Was kostet die Welt? - Patricia Vandenberg - E-Book

Was kostet die Welt? E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Das Ehepaar Dr. Daniel Norden und Fee sehen den Beruf nicht als Job, sondern als wirkliche Berufung an. Aber ihr wahres Glück finden sie in der Familie. Fünf Kinder erblicken das Licht der Welt. Die Familie bleibt für Daniel Norden der wichtige Hintergrund, aus dem er Kraft schöpft für seinen verantwortungsvollen Beruf und der ihm immer Halt gibt. So ist es ihm möglich, Nöte, Sorgen und Ängste der Patienten zu erkennen und darauf einfühlsam einzugehen. Familie Dr. Norden ist der Schlüssel dieser erfolgreichsten Arztserie Deutschlands und Europas. Als Christiane Spindler die erregte Stimme ihres Mannes im Flur des bescheidenen Reihenmittelhauses hörte, wußte sie, daß es wieder einmal soweit war. »Wo willst du denn schon wieder hin? Sind wir hier ein Hotel? Du kommst auch nur noch zum Essen und Schlafen her.« Frank sprach unbeherrscht mit seiner Tochter Louisa. »Tut mir leid, Paps, ich muß zum Training.« »Immer dieses Training! Hast du denn nichts anderes im Kopf? Du könntest dich zur Abwechslung mal ein bißchen intensiver um dein Studium kümmern. Findest du nicht?« Chrissie konnte es von ihrem Lauschplatz im oberen Stockwerk nicht sehen, aber sie wußte, daß ihre Tochter genervt die Augenbrauen hochzog. »Dafür studiere ich doch Sport, wegen der Förderung. Das ist der einzige Grund«, entgegnete Lou trotzig. »Du glaubst doch nicht im Ernst, ich habe dir mit meinem hart verdienten Geld die Schulausbildung bezahlt, damit du Sportlerin wirst«, rief Frank erregt. »Ich erwarte, daß du ein Nebenfach wählst und wenigstens Lehrerin wirst.« Die Sohlen seiner Schuhe klapperten, ein untrügliches Zeichen dafür, daß er aufgeregt vor seiner Tochter auf und ab marschierte. »Ich habe auch meinen Teil dazu beigetragen«, rief Chrissie von oben herunter, um ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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Familie Dr. Norden – 761 –

Was kostet die Welt?

Lou will nach oben – um jeden Preis

Patricia Vandenberg

Als Christiane Spindler die erregte Stimme ihres Mannes im Flur des bescheidenen Reihenmittelhauses hörte, wußte sie, daß es wieder einmal soweit war.

»Wo willst du denn schon wieder hin? Sind wir hier ein Hotel? Du kommst auch nur noch zum Essen und Schlafen her.« Frank sprach unbeherrscht mit seiner Tochter Louisa.

»Tut mir leid, Paps, ich muß zum Training.«

»Immer dieses Training! Hast du denn nichts anderes im Kopf? Du könntest dich zur Abwechslung mal ein bißchen intensiver um dein Studium kümmern. Findest du nicht?«

Chrissie konnte es von ihrem Lauschplatz im oberen Stockwerk nicht sehen, aber sie wußte, daß ihre Tochter genervt die Augenbrauen hochzog.

»Dafür studiere ich doch Sport, wegen der Förderung. Das ist der einzige Grund«, entgegnete Lou trotzig.

»Du glaubst doch nicht im Ernst, ich habe dir mit meinem hart verdienten Geld die Schulausbildung bezahlt, damit du Sportlerin wirst«, rief Frank erregt. »Ich erwarte, daß du ein Nebenfach wählst und wenigstens Lehrerin wirst.« Die Sohlen seiner Schuhe klapperten, ein untrügliches Zeichen dafür, daß er aufgeregt vor seiner Tochter auf und ab marschierte.

»Ich habe auch meinen Teil dazu beigetragen«, rief Chrissie von oben herunter, um ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen. Louisa, die gescholtene Tochter, wußte den Versuch ihrer Mutter zu schätzen, auch wenn er nicht sehr erfolgreich war. Sie warf einen dankbaren Blick nach oben, aber Frank achtete gar nicht darauf.

»Ganz egal, Geld ist Geld. Und ich sage dir, mein Fräulein, solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, kannst du dir die Flausen aus dem Kopf schlagen, verstanden?«

Chrissie unterdrückte einen tiefen Seufzer. Immer dieselbe Leier. Diesen Spruch hatte sie schon oft von ihren Eltern gehört und sich geschworen, ihn niemals bei ihren eigenen Kindern zu verwenden. Frank war offenbar ganz anderer Meinung. Wann immer er und seine jüngere Tochter aneinander prallten, fielen diese dummen Worte. Lou konnte darüber nur noch milde lächeln.

»Dann ziehe ich eben aus.«

»Aha, ausziehen«, schnaubte Frank verächtlich. »Und wer, bitte schön, sollte diesen Unfug bezahlen? Von uns bekommst du jedenfalls keinen Cent.«

Lou überlegte, ob sie darauf noch etwas sagen sollte. Die Zeit brannte ihr unter den Nägeln. Unter keinen Umständen wollte sie zu spät zum Leichtathletik-Training kommen. Zuviel hing davon ab. Sie entschied sich dafür, lieber den Mund zu halten, stellte sich auf die Zehenspitzen, drückte ihrem Vater einen Kuß auf die Wange und lächelte.

»Darüber reden wir ein andermal, ja? Ich muß jetzt los. Ciao, Paps, Wiedersehen, Mama. Wartet nicht auf mich, es kann spät werden«, rief sie nach oben, und bevor Frank auch nur ein Wort erwidern konnte, war sie schon aus der Tür gewischt.

»Na so was«, murmelte er verblüfft und starrte seiner Tochter nach. Chrissie lächelte milde, als sie langsam die Treppe hinunterstieg und ihn sanft in die Arme nahm.

»Hallo, Liebling. Sei doch froh, daß sie Sport macht und sich nicht mit irgendwelchen vergammelten Typen rumtreibt und Drogen nimmt.«

»Ha, das tut sie vielleicht ohnehin schon. Liest du keine Zeitung? Bei jedem Leistungssport ist es heute gang und gäbe zu dopen. Da macht die Leichtathletik keine Ausnahme.« Frank stand stocksteif da und dachte gar nicht daran, die Zärtlichkeiten seiner Frau zu erwidern. Beleidigt starrte er über ihre Schulter auf die Tür, die Hände demonstrativ in den Hosentaschen versenkt. Chrissie lächelte. Sie kannte ihren Frank lange genug, wußte um seine Stimmungen und auch darum, daß er im Grunde seines Herzens ein gutmütiger, wenn auch konservativer Mensch war, der sich nicht damit abfinden konnte, daß seine Jüngste eine so unsichere Karriere anstrebte.

»Lou tut so was nicht, das weißt du genau. Und jetzt spiel nicht länger die beleidigte Leberwurst. Komm mit ins Wohnzimmer. Ich hab’ uns einen kleinen Imbiß hergerichtet.«

»Ist wieder was übriggeblieben von einer Gesellschaft?« Angesichts dieser Aussicht besserte sich Franks Laune schlagartig. Die Büffets, die seine Frau als selbständige Hauswirtschafterin für die verschiedensten Anlässe und Gesellschaften zauberte, waren immer eine kleine Sensation. Chrissie wußte, daß sie wieder einmal gewonnen hatte.

»Dann komm. Ich bin sicher, es wird dir schmecken.« Sie faßte ihn am Arm und zog ihn mit sanfter Gewalt mit sich, was Frank sich nur zu gerne gefallen ließ. Er liebte es, wenn Chrissie sich um ihn kümmerte. Und tatsächlich, auch diesmal wurde er nicht enttäuscht. Christiane verstand es eben wie keine andere, mit wenigen Mitteln eine gemütliche Atmosphäre zu zaubern. Sein hungriger Blick wanderte über die Köstlichkeiten, die appetitlich in kleinen Schüsseln und Schalen angerichtet waren. Gemütliches Kerzenlicht verzauberte das düstere Dezemberlicht.

»Lou weiß gar nicht, was sie verpaßt«, bemerkte er mit einem Anflug von Grimm, als er sich in die weichen Sofakissen sinken ließ.

»Sei doch froh, daß wir unsere Ruhe haben«, bemerkte Chrissie trocken und schenkte einen gut gekühlten Chardonnay in die Gläser. »Wann kommt denn Antonia heim?«

»Das kann noch dauern.« Frank biß in ein Lachs-Schnittchen. »Hm, köstlich. Diese Dillsahne ist neu, stimmt’s?«

»Das Rezept hab’ ich mir neulich ausgedacht«, bemerkte Christiane etwas abwesend. »Toni ist doch heute früh mit dir gegangen, oder nicht?«

»Doch, schon, aber eine Kollegin hat morgen Geburtstag, und sie bereitet mit ein paar anderen Mädels was vor. Ich glaube, sie bestellen einen Wahrsager. Aber so genau kann man das nie sagen. Bei dem ständigen Gekicher und Gegacker und der ganzen Geheimnistuerei.« Verständnislos schüttelte er den Kopf und probierte ein weiteres Häppchen.

»Einen Wahrsager? Das klingt ja spannend. Ich finde, dazu gehört ganz schön viel Mut. Ehrlich gesagt möchte ich nicht wissen, was mir die Zukunft bringt.«

»Dank meiner weitsichtigen Vorsorge werden wir immer ein sorgenfreies Leben haben«, lächelte Frank selbstgefällig. Chrissie betrachtete ihn skeptisch.

»Wie kannst du so was sagen? Schließlich ist das Leben nicht vorhersehbar. Sicherheit kann man noch nicht pachten.«

»Aber man kann ein paar Vorkehrungen treffen. Außerdem, was soll dieser Pessimismus? Ich dachte, wir wollten ein paar gemütliche Stunden verbringen, ehe ich mich an die Arbeit mache.«

»Was hast du noch vor heute?«

»Im Keller habe ich eine lockere Fußbodenleiste entdeckt. Du weißt doch, wie ich das hasse. Bevor sie kaputtgeht, mache ich sie lieber gleich fest. Und dann ist mir aufgefallen, daß der Wasserhahn im Badezimmer tropft. Das muß ich unbedingt richten, Wasserverschwendung verschlingt wahre Unsummen.«

»Und belastet die Umwelt.«

»Das ist mir in diesem Fall egal. Hier geht es darum, bares Geld zu sparen.«

»Na schön, das ist auch ein Aspekt«, räumte Chrissie friedfertig ein.

Wann immer es möglich war, umging sie Diskussionen mit ihrem Mann, die sich ums liebe Geld drehten. Er war schon immer ein notorischer Sparer gewesen, legte jeden Cent fürs Alter beiseite.

»Der wichtigste, finde ich.« Gedankenverloren kaute Frank an seinem Häppchen, und Christiane nahm einen Schluck Weißwein, als ihm etwas einfiel. Er verzog das Gesicht zu einem verschmitzten Lächeln. »Ich hab’ übrigens eine Überraschung für euch. Kostengünstig.«

»Was meinst du mit ›uns‹?« hakte Christiane skeptisch nach.

»Na, für die Kinder und dich. Schau, eine Busfahrt auf den Salzburger Christkindlmarkt nächsten Samstag.« Seine Augen sprühten Funken vor Enthusiasmus. »Die organisieren wir für unsere Gäste, und es waren noch genau vier Plätze frei.«

»Aber Frank, wann siehst du endlich ein, daß die Mädchen erwachsen sind und keinen großen Wert mehr darauf legen, mit uns was zu unternehmen?«

»Antonia hab’ ich schon gefragt. Sie ist Feuer und Flamme«, gab er beleidigt zurück, weil die erwartete Begeisterung seiner Frau ausblieb. »Und Lou muß sich in die Mehrheitsentscheidung fügen, basta. Sie bricht sich keine Zacke aus der Krone, wenn sie einmal im Jahr mit der Familie was unternimmt.«

Damit war für Frank das letzte Wort gesprochen. Christiane kannte ihren Mann gut genug, um zu wissen, daß jedes weitere Wort zwecklos war. Sie trank noch einen Schluck Weißwein, blickte nachdenklich in die warme Flamme der Kerze und versuchte, der zu erwartenden Auseinandersetzung mit ihrer jüngeren Tochter gelassen entgegenzusehen.

*

Mit einiger Verspätung erreichte Lou endlich das Fitneß-Studio, in dem sie mehrmals die Woche trainierte. Sie wurde schon sehnsüchtig erwartet.

»Mensch, Lou, wo bleibst du denn?« meckerte Max, ihr Trainer, und warf einen demonstrativen Blick auf die Uhr. »Du weißt doch, daß ich Unpünktlichkeit hasse.«

»Reg dich ab.« Lou schüttelte sich und rieb die Finger, die trotz Handschuhen eisig kalt geworden waren. »Du solltest lieber Mitleid mit mir haben, daß ich bei dieser Kälte mit dem Fahrrad fahren muß.«

»Selber schuld. Mach den Führerschein, dann bist du dieses Problem los.«

»Witzbold. Erstens weiß ich nicht, woher ich das Geld nehmen soll, und zweitens fehlt es mir an Zeit. Mein Vater meckert jetzt schon ständig, daß ich zuviel Zeit mit Training verbringe.«

Max bedachte seinen Schützling mit einem belustigten Lächeln.

»Darf ich dich daran erinnern, daß du seit einem Jahr volljährig bist und tun und lassen kannst, was du willst?«

»Träum weiter. Erst vorhin hab’ ich wieder diesen beliebten Spruch gehört: Solange du deine Füße…«

»... unter meinen Tisch stellst, ich weiß schon, brauchst nicht weiterreden. Zu dieser Sorte Mensch gehört also dein Vater. Arme Kleine.« Max’ Miene machte nicht wirklich den Eindruck, als ob er Lou bedauerte. »Genug gequatscht. Ran an die Arbeit. Immerhin haben wir Samstag und Sonntag ein ganz wichtiges Meeting. Das darfst du nicht vermasseln.«

Während der Unterhaltung hatte sich Lou ungeniert aus ihren Kleidern geschält und Sportsachen angezogen. Jetzt bedachte sie Max mit einem erschrockenen Blick und schlug sich an die Stirn.

»O Gott, das hab’ ich ja total vergessen«, stöhnte sie auf. »Na, das gibt wieder eine Standpauke von meinem Vater, wenn die heilige Familie nicht glücklich vereint ist.«

»Dein Vater sollte lieber stolz darauf sein, eine so talentierte Tochter zu haben. Wenn du ordentlich Gas gibst, hast du eine vielversprechende Karriere vor dir.«

»Für Paps ist dieser Beruf keine Zukunftsperspektive. Da muß schon was Ordentliches her. Hotelfachfrau, Sportlehrerin, zur Not ist noch Verkäuferin besser. Zumindest krisensicher«, bemerkte Lou ironisch und warf sich ein Handtuch um den Hals. »Gehen wir. Sonst ist der Abend vorbei, und ich hab’ nichts geschafft. Dann wäre das ganze Theater zu Hause umsonst gewesen.«

Max sagte nichts mehr, er schüttelte den Kopf. So etwas war ihm in seiner langjährigen Laufbahn als Trainer noch nie untergekommen, und er konnte nur hoffen, daß Lou ein Einzelfall blieb.

*

Müde und erschöpft kehrte Lou Stunden später vom Training zurück. Sie warf einen angewiderten Blick auf das schmale Reihenhaus in der Vorstadtsiedlung, das ihr Vater vor einigen Jahren als Altersvorsorge gekauft hatte. Schon vom ersten Augenblick an hatte sie das Haus gehaßt und nicht nur deswegen, weil sie ihr heiß geliebtes Zimmer in der Münchner Stadtwohnung aufgeben mußte. Die Gegend, in der Lou jetzt mit ihrer Familie wohnte, hatte gar nichts mit ihren heimlichen Träumen gemein. Seufzend stellte sie ihr Fahrrad in die Garage und schlich ins Haus. Seufzend stellte sie fest, daß im Wohnzimmer noch Licht brannte. Wortfetzen drangen heraus, unverkennbar die immer etwas schleppende Stimme ihrer Schwester Antonia zwischen denen ihrer Eltern. Lou war zu müde, um zu lauschen. Sie entschloß sich, alles zu ignorieren und sich einfach in ihr Zimmer zu stehlen. Aber es sollte bei diesem Vorsatz bleiben, denn gerade als sie ihren linken Fuß, der in einer dicken Wollsocke steckte, auf die erste Stufe stellte, ging die Tür auf.

»Sieh mal einer an, das Schwesterchen.« Ohne sich umzusehen, wußte Lou: das war unverkennbar Antonias bissiger Ton, den sie sich für ihre Schwester aufsparte. »Na, wie war denn das Rumgehopse?«

Lou stöhnte innerlich auf und drehte sich um. Sie maß ihre Schwester, die das genaue Gegenteil von ihr war, mit einem vielsagenden Blick. Wie können zwei Schwestern nur so unterschiedlich sein, fragte sie sich stumm zum wiederholten Mal. Diese Frage bezog sich nicht nur auf den Charakter. Während Lou selbst leicht lockiges, hellbraunes Haar, leuchtend grüne Augen und volle Lippen hatte, war Antonia mit schwarzen, glatten Haaren, braunen, ausdruckslosen Augen und einem ebenso schmalen Mund gesegnet. Ein beinahe mitleiderregender Anblick, hätte da nicht diese maßlose Arroganz und Selbstüberschätzung in Tonis Wesen gelegen, die jegliches Mitgefühl in Lou im Keim erstickte.

»Ein bißchen körperliche Ertüchtigung würde dir auch nicht schaden«, bemerkte sie anzüglich, obwohl sie sich schon so oft vorgenommen hatte, sich nicht provozieren zu lassen. Immerhin wußte sie, wo das stets endete. Schon wollte Antonia zu einer empörten Antwort ansetzen, als Frank vom Wohnzimmersessel aus und durch den Spalt der Tür seine jüngere Tochter entdeckte. Sofort flammte der Grimm wieder in ihm auf.

»Louisa, welch seltener Gast in den heiligen Hallen. Komm doch rein, und laß uns ein wenig den Glanz deiner Gesellschaft genießen«, spottete er spitz und erntete dafür einen bösen Blick seiner Frau, den er wohlweislich ignorierte. Ohne weiter auf Antonia zu achten, schob sich Lou an ihrer Schwester vorbei ins Zimmer.

»Bitte sei nicht böse, Paps, aber ich bin hundemüde. Ich hatte einen anstrengenden Tag, und das Training war auch nicht gerade ein Zuckerschlecken.«

»Wenn ich mich recht erinnere, hast du dir das selbst ausgesucht. Und wenn du Zeit fürs Training findest, kannst du auch noch ein bißchen bei uns bleiben, findest du nicht, Chrissie?« wandte sich Frank schadenfroh an seine Frau. In diesem Moment konnte er sich selbst nicht ausstehen, aber es ging nicht anders. Irgendwie mußte er seinen Unmut unmißverständlich zum Ausdruck bringen. Lou haderte kurz mit sich, dann ließ sie sich seufzend in einen Sessel fallen.

»Schön, dann bleibe ich eben.«

»Sehr enthusiastisch, dein Auftreten, wirklich.« Antonia war ebenfalls ins Wohnzimmer zurückgekehrt und setzte sich auf die Sessellehne neben ihren Vater. Demonstrativ legte sie den Arm um seine Schulter, und Lou wäre beinahe schlecht geworden. Sie warf ihrer Mutter einen hilfesuchenden Blick zu, aber Christiane sah zur Seite. Sie hatte die ewigen Streitereien satt und wollte nichts als ihren Seelenfrieden.

»Na, wie war’s denn heute in der Uni?« versuchte sie daher, das Gespräch auf ein erfreulicheres Thema zu lenken. Zu spät fiel ihr ein, daß Frank und Lou sich erst am Nachmittag deswegen in die Haare geraten waren. Erschrocken hielt sie die Luft an und wartete auf eine Antwort, aber Lou war zu müde und zu friedfertig, um streiten zu wollen.

»Ganz gut. Wenn die Lauferei nicht wäre, könnte ich mir schon vorstellen, an einem Sportgymnasium zu unterrichten. Mal sehen, was die Zukunft noch so bringt.«

»Das ist der erste gute Satz, den ich heute von dir höre. Offenbar hast du dich im Studio abreagiert.« Zufrieden nickte Frank seiner Tochter zu. Eines Tages würde sie doch noch vernünftig werden. »Deine versöhnliche Stimmung möchte ich gleich nutzen, um dir etwas zu sagen.«

Alarmiert schaute Lou auf. Hinter solchen Ankündigungen ihres Vaters steckten meist Hiobsbotschaften. Sie sollte sich nicht täuschen.

»Wir machen am Samstag einen Familienausflug zum Salzburger Christkindlmarkt. Und ich erwarte, daß du daran teilnimmst. Ohne Widerrede.«

Einen Augenblick lang meinte Lou, ihren Ohren nicht zu trauen.

»Diesen Samstag?« fragte sie mit ebenso leiser wie entgeisterter Stimme.

»Natürlich diesen Samstag. Der Bus macht keine Extratour für uns allein«, kommentierte Antonia schadenfroh. Sie hatte sofort erkannt, was hinter Lous Stirn vor sich ging. »Du willst doch nicht sagen, daß du keine Zeit hast?«