Falltraining Strafrecht Allgemeiner Teil - Richard Schröder - E-Book

Falltraining Strafrecht Allgemeiner Teil E-Book

Richard Schröder

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Beschreibung

Dieses Buch füllt eine Lücke, die in der strafrechtlichen Literatur existiert: ein Falltraining, das gleichzeitig die wichtigsten theoretischen Inhalte vermittelt und Impulse für eine vertiefte Befassung gibt. Es ist kein Lehrbuch im klassischen Sinne, es stellt aber auch kein "normales" Fall- oder Problembuch dar. Gerade Anfänger bekommen mit ihm einen Begleiter an die Hand, der das gutachterliche Vertiefen aller klausurrelevanten Probleme ermöglicht. Die komplett ausformulierten Fälle sind dabei nicht an einzelnen Problemen orientiert, sondern folgen vielmehr einem (fiktiven) Vorlesungsplan, sodass sich das Buch ideal zur Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Vorlesung und Arbeitsgemeinschaft eignet.

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Falltraining Strafrecht Allgemeiner Teil

Mit theoretischen Grundlagen, Aufbauschemata und Wiederholungsfragen

Stefanie Harnisch/Sascha Knaupe/Richard Schröder

www.cfmueller.de

Autoren

Stefanie Harnisch, geboren 1985, Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Leipzig, Erste Juristische Prüfung 2009, von 2013 bis 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Steuerrecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht, Prof. Dr. Desens (Universität Leipzig), von 2013 bis 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Europäisches Strafrecht, Prof. Dr. Klesczewski (Universität Leipzig), von 2014 bis 2016 Rechtsreferendariat im Freistaat Sachsen mit Station beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Berlin, 2017 Eintritt in den Staatsdienst des Freistaats Sachsen, seit 2020 Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz.

Dr. Sascha Knaupe, geboren 1989, Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Leipzig, Erste Juristische Prüfung 2014, von 2014 bis 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Prof. Dr. Klesczewski (Universität Leipzig), Promotion 2020 zum Thema „Die unionsrechtskonforme Auslegung des bundesdeutschen Strafrechts“, von 2018 bis 2020 Rechtsreferendariat im Freistaat Sachsen mit Station beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Berlin, seit 2020 Rechtsanwalt bei ROXIN Rechtsanwälte Part mbB in Hamburg.

Richard Schröder, geboren 1994, Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Leipzig, Erste Juristische Prüfung 2018, seitdem wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Europäisches Strafrecht und Rechtsphilosophie, Prof. Dr. Klesczewski.

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

 

ISBN 978-3-8114-6048-5

 

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 6221 1859 599Telefax: +49 6221 1859 598

 

www.cfmueller.de

 

© 2022 C.F. Müller GmbH, 69123 Heidelberg

Hinweis des Verlages zum Urheberrecht und Digitalen Rechtemanagement (DRM)

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Der Verlag räumt Ihnen mit dem Kauf des e-Books das Recht ein, die Inhalte im Rahmen des geltenden Urheberrechts zu nutzen.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Verlag schützt seine e-Books vor Missbrauch des Urheberrechts durch ein digitales Rechtemanagement. Angaben zu diesem DRM finden Sie auf den Seiten der jeweiligen Anbieter.

Vorwort

Das vorliegende Buch hat einen weiten Weg hinter sich und ist aus den Materialien gewachsen, die wir als Dozenten für die Arbeitsgemeinschaften, das Falltraining für Erst- und Zweitsemester an der Universität Leipzig, verwendeten bzw. verwenden. Dieses „Falllehrbuch“ soll die Vorzüge einer umfangreichen Fallsammlung mit theoretischen Hinleitungen verknüpfen und so den Stil einer Arbeitsgemeinschaft nachbilden. Der Fokus liegt klar auf der Vermittlung der Falllösungstechnik und dem Niveau der Anfangenden. Das Buch ist aber auch ein Begleiter in späteren Jahren zur Vorbereitung auf die große Übung und das Examen.

Die Bedeutung und die Zusammenhänge des Allgemeinen Teils des Strafrechts werden – leider – oft zu stiefmütterlich behandelt. Doch gerade dort ist es gefährlich, „auf Lücke zu setzen“ – kommen doch Fallgestaltungen aus diesem Bereich in jeder Klausur und Hausarbeit vor und lassen sich mit jedem Themenkomplex beliebig kombinieren.

Dieses Buch soll eine Lücke füllen, die in der strafrechtlichen Literatur existiert: ein Falltraining, das gleichzeitig die wichtigsten theoretischen Inhalte vermittelt und Impulse für eine vertiefte Befassung gibt. Es ist kein Lehrbuch im klassischen Sinne, es stellt aber auch kein „normales“ Fall- oder Problembuch dar. Gerade Anfänger bekommen mit ihm einen Begleiter an die Hand, der das gutachterliche Vertiefen aller klausurrelevanten Probleme ermöglicht. Die komplett ausformulierten Fälle sind dabei nicht an einzelnen Problemen orientiert, sondern folgen vielmehr einem (fiktiven) Vorlesungsplan, sodass sich das Buch ideal zur Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Vorlesung und Arbeitsgemeinschaft eignet.

An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei Prof. Dr. Diethelm Klesczewski bedanken, der uns nicht nur die Ressourcen seines Lehrstuhls zur Verfügung stellte, sondern mit Rat und Tat zur Seite stand und sich fortlaufend für unser Buchprojekt einsetzte. Weiterhin besonderer Dank gilt Felix Lingath für das engagierte Korrekturlesen und die Vorarbeiten für den Abschnitt der Konkurrenzen. Moritz Rapp hatte immer ein offenes Ohr für das Projekt und hat sich um die Falllösung zum Festnahmerecht verdient gemacht. Carolin Grawemeyer ergänzte viele Übersichten und gab wertvolle Hinweise zu den Fällen. Maria Stade wirkte mit viel Einsatz an der Kontrolle der Fußnoten mit. Herzlicher Dank gilt schließlich dem Verlag C.F. Müller für die Aufnahme ins Verlagsprogramm und Lektor Christian Lenz für die gute und reibungslose Zusammenarbeit.

Über das Teilen von Kritik und Anregungen zur Verbesserung des Buchs sind wir dankbar ([email protected]).

Leipzig, im Juli 2022

Stefanie Harnisch Dr. Sascha Knaupe Richard Schröder

Inhaltsverzeichnis

 Vorwort

 Abkürzungsverzeichnis

 Literaturverzeichnis

 Hinweise zur Arbeit mit dem Falltraining

 Teil IEinführung, Methodik, Grundlagen

  § 1Grundlagen des Strafrechts

   A.Der Begriff der Strafe und des Strafrechts2 – 5

   B.Sinn und Zweck der Verhängung von Strafe6

   C.Das Strafgesetzbuch7

   D.Die Deliktseinteilung8

  § 2Methodik, Fallbearbeitung, Verbrechensaufbau

   A.Methodische Grundlagen, Subsumtion9, 10

   B.Fallbearbeitung11, 12

   C.Verbrechensaufbau13, 14

 Teil IIDas vorsätzliche Begehungsdelikt

  Kapitel 1Objektiver Tatbestand

   § 3Handlung

    Fall 1Fliegen-Fall18, 19

   § 4Kausalität und objektive Zurechnung

    Fall 2Bratpfannen-Fall20 – 32

    Fall 3Heroinspritzen-Fall33 – 38

  Kapitel 2Subjektiver Tatbestand

   § 5Vorsatz

    Fall 4Babyschüttelfall51 – 59

    Fall 5Berliner Raser-Fall60 – 67

   § 6Tatbestandsirrtum

    Fall 6Hoferbenfall, „the special one“71 – 79

    Fall 7Jauchegruben-Fall80 – 91

  Kapitel 3Rechtswidrigkeit

   § 7Notwehr

    Fall 8Zugabteil-Fall96 – 107

   § 8Aggressivnotstand

    Fall 9Herabfallende Steine113 – 121

   § 9Defensivnotstand

   § 10Rechtfertigender Notstand

    Fall 10Zwangsweise Blutentnahme127 – 134

   § 11Einwilligung

    Fall 11Zahnextraktionsfall136 – 143

   § 12Mutmaßliche Einwilligung

    Fall 12Ungewollte Sterilisation145 – 152

   § 13Festnahmerecht

    Fall 13Ärger mit den Verkehrsbetrieben154 – 162

  Kapitel 4Schuld

   § 14Actio libera in causa

    Fall 14Abreibung unter Alkohol165 – 181

   § 15Verbotsirrtum

   § 16Erlaubnistatbestandsirrtum

    Fall 15Hells-Angels-Fall187 – 198

   § 17Entschuldigender Notstand

    Fall 16Mignonette-Fall200 – 213

   § 18Notwehrexzess

    Fall 17Jagdbegegnung mit Folgen215 – 229

 Teil IIIBesondere Erscheinungsformen der Tat

  Kapitel 5Versuchtes Begehungsdelikt

   § 19Tatentschluss

    Fall 18Insektensprayfall234 – 241

   § 20Unmittelbares Ansetzen

    Fall 19Pfeffertütenfall244 – 251

    Fall 20Tankwartfall252 – 258

    Fall 21Giftfalle259 – 266

   § 21Rücktritt

    Fall 22Denkzettelfall270 – 278

    Fall 23Mehraktiges Geschehen279 – 293

  Kapitel 6Fahrlässigkeit und verwandte Erscheinungsformen

   § 22Fahrlässigkeit

    Fall 24Höchstgeschwindigkeitsfall297 – 301

    Fall 25Radfahrerfall302 – 306

   § 23Das erfolgsqualifizierte Delikt

    Fall 26Rötzel-Fall312 – 324

  Kapitel 7Das Unterlassungsdelikt

   § 24Vorsätzliches Unterlassen

    Fall 27Fensterwurffall327 – 335

    Fall 28Gastwirt-Fall336 – 351

   § 25Versuchtes Unterlassen

    Fall 29Gashahnfall352 – 368

   § 26Fahrlässiges Unterlassen

    Fall 30Ziegenhaar-Fall370 – 375

 Teil IVTäterschaft und Teilnahme

  Kapitel 8Täterschaft

   § 27Mittäterschaft

    Fall 31Schüsse vor dem Bordell381 – 391

    Fall 32Schützenhilfe392 – 401

    Fall 33Sukzessive Mittäterschaft402 – 410

    Fall 34Probleme mit dem Geldspeicher411 – 427

   § 28Mittelbare Täterschaft

    Fall 35Katzenkönigfall441 – 452

    Fall 36Das Rasenmäherproblem453 – 464

    Fall 37Weinflasche auf Irrwegen465 – 477

  Kapitel 9Teilnahme

   § 29Anstiftung

    Fall 38Hoferbenfall, „the normal one“481 – 490

    Fall 39Überfall auf Tante Emma491 – 509

   § 30Beihilfe

    Fall 40Der Eisenwarenhändler511 – 529

 Teil VKonkurrenzen

  A.Grundlagen530 – 535

  B.Handlungseinheit und ihre konkurrenzrechtlichen Folgen536 – 544

  C.Handlungsmehrheit und ihre konkurrenzrechtlichen Folgen545 – 547

  D.Ausnahme: Klammerwirkung548

  E.Zusammenfassung549, 550

 AnhangLösungsvorschläge zu den Wiederholungsfragen

 Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

andere(r) Ansicht, andere(r) Auffassung

a.a.O.

am angegebenen Ort

a.E.

am Ende

a.F.

alte Fassung

abl.

ablehnend

Abs.

Absatz, Absätze

AG

Aktiengesellschaft

allg.

allgemein, allgemeine(r), allgemeinen

Alt.

Alternative

arg.

argumentum

Arg.

Argument

Art.

Artikel

AT

Allgemeiner Teil eines Gesetzbuchs

Aufl.

Auflage

BAK

Blutalkoholkonzentration

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Bd.

Band

Begr.

Begründung

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen

Bsp.

Beispiel(e)

bspw.

beispielsweise

bpM

besondere persönliche Merkmale

BT

Besonderer Teil eines Gesetzbuchs

BT-Drs.

Drucksache des Bundestags

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

cm

Zentimeter

d.h.

das heißt

ders.

derselbe

dies.

dieselbe

diff.

differenzierend

e.A.

eine Ansicht, eine Auffassung

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Einl.

Einleitung

entspr.

entsprechend

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

Erg.

Ergebnis

etc.

et cetera

evtl.

eventuell

f.

folgende (Seite), folgender (Artikel, Paragraf)

ff.

folgende (Seiten, Artikel, Paragrafen)

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

g

Gramm

GA

Goltdammer‘s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift)

GastG

Gaststättengesetz

gem.

gemäß

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

ggf.

gegebenenfalls

Gr.

Gruppe

grds.

grundsätzlich

GSSt

Großer Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs

h.L.

herrschende Lehre (d.h. überwiegende Ansicht im Schrifttum)

h.M.

herrschende Meinung (d.h. überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum)

hins.

hinsichtlich

HRRS

HöchstRichterliche Rechtsprechung im Strafrecht (Zeitschrift)

Hrsg.

Herausgeber

hrsg. v.

herausgegeben von

Hs.

Halbsatz

i.d.R.

in der Regel

i.E.

im Einzelnen, im Ergebnis

i.e.S.

im engeren Sinne

i.R.

im Rahmen

i.R.d.

im Rahmen des (der)

i.S.d.

im Sinne des (der)

i.S.e.

im Sinne einer (eines)

i.S.v.

im Sinne von

i.V.m.

in Verbindung mit

i.w.S.

im weiteren Sinne

insb.

insbesondere

insg.

insgesamt

JA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)

JGG

Jugendgerichtsgesetz

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

JURA

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

Kap.

Kapitel

km/h

Kilometer pro Stunde

KriPoZ

Kriminalpolitische Zeitschrift (Zeitschrift)

krit.

kritisch, kritischer

LG

Landgericht

lit.

littera

Lit.

Literatur

Lkw

Lastkraftwagen

m

Meter

m. (krit.) Anm.

mit (kritischer) Anmerkung

m. (krit.) Bespr.

mit (kritischer) Besprechung

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

max.

maximal

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

mind.

mindestens

ml

Milliliter

n.F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nr.

Nummer(n)

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift)

NStZ-RR

NStZ-Rechtsprechungsreport Strafrecht (Zeitschrift)

NZV

Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Zeitschrift)

NZWiSt

Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht (Zeitschrift)

OLG

Oberlandesgericht

Pkw

Personenkraftwagen

RG

Reichsgericht

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

Rspr.

Rechtsprechung

Rz.

Randziffer(n)

S.

Seite, Satz

s.o.

siehe oben

s.u.

siehe unten

SeeArbG

Seearbeitsgesetz

sog.

so genannt, so genannte(n), so genannter, so genanntes

StA

Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

str.

streitig

StrafR

Strafrecht

StV

Strafverteidiger (Zeitschrift)

StVG

Straßenverkehrsgesetz

StVO

Straßenverkehrsordnung

subj.

subjektiv

teilw.

teilweise

u.a.

unter anderem, und andere

u.U.

unter Umständen

usw.

und so weiter

Urt.

Urteil

v.

von, vom

Var.

Variante

vgl.

vergleiche

Vorb.

Vorbemerkung

VR

Verwaltungsrundschau (Zeitschrift)

vs.

versus

z.B.

zum Beispiel

ZIS

Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik (Zeitschrift)

zit.

zitiert

ZJS

Zeitschrift für das juristische Studium (Zeitschrift)

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Zeitschrift)

zusf.

zusammenfassend

zust.

zustimmend

Literaturverzeichnis

Im Literaturverzeichnis sind nur solche Werke gelistet, die nicht nur vereinzelt zitiert werden. Nur selten zitierte Werke erscheinen mit Angaben zu Auflage und Jahr allein in den Fußnoten. Festschriften sind dort ebenfalls mit der entsprechenden Jahreszahl aufgeführt.

Baumann/Weber/Mitsch/Eisele Strafrecht Allgemeiner Teil, 13. Auflage, Bielefeld 2021

BeckOK-StGB Beck‘scher Online-Kommentar StGB, hrsg. v. Bernd von Heintschel-Heinegg, 53. Edition, Stand: 1.5.2022, München 2022 (zit. Bearbeiter in BeckOK53)

BeckOK-StPO Beck‘scher Onlinekommentar StPO mit Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren und Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen, hrsg. v. Jürgen-Peter Graf, 43. Edition, Stand: 1.4.2022, München 2022 (zit. Bearbeiter in BeckOK-StPO43)

Beulke Klausurenkurs im Strafrecht I, 8. Auflage, Heidelberg 2020; Klausurenkurs im Strafrecht III, 5. Auflage, Heidelberg 2018

Bock Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Auflage, Berlin 2021

Bosch Übungen im Strafrecht, 8. Auflage, Berlin 2017

Bringewat Grundbegriffe des Strafrechts, 3. Auflage, Baden-Baden 2018

Fischer Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 69. Auflage, München 2022

Freund/Rostalski Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. Auflage, Berlin 2019

Frister Strafrecht Allgemeiner Teil, 9. Auflage, München 2020

Gropp/Sinn Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Auflage, Berlin 2020

Heinrich Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Auflage, Stuttgart 2019

Hilgendorf/Kudlich/Valerius Handbuch des Strafrechts, Heidelberg 2019 ff.

Hilgendorf/Valerius Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. Auflage, München 2022

Hillenkamp/Cornelius 32 Probleme aus dem Strafrecht, Allgemeiner Teil, 15. Auflage, München 2017

Jäger Examens-Repetitorium Strafrecht, Allgemeiner Teil, 10. Auflage, Heidelberg 2021

Jakobs Strafrecht Allgemeiner Teil, Die Grundlagen und die Zurechnungslehre, 2. Auflage, Berlin 1993

Jescheck/Wiegend Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Auflage, Berlin 1996

Joecks/Jäger Strafgesetzbuch Studienkommentar, 13. Auflage, München 2021

KasparStrafrecht Allgemeiner Teil, 3. Auflage, Baden-Baden 2019

Kaspar/Reinbacher Casebook Strafrecht Allgemeiner Teil, Baden-Baden 2020

Kett-Straub/Kudlich Sanktionenrecht, 2. Auflage, München 2021

Kindhäuser/Zimmermann Strafrecht Allgemeiner Teil, 10. Auflage, Baden-Baden 2021

Kindhäuser/Schumann/Lubig Klausurentraining Strafrecht, 4. Auflage, Baden-Baden 2020

Klesczewski Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. Auflage, Leipzig 2017; Strafrecht Besonderer Teil, Tübingen 2016

Knaupe Die unionsrechtskonforme Auslegung des bundesdeutschen Strafrechts, Berlin 2020

Köhler Strafrecht Allgemeiner Teil, Berlin 1997

Krey/Esser Deutsches Strafrecht Allgemeiner Teil, 7. Auflage, Stuttgart 2022

Kühl Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Auflage, München 2016

Küper/Zopfs Strafrecht Besonderer Teil, Definitionen mit Erläuterung, 10. Auflage, Heidelberg 2018

Lackner/Kühl Strafgesetzbuch, Kommentar, 29. Auflage, München 2018 (zit. Bearbeiter in Lackner/Kühl29)

Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage, Berlin 1995

LK-StGB Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, hrsg. v. Gabriele Cirener, Henning Radtke, Ruth Rissing-van Saan, Thomas Rönnau und Wilhelm Schluckebier, 13. Auflage, Berlin 2019 ff. (zit. Bearbeiter in LK13)

Matt/Renzikowski Strafgesetzbuch, 2. Auflage, München 2020 (zit. Bearbeiter in Matt/Renzikowski2)

Maurach/Gössel/Zipf Strafrecht Allgemeiner Teil – Band 2, Erscheinungsformen des Verbrechens und Rechtsfolgen der Tat, fortgeführt v. Karl Heinz Gössel, Dieter Dölling, Joachim Renzikowski, Christian Laue, 8. Auflage, Heidelberg 2014

Meyer-Goßner/Schmitt Strafprozessordnung, mit Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, bearbeitet von Bertram Schmitt und Marcus Köhler, 65. Auflage, München 2022, (zit. Bearbeiter in Meyer-Goßner/Schmitt65)

MünchKomm StGB Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. v. Wolfgang Joecks und Klaus Miebach, 4. Auflage, München 2020 (zit. Bearbeiter in MünchKomm4)

MünchKomm StPO Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, hrsg. v. Christoph Knauer, Hans Kudlich und Hartmut Schneider, München 2014 ff. (zit. Bearbeiter in MünchKomm-StPO)

Murmann Grundkurs Strafrecht Allgemeiner Teil, Tötungsdelikte, Körperverletzungsdelikte, 6. Auflage, München 2021

NK-StGB Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. v. Urs Kindhäuser, Ulfrid Neumann und Hans-Ullrich Paeffgen, 5. Auflage, Baden-Baden 2017 (zit. Bearbeiter in NK5)

Rengier Strafrecht Allgemeiner Teil, 13. Auflage, München 2021; Strafrecht Besonderer Teil I, 24. Auflage, München 2022; Strafrecht Besonderer Teil II, 23. Auflage, München 2022

Roxin/Greco Strafrecht Allgemeiner Teil, Grundlagen, Der Aufbau der Verbrechenslehre, Band I, 5. Auflage, München 2020

Roxin Strafrecht, Allgemeiner Teil, Besondere Erscheinungsformen der Straftat, Band II, München 2003

SK-StGB Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. v. Jürgen Wolter, 9. Auflage, Köln 2017 (zit. Bearbeiter in SK9)

S/S/W-StGB Strafgesetzbuch, Kommentar, hrsg. v. Helmut Satzger, Bertram Schmitt und Gunter Widmaier, 5. Auflage, Köln 2021 (zit. Bearbeiter in S/S/W5)

S/S/W-StPO Strafprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und EMRK, Kommentar, hrsg. v. Helmut Satzger, Bertram Schmitt und Gunter Widmaier, 4. Auflage, Köln 2020 (zit. Bearbeiter in S/S/W-StPO4)

Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, Kommentar, Gesamtredaktion v. Albin Eser, 30. Auflage, München 2019 (zit. Bearbeiter in Schönke/Schröder30)

Stratenwerth/Kuhlen Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Auflage, München 2011

Streng Strafrechtliche Sanktionen, Die Strafzumessung und ihre Grundlagen, 3. Auflage, Stuttgart 2012

Valerius Einführung in den Gutachtenstil, 4. Auflage, Berlin 2017

Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht Allgemeiner Teil, Die Straftat und ihr Aufbau, 51. Auflage, Heidelberg 2021

Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht Besonderer Teil 1, Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 45. Auflage, Heidelberg 2021

Wessels/Hillenkamp/SchuhrStrafrecht Besonderer Teil 2, Straftaten gegen Vermögenswerte, 44. Auflage, Heidelberg 2021

Hinweise zur Arbeit mit dem Falltraining

Der Aufbau dieses Buchs orientiert sich an der typischen Gliederung einer Vorlesung zum Strafrecht Allgemeiner Teil. Zunächst wird das vorsätzliche Begehungsdelikt mit seinen Problemen und Besonderheiten in Tatbestand (Rz. 15 ff.), Rechtswidrigkeit (Rz. 94 ff.) und Schuld (Rz. 163 ff.) in den Blick genommen. Anschließend werden der Versuch (Rz. 231 ff.), die Fahrlässigkeit (Rz. 294 ff.) und das Unterlassen (Rz. 325 ff.) sowie Täterschaft und Teilnahme (Rz. 376 ff.) abgehandelt. Des Weiteren werden die erfolgsqualifizierten Delikte (Rz. 309 ff.) und die Konkurrenzen (Rz. 530 ff.) thematisiert. Darüber hinaus beinhaltet das Buch Definitionen zu den für Anfangende relevanten Delikten, wie z.B. §§ 212, 223, 224 und 303 StGB.

Das Werk schlägt eine Brücke zwischen einem Fall- und einem Kurzlehrbuch. Aus diesem Grund wurden alle dargelegten Meinungen und Ausführungen gewissenhaft belegt, wobei aber von der Zitierung von Monografien, Festschriften und Sammelwerken – soweit möglich – abgesehen und verstärkt auf für den Leser leicht verfügbare (insb. online zugängliche) Quellen zurückgegriffen wurden. Dadurch wird zum Vertiefen angeregt, wobei sich das Buch auch für die Vorbereitung auf eine Hausarbeit eignet. Wiederkehrende Definitionen, Merkmale und Meinungsstreitigkeiten werden im Folgenden nicht nochmals belegt, wenngleich an einigen Stellen aber Verweise angelegt worden sind.

Um dem Charakter eines Fallbuchs gerecht zu werden und zugleich aber auch – wie in Arbeitsgemeinschaften üblich – die wichtigsten theoretischen Grundlagen zu vermitteln, ist an den jeweils relevanten Stellen ein Einschub integriert, der der Erschließung der Probleme und ihrem Verständnis dient. Die Fälle können aber auch – z.B. zum reinen Training – ohne diese Felder bearbeitet werden. Andererseits ist auch ein isoliertes Lernen allein anhand dieser Grundlagen möglich.

Zur besseren Orientierung ist das Buch durchgängig mit Randziffern versehen.

Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Übersichten enthalten und weiterhin sind am Ende der jeweiligen Kapitel Wiederholungsfragen zu finden, deren Lösungen sich am Ende des Buchs befinden. So soll ein Repetieren des Stoffs ermöglicht werden.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern die männliche Form verwendet und auf die gleichzeitige Nennung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. Die verkürzte Form ist redaktionellen Gründe geschuldet und beinhaltet keine Wertung.

Teil IEinführung, Methodik, Grundlagen

1

In diesem Abschnitt werden wichtige strafrechtliche Grundlagen sowie erste Grundprinzipien der juristischen Arbeitstechnik und des Gutachtenstils vermittelt.

§ 1Grundlagen des Strafrechts

A.Der Begriff der Strafe und des Strafrechts

2

Das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland gliedert sich in zwei Teilbereiche – das Zivilrecht und das Öffentliche Recht. Das Strafrecht ist ein selbstständiges Teilgebiet des Öffentlichen Rechts, da der Staat seine Strafgewalt über den Bürger im Über- und Unterordnungsverhältnis ausübt.[1]

Das Strafrecht selbst gliedert sich in formelles und materielles Strafrecht. Während das formelle Strafrecht die Durchführung des Strafverfahrens regelt, normiert das materielle Strafrecht die Voraussetzungen der Strafbarkeit.[2]

Der Begriff „Strafrecht“ leitet sich von dessen zentraler Rechtsfolge – der Strafe – ab. Gerade die Freiheitsstrafe begründet einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen. Dem Strafrecht werden deshalb durch das grundgesetzlich verankerte Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) besondere Grenzen gesetzt.

Definition:

Die Strafe wird definiert als die Rechtseinbuße, die wegen der Tat[3] verhängt wird und dem Täter (zum Tadel[4]) partiell die Rechtsfähigkeit aberkennt.[5] Die Strafe dient der Wiederherstellung des Rechts.[6]

Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgen das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit und der effektiven Strafrechtspflege.[7] Der Staat ist danach verpflichtet, begangenes Unrecht auszugleichen und muss effektive Instrumentarien zur Wahrheitserforschung bereitstellen[8]. Dies wiederum darf aber wegen des einschneidenden Charakters der Strafe nur zum Schutz hochwertiger Rechtsgüter erfolgen.[9] Strafe kann also nur als ultima ratio[10] zur Verteidigung hochwertiger Rechtsgüter, zur Verwirklichung des Gemeinwohls und zur Sicherung eines gedeihlichen Zusammenlebens eingesetzt werden.[11] Dem Strafrecht kommt u.a. die Aufgabe zu, den Rechtsfrieden zu sichern.[12]

3

Ferner beinhaltet das Rechtsstaatsprinzip im Zusammenspiel mit der grundgesetzlich verankerten Menschenwürde auch das materielle Schuldprinzip, wonach keine staatlich verhängte Strafe ohne Schuld des Täters verwirkt werden darf.[13] Schuld muss die Strafe begründen und begrenzen.[14] Schuld meint dabei die individuelle Verantwortlichkeit bzw. persönliche Vorwerfbarkeit.[15] Aus der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip folgt gerade, dass der Mensch nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden darf.[16] Um nicht zum Objekt staatlicher Willkür zu werden, muss der Täter sein Handeln deshalb verantworten können. Die sog. Strafbegründungsschuld beinhaltet daher, dass ohne das Vorliegen von Schuld der Täter nicht bestraft werden darf.[17] Die Schuld begrenzt aber auch die Strafe (sog. Strafbegrenzungsschuld). Gegen den Täter darf daher keine Strafe verhängt werden, die die von ihm verwirklichte Schuld überschreitet.[18]

Zusammenfassend:

„Keine Strafe ohne Schuld“ – Die Strafbegründung („ob“) ist davon abhängig, ob der Täter Schuld auf sich geladen hat. Die Höhe der Strafe („wie viel“) bemisst sich maßgeblich nach der Höhe des verschuldeten Unrechts.

4

Das in Art. 103 Abs. 2 GG geregelte Gesetzlichkeitsprinzip, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, sieht als durch das Grundgesetz besonders angelegte Beschränkung vier miteinander verknüpfte und daher im Zusammenhang zu betrachtende Verbote vor, die nur für das materielle Strafrecht Geltung beanspruchen[19]:

-

Das bloße Gewohnheitsrecht entfaltet keine strafbegründende oder -schärfende Wirkung (nulla poena sine lege scripta).[20] Eine Strafbarkeit und eine strafrechtliche Sanktion setzen also die Existenz geschriebenen Rechts voraus[21].

-

Ein inhaltlich unbestimmtes Gesetz ist verboten (nulla poena sine lege certa). Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Strafbarkeit müssen derart inhaltlich bestimmt sein, dass jedermann voraussehen kann, ob und wann er sich strafbar macht und welche Rechtsfolge ihn erwartet.[22] Um eine Vielzahl unterschiedlicher Verhaltensweisen abzudecken, sind eine gewisse Abstraktheit und die Verwendung von Generalklauseln aber unabdingbar.[23]

-

Des Weiteren ist es verboten, durch Analogie[24] Strafnormen auszudehnen oder gar neu zu schaffen sowie durch teleologische Reduktion Rechtfertigungs-, Entschuldigungs-, Strafmilderungs-, Strafaufhebungs- oder Strafausausschließungsgründe einzuschränken oder gar aufzuheben, sog. Analogieverbot[25] (nulla poena sine lege stricta – strenger Gesetzesvorbehalt).[26] Demzufolge gilt das Analogieverbot nur zu Lasten, nicht aber zu Gunsten des Täters.[27] Die verbotene Analogie und teleologische Reduktion beginnen dort, wo nach allen in Frage kommenden Auslegungsmethoden das zu prüfende Verhalten nicht mehr erfasst wird.[28] Ebenfalls unter das Analogieverbot ist das sog. Verschleifungsverbot einzuordnen, also das Verbot, ein Tatbestandsmerkmal so auszulegen, dass es vollständig in einem anderen aufgeht und seine eigenständige Bedeutung verliert.[29]

-

Weiterhin untersagt sind rückwirkende Strafgesetze, sog. strafrechtliches Rückwirkungsverbot, Art. 103 Abs. 2 GG, § 2 StGB (nulla poena sine lege praevia). Eine derartige Rückwirkung liegt nach § 2 Abs. 1 StGB vor, wenn ein Verhalten für strafbar erklärt wird, nachdem die Tat begangen wurde. Dies beinhaltet sowohl das „ob“ als auch das „wie“ der Strafbarkeit.[30] „Es schützt das Vertrauen, das der Angeklagte zur Tatzeit in den Fortbestand des damals geltenden Rechts gesetzt hat.“[31] Folglich fällt auch die nachträgliche Schärfung einer Strafe unter dieses Verbot.[32] Gem. § 2 Abs. 3 StGB gilt das Rückwirkungsverbot nur zu Lasten des Täters mit der Ausnahme von sog. Zeitgesetzen, § 2 Abs. 4 StGB. Änderungen (höchst-)richterlicher Rechtsprechung werden vom strafrechtlichen Rückwirkungsverbot nach zutreffender Ansicht nicht erfasst.[33]

5

Darüber hinaus gibt es noch folgende zu beachtende Grundsätze:

-

Nach dem Grundsatz ne bis in idem (Art. 103 Abs. 3 GG) darf niemand wegen derselben Straftat mehrfach bestraft werden (Doppelbestrafungsverbot). Nach einer rechtskräftigen Entscheidung besteht grds. ein Strafverfolgungshindernis.[34]

-

Der Grundsatz in dubio pro reo folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Menschenwürde und steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Strafbegründungsschuld. Er besagt, dass bei Zweifeln oder Unklarheiten über den Sachverhalt und über die Schuld die für den Beschuldigten günstigste Möglichkeit angenommen werden muss.[35]

-

Der Nemo-tenetur-Grundsatz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) besagt, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten. Ausprägungen dieses Grundsatzes in der StPO sind insbesondere die Aussagefreiheit des Beschuldigten und damit einhergehende Belehrungspflichten gem. § 136 Abs. 1 S. 2, § 243 Abs. 5 S. 1 StPO.[36]

B.Sinn und Zweck der Verhängung von Strafe

6

Als Rechtsfolge sieht das StGB Hauptstrafen (Freiheits- und Geldstrafe) und Nebenstrafen/Nebenfolgen (insb. Fahrverbot nach § 44 StGB) vor. Daneben kennt es auch noch sog. Maßregeln der Besserung und Sicherung[37], die präventiven Charakter aufweisen. Welchen Zweck Strafe verfolgt, wird nicht einheitlich beantwortet (insb. nicht durch das Gesetz) und ist „seit jeher“ umstritten.[38]

Nach den absoluten Straftheorien dient Strafe allein der Vergeltung.[39] Nach den relativen Straftheorien[40] dient Strafe dazu, zu demonstrieren, dass am gebrochenen Recht festgehalten wird, bzw. soll sie der Verbrechensvorbeugung dienen.[41] Hierbei ist zwischen einem positiven (Stärkung des Rechtsbewusstseins) und einem negativen (Abschreckung) Ansatz zu unterscheiden. Die h.M.[42] vertritt die sog. Vereinigungstheorie:

Definition:

Strafe dient in erster Linie dem Schuldausgleich.[43] Sie soll das begangene Unrecht vergelten und zugleich präventiv auf den Täter und die Gesellschaft einwirken. Präventive Zwecke können dabei nachrangig eine Rolle spielen, die Strafe aber für sich nicht rechtfertigen.[44]

Nach der Rechtsprechung des BVerfG besteht die allg. Aufgabe des Strafrechts darin, „die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht werden als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion bezeichnet.“[45]

Die Vereinigungstheorie hat ihren Niederschlag im Gesetz gefunden. Nach § 46 Abs. 1 S. 1 StGB dient Strafe in erster Linie dem Schuldausgleich (Vergeltungsgedanke). Nach den §§ 47, 56 StGB darf die Strafe aber nicht allein Selbstzweck sein, sie muss vielmehr zur Einwirkung auf den Täter oder auf die Allgemeinheit erforderlich sein. Nach den § 46 Abs. 1 S. 2, § 56 Abs. 1 S. 2 StGB sind auch spezialpräventive Aspekte zu berücksichtigen (Resozialisierung).[46]

C.Das Strafgesetzbuch

7

Das StGB enthält die Vorschriften des materiellen Strafrechts, die bestimmen, unter welchen Umständen sich jemand strafbar macht und welche Rechtsfolgen daran anknüpfen. Die StPO regelt den formellen Ablauf des Strafverfahrens.

Der allgemeine Teil (AT) des StGB enthält Bestimmungen, die für alle Delikte gelten. Der besondere Teil (BT) beinhaltet dagegen Vorschriften, die bestimmen, welches konkrete Verhalten zu welcher konkreten Rechtsfolge führt.[47]

Gliederung des AT:

Strafgesetz, §§ 1 – 12 StGB; Tat, §§ 13 – 37 StGB; Rechtsfolgen, §§ 38 – 76b StGB; Strafantrag, §§ 77 – 77e StGB; Verjährung, §§ 78 – 79b StGB

Systematik des BT:

Straftaten gegen die Person, §§ 174 – 241a StGB; Straftaten gegen Vermögenswerte, §§ 242 – 266b StGB, §§ 288 – 297 StGB, §§ 303 – 305a StGB; Straftaten gegen Gemeinschaftswerte, §§ 80 – 121 StGB, §§ 123 – 173 StGB, §§ 267 – 287 StGB, §§ 298 – 301 StGB, §§ 306 – 358 StGB

Für die Anwendung eines Strafgesetzes ist in zeitlicher Hinsicht[48] § 8 StGB zu beachten. Maßgebend ist danach der Handlungs- bzw. Unterlassungszeitpunkt (Handeln-Müssen), nicht der Zeitpunkt des Erfolgseintritts.[49] Dies ist zum einen für das Rückwirkungsverbot entscheidend, da Art. 103 Abs. 2 GG, § 2 StGB auf den Zeitpunkt der Tat abstellen.[50] Zum anderen ist dies im Rahmen der Fallbearbeitung bei der Vorsatz- und Schuldfrage zu berücksichtigen, weil § 16 StGB sowie §§ 17, 19 ff. StGB jeweils auf den Zeitpunkt der „Begehung der Tat“ abstellen.[51] § 8 StGB beinhaltet eine Legaldefinition, d.h. das Gesetz enthält an dieser Stelle die Definition des Rechtsbegriffs selbst. In § 11 StGB enthält das Gesetz weitere Legaldefinitionen (Lesen!).

§ 12 StGB bestimmt, wann ein Verbrechen oder Vergehen vorliegt. Dies ist insb. für die Versuchsstrafbarkeit relevant (s.u. Rz. 236). Ein Verbrechen liegt nach § 12 Abs. 1 StGB bei einer Mindeststrafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr vor. Ein Vergehen liegt nach § 12 Abs. 2 StGB vor, wenn die Tat im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht ist, z.B. „Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder mit Geldstrafe“ (§ 223 Abs. 1 StGB). Bei der Bestimmung ist irrelevant, welche Strafe im konkreten Einzelfall angemessen ist bzw. was das Gericht verhängt; es kommt allein auf die gesetzliche Strafdrohung an. Zusätzlich besagt § 12 Abs. 3 StGB, dass im AT oder BT vorgesehene Schärfungen oder Milderungen der Strafe für die Einteilung nach § 12 Abs. 1, 2 StGB außer Betracht bleiben.[52]

D.Die Deliktseinteilung

8

Man kann Straftatbestände in einzelne Deliktsgruppen einteilen. Die Deliktsgruppen schließen sich dabei nicht zwingend gegenseitig aus. Stattdessen kann ein Delikt mehreren Gruppen zugeordnet sein. Dies soll folgende Gegenüberstellung veranschaulichen:[53]

Erfolgsdelikte

Tätigkeitsdelikte

Straftatbestände, die einen Erfolgseintritt in der Außenwelt voraussetzen, der im ursächlichen Zusammenhang mit der Tathandlung steht; Bsp.: §§ 223 ff., 242 ff. StGB

Allein die Tätigkeit ist strafbegründend, ein Erfolgseintritt wird nicht vorausgesetzt; Bsp.: §§ 153 ff., 316 StGB

Verletzungsdelikte

Gefährdungsdelikte[54]

Straftatbestände, die die Verletzung eines Rechtsguts voraussetzen; i.d.R. handelt es sich um Erfolgsdelikte, da der Eintritt eines Schadens zum Tatbestand gehört

Können sowohl Erfolgs- als auch Tätigkeitsdelikte sein; die Herbeiführung einer Gefahrenlage ist ausreichend, wobei zwischen abstrakter und konkreter Gefahr zu unterscheiden ist:

-

abstrakt: generell gefährliche Verhaltensweisen, Bsp.: § 316 StGB (reine Tätigkeitsdelikte)

-

konkret: kein Schaden, aber eine konkrete Gefahr für ein Rechtsgut muss eintreten (i.d.R. Erfolgsdelikte; Bsp.: §§ 315b, 315c StGB

Dauerdelikte

Zustandsdelikte

Täter führt andauernden rechtswidrigen Zustand herbei oder beseitigt diesen pflichtwidrig nicht und erhält ihn aufrecht; Bsp.: §§ 123, 239, 316 StGB

Tat ist mit der Herstellung eines rechtswidrigen Zustands vollendet und i.d.R. beendet; Bsp.: §§ 212, 242 StGB

Begehungsdelikte

Unterlassungsdelikte

Verwirklichung des Tatbestands durch aktives Tun

Verwirklichung durch Untätigkeit, wobei zwischen echten und unechten Unterlassungsdelikten zu unterscheiden ist (s.u. Rz. 325 ff.):

-

echte: Tatbestände, die ein ausdrückliches und an jedermann gerichtetes Handlungsgebot beinhalten, also ein unterlassenes Verhalten an sich unter Strafe stellen; Bsp.: §§ 142, 323c StGB

-

unechte: Verwirklichung eines Begehungsdelikts durch Unterlassen steht infolge der Anwendung von § 13 Abs. 1 StGB der Verwirklichung durch aktives Tun gleich; im Gegensatz zu echten Unterlassungsdelikten kann Täter nicht jedermann, sondern nur ein Garant i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB sein; Bsp.: § 212 Abs. 1, §13 Abs. 1 StGB; § 223 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB

Vollendungsdelikte

Unternehmensdelikte

Alle Tatbestandsmerkmale müssen erfüllt/verwirklicht sein; ist dies nicht der Fall, so ist an den Versuch gem. § 22 StGB zu denken (s.u. Rz. 231 ff.)

Straftatbestände, in denen der Versuch einer Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung bereits als vollendete Tat bestraft wird, wobei zwischen echten und unechten Unternehmensdelikten zu unterscheiden ist:

-

Tatbestand verwendet zur Umschreibung der Tathandlung den Begriff des Unternehmens; in § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB als Versuch und Vollendung einer Tat legaldefiniert; Bsp.: § 357 StGB

-

Tatbestand verwendet zur Umschreibung der Tathandlung zwar nicht den Begriff des Unternehmens, doch faktisch werden Versuch und Vollendung durch die Verwendung bestimmter Tätigkeitsbegriffe ohne einen darüberhinausgehenden Deliktserfolg gleichgestellt; Bsp.: §§ 113, 125 StGB

Vorsatzdelikte

Fahrlässigkeitsdelikte

Strafbarkeit setzt ein vorsätzliches Verhalten voraus (§ 15 StGB) (s.u. Rz. 50 ff.)

Strafbarkeit setzt ein fahrlässiges Verhalten voraus; im Gegensatz zum Vorsatzdelikt ist fahrlässige Verhalten nur strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt; Bsp.: §§ 222, 229 StGB (s.u. Rz. 294 ff.)

Allgemeindelikte

Sonderdelikte

Täter eines solchen Delikts kann jedermann, also jede natürliche Person sein; Bsp.: §§ 212, 223 StGB

Täter kann nicht jedermann sein, sondern nur eine solche natürliche Person, die die vom Straftatbestand genannte besondere Eigenschaft oder Verpflichtung besitzt; es ist zwischen echten und unechten Sonderdelikten zu unterscheiden:

-

echte: ein bestimmtes Tätermerkmal begründet die Strafbarkeit; Bsp.: §§ 331 f. StGB

-

unechte: der verwirklichte Tatbestand eines Allgemeindelikts durch einen Sonderpflichtigen führt zu einer besonderen Rechtsfolge, zumeist zu einer schärferen Strafe; Bsp.: § 340 StGB

Eigenhändige Delikte

Voraussetzung ist hier, dass der Täter stets selbst handelt; Bsp.: §§ 153 ff., 315c f. StGB

Pflichtdelikte

Das Innehaben einer bestimmten Pflicht, die sich aus Gesetz, Vertrag etc. begründen kann, ist Voraussetzung, um Täter dieses Delikts zu sein; Bsp.: § 266 StGB

§ 2Methodik, Fallbearbeitung, Verbrechensaufbau

A.Methodische Grundlagen, Subsumtion

9

Gesetze dienen dazu, konkrete Lebenssachverhalte für die Beteiligten verbindlich zu regeln (z.B. durch Benennung der Voraussetzungen von Zahlungsansprüchen oder für die Erteilung einer Baugenehmigung, aber auch den Voraussetzungen der Strafbarkeit einer Handlung). Die denkbare Vielzahl konkreter Lebenssachverhalte, die einer verbindlichen Regelung bedürfen, ist jedoch derart hoch, dass eine gesetzliche Regelung, die jede dieser konkreten Lebenssituationen ausdrücklich regeln sollte (Kauf von Brötchen, Kauf eines Smartphones etc.) allein wegen des sonst drohenden Umfangs nicht mehr zu realisieren wäre. Deshalb und auch wegen der sich stetig ändernden Lebenslagen werden Gesetze zumeist abstrakt-generell formuliert, sodass eine Vielzahl von Einzelfällen davon erfasst werden kann (z.B.: „fremde bewegliche Sache“, § 242 StGB). Die Aufgabe von Juristen besteht darin, diese abstrakt-generell formulierten Gesetze auszulegen, um bewerten zu können, ob ein bestimmter Lebenssachverhalt von einem bestimmten Gesetz erfasst wird.[1] Wird ein individueller Lebenssachverhalt einem abstrakten Gesetz zugeordnet, so nennt man dies Subsumtion.[2]

Beispiel:

Ist das Tatbestandsmerkmal „Sache“ im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB erfüllt?

Sachverhalt A: A stiehlt dem B die Geldbörse.

Sachverhalt B: C entwendet dem D seinen Hund.

Sachverhalt C: E zapft die Stromleitung von F an und führt Energie ab.

B.Fallbearbeitung

11

Bei den im Studium gestellten Aufgaben besteht die Herausforderung darin, vorgelegte Fälle unter das Gesetz zu subsumieren und zu lösen.[19] In aller Regel ist grds. die Strafbarkeit bestimmter Personen zu bewerten.[20]

Es wird empfohlen, im Rahmen einer Klausurbearbeitung zuallererst die Aufgaben- bzw. Fragestellung zu lesen. Dies hat den Vorteil, dass beim nachfolgenden ersten Lesedurchgang der Sachverhalt bereits bezogen auf die gestellten Erwartungen erfasst werden kann.[21] Dies erspart Zeit. Für die Falllösung sind grds. alle Sachverhaltsangaben zu nutzen.[22] Es darf weder etwas hinzugedacht noch etwas weggelassen werden. Bei Unklarheiten ist der Sachverhalt lebensnah auszulegen.[23] So ist es bspw. naheliegend, dass ein Schlag in die Magengrube Schmerzen verursacht. Von eigenständigen inhaltlichen Korrekturen des Sachverhalts ist Abstand zu nehmen,[24] auch wenn man z.B. eine technische oder naturwissenschaftliche Ausführung darin als nicht korrekt erachtet.

Beispiel:

Sollte der Sachverhalt ausführen, dass Hamster fliegen können, so ist dies für die Prüfung zu unterstellen und keine Diskussion über die Anatomie oder Flugfertigkeit des Hamsters zu führen.

Weiterhin darf nur das geprüft werden, was durch die Fallfrage und den Bearbeitervermerk (Lesen!) vorgegeben (bzw. nicht ausgeschlossen) ist. Es wird empfohlen, vor der Erstellung eines Gutachtens in Reinschrift eine Lösungsskizze anzufertigen (als Richtwert sollte dazu max. ein Drittel der Bearbeitungszeit verwendet werden). Dies kann nämlich dazu beitragen zu verhindern, einen falschen Aufbau zu wählen und Schwerpunkte der Klausur zu übersehen oder diese falsch zu gewichten.[25]

Im Zuge der Erstellung einer Falllösung sind zunächst sämtliche im Sachverhalt angegebenen Verhaltensweisen (aktives Tun und Unterlassen), die potenziell einen Straftatbestand verwirklichen könnten, herauszuarbeiten und chronologisch zu ordnen. Anschließend sind jedem herausgearbeiteten Verhalten ein oder mehrere infrage kommende Straftatbestände zuzuordnen,[26] die dann nacheinander – beginnend mit dem schwersten – im Gutachtenstil zu prüfen sind.[27]

Der Gutachtenstil führt den Leser zum Ergebnis und ist durch Wörter wie „daher“ und „deshalb“ und durch Verwendung des Konjunktivs gekennzeichnet, nicht durch „weil“ oder „da“ (sog. Urteilsstil).[28] Beim Gutachtenstil sind i.R.d. Prüfung der Strafbarkeitsvoraussetzungen stets vier Arbeitsschritte einzuhalten:[29]

-

Zunächst ist ein Obersatz im Konjunktiv zu bilden (1). Anstelle des Konjunktivs kann der Obersatz auch mit „Fraglich ist, ob...“ oder „Zu prüfen ist, ob...“ formuliert werden.

-

Anschließend sind die Voraussetzungen der Tatbestandsmerkmale zu nennen und zu definieren (2).

-

Dann ist der konkrete Sachverhalt auf das abstrakte Gesetz, hier das definierte Merkmal, anzuwenden (sog. Subsumtion) (3).

-

Nach der Subsumtion ist ein Schlusssatz zu bilden (4).

In der Fallbearbeitung kann dies sehr komplex sein, wenn verschiedene Prüfungspunkte ineinander verschachtelt geprüft werden müssen. Die Prüfung eines Straftatbestands beginnt stets mit einem „großen“ Obersatz, der die sog. fünf „W“-Fragen enthält.[30]

Obersatz (die fünf „W“-Fragen):

Wer könnte sich wegen

WelchenTatbestands nach

WelcherVorschrift durch

WelchesVerhalten zu

WessenNachteil strafbar gemacht haben?

12

Beispiel[31]:

A nahm das Mobiltelefon des B an sich und warf es auf den Boden, sodass es in dutzende Teile zersprang.

Strafbarkeit nach § 303 Abs. 1 StGB?

(„Großer“Obersatz 1) A könnte sich wegen Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB zum Nachteil des B strafbar gemacht haben, indem er dessen Mobiltelefon auf den Boden warf.

(Obersatz 2)

Es müssten alle Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 StGB erfüllt sein.

(Voraussetzungen benennen)

Das Mobiltelefon des B müsste eine für A fremde bewegliche Sache sein. Zudem müsste A es zerstört oder beschädigt haben.

(Obersatz a)

Zunächst müsste das Mobiltelefon eine bewegliche Sache sein.

(Definition a)

Unter dem Begriff der Sache versteht man einen körperlichen Gegenstand.[32] Beweglich ist sie, wenn sie von einem Ort tatsächlich fortbewegt werden kann.[33]

(Subsumtion a)

Das Mobiltelefon ist ein Gegenstand. Man kann es anfassen, es ist daher körperlich. Außerdem ist es transportabel und damit beweglich.

(Schlusssatz a)

Das Mobiltelefon ist mithin eine bewegliche Sache.

(Obersatz b)

Die Sache müsste auch fremd sein.

(Definitionen b)

Fremd ist eine Sache, wenn sie im Eigentum eines anderen steht.[34]

(Subsumtion b)

Das Mobiltelefon steht im Eigentum des B, mithin eines anderen.

(Schlusssatz b)

Damit ist das Mobiltelefon für A fremd.

(Obersatz c)

Zudem müsste A das Mobiltelefon des B beschädigt haben.

(Definition c)

Beschädigung ist jede nicht ganz unerhebliche körperliche Einwirkung auf eine Sache, durch die ihre stoffliche Zusammensetzung verändert oder ihre Brauchbarkeit nicht nur unerheblich eingeschränkt wird.[35]

(Subsumtion c)

Das Mobiltelefon des B zersprang in dutzende Teile und ist daher nicht mehr zum Telefonieren zu verwenden. Die Brauchbarkeit ist nicht nur unerheblich eingeschränkt.

(Schlusssatz c)

Das Mobiltelefon ist beschädigt.

(Obersatz d)

Zu prüfen ist weiterhin, ob A das Mobiltelefon des B zerstört hat.

(Definition d)

Eine Sache ist zerstört, wenn ihre Gebrauchsfähigkeit nicht nur beeinträchtigt, sondern völlig aufgehoben wird.[36]

(Subsumtion d)

Das Mobiltelefon des B zersprang in dutzende Teile und kann daher gar nicht mehr zum Telefonieren verwendet werden. Die Gebrauchsfähigkeit ist völlig aufgehoben.

(Schlusssatz d)

Das Mobiltelefon des B ist zerstört.

(Schlusssatz 2)

Es sind alle Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 StGB erfüllt.

(„Großer“ Schlusssatz 1) A hat sich nach § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Hieraus ist folgendes Vorgehen in der Fallbearbeitung abzuleiten:[37]

I.

Fallfrage und Sachverhalt lesen

II.

Nach potenziell strafbaren Verhaltensweisen suchen

III.

Verhaltensweisen chronologisch ordnen

IV.

Straftatbestände zuordnen (Inhaltsverzeichnis des StGB verwenden)

V.

Prüfung der einzelnen Straftatbestände für jedes einzelne Verhalten (beginnend mit dem schwersten)

Die Gliederung soll einen Überblick über Aufbau und Gedankengang der Arbeit geben. Die einzelnen Gliederungspunkte sollen deshalb den wesentlichen Kern des jeweiligen Abschnitts oder Unterabschnitts „schlagwortartig“ kennzeichnen. Dabei bedeutet Inhaltsübersicht nicht Inhaltsangabe, sondern – auch zur Selbstkontrolle – möglichst knappe und genaue Formulierung der Gliederungspunkte. Der sachliche Inhalt der Gliederung hängt im Übrigen vom jeweiligen Fall, d.h. der besonderen Fallfrage und ihrer methodisch entwickelten Beantwortung, ab.

Als Reihenfolge der Untergliederung sind folgende Buchstaben-Zahlen-Schemata üblich:

A. I. 1. a) aa) (1) (a) usw.

Die einmal gewählte Anordnung muss folgerichtig durchgehalten werden. Jedem Buchstaben und jeder Ziffer entspricht eine Gegenposition; einem Punkt I. folgt zwingend ein Punkt II.

Zusammenfassend: Es ist deshalb nicht nur entscheidend, die Aufgabenstellung, den Sachverhalt und den Bearbeitervermerk aufmerksam zu lesen (sind evtl. Straftatbestände oder Personen von der Prüfung ausgeschlossen, sollen nur spezifische Handlungen geprüft werden usw.), sondern in einem nächsten Schritt den Fall gedanklich zu strukturieren und eine Lösungsskizze anzufertigen. Dabei ist Täter vor Teilnehmer zu prüfen und es sind Tatkomplexe zu bilden. Die Prüfung beginnt dabei mit dem Tatnächsten und dem schwersten Delikt.[38]

Für die Fallbearbeitung[39] lassen sich schließlich einige Grundregeln festhalten:[40]

-

Die Täterschaft ist vor der Teilnahme zu prüfen.[41]

-

Der Versuch wird nicht vor der Vollendung geprüft (die Nichtvollendung ist gerade Voraussetzung des Versuchs).

-

Straftaten, die offensichtlich hinter anderen Delikten zurücktreten, sind nachrangig zu prüfen; ebenso spezielle Tatbestände vor allgemeinen.[42]

C.Verbrechensaufbau

13

Definition:

Unter dem Begriff der Straftat versteht man eine Handlung, die tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft ist.[43]

Einen Straftatbestand kann der Täter also nur verwirklichen, wenn er eine Handlung vornimmt oder im Falle des Unterlassens nicht vornimmt, die einerseits den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht (also alle in einem Strafgesetz beschriebenen Merkmale erfüllt), die nicht von Rechtfertigungsgründen gedeckt ist und die ihm persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann. Hieraus folgt der dreistufige Deliktsaufbau:

I.

Tatbestand

II.

Rechtswidrigkeit

III.

Schuld

Zunächst sind sämtliche Handlungen bzw. Unterlassungen der beteiligten Personen zu selektieren und dann ist zu fragen, „ob“ und wenn ja – „wie“ sich die Person strafbar gemacht hat.

Dabei sind die „Hauptkategorien“ der Prüfung „Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld“ noch weiter zu untergliedern:

I.

Tatbestand

1.

Objektiver Tatbestand

a)

Erfolg

b)

Tathandlung

c)

Kausalität

d)

Objektive Zurechnung

2.

Subjektiver Tatbestand

a)

Vorsatz

b)

Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale

II.

Rechtswidrigkeit

III.

Schuld

IV.

Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe

14

Übersicht:Aufbau der Straftat[44]

I.

Tatbestand

1.

Objektiver Tatbestand

a)

Subjektqualität des Täters – nur zu prüfen bei Sonderdelikten (Bsp.: Amtsdelikte, § 11 Abs. 1 Nr. 2, §§ 331, 332, 340 StGB)

b)

Tathandlung

c)

Tatobjekt (nicht immer notwendig)

d)

Erfolg (Verletzung des Tatobjekts – nur zu prüfen bei den sogenannten Erfolgsdelikten, nicht bei den schlichten Tätigkeitsdelikten)

e)

Kausalität (zwischen Tathandlung und Erfolg bei Erfolgsdelikten)

f)

Objektive Zurechnung

g)

Ggf. weitere Merkmale des objektiven Tatbestands

2.

Subjektiver Tatbestand

a)

Vorsatz

b)

Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale (Bsp.: Absicht in § 242 StGB, § 263 StGB)

3.

Objektive Strafbarkeitsbedingung (nur in Ausnahmefällen; Tatbestandsannex, der nicht vom Vorsatz umfasst sein muss – Bsp.: Nichterweislichkeit in §186 StGB; schwere Folge in § 231 StGB; rechtswidrige Tat in § 323a StGB)

II.

Rechtswidrigkeit u.a.:

-

Notwehr: § 32 StGB

-

Rechtfertigender Notstand: § 34 StGB

-

Einwilligung oder mutmaßliche Einwilligung

-

Festnahmerecht: § 127 Abs. 1 StPO

-

Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe: §§ 227, 228, 229, 859, 904 BGB

III.

Schuld

1.

Schuldfähigkeit

-

§ 19 StGB

-

§ 20 StGB

-

§ 21 StGB

2.

Unrechtsbewusstsein/Vorsatzschuldvorwurf (Bewusstsein über die Rechtswidrigkeit der Tat). Dieses kann fehlen beim:

-

Verbotsirrtum: § 17 StGB

-

Erlaubnisirrtum: Irrtum über die Existenz oder die rechtlichen Grenzen eines Rechtfertigungsgrunds

-

Erlaubnistatbestandsirrtum: Irrtum auf der Tatumstandsseite eines Rechtfertigungsgrunds, bei dessen tatsächlichem Vorliegen der Täter gerechtfertigt wäre

3.

Entschuldigungsgründe u.a.:

-

Notwehrexzess: § 33 StGB

-

Entschuldigender Notstand: § 35 StGB

IV.

Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe

Hinweis:

Ausführliche Aufbauschemata zu den einzelnen Deliktsgruppen und Verwirklichungsformen finden sich bei Bosch, Übungen im Strafrecht8, S. 47 ff.

Wiederholungsfragen

1.

Woraus leitet das Bundesverfassungsgericht den Schuldgrundsatz insb. ab?

2.

Wo ist das Gesetzlichkeitsprinzip geregelt? Welche Verbote beinhaltet es?

3.

Welche Hauptstrafen kennt das StGB?

4.

Worin unterscheiden sich der Allgemeine und der Besondere Teil des StGB?

5.

Wie lauten die vier gängigen Auslegungsmethoden?

6.

Welche vier Arbeitsschritte sind im Rahmen des Gutachtenstils stets zu beachten?

7.

Wie wird eine Straftat grds. aufgebaut?

8.

Welche Norm definiert die „rechtswidrige Tat“?

Lösungsvorschläge unter Rz. 551.

Teil IIDas vorsätzliche Begehungsdelikt

15

Innerhalb eines vorsätzlichen Begehungsdelikts ist der Tatbestand in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand zu unterteilen. Objektiver und subjektiver Tatbestand stehen sich spiegelbildlich gegenüber. Der objektive Tatbestand beschreibt die Tatmodalitäten (Täterkreis, Tatobjekt, Tathandlung, Tatsituation usw.). Dabei ist zwischen deskriptiven (äußerlich wahrnehmbaren – § 212 StGB: Mensch) und normativen (wertausfüllungsbedürftigen – § 242 StGB: fremd) Tatbestandsmerkmalen zu unterscheiden.[1] Der subjektive Tatbestand umfasst Tatvorsatz, Motive und Absichten des Täters, d.h. innere Vorgänge. Der Vorsatz des Täters muss sich auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands erstrecken.

Kapitel 1Objektiver Tatbestand

16

Grds. ist der objektive Tatbestand wie folgt zu prüfen:[1]

I.

Tatbestand

1.

Objektiver Tatbestand

a)

Erfolg

b)

Tathandlung

c)

Kausalität

d)

Objektive Zurechnung

Die Prüfung des objektiven Tatbestands hat bei Erfolgsdelikten mit dem Merkmal „Erfolgseintritt“ zu beginnen, bei Tätigkeitsdelikten ist eine Prüfung dieses Merkmals hingegen obsolet. Erfolgsdelikte setzen immer den Eintritt eines spezifischen tatbestandlichen Erfolgs voraus (Verletzung des Tatobjekts, z.B.: § 212 StGB – Tod eines Menschen; § 223 StGB – körperliche Misshandlung bzw. Gesundheitsschädigung).

Der objektive Tatbestand kann durch ein Einverständnis des Berechtigten ausgeschlossen sein. Das Einverständnis ist von der Einwilligung zu unterscheiden (Rechtfertigungsgrund – Verzicht des Opfers auf den vom Strafrecht gewährten Schutz, s.u. Rz. 135 ff.) Ein Einverständnis kann jedoch nicht in die Verletzung jeglicher Individualrechtsgüter erklärt werden, sondern ist nur dann tatbestandsausschließend, wenn der Tatbestand ein Handeln gegen oder ohne den Willen des Rechtsgutsinhabers voraussetzt. § 248b StGB etwa fordert ausdrücklich ein Handeln gegen den Willen des Berechtigten, bei den §§ 123, 239, 240, 242, 253 StGB folgt die Möglichkeit des Einverständnisses aus der Natur der Sache. Liegt ein Einverständnis des Berechtigten vor, erfüllt das Handeln des Täters bereits den Tatbestand nicht.

§ 3Handlung

17

Eine Handlung[1] ist jedes menschliche Verhalten, das vom Willen beherrscht oder beherrschbar ist und Sozialerheblichkeit aufweist.[2]

Ein Verhalten ist jedes Tun oder Unterlassen.[3] Das Merkmal „menschlich“ schließt das Verhalten von Tieren und Naturereignisse aus.[4] Anknüpfungspunkt ist nur ein konkretes Verhalten, nicht z.B. eine allg. zu missbilligende Lebensführung[5]. Zudem sind Alter und Geisteszustand des Handelnden irrelevant; dies spielt erst i.R.d. Schuld eine Rolle.[6]

Das Handeln muss steuerbar sein. Dies ist im Schlaf, unter Narkose oder bei Bewusstlosigkeit nicht der Fall.[7] Auch „vis absoluta“ (willensausschließende Gewalt) schließt im Gegensatz zu „vis compulsiva“ (willensbeugende Gewalt) die Steuerbarkeit des Verhaltens aus.[8] Gleiches gilt für Reflexbewegungen, bei denen ein äußerer Reiz ohne Zwischenschaltung des Bewusstseins zu einer Bewegung führt. Davon zu unterscheiden sind Kurzschlusshandlungen, Spontanreaktionen, Affekthandlungen und automatisierte Verhaltensweisen. Hierbei handelt es sich um Geschehensabläufe, die ohne Mitwirkung geistiger Kräfte vollzogen werden[9], aber dennoch generell steuerbar sind.

Nur ein sozialerhebliches, äußeres Verhalten kann eine Handlung sein; Gedanken und Gefühle hingegen nicht, da es hier an einer Außenwirkung fehlt.[10]

Demnach ist zusammenfassend jedes menschliche Verhalten, welches nicht durch vis absoluta, Reflex oder ohne jedes Bewusstsein verursacht wird, eine Handlung.[11]

Fall 1Fliegen-Fall

(Angelehnt an OLG Hamm v. 16.7.1974 – 5 Ss 331/74, NJW 1975, 657 f.)

18

T fuhr mit seinem Mercedes bei Tempo 130 km/h auf der Autobahn. Als er eine Kurve durchfuhr, flog ihm durch das geöffnete Seitenfenster eine Fliege in das Auge. Daher machte T mit seiner Hand eine ruckartige Abwehrbewegung, die sich auf das Lenkrad übertrug. Ihm war dabei bewusst, dass hierdurch die Gefahr eines Unfalls entstand. Den Tod anderer Verkehrsteilnehmer nahm er aber billigend in Kauf. In der Folge verlor er die Beherrschung über das Fahrzeug, geriet auf die Gegenfahrbahn und drohte mit dem entgegenkommenden Kleintransporter des D zusammenzustoßen. D schaffte es, in letzter Sekunde nach rechts auszuweichen. Dadurch wurde aber der neben D fahrende BMW des O von der Fahrbahn gedrängt. O prallte mit seinem Fahrzeug gegen einen Baum und war auf der Stelle tot.

Hat T sich wegen Totschlags nach § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht?

Lösung zu Fall 1 – Fliegenfall

Strafbarkeit nach § 212 Abs. 1 StGB

T könnte sich, indem er das Lenkrad verriss und auf die Gegenfahrbahn geriet, wegen Totschlags nach § 212 Abs. 1 StGB zu Lasten des O strafbar gemacht haben. T müsste den Tatbestand des § 212 Abs. 1 StGB rechtswidrig und schuldhaft erfüllt haben.

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

T müsste alle Merkmale des objektiven Tatbestands erfüllt haben.

a) Erfolg

Zunächst müsste der tatbestandliche Erfolg des § 212 Abs. 1 StGB, nämlich der Tod eines Menschen, eingetreten sein. O verstarb an Ort und Stelle. Der tatbestandliche Erfolg des § 212 Abs. 1 StGB ist daher eingetreten.

b) Handlung

19

Fraglich ist, ob T eine Handlung vorgenommen hat.

Definition:

Eine Handlung ist jedes menschliche Verhalten, das vom Willen beherrscht oder beherrschbar ist und Sozialerheblichkeit aufweist.

Ein menschliches Verhalten lag hier in Form der Armbewegung des T vor. Auch wies das Verhalten des T Außenwirkung auf, war also sozialerheblich.

Fraglich ist jedoch, ob dieses Verhalten vom Willen des T getragen war. Dies wäre der Fall, wenn eine sog. Kurzschlusshandlung bzw. Spontanreaktion, bei der noch ein willentlicher Steuerungsprozess des Handlungsablaufs stattfindet, vorlag.[12] Dagegen wäre dies zu verneinen, wenn eine nicht vom Willen gesteuerte Reflexbewegung, d.h. ein äußerer Reiz, der ohne Zwischenschaltung des Bewusstseins zu einer Körperbewegung führt, stattgefunden hätte.[13] Das Zukneifen eines Auges als unmittelbare Folge des Hineinfliegens eines Fremdkörpers – z.B. einer Fliege – stellt eine Reflexbewegung dar und ist deswegen nicht vom Willen beherrschbar. Eine Armbewegung zum Zwecke der Abwehr und Entfernung der Fliege kann dagegen aufgrund anderer Notwendigkeiten, wie zum Beispiel einer Gegenmotivation durch drohende Unfallgefahr, in der Regel verhindert werden. Demnach sind derartige Abwehrbewegungen grds. vom Willen beherrschbar.[14] T erschrak sich zwar als Reaktion auf das Insekt. Jedoch war ihm bewusst, dass es aufgrund der Abwehrbewegung zu einem Unfall kommen konnte. Infolge dieser Motivation wäre es ihm möglich gewesen, die Armbewegung zu unterlassen. Das Verhalten des T war somit von dessen Willen getragen. Eine Handlung im strafrechtlichen Sinne liegt demnach vor.

c) Kausalität

Die Handlung des T ist kausal für den Erfolgseintritt.

Hinweis: Aus didaktischen Gründen wird hier und bei den folgenden Punkten auf die ausführliche Prüfung verzichtet.

d) Objektive Zurechnung

Der Erfolg ist T objektiv zurechenbar.

2. Subjektiver Tatbestand

T handelte hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung mit bedingtem Vorsatz.

Hinweis: Im Originalfall handelte T fahrlässig, vorliegend ist laut Sachverhalt aber (bedingter) Vorsatz anzunehmen. Zwar erscheint dies bei einer solchen Fallgestaltung eher unrealistisch und lebensfremd. Trotzdem ist ein Sachverhalt in der Klausur so anzunehmen, wie er geschildert ist. Unter keinen Umständen darf man etwas ändern oder anderes in den Sachverhalt hineininterpretieren, auch wenn es „lebensnäher“ erscheint, von einem anderen Verlauf der Dinge auszugehen.

II. Rechtswidrigkeit, Schuld

T handelte rechtswidrig. Zudem handelte T schuldhaft.

III. Ergebnis

T hat sich nach § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

§ 4Kausalität und objektive Zurechnung

Fall 2Bratpfannen-Fall

(Angelehnt an BGH v. 12.7.1966 – 1 StR 291/66, NJW 1966, 1823 ff. – Familientyrann)

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F lebte zusammen mit ihrer Tochter T aus erster Ehe in zweiter Ehe mit dem 1,95 m großen „bärenstarken“ M zusammen. Seit dieser arbeitslos geworden war und zu trinken begonnen hatte, tyrannisierte der zuvor umgängliche M zu Hause die F und seine Stieftochter T immer wieder in unmenschlicher Weise. Weil F nicht wusste, wie sie ihr Martyrium und das ihrer Tochter anders beenden sollte, entschloss sie sich eines Tages spontan, dem „Wüten“ des M dadurch ein Ende zu setzen, dass sie ihm in der Küche von hinten mit einer schweren, gusseisernen Bratpfanne mehrere Schläge auf den Kopf versetzte, durch die sie M töten wollte. Als M infolge dieser Schläge zu Boden ging und dort liegen blieb, lief F aus der Wohnung, um die Polizei zu verständigen.

Während ihrer Abwesenheit betrat T die Küche und bemerkte, dass M röchelnd am Boden lag. Da auch sie, ohne sich darüber zuvor mit ihrer Mutter verständigt zu haben, den Tod des M wollte, ergriff sie die auf dem Herd stehende Bratpfanne und schlug sie ihrem Stiefvater „mindestens ein weiteres Mal“ auf den Kopf.

Kurz nach dem Eintreffen der Polizei verstarb M. Im Zuge des anschließenden Ermittlungsverfahrens gegen F und T konnte nicht geklärt werden, ob T dem M mehr als einen weiteren Schlag mit der Bratpfanne versetzt hatte und ob das Handeln der T oder die Schläge der F den Todeseintritt beschleunigt hatten.

Prüfen Sie die Strafbarkeit von F und T!

Lösung zu Fall 2 – Bratpfannen-Fall

Grobgliederung:[1]

A.

Strafbarkeit der T

I.

Strafbarkeit nach § 212 Abs. 1 StGB

1.

a)

Objektiver Tatbestand

aa)

Erfolg

bb)

Handlung

cc)

Problematischer Punkt: Kausalität

II.

Strafbarkeit nach § 212 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, § 12 Abs. 1 StGB

III.

Strafbarkeit nach § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB

1.

a)

Objektiver Tatbestand

aa)

Körperliche Misshandlung, Gesundheitsschädigung

bb)

Handlung

cc)

Kausalität

dd)

Problematischer Punkt: Objektive Zurechnung: eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten

(…)

B.

Strafbarkeit der F

I.

Strafbarkeit nach § 212 Abs. 1 StGB

1.

a)

Objektiver Tatbestand

aa)

Erfolg

bb)

Handlung

cc)

Kausalität

dd)

Problematischer Punkt: Objektive Zurechnung

(…)

Hinweis: Hier ist mit der Prüfung der Strafbarkeit von T zu beginnen. Die Handlungen der T liegen chronologisch gesehen näher am Taterfolg, hier dem Tod des M, sodass sich die Strafbarkeit der T evtl. auf die Beurteilung der Strafbarkeit der F auswirken könnte. Umgekehrt kann die Strafbarkeit der F nicht ohne die der T beurteilt werden.

A. Strafbarkeit der T

Merksatz:

Bei mehreren Tatbeteiligten ist im Hinblick auf denselben Taterfolg die Strafbarkeit desjenigen zuerst zu prüfen, dessen Handlung zeitlich gesehen näher am Taterfolg liegt.[2]

I. Strafbarkeit nach § 212 Abs. 1 StGB

T könnte sich wegen Totschlags zu Lasten des M, indem sie diesem mind. einen weiteren Schlag mit der Bratpfanne auf den Kopf versetzte, nach § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. T müsste tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.

1. Tatbestand

a) Objektiver Tatbestand

T müsste alle Merkmale des objektiven Tatbestands erfüllt haben.

aa) Erfolg

Zunächst müsste der tatbestandliche Erfolg, nämlich der Tod eines Menschen, eingetreten sein. M ist tot. Der tatbestandliche Erfolg des § 212 Abs. 1 StGB ist damit eingetreten.

bb) Handlung

Zu prüfen ist, ob T eine Handlung vorgenommen hat. Eine Handlung ist jedes sozialerhebliche menschliche Verhalten, das vom Willen beherrscht oder beherrschbar ist. Das Schlagen einer Bratpfanne auf den Kopf ist ein menschliches und Außenwirkung aufweisendes und damit sozialerhebliches Verhalten, das darüber hinaus dem menschlichen Beherrschungsvermögen unterliegt. Eine Handlung im strafrechtlichen Sinne liegt vor.

cc) Kausalität

21

Die Handlung müsste kausal für den Erfolgseintritt sein.

Theoretische Grundlage: Kausalität

Nach h.M. ist der Kausalzusammenhang nach der conditio-sine-qua-non-Formel zu bestimmen (sog. Äquivalenztheorie): Kausal ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der strafrechtliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.[3]

Man muss sich also die konkrete Handlung des Täters hinwegdenken und fragen, ob der Erfolg in gleicher Art und Weise eingetreten wäre. So können aber unzählig viele Handlungen mitursächlich sein (Kaufen der Tatwerkzeuge, Fahren zum Tatort, Zeugung des Täters).[4] Alle diese Ursachen werden als gleichwertig betrachtet,[5] es sind deshalb auch atypische Bedingungen als kausal anzusehen. Eine Korrektur erfährt dies erst durch die Lehre von der objektiven Zurechnung.[6]

Beispiel: Die Ehefrau E mischt ihrem Mann M schnell tödlich wirkendes Gift ins Mittagessen. Der Mann fühlt sich bald schlecht, ruft den Notarzt und wird ins Krankenhaus gebracht. Dort verstirbt er an den Folgen der Vergiftung. Ist die Handlung i.R.d. Prüfung des § 212 Abs. 1 StGB kausal für den Tod?

Lösung: Die Handlung müsste kausal für den Erfolgseintritt sein. Kausal ist jede Handlung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Denkt man sich das Mischen des Gifts in das Mittagessen des M hinweg, wäre der Erfolg in seiner konkreten Gestalt, nämlich das Sterben des M an den Folgen der Vergiftung, entfallen. Damit ist die Handlung der E kausal für den Erfolgseintritt.

22

Definition:

Kausal ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der strafrechtliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

Vorliegend lässt sich nicht feststellen, ob das Handeln der T den Todeseintritt wenigstens beschleunigte. Der Sachverhalt konnte insoweit nicht aufgeklärt werden, sodass „in dubio pro reo“ zu Gunsten der T die Kausalität ihrer Handlung für den Erfolgseintritt verneint werden muss.[7] Die Handlung der T ist damit nicht kausal für den Tod des M.

b) Zwischenergebnis

Der objektive Tatbestand des § 212 Abs. 1 StGB ist nicht erfüllt.

2. Ergebnis

T hat sich nicht nach § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

II. Strafbarkeit nach § 212 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, § 12 Abs. 1 StGB

T hat sich wegen versuchten Totschlags nach § 212 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, § 12 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Hinweis:Aus didaktischen Gründen wird auf die ausführliche Prüfung der Versuchsstrafbarkeit verzichtet.

III. Strafbarkeit nach § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB

Hinweis: Es ist sowohl eine gemeinsame als auch eine getrennte Prüfung von Grundtatbestand (§ 223 StGB) und Qualifikation (§ 224 StGB) zulässig. Der Prüfungsaufbau sollte bei der Erstellung der Lösungsskizze vom jeweiligen Ergebnis der Vorüberlegung abhängig gemacht werden. Scheitert offensichtlich die Qualifikation, sollte eine getrennte Prüfung vorgenommen werden, um den Gutachtenstil mit einem korrekten Verhältnis von Ober- und Schlusssatz einhalten zu können.

Aufbau der getrennten Prüfung bei der gefährlichen Körperverletzung

A.

Strafbarkeit nach § 223 Abs. 1 StGB

I.

Tatbestand

1.

Objektiver Tatbestand

a)

Körperliche Misshandlung, Gesundheitsschädigung

b)

Handlung

c)

Kausalität

d)

Objektive Zurechnung

2.

Subjektiver Tatbestand

II.

Rechtswidrigkeit

III.

Schuld

B.

Strafbarkeit nach § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. X StGB

I.

Tatbestand

1.

Objektiver Tatbestand

a)

Vorliegen des Grunddelikts, § 223 Abs. 1 StGB

b)

Qualifikationstatbestand

2.

Subjektiver Tatbestand

a)

Bzgl. Grunddelikt

b)

Bzgl. Qualifikation

II.

Rechtswidrigkeit

III.

Schuld

Aufbau der gemeinsamen Prüfung bei der gefährlichen Körperverletzung

A.

Strafbarkeit nach § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. X StGB

I.

Tatbestand

1.

Objektiver Tatbestand

a)

Grunddelikt

aa) Körperliche Misshandlung/Gesundheitsschädigung

bb) Handlung

cc) Kausalität

dd) Objektive Zurechnung

b)

Qualifikationstatbestand

2.

Subjektiver Tatbestand

a)

Bzgl. Grunddelikt

b)

Bzgl. Qualifikation

II.

Rechtswidrigkeit

III.

Schuld

Hinweis: Die gemeinsame Prüfung sollte nur gewählt werden, wenn offensichtlich der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. X StGB verwirklicht ist.

T könnte sich zu Lasten des M, indem sie diesem mind. einen Schlag mit der Bratpfanne auf den Kopf versetzte, wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben. T müsste tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.

1. Tatbestand

a) Objektiver Tatbestand

aa) Objektiver Tatbestand des Grunddelikts, § 223 Abs. 1 StGB

Zunächst müsste T den objektiven Tatbestand des Grunddelikts nach § 223 Abs. 1 StGB verwirklicht haben.

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