von Breitbart zu einem Radioauftritt ein. »Die Europäische Union ist gescheitert«, sagte Farage triumphierend. »Ich freue mich, zu sagen, dass die EU dem Untergang geweiht ist.« Daraufhin Bannon: »Das ist eine großartige Leistung. Ich gratuliere Ihnen!« Das überrascht die nicht, die ihn kennen. »Bannon hasst die EU«, sagte Ben Shapiro, ein früherer Breitbart-Reporter zur Politwebsite Politico. »Er sieht sie als Instrument für die Globalisierung.« Bannon will starke, christliche Nationalstaaten in Europa, in denen es nationalistische Bewegungen gibt. Das werde auch der Einwanderung aus »islamistischen Ländern« nach Europa ein Ende bereiten, glaubt er. Und ähnlich denkt Stephen Miller, ebenfalls ein Berater von Trump, auf den der Reisebann gegen Muslime zurückgeht.

Bannon, der 2016 auf die Empfehlung von Mercer in das Wahlkampfteam von Trump aufrückte, hat auch Trump und Farage miteinander bekanntgemacht. Nun ist Farage gerngesehener Gast im Weißen Haus. Das schreckt die EU auf. »Die EU ist ernsthaft bedroht«, sagte der liberale EU-Parlamentarier Guy Verhofstadt im Januar 2016 in London. Denn Trump hört auf Bannons außenpolitischen Rat. Der Präsident traf sich nicht nur früh und demonstrativ mit der britischen Premierministerin Theresa May, die hinter dem Brexit steht, auch die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen wurde vor der Wahl im Trump Tower gesichtet. Trump engagierte mit Sebastian Gorka einen früheren Berater des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán, ebenfalls ein führender Rechtspopulist. Und den russischen Staatschef Wladimir Putin, auch kein EU-Freund, sieht Trump als Bruder im Geiste. Es ist dieser Trump, um den sich Europa und vor allem Deutschland sorgen sollte. Denn Amerika ist wie ein Elefant: Wenn er hustet, zittert der ganze Zoo.

Was Trump von Europa hält, zeigte er bei seiner ersten Reise. Selbst die zurückhaltende Angela Merkel – deren Hand der Präsident bei ihrem Besuch in Wash­ing­ton nicht schütteln wollte – sagte, mit Trump seien die Zeiten vorbei, in denen sich Europa auf Amerika verlassen habe. Trump drängelte sich vor die Kameras, indem er den Präsidenten von Montenegro am Schlafittchen packte und nach hinten schob, er schaffte es nicht, dem Papst ein einziges Lächeln zu entlocken, und er versetzte die baltischen Staatschefs mit der Ankündigung in Panik, er könne nicht garantieren, dass die NATO sie vor Russland schütze. Er erklärte, Deutschland sei »sehr, sehr böse«, es manipuliere den Euro zu seinen Gunsten, die Deutschen schuldeten der NATO Milliarden von Dollar, und die USA müssten den deutschen Autoexporten und dem deutschen Handelsüberschuss ein Ende bereiten. Zuletzt lieferte er sich ein Händewettdrücken mit dem neugewählten französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Das verlor er. Und Macron prahlte danach auch noch damit, dass er den amerikanischen Präsidenten beim Händeschütteln übertölpelt hätte. Das hielt Trump nicht davon ab, nach einem Terroranschlag auf London wenige Tage später den – muslimischen – Bürgermeister der britischen Hauptstadt per Twitter zu beschimpfen.

Trump selbst verließ Europa allerdings auch nicht glücklich. Dass er kurz darauf das Klimaschutzabkommen von Paris aufkündigte, führen Beobachter in Wash­ing­ton darauf zurück, dass er sauer auf die Staatschefs der EU war und denen zeigen wollte, dass er der Größte ist. Andererseits, auch die Republikaner wollten das Abkommen aufkündigen. Zweiundzwanzig Senatoren hatten in der Sache einen Brandbrief an Trump geschickt; allesamt bekommen sie Millionenspenden von der Öl- und Kohleindustrie und den Koch-Brüdern, den Öl- und Chemiemagnaten Charles und David Koch von Koch Industries.

Was könnte die US-Regierung wirklich tun, wenn sie die EU auseinanderbrechen wollte, etwa um den Euro als Konkurrenzwährung zu eliminieren? Durchaus einiges. Trump hat bereits angedeutet, er werde dem Post-Brexit-Großbritannien Handelsprivilegien gewähren, die er der EU nicht zugestehen will. Das betrifft etwa Einfuhrzölle, aber auch, wie leicht es Bürgern und Firmen aus unterschiedlichen Ländern gemacht wird, in den USA Geschäfte zu tätigen. Wenn die USA das Signal senden, dass sich ein Austritt aus der EU lohnt, können noch weitere Mitgliedsstaaten wegbrechen. Bis Deutschland allein übrig bleibt. Denn Deutschland ist das eigentliche Ziel von Trumps Zorn, das Land, das sein Großvater Friedrich Trump in Unfrieden verlassen hat.

Manhattan, die schmale, langgestreckte Insel, ist das alte Herz von New York. Hier stehen all die berühmten Bauwerke, vom Empire State Building bis zum Rockefeller Center. Hier leben die berühmten New Yorker, von Woody Allen bis Lady Gaga. Ganz unten im Süden, wo sich der East River in den Atlantischen Ozean ergießt, liegt der South Street Seaport, der historische Hafen. Ein paar Segelschiffe dümpeln leise vor Anker, darunter das Museumsschiff Wavertree. Dies hier ist der Ort, wo New York – noch unter dem Namen Nieuw Amsterdam – gegründet wurde, eine der ersten europäischen Kolonien in der Neuen Welt. 1625 eröffnete die holländische Dutch West India Company hier ihre erste Niederlassung. Ihr erster Direktor war Peter Minuit, der aus Wesel im heutigen Nordrhein-Westfalen stammte; dort, wo heute das alte Zollhaus steht, war damals eine holländische Windmühle. Ein paar Jahre später schickten die Engländer eine Flotte von Kanonenbooten, um den holländischen Handelsposten zu übernehmen. 1664 benannten die Stadt in New York um.

Heute ist New York die Welthauptstadt der Wirtschaft. Der South Street Seaport ist eine Art städtisches Disneyland, wo sich Touristen aus allerlei Ländern zwischen Büdchen tummeln, die Andenken und »Coffee to go« verkaufen. Der alte Fischmarkt wurde in die Bronx verfrachtet: nicht fein genug. Die wenigen historischen Lagerhallen wurden von Grund auf renoviert, teure Restaurants und Boutiquen sind eingezogen. Die Pier 17, die letzte historische Schiffsanlegestelle, wird gerade durch ein Stahl-und-Glas-Shoppingcenter ersetzt. Der Hurrikan Sandy, der erste spürbare Vorbote der globalen Erwärmung in New York, hatte das alte Hafengebäude geflutet.

In der großen Zeit der Segelschifffahrt war der South Street Seaport der wichtigste Einwandererhafen nicht nur der Stadt, sondern von ganz Amerika. Mit den Schonern, die hier vor Anker gingen, landeten Hunderttausende von Immigranten aus Europa an, erst Engländer, dann Deutsche und Skandinavier, dann die Iren. Amerika brauchte Bauern und Handwerker, bald auch Soldaten für den Bürgerkrieg. Als die Neuankömmlinge ebenfalls ihr Stück vom Kuchen verlangten, lief das durchaus nicht friedlich ab: Protestantische Alteingesessene aus England kämpften auf den Straßen mit Äxten und Knüppeln gegen die neuen Amerikaner, katholische Iren und Deutsche, die in immer größeren Massen kamen, freudig begrüßt von den Politikern, ungeliebt vom Volk.

Martin Scorsese hat diese Zeiten in seinem Film Gangs of New York beschrieben. Die Hauptperson in dem im Jahr 2002 erschienenen Kinostreifen ist »Bill the Butcher«, Wilhelm der Metzger, gespielt von Daniel Day-Lewis, der an die historische Gestalt des William Poole (1821–1855) angelehnt ist. William Poole war Metzger, Hobbyboxer und Politiker. Er kommandierte mehrere englische Gangs, die die Straßen von New York patrouillierten und die Iren und Deutschen draußen hielten oder wenigstens unten. Poole war auch der New Yorker Parteivorsitzende der »Know Nothings«. Der eigentliche Name der Partei war »Native American Party«. Die »Know Nothings« verteidigten die Interessen der in den USA geborenen Weißen, vor allem der Arbeiter und Bauern, gegen die Neuankömmlinge aus Europa. Der Name rührte daher, dass sie sich als Geheimbund verstanden. Immer wenn sie nach ihrer Partei befragt wurden, sagten sie: »I know nothing.« (»Ich weiß von nichts.«) Mit dem Bürgerkrieg gingen die »Know Nothings« in den Republikanern auf. Mit Poole nahm es ein böses Ende: John Morrissey (1831–1878), ein irischer Immigrant, ebenfalls Boxer und Funktionär des demokratischen Clubs »Tammany Hall«, beauftragte zwei Männer, ihn zu erschießen.

Nahe dem Hafen verläuft die Wall Street. Die Holländer hatten hier eine Befestigungsmauer gegen die Angriffe der Mohikaner und der Delaware errichtet. Im Unabhängigkeitskrieg (1775–1783) besetzten die Truppen des britischen Königs die Stadt, sieben Jahre lang. Als sie vertrieben wurden, hackten die New Yorker der Statue von King George den Kopf ab und trugen diesen auf einer Stange herum. Danach baute das US-Militär ein gutes Dutzend Geschützbatterien und Forts zur Abwehr gegen angreifende Schiffe, darunter das Castle Clinton. Unweit davon fährt heute das Schiff zur Freiheitsstatue ab, die »Lady Liberty«, die Einwanderer willkommen heißt. Noch. Der Name »Wall Street« steht heute für die New Yorker Börse und die Banken. Nahe der Wall Street ist die Federal Reserve, die die US-Zinspolitik diktiert, Citibank, Chase, Brown Brothers Harriman, mit der die Bush-Familie reich wurde, Deutsche Bank, die einzige Bank, die noch mit Donald Trump Geschäfte macht, und das alte Haus von J. P. Morgan (1867–1943), seinerzeit der einflussreichste Banker New Yorks. Morgan war einer der entschiedensten Befürworter des Kriegseintritts der USA in den Ersten Weltkrieg, er hatte England nach heutigem Wert Milliarden von Dollar geliehen.

Die Wall Street endet am Broadway, dort, wo die Trinity Church steht. Die Trinity Church (»Dreifaltigkeitskirche«) ist die älteste Kirche New Yorks, geweiht noch von der Church of England. Südlich davon liegt das Cunard Building, das Haupthaus der britischen Schifffahrtslinie, deren Schiff Lusitania im Ersten Weltkrieg von der deutschen Marine versenkt wurde, was Amerika bald darauf dazu brachte, in den Krieg einzutreten. Ein Stück weiter am Hudson River, am südwestlichen Ufer von Manhattan, liegen die Hochhäuser der Bank of America und Goldman Sachs, die Bank, die in der Finanzkrise von 2008, in der die Finanzmärkte fast zusammenbrachen, eine treibende Rolle spielte, die Griechenland half, die Bücher zu fälschen, um in die EU zu kommen, und die heute viele hohe Beamte in Trumps Kabinett stellt. Hier ist auch der »Freedom Tower«, das neue One World Trade Center. Das alte World Trade Center wurde am 11. September 2001 zerstört. Es war ein Anschlag, der Amerika dermaßen aus der Fassung brachte, dass es bis heute zu spüren ist. Letztlich führt eine direkte Linie von den beiden Flugzeugen, gesteuert von zwei muslimischen Immigranten aus Hamburg, die in den Zwillingstürmen in Flammen aufgingen, zu den syrischen Flüchtlingen, wegen denen sich womöglich die EU destabilisiert.

Die Südspitze von Manhattan ist ein sehr kleines Fleckchen Erde, aber eng mit der Geschichte Europas verbunden. Und mittendrin, ebenfalls an der Wall Street, steht das Trump Building, der erste Wolkenkratzer, den der Präsident erwarb, als er noch einfacher Baulöwe war. Das Hochhaus mit seiner weißen Marmorfassade und dem grünen Kupferdach wurde die Keimzelle eines Imperiums, das sich heute weit über die Grenzen der USA hinaus erstreckt. Denn der Präsident gibt sich zwar als »America Firster«, aber er hat Verbindungen in alle Welt, die seine Politik beeinflussen.

Heute liegt das Machtzentrum von New York in Midtown Manhattan, das Hochhausviertel um den Times Square und den Hauptbahnhof Grand Central Station. Dort sind all die großen Medienunternehmen, von der New York Times über die News Corporation, die Rupert Murdoch gehört, bis zu den Büros der großen Fernsehsender sowie dem deutschen Konzern Bertelsmann. Auch der Observer, das Blättchen von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, liegt nur zwei Blocks vom Times Square entfernt. Hier steht auch der Trump Tower, das erste Hochhaus, das der heutige Präsident errichtete, schräg gegenüber vom Rockefeller Center.

Das Rockefeller Center ist ein Art-déco-Ensemble, das die gleichnamige Familie 1931 bis 1940 errichten ließ. Hier war einst der geheime Bürotrakt von Sir William Stephenson, der britische Geheimdienstler und Meisterspion, der Amerika dazu brachte, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten. Das Hochhaus in der Mitte des Rockefeller Centers, das eine Eislauffläche mit dem goldenen Prometheus überragt, wurde als RCA Building errichtet, nach der Radio Corporation of America, der ersten Rundfunkgesellschaft der USA. Hier sitzt heute NBC, der größte und älteste Sender Amerikas. Es war der damalige NBC-Chef, Jeff Zucker, der Trump den Vertrag für seine Reality-TV-Show »The Apprentice«, »Der Lehrling«, gab.

Zum Showbusiness fühlte sich der öffentlichkeitsbewusste Trump schon immer hingezogen. Bereits als Baulöwe hatte er Dutzende von Kurzauftritten in Serien und Filmen, von »Sex and the City« bis »Der Prinz von Bel Air«, von Kevin allein zu Haus bis zum Woody-Allen-Streifen Celebrity. Dort spielte er eine ironische Version von sich selbst, in anderen Filmen nimmt er sich eher ernst. Aber erst mit der Serie »The Apprentice«, die er zusammen mit dem britischen TV-Produzenten Mark Burnett konzipierte, startete seine Fernsehkarriere richtig durch. Der Drehort: Trump Tower. Der Plot: Ein gutes Dutzend junger Leute balgt sich darum, einen Job als Bauleiter eines Trump-Hochhauses zu bekommen. Trump führt immer das große Wort, und am Ende jeder Sendung feuert er einen Verlierer. Bis ein Sieger übrig bleibt. Die Serie war so erfolgreich, dass »The Celebrity Apprentice« folgte, ein ähnliches Konzept mit Semi-Prominenten.

Viele Immigranten, Frauen, Afroamerikaner machten beim »Apprentice« mit, und sie alle lieben und verehren Trump, der mal zeusgleich im schwarzen Hubschrauber über Manhattan schwebt und mal Bewerber in sein goldüberladenes Apartment im Trump Tower einlädt. Die Serie ist ein Loblied auf die Wall Street und den Kapitalismus. Das Erstaunliche aber war, dass Trump damals gerade eine Milliardenpleite mit seinen Casinos in Atlantic City hingelegt hatte. Die Banken hatten ihm die Tür gewiesen, der Trump Tower war das einzige Gebäude, das ihm noch gehörte. Trotzdem schaffte er es mit Hilfe von Burnett, den glamourösen, steinreichen Industriegiganten glaubhaft darzustellen, einen »Markennamen höchster Qualität«, wie er selbst sagte. Burnett, damals bekannt durch die Serie »Survivor«, stilisierte Trump als einen »rebellischen amerikanischen Magnaten«, der keine Gefangenen mache, seine Freunde verteidige und seine Gegner töte. Wie die Männer, die den Wilden Westen erobert hatten, ein Vertreter des Landes, das den ganzen Planeten am Leben erhalte.

Das ist der Donald Trump, den die Amerikaner zum Präsidenten wählten. Heute ist Jeff Zucker der Chef von CNN, der Nachrichtensender, der es Trump zu verdanken hat, dass er seine Einschaltquoten verdoppeln konnte, und den Trump dauernd als »Fake News« beschimpft. Dabei war die Serie »The Apprentice« zwar Reality-TV, aber so realistisch dann doch nicht. Anfang 2017 erzählten mehrere Drehbuchautoren dem Fachblatt CineMontage, dass sie jede Sendung nachträglich so zusammenschneiden mussten, dass Trumps Entscheidung, wer gefeuert wurde, auch Sinn ergab. Tatsächlich habe der Immobilienmogul das nicht nach Leistung oder Logik entschieden, sondern danach, wer gut aussehe, oder manchmal auch nach Lust und Laune. So hat Trump bereits in seiner Fernsehkarriere sein eigenes Universum aus alternativen Fakten geschaffen.

Das Fernsehen brachte Trump vermutlich auch dazu, Präsident werden zu wollen. Trump, damals noch Baulöwe, hatte 2011 das traditionelle Dinner der Weiße-Haus-Korrespondenten in Wash­ing­ton, DC, besucht, und Präsident Barack Obama hatte ihn vor laufender TV-Kamera und einer versammelten Mannschaft von Promis und Presse verspottet: Trump habe Monate damit zugebracht, seine, Obamas, Geburtsurkunde zu suchen, und nun, da er erfolgreich gewesen sei, könne er sich wichtigen Dingen zuwenden, etwa: Haben die USA die Mondlandung nur vorgetäuscht? Und: Was ist wirklich in Roswell passiert (der Stadt des geheimnisvollen UFO-Absturzes)? In dieser Stunde, vermuten viele, beschloss Trump, ins Weiße Haus zu gelangen und sich an Obama und den Medien zu rächen. Trump sagte einmal zu seiner Tochter Ivanka, wenn ihn jemand beleidige, den werde er für den Rest seines Lebens hassen. Er wird auch Angela Merkel nicht verzeihen, dass sie seine Autorität und Weisheit als Führer der freien Welt in Frage gestellt hat.

Nun sitzt Trump im Weißen Haus und gibt den Reality-TV-Präsidenten. Er hat sogar eine Teilnehmerin von »The Apprentice« mit ins Weiße Haus genommen, Omarosa Manigault-Stallworth. Sie fiel den Zuschauern damals auf, weil sie so ungeniert in die Kamera log. Und er hat einen eigenen Fernsehkanal für »wahre« Nachrichten gegründet, der aus dem Trump Tower sendet. Leider ist es dem Weißen Haus nicht möglich, die echten Nachrichten so umzuschneiden, dass die Regierungstätigkeit gut aussieht. Und darunter leidet Trump und beschimpft die Medien als »Fake News«.

Viele von Trumps Aktionen, die politisch wenig Sinn ergeben, werden erst unter dem Prisma der Medienberichterstattung verständlich. Denn der Präsident fragt sich vor allem: Was bringt fette Schlagzeilen? Wie komme ich ins Fernsehen? All die Trump-Momente, von den ewigen Beleidigungen von Freund und Feind bis zu den Bildern vom Schwertertanz mit saudischen Scheichs, garantieren Trump Quoten im Nachrichtenfernsehen und die Aufmerksamkeit von nicht nur Millionen, sondern sogar von Milliarden Menschen. Zu den Ersten, die das erkannt haben, gehört der Fernsehkomiker Seth Meyers, der nächtens auf NBC auftritt. Er bot Trump an – erst auf eigene Faust, dann im Namen der Geschäftsführung –, er könne eine eigene Sendung auf NBC haben, »The White House Celebrity Apprentice«. Im Gegenzug müsse der Politiklehrling nur auf den Präsidententhron verzichten. Der New Yorker Medienkritiker Neil Postman hat in seinem Bestseller Wir amüsieren uns zu Tode (1988) solche Entwicklungen schon früh vorausgesagt, wenngleich er sich bestimmt nicht hätte vorstellen können, dass ausgerechnet das Weiße Haus zur Zentrale des Infotainment avancieren würde. Und mit Trump.

Nun haben wir den ersten Fernsehpräsidenten, der ein Feuerwerk der Superlative, Skandale und Sensationen bietet, von morgens früh bis spät in die Nacht hinein. Bis ihm seine Helfer das Handy entwinden und er aufhören muss, zu twittern. Mal kündigt er vor laufender Kamera an, Raketen abzufeuern, mal droht er, Journalisten einzusperren. Mal engagiert er eine Sumpfblüte als Kommunikationsdirektor, wie Anthony Scaramucci, der meinte, Steve Bannon könne seinen eigenen Schwanz lutschen (und der sofort wieder gefeuert wurde), und mal ruft er den (inzwischen ebenfalls gefeuerten) Staatschef Reince Priebus ins Oval Office, um eine Fliege totzuschlagen, die ihn nervt. Er verteidigt seinen Sohn Don Jr., der sich mit einer russischen Anwältin getroffen hat, die vermutlich für den Kreml arbeitet und belastendes Material über Hillary Clinton versprach. Der vorläufige Höhepunkt war im August 2017 erreicht, als der Präsident nach einer gewalttätigen Demonstration von Ku-Klux-Klan-Männern und Neonazis in Charlottesville, Virginia, keine Worte fand, den Mord an einer Gegendemonstrantin zu verurteilen, und beide Seiten verantwortlich machte. Der Krawall hatte sich daran entzündet, dass die Stadt die Statue des Südstaatengenerals Robert E. Lee entfernen ließ, auf den viele Trump-Anhänger noch stolz sind. Seitdem weht ihm auch von Republikanern Wind ins Gesicht. Und dann gibt es natürlich noch die Ermittlungen des früheren FBI-Chefs Robert Mueller gegen Trump wegen »Russiagate«, die langsam Fahrt aufnehmen. Für einen Präsidenten, der gerade einmal acht Monate im Amt ist, ist das ein erstaunlicher Rekord.

Was macht Trump als Nächstes, um die Quoten nach oben zu treiben? Lässt er sich mit Putin bei einer Siegerparade auf dem Roten Platz feiern? Fordert er, die Fabriken von Volkswagen in Tennessee zu schließen und die Manager wegen des Dieselskandals einzusperren? Erklärt er Krieg gegen Frankreich, falls Macron ihm den Gehorsam verweigert? Droht er, die Atombombe auf Pjöngjang zu werfen? Oder auf Beijing?

Ein beliebtes Gesellschaftsspiel in Amerika dreht sich dar­um, mit wem sich Donald Trump am besten vergleichen lässt. Ist er ein spätgeborener Benito Mussolini, so ähnlich wie der Duce, der Italien wieder groß machen wollte? Oder gar der neue Hitler – der Präsident bekam bereits den Spitznamen »Twitler« verpasst, aus Twitter und Hitler? Eine Art Archie Bunker, eine Fernsehfigur aus den fünfziger Jahren, die amerikanische Version des Fernsehekels Alfred Tetzlaff in der Serie »Ein Herz und eine Seele«? Ist er Zaphod Beeblebrox, der überaus von sich eingenommene zweiköpfige Außerirdische aus dem Science-Fiction-Klassiker Per Anhalter durch die Galaxis, der Präsident wurde, um ein neues Superraumschiff klauen zu können? Oder ist er eine neuzeitliche Version von Hägar dem Schrecklichen, der Comic-Wikinger – immerhin stammt seine Mutter von einer schottischen Insel, die von Wikingern besiedelt wurde? Oder ist er ein Hybrid aus Homer Simpson und C. Montgomery Burns, der böse Milliardär aus der Comicserie »Die Simpsons«?

Natürlich hat es in den USA schon zuvor populistische Politiker gegeben. Andrew Jackson (1767–1845) war der erste, ein Soldat und Demokrat, der die Wahl gewann, indem er versprach, das Land der Indianer an weiße Immigranten zu verteilen. Trump ist übrigens ein großer Fan von Jackson. In New York gab es William Tweed (1823–1878), ebenfalls ein Demokrat; der korrupte Bürgermeister, der dem bereits erwähnten Club »Tammany Hall« vorstand, der viele Wohltaten an seine Wähler verteilte und der als verurteilter Betrüger im Knast starb. Auch Teddy Roosevelt (1858–1919) hatte eine populistische Ader, republikanischer Präsident und der starke Mann hinter dem spanisch-amerikanischen Krieg von 1898. Oder Huey Long (1893–1935), der Gouverneur von Louisiana, der in den dreißiger Jahren die Arbeiter für sich begeisterte. Aber all das ist lange her. Trump ist die erste moderne Version des Populismus im Zeitalter der Globalisierung und der Neuen Medien.

Auch Konflikte zwischen den USA und anderen Ländern um Macht und Einfluss und um die Führungsrolle Amerikas sind kein neues Phänomen. Immer wieder haben die USA interveniert, Wahlen beeinflusst, Putsche unterstützt, Regierungen gestürzt, Militärbündnisse erzwungen, Verträge gebrochen und Handelskriege geführt. Und auch der ans Hysterische grenzende US-Sicherheitsstaat, bei dem die CIA und die NSA vielleicht demnächst noch unsere Toaster programmieren, um uns zu überwachen, entstand zwar in seiner heutigen technologischen Perfektion erst nach 9/11. Aber die krakenartigen allumfassenden Geheimdienste gehen bereits auf den Zweiten Weltkrieg zurück, als die USA in die Fußstapfen des Britischen Imperiums traten.

Selbst Trumps Innenpolitik – oder das, was er als Innenpolitik verkauft – ist nicht neu. Es gab schon immer sogenannte America Firster, die wollten, dass Amerika sich einzig um seine eigenen Interessen kümmert. Und auch Wellen von Fremdenfeindlichkeit, die sich auch auf die Immigrationsgesetze und die Außenpolitik auswirkten, kamen in den USA immer wieder vor, vor allem in Zeiten vor und nach den beiden Weltkriegen. Nur die Atmosphäre unter US-Rechtspopulisten ist eher unamerikanisch. Deren stetiges Gefühl der Benachteiligung und Übervorteilung, verbunden mit der Forderung, Amerika müsse das größte Land aller Zeiten sein, dessen Flagge an jeder Ecke weht und dessen Truppen überall einmarschieren können, erinnert einen an die Stimmung in Deutschland nach den verlorenen Weltkriegen – nur dass Amerika gar keinen Krieg verloren hat. Im Gegenteil, das Land ist auf dem Höhepunkt seiner Macht.

So wie jede unglückliche Familie auf ihre eigene Weise unglücklich ist, sind auch alle populistischen Politiker auf ihre Weise populistisch. Trump ist anders als Andrew Jackson oder William »Boss« Tweed. Trump ist der Chamäleon-Präsident mit den vielen Gesichtern, vielen Meinungen und vielen politischen Positionen. Auch seine Rollen wechselt er oft. Aber er spielt sie alle mit Überzeugung, und er findet genug Amerikaner, die ihm alles abnehmen. Er ist der Großstadt-Cowboy, der seine politischen Gegner verbal anschießt, dabei reagiert er selbst überempfindlich auf Kritik. Er behauptet, Milliardär zu sein, ohne jemals seine Bilanzen vorgelegt zu haben, dabei hofft er heimlich, im Weißen Haus tatsächlich Milliardär zu werden. Er ist ein publicitysüchtiger New Yorker, der seinen Namen mit meterhohen goldenen Lettern an allen seinen Wolkenkratzern anbringen lässt, als sein eigener Pressesprecher unter falschen Namen Journalisten anruft und der seine Berühmtheit dem Fernsehen verdankt – und der trotzdem die Medien als »Versager« und »Lügenpresse« bekämpft.

Donald Trump ist der kompromisslose Sicherheitsfanatiker, der Muslime nicht ins Land lässt und der gleichzeitig mit korrupten muslimischen Familien in Zentralasien Geschäfte macht. Er ist der politische Hasardeur, der mit der Internetplattform WikiLeaks sympathisiert, der mit Hilfe der Bundespolizei FBI gegen die Demokraten intrigiert und dessen Berater vor dem »Deep State« warnen, eine verborgene Schattenregierung der wirklichen Herrscher. Gleichzeitig lobt er den russischen Staatschef Wladimir Putin, der nun garantiert kein Anarchist ist, und der ihm vielleicht, vielleicht aber auch nicht russische Prostituierte ins Hotelbett gelegt hat. Das ist möglicherweise der Grund, dass Trumps Russlandpolitik einen schwer nachzuverfolgenden Kurs fährt. Er ist als Präsident angetreten, der, anders als Hillary Clinton, nicht überall Kriege anzetteln werde. Aber er fordert NATO-Mitgliedsstaaten auf, ihre Militärausgaben zu verdoppeln. Und er will die damit erworbenen Waffen auch endlich einmal abfeuern. Er ist der hemdsärmelige Rechtspopulist, der Amerikas zu kurz gekommene arme Weiße gegen Mexikaner verteidigt, der gegen ausländische Geschäftsleute wettert und der seine Luxushotels, Casinos und stahlgläsernen Wohntürme von reichen Chinesen, Arabern und Russen finanzieren lässt.

Die Doppelgesichtigkeit von Trump zeigt sich am klarsten an seinen beiden Getreuen, Stephen Bannon und Jared Kushner. Bannon, wie schon erwähnt, lange Zeit Chairman des rechten Onlinemediums Breitbart, ist heute zwar offiziell nicht mehr sein Sicherheitsberater, aber er geht nach wie vor im Weißen Haus ein und aus. Der irischstämmige Katholik ist ein konservativer Hardliner, der für die Stärkung der Nationalstaaten in allen westlichen Ländern eintritt, der die NATO, die EU, die Vereinten Nationen und überhaupt alle supranationalen Organisationen ablehnt und der Endzeitvisionen anhängt wie sonst nur evangelikale Christen. Kushner, Trumps Schwiegersohn, ist orthodox-jüdischer Demokrat und einer dieser Globalisten, die Bannon bekämpft. Kush­ner macht mit dem von Rechten vielgehassten jüdischen Spekulanten George Soros Geschäfte. Mit Bannon und Kush­ner an seiner Seite hat Trump es erreicht, zwei Schattierungen des konservativen Wählerspektrums an sich zu binden, die sonst miteinander schwer verfeindet sind, nämlich zionistische Juden einerseits und die dem Ku-Klux-Klan nahestehenden Rechtsextremen andererseits. Es ist erstaunlich, wie er es schafft, an beide Gruppen zu kommunizieren, dass er eigentlich auf ihrer Seite steht. Auf den Websites von weißen Supremacisten ist Trump durchaus beliebt: Wenn es gutgehe mit Trump, glauben sie, haben sie wieder die kulturelle Lufthoheit in den USA errungen, wenn nicht, dann sei der Jude Kushner schuld.

Trump hat angekündigt, dass die USA nicht mehr Weltpolizist spielen werden, aber in den ersten Monaten seiner Amtszeit hat er bereits den Jemen, Afghanistan und Syrien bombardiert. Er greift Bundeskanzlerin Angela Merkel an, deren Politik der offenen Grenzen Deutschland ruiniere, wie er schon als Kandidat gesagt hatte. Aber gleichzeitig sorgen US-Bomben im Mittleren Osten dafür, dass immer mehr und neue Flüchtlinge über das Mittelmeer kommen. Die USA hingegen nehmen fast keine Flüchtlinge auf. Noch mehr Flüchtlinge aber könnten Deutschland und Europa destabilisieren – will Trump das? Überdies hat Trumps Einwanderungspolitik auch Auswirkungen auf Deutschland. Wird es weiterhin Greencards geben? Werden Touristen, Besucher, Geschäftsleute und Studenten noch nach Amerika reisen dürfen? Auch Deutsche mit Migrationshintergrund? Denn auch wenn Trump persönlich Geschäfte mit Ausländern macht, sein Wahlkampfmotto war: »Amerika zuerst«. Er will die USA gegen all die Länder in Stellung bringen, die Amerikaner, die sich stets benachteiligt fühlen, übervorteilen, ausnutzen, reinlegen, übers Ohr hauen.

Besonders gefährlich für Europa ist Trumps Feindseligkeit gegenüber Handelsverträgen – gerade Deutschland lebt vom globalen Handel. Trump will die amerikanische Autoindustrie stärken, und zwar auf Kosten von deutschen Autoproduzenten. Er will Zölle verhängen, Importe besteuern und Exporte subventionieren. Auch über Trumps Sicherheitspolitik sollte sich Europa Sorgen machen. Nicht nur hat Trump angekündigt, er werde Deutschland für die NATO zur Kasse bitten, nun sieht es so aus, als wolle Amerika seine NATO-Verpflichtungen gegenüber Osteuropa überhaupt nicht erfüllen. Warum auch, wenn Putin der beste Kumpel ist? Wird Deutschland nun die Militärausgaben verdoppeln? Wird Amerika die Verteidigung von Osteuropa der Bundeswehr überlassen? Und welche Auswirkungen hätte das auf Deutschlands Rolle innerhalb von Europa – würde eine Aufrüstung Deutschlands die Nachbarländer beunruhigen, die dann ihrerseits gegen Deutschland aufrüsten könnten? Und was geschieht im Mittleren Osten? Wollen die USA, dass Deutschland bei einem womöglich anstehenden Krieg gegen Syrien oder sogar gegen den Iran mitmacht oder zumindest dafür zahlt, wie schon in Afghanistan oder im Irak? Und inwieweit ist Trumps Außenpolitik überhaupt politischen Zielen geschuldet und inwieweit den Geschäftsinteressen eines Präsidenten, der weltweit Hotels, Wolkenkratzer und Golfplätze baut?

Wie wird sich die Trump-Präsidentschaft auf die politische Zukunft und die Wahlen in Europa auswirken? Marine Le Pen hat zwar verloren, aber trotzdem ein Rekordergebnis für den Front National eingefahren. Das gleiche gilt für Geert Wilders in Holland. Werden nun weitere Politiker einen nationalistischen Kurs einschlagen? Wird sich das dynamische Duo Trump und Putin in den deutschen Wahlkampf einmischen, und wenn ja, auf wessen Seite – bestimmt nicht für die Sozialdemokraten, das ist klar, und für Merkel erst recht nicht. Trumps Sympathien liegen bei Theresa May, die britische Brexit-Befürworterin. Wenn Deutschland gegen Großbritannien aufträte, wirtschaftlich, politisch oder gar militärisch, wo stünden dann die USA