Everlasting Love - Gefährliches Schicksal - Lauren Palphreyman - E-Book

Everlasting Love - Gefährliches Schicksal E-Book

Lauren Palphreyman

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Beschreibung

Lila ist gar nicht bei der Dating-Agentur ›Everlasting Love‹ – und trotzdem hat man dort angeblich ihren Seelenpartner, ihr Perfect Match gefunden: Cupid, den jungen Liebesgott höchstpersönlich. Erst hält sie das für einen schlechten Witz. Bis sie ihm begegnet! Der grandiose Auftakt der Everlasting-Trilogie, alle Bände: Everlasting Love - Gefährliches Schicksal Everlasting Love - Valentines Rache Everlasting Love - Ruf der Unterwelt Der Wattpad-Erfolg aus den USA!

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Seitenzahl: 462

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Lauren Palphreyman

Everlasting love - Gefährliches Schicksal

Aus dem Amerikanischen von Anna Julia Strüh

FISCHER E-Books

Inhalt

Teil 1: Everlasting Love Matchmaking-Agentur1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. KapitelTeil 2: Die Arrows15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. KapitelTeil 3: Der Finis30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel39. Kapitel40. Kapitel41. Kapitel42. Kapitel43. Kapitel44. KapitelTeil 4: Venus45. Kapitel46. Kapitel47. Kapitel48. Kapitel49. Kapitel50. Kapitel51. Kapitel52. Kapitel53. Kapitel54. Kapitel55. Kapitel56. Kapitel57. Kapitel58. Kapitel59. Kapitel60. KapitelLeseprobe1. Kapitel2. Kapitel

Teil 1:Everlasting Love Matchmaking-Agentur

1.Kapitel

Liebe Lila,

ich schreibe Dir im Namen der Matchmaking-Agentur Everlasting Love.

Du hast sicher noch nie von uns gehört, wir sind eine Organisation, die hinter den Kulissen der Gesellschaft arbeitet und für jeden den perfekten Partner findet.

Normalerweise kontaktieren wir unsere Klienten nicht. Wir bevorzugen es, im Geheimen zu arbeiten – das ideale Umfeld zu schaffen, damit die Matches einander zufällig begegnen.

Doch vor kurzem haben wir Deine Daten durch das System laufen lassen und … nun ja … in Deinem Fall …

Du solltest wohl besser persönlich bei uns vorbeikommen.

Bitte melde Dich schnellstmöglich.

Mit größter Dringlichkeit

Everlasting Love – Matchmaking-Agentur

Everlasting Love – Matchmaking-Agentur steht in eleganter Schrift über der verglasten Ladenfront. An der Türklinke hängt ein Schild: Im Moment nehmen wir keine neuen Kunden auf.

»Dieser Verein nimmt nie irgendjemand Neuen auf«, sagt ein vorbeigehendes Mädchen mürrisch zu ihrer Freundin.

Ich ziehe die Stirn kraus, während ich mit einem Stapel Briefe in der Hand zum Firmenschild aufsehe.

Ich kann nicht glauben, dass ich tatsächlich hier bin.

Als ich durch die Tür trete, bimmelt ein Glöckchen. Der Laden ist größer, als er von außen aussieht. Der Boden ist mit glänzend weißen Kacheln gefliest, und stylische neonfarbene Sessel stehen um einen großen Couchtisch herum, auf dem verschiedene Modezeitschriften liegen. Etwas Glitzerndes an der Wand erregt meine Aufmerksamkeit – bei genauerem Hinsehen erkenne ich eine Plakette mit der Aufschrift: Perfekte Matches seit 3000 Jahren. Fassungslos schüttele ich den Kopf.

Am anderen Ende des Raums befindet sich ein hoher, steinerner Empfangstresen. Darüber hängt, mit Draht an der Decke befestigt, ein langer, goldener Pfeil. Eine perfekt herausgeputzte Blondine in einem blütenweißen Anzug schnattert dahinter pausenlos in ihr Headset.

Ich marschiere zu ihr hinüber und werfe den Stapel Briefe auf den Tresen. Überrascht blickt die junge Frau auf. Auf dem Namensschild an der Tasche ihres weißen Blazers steht Crystal.

»Kann ich dich zurückrufen?«, sagt sie in ihr Headset. »Ich muss kurz was erledigen.«

Sie mustert mich von Kopf bis Fuß und grinst herablassend. Plötzlich wird mir bewusst, wie ich in ihren Augen aussehen muss. Sie ist absolut makellos, jedes blonde Haar sitzt genau an der richtigen Stelle, und hier bin ich in meiner Lederjacke, Jeans und ramponierten Sneakers. Ich erhasche einen Blick auf meine dunklen, zerzausten Haare in einer Glastür hinter der Rezeption. Ich bin das genaue Gegenteil von ihr.

»Tut mir leid«, flötet sie, »im Moment nehmen wir keine neuen Kunden auf.«

Sie fingert an ihrem Headset herum, und mich erfasst eine Welle der Wut, als mir klarwird, dass sie ihr Gespräch einfach fortsetzen will.

»Ich bin nicht hier, weil ich Kundin werden will. Ich bin hier, damit ihr verdammt nochmal aufhört, mich zu belästigen.«

Sichtlich verwirrt blickt sie zu mir auf, ihre blauen Augen glänzen, als sei sie in Gedanken ganz woanders. »Wie bitte?«

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und deute mit dem Kopf auf die fünf Briefe, die vor ihr auf dem Tisch liegen.

»Schon den ganzen Sommer bombardiert ihr mich mit Briefen, Textnachrichten und E-Mails«, sage ich. »Ich habe kein Interesse an eurem Service. Ich weiß nicht, woher ihr meine Daten habt, aber ihr müsst mich aus dem Verteiler löschen. Ich habe schon einen Freund, vielen Dank auch.«

Damit drehe ich mich um und marschiere zum Ausgang.

»Moment.«

Ihre Stimme ist leiser und viel nachdrücklicher als zuvor.

Dringlich.

Ich drehe mich auf dem Absatz um.

»Du sagst, du bist von uns kontaktiert worden?«

Ich nicke langsam.

Crystal macht ein finsteres Gesicht. »Nun, das ist äußerst … ungewöhnlich.« Sie nimmt langsam einen der Briefe zur Hand, die ich achtlos auf ihrem Tisch abgeladen habe. »Wir kontaktieren unsere Klienten niemals. Wir sind Liebesagenten. Es verstößt gegen unsere Gesetze – unseren …« Sie schlägt sich erschrocken ihre perfekt manikürte Hand vor den Mund, als hätte sie versehentlich ein Geheimnis ausgeplaudert.

»Datenschutz?«, hake ich nach.

Sie schüttelt nachdrücklich den Kopf, als habe sie schon zu viel gesagt.

Ich zucke die Achseln. »Wie auch immer. Kontaktiert mich einfach nicht noch mal. Okay?«

Ich will mich gerade wieder umdrehen und gehen, als sie plötzlich aufsteht.

»Nein«, ruft sie, ihre Stimme auf einmal merkwürdig schrill. »Bitte!«

Ich starre sie verblüfft an.

Was ist das nur für ein komischer Ort?

Als sei ihr plötzlich klargeworden, wie seltsam ihre Reaktion wirkt, setzt sich die Rezeptionistin langsam wieder hin, und das roboterhafte Lächeln erscheint wieder auf ihrem Gesicht.

»Lass mich nur schnell deinen Namen in der Datenbank nachschauen und herausfinden, was hier vorgefallen ist. Dann können wir dich aus dem System löschen. In Ordnung?«

Ich seufze. »Na schön.«

Erleichterung macht sich auf ihrem Gesicht breit, als ich zur Rezeption zurückkomme.

»Name?«

»Lila Black.«

Ich höre das Klackern ihrer langen Fingernägel auf der Tastatur, als sie meinen Namen eingibt. Sie wartet einen Moment, den Blick starr auf den Monitor gerichtet. Dann zieht sie die Stirn kraus und tippt hastig etwas anderes ein.

Sie beobachtet den Monitor wie gebannt, und plötzlich formt sich ihr Mund zu einem perfekten O. Alle Farbe weicht aus ihrem Gesicht, als die Überraschung ihr roboterhaftes Lächeln verdrängt. Und dahinter verbirgt sich noch etwas anderes.

Angst?

Mit schreckgeweiteten Augen blickt sie zu mir auf. »Lila, wir haben ein großes Problem. Im System steht, dein Match sei …« Sie hält abrupt inne und beißt sich auf die Lippe. »Nein … Ich … Mehr kann ich nicht sagen. Ich denke … Ich denke, einer unserer Agenten sollte dich über die Situation aufklären. Bitte nimm einen Augenblick Platz. Ich schicke sofort jemanden zu dir.«

»Ich muss wirklich –«

Die Rezeptionistin hebt eine Hand, um mich zum Schweigen zu bringen, und drückt einen weißen Knopf an der Gegensprechanlage neben sich. Einen Moment später ertönt eine gedämpfte Männerstimme aus dem kleinen Lautsprecher.

»Was ist los, Crystal?« Er klingt genervt.

»Cal«, flötet sie mit einem aufgesetzten Lächeln auf den Lippen. »Ich muss dich bitten, sofort an die Rezeption zu kommen.«

»Du kennst doch den üblichen Spruch, Crystal«, braust er auf. »Wir nehmen im Moment keine neuen Kunden auf.«

Sie hüstelt verlegen, nimmt schnell den Hörer zur Hand und stellt den Lautsprecher aus.

»Das ist es nicht«, flüstert sie. »Hör zu, du musst wirklich dringend herkommen. Okay?«

Ich höre noch etwas aufgebrachtes Gemurmel am anderen Ende der Leitung, bevor Crystal auflegt. Das roboterhafte Lächeln erscheint wieder. »Einer unserer Agenten wird gleich bei dir sein.«

Ich will gerade protestieren, dass ich nicht mit einem Agenten reden, sondern einfach nicht mehr belästigt werden will, als die Glastür neben der Rezeption aufschwingt und ein junger Mann hereinkommt – Cal, nehme ich an.

Er ist genauso schön wie Crystal, mit ordentlich frisierten blonden Haaren und klaren silbernen Augen. Genau wie sie trägt auch er einen blütenweißen Anzug. Er sieht aus, als wäre er höchstens siebzehn, wie ich. Er ist durchaus attraktiv, wenn man auf so etwas steht – für meinen Geschmack ist er ein bisschen zu geschniegelt.

Sein genervter Blick huscht über Crystal, bevor er sich auf mich richtet. Ich fühle, wie er mich genauso abschätzig in Augenschein nimmt wie die Rezeptionistin bei meiner Ankunft, und winde mich unter seiner kalten Musterung.

»Tut mir leid«, sagt er voller Verachtung, »wir nehmen im Moment keine neuen Kunden auf.«

Er sieht demonstrativ zu Crystal und wendet sich dann mit hochgezogenen Augenbrauen wieder mir zu.

»Ja, das ist mir klar«, sage ich durch zusammengebissene Zähne, »aber ich bin nicht hier, um Kundin zu werden. Ich bin hier, damit ihr mich nicht mehr kontaktiert!«

Cals Gesicht nimmt kurz einen überraschten Ausdruck an, versteinert jedoch sofort wieder. Er wirft dem makellosen blonden Mädchen einen fragenden Blick zu.

»Das musst du sehen, Cal.«

Mit ärgerlich gerunzelter Stirn geht er zum Rezeptionstresen, beugt sich vor und liest, was immer auf dem Computermonitor steht. Dabei verfinstert sich sein Gesicht. Einen Moment sieht er schockiert aus. Dann fasst er sich wieder und sieht mich an.

»Du bist also dieses Mädchen«, sagt er. »Unter all den Mädchen auf der Welt wurdest ausgerechnet du als sein Match ausgewählt. Ich muss zugeben, du bist nicht, was ich erwartet hatte. Komm jetzt bitte mit. Wir haben etwas sehr Wichtiges zu besprechen. Dein Leben könnte in –«

Crystal hustet und wirft ihm einen warnenden Blick zu.

Er seufzt. »Bitte komm mit, Lila. Ich werde dir alles erklären.«

Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und schreitet durch die Glastür hinter dem Tresen.

Ich sehe Crystal an, die mir ermutigend zunickt.

Einen Moment überlege ich, einfach zu gehen.

Aber was soll’s, es ist ja nicht so, als hätte ich was Besseres zu tun …

Mit einem Achselzucken gehe ich zur Tür, öffne sie und trete hindurch.

2.Kapitel

Ich betrete ein Großraumbüro, in dem es enorm hektisch zugeht. Es ist wie der Eingangsbereich größtenteils weiß, mit antik aussehenden schwarzen Säulen, die bis zur hohen Decke reichen. Die linke Wand fällt mir sofort ins Auge, dort hängt eine riesige Collage von Gesichtern, Namen und Orten, die mit rosafarbenen Schnüren verbunden sind. An der hinteren Wand erhebt sich ein Torbogen, und dahinter steht eine verwitterte Statue von einer Frau in einer Toga.

Leute in weißen Anzügen eilen hin und her und sprechen in ihre Headsets. Hier drinnen sieht es eher aus wie an der Börse als bei einem Dating-Portal. Ich komme nicht umhin zu bemerken, dass alle umwerfend attraktiv sind. Muss man gut aussehen, um hier zu arbeiten, oder was?

Cal schreitet zwischen den anderen Agenten hindurch und sieht über die Schulter zu mir zurück. Ich folge ihm einen Gang zwischen den Reihen von Computern entlang und weiche den Leuten aus, die um mich herumwuseln.

An den Wänden hängen Monitore. Top Ten Geächtete, blitzt auf einem von ihnen auf. Aus irgendeinem Grund erregt eins der Bilder meine Aufmerksamkeit, doch bevor ich es richtig erkennen kann, wird der Monitor schwarz.

Cal hat inzwischen die Tür zu einem Büro mit Glaswänden erreicht. Er öffnet sie und bedeutet mir hineinzugehen.

»Setz dich, Lila«, sagt er in unverändert kaltem Ton.

Ich werfe ihm einen bösen Blick zu, als ich an ihm vorbeigehe, und setze mich auf den altmodischen roten Sessel, der vor dem Schreibtisch steht.

Cal schließt die Tür, nimmt einen schwarzen Umschlag aus einem Aktenschrank an der Wand und setzt sich mir gegenüber. Er seufzt schwer, wodurch er viel älter wirkt, als ich ihn auf den ersten Blick geschätzt habe. Genau genommen lässt ihn sein gesamtes Auftreten erwachsener erscheinen.

»Du bist wirklich nicht, was ich erwartet hatte«, sagt er kopfschüttelnd und öffnet den Umschlag.

»Ja, das sagtest du schon. Erzählst du mir jetzt endlich, warum ich hier bin?«

Cal zieht ein Blatt Papier hervor und sieht es sich genau an, bevor er sich wieder mir zuwendet.

»Wir haben kürzlich deine Daten durch unser System laufen lassen«, sagt er, »und du bist das Match für jemanden, von dem wir … von dem wir nicht dachten, dass er je ein Match haben würde.«

Ich schüttele entrüstet den Kopf. »Warum habt ihr meine Daten durch euer System laufen lassen? Warum habt ihr meine Daten überhaupt?«

Cal lächelt kühl. »Wir haben die Daten von jedem, aber das ist nicht das Problem.«

Ich funkele ihn wütend an. »Na, und was ist dann das Problem?«

Er wirft mir einen eisigen Blick zu. Dann seufzt er erneut. »Das ist eine schwierige Situation für uns – ich riskiere, unsere … Gesetze zu brechen, wenn ich dir sage, was ich dir sagen muss.«

»Was? Datingclub-Gesetze?«

Cal ignoriert die Bemerkung und atmet tief durch, als müsse er sich auf etwas Schwieriges vorbereiten.

»Wir sind Cupids … Liebesagenten«, sagt er schließlich und fährt sich mit der Hand durch seine perfekten blonden Haare. »Wir bringen Leute zusammen. Das tun wir schon seit vielen Jahrhunderten. Aber wir versuchen uns niemals selbst an der Liebe. Das ist zu gefährlich.«

Er hält einen Moment inne. Ich starre ihn völlig entgeistert an.

»Vor vielen Jahren ist einer der Unseren vom Weg abgekommen. Er hat sich in menschliche Angelegenheiten eingemischt, mit menschlichen Herzen gespielt. Er war besessen von menschlichen Frauen und sorgte dafür, dass sie auch besessen von ihm waren. Er wurde sehr gefährlich. Seine Macht wuchs, seine Ideologie wurde immer extremer. Deshalb haben wir ihn schließlich aus unserer Organisation verbannt. Ihn aus der Matchmaking-Agentur ausgeschlossen. Für immer.«

Ich starre ihn weiter an. »Soll das ein Witz sein?«

Cal schüttelt langsam den Kopf. »Leider nicht, Lila.«

Ich entscheide, fürs Erste mitzuspielen. »Und was hat das alles mit mir zu tun?«

Cal atmet noch einmal tief durch und blickt mir eindringlich in die Augen. »Vor kurzem, zum ersten Mal in der Geschichte der Agentur, wurde ein Match für ihn gefunden«, sagt er mit einem ungläubigen Kopfschütteln. »Er sollte nicht einmal im System sein. Es wäre zu gefährlich, ihn mit seiner Seelenverwandten zusammenzubringen. Und wenn er es herausfindet …«

Cal unterbricht sich kurz, wendet den Blick aber keine Sekunde von mir ab. »Lila, er wird alles tun, um zu bekommen, was er will. Er ist das Original. Der Mächtigste von uns. Er ist … Cupid selbst. Im Volksmund auch Amor genannt.«

Seine Augen werden schmal. »Und sein Match … bist du.«

Einen Moment sagen wir beide kein Wort. Dann pruste ich los, ich kann mir einfach nicht helfen. Cal starrt mich mit undurchschaubarer Miene an, bis ich fertig bin.

»Also, mein Match ist … Amor?«, sage ich ungläubig. »Amor?! Der kleine Kerl mit Flügeln und Pfeil und Bogen?«

Kurz frage ich mich, ob ich für irgendeine Realityshow zum Narren gehalten werde. Ich spähe durch die Glaswand des Büros und erwarte fast, eine Kameracrew zu sehen. Doch ich sehe nur eine Flut von weißen Anzügen und die Steinstatue hinter dem Torbogen.

Cal legt das Blatt Papier, das er aus dem Aktenschrank geholt hat, auf den Tisch und schiebt es mir zu.

»Nein«, sagt er. »Das ist Cupid.«

Ich nehme das glänzende Fotopapier, und meine Augen werden groß. Mit diesem Typen wollen die mich verkuppeln?

Ich halte ein schwarzweißes Porträt von einem jungen Mann in der Hand. Er hat helle, zerzauste Haare, und seine durchdringenden Augen scheinen das Papier zu durchbohren. Ich habe das Gefühl, als würde er mich direkt ansehen. Im ersten Moment denke ich, er könnte so alt sein wie Cal, aber etwas an seinem Aussehen lässt ihn erwachsener wirken; sein Kinn ist kräftiger, seine Schultern breiter. Seine Lippen sind jedoch zu einem verschmitzten Grinsen verzogen, und dieser jungenhafte Charme mildert die Schroffheit etwas.

Es lässt sich nicht leugnen, dass er attraktiv ist – er könnte Model sein. Während ich das Bild betrachte, erfasst mich eine Woge seltsamer Vertrautheit.

»Das ist Cupid?«

Wo habe ich ihn schon mal gesehen?

Ich blicke zu Cal auf, der enttäuscht aussieht. Er starrt mich auf beunruhigende Weise an.

»Deine Pupillen haben sich geweitet«, stellt er fest. »Du findest ihn anziehend.«

»Das ist eine ziemlich merkwürdige Aussage.«

Verwirrung macht sich auf seinem Gesicht breit, als würde er den Leuten ständig von ihren erweiterten Pupillen erzählen.

Ich werfe das Foto zurück auf den Tisch und sehe ihm fest in die Augen. »Ich habe einen Freund. Das habe ich doch schon gesagt.«

Cal seufzt entnervt. »Ja, aber dein Freund ist nicht dein Seelenverwandter. Sein Match ist …«

Er unterbricht sich, und ich taxiere ihn mit stechendem Blick, plötzlich wütend.

Was soll das heißen, mein Freund ist nicht mein Seelenverwandter?

»… jemand anderes«, fährt Cal fort, ohne auf meinen bösen Blick zu achten. »Dein Seelenverwandter ist Cupid.«

Ich sehe mir das Foto noch einmal an. Und da wird mir auf einmal klar, woher ich sein Gesicht kenne.

»Dieses Bild habe ich auf dem Monitor da draußen gesehen, unter den Top Ten Geächteten.« Was auch immer das heißen mag.

Cal nickt grimmig. »Platz eins, der Schlimmste von allen.«

Ich schüttele fassungslos den Kopf.

Wo bin ich hier nur gelandet?

»Du glaubst mir nicht«, sagt Cal und reibt sich nachdenklich das Kinn. »Du glaubst nichts, was ich dir sage.« Er starrt mich einen Moment wortlos an. »Aber das musst du. Wenn du es nicht tust, sind wir alle … Ich meine, dann bist du …«, korrigiert er sich hastig, »in Gefahr. Er wird Jagd auf dich machen. Und wenn er dich findet …«

Plötzlich schaltet er seinen Computermonitor mit einem langen, schlanken Finger an. Seine Hände erinnern an die eines Musikers. Er tippt eilig etwas ein, und nach einem Moment der Stille nimmt sein Gesicht einen zufriedenen Ausdruck an.

»Ich möchte dir etwas zeigen – etwas, was dich dazu bringen wird, an die Matchmaking-Agentur und Cupid … nun … an das alles zu glauben.«

Er nimmt ein Blatt Papier und kritzelt ein paar Zahlen darauf. Dann steht er abrupt auf, seine kühlen Augen glitzern triumphierend.

»Komm mit, Lila. Das willst du dir nicht entgehen lassen.«

3.Kapitel

Ich verdrehe die Augen und rappele mich widerwillig auf. Cal ist schon durch die Tür und steuert auf den steinernen Torbogen am anderen Ende des Großraumbüros zu. Als ich ihm nacheile, werde ich um ein Haar von einem atemberaubend schönen braunhaarigen Mädchen mit einem Headset umgerannt.

Ich hole Cal genau in dem Moment ein, als er den Torbogen erreicht, und wir betreten gemeinsam einen kreisförmig angelegten Innenhof. In der Mitte steht die Statue, die mir vorhin schon aufgefallen ist, auf einem Podest, von dem aus sie einen mit Stein umfassten Teich überblickt. Das Wasser ist so klar und still, dass es den Sommerhimmel, der durch die Dachluke hereinscheint, perfekt widerspiegelt. Efeu klettert an den hohen Steinwänden empor und windet sich um drei weitere Torbogen, von denen Korridore weiter ins Innere des Gebäudes führen.

Der Hof riecht alt und süß, wie Blumen in einem Museum. Ein wunderschöner, ruhiger Ort – das genaue Gegenteil von dem geschäftigen Büro, das wir gerade hinter uns gelassen haben.

Cal hält einen Moment inne und wirft der Statue einen Blick zu, den ich nicht recht deuten kann, dann marschiert er zügig zu einem der Torbogen auf der anderen Seite. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber er scheint so viel Abstand zwischen sich und die steinerne Frau bringen zu wollen wie möglich.

Ich bleibe einen Moment stehen, um sie mir anzusehen.

Die Statue ist offensichtlich uralt, ihr Gesicht verwittert und ihr Körper mit Rissen übersät. Mich überkommt eine Welle vager Vertrautheit, als ich sie ansehe, aber alle erkennbaren Gesichtszüge sind dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Ich frage mich, ob ich die Statue schon einmal in einem Geschichtsbuch oder einer Ausstellung oder so gesehen habe. Sie sieht aus, als könnte sie eine antike Göttin sein, aber ich bin mir nicht sicher, welche. Letztes Jahr habe ich im Geschichtsunterricht nicht sonderlich gut aufgepasst – und, wenn ich ehrlich bin, auch sonst nie.

Während ich sie anstarre, beschleicht mich ein ungutes Gefühl – es kommt mir fast so vor, als würde sie mich beobachten, und ich schaudere unwillkürlich.

Mein Blick wandert zu dem Podest hinunter, auf dem sie steht, und da fällt mir auf, dass dort etwas eingraviert ist. Es sieht aus wie eine Liste, doch der Stein ist verwittert, und ich kann nur eine einzige Zeile ausmachen: Kein Cupid darf je die Bindung mit einem Match eingehen.

»Miss Black«, ermahnt Cal mich mit schneidender Stimme, »ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«

Ich unterdrücke ein Grinsen und sehe ihn so ernst wie möglich an. »Ja, ein Liebesagent zu sein ist bestimmt viel Arbeit.«

Er bedenkt mich nur mit einem kalten Blick und verschwindet durch den von Efeu umrahmten Torbogen. »Ich hätte wissen müssen, dass sein Match kein Benehmen hat«, höre ich ihn murren.

Hinter dem Torbogen erstreckt sich ein langer Gang, der viel moderner wirkt als der steinerne Innenhof und von den Farben her stark an das Großraumbüro erinnert: weißer Boden mit einem Muster aus tiefschwarzen Wirbeln an den Wänden. Er ist von künstlichen Kerzen schwach beleuchtet und auf beiden Seiten von Türen gesäumt. Cal geht zu der Tür am hinteren Ende, seine Schritte hallen auf dem Linoleum laut wider. Ich eile ihm nach, und zusammen gehen wir hindurch.

Ich blinzle ein paarmal, während sich meine Augen langsam an die neue Umgebung gewöhnen.

Wir befinden uns in einem riesigen dunklen Raum. Künstliches Licht dringt hier und da durch die Finsternis und sammelt sich zu Inseln von Weiß auf den schwarzen Fliesen. Ein gigantischer Bildschirm, umgeben von unzähligen kleineren Monitoren, nimmt beinahe die gesamte hintere Wand ein. Auf jedem ist eine Vielzahl unterschiedlicher Leute zu sehen, die ihrem Tagesgeschäft nachgehen – einen Kaffee in einer Espressobar trinken, im Park ein Eis essen, im Supermarkt an der Kasse anstehen, einige liegen sogar schlafend im Bett. Der gesamte Raum riecht nach warmer Elektrizität.

Cal geht zu einem schwarzen Kontrollpult in der Mitte des Raums. Es ist riesig, und darauf kann ich einen Joystick, eine Tastatur und eine Unmenge roter und bernsteinfarbener Knöpfe erkennen. Er betätigt einen Schalter, und die Bildschirme werden schwarz.

»Was ist das für ein Ort? Wer sind all diese Leute? Wissen sie, dass ihr sie beobachtet? Ich dachte, das hier ist eine Dating-Agentur, nicht die verdammte CIA …«

Cal beachtet mich gar nicht. Er tippt etwas ein, und in der Mitte des zentralen Monitors erscheint eine Seriennummer.

Ich ziehe irritiert die Stirn kraus und stelle mich an den Schreibtisch hinter ihm. »Hey. Du hast meine Fragen nicht beantwortet.«

»Wir sind keine Dating-Agentur. Wir sind Cupids. Liebesagenten. Wie oft muss ich dir das noch sagen?«

Endlich sieht er mich an – im Dunkeln haben seine Augen einen silbernen Glanz.

»Ich sollte dir nichts davon erzählen, aber wenn du darauf bestehst: Unsere Kunden zu überwachen ist oft notwendig, um Seelenverwandte zusammenzubringen. Wir benutzen hochentwickelte statistische Algorithmen, um sicherzustellen, dass unsere Kunden zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Aber leider können Statistiken menschliches Verhalten nicht immer vorhersagen. Manchmal müssen wir eigenhändig eingreifen.«

Ich starre ihn einen Moment sprachlos an. »Ich … äh … Hä?«

»Jetzt«, sagt er und wendet sich wieder dem Bildschirm zu, »werde ich dir etwas Schockierendes zeigen. Etwas, worauf du vielleicht nicht vorbereitet bist. Aber ich habe keine andere Wahl.«

Cal drückt auf Enter, und eine Momentaufnahme erscheint in Schwarzweiß auf dem großen Monitor. Ein weiterer Knopfdruck, und das Bild zoomt eine Person in der Menge heran. Ich ziehe scharf die Luft ein, mein Herz macht einen Satz. Meine Haut fühlt sich gleichzeitig zu warm und zu kalt an, als eine Flut von Gefühlen auf mich einstürzt.

Leuchtende Augen, Grübchen in den Wangen, ein herzhaftes Lachen – dieses Gesicht würde ich überall wiedererkennen.

Meine Mutter.

Aber wie ist das möglich?

Meine Mutter ist vor zwei Jahren gestorben.

Cal drückt erneut auf einen Knopf, und das Bild auf dem großen zentralen Monitor friert ein.

Ich kann die Frau in der Mitte des Bildschirms nur ungläubig anstarren. Es ist meine Mutter. Daran besteht kein Zweifel, auch wenn sie bei genauerer Betrachtung jünger aussieht, als sie es bei ihrem Tod war – etwa neunzehn, würde ich schätzen.

Ich werfe Cal einen wütenden Blick zu. »Was ist das?!«

Meine Augen brennen. Plötzlich finde ich das Ganze überhaupt nicht mehr lustig.

Das ist meine Familie.

Cal wendet sich wieder mir zu. Seine kalten Augen werden einen kurzen Moment etwas sanfter, dann versteinert sein Gesicht wieder. »Mein Beileid zu deinem Verlust.«

Ich antworte nicht, sondern sehe wieder zu dem Bild von meiner Mutter.

Das angehaltene Video zeigt sie wunderschön und sorgenfrei, mit langen rötlich blonden Haaren und fröhlich glitzernden grünen Augen. Es stammt aus einer Zeit vor der Diagnose, vor den unzähligen Kämpfen, die sie austragen musste, bevor ihr die Haare ausfielen und das Leuchten aus ihren Augen verschwand. Bevor ich geboren wurde, bevor ich sie liebte, bevor sie für immer fort war.

Auf einmal habe ich einen dicken Kloß im Hals.

»Weißt du, wie deine Eltern sich kennengelernt haben?«, fragt Cal.

Ich sage nichts, starre ihn nur weiter grimmig an.

»Bitte«, sagt er, »beantworte die Frage.«

Ein Teil von mir will einfach gehen.

Ein anderer Teil von mir will ihn packen und gegen die Wand schmettern. Ich will, dass er zumindest einen Bruchteil des Schmerzes zu spüren bekommt, den er mir gerade zugefügt hat. Ich fühle die unbändige Wut in mir aufsteigen, die ich verzweifelt zu unterdrücken versuche, seit sie uns allein gelassen hat.

Aber ich kann diese Videoaufnahme von meiner Mutter nicht einfach ignorieren.

Ich muss sie sehen.

Ich schlucke die Wut hinunter, beruhige meine angespannten Nerven. Und nicke. »In einem Bowlingcenter hat der Mann an der Theke ihre Schuhe vertauscht.«

Cal drückt einen weiteren Knopf auf dem Kontrollpult. Die Kamera zoomt wieder heraus, und die Aufnahme wird abgespielt.

Ich blinzle überrascht.

Auf dem Bildschirm erscheint tatsächlich ein Bowlingcenter. Ich sehe, wie meine Mutter anmutig zur Theke geht, ihre Bowlingschuhe auszieht und sie auf dem Tresen ablegt.

Ein Angestellter in gestreifter Uniform und einer Baseballkappe, auf der Castle Ten Pin Bowling steht, nimmt sie entgegen und tauscht sie gegen ein Paar Schuhe aus einem der Fächer hinter ihm aus. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, als er ein Paar Herrenschuhe auf den Tresen stellt.

Mein Herz setzt einen Schlag aus, mein Ärger mit einem Mal verflogen.

Ist das ein Video von der ersten Begegnung meiner Eltern?!

Meine Mutter sieht einen Moment verwirrt aus, dann wirft sie den Kopf in den Nacken und lacht. Ein Stück seitlich von ihr an einer anderen Theke hält ein leicht verdattert aussehender Mann mit dunklen Haaren und dunklen Augen ein Paar Stöckelschuhe in den Händen.

Das ist mein Vater mit neunzehn.

Er geht auf meine Mutter zu. Das Video ist stumm geschaltet, so dass ich nicht hören kann, was sie sagen, aber ich weiß, dass mein Vater gerade einen seiner schlechten Witze erzählt. Meine Mutter strahlt übers ganze Gesicht, wie sie es immer getan hat, wenn Dad versuchte, witzig zu sein.

Sie tauschen die Schuhe.

Cal hält das Video erneut an.

Ich sehe ihn mit kläglichem Blick an, weil ich nicht will, dass es schon zu Ende ist.

»Woher habt ihr das?«, frage ich. »Warum zeigst du mir das?«

Wortlos geht er zurück zum Kontrollpult und bewegt den Joystick nach links.

Das Video wird zurückgespult. Er drückt den Joystick nach vorne, und das Bild zoomt näher an den Angestellten heran. Er beugt sich über die Fächer, und ich sehe zu meiner Verwunderung, wie er die Schuhe vertauscht. Ich beuge mich vor, um besser sehen zu können.

»Hat er das absichtlich gemacht?«

Cal spult vor, und ich sehe zu, wie sich meine Eltern im Schnelldurchlauf begegnen. Dann pausiert er das Video wieder und zoomt erneut näher an den Angestellten heran. Mein Magen krampft sich zusammen, und ich taumele einen Schritt zurück.

Er hat den Kopf gehoben und beobachtet meine Eltern, so dass ich unter seine Baseballkappe sehen kann.

Dieses Video muss vor dreißig Jahren aufgenommen worden sein, aber er sieht ganz genauso aus wie jetzt – etwa siebzehn, stechende Augen, blonde Haare, glatte Haut.

Es ist Cal.

4.Kapitel

Fünf Minuten später sind wir wieder in Cals Büro. Keiner von uns hat auch nur ein Wort gesagt. Ich sitze auf dem roten Sessel, die Hände so fest ineinander verschränkt, dass meine Knöchel weiß hervortreten.

»Du hast meine Eltern zusammengebracht«, sage ich nach einer Weile.

Cal betrachtet mich einen Moment mit undurchschaubarem Blick, dann nickt er. »Du bist aufgebracht.«

Ich zucke die Achseln. Ich weiß nicht wirklich, wie ich mich fühlen soll.

»Tee?«

Ich sehe überrascht auf, als er plötzlich aufsteht und in die Ecke des Zimmers geht. Er hantiert mit einem alten Plastikwasserkocher auf dem Schrank herum. Als es klickt, gießt er das heiße Wasser in eine gesprungene Tasse und bringt sie mir. Der beste feste Freund der Welt steht darauf.

»Wer hat dir die geschenkt?«, frage ich, als ich sie entgegennehme. »Ich dachte, Liebesagenten dürfen sich nicht verlieben. Du hast sie dir doch nicht selbst gekauft, oder?«

Cal sieht einen Moment verlegen aus, dann schüttelt er den Kopf. »Das ist eine lange Geschichte.«

Ich setze die Tasse an die Lippen, der warme Tee riecht süß wie der Kräutergarten meiner Großmutter im Sommer.

»Kamille und Lavendel«, sagt Cal. »Das beruhigt die Nerven.«

Ich trinke einen kleinen Schluck und fühle mich dadurch tatsächlich ein bisschen besser.

»Glaubst du mir jetzt?«, fragt Cal und mustert mich mit seinen stechenden silbernen Augen.

Ich stelle die Tasse auf dem Tisch neben dem Foto von Cupid ab und zucke die Achseln. »Mal angenommen, ich glaube dir, und das Video, das du mir gerade gezeigt hast, ist echt … Was hat das zu bedeuten?«

Ich werfe einen Blick auf das Foto des auf raue, schroffe Art schönen Mannes. Cupid.

»Selbst wenn es stimmt, dass dieses total böse Wesen von paranormaler Abstammung mein Seelenverwandter ist … Ich bin nicht an ihm interessiert. Ich habe einen Freund. Sein Name ist James, wir sind schon fast ein Jahr zusammen. Und selbst wenn ich Interesse hätte – ich habe keine Ahnung, wer er ist. Ich habe ihn noch nie getroffen. Er könnte sonst wo sein. Wie wahrscheinlich ist es schon, dass wir uns je über den Weg laufen?«

Cal lehnt sich zurück und reibt sich sichtlich betreten den Nacken. »Ja«, sagt er. »Genau da liegt das Problem.«

Ich sehe ihn fragend an.

»Unter normalen Umständen … hätten wir deine Daten aus dem System gelöscht, um sicherzustellen, dass er nie davon erfährt. Und wir hätten dafür gesorgt, dass er dir fernbleibt.« Cal hält inne, kratzt sich am Kopf und mustert mich einen Moment schweigend. Er sieht aus, als wüsste er nicht recht, was er sagen soll. »Ich kann dir versichern, dass wir die Situation schon etwas … verbessert haben, indem wir so viele Informationen über dich wie möglich entfernt haben. Aber leider ist uns vorher ein kleiner … Verwaltungsfehler … unterlaufen.«

Ich starre ihn verständnislos an. »Verwaltungsfehler?«

Cal rückt unruhig auf seinem Schreibtischstuhl hin und her. »Die Bindung wurde bereits in die Wege geleitet.«

Ich ziehe die Stirn kraus, und er ringt nervös die Hände.

»Auf welche Highschool gehst du?«

»Forever Falls High.«

Cal nickt und seufzt schwer. »Ja, das dachte ich mir«, sagt er. »Cupid ab morgen auch.«

5.Kapitel

Ich bin früh dran.

Morgens gibt es ein von Schülern organisiertes Frühstücksbüfett, also trotte ich durch den leeren, von Spinden gesäumten Korridor zur Cafeteria. Der Geruch von verbranntem Toast und Orangensaft strömt mir in die Nase, als ich hineingehe. Ein paar vereinzelte Schüler sitzen an verschiedenen Tischen, aber es ist noch nicht viel los. Niemand will am ersten Schultag nach den Ferien zu früh kommen.

Ich nehme mir eine Scheibe pappigen Toast vom Tresen und verdrücke sie auf einem Platz gegenüber der Küche. Der Gedanke, dass Cupid an meine Schule kommen wird, macht mich seltsam nervös, obwohl ich nicht ganz sicher bin, ob ich das glaube.

Ich habe schon einen Freund, erinnere ich mich. Also was kümmert es mich, ob er wirklich hier anfängt?

Nachdem mir Cal von dem »Verwaltungsfehler« erzählt hatte, brachte er mich zurück zur Rezeption und versicherte mir, er würde die Situation im Auge behalten – was auch immer das heißen soll. Unwillkürlich muss ich an den Raum voller Monitore denken und werfe einen argwöhnischen Blick auf die Kamera in der Ecke der Cafeteria. Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen.

»Cal«, flüstere ich leise, »wenn du mich beobachtest … hör sofort auf.«

Mit einem tiefen Seufzen lehne ich mich auf meinem Stuhl zurück. Jetzt führe ich schon Selbstgespräche … Ich werde eindeutig verrückt.

Plötzlich fliegen die Türen der Cafeteria mit einem lauten Krachen auf und zerreißen die Stille. Ich drehe mich erschrocken um. Dann breitet sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus. Charlie, meine beste Freundin, eilt zwischen den Tischen hindurch auf mich zu, ihre tiefschwarzen Haare wehen völlig zerzaust hinter ihr her.

»Heiß … Ich hab … einen … heißen …«, keucht sie und stützt sich auf die Knie, während sie versucht, wieder zu Atem zu kommen. Mit erhobenem Zeigefinger bedeutet sie mir, einen Moment zu warten.

»Heißer … Typ … fängt … heute … an«, bringt sie schließlich hervor und lässt sich auf den Stuhl vor mir sinken. »Ich … hab ihn … an der Redaktion der Schülerzeitung … vorbeikommen sehen.«

Sie sieht sehr zufrieden mit sich aus, weil sie diese wichtige Information weitergegeben hat. Mir wird flau im Magen.

Cupid. Wen sollte sie sonst meinen?

Ich setze ein Lächeln auf. »Und du bist den ganzen Weg hergerannt, nur um mir das zu sagen?«

Sie will ihre Geschichte gerade weitererzählen, als ihre braunen Augen plötzlich groß werden. »Es sind sogar zwei neue heiße Typen.«

Irritiert blicke ich mich um. Welchen zweiten Typen meint sie? Mein Magen krampft sich erneut zusammen. Was macht er denn hier?

Er hat seinen blütenweißen Anzug gegen Jeans und ein kariertes Hemd eingetauscht, seine blonden Haare sind leicht zerzaust, und sein Gang ist weniger steif. Er wirkt jünger und deutlich entspannter. Trotzdem erkenne ich ihn sofort wieder.

Cal.

Mit offenem Mund starre ich ihn an, als er sich einen Weg durch die Cafeteria bahnt. Ich rechne fest damit, dass er zu mir kommt und mich anspricht, doch er geht vorbei, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Charlie plappert munter vor sich hin, aber ich kann mich nicht konzentrieren. Ich sehe über ihren Kopf zu, wie sich Cal einen Plastikbecher nimmt und ihn mit Orangensaft aus der Karaffe an der Seite des Büfetts füllt.

»… überstanden? Lila? Hallooo?«, sagt Charlie und wedelt mit einer Hand vor meinem Gesicht herum.

Ich reiße meinen Blick von dem Liebesagenten los und wende mich wieder ihr zu. »Hm?«

Sie zieht die Augenbrauen hoch. »Was ist los mit dir? Ich hab gesagt: Wie hast du die letzte Ferienwoche ohne meine wundervolle Gesellschaft überstanden? Hast du was gefunden, um dir die schrecklich langweilige, Charlie-lose Zeit zu vertreiben, während ich auf Journalismus-Freizeit war?«

Ich grinse gedankenverloren und schüttele den Kopf. »Du würdest mir nicht glauben, wenn ich es dir erzähle. Warte mal kurz.«

Ich stehe auf – lasse Charlie völlig verblüfft zurück – und gehe zu Cal hinüber, der sich gerade Butter auf eine geschwärzte Scheibe Toast schmiert.

»Was machst du denn hier?«, frage ich leise.

Cal blickt nicht auf. »Es ist besser, wenn man dich nicht mit mir reden sieht.«

»Das wäre leichter, wenn du nicht hier an meiner Highschool wärst! Was machst du hier?«

Cal beißt in seinen Toast und sieht mich sichtlich verwirrt an. »Ich bin hier, um die Situation im Auge zu behalten. Das habe ich dir doch gestern gesagt.«

»Ja, aber du hast nicht gesagt, dass du an meine Schule kommst!«

Cal blickt zur Küche, offenbar fest entschlossen, mich nicht zu lange am Stück anzusehen. »Wenn Cupid kommt, wirst du meine Hilfe brauchen.«

Mir entfährt ein entnervtes Stöhnen. »Ich habe keinerlei Interesse an diesem Cupid, das hab ich dir doch gesagt!«

Cal mustert mich grimmig durch seine dunklen Wimpern. »Ja, das hast du«, sagt er abfällig, »aber glaub mir, wenn er herausfindet, dass du sein Match bist, wird er sehr großes Interesse an dir haben, und deswegen habe ich einen Plan, um seine Aufmerksamkeit so lange wie möglich von dir abzulenken. Und dazu gehört auch, dass du nicht mit mir sprichst.«

Ich starre ihn an und atme tief durch, schlucke meinen wachsenden Ärger hinunter. »Also gut. Aber bevor wir getrennte Wege gehen, kannst du mir bitte sagen, was genau du planst?«

Cal lächelt kühl und neigt den Kopf zur Seite. »Ich werde mich mit einer anderen Schülerin anfreunden, damit Cupid denkt, ich wäre hergeschickt worden, um sie vor ihm zu beschützen.«

Er beißt in seinen Toast, während ich innerlich stöhne.

»Okay, aber nehmen wir mal an, dein unglaublich gut durchdachter Plan geht auf … wenn Cupid wirklich so gefährlich ist, wie du sagst, wälzt du die Gefahr dann nicht nur auf eine meiner Mitschülerinnen ab?«

Cals kantiges Gesicht nimmt einen Ausdruck an, den ich nicht deuten kann. Er sieht aus, als verberge er etwas vor mir.

»So läuft das nicht. Du bist seine Seelenverwandte. Nur du bist in Gefahr, sonst niemand.«

Ich sehe ihn einen Moment schweigend an. Was er da sagt, ergibt nicht wirklich Sinn, aber ich bin zu genervt, um weiter nachzuhaken.

Ich seufze. »Weiß Cupid überhaupt, dass du für die Matchmaking-Agentur arbeitest? Wenn er das nicht tut, ist diese ganze Scharade doch völlig zwecklos.«

Ein dunkler Schatten legt sich über Cals Gesicht. »Oh, Cupid und ich haben eine lange Geschichte. Er weiß, wer ich bin.«

Bevor ich noch etwas sagen kann, reicht er mir einen gefalteten Zettel, dreht sich um und geht. Auf dem Weg nach draußen wirft er den halb gegessenen Toast in den Mülleimer.

Ich fühle Charlies neugierigen Blick auf mir, als ich den Zettel auseinanderfalte und lese.

Triff mich nach der Schule in der Turnhalle. Wenn du seinem Charme widerstehen willst, brauchst du dringend Training in der Kunst der Liebesagenten. Komm nicht zu spät. Cal

Ich stöhne erneut innerlich. Ich wollte doch nur ein neues Schuljahr ohne Drama. Stattdessen habe ich jetzt einen nervtötenden Angestellten einer mysteriösen Matchmaking-Agentur am Hals. Und einen Seelenverwandten. Und noch dazu … Training in der Kunst der Liebesagenten?

6.Kapitel

Als es klingelt, gehen Charlie und ich den Korridor hinunter zu unserer ersten Unterrichtsstunde.

»Also«, sagt sie auf dem Weg, »verrätst du mir, was es damit auf sich hatte? Kennst du den Typen?«

Ich zucke die Achseln und spüre Cals kryptische Nachricht durch die Tasche meiner Jeans an meinem Bein reiben.

Werde ich mich nach der Schule wirklich mit ihm treffen? Was soll das überhaupt heißen – Training in der Kunst der Liebesagenten?

»Nicht direkt.«

Ich will ihr nicht von meinem Besuch bei der Agentur erzählen. Charlie liebt Beziehungsdramen. Sie wird unerträglich werden, wenn sie denkt, mein Seelenverwandter wäre jemand anderes als James. Ganz besonders, wenn er so heiß ist, dass sie quer durch die Schule rennt, um mir von ihm zu erzählen.

Sie zieht erwartungsvoll die Augenbrauen hoch.

»Schönes Kleid«, sage ich und setze ein unschuldiges Lächeln auf.

Das Kleid steht ihr wirklich gut, auch wenn ich eigentlich nur das Thema wechseln will. Es ist pastellrosa, was ihre dunkle Haut zur Geltung bringt. Sie verdreht die Augen, aber ich kann sehen, dass sie sich über das Kompliment freut. Sie hat das Kleid bestimmt extra für den ersten Schultag gekauft.

»Wechsel nicht das Thema, Missy! Du hast doch nicht … mit ihm rumgemacht, oder?« Sie sieht mich streng an, aber ihre Augen funkeln vor Aufregung.

Ich muss lachen. Mit Cal rummachen? Nie im Leben!

Als wir uns dem Klassenzimmer nähern, sehe ich James durch die Tür.

»Lass erst mal gut sein, ich will nicht, dass James einen falschen Eindruck kriegt.«

Charlie mustert mich skeptisch, gibt sich aber mit einem Achselzucken geschlagen, als James uns zuwinkt.

»Okay. Aber dieses Gespräch ist noch nicht beendet!«

Er deutet auf die beiden freien Tische hinter ihm, und Charlie und ich bahnen uns einen Weg zu ihm hinüber. Ich lächle ihn an. James mag nicht modelartig gut aussehen wie Cal, aber er ist definitiv attraktiv: ein Stück größer als ich, athletisch und braungebrannt. Er steht auf, als ich auf ihn zukomme, und drückt mir einen Kuss auf die Lippen, die Arme um meine Taille geschlungen. Er ist warm und riecht nach Aftershave, und ich genieße seine Nähe einen Moment, bevor ich mich an meinen Tisch setze.

»Du hast mich gestern Abend nicht angerufen«, sagt er. »Ich hatte gehofft, wir könnten mal wieder nach L.A. fahren und vielleicht surfen gehen?«

Plötzlich klingen Cals Worte in mir nach: Dein Freund ist nicht dein Seelenverwandter. Ich runzele die Stirn und schüttele den Gedanken ab.

»Sorry, mir ist was dazwischengekommen. Aber Surfen klingt gut, auch wenn du unglaublich schlecht darin bist.«

Er grinst und wendet sich dann ab, um mit einem seiner Freunde weiterzuquatschen.

Charlie beugt sich zu mir und deutet auf Cal. »Oh, dein Lover steht auf Chloe.«

»Psst«, fauche ich sie an, folge aber ihrem Blick. Cal ist in ein Gespräch mit einem Mädchen aus dem Hockeyteam vertieft. Anscheinend führt er seinen genialen Plan aus, Cupid von mir abzulenken. Der Anblick versetzt mir einen Stich.

Ich erinnere mich an Cals erste Einschätzung von mir – seine Überraschung, dass ausgerechnet ich Cupids Match sein könnte, und sein kühles, abweisendes Verhalten. Er war von Anfang an nur unfreundlich zu mir, aber jetzt lacht er munter mit einer meiner Mitschülerinnen. Anscheinend hat sie im Gegensatz zu mir das Zeug zur Seelenverwandten.

Ich reiße den Blick von den beiden los, unsicher, warum mich Cals Benehmen stört. Ich will ja gar nicht für Cupids Match gehalten werden – nicht von Cupid, nicht von Cal, von überhaupt niemandem.

Reiß dich zusammen, Lila.

Ich starre gedankenverloren zur Tür, als die sich plötzlich öffnet. Mir stockt der Atem. Um mich herum wird einen Moment alles still.

Er trägt eine schwarze Lederjacke über einem grauen Baumwollshirt, das sich hauteng an seinen Waschbrettbauch schmiegt. Kelly, ein Mädchen aus meiner Klasse, hat sich besitzergreifend bei ihm untergehakt und lacht hysterisch über irgendetwas, das er gesagt hat. Er ist groß und breitschultrig, mit zerzausten Ich-bin-gerade-erst-aufgestanden-Haaren. Seine funkelnden blaugrünen Augen erinnern mich an den Ozean.

Das Schwarzweißfoto ist seiner Schönheit nicht ansatzweise gerecht geworden.

Die ganze Klasse starrt ihn an, aber sein Blick richtet sich direkt auf mich. Ein gefährliches Lächeln umspielt seine Lippen, und mir wird flau im Magen. Ich glaube, ich stecke in Schwierigkeiten. Seine Augen scheinen direkt in mich hineinzublicken, und ich bin in diesem Moment gefangen.

Doch dann wandert sein Blick weiter und fällt auf Cal. Ich sehe Wiedererkennen in seinen Augen aufblitzen, überrascht scheint er nicht zu sein.

Cals Gesicht kann ich nicht sehen, aber seine Schultern spannen sich an. Seine Haltung ist sogar noch steifer als bei unserer ersten Begegnung. Cupid schmunzelt und lässt seinen Blick zu Chloe wandern. Er grinst schelmisch und nickt Cal unauffällig zu. Kelly hängt immer noch an seinem Arm.

Ich atme langsam aus – mir war nicht einmal bewusst, dass ich die Luft angehalten habe. Ist Cals Plan aufgegangen? Denkt er, Chloe wäre sein Match?

Charlie beugt sich über meinen Tisch. »Ich hab dir doch gesagt, dass er heiß ist! Ich hab gehört, er wäre von seiner alten Schule geflogen. Er ist mitten im Sommer nach Forever Falls gezogen und hat schon mit der Hälfte unseres Jahrgangs was am Laufen.«

»Klingt wie ein Arschloch.«

Charlie nickt und seufzt. »Ein heißes Arschloch«, stimmt sie zu.

Cupid lässt sich auf einen Platz ganz vorne fallen, und Kelly stolziert davon und setzt sich zu ihren Freundinnen. Mein Blick wird wie magnetisch von ihm angezogen. Ich weiß nicht, ob das daher kommt, dass mich Cals wilde Geschichten neugierig gemacht haben, oder dass er so verdammt gut aussieht, oder ob es mehr ist als das.

Ich habe einen Freund, erinnere ich mich erneut und reiße den Blick von ihm los. Und Cupid ist nicht mein Seelenverwandter, weil es so etwas gar nicht gibt. Das Ganze ist vollkommen lächerlich.

Ich hole ein Notizheft heraus, als Ms Green hereinkommt. Sie mustert die Klasse über ihre Brillengläser hinweg. »Guten Morgen. Ah, schön, unsere Neuzugänge sind schon da. Das ist Cal« – sie deutet auf ihn – »und … tut mir leid, ich weiß deinen Namen noch nicht.«

Mein angeblicher Seelenverwandter steht auf und dreht sich zu uns um. Er ist atemberaubend groß, Ms Green sieht im Vergleich winzig aus. Mein Blick wandert über seine Bauchmuskeln, die sich unter seinem Baumwollshirt deutlich abzeichnen.

»Cupid«, sagt er grinsend und winkt seinen neuen Klassenkameraden kurz zu, bevor er sich wieder setzt. Er lehnt sich lässig auf seinem Stuhl zurück.

Ein paar Leute lachen, und ich höre James flüstern: »Meint dieser Typ das ernst? Ein Liebesgott?«

Ms Green sieht einen Moment verlegen aus, ihre Wangen laufen hochrot an. »Ähm … nun … äh, Cupid«, stammelt sie, bevor sie die Fassung wiedererlangt. »Nun, ich hoffe, ihr heißt die beiden nett willkommen.«

Sie geht zur Tafel und schreibt Klassik und antike Geschichte an. »In diesem Semester werden wir die Antike behandeln – die Götter und Göttinnen, die Kriege, die Kunst und die Menschen. Lassen wir uns doch zu Anfang von unserem Freund Cupid hier inspirieren.« Sie lächelt ihn strahlend an und fährt dann fort: »Kann mir jemand den Namen der römischen Göttin der Liebe nennen?«

Charlie beugt sich erneut zu mir herüber. »Sie ist total in ihn verschossen.«

Ich verdrehe die Augen. »Igitt.«

»Ich fasse es nicht, dass er sich Cupid nennt«, fährt sie fort. »Ich hab gehört, den Spitznamen hat ihm sein Ruf bei den Ladys eingebracht.«

Ich hebe eine Augenbraue, um Interesse vorzutäuschen. Wenn sie nur die Wahrheit wüsste …

Nun, zumindest die Wahrheit laut Cal. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich ihm glaube.

»Du hast gesagt, er wäre von seiner alten Schule geflogen?« Ich frage mich, ob das nur sein Alibi ist. Bestimmt. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass Cupid unter normalen Umständen zur Schule gehen würde. Charlie will gerade antworten, als Ms Green sich auf ihre typische Art räuspert.

Ich blicke auf und sehe, dass sie uns missbilligend anstarrt.

»Ich wollte darum bitten, dass sich jemand freiwillig als Mentor für unsere Neuzugänge meldet, um sicherzustellen, dass sie sich auf dem Campus zurechtfinden und alles haben, was sie brauchen. Aber da ihr zwei heute so gesprächig seid, brauche ich das vielleicht gar nicht.«

Mir fällt erneut auf, wie sich Cals Schultern versteifen.

»Ihr beide könnt das übernehmen. Charlie, du kümmerst dich um Cal«, sagt sie und wendet sich dann mir zu.

Cupid hat sich umgedreht und beugt sich über die Rückenlehne seines Stuhls. Er sieht mir wieder direkt in die Augen, im Gesicht einen amüsierten Ausdruck. Ich ziehe scharf die Luft ein. Ich weiß schon, was Ms Green sagen wird.

»Lila, dein Partner ist Cupid.«

7.Kapitel

Die Schulglocke läutet zur nächsten Unterrichtsstunde. Charlie scheint ihr neuer Job als Mentorin nicht sonderlich zu stören. Sie ist schon zu Cal hinübergesaust, der mir die ganze Stunde über böse Blicke zugeworfen hat. Jetzt sieht er gelangweilt aus, während meine Freundin versucht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

Ich packe schnell meine Sachen zusammen – vielleicht kann ich mich unbemerkt davonstehlen, ohne mich mit Cupid auseinandersetzen zu müssen.

»Wir sehen uns in der Mittagspause«, flüstere ich James zu und setze meinen Rucksack auf.

»Du willst den ›Liebesgott‹ wohl nicht in der Schule rumführen?«

»Du kennst mich zu gut.« Ich grinse ihm zu, bevor ich zur Tür schleiche.

Ich bahne mir eilig einen Weg zwischen meinen Mitschülern hindurch und versuche, der Aufmerksamkeit unserer Lehrerin zu entgehen. Endlich erreiche ich den Ausgang und werfe einen raschen Blick zurück. Wieder verschlägt es mir vor Schreck den Atem. Cupid, der immer noch lässig an seinem Platz sitzt, beobachtet mich mit eindringlichem Blick, einen amüsierten Ausdruck im Gesicht.

Ich erwidere seinen Blick, zucke demonstrativ die Achseln und setze meine beste Unschuldsmiene auf. Er grinst schelmisch, bleckt seine strahlend weißen Zähne, und dann, als ich gerade rückwärts aus dem Klassenzimmer fliehen will, hustet er laut.

Ms Green blickt ruckartig von ihrem Schreibtisch auf. »Lila«, sagt sie streng, »wo willst du hin? Du sollst Cupid doch zu seiner nächsten Unterrichtsstunde bringen. Englisch, glaube ich.«

Damit macht sie sich wieder an die Arbeit, und Cupid macht ein zufriedenes Gesicht. Ich sehe, wie Cal grimmig die Stirn runzelt.

»Ist schon in Ordnung«, sagt er und wirft Cupid einen strengen Blick zu. »Ich bin sicher, wir beide finden uns auch allein zurecht.«

Cupid sieht Cal überrascht an, dann wendet er sich wieder mir zu. Sein Grinsen wird noch breiter. »Mach, was du willst. Ich denke, ich lasse mir lieber von Lila den Weg zeigen.«

Er hat einen amerikanischen Akzent mit einem leichten britischen Einschlag, der mich vermuten lässt, dass er eine Zeitlang in England gelebt hat. Er sagt meinen Namen, als würde er das Gefühl auf seiner Zunge genießen, und das macht mich nervös. Es fühlt sich zu vertraut, zu persönlich an. Seine blaugrünen Augen funkeln.

Ich seufze, als mir Cal einen warnenden Blick zuwirft.

»Na, dann komm«, sage ich und gehe aus dem Klassenzimmer. Ich blicke nicht zurück, um zu sehen, ob er mir folgt, aber ich weiß, dass er es tut.

»Also, Lila«, sagt er, als wir auf den Gang hinaustreten.

Er hält einen Moment inne, und ich bleibe stehen, um ihn direkt ansehen zu können.

Er hat etwas beinahe Engelhaftes an sich. Das grelle Licht im Korridor, in dem alle anderen sehr unvorteilhaft aussehen, streicht sanft über die Kanten seines Gesichts und lässt seine Haut erstrahlen. Er riecht nach Sommer, wie Grasflecken und Honig und ein angenehm blumiger Weichspüler. Ich spüre Hitze von seinem Körper ausstrahlen, so dicht steht er vor mir.

Und es ist berauschend. Ich habe den heftigen Drang, ihm näherzukommen, alles an ihm begierig aufzusaugen, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren, obwohl ich weiß, dass ich das nicht tun sollte. Ich kann fühlen, wie er mich beobachtet, wie sich sein Blick geradewegs in meine Seele bohrt.

Unwillkürlich muss ich daran denken, was Cal in der Agentur zu mir gesagt hat. Er hat sich in menschliche Angelegenheiten eingemischt, mit menschlichen Herzen gespielt. Er war besessen von menschlichen Frauen und hat dafür gesorgt, dass sie auch besessen von ihm waren. Ich schaudere.

»Deine Lehrerin scheint zu denken, du solltest mir alles geben, was ich brauche«, sagt Cupid mit einem anzüglichen Grinsen.

Ich stehe da wie angewurzelt und fühle mich wie eine Fliege, die in einem Spinnennetz gefangen ist. Was zur Hölle ist nur los mit mir?

Ich bleibe noch einen Moment länger wie erstarrt vor ihm stehen, während er mich mit schelmischem Blick mustert. Dann blinzle ich, reiße mich mühsam zusammen und marschiere den Korridor hinunter.

»Sicher. Solange du zum Englischunterricht kommen willst, ohne mir auf die Nerven zu gehen.«

Cupid zuckt die Achseln und schließt zu mir auf. Er schreitet zügig aus, und ich muss einen Zahn zulegen, um mit ihm mitzuhalten.

»Das könnte ich wohl«, sagt er, sichtlich amüsiert. »Hast du jetzt auch Englisch?«

Wortlos führe ich ihn zu einer Tür, die auf einen kleinen Innenhof hinausgeht. Ich schüttele den Kopf, weil ich dieses Gespräch nicht wirklich fortsetzen will.

»In Geschichte hast du die ganze Zeit nur mit deiner Freundin getuschelt«, fährt er fort. »Legenden sind nicht so dein Ding, oder?«

Die Herbstsonne taucht die Picknickbänke im Hof und die kleine Grasfläche in sanftes Licht, und ich spüre, wie mich ihre Wärme ausfüllt.

»Nein«, sage ich und blicke ihm ins Gesicht, »nicht wirklich. Ich hab’s nicht mehr so mit Märchen. Ich mag Fakten und Logik. Keine Geschichten über die Vergangenheit.«

Er grinst erneut. »Ich finde, du solltest Sagen eine Chance geben. Womöglich ist mehr an ihnen dran, als du denkst.« Er sieht mir einen Moment länger in die Augen, als mir lieb ist.

»Das bezweifle ich.«

Wir nähern uns der Tür am anderen Ende des Hofes.

»Der andere Neue …«, setzt Cupid an und bleibt einen Moment stehen. »Er schien nicht zu wollen, dass wir Mentoren zugeteilt bekommen. Ich frage mich, warum …«

Er wirft mir einen verschlagenen Blick zu, und ich frage mich, ob Cal ihm versehentlich schon verraten hat, dass ich sein Match bin. Das wäre doch eine herrliche Ironie, wenn Cupid gerade dadurch auf mich aufmerksam werden würde, dass Cal hier ist. Ich wusste, dass das ein dummer Plan war.

Meine Hand legt sich wie von selbst auf meine Jeanstasche, in der die Nachricht von Cal steckt. Ich zucke betont gleichgültig die Achseln. »Ist mir nicht aufgefallen.«

Ich blicke zu ihm auf. Ihm gegenüber fühle ich mich winzig – ich reiche ihm gerade mal an die Schulter.

»Kennst du den anderen Neuen?«, frage ich – vielleicht kann ich ihn ja mit seinen eigenen Waffen schlagen. »Kam mir so vor.«

Cupid grinst, schweigt sich aber aus, während ich die Tür zurück in die Schule öffne. Wir durchqueren einen Korridor, der ganz genauso aussieht wie der letzte, mit Spinden gesäumt und viel zu grell. Ein paar Schüler sehen zu uns herüber, als wir an ihnen vorbeikommen. Einige der Mädchen werfen Cupid alles andere als unauffällige Blicke zu, was er alles andere als unauffällig zur Kenntnis nimmt.

»Das Mädchen, mit dem er geredet hat«, sagt er, ohne auf meine Frage einzugehen, »wie heißt sie?«

»Chloe.«

Ein nachdenklicher Ausdruck tritt in seine dunklen Augen. »Chloe. Ich sollte sie wohl ein bisschen besser kennenlernen.«

Wir bleiben vor seinem Klassenzimmer stehen, und er sieht mich prüfend an, als warte er auf meine Reaktion. Die wird er nicht kriegen.

Ich lächle ihn an. »Klingt, als hättest du schon ziemlich viele Mädchen aus meinem Jahrgang kennengelernt.«

Er lacht, ein tiefes, klangvolles Lachen, das ihm noch mehr bewundernde Blicke einbringt. »Was soll ich sagen? Ich bin eben ein freundlicher Typ.«

Er öffnet seine Lederjacke, so dass ich freie Sicht auf seine kaum verhüllte Brust habe, und zieht einen Zettel aus einer Innentasche. »Hast du einen Stift?«

»Du hast in der Schule keinen Stift dabei?«

Seine Augen glitzern. »Ich bin nicht hier, um Wissen zu erwerben. Ich bin auf etwas sehr viel Interessanteres aus …«

Die Art, wie er das sagt, lässt mein Herz schneller schlagen; einen Moment bin ich mir sicher, dass er es hören kann.

Er ist meinetwegen hier.

Dann reiße ich mich zusammen, schwinge meinen Rucksack nach vorne und hole einen Stift aus der Seitentasche. »Hier.«

Seine Finger streifen meine, als er ihn mir abnimmt, und mir wird ganz anders. Im Ernst, was ist nur los mit mir? Warum hat er eine solche Wirkung auf mich?

Zu meiner Überraschung wirkt auch er einen Moment verblüfft. Er starrt auf die Hand, mit der er mich berührt hat.

Er hat auch etwas gespürt.

»Glaubst du an Seelenverwandtschaft, Lila?«, fragt er unvermittelt. Das Grinsen ist spurlos aus seinem Gesicht verschwunden. Seine Augen leuchten hell, aber dahinter sehe ich einen Sturm toben.

Er versucht, aus mir schlau zu werden – er will herausfinden, ob ich das Mädchen bin, hinter dem er her ist. Sein Match.

Ich halte seinem Blick stand.

»Nein. Das Leben ist kein Märchen. Liebe beruht auf Freundschaft, Vertrauen und viel Arbeit. Sie ist keine magische Kraft.«

Ich denke an meine Eltern; meinen Dad, der sich in Erinnerungen verloren hat, und meine Mom, die diese Welt verlassen hat.

»Und sie nimmt nicht immer ein gutes Ende.«

Ich sehe etwas in seinen Augen aufblitzen; etwas, das ich nicht deuten kann. Sein Gesichtsausdruck ist ernst, wachsam. Doch im nächsten Moment kehrt das Grinsen zurück.

»Dem Mädchen, das keine Märchen mag, ist Logik lieber als Magie. Schockierend«, sagt er mit neckisch funkelnden Augen. »Hast du eine harte Trennung hinter dir?«

Ich verdrehe innerlich die Augen.

Er denkt, er hat mich durchschaut, aber da irrt er sich gewaltig.

»Ich bin in einer sehr glücklichen Beziehung, vielen Dank auch.«

»Natürlich …«

Cupid hält meinen Blick noch einen Moment fest, ein Lächeln auf den Lippen, das mich rasend wütend macht, dann kritzelt er etwas auf den Zettel und reicht ihn mir. Ich sehe mir an, was er geschrieben hat.

»Was ist das?«

»Meine Adresse.«

Er grinst, als ich ihn verständnislos anstarre.

»Meine Mutter ist … verreist, und ich gebe eine Party. Du solltest kommen. Und deine Freundin auch.«