Gewonnen – oder doch verloren? - Patricia Vandenberg - E-Book

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Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Das Ehepaar Dr. Daniel Norden und Fee sehen den Beruf nicht als Job, sondern als wirkliche Berufung an. Aber ihr wahres Glück finden sie in der Familie. Fünf Kinder erblicken das Licht der Welt. Die Familie bleibt für Daniel Norden der wichtige Hintergrund, aus dem er Kraft schöpft für seinen verantwortungsvollen Beruf und der ihm immer Halt gibt. So ist es ihm möglich, Nöte, Sorgen und Ängste der Patienten zu erkennen und darauf einfühlsam einzugehen. Familie Dr. Norden ist der Schlüssel dieser erfolgreichsten Arztserie Deutschlands und Europas. »Mit Männern habe ich bisher immer Pech gehabt. Ich kann es kaum glauben, daß es diesmal anders sein sollte.« Das sanfte Rauschen des Meeres umspielte die ängstlichen Worte, die Mia dem Mann, der sie in den Armen hielt und zärtlich auf sie hinabblickte, zuraunte. »Ich weiß, wie schwer es dir fällt, an die Macht des Schicksals zu glauben. Es hat uns hier auf dieser Insel nicht umsonst zusammengeführt. Das nehme ich als ein Zeichen«, murmelte er heiser und streichelte ihr Haar. Es war fein und weich und floß wie helle Seide durch seine Finger. »Auch ich habe viel erleiden müssen in der Vergangenheit. Doch ich habe niemals die Hoffnung aufgegeben, daß mir eines Tages doch noch Glück beschert sein wird. Du kannst sicher sein, daß es mir ernst ist mit uns. Sehr ernst. Alles, was du brauchst, ist Vertrauen.« In seine Worte legte Morten all das Gefühl, dessen er fähig war. Mia erschauerte. »Ich möchte es so sehr. Aber es ist leichter gesagt als getan«, bat sie ihn um Verständnis. Ihre Blicke begegneten sich und hielten einander fest. Es war ein Augenblick, wie er eindrucksvoller nicht hätte sein können.

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Familie Dr. Norden – 764 –

Gewonnen – oder doch verloren?

Mia bekommt, was sie verdient

Patricia Vandenberg

»Mit Männern habe ich bisher immer Pech gehabt. Ich kann es kaum glauben, daß es diesmal anders sein sollte.«

Das sanfte Rauschen des Meeres umspielte die ängstlichen Worte, die Mia dem Mann, der sie in den Armen hielt und zärtlich auf sie hinabblickte, zuraunte.

»Ich weiß, wie schwer es dir fällt, an die Macht des Schicksals zu glauben. Es hat uns hier auf dieser Insel nicht umsonst zusammengeführt. Das nehme ich als ein Zeichen«, murmelte er heiser und streichelte ihr Haar. Es war fein und weich und floß wie helle Seide durch seine Finger. »Auch ich habe viel erleiden müssen in der Vergangenheit. Doch ich habe niemals die Hoffnung aufgegeben, daß mir eines Tages doch noch Glück beschert sein wird. Du kannst sicher sein, daß es mir ernst ist mit uns. Sehr ernst. Alles, was du brauchst, ist Vertrauen.« In seine Worte legte Morten all das Gefühl, dessen er fähig war.

Mia erschauerte.

»Ich möchte es so sehr. Aber es ist leichter gesagt als getan«, bat sie ihn um Verständnis.

Ihre Blicke begegneten sich und hielten einander fest. Es war ein Augenblick, wie er eindrucksvoller nicht hätte sein können. Während Mia und Morten vollkommen in die Gegenwart des anderen vertieft eng umschlungen am Strand standen, versank eine rotglühende Sonne lautlos im Meer und gab dem Wasser den Anschein flüssiger Lava.

Doch der magische Moment ging vorüber, und kaum war die Feuerkugel verschwunden, als Mortons Handy klingelte und die romantische Stimmung mit einem Schlag zerstörte. Seufzend zog er es aus der Tasche und warf einen Blick darauf.

»Es tut mir leid, ich muß rangehen. Meine Mitarbeiter haben die strikte Anweisung, mich nur zu informieren, wenn es dringend ist.«

Mia lächelte liebevoll und ließ die Arme sinken, die sie auf Mortons Schultern gelegt hatte.

»Geh nur dran, ich warte inzwischen auf dich«, versprach sie mit sanfter Stimme und entfernte sich diskret, um ihren neuen Freund in Ruhe sprechen zu lassen. Das un-ablässige Rauschen des Meeres übertönte seine Worte, und so war sie überrascht, als er sie nach kurzer Zeit von hinten umfaßte und sie sanft an den Schultern herumdrehte. Selbst im schwindenden Tageslicht konnte Mia den Schatten erkennen, der auf sein Gesicht gefallen war.

»Schlechte Nachrichten?« fragte sie beklommen und konnte nicht verhindern, daß ihre Stimme vor Angst ebenso zitterte wie ihr Herz.

»Das kann man wohl sagen.« Morten war vollkommen verändert. Die Zärtlichkeit aus seiner Stimme war wie fortgeblasen.

So hatte Mia ihn bisher noch nicht erlebt, und erschrocken zuckte sie zurück.

»Was ist geschehen?«

»Ein Notfall. Einer meiner Mitarbeiter hatte unterwegs einen schweren Unfall. Einige Passagiere sind verletzt. Ich muß sofort zurückfliegen.« Er warf einen Blick auf die leuchtenden Ziffern seiner Armbanduhr. »Wenn ich mich beeile, schaffe ich die letzte Maschine nach Deutschland.«

Mia nickte stumm, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen. Tatenlos mußte sie zusehen, wie Morten nach einem flüchtigen Kuß kopflos über den Strand in Richtung Hotel davoneilte, ohne sich noch einmal umzusehen. Deprimiert wandte sie sich schließlich ab und wanderte in Gedanken versunken an die verzauberten Tage, die sie mit Morten verbracht hatte, am Saum des Meeres entlang. Doch je weiter sie ging, um so mehr erschien ihr die plötzliche Einsamkeit als schlechtes Omen. Tatsächlich kam Mia ein entsetzlicher Gedanke, als sie sich eine halbe Stunde später auf dem Rückweg befand.

»Das ist doch nicht möglich! Die Liebe hat mich wirklich um den Verstand gebracht!« stieß sie ungläubig durch die Zähne. Mit beiden Händen raffte Mia ihren langen Rock hoch und lief so schnell sie konnte durch den weichen, tiefen Sand zurück. Atemlos erreichte sie die Rezeption.

»Entschuldigen Sie, ist Morten Claas noch hier?« fragte sie vollkommen aufgelöst. Ihr weiches blondes Haar klebte in Strähnen an der feuchten Stirn, sie hatte eine Spur feinen Sand auf dem dicken dunkelroten Teppich der Lobby hinterlassen. Doch das kümmerte Mia in diesem Moment nicht. Hoffnungsvoll starrte sie den Rezeptionisten an, der seelenruhig in seinem Computer nach der gewünschten Auskunft suchte. Schließlich wandte er sich mit einem geheuchelten Ausdruck des Bedauerns an die nervöse Mia.

»Tut mir leid. Herr Claas hat unser Haus vor zehn Minuten überraschend verlassen.«

Mia mußte nicht lange darüber nachdenken, was sie tun sollte.

»Rufen Sie mir ein Taxi! Ich muß sofort zum Flughafen.«

»Wenn Sie vorhaben, Herrn Claas zu erreichen, muß ich Sie enttäuschen. Es grenzt an ein Wunder, wenn er selbst den Flughafen noch rechtzeitig erreicht.«

Mia meinte, ihr Herz müsse stehenbleiben vor Schreck.

»Aber ich muß ihn noch einmal sehen. Ich habe weder seine Adresse noch seine Telefonnummer. Sie müssen mir helfen!«

»Bedaure, meine Dame, die Daten unserer Gäste unterliegen einem strengen Schutz. Selbst wenn ich wollte, könnte ich sie nicht herausgeben.«

»Das können Sie mir nicht antun!« flehte Mia so laut, daß sich die Gäste, die sich in der Lobby aufhielten, neugierig nach der Frau umsahen, die offenbar den Tränen nahe war. Doch es half kein Bitten und Betteln. Der Angestellte des Hotels nahm seine Pflichten sehr ernst und war nicht zu erweichen. So mußte Mia schließlich unverrichteter Dinge aufgeben. Verzweifelt und mit sich und der Welt hadernd zog sie sich in einen der tiefen Sessel zurück, die für die Gäste bereitstanden. Sie konnte nur hoffen, daß Morten das Flugzeug verpaßt hatte und zu ihr zurückkehren würde. Doch sie hoffte vergebens.

Hektisch eilte die Chefin der gleichnamigen Klinik, Dr. Jenny Behnisch, über den Krankenhausflur und erteilte dem Mann, der versuchte, ihren Schritten zu folgen, knappe Anweisungen.

»Mobilisiere alles, was wir an Ärzten und Schwestern zur Verfügung haben. Laut meinen Informationen werden in wenigen Minuten ungefähr zwanzig Schwerverletzte eingeliefert. Und ruf Daniel an. Ich brauche ihn hier.«

Jennys Stellvertreter Michael Graef nickte geflissentlich. Obwohl ein solches Busunglück nicht häufig vorkam, war er ruhig und konzentriert und wußte mit schlafwandlerischer Sicherheit, was zu tun war.

»Daniel ist bereits im Haus. Er hat eine Patientin besucht und von dem Unglück gehört«, konnte er bereits berichten. »Um den Bestand an Blutkonserven habe ich mich schon gekümmert. Wir sind entsprechend vorbereitet«, nahm er Jenny die nächste Frage vorweg.

Trotz ihrer Sorgen lächelte die Chefin zufrieden.

»Sehr schön. Ich schätze diese Professionalität. Der Chef des 
Busunternehmens ist auch schon informiert. Er hat sein Kommen zugesagt. Meines Wissens hat er seinen Urlaub abgebrochen.«

»Das ist ja wohl das mindeste, was man von ihm verlangen kann«, stellte Dr. Graef nüchtern fest.

»Ich finde, es ist ein feiner Zug von ihm.« Während ihres Gesprächs waren die beiden Ärzte an einer gläsernen Tür angelangt, an der sich ihre Wege trennten. Mi-chael machte sich zunächst auf zu seinem Büro, um die Anweisungen der Chefin auszuführen, während Jenny zu den Operationssälen eilte. Als sie dort ankam, wurden eben die ersten Verletzten hereingebracht. Dr. Kai Paulsen, der schon mit anderen Kollegen bereitstand, um zu helfen, nahm sich einer jungen Frau an, die ein Kind auf den Armen trug.

»Kommen Sie hier herüber«, sprach er mit leiser, beruhigender Stimme auf sie ein und führte sie zu einer Liege. Benommen ließ sich Asja Bader darauf sinken. Obwohl sie eine blutende Wunde am Kopf hatte, konnte sie den Blick nicht von dem Kind in ihren Armen wenden.

»Mein Sohn, helfen Sie meinem Sohn. Er ist verletzt«, wiederholte sie unablässig murmelnd.

»Ganz ruhig, Dr. Norden hier wird sich sofort um ihn kümmern«, versprach Kai, und er nickte dem Kollegen freundschaftlich zu, der eben zu ihm getreten war. »Ich versorge inzwischen Ihre Wunde.« Als er ihr den ungefähr sechsjährigen zierlichen Buben aus dem Arm nehmen wollte, sandte Asja dem Arzt einen argwöhnischen Blick und drückte das Kind noch fester an sich.

»Mit mir ist alles in Ordnung. Finn bleibt bei mir. Sie dürfen ihn mir nicht wegnehmen«, erklärte sie beinahe feindselig. In ihren dunklen Augen brannte ein seltsames Feuer.

»Bitte, seien Sie vernünftig«, ließ sich Kai Paulsen nicht von dieser eigenartigen Reaktion irritieren. Unter Schock benahmen sich Menschen mitunter seltsam. »Niemand will Ihnen Ihr Kind wegnehmen. Mein Kollege Daniel Norden wird ihn hier im Zimmer untersuchen. Sie können die ganze Zeit bei ihm sein.«

Als Dr. Daniel Norden die Arme der jungen Mutter sanft löste, um den Buben hochzunehmen, ließ Asja ihn schließlich unter argwöhnischen Blicken gewähren.

»Du bist also Finn«, fragte er den Buben mit dem schmalen blassen Gesicht und den blonden Locken, der so gar keine Ähnlichkeit mit seiner dunkelhaarigen Mutter hatte. »Tut dir irgend was weh?« fragte er behutsam und begann vorsichtig, den schmalen Körper abzutasten.

»Nö«, antwortete Finn schlicht. Langsam aber sicher erwachte er aus seiner Erstarrung und erklärte mit kindlicher Unbedarftheit: »Aber ich bin ganz schön erschrocken. Das hat mächtig laut gekracht!« Jetzt, wo ihn Dr. Paulsen aus den bebenden Armen seiner Mutter befreit hatte, schien auch die Angst von ihm abzufallen.

Als Asja diese Worte hörte, erstrahlte ein Lächeln um ihren schön geschwungenen, vollen Mund.

»Ein Wunder ist geschehen! Oh, mein Gott, meinem Kleinen ist nichts passiert. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, rief sie überschäumend vor Glück. Kai Paulsen wußte nicht, wie ihm geschah, als Asja ihm um den Hals fiel und ihm einen Kuß auf die Wange drückte.

»Aber, aber, ich habe doch gar nichts getan. Noch nicht einmal Ihre Wunde habe ich verbunden«, stellte er kopfschüttelnd fest und sandte Daniel ein Augenzwinkern, das dieser erwiderte. Er beendete seine Untersuchung und klopfte Finn kameradschaftlich auf die Schulter.

»Es ist wirklich alles in Ordnung, junger Mann. Du kannst dich bei deinem Schutzengel bedanken. Der hat ganze Arbeit geleistet. Nicht die kleinste Schramme hast du abbekommen.«

»Besser als bei den Leuten da drüben. Der ihre Engel haben nicht so gut aufgepaßt«, bemerkte Finn trocken und nickte hinüber zu ein paar Mitfahrern des Busses, die humpelnd und mit schmerzverzerrten Gesichtern von Ärzten und Schwestern hereingeführt wurden. Einige konnten nicht mehr selbst gehen und wurden auf Liegen hereingeschoben, maßloses Entsetzen in den Augen.

»Da hast du recht«, stellte Dr. Daniel Norden mit einem bekümmerten Blick auf die Unglücklichen fest. »Deshalb gehe ich jetzt auch hinüber und sehe, wo ich helfen kann. Du bleibst schön hier bei Dr. Paulsen und deiner Mama«, erklärte er entschieden.

Finn nickte ernsthaft und sah dem Arzt nach, der sich bereits auf den Weg gemacht hatte, während Kai seine Aufmerksamkeit wieder der Kopfwunde von Asja zuwandte. Ängstlich legte der Junge den Kopf schief.

»Tut das weh, Mama?«

Asja schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht, als Kai die Wunde mit einer in Desinfektionsmittel getränkten Kompresse reinigte.

»Ein bißchen weh tut es bestimmt«, erklärte Kai. »Aber glücklicherweise ist es nur halb so schlimm, wie es aussieht. Deine Mama bekommt ein schönes Pflaster und bleibt noch ein wenig hier. Ich hole gleich eine Schwester, die sich weiter um euch kümmert.«

»Was passiert denn jetzt mit uns?« erkundigte sich Finn, der ein aufgewecktes Bürschchen zu sein schien.

»Wie oft hab’ ich dir schon gesagt, daß du nicht so neugierig sein sollst?« herrschte Asja ihren Sohn ungehalten an. Aber Kai winkte ab.

»Schon gut. Das ist ja immerhin eine berechtigte Frage«, erklärte er geduldig. »Wenn ich deine Mama verbunden habe, bringt euch Schwester Nina in den Aufenthaltsraum. Deine Mama muß Angaben über eure Personalien und sonstige Daten machen. Du bekommst inzwischen Tee und Kekse.«

»Lecker«, schleckte sich der kleine Kerl die Lippen, dem beim Stichwort Kekse eingefallen war, daß er hungrig war. »Was sind Daten?«

Asja verdrehte die Augen. Auf ihrer Stirn prangte inzwischen eine Kompresse, die Kai behutsam mit einem Pflaster befestigt hatte, während er sich mit Finn unterhielt.

»Hör schon auf zu fragen, sonst müssen wir gleich wieder gehen.« Asja hatte kaum ausgesprochen, als sich ihr bittender Blick auf Kai richtete. »Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wo wir heute nacht schlafen sollen.«

Der Arzt sah sich skeptisch um. Die Notaufnahme füllte sich mit immer mehr Verletzten, die versorgt werden wollten. Kai wurde ungeduldig.

»Es tut mir leid. Aber hierbleiben können Sie angesichts dieser Menge an Menschen sicher nicht. Bitte, fragen Sie Schwester Hildegard. Sie kann Ihnen sicher die Adresse von einem Hotel oder einer Pension geben«, erklärte er hastig.

Seine helfenden Hände wurden dringend gebraucht. So gerne er sich weiter mit Asja unterhalten hätte, so eilig hatte er es nun. »Jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen. Ich wünsche Ihnen alles Gute«, verabschiedete er sich eilig von seinen beiden Patienten, die ihm sehnsüchtig nachblickten.

»Der ist aber nett. So einen Papi will ich haben«, erklärte Finn im Brustton der Überzeugung.

Asja lächelte hintergründig, während sie Kai mit den Blicken verfolgte, bis er schließlich verschwunden war. Dann rutschte sie von der Liege, auf der sie während der Behandlung gesessen hatte und kniete neben Finn nieder. Sie betrachtete ihn voller Liebe und legte die Arme um seine schmalen Schultern. Obwohl die Wunde brannte und pulsierte, wurde ihr Lächeln tiefer, als sie sagte:

»So einen Papi bekommst du. Das verspreche ich dir.«

Als Morten Claas auf Umwegen sein Ziel endlich erreicht hatte, war es bereits ruhig in der Behnisch-Klinik geworden. Nach getaner Arbeit saßen noch ein paar Ärzte beisammen und ließen die Ereignisse Revue passieren.

»Glücklicherweise fällt die Bilanz positiver aus als erwartet«, stellte Jenny Behnisch fest und trank einen Schluck Kaffee, den sie sich redlich verdient hatte.

»Drei Schwerverletzte, ein paar Knochenbrüche, Quetschungen, Prellungen und Platz- und Schürfwunden. Ich bin froh, daß es nicht schlimmer gekommen ist«, bestätigte Daniel Norden, der seiner langjährigen Freundin bis zum Schluß und auch noch darüber hinaus beistand.

»Dabei ließ die erste Meldung Schreckliches vermuten«, seufzte Kai Paulsen und fuhr sich mit der Hand über die brennenden Augen.

Jenny Behnisch ließ ihren dankbaren Blick über die Kollegen wandern.

»Es ist auch deshalb nicht schlimmer gekommen, weil ihr ganze Arbeit geleistet habt«, wußte sie nur zu gut, was sie ihren Mitarbeitern schuldig war. »Ohne euren schnellen, selbstlosen Einsatz wäre mancher Patient nicht so glimpflich davongekommen. Ich bin stolz darauf, ein so hervorragendes Team um mich versammelt zu haben.« Sie unterbrach ihre Lobesrede, als eine Schwester zu ihr herantrat und ihr leise etwas mitteilte. Jennys Blick war müde, als sie ihren Kollegen gleich daraufhin erklärte: »Herr Claas, der Busunternehmer, ist eben eingetroffen.« Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als Mortens fahles Gesicht im Türrahmen auftauchte. Seine kurzen aschblonden Haare waren wirr, die sonst etwas rundlichen Wangen, die ihm ein weiches, gutmütiges Aussehen gaben, waren eingefallen und die blitzenden Augen sorgenvoll umschattet. Kurz-um, er wirkte sichtlich mitgenommen.

»Guten Abend, die Herrschaften. Es tut mir leid, daß ich nicht eher kommen konnte«, begrüßte er die versammelten Ärzte.

Jenny lächelte und erhob sich, um den pflichtbewußten Unternehmer willkommen zu heißen.