Die Verführung kam auf langen Beinen - Patricia Vandenberg - E-Book

Die Verführung kam auf langen Beinen E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Das Ehepaar Dr. Daniel Norden und Fee sehen den Beruf nicht als Job, sondern als wirkliche Berufung an. Aber ihr wahres Glück finden sie in der Familie. Fünf Kinder erblicken das Licht der Welt. Die Familie bleibt für Daniel Norden der wichtige Hintergrund, aus dem er Kraft schöpft für seinen verantwortungsvollen Beruf und der ihm immer Halt gibt. So ist es ihm möglich, Nöte, Sorgen und Ängste der Patienten zu erkennen und darauf einfühlsam einzugehen. Familie Dr. Norden ist der Schlüssel dieser erfolgreichsten Arztserie Deutschlands und Europas. »Ich habe sämtliche mir zur Verfügung stehenden Diagnose-möglichkeiten ausgeschöpft. Leider ohne Ergebnis. Weder der Verdacht auf Herzprobleme noch der auf Leberzirrhose hat sich erhärtet oder gar bestätigt«, erklärte Dr. Daniel Norden ratlos mit einem Blick auf die Berichte in seiner Hand. »Das Allerschlimmste für mich an der Sache ist diese Ungewißheit. Irgendeinen Grund muß meine Kurzatmigkeit doch haben. Ich kann kaum noch drei Treppen steigen, ohne stehenbleiben zu müssen. Seit Monaten kann ich nicht mehr richtig schlafen. Wenn Jonas nicht wäre, hätte ich schon längst aufgegeben«, antwortete Lea Monheim verzweifelt. »Nur ihm zuliebe und um meinen Zustand vor den Kollegen zu verbergen, spiele ich dieses Spiel noch mit.« »Ich möchte Sie in die Behnisch-Klinik einweisen. Eine Computertomographie wird uns darüber Aufschluß geben, an welcher Krankheit Sie leiden«, teilte Daniel der Kollegin seinen Beschluß schließlich sehr ernst mit. Lea starrte ihn einen Moment lang ungläubig an. »Glauben Sie wirklich, daß das nötig ist?« »Sie sollten es positiv sehen. Wenn wir erst wissen, was Ihnen fehlt, können wir entsprechend handeln.« »Alle Kollegen werden erfahren, daß ich krank bin«

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Familie Dr. Norden – 774 –

Die Verführung kam auf langen Beinen

Zerstört Yvonne ein Leben?

Patricia Vandenberg

»Ich habe sämtliche mir zur Verfügung stehenden Diagnose-möglichkeiten ausgeschöpft. Leider ohne Ergebnis. Weder der Verdacht auf Herzprobleme noch der auf Leberzirrhose hat sich erhärtet oder gar bestätigt«, erklärte Dr. Daniel Norden ratlos mit einem Blick auf die Berichte in seiner Hand.

»Das Allerschlimmste für mich an der Sache ist diese Ungewißheit. Irgendeinen Grund muß meine Kurzatmigkeit doch haben. Ich kann kaum noch drei Treppen steigen, ohne stehenbleiben zu müssen. Seit Monaten kann ich nicht mehr richtig schlafen. Wenn Jonas nicht wäre, hätte ich schon längst aufgegeben«, antwortete Lea Monheim verzweifelt. »Nur ihm zuliebe und um meinen Zustand vor den Kollegen zu verbergen, spiele ich dieses Spiel noch mit.«

»Ich möchte Sie in die Behnisch-Klinik einweisen. Eine Computertomographie wird uns darüber Aufschluß geben, an welcher Krankheit Sie leiden«, teilte Daniel der Kollegin seinen Beschluß schließlich sehr ernst mit.

Lea starrte ihn einen Moment lang ungläubig an.

»Glauben Sie wirklich, daß das nötig ist?«

»Sie sollten es positiv sehen. Wenn wir erst wissen, was Ihnen fehlt, können wir entsprechend handeln.«

»Alle Kollegen werden erfahren, daß ich krank bin«, dachte Lea laut nach. »Und wer soll sich um Jonas kümmern, solange ich fort bin?«

»Vielleicht die Großmutter oder eine Tante.«

Lea lächelte schmerzlich.

»Seit mein Mann vor ein paar Jahren verstorben ist, ist Jonas der einzige Mensch in meinem Leben.«

»Wer kümmert sich um Ihren Sohn, wenn Sie in der Klinik sind, um zu arbeiten?«

»Ich versuche, meine Dienste tagsüber zu legen, so daß Jonas bei Anja, meiner Haushälterin sein kann. Die beiden verstehen sich prächtig.«

»Wäre das keine Lösung während Ihres Krankenhausaufenthaltes?« brachte Daniel die Gedanken der Ärztin behutsam auf den rechten Pfad.

Leas Blick wanderte in die Leere, wie er es so oft tat, wenn sie nicht hochkonzentriert arbeitete.

»Zumindest könnte ich sie um diesen Gefallen bitten. Sie ist eine zuverlässige und fleißige junge Frau, wie man sie heutzutage nicht mehr oft findet. Ich mache mir keine Sorgen um Jonas, wenn er in ihrer Obhut ist, obwohl er unter starken Allergien leidet, wie Sie ja wissen.«

»Sie haben mir immer berichtet, daß Anja sehr sorgsam und bedacht mit Jonas umgeht. Ich glaube, Sie können ihr wirklich Vertrauen schenken«, machte Daniel Norden Lea Monheim Mut, zumal es wirklich keinen anderen Ausweg aus diesem Dilemma zu geben schien.

»Etwas anderes bleibt ja wohl nicht übrig«, seufzte Lea bedrückt. »Aber was, wenn sich mein Verdacht bestätigt und ich nicht mehr gesund werde? Was soll dann aus Jonas werden?« sprach sie den Gedanken aus, der sie im Augenblick am meisten beschäftigte und ängstigte.

Doch davon wollte Dr. Norden nichts hören.

»Sie sind eine gesunde, junge Frau und sehen aus wie das blühende Leben. Außer dieser unerklärlichen Gewichtszunahme und der Kurzatmigkeit haben wir keine Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Erkrankung. Ich denke, Sie werden bald wieder gesund und munter sein und über die trüben Gedanken lachen, die Sie sich jetzt machen.«

Lea sagte nichts mehr. Statt dessen lächelte sie vielsagend und schmerzlich und erhob sich, um sich von Dr. Norden zu verabschieden.

»Ich werde Sie davon unterrichten, sobald ich alle Vorkehrungen getroffen habe und bereit für die Untersuchung bin. Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute«, erklärte sie mit warmer, trauriger Stimme, als sie sich an der Tür von ihm verabschiedete.

»Tun Sie das. Und grüßen Sie Jonas schön von mir. Janni freut sich, wenn er wieder einmal zum Spielen vorbeikommt.«

»Ich werde es ihm ausrichten. Bestimmt findet Anja in den nächsten Tagen Zeit, ihn zu Ihrer Frau nach Hause zu bringen.« Damit wandte sich Dr. Lea Monheim ab und verließ endgültig die Praxis Dr. Norden.

Obwohl der Arzt nicht halb so schwarz sah wie seine Kollegin, die diskreten Rat bei ihm gesucht hatte, fühlte er eine unbestimmte Trauer auf der Seele, die er mit einer ungeduldigen Handbewegung fortwischte. Noch war nicht aller Tage Abend und er wollte sich nicht damit abfinden, daß der hübschen, ehemals so lebensfrohen Kollegin nicht zu helfen sein sollte.

Entnervt verdrehte Gabriel Sander die Augen gen Himmel, während sich seine Schülerin an immer derselben Stelle der Etüde von Leopold Mozart verspielte.

»Tu mir den Gefallen und konzentriere dich ein einziges Mal, Elsa«, bat er sichtlich gepeinigt und demonstrierte ein weiteres Mal, wie das Musikstück wirklich zu klingen hatte. »So schwer ist das doch nicht.«

»Das meinst du. Ich finde es grauenhaft«, jammerte das durchaus willige aber nicht sonderlich begabte Kind. Wieder legte Elsa die Hände auf die Tasten, und wieder geschah das Malheur.

»Das hat keinen Sinn mehr heute. Ich glaube, du hast soviel Angst vor der Stelle, daß du gar nicht anders kannst als dich zu verspielen. Dabei beißen die Noten doch gar nicht«, seufzte Gabriel und klappte das Notenheft zu.

»Vielleicht doch«, lachte Elsa erleichtert ein fröhliches Kinderlachen und schlug den Deckel des Klaviers zu.

Dieses Geräusch informierte ihre Mutter, die im angrenzenden Salon auf das Ende der Stunde wartete. Strahlend wie immer betrat Yvonne von Posen auf atemberaubend hohen Stöckelschuhen das Klavierzimmer.

»Und? Wie war mein kleiner Engel heute?« fragte sie mit süßlicher Stimme und strich ihrer Tochter über das weizenblonde, seidenweiche Haar.

Elsa behagte das gar nicht, und mit hüpfenden Schritten stob sie davon, um sich in der Küche vom Hausmädchen ein Glas Limonade zur Belohnung für die überstandenen Mühen abzuholen.

Gabriel blickte ihr freundlich nach, ehe er sich an Yvonne wandte.

»Ich finde Elsa entzückend. Sie ist ein freundliches, fröhliches Mädchen mit Humor und zahlreichen Begabungen. Klavier spielen scheint aber leider nicht dazuzugehören«, erklärte er schließlich ehrlich, und machte sich nicht die Mühe, Yvonnes forschendem Blick auszuweichen. »Es wundert mich, daß Sie als Musikagentin das noch nicht bemerkt haben.«

Als sie diesen Satz hörte, brach Yvonne in schallendes Gelächter aus.

»Sie sind ein recht forscher junger Mann.«

»Ich finde, es ist meine Aufgabe als Lehrer, ehrlich mit meinen Kunden umzugehen. Immerhin bezahlen Sie mich für meine Arbeit.«

»Einen Hungerlohn«, stellte Yvonne lässig fest, ohne Gabriel aus den Augen zu lassen. Sie führte irgend etwas im Schilde an diesem Nachmittag, das spürte er instinktiv.

»In Ihren Augen mag das richtig sein. Für mich ist es ein anständiges Zubrot, um meinen Traum von einem Leben als Künstler verwirklichen zu können«, ließ er sich jedoch nicht einschüchtern und verteidigte seinen Beruf verhement.

Yvonne nickte anerkennend.

»Haben Sie noch nie darüber nachgedacht, ganz groß rauszukommen? Die ganz große Karriere zu machen?«

»Natürlich träumt man immer wieder davon. Doch ein kleiner Pianist wie ich, noch dazu mit einer mäßigen Stimme und einem nicht gerade playboyhaften Auftreten hat nur wenig Chancen in diesem Haifischbecken, das sich Musikbranche nennt«, antwortete Gabriel unbeeindruckt.

Yvonne musterte ihn von oben bis unten und nippte an ihrem Glas Champagner.

»Warum so bescheiden? Vielleicht liegt die große Chance gerade in Ihrem Typ. Sie sind so erfrischend anders, so natürlich und unverdorben. Es könnte sein, daß gerade Sie neue Glanzlichter in diesem verbrauchten Markt setzen.«

Gabriel warf einen Blick auf die Uhr. Er fand durchaus Gefallen an diesem Gespräch, doch der nächste Schüler wartete auf ihn, und die Zeit drängte.

»Wer weiß, vielleicht komme ich eines Tages auf Ihr Angebot zurück. Aber jetzt muß ich erst mal meinen Verpflichtungen nachgehen und meine Schüler zu hoffnungsvollen Anwärtern auf eine große Karriere machen«, verabschiedete er sich unbeschwert. »Grüßen Sie Elsa von mir. Sie soll den Mut nicht verlieren.«

»Wird gemacht. Bis nächste Woche.« Versonnen sah Yvonne dem jungen Klavierlehrer nach. Noch lange stand sie in der Tür und ließ sich das Gespräch durch den Kopf gehen, als er schon längst durch das Gartentor geschritten und verschwunden war. Eine Idee geisterte durch ihren Kopf, die noch keine rechte Gestalt angenommen hatte. Doch Yvonne konnte auf ihre Kreativität bauen, die sie noch nie im Stich gelassen hatte. Zur rechten Zeit würde aus der vagen Idee ein Plan entstehen, dem sich auch Gabriel Sander nicht entziehen würde.

Betrübt betrachtete der kleine Jonas seine Mutter, als sie am Abend erschöpft von der Arbeit in der Klinik nach Hause kam.

»Du hast ja schon wieder ganz blaue Lippen, Mami. Geht es dir so schlecht?« fragte er besorgt und wollte die Arme um ihren Hals schlingen.

Doch im ersten Moment wehrte Lea die Zärtlichkeit ungeduldig ab.

»Kann ich nicht erst einmal in Ruhe nach Hause kommen? Mußt du mich sofort mit deinen Fragen bestürmen?« fragte sie entnervt und ärgerte sich gleichzeitig darüber, in so schlechter Verfassung zu sein, daß sie keine Geduld mehr für ihr einziges Kind aufbringen konnte.

Betroffen und zutiefst verletzt zog sich Jonas augenblicklich zurück. Mit gesenktem Kopf floh er in die Küche zu Anja, der Haushälterin.

»Was ist los mit dir, Frech-dachs? Du siehst ja auf einmal so traurig aus«, bemerkte die sofort, daß etwas vorgefallen sein mußte. Sie wischte sich die feuchten Hände an ihrer Schürze ab und bückte sich zu dem Jungen hinunter.

Der seufzte tief.

»Mami ist gar nicht mehr so lustig wie früher. Man kann gar keine Scherze mehr mit ihr machen. Ich hab dich viel lieber als sie«, murmelte er und drückte die Stirn gegen Anjas Bauch. Betroffen streichelte sie die schmalen Bubenschultern. Obwohl sie das Zutrauen und die Liebe des Kindes berührten, mußte sie die Worte zurückweisen.

»Das meinst du jetzt bloß, weil deine Mami anders ist als früher. Aber das ändert sich, wenn es ihr erst wieder bessergeht.«

»Ich glaube nicht, daß das noch mal anders wird. Bei Papi war es auch so. Zuerst war er immer müde, dann wollte er mich nicht mehr sehen und schließlich ist er gestorben.«

»Daß du dich daran noch erinnern kannst!« staunte Anja. Sie selbst hatte Arthur Monheim nicht mehr kennengelernt. Lea hatte sie erst ins Haus geholt, nachdem der um viele Jahre ältere Mann bereits an seinem Krebsleiden gestorben war.

»Richtig erinnern kann ich mich nicht mehr«, gestand Jonas leise. »Aber jetzt, wo Mami so ist, fällt mir vieles wieder ein.«

»Das darfst du nicht vergleichen. Deine Mami wird bald wieder gesund und spielt so wie früher mit dir. Dann hast du sie auch so doll lieb wie immer.«

»Aber jetzt hab ich dich lieber.«

»Nein. Das will ich nicht hören«, erklärte Anja resolut. Sie hörte, wie sich Leas Schritte der Küche näherten. Kurzerhand wischte sie Jonas mit der Schürze über das tränenverschmierte Gesicht und lächelte ihm aufmunternd zu. »Und jetzt benimm dich wie ein großer Mann, verstanden?« zwinkerte sie ihm mit einem Auge zu.

Jonas, der diese Geheimsprache zwischen ihnen beiden verstand, nickte eifrig und wandte sich seiner Mutter mit einem strahlenden Lächeln zu.

Auch Lea hatte sich inzwischen ein wenig erholt. Ihre Lippen waren nicht mehr ganz so blau, und der fiebrige Glanz war aus ihren Augen gewichen.

»Entschuldige, mein Süßer, daß ich vorhin so grob zu dir war. Komm, setzt euch her zu mir. Ich muß etwas mit euch besprechen«, bat sie das Hausmädchen und ihren Sohn, sich zu ihr an den Tisch zu setzen.

»Soll ich nicht lieber gehen, damit Sie sich alleine mit Jonas unterhalten können?« fragte Anja sofort diskret.

Doch Lea schüttelte den Kopf.

»Bleiben Sie. Sie und Jonas sind im Augenblick die Hauptpersonen.«

»Um was geht es denn?« erkundigte sich Anja besorgt.

Und auch Jonas fragte mit ängstlich geweiteten Augen: »Was ist los, Mami?«

»Ich muß sehr bald in die Klinik, mein Kleiner«, lüftete Lea schweren Herzens ihr Geheimnis.

»Aber das bist du doch jeden Tag.«

»Du verstehst mich falsch. Ich muß zur Untersuchung in die Klinik. Dr. Norden findet mit seinen Apparaten nicht heraus, was mir fehlt. Deshalb muß ich in der Behnisch-Klinik untersucht werden. Das kann ein paar Tage dauern. In dieser Zeit mußt du bei Anja bleiben. Darüber wollte ich mit euch reden.«

»Aber das ist doch selbstverständlich«, erklärte sich Anja sofort und ohne zu überlegen bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Ihr Herz schlug schnell vor Aufregung, diese in ihren Augen wunderbare Verantwortung übertragen zu bekommen. »Ich werde im Gästezimmer übernachten und Tag und Nacht für Jonas sorgen. Ich werde ihn hüten wie meinen Augapfel.«

»Ich hatte gehofft, daß ich mich auf Sie verlassen kann. Über seine Allergien sind Sie ja bestens informiert«, gab Lea ein wenig beruhigt zurück.

»Kernobst ist zu meiden, dazu Nüsse und Produkte, die Spuren von Nüssen enthalten können. Und Soja ist besonders riskant«, wiederholte Anja die Liste, die sie bereits am Anfang ihrer Arbeit im Hause Monheim auswendig gelernt hatte.

»Sehr gut.« Lea nickte zufrieden. »Und was ist mir dir? Wirst du Anja folgen und brav ins Bett gehen, wenn ich abends nicht nach Hause komme?«

»Ich werde jeden Tag zum Lieben Gott beten, daß du bald wieder ganz gesund bist«, murmelte Jonas mit Tränen in den Augen. Immer mehr fühlte er sich an die schlimme Zeit vor dem Tod seines Vaters erinnert. So klein er sei-nerzeit auch gewesen war, so sehr hatten sich diese Gefühle von damals in sein Gedächtnis eingegraben.

Um nicht ebenfalls in Tränen auszubrechen, zog Lea ihren Sohn eng an sich und drückte ihr Gesicht in seinen kleinen Pullover.

»Natürlich werde ich wieder gesund. Einer muß doch für dich dasein, nicht wahr«, murmelte sie tapfer und hob ein wenig ihr Gesicht.

Ihr flehender Blick traf Anja, die sofort verstand, was ihre Arbeitgeberin ihr wortlos sagen wollte. Sie unterdrückte einen entsetzten Aufschrei und schlug die Hand auf den Mund. Dann nickte sie, um Lea zu verstehen zu geben, daß sie sich auf sie verlassen konnte. Die Ärztin hatte verstanden. Beruhigt wandte sie sich wieder ihrem Kind zu mit all der Kraft, die ihr noch geblieben war. Jede Sekunde wollte sie in sich aufnehmen und spüren, daß das Leben weitergehen würde. Wenn es sein sollte, auch ohne sie.

Während Hunderte von Kilometern entfernt Angst und Sorge regierten, saß Yvonne von Possen mit ihrer besten Freundin Clarissa Helmstedt in deren feudalen Salon zusammen. Auf dem Tischchen zwischen den beiden Frauen stand eine leere Flasche Champagner. Die Stimmung schlug hohe Wellen angesichts der Diskussion, die die Freundinnen führten.

»Kein Popsternchen aus einer dieser Shows hat wirklich Talent«, verteidigte Yvonne energisch ihre Position. »Allein durch die harte Arbeit der Gesangstrainer, Maskenbildner, Choreographen und nicht zuletzt der Tontechniker wird aus den Leuten das gemacht, als was sie letztendlich auftreten und berühmt werden.«

»Das ist ganz und gar nicht meine Meinung«, widersprach Clarissa heftig. »Meiner Ansicht nach gehört viel Talent dazu, um sich auf dem Markt durchzusetzen und einen Plattenvertrag zu bekommen.«