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Streben wir nicht alle danach, uns selbst zu verwirklichen und die ureigene Berufung zu leben? Doch was wir auch tun oder erreichen – Sinn, Erfolg und wahre Erfüllung bleiben oftmals aus. Wir fühlen uns gefangen in einem Leben, das uns nicht wirklich entspricht.
Lebensnah und praktisch zeigt Suneel Gupta, wie wir unser Dharma – unseren kreativen Wesenskern – finden und den mächtigen Funken der Begeisterung neu in uns entfachen. Mit Guptas klaren Anleitungen und kraftvollen Übungen durchbrechen wir blockierende Muster, erschließen überraschende Horizonte und erkennen, was für uns im Leben wirklich zählt.
Eine einzigartige Verbindung von westlicher Psychologie und östlicher Weisheit – für alle, die endlich das leben wollen, wofür sie geboren wurden und wofür sie tief im Herzen brennen!
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Seitenzahl: 260
Veröffentlichungsjahr: 2025
Streben wir nicht alle danach, uns selbst zu verwirklichen und die ureigene Berufung zu leben? Doch was wir auch tun oder erreichen – Sinn, Erfolg und wahre Erfüllung bleiben oftmals aus. Wir fühlen uns gefangen in einem Leben, das uns nicht wirklich entspricht.Lebensnah und praktisch zeigt Suneel Gupta, wie wir unseren Dharma – unseren kreativen Wesenskern – finden und den mächtigen Funken der Begeisterung neu in uns entfachen. Mit Guptas klaren Anleitungen und kraftvollen Übungen durchbrechen wir blockierende Muster, erschließen überraschende Horizonte und erkennen, was für uns im Leben wirklich zählt.Eine einzigartige Verbindung von westlicher Psychologie und östlicher Weisheit – für alle, die endlich das leben wollen, wofür sie geboren wurden und wofür sie tief im Herzen brennen!
Suneel Gupta begann seine Karriere als Redenschreiber im Weißen Haus. Heute ist er renommierter Redner, Gastwissenschaftler an der Harvard Medical School und Mitbegründer des Gross National Happiness Center. Bevor Suneel Gupta seinen Dharma wiederfand, erlebte er selbst, was es heißt, beruflich festzustecken und nicht in der eigenen Mitte zu leben. Diese Erfahrungen haben sein Leben verändert, und er widmet seine Arbeit der Erforschung und Vermittlung leicht zu integrierender Gewohnheiten, die die persönliche Leistung steigern und das Wohlbefinden und die Freude an dem, was wir tun, vertiefen.
SUNEEL GUPTA
Lebe mit Leidenschaft, wofür du brennst
Aus dem Englischen übersetzt von Karin Weingart
WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN
Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel EVERYDAYDHARMA: 8 Essential Practices For Finding Success and Joy in Everything You Do by arrangement with HarperOne, an imprint of HarperCollins Publishers LLC.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Copyright © 2023 by Suneel Gupta
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2025 by Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle Rechte sind vorbehalten.
Redaktion: Beate Schlachter
Umschlaggestaltung: Guter Punkt GmbH & Co. KG, München, unter Verwendung von Motiven von © seamartini/iStock/Getty Images Plus; © Sudowoodo/iStock/Getty Images Plus
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-32465-0V002
www.heyne.de
Dieses Buch ist meinen Ahnen gewidmet … und deinen.
KLEINERHINWEIS
Da die Geschichten in diesem Buch sehr persönlich sind, habe ich zum Schutz der Betreffenden einige Namen und leicht identifizierbare Eigenschaften geändert.
INHALT
AM START
DHARMA
KAPITEL EINSSUKHA
ENTDECKE DEINE ESSENZ
DIE VIER MEISSEL
KAPITEL ZWEIBHAKTI
UNEINGESCHRÄNKTE HINGABE
DHARMA VERSUS PFLICHT
WIE DEINE PFLICHTEN DEINEN DHARMA BEFEUERN KÖNNEN
WIE DEIN DHARMA DICH BEI DEINEN PFLICHTEN BEFEUERN KANN
KAPITEL DREIPRANA
ENERGIE OPTIMAL EINSETZEN
ENERGIE SINNVOLL EINTEILEN
REGELMÄSSIGE ERHOLUNG
DIE SORGENPAUSE
KAPITEL VIERUPEKKHA
DAS GUTE AM UNBEHAGEN
DER RAUM DAZWISCHEN
SEI LIEBER NEUGIERIG ALS WÜTEND
LOCKERE DEINEN GRIFF
KAPITEL FÜNFLILA
DAS GÖTTLICHE SPIEL
WAS DU TUST, IST DIE BELOHNUNG
DIE MENTALITÄT DES MUSIKSPIELENS
KAPITEL SECHSSEVA
VERGISS DICH, UM DICH ZU FINDEN
DER KORPSFÜHRER-INSTINKT
KAPITEL SIEBENTULA
LOSLASSEN UND DIE REGIE ÜBERNEHMEN
DIE MAGIE EINES VERFEHLTEN ZIELS
DIE 85-PROZENT-REGEL
TULSIS VERTRAUEN
KAPITEL ACHTKRIYA
HANDELN MACHT MUT
DIE UMKEHR-OPTION
MINIVERTRÄGE
LEBE DIE FRAGE
UND WIEDER AUF START
DANK
QUELLEN
Siehst du dir deine Lebensgeschichte genauer an, stößt du bestimmt auf den einen Moment, der sich für dich wie der Start anfühlt. Bei mir war es in Neu-Delhi auf der Veranda des Elternhauses meines Vaters.
Ich bin sieben und sitze neben meinem zweiundsiebzigjährigen Großvater. Mein bauji ist beinahe riesig für einen Inder, kahlköpfig und hat eine breite Brust. Zu Hause in Detroit hing ein Porträt von ihm neben der Garderobe im Flur. Darauf lächelte er zwar nicht, sein Blick aber strahlte Wärme und Lebenserfahrung aus. Das Selbstvertrauen eines Menschen, der sich kümmert.
Den letzten Monat über haben Bauji und ich jeden Morgen hier gesessen, er mit den nackten Füßen fest auf dem Boden, während ich die Beine über die Stuhlkante baumeln ließ. So beobachteten wir, wie die Straßen Neu-Delhis allmählich lebendig wurden: Wir sahen die Obstverkäufer, die mit ihren Karren an uns vorbeizogen und lautstark den Preis ihrer Waren verkündeten, sahen die Kühe auf dem Weg zur Weide und hörten das Stottern der Dieselmotoren beim Starten der Rikschas. Erst Jahrzehnte später sah ich mich in der Lage, die Lektionen, die mir Bauji auf dieser Veranda erteilt hatte, richtig zu verarbeiten und zu begreifen. In der Zwischenzeit hatte ich sie ganz vergessen, und erst als ich sie am dringendsten brauchte, sind sie mir wieder eingefallen. An einem Punkt meines Lebens, an dem ich nicht die geringste Ahnung mehr hatte, wer ich eigentlich war. Als ich mich total verloren hatte, frustriert war und wirklich ausgebrannt.
An diesem Morgen in Neu-Delhi spricht große Dringlichkeit aus Baujis Stimme. In wenigen Stunden werden meine Eltern und ich in die Staaten zurückfliegen. Und mein Großvater will mir allem Anschein nach noch eine letzte Lektion mit auf den Weg geben.
Bauji hebt seine große Rechte und deutet auf die indische Nationalflagge, die ein Stück die Straße runter an einem Fahnenmast weht. »Siehst du die Fahne da, Beta, und auch das, was in ihrer Mitte ist?« Er nennt mich jetzt »Sohn« wie meine Eltern.
Mein Blick geht in die Richtung, in die sein Finger zeigt, und fällt auf die Flagge, die safrangelb, weiß und grün sanft im Wind weht. Ihr Mittelpunkt: ein marineblaues Rad.
»Das ist das Ashoka-Chakra«, erklärt Bauji, »das Rad des Dharmas.«
Mit dem Finger zeichnet er einen Kreis in die Luft und fährt dessen Umrisse wieder und wieder nach, mit jeder Runde schneller, bis er selbst kaum mehr nachkommt. Sein anfänglicher Ernst ist beschwingter Verspieltheit gewichen. Ich muss kichern, und er lässt tief aus dem Bauch ein herzhaft lautes Lachen los, das zweifellos meine Cousins im Haus weckt, die noch schlafen.
Mein Großvater nimmt einen langen Schluck von seinem heißen Chai, und ich beobachte den Dampf, der dem Becher entsteigt und die großen Gläser seiner Brille beschlägt. Als er sie ablegt, habe ich den Eindruck, dass sich in seinen Augenwinkeln kleine Tränen bilden.
Vielleicht wusste Bauji in dem Moment ja schon, dass wir uns nie wiedersehen würden.
Er erzählt mir, dass sich das Rad umso schneller drehe, je älter ich werde. Dass die Zeit irgendwann anfange zu rasen und die Jahre nur so an mir vorbeiflögen. Dass jeder Geburtstag ein wenig früher komme als der vorherige. Und dass mich das Leben, während sich das Rad schneller und schneller drehe, immer weiter nach außen schleudern werde, weg von meiner Mitte. Weg von meinem Dharma.
Dann holt Bauji tief Luft … und damit beginnt im Grunde auch die Reise, zu der wir beide, du und ich, jetzt aufbrechen.
»Beta«, sagt er zu mir, und es wird die letzte Lektion sein, die ich je von ihm erhalte, »du musst immer wieder in deine Mitte finden.«
In der siebten Klasse hielt ich das Redenschreiben für meinen Dharma. Ich schrieb für Freunde, Angehörige und Klassenkameraden. Wann immer ein paar nette Worte für Geburtstage, Hochzeiten oder Bar-Mizwas benötigt wurden, war ich zur Stelle. Geld bekam ich für meine Bemühungen nicht, genoss sie aber in vollen Zügen.
Als ich älter wurde, machte ich Praktika und nahm Teilzeitjobs als Redenschreiber für lokale Politgrößen an. Ich zog nach Washington DC und schrieb für Kongressmitglieder und sogar Präsidentschaftskandidaten. Irgendetwas in meinem Inneren wurde von diesem Ghostwriting tief berührt. Jeden Morgen wachte ich voller Energie auf, bereit, den Tag bei den Hörnern zu packen. Auf dieses Gefühl wollte ich nie mehr verzichten, dieser Arbeit mein ganzes Leben widmen.
Jahre später zog es mich jedoch in eine andere Richtung. Gerade hatte Apple das iPhone auf den Markt gebracht, die Social-Media-Unternehmen waren auf dem Vormarsch, und Gründer von Tech-Unternehmen wurden über Nacht zu Milliardären. Plötzlich zogen mehr oder weniger alle meine Freunde ins Silicon Valley, um den Hype bloß nicht zu verpassen.
Ich war hin- und hergerissen: zwischen der Welt, die ich kannte und liebte, und jener anderen, die ich mir auch nicht entgehen lassen wollte.
Der Faszination des Geldes, die vom Silicon Valley ausging, konnte ich mich schließlich nicht länger erwehren. In der Hoffnung, dort als Unternehmer erfolgreich werden zu können, zog ich um. Und beschloss nach einigen Jahren als Angestellter verschiedener Tech-Unternehmen, dass es nun an der Zeit war, mein eigenes zu gründen.
Mein erstes Start-up scheiterte. Genauso das zweite. Beim dritten Anlauf stand dann alles auf dem Spiel: mein Stolz, meine Würde, mein Geld. In den nächsten Jahren zog ich es voll durch, zahlte mir keinen Dollar Gehalt aus, arbeitete aber wie verrückt, viel mehr als je zuvor in meinem Leben.
Es war der totale Stress, und der forderte schließlich seinen Tribut. Ich war nur noch krank, hypernervös und übermüdet. Mit der Zeit fiel mir das Aufstehen morgens immer schwerer. Ich redete mir ein, das alles würde nichts machen, denn sobald sich mein Traum verwirklicht hätte – wenn ich endlich über den Erfolg, gesellschaftlichen Status und Wohlstand verfügen würde, auf den ich aus war –, wäre die Lebensfreude wieder da, und das Gefühl der Leere würde verschwinden.
Und dann war es so weit. RISE, mein Start-up, wurde von einem großen Unternehmen der Gesundheits- und Wellnessbranche erworben. Plötzlich hatte ich Geld. CNBC und das Wall Street Journal berichteten über mich, ich wurde als Redner für Konferenzen gebucht, auf denen ich über den Erfolg von RISE sprach. Ich war total euphorisch.
Doch nur wenige Wochen nach dem Verkauf wurde mir mit einem Mal klar: Die guten Gefühle waren verschwunden. Und ich war keinen Deut glücklicher als zuvor.
Das konnte ich nun aber einfach nicht begreifen. Ich erlebte doch gerade die Zeit meines Lebens. Die, auf die ich die ganzen Jahre so schwer hingearbeitet hatte und die mir jedes Opfer wert gewesen war. Die Zeit, in der doch eigentlich alles gut sein sollte. Stattdessen war die innere Leere, die ich empfand, größer denn je. Irgendetwas in mir schien kaputtgegangen zu sein.
In dieser Situation begann ich, mich wieder auf die Lektionen zu besinnen, die mir Bauji vor so vielen Jahren erteilt hatte. Mit einem Mal saß ich wieder auf seiner Veranda in Neu-Delhi und starrte auf das Dharma-Rad in der Mitte der indischen Nationalflagge. Da erkannte ich, dass es mich nach außen geschleudert hatte. Und so klar, als wäre er neben mir, hörte ich die Stimme meines Großvaters: »Du musst immer wieder in deine Mitte finden.«
Von klein auf werden wir darauf konditioniert, zu glauben, dass wir eines Tages irgendwo »ankommen«. Gute Noten bekommen, einen super Job, gutes Geld verdienen und vollkommene Erfüllung empfinden. Und auch wenn wir älter werden und einsehen, dass das Leben so einfach denn doch nicht ist, reden wir uns noch ein, dass uns der nächste Verkauf, Job, die nächste Beförderung nun aber wirklich glücklich machen wird, ganz bestimmt.
Dieses Phänomen bezeichnet Dr. Tal Ben-Shahar von der Harvard University als Ankunftsfehler (arrival fallacy). Wann immer wir das nächste Ziel erreichen, das uns nun aber wirklich bleibende Freude verspricht, verschiebt sich die Ziellinie wieder weiter vor. Und wenn die Hatz einfach nie aufhört, wir ständig einem Gefühl nachjagen, das sich aber partout nicht einstellen will, ist der Tank irgendwann unweigerlich leer. Wir machen schlapp, brennen aus. Und fragen uns, was das alles für einen Sinn hat.
Wenn uns der äußere Erfolg (Wohlstand, gesellschaftlicher Status, hohes Leistungsniveau) nicht auch innerlich weiterbringt (mehr Freude, Erfüllung, persönliches Wachstum) – was soll das dann alles? Was bringen Ehrgeiz und harte Arbeit, wenn wir uns am Ende doch nicht besser fühlen als vorher?
Vor ein paar Jahren dämmerte mir allmählich, dass ich nicht der Einzige bin, der so denkt. Wo ich auch hinschaute: Die Leute schienen mir alle irgendwie verloren und frustriert. Verloren, weil es offenbar keinen Ort gab, an dem wir je wirklich ankommen konnten, und sich dann letztlich die Frage stellte, warum wir überhaupt auf dem Weg waren. Und frustriert? Weil wir zur Schule gegangen sind, Kredite auf- und Jobs angenommen haben, täglich bei der Arbeit waren, überhaupt alles getan haben, was von uns erwartet wurde – nur um nun feststellen zu müssen, dass wir die Lebensfreude, der wir die ganzen Jahre hinterhergejagt waren, immer noch nicht empfinden.
Also sind viele von uns ausgestiegen. Haben die Anker gelichtet. Innerlich oder auch real gekündigt. Als dieses Phänomen immer weiter um sich griff, war die Rede vom großen Rückzug (Great Resignation). Experten sprachen im Fernsehen von einer Eintagsfliege infolge der Corona-Pandemie. Was sie dabei übersahen: dass sich diese Unzufriedenheit schon lange aufgebaut hatte, lange bevor das Virus unser aller Leben erschütterte.
Bereits 2015 war in einem gemeinsamen Papier der Universitäten von Stanford und Harvard darauf hingewiesen worden, dass arbeitsbedingte chronische Erkrankungen Jahr für Jahr mehr Todesopfer forderten als Diabetes oder Alzheimer. In ihrem 2022 in Kraft getretenen ICD-11 führt die Weltgesundheitsorganisation WHO Burnout unter den »Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen« auf und benannte »chronischen Arbeitsstress« explizit als einzige Ursache der Erkrankung.
Allzu lange haben wir uns auf die Zukunft der Arbeit fixiert und darüber vollkommen die Zukunft des Sinns vernachlässigt. Lebensfreude als Kriterium hielten wir viel zu lange für allzu unsolide, um in der Businesswelt von Bedeutung zu sein. Und allzu lange sind wir davon ausgegangen, dass äußerlicher Erfolg auch mit innerer Erfüllung einhergeht. Obwohl die Geschichte doch wieder und wieder unter Beweis gestellt hat, dass das noch nie der Fall war.
Denn mehr als tausend Jahre vor dem großen Rückzug war es schon einmal zu einem Exodus aus der Arbeitswelt gekommen. Diese Bewegung nannten meine Vorfahren große Entsagung (Great Renunciation).
Stell dir das alte Indien vor, ein goldenes Zeitalter. Alles kam gerade auf: Städte, Handelsbeziehungen, Märkte. Auf neu entstandenen Straßen drängten sich farbenprächtige Wagen, Elefanten schulterten den Warenverkehr zwischen Indien und teils fernen Ländern.
Überall hörte, roch und spürte man den Fortschritt. Aus Hütten wurden Häuser, genähte Kleidung begann, zerschlissene Tücher zu ersetzen, an die Stelle von Lehmböden trat Marmor. Betriebe entstanden. Unternehmer ließen die Armut hinter sich, Arbeiter freuten sich über ihren Lohn.
Es war eine aufregende Zeit, und doch dauerte es nicht lange, bis sich die Folgen der Schinderei bemerkbar machten. Beförderungen führten zu größerer Verantwortung, harte Arbeit zu noch mehr Schufterei. Eltern hatten kaum mehr Zeit für ihre Kinder. Nachbarn wurden einander fremd. In den Gemeinden hielt der Geist des Wettbewerbs Einzug. Emotionale Erschöpfung lag in der Luft.
So entstand in Südasien etwas, was oft als spirituelles Vakuum bezeichnet wird. Die Menschen erreichten mehr als je zuvor, und doch hatten sie im Alltag kein Gefühl größerer Erfüllung als früher.
Überall auf dem Subkontinent kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Die einen zeigten auf die neuen Gebäude und Märkte und sagten: »Seht doch nur, wie weit wir es gebracht haben!« Worauf die anderen entgegneten: »Ja, schon. Aber hat uns das auch glücklicher gemacht?«
Diese Kluft wurde mit der Zeit immer tiefer. Dabei stand das eine Lager für äußerlichen Erfolg, das andere für innere Zufriedenheit. Die einen engagierten sich für mehr Wohlstand und gesellschaftliches Ansehen, die anderen begaben sich auf die Suche nach mehr Sinnhaftigkeit und Lebensfreude. Sie gaben ihre materiellen Besitztümer auf und verließen ihre Arbeit. Auf der Suche nach Ruhe zogen sich viele in die Wälder zurück. Ihr Ziel: die Rückkehr zum einfacheren Leben ihrer Vorfahren.
Mitten in der Natur – und weitab von der Schinderei – konnten sie beliebig meditieren, beten und das Gefühl der Freiheit genießen.
Nach einer Weile wurde den Menschen die freie Zeit jedoch zu viel, und allmählich begann ihnen auch die Außenwelt zu fehlen. Zwar nicht unbedingt der Druck und das Tempo – wohl aber das Gefühl, etwas zu erschaffen, aufzubauen, zu vollbringen. Sie vermissten den Dienst an ihren Kunden und der Gemeinschaft. Vermissten es, eine Aufgabe zu haben, nach erbrachter Leistung abends zufrieden ins Bett zu gehen.
Die Waldbewohner wussten, dass Arbeit leicht in den Burnout führen konnte – die Flucht vor ihr jedoch in die Langeweile. Da stand also ständige Angst gegen Apathie. Und gut fühlten sich beide nicht an.
Also begaben sie sich auf die Suche nach einem Mittelweg; einem, der sie nicht zwang, sich zwischen Ambitionen in der Außenwelt und innerer Ruhe zu entscheiden. Denn sie wollten beides: hochfliegende Träume und ein glückliches, erfülltes Leben.
Das Ergebnis ihrer Suche veränderte alles. In der Außenwelt erreichten die Leute ehrgeizigste Ziele und empfanden zugleich im Inneren nachhaltigere Lebensfreude. Äußerliche Erfolge und innere Zufriedenheit fühlten sich nicht länger wie spirituelle Gegensätze an – sondern als im Kern eng miteinander verbunden.
Das Konzept des Mittleren Weges prägte über viele Generationen das Leben außergewöhnlicher Menschen überall auf dem Planeten. Aus Asien kommend, verbreitete es sich bis in die westliche Welt und überdauerte die Zeiten bis zum heutigen Tag. Und zwar immer unter derselben Bezeichnung: Mittlerer Weg.
Das Sanskrit-Wort Dharma steckt voller Bedeutungen. Gemeinschaften überall auf der Welt, von buddhistischen Klöstern bis hin zu den Burning-Man-Camps, interpretieren den Begriff und setzen ihre eigenen Schwerpunkte. Aber lass uns am besten direkt an die Quelle zurückgehen: die älteste und berühmteste Schrift über den Dharma, das hinduistische Buch vom Leben – die Bhagavad Gita.
Darin heißt es, dass jeder von uns einen Dharma beziehungsweise eine »heilige Pflicht« hat. Aber wem oder was gegenüber? Gegenüber dem Feuer, das in uns brennt. Und das die einen als Lebensaufgabe oder auch Sinn des Lebens bezeichnen – und die anderen als Gabe, als Talent.
Mein Großvater sprach in diesem Zusammenhang immer von Essenz.
Bauji war der Überzeugung, dass wir alle eine Essenz haben, etwas Einzigartiges in uns, das uns vom Universum mitgegeben wurde. Und damit sei mehr gemeint als Talente oder Skills. Da gehe es um Berufung. Um eine innere Notwendigkeit.
Deine Essenz interessiert sich nicht für Macht, Beförderungen oder Besitz. Sie ist nur an einem interessiert: daran, zum Ausdruck gebracht zu werden.
Während die Essenz das ist, was du wirklich bist, steht dieser Selbstausdruck für deine Art, dich in der Welt zu zeigen.
Die Essenz hört nie auf, dich zu rufen, nach dir zu verlangen. Wie du auf diesen Ruf reagierst? Das zeigt dein Selbstausdruck.
Im Thomas-Evangelium steht sinngemäß: Wenn ihr das hervorbringt, was in euch ist, wird euch retten, was ihr habt. Wenn ihr nicht das hervorbringt, was in euch ist, wird euch das, was ihr nicht hervorbringt, töten. Genauso verhält es sich mit deiner Essenz: Sie ist eine Flamme, die entweder die Welt um dich herum erhellt oder ein Loch in deine Seele brennt.
Wir alle haben die Wahl: Selbstausdruck oder innere Leere. Dieser Entscheidung kann niemand entkommen.
Und im Grunde ist die Geschichte ja auch ganz einfach: Wann immer du deine Essenz zum Ausdruck bringst, bist du in deinem Dharma. Wirst auf ganz neue Art und Weise lebendig. Hast großes Selbstvertrauen, bist kreativ und voller Liebe. Du bittest nicht mehr um Erlaubnis, das tun zu dürfen, was du liebst. Und stellst deine Energie, deine Zugewandtheit in den Dienst deiner Mitmenschen.
Dabei badest du in Lebensfreude – und nicht nur, weil du deine Ziele erreichst, sondern vor allem auch aufgrund deines eigenen Handelns.
Als meine innere Flamme verloschen war, begab ich mich auf die Suche nach einem neuen Funken. Ich fing an, mich mit den Lebensgeschichten von Menschen zu befassen, die ihre Essenz wiedergefunden haben. Im Zuge meiner Beschäftigung mit den Prinzipien des Dharmas erkannte ich, wie Viktor Frankl über sie schrieb, wie Dr. Martin Luther King sie predigte, wie Mahatma Gandhi sie lebte. Aber fand sie auch in Hank Aarons Schwung beim Baseball, in den Romanen der Toni Morrison und Jimi Hendrix’ Songs.
Schließlich begab ich mich auch wieder nach Indien, wo meine Vorfahren seinerzeit als Erste ihre Essenz suchten und fanden. Von Baujis alter Veranda aus beobachtete ich am frühen Morgen, wie die Straßen Neu-Delhis zum Leben erwachten. Und dachte über die Lektionen nach, die er mir erteilt hatte. Ich habe sie befolgt, und schließlich haben sie mir geholfen, den Rückweg ins Zentrum des Dharma-Rades zu finden.
In diesem Buch teile ich die acht wichtigsten Praktiken, die ich auf dem Weg entdeckt habe, mit dir. Und ohne die ich heute noch verloren, frustriert und ausgebrannt wäre.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass äußerlicher Erfolg höchst selten zu innerer Zufriedenheit führt. Wendest du dich aber zunächst deiner Innenwelt zu – fängst also an, deine Essenz zum Ausdruck zu bringen –, wird sich über kurz oder lang der Erfolg auch in der Außenwelt einstellen.
Genau das verstanden auch damals jene Menschen in den Wäldern schon: Du musst deine Ambitionen, Träume oder Ziele nicht aufgeben. Brauchst deinen Job nicht zu kündigen, um glücklich zu werden; vielmehr kannst du dein Glück gerade auch in der Arbeit finden.
Ob du dich beruflich verändern, deinem Leben eine andere Richtung geben oder deinen Status Quo stabilisieren möchtest: Mit diesem Buch will ich dir helfen, deine Essenz zu finden und dich ihr Tag für Tag bewusst zu widmen. So bist du frei, dir deine wildesten Träume zu erfüllen, ein Lebenswerk zu erschaffen und dabei ganz viel Freude zu erleben.