Der Sommer fängt im Januar an - Patricia Vandenberg - E-Book

Der Sommer fängt im Januar an E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Das Ehepaar Dr. Daniel Norden und Fee sehen den Beruf nicht als Job, sondern als wirkliche Berufung an. Aber ihr wahres Glück finden sie in der Familie. Fünf Kinder erblicken das Licht der Welt. Die Familie bleibt für Daniel Norden der wichtige Hintergrund, aus dem er Kraft schöpft für seinen verantwortungsvollen Beruf und der ihm immer Halt gibt. So ist es ihm möglich, Nöte, Sorgen und Ängste der Patienten zu erkennen und darauf einfühlsam einzugehen. Familie Dr. Norden ist der Schlüssel dieser erfolgreichsten Arztserie Deutschlands und Europas. »Stell dir vor, und dann habe ich deine Kleider angezogen und habe mit Max Schluß gemacht. Er hat noch nicht mal gemerkt, daß nicht du es warst, die da vor ihm stand«, prustete Beatrice Köllner hinter vorgehaltener Hand, als sie sich in Weinlaune an das Ereignis erinnerte, das bereits mehr als acht Jahre zurücklag. Doch statt einen Heiterkeitsausbruch bei ihrer Zwillingsschwester hervorzurufen, erntete sie nur fassungsloses Entsetzen. »Was hast du da gesagt?« Entgeistert starrte die Philologin Jeanette ihre Schwester an. »Kannst du das bitte wiederholen?« »Stell dich nur nicht an, Jeanny, das ganze ist Jahre her«, versuchte Bea, ihren Worten die Schicksalhaftigkeit zu nehmen. Mit einem Schlag war sie nüchtern geworden und erkannte in aller Klarheit den Fehler, den sie sich eben erlaubt hatte. Verzweifelt versuchte sie, ihr Tun zu rechtfertigen. »Es war das Beste für Max und dich, euch zu trennen. Du warst so unglücklich, daß ich deinen tieftraurigen Anblick nicht mehr mitansehen konnte. Nachdem dir für diesen Schritt aber die Kraft gefehlt hat, habe ich es eben übernommen«, erklärte sie kühl und ein wenig herablassend. »Und das alles, obwohl du wußtest, daß ich ein Kind von ihm erwartete? Wie konntest du so etwas tun? Max war meine große Liebe«, rief Jeanette verzweifelt. Die ganze harmonische Stimmung war mit einem Schlag dahin.

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Familie Dr. Norden – 772 –

Der Sommer fängt im Januar an

Wirkliche Liebe kennt keine Jahreszeit

Patricia Vandenberg

»Stell dir vor, und dann habe ich deine Kleider angezogen und habe mit Max Schluß gemacht. Er hat noch nicht mal gemerkt, daß nicht du es warst, die da vor ihm stand«, prustete Beatrice Köllner hinter vorgehaltener Hand, als sie sich in Weinlaune an das Ereignis erinnerte, das bereits mehr als acht Jahre zurücklag. Doch statt einen Heiterkeitsausbruch bei ihrer Zwillingsschwester hervorzurufen, erntete sie nur fassungsloses Entsetzen.

»Was hast du da gesagt?« Entgeistert starrte die Philologin Jeanette ihre Schwester an. »Kannst du das bitte wiederholen?«

»Stell dich nur nicht an, Jeanny, das ganze ist Jahre her«, versuchte Bea, ihren Worten die Schicksalhaftigkeit zu nehmen. Mit einem Schlag war sie nüchtern geworden und erkannte in aller Klarheit den Fehler, den sie sich eben erlaubt hatte. Verzweifelt versuchte sie, ihr Tun zu rechtfertigen. »Es war das Beste für Max und dich, euch zu trennen. Du warst so unglücklich, daß ich deinen tieftraurigen Anblick nicht mehr mitansehen konnte. Nachdem dir für diesen Schritt aber die Kraft gefehlt hat, habe ich es eben übernommen«, erklärte sie kühl und ein wenig herablassend.

»Und das alles, obwohl du wußtest, daß ich ein Kind von ihm erwartete? Wie konntest du so etwas tun? Max war meine große Liebe«, rief Jeanette verzweifelt. Die ganze harmonische Stimmung war mit einem Schlag dahin. Wäre nicht das gebrauchte Geschirr gewesen, die benutzten Gläser, mit denen die beiden Frauen noch vor kurzer Zeit angestoßen hatten, hätte man nicht vermutet, daß bis eben schönste Einigkeit zwischen den Schwestern geherrscht hatte.

Verletzt und eifersüchtig setzte sich Beatrice zur Wehr.

»Große Liebe, pah, daß ich nicht lache. Das redest du dir jetzt ein, weil keine einzige Beziehung nach Max mehr gehalten hat. Du trauerst einem Phantom nach, meine Liebe. Aber das hätte ich mir ja denken können. Undankbarkeit ist der Welten Lohn«, erklärte sie schrill und leerte ihr Weinglas in einem Zug.

»Ich kann mich nicht daran erinnern, dich gebeten zu haben, irgend etwas für mich zu klären. Ich konnte schon immer für mich alleine sorgen. Das hast du nie ertragen, ich weiß. Du wolltest ständig die Mutterrolle einnehmen. Stets hast du dich ungebeten in mein Leben eingemischt.«

»Du warst doch froh, keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Ich habe dir nie erzählt, wie oft Max mir sein Leid über dich geklagt hat.«

»Das ist nicht wahr!« rief Jeanette entsetzt.

Doch plötzlich hielt sie inne und warf ihrer Schwester einen forschenden Blick zu. Mit einem Mal sah sie klar. »Jetzt wird mir langsam einiges klar, was ich schon lange aus meinem Gedächtnis verdrängt hatte. Du wolltest Max. Aber er hat nicht dich geliebt, sondern mich. Deshalb hast du ihn aus meinem Leben verbannt. Wenn, dann sollte ihn keine von uns haben«, sagte sie langsam aber bestimmt.

Beatrice wurde leichenblaß unter ihrer Schminke, die sie, wie auch ihre betont schicke Kleidung, von ihrer Zwillingsschwester unterschied.

Sie dachte noch über eine Antwort nach, als Jeanette plötzlich aufsprang.

»Was hast du vor?« fragte Bea tonlos.

»Ich rufe Max an.«

»Du hast seine Nummer?«

Jeanette drehte sich noch einmal um und warf ihrer Schwester einen durchdringenden Blick zu.

»Seit er so plötzlich und unverständlicherweise aus meinem Leben verschwunden ist, habe ich verfolgt, wo er ist und was er tut. Ich werde ihn anrufen. Noch heute abend.« Mit diesen Worten wollte sich Jeanette abwenden, als sie ein dünnes Stimmchen zunächst davon abhielt, ihren Plan in die Tat umzusetzen.

»Warum seid ihr so laut? Ich kann nicht schlafen, wenn ihr euch streitet«, jammerte die kleine Kiki mit müden Augen.

Als Jeanette ihre Tochter erblickte, wurde ihr ganz warm ums Herz. Sie kniete nieder und legte ihre Hände auf die schmalen Schultern des Kindes, das so gar keine Ähnlichkeit mit seinem Vater hatte.

»Es tut mir leid, wenn wir dich geweckt haben. Tante Bea und ich streiten uns nicht. Wir haben nur diskutiert. Und jetzt gehst du
hübsch wieder ins Bett. Gute Nacht, meine Süße.« Sie küßte das Mädchen auf die Stirn und wollte sie ins Kinderzimmer zurückschieben.

Kiki bewegte sich jedoch nicht.

»Singst du mir noch unser Lied vor?«

»Das haben wir heute doch schon gemacht«, wehrte Jeanette diese Bitte ungeduldig ab. »Morgen gibt es wieder wie jeden Abend ›I’m singing in the rain‹. Für heute ist Schluß«, bestimmte sie resolut, und Kiki wußte, daß jeder Widerstand zwecklos war. Mit einem zärtlichen Lächeln auf den Lippen begleitete Jeanette das Kind zurück in sein Zimmer. Sie hob ihre Tochter ins Bett, deckte sie zu und küßte sie noch einmal. Dann verließ sie das Zimmer, um endlich das zu tun, was sie vorgehabt hatte.

Das, was sie schon vor Jahren getan hätte, wenn sie nur die Wahrheit geahnt hätte!

»Wer war das eben am Telefon?« fragte Julia Bley, als ihr Lebensgefährte Max mit nachdenklichem Gesichtsausdruck ins Wohnzimmer zurückkehrte.

»Wie bitte?« schreckte er aus seinen Gedanken hoch. »Ach, nichts weiter. Verwählt.«

»Dann können wir unsere Diskussion ja fortführen«, bemerkte Julia mit unerbittlichem Gesichtsausdruck.

»Ich dachte, es ist alles gesagt«, seufzte Max Lüders erschöpft. »Warum sollten wir heiraten, Julia? Ich sehe in dieser Aktion einfach keinen Sinn.«

»Nur, weil deine Freundin vor Jahren einen Rückzieher gemacht hat, ist das noch lange kein Grund, für alle Zeiten auf die Ehe zu verzichten.«

»Es geht nicht um Jeanette. Wann siehst du das endlich ein?« fragte Max gequält. Er wirkte abgespannt und müde und hatte augenscheinlich genug von der Diskussion. »Warum können wir nicht alles so lassen, wie es ist? Du willst keine Kinder, wir haben keine gemeinsame Wohnung und wollen das auch nicht, weil wir nicht enden wollen wie all die anderen spießigen Paare. Warum sollten wir dann heiraten? Es gibt keinen einzigen vernünftigen Grund dafür.«

»Wenn es nicht Grund genug ist, daß ich es will, dann können wir uns ebensogut auch trennen«, behauptete Julia starrsinnig und machte dabei ganz den Eindruck eines bockigen Kindes, das seinen Willen mit aller Macht durchsetzen wollte. »Also, was ist? Heiratest du mich oder nicht?«

»Das ist Erpressung.«

»Ich will eine Antwort. Ja oder nein?«

Max war nicht bei der Sache. Der Telefonanruf spukte ihm im Kopf herum, den er eben erhalten hatte. Es kostete ihn alle Mühe, seine innere Erregung zu verbergen.

»Nein, ich will dich nicht heiraten«, antwortete er daher gedankenlos.

Julia starrte ihren Lebensgefährten ungläubig an. Mit allem hatte sie gerechnet. Nur nicht mit einer ablehnenden Antwort, die sie bis ins Innerste ihres Ehrgefühls traf. Schnaubend warf sie den Kopf in den Nacken und erhob sich stolz.

»Das war eindeutig. Ich habe verstanden.« Sie schickte ihm einen haßerfüllten Blick. »Das wirst du eines Tages bitter bereuen. Leb wohl, Max Lüders. Ich liebe dich. Aber das ist offenbar Zeitverschwendung.« Mit diesen Worten stakste sie auf hohen Absätzen aus seiner Wohnung.

Max machte keinen Versuch, Julia aufzuhalten. Er war viel zu aufgewühlt von Jeanettes Stimme, die so verzweifelt am Telefon geklungen hatte. In wenigen Stunden würde sie da sein. Neben dieser Nachricht, auf die er so viele Jahre vergeblich gewartet hatte, verblaßte alles andere. Auch die Tatsache, daß sich seine Freundin Julia Bley aus seinem Leben zurückgezogen hatte.

Alle Fenster der Bayerischen Staatsbibliothek waren um diese späte Stunde dunkel. Nur aus einem drang ein schwacher Lichtschein. Es lag im oberen Stockwerk, dort, wo ein Teil der alten, kostbaren Bände aufbewahrt wurden.

»Wenn wir die Bücher vor dem Verfall retten wollen, müssen wir dringend etwas unternehmen. Ein entsprechender Antrag zur Finanzierung wurde bereits bewilligt«, erklärte der Bibliothekar Johann Bartsch seiner Mitarbeiterin Simone Ernst, die neben ihm stand und einen kritischen Blick auf die papiernen Patienten warf.

»Ich habe mich bereits informiert. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, gibt es nur einen, den wir mit dieser diffizilen Aufgabe betrauen können.«

»Wie heißt unser Mann?«

»Max Lüders. Seit Jahren ist sein Spezialgebiet die Konservierung und Restaurierung solcher alter Handschriften und Inkunabeln. Meine Freundin Jeanette hat mir erzählt, daß er in Weimar war, um zu helfen, die während des Brandes beschädigten Bücher wiederherzustellen. Er ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet.«

»Das klingt vielversprechend. Wo lebt er?«

»Offenbar schlägt er mal hier, mal da seine Zelte auf. Momentan befindet er sich offenbar in Aschaffenburg. Ich werde mich gleich morgen mit ihm in Verbindung setzen.«

»Wenn es sein muß, holen Sie ihn persönlich ab«, brummte Johann Bartsch besorgt. »Sie scheinen ja einiges über ihn zu wissen.«

Simone zuckte mit den Schultern.

»Sie kennen doch meine Freundin Jeanette, die Philologin.«

»Die hübsche junge Frau mit der schwarzen Brille und dem viel zu ernsten Gesichtsausdruck? Ich sehe sie oft hier ins Studium unserer alten Bücher vertieft.«

»Sie war vor Jahren mit Max Lüders zusammen. Seit die Beziehung aus unerfindlichen Gründen vor Jahren in die Brüche ging, hat sie das Lachen beinahe verlernt.«

»Hat sie nicht ein Kind?« erinnerte sich Bartsch an die Kleine, die ihre Mutter regelmäßig in die Bibliothek begleitete. Für gewöhnlich konnte er lärmende, ungebärdige Kinder nicht leiden. Doch selbst ihm war aufgefallen, daß das Mädchen für sein Alter erstaunlich ruhig und vernünftig schien.

Auf Simones Gesicht erschien ein leises Lächeln.

»Kiki ist neben ihrem Beruf der ganze Inhalt in Jeanettes Leben. Max ist der Vater, aber er hat keine Ahnung davon. Sie hat es ihm nie gesagt.«

»Ich finde es nicht richtig, einem Vater sein Kind vorzuenthalten. Egal, was passiert ist«, knurrte Johann Bartsch verstimmt.

»Das ist auch meine Meinung. Jeanette hat sich jedoch anders entschieden, und es liegt nicht an mir, sie zu kritisieren. Sie hat ihren Preis bezahlt. Seit er von heute auf morgen verschwunden ist, hat sie keine Beziehung von Dauer mehr geführt. Allein Kiki ist imstande, ihr ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Nur durch sie läßt sie sich zu Scherzen hinreißen. Aber ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle«, war es Simone auf einmal peinlich, so privat geworden zu sein.

Doch Bartsch lächelte begütigend.

»Wenn man so intensiv zusammenarbeitet wie wir beide, ist ein privates Gespräch hin und wieder nicht verboten, oder?« Doch schon wanderten seine Gedanken wieder zu seinen geliebten Bü-chern und deren Rettung. »Woher wissen Sie über Lüders, wenn Ihre Freundin schon Jahre keinen Kontakt mehr zu ihm hat?«

»Wir haben gemeinsam seinen Werdegang verfolgt. Jeanette hat ihn nie aus den Augen verloren.«

»Das scheint tatsächlich etwas mit großer Liebe zu tun zu haben«, murmelte Johann Bartsch und strich sich mit der Hand über den grauen Bart. »Aber das ist im Grunde nicht wichtig. Entscheidend ist, ob er uns sein Wissen und seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Klären Sie das bitte gleich morgen früh.« Er erhob sich und streckte seine müden, schmerzenden Glieder. »Genug für heute. Morgen ist ein neuer Tag. Gute Nacht, Frau Ernst.«

Simone verabschiedete sich von ihrem Chef und wartete, bis er das Zimmer verlassen hatte. Als sie hörte, wie sich die Aufzugtüren öffneten, ging sie zum Telefon und wählte die Nummer ihrer Freundin Jeanette. Als sich eine weibliche Stimme mit dem Namen Köllner meldete, wußte sie sofort, daß es sich dabei nicht um ihre Freundin handelte.

»Sie sind bestimmt die Schwester von Jeanette, nicht wahr? Mein Name ist Simone Ernst. Jeanette ist meine beste Freundin.«

Beatrice am anderen Ende des Hörers lächelte. Aber es war keine Freude auf ihrem Gesicht. Seit Jea-nette gefahren und Kiki im Bett war, wanderte sie unruhig in der Wohnung auf und ab und dachte an Max.

»Freut mich, Sie kennenzulernen«, antwortete sie jetzt übertrieben freundlich, froh, ein wenig Ablenkung von ihren ärgerlichen Gedanken zu haben. »Jeanette hat mir schon viel von Ihnen erzählt. Eine Schande, daß wir uns noch nicht kennengelernt haben. Und das, obwohl wir alle in München wohnen.«

Simone fühlte ein vages Un-wohlsein ob Beas anbiedernde Freundlichkeit.

»Wir sind beruflich alle sehr eingespannt. Ich treffe Jeanette meistens hier in der Bibliothek, wenn sie alte, seltene Bücher für ihre Studien braucht. Für Kaffeeklatsch bleibt kaum Zeit.«

»Da sitzen wir wohl alle im selben Boot. Als Ärztin habe ich auch kaum Freizeit. Aber wir wollen uns nicht beschweren. Schließlich ernten wir nur die Früchte der Emanzipation«, erklärte Beatrice exaltiert und lachte schrill.

Simone zuckte zusammen und fragte sich, wie es möglich war, daß Zwillingsschwestern so unterschiedlich sein konnten. Dennoch zwang sie sich, freundlich zu sein.

»Ich gebe Ihnen vollkommen recht. Sagen Sie, ist Jeanette zu Hause? Ich habe eine Neuigkeit für sie und muß sie unbedingt sprechen.«

Beatrice zögerte kurz. Wenn Simone die beste Freundin ihrer Schwester war, wußte sie sicherlich auch über Max Lüders Bescheid. Ohne zu wissen warum, entschied sie sich dennoch spontan dagegen, Simone preiszugeben, wohin Jeanette in diesem Moment unterwegs war.

»Leider ist Jeanette heute abend nicht da. Sie hat mich gebeten, auf Kiki aufzupassen.«

»Seltsam, davon hat sie mir heute nachmittag gar nichts erzählt«, dachte Simone laut, und Beatrice schnaubte empört.

»Unterstellen Sie mir Lügen?« fühlte sie sich sofort ertappt.

»Natürlich nicht, es tut mir leid«, zuckte Simone erschrocken zurück. »Bitte richten Sie ihr Grüße aus, sie soll mich morgen auf dem Handy anrufen, da ich unterwegs sein werde. Die Nummer hat sie.« Damit beendete Simone Ernst rasch das unangenehme Telefonat. Eine ganze Weile stand sie vor dem Apparat und starrte den Hörer nachdenklich an. Das untrügliche Gefühl beschlich sie, daß etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Doch was es war, das konnte Simone an diesem Abend nicht mehr herausfinden. So gab sie sich schließlich mit den Tatsachen zufrieden und beendete ihren langen, ermüdenden Arbeitstag, um in Gedanken versunken durch die dunkle, unfreundliche, stürmische Nacht nach Hause zu fah-
ren.

Übermüdet und mit dunklen Ringen unter den Augen erschien Max Lüders am nächsten Morgen in der Arbeit. Seine Kollegen zogen die falschen Schlüsse und grinsten breit. Doch diese Reaktionen nahm Max gar nicht wahr. Stumm setzte er sich an seinen Arbeitsplatz, um sich mit dem Erhalt von antiken Schriften zu beschäftigen, als sein Chef zu ihm trat.

»Was ist los, Max? Du siehst furchtbar aus. Deine Beziehung zu Julia ist doch längst nicht mehr so frisch, daß man eine leidenschaftliche Nacht vermuten könnte«, brachte Sebastian Kurz die Vermutungen der Kollegen mit scherzendem Unterton auf den Tisch.

Max lächelte schwach.

»Keine Sorge, ihr müßt nicht mehr eifersüchtig sein. Zwischen Julia und mir ist es aus.«

»Entschuldige, ich wollte dich nicht verletzen. Es tut mir wirklich leid. Wie konnte das passieren?«