Factoring-Handbuch - Thomas Hartmann-Wendels - E-Book

Factoring-Handbuch E-Book

Thomas Hartmann-Wendels

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Beschreibung

Factoring boomt, und dies seit Jahren in einem Umfang wie kaum eine andere Finanzdienstleistung in Deutschland: Derzeit werden knapp sieben Prozent des gesamten deutschen Bruttoinlandsproduktes über Factoring abgewickelt, und die Mitgliedsunternehmen im Deutschen Factoring-Verband e.V., welche rund 98 Prozent des Marktvolumens abdecken, bedienten 2016 über 27000 Kunden. Als Factoring vor fast 50 Jahren von wenigen Anbietern in Deutschland erstmals angeboten wurde, war diese anhaltende Erfolgsgeschichte noch nicht in Ansätzen abzusehen. Doch die Unternehmensfinanzierung hat sich in den letzten Jahren zunehmend einem starken Wandel unterzogen, und bankenergänzende Finanzierungsalternativen sind mehr und mehr gefragt. Die zunehmende Bedeutung des Factoring zeigt sich auch dadurch, dass Anbieter der Finanzdienstleistung Factoring seit Ende 2008 der Finanzaufsicht durch BaFin und Deutsche Bundesbank unterstehen. Die Autoren des "Handbuch Factoring" haben diese Entwicklung zum Anlass genommen, die Finanzdienstleistung Factoring zusammenfassend sowohl aus historischer, rechtlicher als auch ökonomischer Sicht darzustellen und in dieser zweiten Auflage um gewisse Aspekte zu ergänzen. Diese Übersicht zum Factoring geht somit nicht nur auf Entwicklungen der letzten Jahre ein, sondern zeigt auch aktuelle Fragestellungen zum Factoring auf und bietet sich somit als grundlegende und umfassende Informationsquelle zum Factoring an.

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Taschenbücher für GELD · BANK · BÖRSE

Thomas Hartmann-Wendels

Julia L. Lehmann-Björnekärr

Alexander M. Moseschus

Magdalena Wessel

Factoring-Handbuch

Alle Angaben in diesem Buch wurden sorgfältig recherchiert und zusammengestellt. Gleichwohl kann für die Richtigkeit, Aktualität und Vollständigkeit des Inhalts keine Gewähr der Autoren, Herausgeber und des Deutschen Factoring-Verbandes e.V. übernommen werden. Meinungen stellen die Privatmeinung der Autoren und Herausgeber beziehungsweise die Ansicht des Deutschen Factoring-Verbandes zum Zeitpunkt der Drucklegung dar; diese können von der sogenannten herrschenden Meinung in rechtlicher, steuerrechtlicher, tatsächlicher und sonstiger Hinsicht abweichen.

Besuchen Sie uns auch im Internet: www.kreditwesen.de

ISBN 978-3-8314-1238-9eISBN 978-3-8314-0891-7

© 2018 by Fritz Knapp Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Satz: Regina Siebert, Hamburg

Bildquelle Titelseite: pixabay.com

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1Factoring – was ist das?

1.1Historischer Abriss

1.2Das Factoring-Dreieck (Factoringkunde, Debitor, Factor)

1.3Arten des Factoring und Definition

1.4Besondere Factoringvarianten: B2C-Factoring und Factoring im Healthcare-Bereich

1.5Abgrenzung zu anderen Finanzierungsformen

1.6Wie funktioniert Factoring?

1.7Vorteile des Factoring

1.8Factoringvertrag

1.8.1Ziel und Funktionen des Factoring

1.8.2Rechtliche Anforderungen

1.8.3Andienungs- und Ankaufspflicht, Ankaufskriterien und Limits

1.8.4Haftungsfragen

1.8.5Kosten und Sicherheiten

1.8.6Auswirkungen verschiedener Factoringarten

1.8.7Rund um die Debitorenzahlung

1.8.8Allgemeine vertragliche Regelungen

1.8.9AGB und Musterverträge

1.9Erlaubnispflicht des Factoring-Geschäftes nach dem KWG

2Factoring im Kontext der Finanzierung deutscher Unternehmen

2.1Die wachsende Bedeutung des Factoring

2.2Mittelstandsfinanzierung

2.3Factoring und Regulierung

3Factoring in Deutschland: Marktbetrachtung

3.1Umsätze und Branchenentwicklung

3.2Anbieter von Factoring

3.3Nationales und internationales Factoringgeschäft

3.4Factoringarten

3.5Forderungslaufzeiten und Forderungsvolumina

3.6Factoringbranchen

3.7Kundenzahlen

4Factoring im Recht

4.1Zivilrecht

4.1.1Factoring im BGB

4.1.2Forderungs-/Rechtskauf

4.1.3Forderungsabtretung/Zession

4.1.4Forderungsabtretung und verlängerter Eigentumsvorbehalt

4.2Handelsrecht: Sondernorm § 354a HGB

4.3Factoring im Steuerrecht

4.3.1Zinsschranke

4.3.2Gewerbesteuerliche Hinzurechnung

4.3.3Factoring als umsatzsteuerpflichtiges Geschäft

4.3.4Die subsidiäre Haftung des Factors nach § 13c UStG

4.4Internationale Abkommen zum Factoring

4.4.1Ottawa-Konvention

4.4.2UNCITRAL-Konvention

4.4.3Rom I-Verordnung

5Factoring unter Finanzaufsicht – KWG

5.1Finanzaufsicht seit 2008

5.1.1Hintergrund der Finanzaufsicht

5.1.2Erlaubnispflichtiges Factoring – besondere Voraussetzungen

5.1.3Erlaubnispflichtiges Factoring–allgemeine Voraussetzungen

5.1.4Übergangsregelungen

5.1.5Ausländische Factoringunternehmen in Deutschland

5.1.6Verstöße gegen das KWG

5.2Anwendbarkeit von KWG und dazugehörigen Nebengesetzen und -verordnungen

5.2.1Fortbestehen und Ergänzung bestimmter Anforderungen

5.2.2Neue Melde- und Anzeigepflichten

5.2.3Anforderungen durch MaRisk

5.2.4Anforderungen an Rechnungslegung und Jahresabschlüsse

5.2.5Aufsichtliche Prüfungen und Kosten

5.2.6Wichtige Ausnahmen für Factoringunternehmen im KWG

5.3Änderungen von KWG nebst Nebengesetzen und -verordnungen seit 2009

5.4Millionenkredit-Meldewesen und AnaCredit-Meldepflichten

6Factoring und Geldwäscheprävention

6.1Factoring und Geldwäscheprävention nach KWG und GwG

6.2Geldwäscheprävention im Factoring in der Entwicklung

6.3Überblick über Pflichten in der Geldwäsche- und Terrorismusprävention

6.4Anwendungshinweise zur Geldwäscheprävention für Factoringunternehmen

7Factoring und das Insolvenzrecht

7.1Insolvenz des Factoringkunden

7.2Insolvenz des Debitors

7.3Insolvenz des Factors

8Factoring in Europa

8.1Import/Exportfactoring

8.2EUF

9Der Deutsche Factoring-Verband

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Presseartikel

Rechtsprechung

Veröffentlichungen der deutschen Aufsichtsbehörden

Abkürzungsverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Factoring boomt, und dies seit Jahren in einem Umfang wie kaum eine andere Finanzdienstleistung in Deutschland. Die Finanzierungsform Factoring, begonnen in den 1960er und 1970er Jahren in Deutschland mit einem wenig bedeutsamen Forderungsvolumen von rund 2 Milliarden Euro (1977), hat mittlerweile schon die 215 Milliarden Euro-Marke überwunden.

Fast 7 % des gesamten deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) werden mittlerweile über Factoring abgewickelt – ein stolzes Ergebnis. Als Factoring vor etwas über 50 Jahren von wenigen Anbietern in Deutschland quasi getestet wurde, war diese anhaltende Erfolgsgeschichte noch nicht in Ansätzen abzusehen. Hintergrund war und ist, dass sich die Unternehmensfinanzierung in den letzten Jahren zunehmend einem starken Wandel unterzogen hat und bankenergänzende Finanzierungsalternativen mehr und mehr gefragt sind.

Aber auch die volkswirtschaftliche und (finanz-)politische Bedeutung der Finanzdienstleistung Factoring hat zugenommen, nicht zuletzt wurde die seit 2008 geltende Finanzaufsicht über Factoring-Anbieter seitens des Gesetzgebers sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Bundesbank damit begründet, dass Factoring eine Form der Finanzierung sei, „die neben dem klassischen Kreditgeschäft der Banken erheblich an Bedeutung gewonnen“ habe und die inzwischen eine „zentrale Funktion … bei der Finanzierung der deutschen Industrie und insbesondere bei der Finanzierung des Mittelstandes“ einnehme.1 Eine Feststellung, die einerseits treffend die Bedeutung des Factoring statuierte, allerdings gleichzeitig auch das Tor zu einer sich immer weiter verschärfenden Aufsicht eröffnete, deren marktkonsolidierende Folgen sich in den letzten Jahren bereits bemerkbar gemacht haben.

Aus ehemals wenigen Anbietern im Markt sind zwischenzeitlich viele wichtige und zum Teil auch große Mittelstandsfinanzierer geworden, wobei der Markt in den letzten Jahren, besonders aber seit der Einführung der Finanzaufsicht für Factoring Ende 2008, stark im Umbruch ist. Rund 190 Anbieter tummeln sich am Markt, die Branche beschäftigt gegenwärtig ungefähr 2 650 Mitarbeiter. So ist das Thema Factoring mittlerweile auch für FinTech-Start-Ups zu einem attraktiven Geschäftsfeld geworden. Aufgrund der zunehmenden Masse an Anbietern in diesem Segment ist es schwierig, noch den Überblick zu behalten: Nicht alle FinTech-Unternehmen bieten selbst erlaubnispflichtiges Factoring an, so dass auch nicht alle entsprechend bei der BaFin zugelassen sind. Allein die im Deutschen Factoring-Verband e.V. assoziierten Mitglieder, die allesamt zu den von der BaFin beaufsichtigten Instituten gehören, bedienen dabei heute schon über 27 250 Kunden und dies bei rund 98 % Abdeckung des Marktvolumens.2

Es ist daher umso erstaunlicher, dass es kaum auf den ersten Griff nutzwertige „umfassende“, aktuelle und vor allem der Entwicklung des Factoring in den letzten Jahren entsprechende Literatur zum Thema gibt, will man keine reinen Rechtskommentare zur Hand nehmen oder eher statische Marktanalysen auswerten oder inzwischen leider oft vergriffene grundlegende Werke suchen. Noch erstaunlicher ist, dass vor wenigen Jahren (2011) in einer repräsentativen wissenschaftlichen Studie zum Thema Factoring ans Licht kam, dass sich 36 % aller befragten Unternehmen, die Factoring bisher nicht nutzen, noch gar nicht mit Factoring befasst hatten (bei den kleinen Unternehmen sogar 42 %).3 Hinreichend materielle Gründe also, um die Finanzdienstleistung Factoring zusammenfassend und aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen.

Nur kurze Zeit nach Beginn des Factoring in Deutschland wurde in Mainz der Deutsche Factoring-Verband e.V. gegründet und am 26. Juli 1974 ins Vereinsregister eingetragen. Seit 2006 hat der Verband nun seinen Sitz in Berlin und begleitet von hier aus die Weiterentwicklung der Finanzdienstleistung Factoring. Zum 40-jährigen Jubiläum des Deutschen Factoring-Verbands e.V. erschien das vorliegende Werk erstmals, nach drei Jahren mit verschiedenen Entwicklungen sowohl im rechtlichen und steuerlichen Umfeld für Factoring als auch in der Factoringbranche selbst ist es indes Zeit für eine Aktualisierung.

Ziel dieses Handbuchs ist es weiterhin, eine Gesamtdarstellung zum Factoring für alle am Factoring Interessierte zu schaffen. Neben einer vertieften Erklärung des Factoring-Geschäftes, seinen rechtlichen, steuerlichen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen werden der Markt, die aktuellen Herausforderungen sowie künftige Perspektiven, auch in internationaler Hinsicht, beleuchtet.

Der Deutsche Factoring-Verband e.V. wünscht allen Lesern viel Freude und hoffentlich neue Erkenntnisse zur immer wichtiger werdenden Finanzdienstleistung Factoring.

Joachim Secker

Dr. Klaus Bette

Sprecher des Vorstandes

Ehrenpräsident

Deutscher Factoring-Verband e.V.

Deutscher Factoring-Verband e.V.

1Bundestags-Drucksache 16/11108, S. 66 f.

2Vgl. Hartmann-Wendels, FLF 2017, S. 166.

3Vgl. hierzu die Studie der Universität zu Köln „Wachsen mit Factoring“ von 2011.

1Factoring – was ist das?

1.1Historischer Abriss

Die erste Frage, die sich viele Personen stellen, wenn sie zum ersten Mal von Factoring hören oder lesen, betrifft die Definition des Factoring: Was bedeutet beziehungsweise beinhaltet Factoring eigentlich? Vereinfacht und verkürzt zusammengefasst bezieht sich der heutige Begriff des Factoring in Deutschland auf eine Finanzdienstleistung, bei der ein Unternehmen seine (Geld-)Forderungen aus dem Verkauf von Waren und der Erbringung von Dienstleistungen gegen seine Kunden fortlaufend an ein Factoringinstitut verkauft und auf diese Weise sofort Liquidität unmittelbar aus seinen Außenständen erhält.4

Diese moderne Form des Factoring basiert auf einer Entwicklung über mehrere Jahrhunderte hinweg, die im Folgenden zusammengefasst werden soll, da auch dieser historische Kontext für das Verständnis des heutigen Factoring wichtig ist.

Der Begriff „Factoring“ basiert auf dem lateinischen Verb „facere“, welches unter anderem tun, handeln, ausüben oder herstellen bedeutet. Interessanterweise besteht hier eine Ähnlichkeit zum Wort „Agent“, das vom lateinischen Verb „agere“ abgeleitet ist, welches unter anderem ebenfalls tun, ausführen, handeln oder tätig sein bedeutet. In der historischen Übersicht zeigt sich zeitweise ein ähnliches Verständnis der beiden Begriffe „Factor“ und „Agent“ – beide vertreten eine andere (natürliche oder juristische) Person, vor allem in Handelsangelegenheiten.5

Doch auch wenn der Begriff des Factoring lateinische Ursprünge aufweist und aus dem Englischen entlehnt ist, da das moderne Factoring seine Wurzeln im anglo-amerikanischen Rechtsraum der letzten ungefähr 250 Jahre hat, so reicht die Geschichte des Factoring weiter zurück, da sich die Idee des Factoring noch viel weiter zurückverfolgen lässt.

Gläubiger haben sich mutmaßlich schon immer darum bemüht, den Zeitraum bis zum Eingang der Zahlungen auf ihre Forderungen möglichst kurz zu halten. Bereits vor 5 000 Jahren sollen babylonische Händler ihre Forderungen aus Warenverkäufen zu Finanzierungszwecken abgetreten haben.6 Genauso sollen ähnliche Finanzierungsformen im alten Rom, also vor gut 2 000 Jahren, praktiziert worden sein.7 Die Idee hinter dem Factoring bestand somit unabhängig vom Begriff und dem modernen Konzept des Factoring, welche sich mutmaßlich erst viele Jahrhunderte beziehungsweise Jahrtausende später entwickelten.

Im 13. bis 15. Jahrhundert wurden in Norditalien Kommissionsagenten zum Warenverkauf eingesetzt, wobei diese Agenten nach und nach gegenüber den Händlern auch eine Vorfinanzierungsfunktion sowie das Ausfall- oder Delkredererisiko der Abnehmer übernahmen.8 Über den Handel mit dem europäischen Festland, vor allem dem Textilhandel, gelangte dieses Modell offenbar nach England, wo zum Ende des 14. Jahrhunderts in Blackwell Hall in London ein regelrechtes Zentrum für das Factoring im Handel mit Textilwaren entstand, welches bis ins frühe 19. Jahrhundert Bestand hatte.9 Hier erfüllten Factors die Funktion von Agenten oder Mittelsmännern zwischen den Textilfabrikanten und Abnehmern, gewährten Vorschüsse auf die Waren und standen für die Zahlungsfähigkeit der Abnehmer ein.

Diese Entwicklungen in Norditalien und England überschneiden sich zumindest teilweise zeitlich mit der mittelalterlichen Hanse, bekanntlich eine Vereinigung von Kaufleuten mit dem Ziel des sicheren Warentransports und der Vertretung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen. Auch hier wurde Factoring genutzt, jedoch noch nicht unter dieser Bezeichnung. Zur Zeit der Hanse unterhielten viele Kaufleute „Kontore“ in verschiedenen europäischen Städten, über die der Warenhandel sowohl praktisch als auch finanziell abgewickelt wurde.

Die Kontore aus der Hansezeit lassen sich von ihren Aufgaben und Tätigkeiten her in vielen Punkten mit den portugiesischen Handelsstationen im 15. Jahrhundert, den sogenannten „feitorias“, sowie mit den „factorijen“ der Niederländischen Ost-Indien Kompagnie und den „factories“ der British East India Company im 17. Jahrhundert vergleichen. In diesen Handelsstationen wurden Handelswaren inspiziert, ausgewählt, gewogen und für den Seetransport passend verpackt. Die Agenten dieser Handelsstationen waren als Handelsvermittler tätig und vertraten somit sowohl den Händler als auch den Abnehmer. Aus dieser Vermittlerstellung wurde mutmaßlich der Begriff des Factoring abgeleitet, wobei sich die Tätigkeit des Vermittlers, Agenten oder Factors über die folgenden Jahrhunderte hinweg insofern veränderte, als dass sie sich vom direkten Warenverkehr weg und zur Finanzierung des Warenhandels hin entwickelte.

Das moderne Factoring, wie wir es heute kennen, entwickelte sich aus den Geschäfts- und Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und den USA,10 welche gerade zum Ende des 19. Jahrhunderts florierten: Die Bevölkerung der USA nahm zu und breitete sich vor allem in westlicher Richtung aus, was auch einen zunehmenden Importhandel mit Waren aus Großbritannien und anderen europäischen Ländern nach sich zog, gefolgt von einem Exporthandel in die entgegensetzte Richtung. Die Händler aus Großbritannien setzten dabei Verkaufskommissionäre beziehungsweise „mercantile agents“ vor Ort in den USA ein, welche auch „factors“ genannt wurden. Diese „factors“ nahmen die Waren in Empfang, übernahmen den Vertrieb in Vertretung des (zumeist) britischen Händlers, kümmerten sich um die Beitreibung der Kaufpreisforderungen und leiteten die Zahlungen nach Abzug einer Gebühr für ihre Tätigkeit weiter an den (zumeist) britischen Händler. Nach und nach wurde diese Tätigkeit der „factors“ ergänzt um die Garantie für die Bezahlung der Ware sowie um Vorschüsse zur Finanzierung der entstandenen, aber lang laufenden Forderungen.

Als der Warentransport aufgrund des technischen und infrastrukturellen Fortschritts zügiger wurde, wurden Kommission und Lagerhaltung von Waren durch die „factors“ überflüssig, der Bedarf nach Finanzierung und Absicherung gegen Zahlungsausfälle blieb jedoch bestehen. Aufgrund dieser Veränderung ersetzte die Forderungsabtretung den Verkauf auf Kommission: Der britische Händler beziehungsweise Exporteur trat seine Forderungen gegen die Abnehmer in den USA an den dortigen Factor ab, erhielt dafür Finanzierung und Ausfallrisikoschutz durch den Factor, und der Factor kümmerte sich um die Beitreibung der nunmehr ihm zustehenden Forderungen.11

In Deutschland fasste das Factoring in seiner modernen beziehungsweise heutigen Form erst Ende der 1950er beziehungsweise Anfang der 1960er Fuß: Als „Factoring-Pionier“ in Deutschland gilt die Mittelrheinische Kundenkreditbank Dr. Horbach & Co. KG aus Mainz, die 1958 oder 1959 den ersten Factoringvertrag Deutschlands abgeschlossen haben soll.12 In den 1960ern wurden daraufhin weitere Factoringinstitute gegründet, viele davon in Mainz und unmittelbarer Umgebung, so zum Beispiel die Internationale Factors Deutschland AG & Co. oder die Heller Factoring Bank AG, welche auch heute noch (wenn auch unter anderer Firma) im Factoringgeschäft aktiv ist.

Im Anfangsstadium des deutschen Factoringgeschäfts stand vor allem die Übernahme von Dienstleistungsfunktionen, allen voran die Debitorenbuchhaltung, im Zentrum der Aufmerksamkeit der Factoringkunden, da Maschinenbuchhaltungen Anfang der 1960er sehr kostenintensiv waren und entsprechend qualifiziertes Personal erforderten.13 Das Angebot an verschiedenen Factoringarten wurde jedoch über die Jahrzehnte hinweg erweitert und verfeinert, genauso wie auch die Anzahl der Factoringinstitute und -kunden konstant zunahm.

Aufgrund der wachsenden Bedeutung des Factoring und der zunehmenden Anzahl an Anbietern wurde 1974 der Deutsche Factoring-Verband e.V. in Mainz gegründet.14 Heute gibt es 186 Factoringunternehmen,15 von denen aktuell rund 40 Mitgliedsunternehmen des Deutschen Factoring-Verbands e.V. sind, welche am Umsatz gemessen ungefähr 98 % des gesamten deutschen Factoring-Markts vertreten.

1.2Das Factoring-Dreieck (Factoringkunde, Debitor, Factor)

Die historische Übersicht vermag die Entwicklung des Factoring etwas zu beleuchten, jedoch erklärt sie den Inhalt des Factoring als moderne Finanzdienstleistung in Deutschland eher unzureichend. Um den Fragen, was Factoring eigentlich genau bedeutet beziehungsweise beinhaltet und welche Parteien im Factoring involviert sind, genauer nachzugehen, sind weitergehende Erläuterungen des Factoring im heutigen Kontext erforderlich.

Die gesetzliche Klassifizierung beziehungsweise Definition des Factoring bietet einige erste Erklärungsansätze: Bis Ende 2008 wurde das Factoring (aufsichts-)rechtlich als „entgeltlicher Erwerb von Geldforderungen“ (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 2 KWG) eingestuft, danach wurde eine gesetzliche Definition des Factoring eingeführt. Diese Legaldefinition des Factoring findet sich ebenfalls im KWG und umschreibt Factoring als „der laufende Ankauf von Forderungen auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff“ (vgl. § 1 Abs. 1 a Nr. 9 KWG).

Einfacher und etwas ausführlicher dargestellt beinhaltet Factoring, dass ein Unternehmen seine (Geld-)Forderungen aus dem Verkauf von Warenlieferungen und der Erbringung von Dienstleistungen gegen seine Kunden oder Abnehmer fortlaufend an ein Factoringinstitut verkauft, welches ihm einen entsprechenden Kaufpreis für diese Forderungen zahlt. Auf diese Weise erhält das Unternehmen aus seinen Außenständen sofort und unmittelbar Liquidität und braucht nicht darauf zu warten, dass der Debitor die Forderung zum Ende der vereinbarten Zahlungsfrist von zum Beispiel 60 Tagen begleicht. Zudem kann das Factoringunternehmen noch weitere Dienstleistungsaspekte für den Factoringkunden erbringen, je nach Factoringart. Zu diesen weiteren Dienstleistungen gehören zum Beispiel buchhalterische Services wie das Debitorenmanagement. Im Gegenzug für diese Dienstleistungen erhält der Factor eine Vergütung beziehungsweise ein Entgelt.

Diese Definitionen und Erklärungen helfen bei der Abgrenzung des Factoring zu anderen und ähnlichen Finanzierungsformen, unter anderem zum Wechseldiskontgeschäft und zur Forfaitierung. Obwohl es auch bei diesen Finanzierungsformen um die Überbrückung der Wartezeit des Gläubigers zwischen Entstehung der Forderung und ihrer Bezahlung durch den Forderungsschuldner beziehungsweise um die Minimierung oder Übertragung des Delkredererisikos geht, so bestehen doch Unterschiede zum Factoring.16

Abbildung 1: Das Factoring-Dreieck

(Quelle: Deutscher Factoring-Verband e.V.)

Die vorgenannten Definitionen des Factoring zeigen, dass im Factoring grundsätzlich drei Parteien involviert sind:

•Forderungsverkäufer

•Forderungskäufer

•Forderungsschuldner

Forderungskäufer ist dabei das Factoringunternehmen beziehungsweise der Factor. Das Unternehmen, welches die Forderungen verkauft und abtritt, wird im Factoring als Anschluss- oder Factoringkunde bezeichnet. Die Kunden beziehungsweise Abnehmer des Factoringkunden, also die Schuldner der verkauften und abgetretenen Forderungen, werden im Factoring als Debitoren bezeichnet. Es handelt sich beim Factoring somit um eine Dreieckskonstellation, die sich grafisch in Form des sogenannten „Factoring-Dreiecks“ besonders gut darstellen lässt (vgl. Abbildung 1). Auch über diese Dreieckskonstellation lässt sich das Factoring von vielen anderen Finanzierungsformen und Finanzdienstleistungen gut unterscheiden. Sie führt zudem sowohl zu rechtlichen als auch zu tatsächlichen Besonderheiten, die beim Factoring zu beachten und in den folgenden Kapiteln noch näher zu erläutern sind.

1.3Arten des Factoring und Definition

Auch wenn die im Kapitel 1.2 dargestellte Grundkonstellation des Factoring auf alle Factoringarten zutrifft, so gibt es unterschiedliche weiterführende Ausgestaltungen des Factoring.17 Zu den in Deutschland häufigsten Factoringarten gehört das Standard-Factoring, das Inhouse Factoring und das Fälligkeits-Factoring sowie das Reverse Factoring,18 wobei das Inhouse Factoring mit Abstand am häufigsten vorkommt.19

Das Standard-Factoring umfasst neben der umsatzkongruenten Finanzierung durch den Factor auch eine vollständige Risikoabsicherung des Factoringkunden für den Delkrederefall sowie die Übernahme des Debitorenmanagements durch den Factor. Wegen des vollumfänglichen Services des Factors wird diese Factoringart auch Full-Service-Factoring genannt.

Im Inhouse Factoring, auch Bulk-Factoring genannt, verbleibt das gesamte Debitorenmanagement treuhänderisch für den Factor in der Hand des Factoring-Kunden. Das Factoringunternehmen übernimmt schwerpunktmäßig die Finanzierungs- und die Delkrederefunktion. Hieraus lässt sich erkennen, dass diese Factoringart speziell für solche Factoringkunden in Frage kommt, die selbst über ein zuverlässiges Debitorenmanagement verfügen. Daher kommt diese Factoringart eher bei größeren Unternehmen in Betracht.

Beim Fälligkeitsfactoring nutzt der Factoringkunde die Vorteile der vollständigen Absicherung des Delkredererisikos und der Entlastung beim Debitorenmanagement, verzichtet aber auf eine sofortige Zahlung des Kaufpreises. Fälligkeits-Factoring eignet sich besonders für Factoringkunden, die weniger auf sofortige Liquidität angewiesen sind, sondern vielmehr eine Entlastung beim Debitorenmanagement und eine Erleichterung der Finanzplanung anstreben, da mit dem Factor bestimmte Zahlungstermine vereinbart werden können, unabhängig von Zahlungen der Debitoren.

Das Reverse Factoring zielt im Gegensatz zum klassischen Factoring auf die Einkaufsseite eines Unternehmens ab: Initiator dieses Factoringverfahrens ist nicht der Lieferant, sondern der Abnehmer von Waren oder Dienstleistungen, das heißt der Debitor. Obwohl die Anbahnung des Factoringvertrags bei dieser Factoringart somit durch den Debitor erfolgt, schließen weiterhin Factor und Factoringkunde den eigentlichen Factoringvertrag ab. Das „Umgekehrte“ an dieser Factoringart bezieht sich somit auf die Anbahnung des Factoringverhältnisses durch den Debitor, der sich hierdurch zum Beispiel verbesserte Konditionen seines Lieferanten, dem Factoringkunden, erhofft.

Zudem kann zwischen echtem und unechten, offenem und stillen Factoring unterschieden werden:21

Echtes Factoring meint Factoringverfahren, bei denen der Factor das Ausfallrisiko übernimmt (Delkredereschutz), also unter Gewährung vollen Delkredereschutzes. Im Gegensatz hierzu bezeichnet unechtes Factoring Factoringverfahren ohne Übernahme des Ausfallrisikos, also ohne Delkredereschutz. In Deutschland überwiegt seit Jahren das echte Factoring.22

Beim offenen Factoring-Verfahren wird der Debitor über den Forderungsverkauf an das Factoringunternehmen informiert und aufgefordert, direkt an den Factor zu zahlen. Das Gegenteil hierzu bildet das stille Factoring: Es leitet seinen Namen daraus ab, dass die Forderungsabtretung vom Factoringkunden an den Factor nicht offengelegt wird. Eine stille Forderungsabtretung ist nach deutschem Zivilrecht wirksam, einer Benachrichtigung oder gar Zustimmung des Forderungsschuldners beziehungsweise Debitors bedarf es bei der Abtretung nach deutschem Recht nicht.23

Factoring kann auch bei Forderungen aus dem grenzüberschreitenden beziehungsweise internationalen Handel eingesetzt werden (internationales Factoring):24

Nehmen inländische Unternehmen als Exporteure die Leistungen eines Factoringunternehmens in Deutschland für ihre grenzüberschreitenden Geschäfte in Anspruch, spricht man vom Export-Factoring. Handelt es sich um Importgeschäfte, bei denen ausländische Unternehmen die Leistungen eines Factors in Deutschland nutzen, bezeichnet man dies als Import-Factoring.25

1.4Besondere Factoringvarianten: B2C-Factoring und Factoring im Healthcare-Bereich

Zu den besonderen Factoringvarianten zählen unter anderem das Factoring im Bereich des B2C-Marktsegments sowie im Bereich des Gesundheitswesens.

Im Gegensatz zum klassischen B2B-Factoring, welches Forderungen zwischen Unternehmern umfasst, stehen im B2C-Segment regelmäßig Forderungen gegenüber Verbrauchern im Mittelpunkt.

Abbildung 2: Das B2C-Factoring-Dreieck

(Quelle: Deutscher Factoring-Verband e.V.)

Der Umsatz des erst seit einigen Jahren seitens des Deutschen Factoring-Verbands e.V. erfassten B2C-Factoring wächst stetig und konnte sich zuletzt in 2016 um weitere 9,6 % auf 6,3 Milliarden Euro steigern (2015: 5,78 Milliarden Euro, 2014: 4,93 Milliarden Euro, 2013: 1,68 Milliarden Euro, 2012: 1,5 Milliarden Euro, 2011 963,5 Millionen Euro). Dies lässt sich nicht zuletzt auf den immer attraktiver und moderner werdenden Absatzweg des Online-Handels zurückführen.

Das B2C-Factoring umfasst neben dem E-Commerce (Online-Handel) insbesondere den Ankauf von Forderungen aus der Telekommunikationsdienstbranche, das Sepulkralfactoring in Bezug auf Forderungen aus dem Bestattungsbereich, Forderungen von Steuerberatern und Rechtsanwälten aus der StBVV, BRAO und dem RVG, Forderungen aus Bauleistungen gemäß VOB sowie Forderungen aus Energielieferverträgen. B2C ist letztlich auch der Oberbegriff für die damit zusammenhängenden Besonderheiten und Problematiken beim Ankauf von Forderungen gegenüber Verbrauchern. Vorgenannte Besonderheiten ergeben sich unter anderem durch AGB-Kontrollen, das Verbraucherschlichtungsverfahren, dem Widerrufsrecht sowie allen weiteren rechtlichen Facetten des Verbraucherschutzes und anderer Normen in Bezug auf natürliche Personen. Die EU-Datenschutzgrundverordnung sowie das Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU (DSAnpUG-EU) welche zum 25. Mai 2018 in Kraft treten, werden insbesondere Auswirkungen auf das B2C-Factoring26 sowie auf B2B-Factoringverhältnisse, in denen die Debitoren zum Beispiel Einzelkaufleute oder sogenannte Ein-Personen-GmbH sind, haben. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die zuständigen Datenschutzbehörden und Gerichte die neuen Regelungen tatsächlich auslegen und praktisch handhaben werden.

Im Bereich des Healthcare-Factorings ist grundsätzlich zwischen zwei Formen zu unterscheiden, und zwar zwischen Factoring bei Forderungen von Leistungserbringern gegenüber Privatpatienten, für die kein sonstiger, sozialrechtlicher Kostenschuldner (gesetzliche Krankenkasse, Sozialhilfe et cetera) existiert (also auch ein Fall des B2C-Factoring) und dem Factoring bei Forderungen von Leistungserbringern gegenüber gesetzlich versicherten Patienten. Im letzteren Fall wird der Anspruch von Leistungsempfänger gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung geltend gemacht, so dass kein Fall des B2C- Factorings vorliegt.

Ein grundsätzliches Problem im Bereich des Healthcare-Factoring ist die Handhabung von Daten aus dem hochempfindlichen Bereich der privaten Lebensführung im Bereich der Gesundheit.

Eine Abtretung von Privatforderungen kommt in Betracht, wenn eine Einwilligung vorliegt, die den entsprechenden Anforderungen genügt, zum Beispiel muss ein ausdrücklicher Bezug auf die sensiblen Daten erfolgen. Eine Abtretung ohne entsprechende Einwilligung ist ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht, welche mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit der Abtretung (§134 BGB) sanktioniert ist.27

Dagegen reicht für eine Abtretung von Kassenforderungen (Forderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung) eine Einwilligung des Patienten nicht aus, da die erforderlichen Daten dem Bereich des Sozialdatenschutzes des SGB unterliegen (vgl. Sozialgeheimnis, § 35 SGB I). Diesem ist auch der Leistungserbringer hinsichtlich der Sozialdaten verpflichtet.28 Zur Abtretung einer Kassenforderung bedürfte es daher einer Legitimation im SGB selbst. Zwar gestattet das SGB V punktuell die Einschaltung von Abrechnungsstellen, vgl. zum Beispiel § 302 Abs. 2 S. 2 SGB V. Das Factoring zeichnet sich jedoch vor allem durch die Finanzierungsfunktion aus und dient nicht allein der Auslagerung der Abrechnung. Somit kommen diese Normen als Erlaubnisnorm nicht in Betracht. Eine allgemeine Erlaubnisnorm existiert im SGB V nicht und kann wegen des überragenden Schutzes von Sozialdaten auch nicht anderweitig hergeleitet werden.29

Daher kommt beim echten Factoring eine Abtretung von Kassenforderungen nicht in Betracht, da der Factor zum Durchsetzen der Forderung auch Sozialdaten des Patienten bräuchte, die der Leistungserbringer ihm nicht übermitteln darf.

Beim unechten Factoring wird in der Literatur die Möglichkeit einer Abtretung auch bei Kassenforderungen erwogen,30 da der Factor bei Nichtleistung durch den Debitor die Forderung nicht selbst eintreibt, sondern den Forderungsverkauf mit dem Leistungserbringer rückabwickeln kann. Da er bei Abtretung der Forderung somit die Sozialdaten nicht notwendigerweise braucht, erscheint nach dieser Ansicht eine Abtretung bei Einwilligung des Patienten und unter Wahrung des Sozialgeheimnisses, zum Beispiel durch entsprechende Anonymisierung, möglich.31 Fraglich ist aber, ob diese Lösung praktikabel ist, denn wenn in dieser Fallgestaltung der Factoringkunde ausfällt, kann der Factor seine Forderung ohne Sozialdaten zum Beispiel der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber nicht geltend machen. Somit besteht das Risiko, dass die Forderung für den Factor letztlich nicht verwertbar ist.

1.5Abgrenzung zu anderen Finanzierungsformen

Factoring beinhaltet verschiedene Dienstleistungselemente, die Ähnlichkeiten mit anderen Absicherungs- und Finanzierungsformen aufweisen können. Daher ist eine Abgrenzung des Factoring zu anderen Dienstleistungs- und Finanzierungsformen auch zum besseren Verständnis der Finanzdienstleistung Factoring sinnvoll.

Nicht selten wird Factoring, auch zu Erklärungszwecken, mit dem Wechseldiskontgeschäft und der Forfaitierung verglichen. Außerdem stellt sich insbesondere aus der Sicht des anglo-amerikanischen Wirtschafts- und Rechtsraums die Frage nach der Abgrenzung zu Asset Based Securities beziehungsweise Asset Based Lending (ABS beziehungsweise ABL). Das Factoring in Deutschland weist zudem Verknüpfungen zur Zentralregulierung auf, und aus aufsichtsrechtlicher Sicht kann in bestimmten Fallkonstellationen eine Abgrenzung des Factoring als Finanzdienstleistung von Bankgeschäften wie dem Kredit- und dem Einlagengeschäft sowie zu Zahlungsdiensten nach dem ZAG erforderlich sein. Zudem ist in letzter Zeit gerade in der Rechtsprechung wiederholt die Frage nach der Abgrenzung von Factoring zu Inkassodienstleistungen nach dem RDG aufgekommen, was insbesondere zivilrechtlich für die Wirksamkeit der Forderungsabtretung relevant sein kann.

Ein Wechsel ist ein Wertpapier, welches eine unbedingte Zahlungsanweisung des Ausstellers an den Bezogenen enthält, an diesen oder an einen Dritten zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Geldsumme zu zahlen.32 Wechsel können bereits vor Fälligkeit bei einer Bank diskontiert, also vorzeitig gegen einen Zinsabschlag (Diskont) ausgezahlt werden. Beim Wechseldiskontgeschäft geht es somit um die Erzielung von Liquidität von Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen33 – genauso wie beim Factoring steht daher unmittelbar aus Außenständen eines Unternehmens zu erzielende Liquidität im Vordergrund. Im Unterschied zum echten Factoring bietet der Wechsel jedoch keinen Schutz vor dem Ausfall beziehungsweise der Insolvenz des Forderungsschuldners.

Auch bei der Forfaitierung (auch „à forfait-Geschäft“ genannt) geht es um den Ankauf von Forderungen. Es handelt sich bei der Forfaitierung jedoch um den Ankauf von Einzelforderungen und vor allem von langfristigen Forderungen, während es beim Factoring um den fortlaufenden Ankauf mehrerer Forderungen verschiedener Laufzeit geht.34 Das Factoring ist im Vergleich zur Forfaitierung somit eine langfristig ausgerichtete Finanzierungsform mit Wiederholungscharakter in Bezug auf das einzelne Element des Forderungskaufs beziehungsweise -erwerbs.

Eine weitere forderungsbasierte Form der Unternehmensfinanzierung findet sich in den Asset Backed Securities (ABS), also in durch Vermögensgegenstände vor Kapitalverlust gesicherten Wertpapieren.35 Aber auch hier bestehen Unterschiede zum Factoring: So werden bei ABS gedeckte Wertpapiere begeben, die auch der Refinanzierung dienen, und in der Regel setzt der Zedent die Forderungseinziehung fort.36 Während ABS-Transaktionen aufgrund der Dokumentationsfülle viel Zeit zur Implementierung benötigen und zudem hohe Kosten generieren, sind vergleichbar aufwändige Strukturierungen beim Factoring nicht erforderlich.37

Ähnlichkeiten bestehen zudem zwischen dem Reverse Factoring und Finetrading, jedoch unterscheiden diese sich sowohl in der Struktur als auch bei betriebswirtschaftlicher und juristischer Betrachtung: So erwirbt beispielsweise der Factor beim Reverse Factoring die Forderungen, während der Finetrader das Eigentum an den Waren erlangt; zudem werden beim Reverse Factoring grundsätzlich zwei Verträge geschlossen (mit dem Debitor und einem beziehungsweise mehreren seiner Lieferanten), während es beim Finetrading nur ein Vertrag ist.38

Der Unterschied zwischen Factoring und einer (Waren-)Kreditversicherung ist bereits mit der Hilfe weniger Details aufzeigbar: Die (Waren-) Kreditversicherung stellt eine Sicherheit für den Ernst- beziehungsweise Schadensfall dar, so dass sie keine Finanzierungsfunktion, sondern lediglich eine Schadensminderungsfunktion zu erfüllen hat. Das echte beziehungsweise Standard Factoring umfasst zwar auch die Absicherung gegen das Delkredere- beziehungsweise Ausfallrisiko im Hinblick auf den Debitor, jedoch geht diese Absicherung immer mit der Finanzierungsfunktion des Factoring einher, da der Factor durch Zahlung des Forderungskaufpreises dem Factoringkunden die entsprechende Liquidität zur Verfügung stellt – und zwar zeitlich meist weit vor Eintritt des Delkrederefalls.

Zwischen Zentralregulierung und Factoring bestehen ebenfalls gewisse Parallelen, aber eben auch Unterschiede. Unter Zentralregulierung ist ein Instrument für die Abwicklung von (Handels-)Forderungen zu verstehen: Einkaufsverbände, zum Teil auch Verbundgruppen genannt, werden zwischen die Abnehmer in das Handelsgeschäft eingeschaltet; diese Zentralregulierer regulieren dann auch in gebündelter Form die Verbindlichkeiten der angeschlossenen Abnehmer aus diesen Handelsgeschäften und übernehmen für diese Verbindlichkeiten oft auch das Delkredererisiko, das heißt den Schutz vor dem Zahlungsausfall des Abnehmers.39 Aus einer im Jahr 2003 vom Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen beauftragten empirischen Untersuchung von Verbundgruppen-Zentralen und deren Mitgliedern hat sich ergeben, dass von den 118 befragten Verbundgruppenzentralen über 24 % Zentralregulierung und Delkredereschutz extern und somit auch außerhalb des Verbunds anbieten, während über 50 % Zentralregulierung und Delkredereschutz verbundsintern anbieten.40 Dies zeigt, dass Zentralregulierer, genauso wie Factoringinstitute, das Angebot von Delkredereschutz als eines mehrerer Aufgabenfelder wahrnehmen, jedoch aus verschiedenen Perspektiven und Gründen: Während Factoringinstitute das Delkredererisiko aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem und direkt zugunsten des Factoringkunden übernehmen, beruht die Übernahme des Delkredererisikos durch den Zentralregulierer auf dessen Beziehung zum Abnehmer, also dem Debitor, für den er in gewisser Weise verantwortlich ist. Trotz dieser Unterschiede können die Übergänge fließend sein, zumal die Forderungen teilweise auf Zentralregulierer übergehen beziehungsweise ein Ankauf stattfindet.41 Daher muss es Gegenstand einer Einzelfallbeurteilung verbleiben, ob es sich bei der Tätigkeit eines Zentralregulierers bereits um erlaubnispflichtiges Factoring im Sinne des KWG handelt oder nicht.

Auch wenn Factoring eine eigenständige gesetzliche Definition in § 1 Abs. 1a Nr. 9 KWG vorzuweisen hat, so hilft diese aufsichtsrechtliche Definition nicht, alle möglichen Überschneidungen der Finanzdienstleistung Factoring mit Bankgeschäften wie dem Einlagen- oder dem Kreditgeschäft klar aufzuzeigen. Abgrenzungsschwierigkeiten können insbesondere beim Kredit- und Einlagengeschäft bestehen. Die Relevanz dieser Fragen der Abgrenzung zwischen dem Factoring als Finanzdienstleistung und vor allem dem Kredit- und Einlagengeschäft als Bankgeschäften liegt darin, dass für das Erbringen von Finanzdienstleistungen beziehungsweise Bankgeschäften verschiedene aufsichtsrechtliche Erlaubnisse erforderlich sind, die zudem auch zu verschiedenen Ausprägungen der aufsichtsrechtlichen Pflichten führen.