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Viele Fachwerkbauten, die Jahrhunderte hindurch Wind und Wetter standgehalten haben, wurden oft erst durch Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen zum Sanierungsfall. Sind historische Fachwerkhäuser und moderner Wohnkomfort überhaupt vereinbar? Wie lassen sich heutige Anforderungen verwirklichen, ohne die historische Bausubstanz zu schädigen?
Wolfgang Lenze erläutert die konstruktiven und bauphysikalischen Besonderheiten eines Fachwerkhauses, nennt die häufigsten Fehler bei der Wartung und Renovierung und gibt konkrete Anleitungen für eine dauerhafte Instandsetzung auf historischer Grundlage. Dabei werden präzise Vorgehensweisen, Konstruktionsmerkmale, Materialien und Rezepturen genannt, die sich an traditionellen Handwerkstechniken orientieren und zugleich Erfahrungen mit neu entwickelten Produkten, z.B. im Dämmstoffbereich, beim Lehmbau, bei Fenster- oder Anstrichsystemen, berücksichtigen. Sämtliche Lösungsvorschläge sind praxiserprobt und gewährleisten eine dauerhafte Bestandsicherung.
Die detaillierte Darstellung geeigneter Materialien und Verfahren für den Fachwerkbau machen dieses Buch zu einem umfassenden Leitfaden für Architekten, Hausbesitzer und Handwerker. Wo Selbsthilfe möglich ist, werden auch dem Laien konkrete und leicht nachvollziehbare Arbeitshilfen gegeben.
Die zehnte Auflage ist um den Beitrag »Verdeckte Schäden erkennen« ergänzt.
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Seitenzahl: 254
Wolfgang Lenze
Fachwerkhäuser
restaurieren – sanieren – modernisieren
Materialien und Verfahren für eine dauerhafte Instandsetzung
10., erweiterte Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
ISBN (Print): 978-3-8167-9601-5
ISBN (E-Book-PDF): 978-3-8167-9602-2
ISBN (E-PUB): 978-3-8167-9688-6
ISBN (MOBI): 978-3-8167-9689-3
10., erweiterte Auflage
Redaktion: Sabine Marquardt
Stylesheet und E-Book-Produktion: Fraunhofer IRB Verlag, Angelika Schmid
6. Nachdruck, Mai 2021
Fotos: Gerda Jucho, Archiv Almuth Platte, Hamm (Abb. 2, 5, 6, 14, 15, 168 und 169), Fa. Haacke + Haacke GmbH & Co. (Abb. 80), Manfred Christ (Titelfoto und Abb. 1), Fa. niceCLEAN (Abb. 167). Alle anderen Fotos und Zeichnungen stammen vom Autor.
Alle Rechte vorbehalten.
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Was verbindet uns heute mit dem Fachwerkhaus?
Fachwerkhäuser haben ihren ganz eigenen Charme – gleichgültig ob sie frisch renoviert oder ob sie alt, schief und scheinbar hinfällig auf bessere Zeiten warten. Sie erinnern uns an Vergangenes, an Besinnliches, an die Wurzeln unseres Wohnens. Unsere Vorfahren lebten größtenteils in solchen Häusern.
Auch heute sind noch viele dieser Häuser erhalten. Nicht selten findet man Fachwerkhäuser aus lange vergangenen Zeiten. Teils sind sie viele hundert Jahre alt. Jedes dieser Häuser ist ein Unikat, einmalig und nicht reproduzierbar. Die Spuren der Jahrhunderte haben es geformt. Jede Generation hat ihnen einen ganz eigenen Stempel aufgedrückt.
Viele von ihnen stehen unter Denkmalschutz, um uns und den nachfolgenden Generationen vom Lebens- und Arbeitsalltag ihrer damaligen Bewohner, von der künstlerischen Kreativität und den handwerklichen Fähigkeiten ihrer Erbauer und vom technischen und industriellen Stand ihrer Zeit erzählen zu können.
Wenn man sich in einen stillen Winkel eines alten Fachwerkhauses setzt und die schiefen Wände, die knorrigen Balken, die abgelaufenen breiten Eichendielen, die abgenutzten Bodenplatten, die überall sichtbaren Gebrauchsspuren oder auch die alten Inschriften über der Deeleneinfahrt auf sich wirken lässt, kann man es vielleicht hören und erleben, das rege Treiben der Menschen und ihrer Tiere in einer weit zurückliegenden Vergangenheit. Es ist wie eine Zeitreise.
Ein Fachwerkhaus lebt mit seiner Geschichte und es wartet auf eine neue Zukunft, mit neuem Verwendungszweck und neuen Bewohnern, in einer neuen Zeit. Dieser müssen wir es so schonend wie möglich anpassen, wenn wir versuchen, den heutigen Ansprüchen gerecht zu werden. Wir haben die Verpflichtung, dieses Kulturerbe zu bewahren, zu pflegen und zu nutzen, ohne ihm seine historische Identität zu nehmen.
Die in diesem Buch vorgestellten Lösungen zur baulichen Verbesserung von Fachwerkhäusern werden in der Regel auch von den Denkmalbehörden akzeptiert, wenn dadurch der denkmalwerte Charakter nicht beeinträchtigt wird. In Ausnahmefällen kann der Denkmalwert einzelner Gebäudeteile so hoch sein, dass andere Lösungen gefunden werden müssen. Eine enge Zusammenarbeit mit der Unteren Denkmalbehörde ist in jedem Fall geboten und kann sehr hilfreich sein.
Der Denkmalpfleger ist der Partner des Denkmaleigentümers. So sollte es zumindest sein.
Nachdem inzwischen auch die bereits zwei Mal nachgedruckte 9. Auflage vergriffen ist, liegt Ihnen hier die um den Beitrag ›Verdeckte Schäden erkennen‹ ergänzte, 10. Auflage vor. Durch meinen ständigen Kontakt zu Architekten, Handwerkern und Hauseigentümern bin ich nach wie vor nah am Geschehen und dokumentiere hier den aktuellen bautechnischen Standard in der Fachwerkhaussanierung.
Hamm, im Oktober 2015
Einführung
Was ist ein Fachwerkhaus?
Zur Geschichte des Fachwerkhauses
Verloren gegangenes Wissen und Nachschulung
Das typische Fachwerkhaus
Schäden und Ursachen
Verdeckte Schäden erkennen
Deutliche Anzeichen von Schäden
1 Die Kellersanierung
Die Bauweise des Kellers
Eindringende Feuchtigkeit
Die Kellerwände
Der Kellerfußboden
Welcher Qualitätsstandard soll bei der Kellersanierung erreicht werden?
Höchster Standard (Wohnraumqualität)
Hoher Standard (Hobbyraumqualität)
Sanierung des Kellerfußbodens
Sanierung der Kellerwände
Vertikalabdichtung der Kelleraußenwände
Behandlung der Kellerinnenwandseiten
Innenwandanstrich des Kellers
Normaler Standard (Lagerraum-Qualität)
Niedriger Standard (Abstellraumqualität)
Verbesserung des Kellerfußbodens
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Verputzen der Wandinnenflächen mit dichten Putzen
Dichte Innenwandanstriche
2 Der Fußbodenaufbau
Erneuerung des Fußbodenaufbaus
Dokumentieren und Konservieren
Erneuerung des Untergrunds
Wärmedämmung und Estrich
Einbau der Oberbodenbeläge
Einbau historischer Bodenbeläge
Der Anschluss von Bodenaufbau und Innenwandfundament
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Schwelle unter OKFF (Fäulnisgefahr)
Aushub tiefer als UK Fundament (Grundbruchgefahr)
Alter Sockel über OKFF (Feuchtegefahr)
Betonplatte auf Sand (Kapillarität bleibt erhalten)
3 Der Fundamentsockel
Feuchtesanierung des Fundaments in Verbindung mit dem Schwellbalken
1. Problem: Fundamente sind nicht frostfrei
2. Problem: Fundamente sind mürbe und brüchig
3. Problem: Wasser saugende Fundamente
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Die Oberkante des Sockels ist uneben
Die Schwelle wird eingeputzt
Die Schwelle liegt mittig auf dem Sockel
Die Schwelle liegt tiefer als OK-Gelände
4 Die Fachwerkkonstruktion
Das Holz – Material und Funktion
Eigenschaften und Eignung
Die Holzfeuchte
Die Fachwerkbalken
Die Funktion der Fachwerkbalken
Balkentypen und ihre Aufgabe
Die Auftragsvergabe
Auswahl des richtigen Zimmereibetriebs
Beurteilung des Kosten- und Arbeitsaufwands
Holzverbindungen für die Sanierung
Riegelaustausch mit dem »falschen« Zapfen
Riegelaustausch mit dem »Jagdzapfen«
Die offene Riegel-Brüstung
Die Längsaufblattung von Schwelle und Rähm
Die Anschluss- und die Ecküberblattung von Schwelle und Rähm
Die Verlängerung von Ständer und Pfosten
Reparaturvorschläge für begrenzte Maßnahmen
Der Zapfenanschluss am Ständer ist offen, die Riegelverbindung ist lose
Die Ständervorderseite weist mehrere tief gehende Faulstellen auf
Ein Ständerunterteil mit dem darunter liegenden Schwellenbereich ist angefault
Übergroße Holznagellöcher
Die Ständerfüße und die gesamte Schwelle einer Wand sind schadhaft
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Mörtel als Holzersatz
Versiegeln von Ritzen und Fugen
Brettvorsätze vor verfaulten Balken
Aufspleißen des Holzes
Überstehende Querhölzer
Stumpfstöße und Montagewinkel
5 Die Ausfachungen
Geeignete Materialien
Lehm
Ziegel
Naturstein
Stakung mit Lehmbewurf
Einbau der Ausfachungen
Ausbau mit Leichtlehmsteinen
Ausbau mit Vollziegelsteinen
Ausbau mit Natursteinen
Ausbau mit Stakung
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Gitter- und Lochsteine
Platten mit Klebemörtel
Harte Klinker
Zementhaltige Ausfüllungen
Volldämmstoffe im Gefach
Außenüberstand der Ausfachung
6 Die Wärmedämmung
Die Außendämmung
Die Innendämmung
Die Leichtlehmdämmung
Die CELLCO-Dämmung
Die Tektalan-Dämmung
Dämmen mit Faserdämmplatten
Dämmung mit Strohleichtlehmsteinen
Die Wandheizung
Allgemeine Hinweise zu den beschriebenen Dämmmethoden
Die Dämmung der Dachbodendecke
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Trockenes Füllgut, Gipskarton und Dampfsperre
Dämmwolle, Gipskarton und Dampfsperre
Hintermauerung mit Dämmung und Luftschicht
Hintermauerung mit Füllgut
7 Die Verputzarbeiten
Zusammensetzung und Zubereitung des Putzes
Putzmaterialien
Bindemittel
Zuschlagstoffe
Der Außenputz
Gefache aus Leichtlehmsteinen oder mit Stakung
Ziegel- und Natursteine
Verputzen balkenbündiger Ausfachungen
Auftragen eines Rappputzes (Schlämmputzes)
Im Randbereich abgeschrägter Putz
Der Innenputz
Das Verputzen der Außenwandinnenseiten
Verputzen reiner Innenwände
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
8 Der Dachstuhl
Die Dachstuhlkonstruktionen
Der Kehlbalkendachstuhl
Der Pfettendachstuhl
Die Dachstuhlsanierung
Schaden am Verbindungsknoten im Fußbereich
Schäden an den Dachdeckenbalken eines Kehlbalkendachstuhls
Verrottete oder abgeschnittene Balkenköpfe der Dachdeckenbalken
Sparren sind stark durchgebogen und in Teilbereichen nicht mehr tragfähig
Die Giebelverbretterung
Der Windfang
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Entfernen der Balkenköpfe
Durchtrennen der Dachdeckenbalken
Dachundichtigkeiten im Traufbereich
Fehlender ›konstruktiver Holzschutz‹ am Windfang
9 Der Dachausbau
Die technische Durchführung
Die Baugenehmigung
Der Brandschutz
Der statische Nachweis
Die Lichtöffnungen
Der Treppenaufstieg
Ausbaulösungen
Das Leichtbauverfahren
Das Lehmbauverfahren
Das Dämmverfahren in zwei Schritten
Die Schalldämmung
Die Hausinstallationen
Der Einbau von Nassräumen
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Dampfsperre statt Dampfbremse
Beschädigung der Dampfbremsfolien
Unvollständig aufgefüllte Wärmedämmung zwischen den Sparren
Zu große Fensterflächen und Gauben
Verzicht auf die Feuchtigkeitssperre des Rohfußbodens in Nassräumen
10 Die Fenster
Historischer Rückblick
Die Verbindung zwischen Gestern und Heute
Die Elemente des historischen Fensters
Hinweise zur Fensterausschreibung
Einbauvarianten
Die Fenstermaterialien
Die Fenstersysteme
Das historische Einfachfenster aufarbeiten
Reparaturmaßnahmen-Katalog
Erläuterungen zum Reparaturmaßnahmen-Katalog
Das Verbundfenster
Das Einfachfenster mit Isolierverglasung
Das Kastenfenster
Das Stockrahmenfenster
Die Verkleidung der äußeren Fensterlaibung
Fenster-Tür-Element für die Deelentoröffnung
Grundsätzliches
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Unpassende Maßnahmen
Schädigende Maßnahmen
11 Maler- und Anstricharbeiten
Die Anstrichmaterialien
Produktsysteme, Eigenschaften und die Verarbeitung geeigneter Materialien
Mineralfarben (Silikatfarben)
Silikonharz-Fassaden- und Wandfarben
Kasein-Wandfarben
Leimfarben
Anwendungshinweise
Mineralfarben
Silikonharzfarben
Kaseinfarbe
Leimfarbe
Anstrich von Fachwerkbalken
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
12 Fliesenbeläge auf Lehmputzuntergrund
Historischer Rückblick
Die Fliesenprodukte
Verlegen der Wandfliesen auf Lehmputzuntergrund
Erforderliche Arbeitsschritte
Was Sie unbedingt vermeiden sollten
Nicht alle Wandflächen verfliesen
Nicht mit Zementmörtel auf Lehmuntergrund
Fliesen nicht direkt auf Holzuntergrund verlegen
13 Das Haus steht unter Denkmalschutz
Denkmalschutz gemäß dem Denkmalschutzgesetz (DSchG)
Die »Untere Denkmalbehörde (UD)«
Die »Obere Denkmalbehörde (OD)«
Die »Oberste Denkmalbehörde«
»Der Landeskonservator« oder auch »Das Landesdenkmalamt«
Schlussbemerkung
Nachwort
Anhang
Adressen, die weiterhelfen
Weiterführende Literatur
Für Fachwerkhäuser hatte ich schon immer eine Vorliebe. An ihnen ist nichts genormt, gerade oder übertrieben exakt. In ihnen steckt das Wissen, die Erfahrung und die Handwerkskunst der Zimmerleute von mehr als 1 000 Jahren. Fachwerkhäuser sind sozusagen die Individualisten unter den Häusern. Sie sind elastisch und äußerst widerstandsfähig. Sie können Jahrhunderte überdauern.
Eine Fachwerkkonstruktion ist ein äußerst stabiles, langlebiges und konsequent errichtetes Holzständerwerk, welches im Wesentlichen durch reine Holzverbindungen zusammengehalten wird. Die Wandfelder (Gefache) sind mit weichen Materialien ausgefüllt, die dem elastischen Holzgefüge angepasst, wetterbeständig, winddicht und hoch atmungsaktiv sind. In der Regel handelt es sich bei den Baumaterialien um organische Stoffe oder um solche organischen Ursprungs. Ein Fachwerkhaus ist also ein wirkliches Ökohaus.
Fachwerkhäuser wurden in nahezu grenzenloser Zahl erbaut, seit mehr als 1 000 Jahren. Die ältesten, die heute noch erhalten sind, stammen aus dem 13. und 14. Jahrhundert.
Zu den Bauten, die als Fachwerkkonstruktionen errichtet wurden, gehören
Burgen und Schlösser,
Rathäuser und prunkvolle, vielgeschossige Patrizierhäuser,
große, prächtige Schulzenhöfe und einfache Pachthöfe,
Scheunen, Remisen und Werkstätten,
Handwerker-, Tagelöhner- und Ackerbürgerhäuser,
Kirchen, Klöster und viele mehr.
Die Fachwerkkonstruktion war für jeden Haustyp geeignet. Sie war solide und langlebig. Fähige Handwerker und die notwendigen Baumaterialien gab es in unseren Regionen überall.
Im Norden Deutschlands wurde vornehmlich Eiche verwendet, in anderen Regionen dagegen seit dem späten Mittelalter häufig auch Nadelholz, dann jedoch mit größeren Balkenquerschnitten. In diesen Fachwerkkonstruktionen wurden Riegelverbindungen mit kurzen Zapfen oft nur gesteckt und nicht durch Holznägel gesichert. Diese Konstruktionen sind durch aufwändige Strebenverbände so versteift, dass auf die Riegelanschlüsse keine Zugkräfte einwirken. Dadurch konnte dort auf Holznagelung verzichtet werden (Abb. 1). Obwohl ich mich in diesem Buch auf Eiche als Fachwerk-Baumaterial beschränke, treffen meine Anregungen bei Nadelholzkonstruktionen in gleicher Weise zu.
Das Fachwerkhaus hat eine lange Geschichte, die in Deutschland und fast allen anderen Ländern des nördlichen Europas vermutlich bis ins 5. und 6. Jh. n. Chr. zurückgeht. Kleine Pfahl- und Pfostenhäuser mit Weidengeflecht und Lehmbewurf waren seine Vorgänger.
Die Entwicklung schritt schnell voran. Bereits im frühen Mittelalter entstanden mehrgeschossige Fachwerkbauten. Neben den massiven Bruchsteinburgen der Bischöfe, Fürsten und Ritter war das Fachwerkhaus die übliche und am weitesten verbreitete Hausform.
Zu seiner höchsten Blüte gelangte der Fachwerkbau im 13. Jh. Sie währte bis ins 16. Jh. hinein. Überall entstanden kunstvoll verzierte Patrizierhäuser mit profilierten und mit feinem Schnitzwerk überzogenen Balken, mit wunderbaren Flecht- und Schmuckfachwerken. Häuser, die mitunter 7 bis 8 Stockwerke hoch waren. Eine Blütezeit erlebten auch der Handel und das Handwerk. – Es war die Zeit der Hanse. Damals wurde auch mit dem Bau der großen Kathedralen begonnen, wie z.B. mit dem Kölner Dom.
Foto: Manfred ChristAbb. 1: Die Fachwerkfassaden prachtvoller Bürgerhäuser prägen auch heute noch das Stadtbild vieler historischer Innenstädte.
Mit Beginn des 30-jährigen Krieges, im Jahre 1618, war diese Epoche endgültig vorbei. Nach diesem Krieg, in den fast ganz Nordeuropa verwickelt war, begann eine zögerliche Aufbauphase. Die Fachwerkkonstruktionen wurden einfacher und sachlicher. Man baute mit geringeren Balkenquerschnitten. Die Ständer, Pfosten und Riegel lagen weiter auseinander, Verzierungen gab es nur wenige. Man musste sparen, vor allem beim Bauholz.
Im 18. und 19. Jh. wurden die Balkenquerschnitte weiter reduziert. Die Konstruktionen blieben dennoch stabil und dauerhaft. Die meisten der bis heute erhaltenen Fachwerkbauten stammen aus dieser Zeit. Erst zum Ende des 19. Jh. und mit dem beginnenden 20. Jh. wurde auch in Norddeutschland neben der Eiche, dem eigentlichen Fachwerk-Baumaterial, Nadelholz mit sehr geringen Balkenquerschnitten verwendet. Zuerst nur für die Innenwände, bald aber auch für die Außenwände.
Die Zeit der Fachwerkkonstruktionen war um 1925 im Großen und Ganzen zu Ende. Eiche war zu teuer, die späten Nadelholzkonstruktionen nicht dauerhaft genug. Andere Bauweisen wurden bevorzugt. Sie waren preiswerter, stabiler und boten mehr Wohnqualität.
Die Kunst der Zimmerleute, eine hochwertige Fachwerkkonstruktion zu entwerfen und zu errichten, ging nach und nach verloren. Nicht zuletzt auch wegen der zunehmenden Flut von immer neuen Bauvorschriften, in denen für das Fachwerkhaus kein Platz mehr war.
Die alte Tradition des Zimmererhandwerks, das seine Konstruktionen ausschließlich mit reinen Holzverbindungen fertigte, geriet mit den letzten alten Zimmerleuten in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jh. endgültig in Vergessenheit. In den 70er- und 80er-Jahren erkannte man diesen Verlust.
Auf Anregung der Landesdenkmalämter, aber auch aufgrund von Eigeninitiative organisierten Fachinstitute, Handwerksverbände und Akademien Schulungen für Ingenieure, Architekten, Meister, Handwerker und interessierte Laien.
Das verschüttete Wissen von den alten Handwerkstechniken, über Verfahren und Materialien für den richtigen Umgang mit dem historischen Kulturerbe sollte wieder belebt werden. Denn welcher Architekt oder Ingenieur wusste, wie ein Fachwerkhaus sach- und fachgerecht zu sanieren und zu modernisieren war? Welcher Zimmermann kannte noch die alten Holzverbindungen? Welcher Maurer konnte noch einen Bogen, geschweige denn ein Kreuzgewölbe mauern? Welcher Stuckateur konnte noch Schablonen fertigen, Stuckprofile ziehen und anbringen? Welcher Maler konnte noch Deckenornamente und Wandfriese anfertigen, vergolden und Schriften malen? Welcher Steinmetz konnte noch eine einfache Vierung einpassen oder gar eine Kreuzblume anfertigen? So wurden also interessierte Fachleute zum Denkmalpfleger oder zum ›Restaurator im Handwerk‹ weitergebildet.
Langsam kam etwas in Bewegung, denn die dramatische Zunahme der Schäden an den historischen Bauten verlangte dringend nach geeigneten Sanierungsmethoden. Die für die Ausbildung eigentlich zuständigen Institutionen wie Berufsschulen, Ausbildungsbetriebe und Lehrbauhöfe, aber auch Ingenieurschulen und Universitäten, konnten die Wissenslücken nicht mehr füllen. Seit Mitte der 80er-Jahre ist aber auch hier ein Wandel eingetreten. Es werden, wenn auch noch zögerlich, Lehrgänge, Seminare und Ausbildungslehrgänge für die praktische Denkmalpflege und zur Nachschulung der Handwerker angeboten.
Heute kann der Eigentümer eines historischen Fachwerkhauses wieder Fachleute und Handwerker finden, die wissen, worum es geht, wie man es machen darf und wie nicht. Es ist aber immer noch mühsam und leider oft auch ein Glücksspiel, die richtigen Partner für die Sanierung seines Hauses zu bekommen. Mit der Zeit wird sich diese Situation jedoch verbessern, denn man hat das Problem erkannt und arbeitet an einer Lösung.
In diesem Buch beziehe ich mich auf ein westfälisches Fachwerk-Bauernhaus aus dem späten 18. Jh., wie es in dieser oder ähnlicher Form heute recht oft anzutreffen ist – mit allen Veränderungen und Spuren, die im Laufe von rund 250 Jahren hinzugekommen sind.
Foto: Gerda Jucho, Archiv Almuth Platte, HammAbb. 2: Westfälisches Fachwerk-Bauernhaus
Abb. 3: Bestandteile eines typischen westfälischen Fachwerkhauses
Ganz bewusst habe ich ein Bauernhaus als Beispiel gewählt, weil infolge der gravierenden Veränderungen in der Landwirtschaft Häuser dieser Art mehr und mehr völlig umgenutzt und umgebaut werden. Wohn- oder auch Büronutzung erstreckt sich oft über das gesamte Haus mit dem ehemaligen Wirtschaftstrakt, mit Deele und Stallungen.
Meine Lösungsvorschläge beziehen also diesen besonderen Problembereich mit ein, ohne damit höherwertige Fachwerkhäuser auszuschließen. Ganz im Gegenteil, ich bemühe mich um Allgemeingültigkeit. So treffen meine Vorschläge zur Feuchtesanierung, zur Wiederherstellung der Fachwerkkonstruktion, zum Erneuern der Ausfachungen, zum Einbau einer Wärmedämmung, zur Erneuerung der Hausinstallationen, zum Dachausbau und zu anderen Themen in gleicher Weise auf alle Fachwerkbauten zu.
Obwohl das Fachwerkhaus im Grunde sehr stabil und langlebig ist, weist es häufig ganz erhebliche Schäden auf.
Das Holz ist angefault, Balkenteile fehlen.
Verbindungen sind locker oder nicht mehr vorhanden.
Gefache sind lose oder fallen ganz heraus.
Wände sind schief und haben sich gesetzt.
Decken hängen nach außen.
Fenster und Türen klemmen
und vieles andere mehr.
Wie kann es dazu kommen? Wo liegen die Ursachen? Eigenartigerweise trifft man diese Schäden in der Regel bei Wohngebäuden und anderen intensiv genutzten Gebäudeteilen an, obwohl gerade diese regelmäßig gewartet, repariert und saniert wurden – ganz im Gegensatz zu weniger hochwertigen Fachwerkbauten wie Scheunen, Remisen, Speicher, Backhäuser und dergleichen. Obwohl diese sehr viel weniger Pflege erhielten, zeigen sich an ihnen deutlich weniger schwerwiegende Schäden.
Abb. 4: Der unten abgefaulte Eckständer wurde primitiv untermauert; Fehlstellen wurden mit Mörtel gefüllt, der jedoch größtenteils schon wieder herausgefallen ist.
Gibt es hier etwa einen Zusammenhang? Ja, es gibt ihn, es ist ganz einfach die ›Feuchtigkeit‹.
Nun könnte man meinen, Feuchtigkeit trifft doch beide Haustypen gleichermaßen. Sie sind alle dem Wetter mit Regen, Sonne und Wind, mit Hitze und Kälte in gleichem Umfang ausgesetzt. Das ist zwar richtig, doch ganz entscheidend für die erheblichen Schäden an höher wertigen Fachwerkbauten ist die Feuchtigkeit von innen! Und die entsteht gerade bei diesen Häusern, besonders in der kalten Jahreszeit. Es ist eine Art von Feuchtigkeit, die man direkt kaum wahrnimmt, die aber in Form von Luftfeuchtigkeit latent vorhanden ist.
Ich möchte nun nicht zu intensiv auf die physikalischen Gesetzmäßigkeiten eingehen, nur so weit, um die Abläufe verständlich zu machen: Feuchtwarme Luft ist immer bestrebt, sich mit trockener, kalter Luft zu verbinden. Sie wird also von innen nach außen wandern. Das geschieht kontinuierlich infolge von Diffusion durch das Außenwandgefüge. Die Wand ›atmet‹. Dabei kommt es im kalten Bereich innerhalb der Wand zum Ausfall von Wasser. Man nennt diesen Bereich die Taupunktzone.
Wird das Diffusionsverhalten der Außenwand gestört, behindert oder unterbunden, kommt es über einen längeren Zeitraum hinweg zu einer Ansammlung von Feuchtigkeit im Gefüge der Außenwandgefache und der Fäulnisprozess des anliegenden Fachwerkholzes beginnt zwangsläufig.
Werden dann die ersten schweren Fäulnisschäden festgestellt, beginnt häufig eine Art Teufelskreis. Es wird durch bauliche Maßnahmen versucht, das Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern – in der irrigen Meinung, diese komme nur von außen. Also wird alles dicht gemacht. Die Gefache werden mit Zementputz verputzt und mit dichter Fassadenfarbe gestrichen, die Fachwerkbalken werden mit Lacken oder sogar mit Teer und Bitumen dicht gestrichen, Fugen und Ritzen werden versiegelt und zugekittet.
Hierin liegt aber die Hauptursache für gravierende Schäden. Zum einen kann die Feuchtigkeit von innen nun gar nicht mehr aus den Wänden heraustreten, und zum andern kann die von außen eindringende Feuchtigkeit nicht mehr abtrocknen.
Wie kann aber bei einer derart ›sorgfältigen‹ Abdichtung der Außenwandflächen überhaupt noch Feuchtigkeit von außen in die Wände eindringen?
Dies hängt mit dem Spannungs- und Anhaftungsverhalten der sehr unterschiedlichen Materialien zusammen. Hinzu kommt die schon angesprochene Elastizität der Fachwerkkonstruktion. Es kommt schnell wieder zu Rissen und Fugen zwischen Putz und Holz. Regenwasser dringt ein, wird sogar teilweise trichterförmig aufgefangen und ins Gefüge geleitet. Dauerelastische Verfugungen reißen zum Teil ab und lassen Wasser eindringen. Es kommt zum so genannten ›Flascheneffekt‹. Wasser dringt nach innen und kann nicht wieder heraus!
Das Verhängnis nimmt nun seinen Lauf! Der Fäulnisprozess beschleunigt sich rapide und man kommt mit sinnvollen Reparaturen nicht mehr nach. Es ist ein Fass ohne Boden!
Foto: Gerda Jucho, Archiv Almuth Platte, HammAbb. 5: Deele vor der Restaurierung: Der erste Eindruck täuscht über den tatsächlichen Zustand der noch intakten Fachwerkkonstruktion hinweg.
Foto: Gerda Jucho, Archiv Almuth Platte, HammAbb. 6: Situation nach der Restaurierung (vgl. Abb. 5): Durch Herausnehmen oder Einfügen von Trennwänden oder Gefachfüllungen lassen sich Räume beliebig erweitern oder abgrenzen.
In der Folge wird nur noch improvisiert. Verfaulte Balkenteile werden durch Zementmörtel ersetzt, Gefache müssen die statischen Aufgaben der Fachwerkbalken übernehmen und ganze Fachwerkwände werden durch Ziegelsteinwände ersetzt.
Ein solches Fachwerkhaus hat längst seinen Reiz und seinen Charme verloren. Es ist für seine Bewohner nur noch eine Last. Das Ende ist abzusehen. Der Abriss scheint die letzte Konsequenz zu sein.
So weit muss es aber nicht kommen. Man vermeidet die beschriebenen Fehler, wenn man die Schadensursachen kennt, wenn man weiß, wie es wirklich sein sollte und wie man auf gar keinen Fall vorgehen darf. Darum sollte man sich zwei Grundsätze einprägen:
Zement am Fachwerkhaus ist für die Balken wie Karies für die Zähne!
Der Außenwandaufbau mit der innen liegenden Wärmedämmung muss homogen, hoch atmungsaktiv, hohlraumfrei sein.
Wenn man diese zwei einfachen Grundsätze konsequent umsetzt und beherzigt, wird man sein Fachwerkhaus nur einmal sanieren, und zwar dauerhaft für die nächsten 100 Jahre.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch andere Schadensursachen, die aber nicht annähernd dieselbe zerstörerische Rolle spielen wie die Feuchtigkeit im Zusammenwirken mit falschen Materialien. Feuchtigkeit ist aber auch dabei im Spiel:
Jahrzehntelange Vernachlässigung der Häuser,
Verwendung von ungeeigneten Hölzern,
Nichtbeachtung von konstruktivem Holzschutz,
Schädlingsbefall,
Sturmschäden, die nur provisorisch behoben wurden,
Bergsenkungsschäden und andere.
Fachwerkhäuser sind allgemein sehr beliebt. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Schönheit unserer Städte. Sie vermitteln ein Gefühl von Geborgenheit und Gemütlichkeit. Sie sind die historischen Wurzeln unseres Wohnens. Man möchte eins kaufen, um darin angenehm zu wohnen oder man erbt eins, das man schon seit der Kindheit kennt. Es sollte bautechnisch intakt sein, doch das ist leider nicht immer gegeben. Viele Fachwerkhäuser sind bereits Jahrhunderte alt und wurden von jeder Generation seiner Bewohner immer wieder repariert, umgebaut und saniert und das leider nicht immer mit geeigneten Materialien und bautechnischen Verfahren. Trotzdem haben Fachwerkhäuser diese Falschbehandlung meistens ganz gut überstanden – Fachwerkhäuser sind eben sehr dauerhafte Bauwerke. Und doch gibt es häufig Schäden, die auf den ersten Blick kaum erkennbar sind und die möglichst kurzfristig sach- und fachgerecht saniert werden sollten, wie in diesem Buch beschrieben. Unerkannt gebliebene verdeckte Schäden entwickeln sich oft schnell zu großen Reparaturstellen, die bald zu einem großen Sanierungsbedarf führen. Hier will ich Sie auf den richtigen Weg führen, damit Sie die Anzeichen für derart versteckte Schäden erkennen können und sie effektiv handeln können, um diese Schäden sach- und fachgerecht zu sanieren.
Der größte Feind einer Fachwerkkonstruktion ist Fäulnis der Balken. Sie entwickelt sich, wenn die Hölzer, Eiche oder Nadelholz, über längere Zeit feucht oder nass bleiben. Leider ist Fäulnis an vielen Stellen der Konstruktion auf den ersten Blick kaum zu erkennen, aber es gibt eindeutige Anzeichen, von denen ich einige hier im Einzelnen beschreibe.
Wenn die gemauerte Ausfachung im oberen Anschluss an die Fachwerkriegel sich unmerklich nach außen schiebt, kann das bis zum kompletten Herausfallen der Ausmauerung führen. Das Gefach wird dann vom umgebenden Balkenwerk nicht mehr stabil und fest fixiert. Hier ist Fäulnis der oberen Riegel, aber auch der anschließenden senkrechten Hölzer und der Rähmbalken die Ursache. Zur Sanierung muss die Ausmauerung der betroffenen Gefache herausgenommen werden, um die angefaulten Balken austauschen zu können.
Die unteren Horizontalbalken (Schwellen) sind die am stärksten gefährdeten Balken einer Fachwerkkonstruktion. Sie sind der Feuchtigkeit besonders stark und häufig ausgesetzt, zum Beispiel durch herablaufendes Regenwasser. Oder weil sie mittig auf dem Fundamentsockel aufliegen. Oder weil der Sockel niedriger als mindestens 25 cm über dem umgebenden Gelände liegt. Oder weil Regenwasser unter die Schwelle gelangen kann (siehe Abb. 36). Durch die andauernde Nässe wird die Schwelle bald mit dem Faulen beginnen. Durch den Fäulnisprozess kann sie viel Substanz verlieren, was bis zum völligen Auflösen der Schwelle führen kann.
Als Sanierungsmaßnahme bleibt nur der Austausch der betroffenen Schwellenteile. Doch auch der obere Bereich des Mauersockels sollte so saniert werden, dass Regenwasser nicht mehr unter der Schwelle verbleiben kann (siehe Abb. 32 und 33). Durch die Holzfäule verliert die Schwelle deutlich an fester Holzsubstanz. Die Schwelle, die ursprünglich etwa 16 cm bis 18 cm Dicke hatte, löst sich so langsam auf. Das kann bis zum völligen Holzverlust führen. Als Folge dieses Geschehens senkt sich die betroffene Außenwand langsam um das Maß des Holzverlustes ab. Die Obergeschoß-Fußböden werden an der Außenwand um das Maß des Substanzverlustes absinken; bekommt der Fußboden also eine Schrägneigung nach außen.
Als Sanierung bleibt nur der Austausch der Schwelle übrig. Auch der obere Teil des Fundamentsockels sollte überarbeitet werden, damit kein Regen- oder Spritzwasser mehr unter die Schwelle gelangen kann (siehe Abb. 32 und 33). Man sollte im Rahmen dieser Maßnahme nicht versuchen durch ein Anheben der Wand, die Schiefstellung des Fußbodens auszugleichen. Da sich die Deckenbalken im Lauf der Zeit auf die Absenkung und Schiefstellung langsam eingestellt haben und diese alten Balken im Lauf der Zeit sehr spröde geworden sind, kann ein Begradigen zu Brüchen führen und zu weiterem Sanierungsbedarf.
Diese Verputzart ist eine Maßnahme der letzten 100 Jahre (siehe Abb. 97 und 98). Ursprünglich waren diese Gefache balkenbündig ausgemauert und nicht verputzt. Irgendwann wurden diese Gefache dann doch verputzt und ragen seitdem 15 mm bis 20 mm über die Außenfläche der Balken hinaus. Zwischen Putz und Balken wird sich bald ein Riss bilden, durch den ablaufendes Regenwasser geradezu trichterförmig ins Wandgefüge gelangen kann und bald an den anliegenden Balken zu Fäulnis führt. Dieser Prozess vollzieht sich dann besonders effektiv, wenn Zementputz verwendet wurde, der nicht kapillar wirksam ist.
Hier sollte der Verputz ganzflächig abgeschlagen, die angefaulten Balken ausgetauscht, und die Gefachflächen mit einem Trasskalkmörtel kissenartig
–
d. h.
›
zu den Balken auf 0 mm auslaufend
‹
–
neu verputzt werden (siehe
Abb. 95
rechts). Im Übrigen gemäß
Kapitel 7, Verputzarbeiten
. Regenwasser wird dann kaum noch eindringen können.
Man kann es immer wieder finden, dass Balkenfaulstellen mit Zementmörtel aufgefüllt wurden. Das ist natürlich keine nachhaltige Methode, sondern absolut ›kontraproduktiv‹. Der Fäulnisprozess wird dadurch rapide beschleunigt (siehe Abb. 4, 64, 65). Es bildet sich bald ein Riss zwischen Holz und Putz, durch den Wasser eindringt, welches durch den dichten Zementputz nicht wieder ausdiffundieren kann. Dadurch wird der Fäulnisprozess rasant beschleunigt.
Als Sanierungsmethode bleibt nur der Austausch der angefaulten Balkenteile (siehe Abb.
4
,
39
,
40
,
63
,
67
und Folgende).
Viele Fachwerkhausbesitzer glauben, die Deckenbalken im Dachgeschoß dienen nur der Abtragung der Deckenlasten. Doch diese Balken haben noch eine wichtige weitere statische Aufgabe. Sie sollen die Schubkräfte aus dem Dachstuhl aufnehmen und auf die Außenlängswände abtragen. Sie sind damit auch für die Zugkräfte aus dem Dachstuhl zuständig. Leider kommt es besonders häufig in landwirtschaftlichen Fachwerkbauten immer wieder zum Durchtrennen einiger dieser Balken, um Platz zu schaffen für größere Deckenluken, ohne das damit entstehende statische Problem zu erkennen.
Die Druckkräfte aus dem Dachstuhl werden nun als Schub über den oberen Teil der Außenlängswände abgeleitet. Dieser Bereich der Längswände wird dadurch nach außen gedrückt und die stehen schief. Außerdem senkt sich der First des Daches in dem Bereich ab. Das kann im Extremfall bis zum Einsturz des ganzen Hauses führen. Als Sanierung dieses Schadens sind mehrere Maßnahmen erforderlich.
Die betroffenen Außenwand- und Dachstuhlbereiche müssen abgestützt werden.
Die Dachziegel in den betroffenen Bereichen müssen beidseitig abgestützt werden, um die Dachlasten zu mindern und um Platz für die Reparaturmaßnahmen zu schaffen. Das Abdecken muss auf beiden Dachflächen geschehen, um einen Belastungsausgleich zu schaffen.
Entweder die defekten Deckenbalken werden ausgetauscht, oder die noch gesunden Balkenteile werden durch ein passendes Zwischenstück aus dem gleichen Holz, mit dem gleichen Durchschnitt, mit zwei Hakenfalzblättern und verzinkten Stahlbolzen, statisch wirksam dauerhaft fixiert (siehe
Abb. 108
).
Als weitere Sicherung dieser Reparaturstelle wäre der Einbau eines Stahlseil-Zugankers im unteren Bereich des beteiligten Sparrenpaares sinnvoll (siehe
Abb. 107
und
109
). Diese Reparaturmaßnahme sollte von einem Statiker begleitet werden.
Abschließend kann die Dachdeckung mit Unterspannbahn, Konterlattung, Dachlattung und Dachpfannen wieder aufgebracht werden.
Diese Auflistung von Schäden an einem Fachwerkhaus erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich möchte Sie sensibilisieren, Schäden zu erkennen. Bleiben Sie skeptisch und gehen Sie davon aus, dass dort noch weitere Schäden lauern. Im Folgenden zeige ich Ihnen, wie Schäden nachhaltig und dauerhaft saniert werden können, in jeweils mehreren Varianten.
Aus bundesweiten Sanierungserfahrungen an Fachwerkhäusern seit dem 2.Weltkrieg haben sich zwei Grundsatzerkenntnisse klar herauskristallisiert: Eine Rückkehr zu historischen Materialien und zu althergebrachten Handwerksmethoden bei allen Arbeiten am historischen Gefüge eines Fachwerkhauses ist anzustreben. Und bei der Verwendung neuer, moderner Materialien, bei der Anwendung moderner Konstruktionen und Verfahren (sei es zur Verbesserung der statischen Standsicherheit oder aus anderen Gründen) sollten diese konsequent einer kritischen Überprüfung gemäß den Grundsätzen ›Zement ist wie Karies‹ und ›atmungsaktiver Wandaufbau‹ unterzogen werden. Es sollte aber auch das Elastizitätsverhalten und das Feuchteverhalten in ihrem Verhältnis zur vorhandenen Fachwerkkonstruktion berücksichtigt werden.
Schon in diesen wenigen Sätzen über neue Erkenntnisse wird das Dilemma deutlich. Sie ziehen wiederum eine Menge neuer Fragen nach sich.
Welche Materialien sind historisch gesehen die richtigen?
Wo bekomme ich solche Materialien her?
Wie verarbeite ich diese Materialien?
Wie finde ich Fachfirmen, die die althergebrachten Handwerkstechniken beherrschen?
Ist das nicht alles unbezahlbar?
In welchen Fällen kann ich modernere Materialien einsetzen?
Wie erkenne ich überhaupt, was geeignet ist und was nicht?
Wie sind moderne Konstruktionen und Verfahren zu bewerten?
Sollten auch moderne Konstruktionen aus Stahl oder aus Beton Verwendung finden?
Fragen über Fragen! Weil Sie diese und viele andere Fragen haben, haben Sie dieses Buch erworben.
Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Antworten darauf über meinen kleinen, begrenzten Wirkungskreis hinaus einem größeren Interessentenkreis zugänglich zu machen, weil mir der Erhalt der Fachwerkhäuser am Herzen liegt.
In den folgenden Kapiteln werden wir eine Reise durch alle Winkel, Ecken und Bereiche eines ganz typischen Fachwerkhauses machen. Sie werden an alle Problemfelder herangeführt und ich werde Ihnen Lösungen anbieten mit historischen und mit modernen Materialien, in althergebrachter oder moderner Fertigungsweise, in einem ausgewogenen Verhältnis von alt und neu, angepasst an die heutige Wohnqualität und doch auch ganz anders, als wir es gemeinhin kennen und gewohnt sind.
Packen wir es also an!
Fachwerkhäuser sind nur selten voll unterkellert. Wenn überhaupt, sind ein bis zwei niedrige, feuchte Kellerräume vorhanden. In Bauernhäusern gibt es häufig einen so genannten Halbkeller, einen Raum, der 1 bis 1,5 Meter tiefer liegt als die übrigen Erdgeschossräume. Diese feuchten, kühlen Kellerräume dienten alle nur einem Zweck: der Lagerung empfindlicher Lebensmittel. Bevorratung war üblich und notwendig. Nahrungsmittel waren nur saisonbedingt erhältlich und mussten für Monate gelagert werden.
Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen unsere Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten. Feuchte Keller sind nicht mehr erwünscht. Ein Keller sollte heute trocken und sauber sein.
Das Kellermauerwerk in Fachwerkhäusern besteht in der Regel aus
Ziegelsteinen, mit Kalkmörtel vermauert, oder
Bruchsteinen aus nahe gelegenen Natursteinbrüchen, mit Kalk- oder Trassmörtel vermauert.