Fae Isles − Der Tod der Götter - Lisette Marshall - E-Book

Fae Isles − Der Tod der Götter E-Book

Lisette Marshall

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Beschreibung

Wenn ihre Liebe der Untergang aller ist. Band 3 der epischen Romantasy-Reihe «Fae Isles». Ich habe mich in den Henker der Fae-Königin verliebt. Dachte ich wirklich, das könnte gut ausgehen? Die Rebellion weitet sich aus! Endlich gibt es Hoffnung, die grausame Fae-Königin zu besiegen. Dazu muss Emelin sich auf eine riskante Reise begeben, um nach vergessenem Wissen der Götter zu suchen, mit dem sie die magischen Bindungen der Fae-Königin brechen könnte. Jene Bindungen, mit denen sie ihre Untertanen unterdrückt und auch die Stimme von Creon, Emelins Geliebten, geraubt hat. Doch dieses Vorhaben droht nur allzu schnell zu scheitern. Und nicht nur das: Der Graben zwischen Creon und ihren Freunden sitzt tief, und auch die Allianz mit ihren neuen Verbündeten gerät in Gefahr – niemand möchte an der Seite des ehemaligen Henkers kämpfen. Emelin muss sich entscheiden. Zwischen ihrer Liebe zu Creon und der Freiheit aller.

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Seitenzahl: 871

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Lisette Marshall

Fae Isles − Der Tod der Götter

Roman

 

 

Aus dem Englischen von Nina Bellem

 

Über dieses Buch

Ich habe mich in den Henker der Fae-Königin verliebt. Dachte ich wirklich, das könnte gut ausgehen?

 

Die Rebellion weitet sich aus! Endlich gibt es Hoffnung, die grausame Fae-Königin zu besiegen. Dazu muss Emelin sich auf eine riskante Reise begeben, um nach vergessenem Wissen der Götter zu suchen, mit dem sie die magischen Bindungen der Fae-Königin brechen könnte. Jene Bindungen, mit denen sie ihre Untertanen unterdrückt und auch die Stimme von Creon, Emelins Geliebten, geraubt hat. Doch dieses Vorhaben droht nur allzu schnell zu scheitern. Und nicht nur das: Der Graben zwischen Creon und ihren Freunden sitzt tief, und auch die Allianz mit ihren neuen Verbündeten gerät in Gefahr – niemand möchte an der Seite des ehemaligen Henkers kämpfen. Emelin muss sich entscheiden. Zwischen ihrer Liebe zu Creon und der Freiheit aller.

 

Wenn ihre Liebe der Untergang aller ist. Band 3 der epischen Romantasy-Reihe «Fae Isles».

Vita

Lisette Marshall – selbst groß geworden mit epischer Fantasy, Regency-Romanen und gemütlichen Krimis – schreibt am liebsten heiße und herzzerreißende Geschichten, immer versehen mit einer kleinen Prise Mord. Sie lebt zusammen mit ihrem Freund und den wenigen Zimmerpflanzen, die ihr unregelmäßiges Gießregime überlebt haben, in den Niederlanden. Wenn sie nicht gerade liest oder schreibt, findet man sie beim Zeichnen von Fantasy-Karten oder beim Backen von Keksen. Mehr Informationen sind auf ihrer Homepage (lisettemarshall.com) und auf Instagram (@authorlisettemarshall) zu finden.

 

Nina Bellem ist im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen. Nach ihrem Studium zog es sie nach Korea und Hawaii, bevor es nach Berlin ging. In der großen Stadt machte sie es sich mit Mann und Reiseführern gemütlich und wechselte vom Agenturleben in die Freiberuflichkeit. Nachdem Berlin aber zu eng wurde, ging es mitsamt Mann und Reiseführern zurück ins schöne Ruhrgebiet, wo sie auch heute noch lebt.

Impressum

Die englische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel «Ruins of Sea and Souls».

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, November 2025

Copyright © 2025 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Ruins of Sea and Souls» Copyright © 2023 by Lisette Marshall

Published by Arrangement with HERE BE DRAGONS BV

Redaktion Janina Roesberg

Karte © Andrés Aguirre

Covergestaltung SO YEAH DESIGN, Gabi Braun

Coverabbildung Jaroslaw Blaminsky/Trevillion Images; Shutterstock

ISBN 978-3-644-02419-9

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

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www.rowohlt.de

Dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Wenn du dich darüber informieren möchtest, findest du auf unserer Homepage unter www.endlichkyss.de/faeisles3 eine Content-Note.

Für Steph,

die natürlich die einzige Göttin ist, die in dieser Geschichte wirklich zählt

Kapitel 1

Ich war wieder in der Bibliothek eingeschlafen.

Als ich aufwachte, war es unheimlich still, die Felder hinter den Bogenfenstern dunkel, die endlosen Bücherregale in Schatten gehüllt. Nur die leuchtenden Kugeln, die über den Lesetischen schwebten, verbreiteten ein silbernes Licht. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass ich vor wer weiß wie langer Zeit auf einem der Tische eingeschlafen war – mit der Wange auf einem Buch und Sabber, der mir aus dem Mundwinkel floss.

Mir entkam ein verschlafenes Stöhnen. Zera sei Dank handelte es sich bei der Enzyklopädie, die mir als Kopfkissen diente, nicht um ein seltenes und uraltes Exemplar. Lyn würde mich köpfen, wenn ich darauf gesabbert hätte.

Erst nachdem ich die drängendsten Gefahren, die mir in dieser Situation drohen konnten, analysiert und verworfen hatte, bemerkte ich die Finger, die mir auf die Schulter tippten.

Ich blinzelte, um im Halbdunkel besser sehen zu können, und erkannte Creons geflügelte Silhouette, die sich über mir erhob. Das verworrene Reich meiner Träume wollte mich nur ungern loslassen, und die Realität sickerte nur langsam in mein Bewusstsein – eine Realität aus riesigen Stapeln von Notizen, tintenbefleckten Fingern und hektischem Durchblättern von Schriftrollen und ledergebundenen Büchern. Dunkle Räume. Finger. Ich mache nur einen kurzen Abstecher in den Lesesaal, hatte ich gesagt. Ich bin zurück, bevor die Lichter gedimmt werden, hatte ich gesagt.

«Oh», murmelte ich benommen. «Wie spät ist es?»

Creons Finger verschwanden von meiner Schulter. Spät, antwortete er trocken mit seinen Händen.

Ich funkelte ihn an. «Vielen Dank, darauf wäre ich auch selbst gekommen.»

Er lachte leise. Kommst du ins Bett?

Mit einem dumpfen Fluchen setzte ich mich auf und zuckte zusammen, als mein steifer Nacken, meine steifen Schultern und meine steife Wirbelsäule sofort protestierten. Das stundenlange Kauern auf diesen starren Lesehockern begann meinem Körper zuzusetzen. Die Seiten des Notizbuches, das aufgeschlagen vor mir lag, waren noch immer viel zu leer.

Vielleicht hätte ich in der vergangenen Nacht mehr als nur fünf Stunden schlafen sollen.

«Ich bin in einer Minute fertig», sagte ich und tastete fahrig nach meinem Stift. «Ich muss nur noch diese letzte Zusammenfassung fertigstellen, und dann …»

Em. Er sank neben mir auf die Knie – der Silent Death, der vor irgendjemandem kniete … Es war kein neuer Anblick für mich, schaffte es aber leider immer noch, mich zum Schweigen zu bringen. Seine linke Hand legte sich fest auf mein nacktes Knie, während die rechte seine Worte formte; seine Augen waren so dunkel wie die Nacht draußen, und darin leuchtete etwas, das ich nur als sanfte Drohung beschreiben konnte. Zeit zum Schlafen. Du hast genug getan.

«Ich bin fast fertig», wiederholte ich weniger überzeugend als gehofft. Denn als mir die Worte über die Lippen kamen, fiel mir wieder ein, dass ich ihm letzte Nacht dasselbe gesagt hatte, und die Nacht davor, und die Nacht davor.

Ich war fast fertig, aber irgendwie veränderte sich die Definition von «fertig» ständig, wie ein glitschiger Fisch, den ich einfach nicht zu fassen bekam.

Du verlierst vor Angst gerade den Kopf, formte Creon.

Die Tatsache, dass er recht hatte, ärgerte mich mehr als das Problem selbst. «Du weißt, du musst deine Schilde oben halten. Naxi wird ziemlich ungehalten sein, wenn sie erfährt, dass du wieder meine Gefühle gekostet hast.»

Meine Schilde funktionieren einwandfrei. Ein leises Lächeln huschte über seine Lippen. Aber du quälst dich und wühlst dich durch diese ganzen Fae-Texte. Ich brauche keine Dämonensinne, um zu erkennen, dass etwas nicht stimmt.

Verdammt, ich musste lachen. «Es ist nicht so, dass etwas nicht stimmt. Ich bin mir nur unsicher, ob wir genug haben, um sie zu überzeugen.»

Entweder es reicht oder es reicht nicht, Em. Er nahm seine Hand von meinem Knie und richtete sich auf, machte es sich an der Schreibtischkante bequem. Seine dunklen Flügel waren hinter seinem Rücken ausgebreitet, ein Schutzschild zwischen mir und der Welt – sie verbargen uns beide, hier in unserem Kokon aus Dunkelheit, während über unseren Köpfen nichts weiter war als die silberne Lichtkugel, die die Schatten in Schach hielt. Wir können in diesen letzten wenigen Stunden ohnehin nichts mehr tun, das irgendeinen Unterschied machen würde.

Unter anderen Umständen wäre das vielleicht beruhigend gewesen, wäre da nicht dieser nagende Verdacht in mir, dass meine Sache bereits zum Scheitern verurteilt war, noch bevor ich wirklich angefangen hatte. Nur noch wenige Stunden. Und dann würden sich unsere Freunde und Verbündeten wieder im Flügel der Wanderer versammeln und die Pläne und Informationen miteinander austauschen, die wir in den letzten zwei Wochen geschmiedet und zusammengetragen hatten …

Und ich würde ihnen meinen Vorschlag unterbreiten müssen.

Meinen verzweifelten, unmöglichen Vorschlag.

Ich hatte meine Rede vor den anderen bereits zweimal verschoben. Vor einem Monat hatte ich mir eingeredet, ich hätte mich noch nicht durch genug Texte gewühlt und dass es da draußen möglicherweise noch mehr Informationen geben könnte. Vor zwei Wochen hatte ich mir eingeredet, ich hätte noch keine zufriedenstellende Argumentationslinie ausgearbeitet und dass niemand dieses chaotische Durcheinander von Problemen ernst nehmen würde, das ich ihnen in den Schoß werfen wollte, und dass ich ihnen zumindest ein strukturiertes Durcheinander präsentieren sollte, wenn ich schon dabei war, für Aufruhr zu sorgen.

Mittlerweile hatte ich strukturiert und geplant, Argumente und Gegenargumente ausgearbeitet, bis mir der Kopf schwirrte, und es schien immer noch nicht annähernd genug zu sein.

Ich nehme nicht an, dass du plötzlich einer Meinung mit mir bist, wenn ich sage, wir müssen sie überhaupt nicht darüber informieren?, bedeutete mir Creon und las, wie immer, meine Gedanken.

«Das können wir nicht machen», widersprach ich scharf. Wenn wir es nur könnten – verdammt, ich wünschte mir, wir könnten es. «Du weißt, wie sehr sie sich auf mich verlassen. Wenn ich plötzlich verschwinde …»

Er zuckte mit den Schultern. Du gehst nicht für immer.

«Sie werden nicht wissen, wie sie uns erreichen können. Was sollen sie machen, falls in der Zwischenzeit etwas passiert?»

Das war eine begründete Sorge, und das wussten wir beide – die Neuigkeiten, die Beyla uns beim Frühstück erzählte, wurden mit jedem Tag beunruhigender. Die Leute der Mutter flogen auf die menschlichen Inseln und drohten bei jedem Anzeichen von Verrat sofort mit dem Tod. Auf den nördlichen Inseln rüsteten sich die Alben zum Kampf. Magische Konvois kamen in den Untergrund und handelten neue Bündnisse aus. Es konnte Wochen dauern, bis die Mutter ihren ersten Schlag ausführte – wenn wir Pech haben, sogar nur wenige Tage – und wenn unsere Nachforschungen der letzten Wochen auch nur annähernd zutreffend waren, braucht die Allianz mich vielleicht mehr, als sie selbst ahnte.

Sich unter diesen Umständen wegzuschleichen … Selbst das Versprechen, das ich gegeben hatte, war das nicht wert.

Ich weiß, formte Creon, bevor ich irgendetwas davon in Worte fassen konnte. Du willst sie fragen. Ich sage nicht, dass das eine schlechte Idee ist. Nur … Er zögerte und suchte offenbar nach einem Weg, wie er das so wenig beleidigend wie möglich sagen konnte. Vergiss nicht, dass du das Ganze nicht abblasen musst, nur weil sie dagegen sind.

Denn sie konnten mich kaum an mein Bett ketten. Schließlich blieb uns immer die Wahl, die Meinungen unserer Verbündeten zu ignorieren und uns mit irgendwelchen Tricks wieder an die Oberfläche zu bringen, egal, ob uns gerade ein immer näher kommender Krieg drohte oder nicht.

«Es würde die Sache jedoch verkomplizieren», sagte ich und atmete tief ein – ein Atemzug, der lieber ein lautes Fluchen gewesen wäre, aber ich hielt mich zurück. «Also riskieren wir es lieber nicht. Ich werde nur noch diese letzte Abhandlung lesen, und dann …»

Er schlug das Buch zu.

«Hey!» Ruckartig richtete ich mich auf. «Ihr könnt mich nicht einfach wie ein ungehorsames Kind ins Bett schicken, Eure Hoheit!»

Ich schicke dich nicht ins Bett. Sein Lächeln wirkte gierig durch die scharfen Schatten, die über sein Gesicht jagten; er spreizte seine Flügel noch weiter, wie von silbernem Licht beschienener Samt, der sich träge ausbreitete. Ich locke dich ins Bett. Das ist etwas ganz anderes.

Schnaubend stützte ich mich mit den Ellbogen auf dem Schreibtisch ab. «Alles, was du bisher anlockst, sind meine Fäuste, die in deinem Gesicht landen wollen.»

Ein Grinsen huschte über seine Lippen. Das zählt als Vorspiel, oder nicht?

«Bastard.» Das Wort kam einen Hauch zu heiser heraus. «Hör auf, mir im Weg zu stehen. Ich tue das immerhin für dich, falls du das vergessen haben solltest.»

Ich habe es nicht einen einzigen Herzschlag lang vergessen, bedeutete er mir, und er wirkte wieder ernst. Und du weißt, wie dankbar ich dir bin. Wenn du den Vorschlag morgen vorträgst und sie nicht zustimmen, werde ich immer noch dankbarer sein, als ich es jemals in Gesten beschreiben könnte.

Gesten. Nicht Worte. Denn wenn ich versagte …

Zur Hölle, ich sollte jetzt nicht darüber nachdenken. «Warum lässt du mich dann nicht einfach zu Ende lesen? Ich verspreche, dass ich ins Bett komme, sobald ich fertig bin!»

Er zögerte, dann rieb er sich mit der einen Hand über das Gesicht, hielt mit der anderen die Kante des Schreibtischs umklammert. Unter seinen Fingernägeln waren Spuren von etwas Dunklem – getrocknetes Blut, wie mir mit einem mulmigen Gefühl im Magen klar wurde. Vielleicht sollte ich doch besorgter darüber sein, dass er sich Edoreds Training angeschlossen hatte, auch wenn der Alb sehr laut und überzeugend geschworen hatte, dass er dem unerträglichen geflügelten Mistkerl, der mein Leben während der Schlacht am Goldenen Hof gerettet hatte, keinen bleibenden Schaden zufügen würde.

«Ich will nur sichergehen, alles getan zu haben, was ich hätte tun können», sagte ich schwach. «Ich will nicht, dass sie ablehnen und ich dann das Gefühl habe, ich hätte es besser machen können, wenn ich mich nur etwas mehr angestrengt hätte.»

Das Beste, was du tun kannst, ist schlafen. Er hob eine Hand und brachte meinen aufkeimenden Protest damit sofort zum Schweigen. Em, ich mache das schon länger, als du am Leben bist. Intrigen schmieden. Pläne machen. Versuchen, jede Variable, jede Möglichkeit, die schiefgehen könnte, zu berücksichtigen. Schlafmangel hat meine Erfolgschancen noch kein einziges Mal verbessert.

Ich wollte ihm sagen, dass ich überhaupt nicht müde war, musste dabei aber ein Gähnen unterdrücken. Demonstrativ lehnte er sich auf dem Schreibtisch zurück und hob eine Augenbraue.

Also?

Irgendetwas an seinem Anblick ließ die Aussicht auf weitere Stunden voller Fae-Literatur im Handumdrehen weniger attraktiv erscheinen. Verdammt, brauchte ich diese verdammte Abhandlung wirklich? Ich hatte die Kapitel über die letzten Tage, in denen der Kontinent noch bewohnbar war, etwa fünfmal gelesen. So wie er auch. Wenn er glaubte, dass ich nicht noch mehr Informationen brauchte, wer war ich dann, ihm zu widersprechen?

Und in seinem Bett warteten weiche Decken auf mich, starke Arme und das beruhigende Funkeln der Fae-Lichter in seinem Zimmer.

«Wenn Lyn oder Tared oder der verdammte Agenor mehr Details zu Sophronias Studie über die Seuche haben wollen», murmelte ich, während ich von meinem Hocker aufstand, «dann weiß ich, wem ich die Schuld geben kann, wenn ich sie ihnen nicht geben kann.»

Seltsamerweise schien ihn diese Drohung überhaupt nicht abzuschrecken. Ich verspreche, dass ich dich dann eindringlich um Verzeihung anflehen werde.

Ich versuchte dennoch, ihm eine zu verpassen.

Er wich nicht einmal aus. Es war egal, wie schnell ich auch war, seine Finger waren wie immer schneller, er fing mein Handgelenk noch in der Luft auf und stoppte meinen Schlag. Zwischen meinen Fingerknöcheln und seinen scharf geschnittenen Wangenknochen befanden sich nur wenige Zentimeter Abstand. Seine freie Hand legte sich um meine Taille und zog mich eng an ihn heran; sein Daumen rieb in langsamen Kreisen über mein Handgelenk, und diese Berührungen schickten ein intensives Kribbeln meinen Arm hinauf.

An jeder Stelle, an der unsere Körper sich berührten, breitete sich Wärme aus. Ich hatte ohnehin nicht vorgehabt, fest zuzuschlagen.

«Ich dachte, du wolltest, dass ich schlafen gehe?», brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Er ließ meine Taille los, seine Finger lagen aber immer noch unerbittlich um meinen Unterarm. Ich dachte, das wäre eine freundlichere Art, dich dazu zu bekommen. Ein Kichern. Aber sag mir Bescheid, wenn du es vorziehst, dass ich dich aus der Bibliothek schleife, während du schreist und um dich schlägst.

«Du willst mich wieder entführen? Wie typisch für einen Fae.»

Das ist eine subtile Kunst, die nur wenige Menschen zu schätzen wissen. Er schaffte es irgendwie, bescheiden auszusehen, als er die Worte mit seinen Händen formte. Etwas, das unmöglich sein sollte, so wie ein preisgekrönter Bulle unmöglich schwach wirken konnte. Es wird dich freuen zu hören, dass du mein Lieblingsopfer bist, mit Abstand.

Ich schnaubte, und mein letzter Widerstand löste sich in Luft auf. «Schleimer.»

Als Antwort nahm er mich in seine Arme und drückte mich so mühelos an seine harte Brust, dass ich nicht einmal Zeit hatte zu quieken. Seine Arme unter meinen Knien und meinem Rücken waren wie ein Käfig – ein starker, sicherer Käfig, der meine müden Glieder dazu brachte, sich endlich zu entspannen. Dass ich die Bücher auf dem Lesetisch liegen lassen konnte und mich auf nichts anderes konzentrieren musste als auf den langsamen Schlag seines Herzens unter seinen Rippen und die Wärme seines Atems, als er sich vorbeugte, um mich auf die Stirn zu küssen.

Es war gefährlich, mich ihm hinzugeben … aber dennoch stockte mir der Atem, und mein Körper wurde schwach in seinem Griff.

Mit angezogenen Flügeln bewegte er sich mühelos durch das Labyrinth der Bücherregale und schlich aus dem Raum, ohne dass auch nur die Scharniere der Tür knarrten. Er lief weiter durch die verlassene Haupthalle und schließlich ganz aus der Bibliothek zu den öffentlichen Bereichen des Untergrunds, wo nur die schwachen Alb-Lichter in den Ecken die tiefste Dunkelheit fernhielten. Dabei gab er keinen Laut von sich. Selbst mit meinem zusätzlichen Gewicht bewegten sich seine Füße leise wie die Pfoten einer Katze über den Stein und trugen uns mit einer Leichtigkeit von Schatten zu Schatten, als hätte er das schon tausendmal gemacht.

Ich lag sicher in seinen Armen, hatte meinen Kopf müde an seine Brust gelehnt, und es schien, als würde ich auf Schwaden der Dunkelheit dahintreiben, unsichtbar, wie eine Abendbrise. Ein paar Dutzend Meter weiter kreuzte eine Gruppe rauflustiger Alben unseren Weg. Ein Vampir schlenderte vorbei, Ziegenblut rann ihm über das Kinn. Keiner von ihnen bemerkte uns. Hätten wir ihnen etwas antun wollen, hätten sie es erst bemerkt, wenn Creons Dolche bereits ihren Weg zwischen ihre Rippen gefunden hätten.

Selbst hier, umgeben von Verbündeten in der relativen Sicherheit des Untergrunds, wäre das immer die Rolle, die ihm am vertrautesten war – ein einsamer Jäger, der durch die Nacht streifte und keiner Königin oder Krone Gehorsam schuldete.

Er trug mich weiter, bis wir die mit Runen bedeckte Eingangstür des Hauses der Familie Skeire erreichten. Dort stellte er mich auf die Füße und zog den Schlüssel aus der Tasche, den Tared ihm nur widerwillig bei unserer Rückkehr in den Untergrund vor drei Monaten gegeben hatte. Das Wohnzimmer war dunkel, als wir hineinschlichen. Beylas Karten und Lyns Bücher auf dem Tisch zeugten davon, dass nicht nur ich mich auf das morgige Treffen vorbereitet hatte. In den Schatten bewegte sich nichts, doch die allgegenwärtige Gefahr, dass plötzlich ein Alb draus hervortrat, hing noch immer über unseren Köpfen. Auf Zehenspitzen schlich ich einen sicheren Meter hinter Creon, bis wir sein Zimmer erreichten.

Erst nach ein paar vorsichtigen Blicken über meine Schulter folgte ich ihm. Soweit ich wusste, war Lyn immer noch die Einzige, die wusste, wo ich meine Nächte verbrachte – und wenn ich die Gelegenheit bekommen wollte, die anderen morgen von meinem Vorschlag zu überzeugen, musste ich aufpassen, dass sie nicht ausgerechnet heute Nacht herausfanden, dass ich nie in meinem eigenen Zimmer schlief.

Em, formte Creon und blickte mir dabei in die Augen. Hör auf, dir solche Sorgen zu machen.

«Ich mache mir keine Sorgen», flüsterte ich, aber mir schnürte sich die Kehle zu. «Es wäre nur verdammt ungünstig, wenn Edored ausgerechnet jetzt hier hereinschwinden würde, während ich dir das Gesicht abknutsche.»

Ich kann dir garantieren, er hat in seinem Leben schon Schlimmeres gesehen. Seine Haltung war täuschend lässig, er lehnte an der Wand, die Flügel hingen locker herab. Sein Lächeln schaffte es fast, mich dazu zu bringen, ihm das abzunehmen. Aber wir hatten dieses Gespräch schon so oft geführt, und er formte die Worte zu schnell, als dass ich glauben könnte, dass er wirklich so unberührt war, wie er tat. Eines Tages werden sie es sowieso herausfinden. Warten wird es nicht besser machen.

«Vielleicht doch!» Auch das hatte ich schon mehr als einmal gesagt – hatte ihn angefleht, es zu verstehen. In den nächsten Monaten konnte sich noch so viel ändern. Möglicherweise hatten wir in ein paar Monaten bereits diese verrückte Mission hinter uns, oder wir hatten sie aufgegeben. Unsere Verbündeten würden ihm vielleicht mehr vertrauen. Sie würden vielleicht ein wenig mehr Vertrauen in meinen gesunden Menschenverstand haben.

Möglicherweise hatten wir dann schon diesen ganzen verdammten Krieg hinter uns, zumindest das Schicksal der Welt würde nicht mehr auf meinen verdammt schmalen Schultern lasten.

Seine eigenen Schultern verkrampften sich, als er mich betrachtete. Er wusste, woran ich dachte, auch ohne dass ich nur ein Wort gesagt hätte. Sie hassen mich sowieso, hatte er gesagt. Können wir nicht also damit aufhören, uns selbst das Leben zu erschweren, wenn ohnehin schon die ganze Welt darauf aus ist, es uns schwer zu machen?

Darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken. Nicht, wenn der nächste Morgen wie ein riesiger Felsbrocken am Rande meines Geistes lauerte.

«Wollen wir einfach schlafen gehen?», hauchte ich. «Du wolltest, dass ich meine Nachtruhe bekomme. Es wird bessere Momente geben, um über all das zu sprechen.»

Er seufzte. Aber er hielt mir die Tür auf.

Der Raum dahinter war beruhigend vertraut, eine Mischung aus der schnörkellosen Architektur des Untergrundes, einfachen Möbeln und brandneuen Spuren von Fae-Magie. Die meisten Möbel waren seit unserer Ankunft unverändert geblieben, viel raues Holz und viel Stoff. Aber die Alb-Lichter waren verschwunden, und an ihrer Stelle breitete sich nun ein ruhiges Leuchten hinter dem Buntglas aus, das Creon in die Deckengewölbe eingelassen hatte, und tauchte den Raum in rauchige Töne von Indigoblau und Taubengrau. Ein beeindruckendes Waffenarsenal lag sorgfältig angeordnet in einer Ecke; auf dem Schreibtisch und den Sesseln stapelten sich Bücher und Schriftrollen, die wir in den letzten Wochen studiert hatten.

Ich schluckte einen weiteren Klumpen Nervosität hinunter. All diese Arbeit, und sie könnte vollkommen umsonst gewesen sein.

Creon reagierte nicht sofort, als mich dieses Gefühl überkam – noch etwas, das sich in letzter Zeit verändert hatte. Seine Schutzschilde waren seit unserer Rückkehr aktiv – aktiv und stark genug, um meine Gefühle auch aus einer so geringen Entfernung von ihm fernzuhalten. Heute aber reagierte er doch auf mich binnen weniger Herzschläge: Als er die Tür schloss und sich wieder zu mir umdrehte, verengten sich seine Augen sofort angesichts der Anspannung in meinem Gesicht.

Immer noch nicht überzeugt von dem unerschöpflichen Brunnen meiner Weisheit?, formte er.

Ich stieß ein Lachen aus. «Derselbe unerschöpfliche Brunnen, der dich dazu gebracht hat, ausgerechnet mit Edored zu trainieren?»

Reine Vorsichtsmaßnahme. Er zuckte mit den Schultern, als er an mir vorbeiging und begann, sein Hemd mit der linken Hand aufzuknöpfen. Dabei bewegten sich seine Finger so schnell, dass es aussah, als würden sich die Tintenlinien unter seiner Haut verschieben. Ich glaube nicht, dass er morgen zum Treffen kommt.

Ich starrte ihn an.

Er öffnete den Verschluss seines Hemdes auf seiner Vorderseite, dann den unter seinen Flügeln, und streifte den dunklen Stoff dann einfach ab. An den meisten Tagen würde das Entblößen seiner sündhaft muskulösen Brust ausreichen, um mich von der anstehenden Diskussion abzulenken, aber meine anhaltende Panik und das Gefühl der Alarmbereitschaft, das mich immer begleitete, sobald Edored ins Spiel kam, lenkte mich kurzzeitig von Creons mit Tinte gezeichneten Muskeln ab.

«Was?»

Ich lasse dich nicht die ganze Arbeit allein machen, fügte er trocken hinzu, während er das Hemd über den nächsten Sessel warf.

«Du …» Verblüfft holte ich Luft. «Du hast ihn dazu gebracht, dich beim Training herauszufordern … damit du … was tun konntest? Ihm den Schädel einschlagen?»

Er hob amüsiert eine seiner mit Narben tätowierten Augenbrauen. In der Regel gehe ich subtiler vor.

«Subtil heißt also, du hast ihn auf andere Weise und viel tiefer verletzt», sagte ich, und noch während ich sprach, wurde mir klar, was er getan hatte. «Damit er wie üblich zu viel trinkt, um den Schmerz zu betäuben, dann tief und fest schläft und morgen nicht rechtzeitig wach wird? Ihr Götter, Creon.»

Sein Lächeln rief mir wieder in Erinnerung, warum erwachsene Männer in der Welt über uns allein beim Klang seines Namens erschauderten. Der Silent Death war wieder am Werk – ich hätte es wissen müssen. Er hatte nicht Jahre damit verbracht, die Mutter direkt vor ihrer porzellanweißen Nase immer wieder zu sabotieren, nur um dann tatenlos dabei zuzusehen, wenn eine Handvoll verärgerter Alben drohte, Monate der Arbeit zunichtezumachen.

«Na ja.» Ich ließ mich auf die Bettkante fallen und begann, meinen Zopf mit abgehakten Bewegungen zu lockern, und grinste ihn dabei schief an. «Ein Gegner weniger, um den ich mir Sorgen machen muss. Ich werde einfach so tun, als würde das deine fragwürdigen Methoden rechtfertigen.»

Ich habe nie behauptet, ein Mann von makelloser Moral zu sein, formte er und ging auf ein Knie, um seine Messer aus den Stiefeln zu ziehen, und dann die Schuhe selbst aufzuschnüren. Eine Zeit lang waren seine Finger mit diesen Aufgaben beschäftigt; dann fügte er freundlich hinzu: Aber wenn du dich wegen des Bastards sehr schuldig fühlst, kannst du ihn morgen früh gerne mit einem Spiegelei und Ingwertee wecken.

Ich schnaubte. «Ich werde ihm Ingwertee machen, wenn er zwei Stunden nach Mittag aufwacht und wir das Treffen bereits hinter uns haben. Hast du noch jemanden in irgendwelchen Abstellkammern angekettet oder bewusstlos auf den Feldern zurückgelassen?»

Creon seufzte und schüttelte den Kopf, während er seine Stiefel beiseiteschob und die Flügel hinter seinem nackten Rücken spreizte.

«Wie überaus freundlich von dir.»

Der Glanz in seinen dunklen Augen war alles andere als freundlich. Glaub bloß nicht, dass ich nur aus Freundlichkeit darauf verzichtet habe. Aber es würde Fragen aufwerfen, wenn die Hälfte der Gruppe morgen nicht auftauchen würde.

«Mm-hm», erwiderte ich und nickte ernst. «Und das ist der einzige Grund, der dich davon abhält, sie alle zu töten, ohne auch nur einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, natürlich nur um unserer Pläne willen.»

Natürlich. Er ließ sich neben mir auf dem Bett nieder und schlug die Beine übereinander, sah mir tief in die Augen. Der Ausdruck in seinen war halb amüsiert, halb ernst. Manchmal scheint es, als würdest du die verdorbenen Tiefen meiner Seele nicht einmal halb so ernst nehmen, wie du solltest, Kaktus.

Ich legte den Kopf schief, mein offenes Haar fiel mir in Strähnen über meine Schultern. «Ach ja. Dein steinernes Herz, das unfähig ist, Liebe oder irgendein Gefühl zu empfinden. Wie dumm von mir, das zu vergessen.»

Er lächelte nicht. Ich kann nicht leugnen, dass ich ein mieser Bastard bin.

«Natürlich bist du ein mieser Bastard.» Meine Worte wurden von dem Stoff meines Kleides halb erstickt, das ich mir gerade über den Kopf zog; der grüne Stoff roch leicht nach Tinte und Schweiß und dem Tee, den ich an diesem Morgen auf meinem Schreibtisch verschüttet hatte. «Heute beim Abendessen hast du aber dennoch über Hallthors Witze gelacht.»

Jetzt kicherte er tatsächlich, auch wenn in dem gehauchten Laut nur wenig Humor lag. Zugegeben, seine Imitation von Naxi war erschreckend treffend.

«Er kann sie wirklich gut nachmachen. Und du magst einige von ihnen, so sehr du es auch abstreiten magst.»

Er schloss die Augen. Wollten wir nicht schlafen?

«Wollten wir», gab ich zu, während ich meine Unterwäsche auszog und in eine Ecke warf. «Brauchst du Hilfe dabei, die Hose auszuziehen?»

Er brauchte keine, aber ich hatte unanständig viel Spaß dabei, ihm dennoch dabei zu helfen, den festen schwarzen Stoff herunterzuziehen, um Zentimeter für Zentimeter seine muskulösen Oberschenkel und Waden zu enthüllen und die Stellen zu küssen, an denen sich die Venen und Sehnen unter seiner Haut wölbten. Als ich ihm schließlich auch noch das letzte Kleidungsstück abstreifte, war sein halb harter Schwanz bereits vollständig steif geworden.

Beim Anblick seiner halb geschlossenen Lider ließ meine Nervosität ein wenig nach.

Schlafen?, formte er mit seinen Fingern, als ich auf seinen Schoß kletterte und mich rittlings auf ihn hockte.

«Bist du sicher?», murmelte ich.

Zur Antwort küsste er mich.

Wir fanden uns schnell, es war völlig chaotisch, und endete irgendwie damit, dass ich mir sein Sperma aus dem linken Auge wischte, während wir lachend und keuchend ins Bett fielen. Für ein paar Sekunden schien nichts anderes auf der Welt von Bedeutung zu sein, selbst die Möglichkeit des Scheiterns war nicht mehr als ein ferner Gedanke am Rand meines Bewusstseins.

Dann löschte Creon mit ein paar schnellen Handbewegungen das Licht, und in der Dunkelheit der Nacht wurde mir wieder bewusst, wie wichtig der morgige Tag war.

Das Gefühl seines Körpers in meinen Armen war mir vertraut. Ebenso die Art und Weise, wie sich seine Brust hob und senkte, wenn er sich an mich schmiegte, die samtige Weichheit seiner Haut und seine rauen Schwielen waren mir vertraut, genau wie seine Muskeln, die sich bei jeder Bewegung unter der Bettdecke anspannten. Die Berührung seiner Flügel, die er um mich schlang, um mich vor der Welt da draußen zu beschützen, war mir vertraut, ebenso das Gefühl, dass er mich nie mehr loslassen wollte.

Aber am meisten war mir die Stille vertraut.

In der Dunkelheit, in der seine Gesten und Zeichen verborgen blieben, war er wieder einmal vollständig still, da war nichts weiter als das Flüstern seines Atems und seine Hände auf meinem Körper, mit denen er mir mitteilen konnte, was auch immer in seinem messerscharfen Verstand vor sich ging. Und natürlich beschwerte er sich nie. Natürlich hatte er mir gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen. Natürlich hatte er nie wiederholt, was ihm vor drei Monaten im Wasser der Sonnenstein-Bucht versehentlich herausgerutscht war, nämlich dass er seine Stimme verzweifelt vermisste. Aber alles, was er nicht sagte, hallte durch die Schatten der Nacht, und nachdem sein Atem bereits ruhig und tief geworden war, lag ich noch viel zu lange wach. Meine Gedanken überschlugen sich, weil ich wieder und wieder meine Pläne und Argumente durchging.

Sie könnten sagen, dass ich mir unnötig Sorgen machte.

Sie könnten sagen, dass keine meiner Theorien einen Sinn ergab.

Sie könnten …

Aber es war zu spät, und ich war zu müde. Eine bleierne Schwere erstickte meine Gedanken, lockte sie zurück in das Reich der Träume. Ohne irgendeinen meiner Pläne zu Ende gebracht zu haben, schlief ich ein und glitt in den nächsten Tag. Den Tag, der mein Versprechen vielleicht zunichtemachen würde.

Kapitel 2

Selbst nach Monaten voller Treffen – selbst nachdem er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um die Erlaubnis des Rates zu bekommen, dass er bei meiner Geburtstagsfeier dabei sein durfte – war es immer noch seltsam, Agenor in den vertrauten Räumen des Flügels der Wanderer zu sehen. Mit seiner Schlange Oleander um seine Schultern und seinem Seidenhemd, das ihm perfekt stand. Gerade blätterte er in einem Reisetagebuch, als Beyla mit Creon und mir in den lichtdurchfluteten Saal schwand, in dem die Treffen immer stattfanden. Thorir, der ihn vom Goldenen Hof abgeholt hatte, war nirgends zu sehen. Höchstwahrscheinlich war er schnell zur Burg zurückgekehrt, um ein Auge auf die anderen dort stationierten Alben zu werfen.

«Morgen, Em.» Agenors Lächeln war müde, aber aufrichtig, ein Hauch von Weichheit lag darin, bei dem ich nicht wusste, wo ich hinsehen sollte. Es verschwand jedoch aus seinem Gesicht, sobald er sich Creon zuwandte, der nicht mehr als ein knappes Nicken als Begrüßung erhielt.

«Morgen», erwiderte ich. «Was machen die Schiffe?»

Damit meinte ich die Flotte der Mutter, die vor etwa drei Wochen mitten in der Nacht am Goldenen Hof aufgetaucht war und seither die Insel belagerte. Seitdem war es keinen neuen Verbündeten gelungen, die Burg zu erreichen, was vermutlich die Absicht hinter dieser Belagerung war; wie sowohl Creon als auch Agenor vorausgesagt hatten, hatte die Flotte bisher keinen Versuch unternommen, die Burg direkt anzugreifen.

Noch nicht.

«Alles friedlich, wie immer», erwiderte Agenor und zuckte mit den Schultern, als ob ein Dutzend Kriegsschiffe, die ihn auf seiner Insel gefangen hielten, kein Grund zur Sorge wären. «Die größte Herausforderung besteht darin, unsere Alben davon abzuhalten, sie anzugreifen. Was hast du in den letzten Wochen gemacht?»

«Trainiert. Gelesen.» Bindungen der Mutter gelöst – aber in ein paar Minuten würde er das alles ohnehin erfahren, und es gab keinen Grund, ihm die Überraschung zu verderben. Die schiere Unvorstellbarkeit meines Plans war möglicherweise der einzige Vorteil, den ich hatte. «Nichts Ungewöhnliches.»

Er sah aus, als wollte er etwas sagen, aber in diesem Moment flatterte Naxi in einem Wirbel aus Puderrosa und hohem Gequietsche herein, und er schritt an mir vorbei, drückte dabei sanft meine Schulter. Lyn und Tared tauchten einen Moment später auf, begleitet von Cas, einem schlaksigen, sommersprossigen Phönix, der in diesem Lebenszyklus in seinen frühen Zwanzigern zu sein schien. An ihren Blicken in meine Richtung erkannte ich, dass sie über mich gesprochen haben mussten, aber Tareds kurzes Grinsen und Lyns fröhliche Begrüßung verrieten mir nicht, worüber.

Mir gefror das Blut in den Adern. Gab es etwas, das ich übersehen hatte?

Da sich der Großteil der inoffiziellen Regierung des Untergrunds in Hörweite befand, war dies ein schlechter Zeitpunkt, um nachzufragen. Also schluckte ich meine Nervosität, die mir laut in den Ohren dröhnte, herunter und setzte mich neben Creon an den Kartentisch. Er lümmelte sich mit dieser sorgfältig einstudierten Gleichgültigkeit in seinen Sessel. Diese legte er immer an den Tag, wenn ich ihn in einen Raum schleppte, in dem sich auch Tared oder Agenor befanden – als wäre er unbesiegbar, und diese Haltung erstickte bereits von Anfang an alle verächtlichen Blicke und scharfen Bemerkungen im Keim.

Valeska schlüpfte in den Raum, lila Haare wanden sich um das kleine Geweih der Nymphe. Nenya folgte kurz darauf, in ihrem schwarzen Korsett aus Spitze und Leder wirkte sie förmlicher als sonst. In Creons Augen lag ein verdächtiger Glanz, als er ihr mit Blicken folgte, ein Ausdruck, der darauf hindeutete, dass ihre steifen Schultern Symptome eines größeren Problems waren – aber bevor ich fragen konnte, schlug Naxi mit dem flauschigen Ärmel ihres Pullovers nach ihm und zischte: «Schilde!»

Creon rollte mit den Augen, und sie lachte laut auf und tätschelte ihm gönnerhaft den Kopf. Es wirkte, als würde ein kleines Lamm einen schwarzen Panther auslachen, nur dass das Aufblitzen ihrer scharfen Zähne, als sie lächelte, so gar nichts mit einem unschuldigen Lamm gemein hatte.

«Man darf nicht nachlässig werden», sagte sie fröhlich und fügte dann mit leiserer Stimme hinzu: «Aber ja, sie ist wegen irgendetwas furchtbar aufgebracht.»

Ich blickte zu Nenya, für mich wirkte sie nicht so sehr aufgebracht, sondern eher wütend, als sie entschlossen die mit Karten bedeckten Wände anstarrte. Hinter ihr wandte sich Lyn von ihrem eindringlich geflüsterten Gespräch mit Tared und Cas ab und sah mich an. Obwohl sie keine dämonischen Kräfte besaß, war ihr Nenyas Gemütszustand offenbar auch aufgefallen.

«Sollen wir anfangen?», fragte sie laut und unterbrach damit die höfliche Unterhaltung zwischen Valeska und Agenor neben den Bücherregalen.

Nenya schreckte aus ihren Gedanken auf, als hätte jemand sie wachgerüttelt. «Warten wir nicht auf Edored?»

Zu meiner Zufriedenheit war er beim Frühstück nicht anwesend gewesen, und selbst Tared klang nicht misstrauisch, als er etwas von zu viel Met murmelte, und dass er ganz sicher nicht seinen Hals riskieren wollte, nur um seinen halb betrunkenen Cousin zu wecken. Nenya sah bei dieser Erklärung jedoch äußerst missmutig aus, ihre hellroten Lippen waren so fest zusammengepresst, dass ich die Umrisse ihrer Fangzähne dahinter erkennen konnte.

«Hast du schlechte Nachrichten?», fragte Lyn vorsichtig.

«Sieht so aus.»

Der Rest der Menge nahm daraufhin schnell Platz – Naxi und Valeska an Creons Seite, Agenor und Beyla neben mir, Lyn, Cas und Tared auf der anderen Seite des Tisches.

Nenya warf einen letzten Blick zur Tür, als könnte Edored doch noch unerwartet auftauchen, und sagte dann: «Ich bin letzte Nacht von Ubrit zurückgekehrt.»

Eine der Inseln, die von Vampirgemeinschaften bewohnt wurden, die eher unter sich blieben, und eine der wenigen, deren Herrscher sofort zugestimmt hatte, sich dem Kampf gegen das Imperium anzuschließen, ohne sich um die Sicherheit seiner Leute oder der drohenden Vergeltung durch die Mutter zu sorgen. Aber dann sagte Nenya heiser: «Der König hat doch Zweifel.»

Die einzige Antwort, die darauf folgte, war entsetztes Schweigen.

«Ich hatte nicht einmal vor, mich mit ihm zu treffen», fuhr sie fort und schloss die Augen, ließ sich auf ihren Stuhl sinken. «Aber ich habe in den letzten drei Tagen ein paar andere Inseln besucht, wie ihr es mir aufgetragen habt, und plötzlich waren alle sehr viel zurückhaltender, was ihre Unterstützung anging. Darum habe ich mich gefragt …»

«Hat die Mutter sich eingemischt?» Lyns Stirn war so tief gerunzelt, dass man kaum noch die Sommersprossen darauf erkennen konnte.

«Nein. Bakaru.»

Die anderen am Tisch versteiften sich kollektiv – verdammt, sogar Agenor. Bakaru. Ein Name, den ich noch nie gehört hatte … aber er kam wie ein Fluch über Nenyas Lippen.

«Wer?», fragte ich und fühlte mich dabei erbärmlich jung.

«Seine Majestät, Bakaru Sefistrim, König der Könige und theoretisch der Herrscher über alle verbliebenen Vampirdomänen.» Nenya sah mir dabei nicht in die Augen. «Außerdem zufällig auch mein Geber.»

«Dein …»

«Er hat mich zum Vampir gemacht», unterbrach sie mich mit ungewöhnlicher Ungeduld.

«Oh», machte ich verlegen. Der Ton in ihrer Stimme ließ darauf schließen, dass die Beziehung zwischen ihnen nicht unbedingt die beste gewesen war – furchtbar aufgebracht, hatte Naxi geflüstert. Waren die Komplikationen für die Allianz der Grund für ihren Gefühlsaufruhr, oder die Tatsache, dass Seine Majestät damit zu tun hatte?

«Also lebt er noch?», murmelte Agenor, und Tared brummte etwas, das verdächtig nach leider klang.

Nenya warf den beiden einen finsteren Blick zu. «Er hat die letzten Jahrhunderte in Gar Temen verbracht. Die meiste Zeit über kümmert er sich nicht um weltliche Angelegenheiten. Ich hatte nicht erwartet, dass er überhaupt eine Meinung zu all dem hat.»

«Worüber ist er genau verärgert?», fragte Cas vorsichtig.

«Keine Ahnung. Die Leute auf Ubrit waren extrem vage, wiederholten nur immer wieder, dass sie neue Informationen erhalten hätten und dass sie ihre Verpflichtungen gegenüber einer höheren Autorität nicht außer Acht lassen dürften. Es könnte sein, dass Bakaru nicht besonders glücklich mit den Plänen ist. Es könnte aber auch sein, dass er nur verärgert ist, weil ich nicht zuerst zu ihm gekommen bin.»

«Mach dir keine Vorwürfe», sagte Lyn. «Wenn du zuerst zu ihm gegangen wärst, hätte er einen Anfall bekommen, weil du seine Zeit verschwendest. Es war nicht abzusehen, dass er sich überhaupt für die Angelegenheit interessieren würde, nachdem er den Krieg früher ignoriert hatte.»

Ich schielte zu Agenor. Oleander hatte ihren schlanken schwarzen Kopf erhoben, ihre Zunge blitzte hervor, während sie dem Gespräch mit ihren wachsamen Augen folgte.

«Wenn er nicht an dem Krieg beteiligt war», fragte ich, «woher kennst du ihn dann überhaupt?»

Agenor zuckte mit den Schultern; die Geste brachte ihm ein genervtes Zischen ein. «Er hatte sich Korok bereits verschrieben, bevor ich geboren wurde. Möglicherweise sogar schon lange vor meiner Geburt.»

Oh, ihr Götter, steht mir bei. Das Leben war schon kompliziert genug, ohne launische, gottgebundene Vampirkönige, die älter waren als selbst der älteste mir bekannte männliche Fae – noch dazu ein Vampirkönig, der nicht gewillt war, uns dabei zu helfen, einen Kampf zu gewinnen, den wir dringend gewinnen mussten.

Creon, der neben mir saß, musterte Nenya genau, und diesmal sagte Naxi ihm nicht, er solle seine Kräfte im Zaum halten.

«Also, was machen wir jetzt?», fragte Lyn.

«Wir brauchen die Vampire», warf Cas ein und zog seine knochigen Schultern mit dem für ihn typischen unbeholfenen, entschuldigenden Gesichtsausdruck hoch. Sein rotes Haar war auf eine Weise zerzaust, die selbst einen Erwachsenen jungenhaft aussehen ließ. «Die Phönix-Ältesten sind immer noch … Wie soll ich es sagen?»

«So wenig hilfreich, dass man am liebsten schreien möchte?», half Tared aus und sah aus irgendeinem Grund mich dabei an.

Cas folgte seinem Blick und warf mir ein unbehagliches Grinsen zu. «Ich denke, das trifft es, ja.»

Verdammt, sie hatten also über mich gesprochen. Ich ließ mich in meinen Sessel zurückfallen und fauchte: «Hat die Tatsache, dass sie wenig hilfreich sind, etwas mit mir zu tun, oder seid ihr alle nur so begierig darauf, mein hübsches Gesicht ein bisschen öfter zu sehen?»

«Em …», sagte Lyn, aber selbst ihr Grinsen war verhalten, ein unausgesprochenes Geheimnis ließ sich dahinter erahnen.

«Oh», machte Valeska, und ihr mäuseähnliches Gesicht hellte sich auf. «Meine Güte. Hat sie dieselbe Geschichte auch den Phönixen erzählt?»

Tared fuhr herum. «Was? Den Nymphen auch?»

«Welche Geschichte?» Die Worte kamen mir etwas zu schrill über die Lippen. «Habe ich etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen?»

«Nein», antwortete Lyn düster. «Oder … nun, nichts, was sich hätte verhindern lassen können, nehme ich an. Aber anscheinend laufen die Abgesandten der Mutter herum und erzählen den Leuten …» Ihr Blick schoss zu Creon, ein Blick, der versuchte, eine Bedrohung einzuschätzen, und glitt dann wieder zu mir. «Sie erinnern die Leute daran, dass sie nicht vergessen sollen, dass du nur ein ungebildetes, fast menschliches Mädchen bist, das völlig unter dem Einfluss des Silent Death steht, und dass sie nicht wirklich glauben können, es würde alles besser werden, wenn ihr Sohn sie regiert, egal, wie sehr sie das Imperium auch ablehnen mögen.»

Ich starrte sie an.

Creon – sollte regieren?

Oh, verdammt. Und die armen Seelen würden diese Geschichte glauben, nicht wahr? Noch vor einem Jahr hätte ich sie auch ohne Zögern geglaubt. Natürlich war der Silent Death verkommen genug, um sein eigenes Volk aus reiner Grausamkeit zu verraten – wer würde das nicht sofort glauben? Und alles, was sie über mich wussten …

Dumme kleine Emelin, die Fae-Hure. Demnächst glaubten sie vielleicht noch, ich könnte denken.

Cas saß zusammengekauert auf seinem Platz, als erwarte er, dass ihn gleich jemand anschrie. Dagegen sah Nenya aus, als würde sie am liebsten jemandem den Kopf abbeißen. Und Tared machte den Eindruck, als sei Lyns Anwesenheit der einzige Grund, weswegen er nicht auf der Stelle sein Schwert zog und seinen alten Feind zu einem Duell um meine Ehre herausforderte.

Aber als ich mich abwandte und mir plötzlich bewusst wurde, wie genau alle auf jeden einzelnen Blick achteten, den Creon und ich miteinander wechselten, bemerkte ich, dass er sich aufrechter hingesetzt hatte. Mit kalten, dunklen Augen musterte er die versammelte Menge.

Er versuchte nicht einmal, es abzustreiten. Angesichts des leichten zufriedenen Grinsens auf seinen Lippen hätte ich sogar glauben können, dass sie ihm gerade ein Kompliment gemacht hatten.

«Die Nympheninseln sind deswegen in Aufruhr», sagte Valeska unbeeindruckt; sie nestelte an ihren Ärmeln herum und starrte auf ihre Hände herab. «Sie haben nicht vergessen, dass du vor zwanzig Jahren Königin Tolya getötet hast.»

Creon wandte sich mit hochgezogener Augenbraue Agenor zu, in seiner Miene lag eine stumme Herausforderung.

«Ah.» Wenigstens hatte mein Vater den Anstand, ein wenig verlegen zu wirken, als er sich räusperte. «Die Schuld an diesem Vorfall liegt bei mir. Auch wenn ich glaube, dass es das nicht unbedingt besser machen wird.»

Einen Moment lang fürchtete ich schon, Naxi würde ihn beißen. Valeska sagte bitter: «Aber du warst nicht derjenige, der gekommen war, um ihr erst die Finger abzuschneiden und dann den Rest von ihr in Stücke zu hacken.»

Den Göttern sei Dank hatte Creon gelernt, meine Gefühle auszublenden, denn ich hätte nicht gewollt, dass er den kalten Schauer spürte, der mich durchlief. Dagegen sah man es Cas deutlich an, dass er sich gleich übergeben musste. Beylas und Tareds Gesichter waren Masken aus kalter Wut, einer Wut, die auch im eisigen Glanz von Nenyas Augen lag.

Er hatte die arme Königin in Stücke hacken müssen … Was hatte es ihn gekostet, diesen Schmerz zu ertragen?

«Wer auch immer schuld daran ist, aber wir müssen etwas unternehmen», sagte Lyn fest und versuchte offensichtlich, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken, bevor noch jemand wieder auf abgehakte Nymphenfinger zu sprechen kommen konnte. «Wir sind dem Untergang geweiht, wenn unsere potenziellen Verbündeten lieber in alle Ewigkeit die Tyrannei des Imperiums erdulden, als das Risiko einzugehen, sich unserer Sache anzuschließen. Sollen wir Gish bitten, mit Bakaru zu reden, oder –»

«Bitte fragt Gish nicht», unterbrach Nenya sie schroff. «Ich vermute, dass er hier im Untergrund Bakarus Hauptinformationsquelle ist. Gib ihm nicht noch mehr Munition in die Hand, wenn du es vermeiden kannst.»

Agenor fluchte leise. «Ich nehme an, wir sprechen von Gishkim? Sollten wir nicht etwas wegen ihm unternehmen, wenn er Bakaru mit Informationen versorgt, von denen wir nicht wollen, dass er sie erfährt?»

Eine vernünftige Frage, dachte ich; leider verzog Lyn abweisend das Gesicht. «Gish war uns gegenüber immer loyal. Das ist er auch den Vampiren gegenüber, aber das ist wohl kaum ein Grund, ihn rauszuwerfen. Wir sind eine Allianz, kein Königreich.»

«Das klingt für mich ziemlich unpraktisch», sagte Agenor und hob eine Augenbraue.

«Die Alternative klingt für mich ziemlich unethisch», gab sie zurück. «Was wäre dir also lieber?»

Klugerweise hielt er den Mund.

«Ich gehe», sagte Nenya und biss die Zähne so fest zusammen, dass die Narben auf ihrem Gesicht sich anspannten. «Mach dir keine Sorgen wegen Gish. Bakaru wird mich sowieso sehen wollen, wenn er weiß, dass ich in all das verwickelt bin – es hat keinen Sinn, das noch weiter hinauszuzögern.»

Der Blick, den Lyn und Tared miteinander wechselten, sagte das Gegenteil.

Aber bevor sie etwas einwenden konnten, murmelte Cas: «Und die Phönixe? Drusa hat nach dir gefragt, Lyn. Vielleicht könntest du …»

«Drusa», zischte Lyn, ein wenig blass um die Nase, «kann mich mal am Arsch lecken.»

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich nicht die geringste Ahnung davon hatte, was Lyn bereits alles erlebt hatte – dass ich selbst nach Monaten des Zusammenlebens mit ihr immer noch nicht wusste, wie sie überhaupt zur Allianz gekommen war. Warum sie an diesen abgelegenen Ort gezogen war und sich einer Familie von der anderen Seite des Archipels angeschlossen hatte. Anscheinend war ich die Einzige, die das nicht wusste; selbst Agenors freudloses Lächeln zeigte einen Anflug von Verständnis für ihre Worte.

«Wenn es keine Einwände gibt, die ich übersehen könnte», er ging eindeutig nicht davon aus, dass er irgendetwas übersehen hatte, «könnte ich euch vielleicht helfen?»

Cas blinzelte. «Du?»

Agenor zuckte mit den Schultern und ignorierte Oleanders wütenden Blick. «Ich bin Drusa ein paarmal begegnet. Sie mag mich nicht besonders, aber ich denke, sie weiß, dass ich mich – bei allem nötigen Respekt – niemals an Plänen beteiligen würde, deren Ziel es ist, Creon auf den Thron zu bringen.»

Das nennt man heutzutage Respekt?,kritzelte Creon in sein Notizbuch.

«Muss ich dich daran erinnern», sagte Tared scharf, «dass wir jetzt nicht in diesen riesigen Schwierigkeiten stecken würden, wenn du dir nicht solche Mühe gegeben hättest, dir so sorgfältig diesen Ruf aufzubauen, Hytherion?»

Ich schnaubte. «Ihr wärt in weitaus größeren Schwierigkeiten, wenn er sich geweigert hätte, die Befehle der Mutter auszuführen, und vor einem Jahrhundert gestorben wäre. Wollt ihr mir etwa auch vorwerfen, dass ich nur als dummer kleiner Mensch überleben konnte?»

«Oh, Schluss damit!», fuhr Lyn dazwischen und wedelte mit ihren kleinen Händen. «Zur Hölle, das bringt uns nicht weiter. Ich glaube, Drusa respektiert dich, Agenor, also wenn du bereit bist, ihr endloses Geschwätz für eine gute Sache zu ertragen, versuche dein Glück. Was die Nymphen angeht …» Sie sah Valeska an und verzog das Gesicht. «Wir müssen uns wahrscheinlich etwas Besseres einfallen lassen, als einfach noch mehr Fae auf sie loszulassen.»

«Warum redet Em nicht mit ihnen?», schlug Beyla vor, und ihre Stimme klang so unheimlich hell wie ihre Augen und ihr silberblondes Haar. «Sie ist ziemlich gut darin, so zu tun, als wäre sie clever. Das könnte der einfachste Weg sein, sie davon zu überzeugen, dass sie nicht unter dem Einfluss irgendeines Faes steht.»

Mein Herz setzte einen Schlag aus. Oh, Zera steh mir bei. Sie würden mich doch nicht jetzt auf eine diplomatische Mission schicken, oder? «Also …»

«Das ist eine gute Idee!» Lyns Augen leuchteten auf. «Würde dir das passen, Em? Wenn Naxi oder Valeska dich begleiten?»

«Oh, auf mich solltet ihr da nicht zählen», warf Naxi fröhlich ein. «Die Nymphen trauen mir nur so weit, wie sie mich werfen können. Und die Muskeln in ihren Armen sind nicht besonders –»

«Hör zu», unterbrach ich sie, und Sorge presste mir die Brust zusammen, «ich verstehe, dass das alles dringend erledigt werden sollte, und natürlich würde ich gerne helfen, aber ich habe mich auch mit ein paar Problemen befasst, und ich denke …» Ich holte tief Luft. Jetzt war es also so weit. Alles oder nichts. «Es gibt einige Dinge, die wichtiger sind und um die ich mich jetzt kümmern muss. Wenn es euch nichts ausmacht.»

Das erstickte einige Sekunden lang alle Vorschläge für weitere diplomatische Missionen im Keim.

«Ah», machte Tared mit einem Hauch von Belustigung in der Stimme, während er sich mit einer Hand durch sein blondes Haar fuhr und sich in seinem Stuhl zurücklehnte. «Erfahren wir jetzt also endlich, warum du diese Woche zweimal versucht hast, das Training zu schwänzen?»

«Nur einmal», widersprach ich ihm empört. «Und das lag eher daran, dass du mir am Vortrag fast den Bizeps zerfetzt hast, und nicht daran, dass ich unbedingt weiter in meinen Büchern recherchieren wollte. Es geht um die Bindungen.»

Agenor drehte sich zu mir um. Ich hatte ihm noch nichts von meiner Recherche erzählt, und das mit Absicht; ich wollte nicht, dass er über die ganze Sache nachgrübeln und schließlich zu dem Schluss kommen konnte, dass es Creons Einfluss gewesen war, der mich dazu gebracht hatte, an diesem Projekt zu arbeiten.

«Die Bindungen?», wiederholte er mit einem Hauch von Verwirrung in seiner tiefen Stimme.

«Ja.» Ich unterdrückte den Drang, Creon darum zu bitten, mich dabei zu unterstützen oder mir sonst irgendwie zu helfen. Wir hatten bereits besprochen, wie wir vorgehen wollten. Ich würde diejenige sein, die den anderen diesen Plan unterbreitete und die Argumente dafür vorbrachte. Denn unter den anderen gab es genug, die hinter seinen Worten ein egoistisches Motiv vermuten und eher meiner Aussage, dass ich das für das Gemeinwohl tun wollte, glauben würden. «Ich habe mir die Bindungen näher angesehen, und nach dem, was ich bisher entdeckt habe … glaube ich, dass wir ein größeres Problem haben könnten, als wir bisher dachten.»

Augen verengten sich. Finger verkrampften sich. Nenya schnaubte und murmelte: «Wie immer.»

«Könntest du das bitte genauer erklären, Em?», fragte Lyn, legte ihre pummeligen Arme auf die Tischkante und senkte ihr Kinn darauf.

«Wenn ich es richtig verstanden habe …» Ich ließ mich auf meinen Sessel sinken, und eine plötzliche Ruhe überkam mich. Zur Hölle damit. Ich hatte alles richtig verstanden. Wem wollte ich mit meiner falschen Bescheidenheit etwas vormachen? «Bisher sind wir immer davon ausgegangen, dass die Bindungen einfach nur dafür gedacht waren, die Mutter zu schützen, nicht wahr? Eure Magie kann ihr nichts anhaben, also kann keiner von euch in den Knochensaal stürmen und sie in Brand stecken – insgesamt also ganz einfach.»

Sie warteten darauf, dass ich weitersprach, niemand zeigte Zustimmung, aber es gab auch keine Einwände.

«Aber hier liegt das Problem», sagte ich. «Ophion hat Creons Dämonenmagie am Goldenen Hof überlebt. Lyn sagt, sie habe versucht, dem Mistkerl einen Feuerstoß ins Gesicht zu schleudern, aber es gelang ihr nicht – sie dachte, es liege an ihrer Erschöpfung, also stürzte sie sich stattdessen auf seinen Rücken, womit sie mich ohne Magie gerettet hat. Aber wenn man bedenkt, dass er auch auf Creons Magie nicht reagiert hat …»

«Du denkst, dass die Bindung auch Ophion schützt?», führte Lyn meinen gedanklichen Faden zu Ende, ihre bernsteinfarbenen Augen so schmal, dass die Lider fast geschlossen waren.

«Ich denke, die Bindungen schützen alles und jeden, der der Mutter nahe genug steht, dass sein Fehlen unangenehme Konsequenzen für sie haben könnte. Die Definition von ‹ihr nicht schaden› ist weiter gefasst, als wir dachten.» Ich wappnete mich und wandte mich Agenor zu, dessen Fingerspitzen auf Oleanders schlanken Körper ruhten. «Hast du jemals versucht, Magie gegen ihre engsten Verbündeten einzusetzen, seit du dich gegen sie gewandt hast?»

«Ich … nein, aber …» Er zögerte, nickte dann aber Creon zu. «Du hast Deiras getötet. Vor ein paar Jahrzehnten. Achlys und Melinoë vermissen ihn mit Sicherheit, was heißt, dass es einige Probleme für dich nach sich gezogen hat, oder nicht?»

Creon zuckte mit den Schultern und tippte auf seinen Dolch.

Bei diesem Mord war keine Magie im Spiel gewesen.

Agenor stieß ein freudloses Lachen aus. «Aber wenn jeder in ihrem persönlichen Umfeld in die Bindungen miteinbezogen ist, würde das bedeuten, dass wir beide bis vor Kurzem auch geschützt waren, durch … Oh.» Seine Augen weiteten sich plötzlich. «Die Götter mögen uns beistehen. Moment, dann …»

«Irgendwelche Erinnerungen, die plötzlich zurückkehren?», fragte ich trocken. «Creon hatte auch ein paar davon.»

Agenor öffnete den Mund, wandte sich dann abrupt ab und rieb sich mit viel zu viel Druck über den Kiefer. «Es gab zugegebenermaßen ein paar Gelegenheiten, bei denen meine Gegner plötzlich zu bemerkenswert schlechten Magiern wurden, aber ich bin immer davon ausgegangen …» Sein neuerlicher Blick zu Creon wirkte regelrecht entgeistert. «Angst und Nervosität können ebenfalls diesen Effekt haben. Es muss sich dabei nicht unbedingt um Bindungsmagie gehandelt haben.»

Creon griff nach seinem Bleistift. Alsdu mich unter dem Goldenen Hof gefangen genommen hast, hat dein Rot nicht funktioniert. Du dachtest, es liegt daran, dass ich in ihrem Namen gekommen war. Verlierst du sonst auch immer deine Farben, wenn du Angst hast?

Agenor starrte ihn an. «Verdammt.»

Creon gluckste.

«Und es ergibt Sinn, dass es nie aufgefallen ist», sagte ich schnell. «Die Mutter schert sich einen Dreck um irgendjemand anderen außer sich selbst, darum ist es ihr auch egal, wenn die Fae aufeinander losgehen, denn wenn sie sterben, schadet ihr Tod der Mutter nicht einmal genug, dass der Schutz der Bindungen ausgelöst wird. Sie hat genug Fae, dass ihr ein Dutzend mehr oder weniger davon egal sein können. Die anderen magischen Wesen wurden erst nach der Letzten Schlacht gebunden, und die meisten haben sich dem Purpurhof seitdem nicht mehr genähert. In den wenigen Fällen, in denen der Effekt der Bindungen möglicherweise ausgelöst wurde, waren die Nutznießer wahrscheinlich arrogante Bastarde, die glaubten, dass allein ihre Anwesenheit dafür gesorgt hatte, dass ihre Gegner ihre Magie nicht mehr einsetzen konnten …»

Tared lachte schnaubend auf, woraufhin Agenor mir einen beleidigten Blick zuwarf.

«Aber jetzt herrscht Krieg», fuhr ich fort und ignorierte die beiden. «Jetzt macht sie sich plötzlich Sorgen um ihre Sicherheit und darum, ihre Armeen zu verlieren, und wer weiß, welche Auswirkungen das auf die Bindungsmagie haben könnte. Vielleicht gibt es jetzt mehr Leute, die sie unbedingt am Leben erhalten will?»

«Ich beginne zu verstehen», sagte Nenya mit leiser, bedrohlicher Stimme. «Wenn sie solche Angst davor hat, die Mauern des Purpurhofs einstürzen zu sehen, bedeutet das möglicherweise, sie werden ebenfalls durch die Bindungen beschützt. Eine ungebundene Magierin bringt uns allerdings nicht viel, wenn sie alle Verteidigungslinien im Alleingang durchbrechen muss.»

«Genau.»

Die anderen warfen sich über den Tisch hinweg verunsicherte Blicke zu. Ich hielt vier, fünf Herzschläge lang den Atem an, aber noch immer erhob niemand Einspruch.

«Ich nehme an, du hast einen Plan?», fragte Naxi und setzte sich aufrechter hin.

«Nun …» Verdammte Dämonenaugen. Ich hatte eigentlich vorgehabt, die nächste Phase behutsamer einzuleiten, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. «Ophions Worte gingen mir nicht aus dem Kopf – er hat uns gesagt, dass die Mutter in der Lage ist, eine Bindung zu lösen, also muss es irgendwie möglich sein. Aber es gibt einfach zu viel, was wir nicht wissen – warum sie etwas von denjenigen, die sie bindet, nimmt, wie die Magie eingesperrt wird, und ob das Wiedererlangen der Kräfte bedeutet, dass man auch alles andere, was man verloren hat, zurückbekommt. Also …» Obwohl ich die harte Wahrheit schon vor Wochen akzeptiert hatte, tat es immer noch weh, es laut auszusprechen. «Also nein, ich habe noch keinen konkreten Plan, wie ich die Bindungen brechen kann.»

«Das ist nichts, wofür man sich schämen müsste», murmelte Lyn – irgendwie typisch für sie, so nachsichtig zu sein, denn ich wusste, nachdem sie wochenlang geduldig jede meiner Fragen beantwortet hatte, hatte sie sich eigentlich mehr erhofft. «Es haben sich schon so viele von uns mit diesem Problem beschäftigt. Mehr können wir nicht tun.»

«Ich weiß», sagte ich. «Das musste ich auch erkennen. Mein Vorschlag wäre also, die Experten zu fragen.»

«Die …» Sie blinzelte und hob den Kopf, um Creon anzusehen, als würde sie erwarten, dass er lachen und bestätigen würde, dass ich einen Scherz gemacht hatte. «Wovon redest du? Es gibt keine Experten, wenn es um Bindungsmagie geht, genau das ist doch das Problem.»

«Es ist göttliche Magie, oder nicht?», erwiderte ich.

Sie starrte mich einen Moment lang aus weit aufgerissenen bernsteinfarbenen Augen an. «Em.»

«Du willst die Götter nach Antworten fragen?», mischte Nenya sich ein. «Zur Hölle, es ist vielleicht ein wenig zu ehrgeizig, zu versuchen, die Toten wieder auferstehen zu lassen, Emelin.»

«Möglicherweise», gab ich zu und bemühte mich, meine Stimme ruhig klingen zu lassen, «wenn es tatsächlich darum gehen würde, die Toten auferstehen zu lassen. Agenor? Weißt du …»

«Gute Frage», sagte er düster. «Eine ausgezeichnete Frage, wirklich. Wenn ich eine Antwort darauf hätte, würden wir wohl kaum hier sitzen.»

«Du weißt auch nicht, was mit ihnen passiert ist? Mit den Göttern, meine ich?»

«Nein. Ich …» Er fluchte. «Also, Korok ist definitiv tot und wird nicht zurückkommen. Aber die anderen … Ich kann dir beim besten Willen nicht sagen, ob sie noch am Leben sind oder nicht.»

Wir schwiegen einen Moment lang.

«Du warst dort», sagte Tared, und diese wenigen Worte klangen wie eine glühende Anklage. «An dem Tag, an dem sie ihn getötet und den gesamten Kontinent mit dieser götterverdammten Seuche überzogen hat. Wenn du nicht weißt, was da passiert ist, wer dann?»

«Ich weiß einiges von dem, was passiert ist.» Agenor schloss die Augen. Ob er versuchte, seine Erinnerungen zu schärfen, oder eher, sie zu verdrängen, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. «Das, was ich mir aus den wenigen Fetzen an Informationen zusammenreimen konnte, die sie mir später erzählt hatten, war, dass sie vorhatten, Koroks Lebensenergie zu nutzen, um die Kräfte der anderen Götter zu stehlen. Wenn alles wie geplant verlaufen wäre, hätten Achlys und Melinoë schlussendlich die Magie von vier Gottheiten besessen.»

Cas fluchte. Um uns herum waren die meisten Anwesenden blass geworden; nur Creon sah irgendwie aus, als würde ihn die Geschichte nicht im Geringsten überraschen, obwohl ich wusste, dass dies für ihn genauso neu war wie für alle anderen auch.

Ich hatte ebenfalls noch nie etwas von diesem Plan gehört – aber er ergab Sinn, so viel Sinn. «Aber das hat nicht funktioniert wie erhofft.»

«Nein», erwiderte Agenor trocken. «Es war alles ziemlich experimentell, müsst ihr wissen. Sie haben das allein geplant – soweit ich weiß, wusste niemand sonst von ihren Plänen, bis alles den Bach runterging. Ich möchte gerne glauben, dass … nun ja.»

Er wollte gerne glauben, dass er etwas unternommen hätte, hätte er von ihren Plänen gewusst. Stattdessen sah er einfach weg, während die Mutter den Gott tötete, den er geschworen hatte zu beschützen. Während sie einen Kontinent zerstörte, den er liebte. Während sie einen weiteren Krieg begann, gerade als sie die Chance hatte, den Frieden zu erschaffen, den er sich so sehr gewünscht hatte.

Ich beschloss, ihm das ausnahmsweise nicht vorzuwerfen.

«Gut zu wissen», sagte ich, und meine Stimme klang dabei so fest, um selbst Tared von der bissigen Bemerkung abzuhalten, die ihm vermutlich bereits auf den Lippen lag. «Denn das verleiht Sophronias Theorie, dass die Seuche irgendwie mit göttlicher Magie zusammenhängt, eine Menge Glaubwürdigkeit.»

«Die Seuche hängt mit Sicherheit mit göttlicher Magie zusammen», bestätigte Agenor und rieb sich über die Augen. «Achlys und Melinoë nahmen an, dass die Magie der Götter sich an niemand Neuen heften würde, sobald sie ihnen entrissen wird. Und tatsächlich wurde diese Magie einfach …»

«Entfesselt. Wild.»

«Ja.»

«Sie zerstörte alles Leben auf ihrem Weg. Sie wurde zu dem, was wir heute als die Seuche kennen.»

Er seufzte. «Ja.»

«Aber das bedeutet, alles, was wir sicher wissen, ist, dass die Götter – nun, einen Teil ihrer Magie verloren haben», folgerte ich und wählte meine Worte mit äußerster Sorgfalt. «Es bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie ihre gesamte Macht verloren haben, und es gibt keinen Grund, davon auszugehen, dass sie durch diesen Vorfall gestorben sind.»

«Nein», sagte Beyla leise, «aber das ist eine sehr schwache Grundlage für ein ziemlich gefährliches Unterfangen, findest du nicht?»

«Es gibt aber noch mehr Hinweise», widersprach ich und schob ihren Einwand mit einer einfachen Geste beiseite. «Ich habe den Reisebericht eines Albs gefunden, der versucht hat, in Orins Berge zu schwinden, um dort mehr Alb-Stahl zu suchen. Er kam nicht weit, bevor die Seuchenmagie anfing, ihn zu verbrennen, aber er erwähnt, dass er zwei weiße Wölfe gesehen hat, die den Ort bewachten.»

Agenor stockte der Atem. «Oh, zur Hölle. Orin.»

«Ja. Es gibt auch Sichtungen von Zeras Tauben. Nicht, dass die besonders vertrauenswürdig wären, denn natürlich wünscht sich jeder, mit lebenslanger Liebe und Glück gesegnet zu sein, aber ich habe ein paar Fälle gefunden, in denen mehrere Augenzeugen berichteten, dass die Empfänger der Segnungen tatsächlich ein überraschend langes und glückliches Leben geführt haben. Seeleute, die in Küstennähe von Elderburg segeln, behaupten, dass sie nachts seltsame Stimmen hören, die singen, was –»

«Seemannsgarn», unterbrach Nenya mich scharf.

«Was genau singen sie angeblich?», fragte Agenor.