Familienrat nach Dreikurs - Ein Gewinn für alle - Heide Köpfer - E-Book

Familienrat nach Dreikurs - Ein Gewinn für alle E-Book

Heide Köpfer

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Beschreibung

Eine Familie ist dann ein Team, wenn jeder dem anderen zuhört, jeder seine Meinung sagen kann und jeder ernst und wichtig genommen wird. Wie das gelingen kann? Mit dem Familienrat nach Dreikurs. Hier kommen alle regelmäßig zusammen, bestimmen gemeinsam die Regeln für ein friedliches Miteinander und erleben sich als gleichwertig. Hier haben kleine und große Menschen eine Stimme und werden gehört und gesehen. Sie denken das ist utopisch? Nein, es ist ganz einfach! Es braucht nur ein wenig Mut, und genau dazu hilft Ihnen dieses Buch. Probieren Sie’s aus!

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Familienrat nach Dreikurs

Ein Gewinn für alle

Ratgeber

Heide Köpfer und Erika Becker

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - herzsprung-verlag.de

© 2021 – Herszprung-Verlag

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Taschenbuchausgabe erschienen 2015.

Titelbild: Sven Roth

Fotonachweise:

© Dario Lo Presti– Fotolia.com (S. 25)

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© Thorsten Meier (S. 26 + 72)

Illustration: Heike Georgi (S. 21, 25, 34)

Sabine Mahlich (S. 32)

ISBN: 978-3-99051-007-0 – Taschenbuch

ISBN: 978-3-99051-008-7 – eBook

*

Inhalt

Impressum

Einleitung:Ein neues Buch über den Familienrat nach Dreikurs – Wozu?

Gedanken zum Familienrat

Teil 1: Theorie und Anleitungen

1.1 Gesprächsprotokoll

1.2 Das Autorenteam

1.3 Familienrat nach Dreikurs

1.4 Mit der folgenden Checkliste geht’s jetzt richtig los!

1.4.2 Einladung an die Familienmitglieder

1.4.3 Wie wecke ich die Neugier und die Motivation meiner Familie?

1.4.4 Familienrat aus der Kiste

1.4.5 Protokollheft – gemeinsam gestalten

1.4.6 Die erste Sitzung und die Vorbereitung für eine gute Atmosphäre

1.5 Von der Theorie zur Praxis

1.5.1 Beratungssitzung: Alltag, eine normale Situation in der Erziehungsberatung

1.5.2 Rituale

1.5.3 Familienrat-Themen

1.5.4 Grundlegende Voraussetzungen

1.6 Auf die innere Einstellung kommt es an

1.6.1 Soziale Gleichwertigkeit

1.6.2 Sichtweisen: Wer hat recht, wer hat rechter?

1.6.3 Gemeinschaftsgefühl und Zugehörigkeitsgefühl

1.6.4 Nahziele

1.6.5 Natürliche und logische Folgen

1.7 Ermutigung

1.8 Ermutigende Qualitäten (EQ) mit Erklärungen und Beispielen

1.9 Wiederkehrende Fragen

1.10 Es ist gut, den Familienrat zu pflegen

1.11 Wenn der Familienrat schiefgeht!

1.12 Was bleibt? Ein Rückblick nach Jahren

Teil 2: Erfahrungen

2.1 Erfahrungsberichte

2.1.1 Familienrat in verschiedenen Familienformen

2.1.2 Alleinerziehende: ein Elternteil – Mutter oder Vater – mit Kind/ern

2.1.3 Getrennt lebende Eltern: Treffen einmal pro Woche zum FR mit gemeinsamem/n Kind/ern

2.1.4 Großeltern mit Enkel im Urlaub: Ein Urlaubsrat

2.1.5 Ehe- und Partnerschaftsräte: Partnerrat

2.1.6 Besondere Familienkonstellationen

2.2 Familienrat mit Kindern

2.2.1 Kleine Kinder nehmen mit Freude am Familienrat teil

2.2.2 Familienrat – Familien mit Kleinkindern

2.2.3 Erstaunliches zum Thema Gleichwertigkeit oder Dafür bist du noch zu klein

2.2.4 Mitschrift eines gelungenen Familienrates

2.3 Ein Rollenspiel

2.4 Konkrete Problemlösungen

2.4.1 Tochter möchte wieder zu Hause einziehen

2.4.2 Familienrat nach Autounfall

2.4.3 Familienrat zur Zimmereinteilung im neuen Haus

2.4.4 Erstrebenswerte Qualität – Körpernähe

2.5 Weitere Auswirkungen des Familienrats

2.5.1 Familienrat neu beleben – Bericht einer Mutter

2.5.2 Familienrat – acht Jahre später

2.5.3 Familienrat – ein Resümee

2.5.4 Weitere Familienrat-Erfolge

Teil 3: Wissenswertes im Umfeld des Familienrates

3.1 Familienrat-TrainerIn werden

3.1.1 Was war das Besondere an der Ausbildung zum Familienrat-TrainerIn und warum kann sie empfohlen werden?

3.1.2 Literaturverzeichnis

Danksagungen

*

*

Wenn wir ein Kind darin unterstützen,

dass es sich sicher

und angenommen fühlt,

dass es spürt,

dass sich jemand

wirklich tief für es interessiert, …

beeinflussen wir

die ganze Persönlichkeit eines Kindes

und die Art und Weise,

wie es das Leben sieht.

Magda Gerber

*

Einleitung: Ein neues Buch über den Familienrat nach Dreikurs – Wozu?

Das Original des Buchs Familienrat nach Dreikurs ist noch im Handel, in einigen aktuellen Erziehungsratgebern sind brauchbare Kurzfassungen zu finden. Aber sind sie auch zweckdienlich, um mit dem Familienrat zu arbeiten? Denn genau darum geht es: um das Arbeiten mit dem Werkzeug Familienrat. Dazu brauche ich eine den heutigen Fragen und Problemen in den Familien angepasste Fassung einer von Rudolf Dreikurs entwickelten Idee. (Familienrat ist in der Folge mit FR abgekürzt.)

Die Idee ist es, mehr Demokratie in den Familien zu leben und so in der Basis der Gesellschaft zu verankern. Minderheiten begehren allüberall auf, fordern ihre Rechte ein, Frauen sind nicht länger nur Hausfrauen, Männer vermehrt als Hausmänner oder Alleinerziehende zu sehen. Kinder und Jugendliche wollen an Entscheidungen beteiligt werden, niemand will Befehlsempfänger sein, sondern das unterstützen und tun, was er/sie mit beschlossen hat.

Gefragtwerden – Gehörtwerden – Beteiligtsein an Entscheidungen

Das sind die großen Stichworte nicht nur im politischen Leben, sondern auch im kleinen familiären Kreis.

Deshalb ist der FR so wichtig. Und deshalb ist es auch wichtig und notwendig, etwas ausführlicher in die Materie einzusteigen. Die Erfahrungen anderer Familien, Eltern und Kinder können helfen, Fehler zu vermeiden, sich auszutauschen und so rascher vorwärtszukommen. Wohin? Zu einem gelingenden, demokratisch gestalteten Familienleben.

Und nebenbei darf die Lektüre dieses Buches auch noch Spaß machen.

*

Gedanken zum Familienrat

In der Familie mehr Harmonie!

Ach was, das glaub’ ich nie!

Ordnung in das Chaos gebracht?!

Nein, das hätt’ ich nie gedacht!

Doch dann kam der FamilienRAT,

Das war außer RAT auch Tat.

Einmal in der Woche alle an einen Tisch gesellen

und so eine gemeinsame Ordnung herstellen.

Ein schönes Lied, Ermutigung,

der Vorsitz wechselt stets reihum.

Der Schriftführer, der wechselt auch,

ein Themenzettel ist bei uns Brauch.

Die Verantwortung gemeinsam tragen,

Entscheidungen ruhig mal vertagen.

Denn die Einstimmigkeit ist für uns richtig,

wir finden sie für die Gleichwertigkeit wichtig.

Den anderen ausreden lassen,

gemeinsam die Beschlüsse fassen.

Gemeinsam die Familie leben

ist wichtiger als nach Macht zu streben.

Gemeinsam das Familienleben zu gestalten

ist schöner als alles alleine zu verwalten.

Die Kreativität und den Gemeinschaftssinn unserer Kinder zu erleben,

nicht perfekt sein wollen, aber sein Bestes zu geben.

Das und noch viel mehr finden wir am Familienrat gut,

und wir hoffen, das macht allen Familien viel MUT!

Manuela Driess

*

Teil 1: Theorie und Anleitungen

*

1.1 Gesprächsprotokoll

Eine Mutter erstellt ein Gesprächsprotokoll, nachdem sie das Gespräch der neuen Familienrat-Experten gehört hat. Seit einigen Wochen wird in ihrer Familie der Familienrat praktiziert.

Als ich nachmittags in die Schule komme, um meine Kinder und die Kinder aus der Fahrgemeinschaft abzuholen, höre ich auf dem Schulflur eine lebhafte Diskussion. Meine Mitfahrer sind dabei und auch die Kinder von zwei Familien, deren Eltern am Familienrat-Training teilgenommen haben. Die Kinder, zwischen sieben und zehn Jahren alt, unterhalten sich so angeregt, dass sie mich gar nicht bemerken:

Yannik: „Wir haben aber sonntags Familienrat!“

Iska: „Sonntags geht aber bei uns nicht, weil da mein Papa arbeitet!“

Jonas: „Wir haben letzten Sonntag beschlossen, was wir an meinem Geburtstag machen.“

Yannik: „Wir haben beschlossen, dass wir zur Inkagold-Ausstellung fahren. Zuerst hab ich ja gedacht, das ist langweilig, aber Mama hatte Prospekte besorgt und dann fand ich das doch interessant.“

Iska: „Wir haben beim letzten Familienrat beschlossen, dass wir weniger Fleisch essen, aber dafür nur noch vom Biobauern.“

Fabian: „Was quatscht ihr denn da? Ich hör nur immer Familienrat – was ist das denn?“

Allgemeines Gemurmel, bis Yanniks Stimme deutlich zu hören ist:

Yannik: „Ej, Familienrat, das ist, wenn wir uns sonntags alle zusammensetzen und was besprechen.“

Jetzt kann Josa nicht mehr still sein:

Josa: „Wir haben samstags Familienrat. Da gibt es einen Redestein und es darf nur der reden, der den Stein hat ...“

Yannik: „Wir haben aber keinen Stein, wir haben ein Schild, da steht auf der einen Seite Ich rede und auf der anderen Ich höre zu ...“

Iska: „Das ist doch egal, wichtig ist, dass man nicht unterbrechen darf!“

Fabian: „Wieso – habt ihr das jetzt alle oder was? Und wozu soll das gut sein?“

Jonas: „Dass nicht immer nur die Eltern alles bestimmen.“

Iska: „Damit es in der Familie schöner ist.“

Josa: „Habt ihr denn keinen FR?“

Fabian: „Nee, haben wir nicht!“

Josa: „Schade!“

Fabian: „Brauchen wir auch nicht!“

Iska: „Doch! Seit wir FR haben, ist es nämlich in unserer Familie viel schöner geworden! Und dann müssen die Eltern uns auch zuhören und können nicht einfach bestimmen!“

Jonas: „Ja, und an die Beschlüsse müssen die Eltern sich auch halten!“

Fabian: „Echt?“

Jonas: „Klar, sonst würde ich da erst gar nicht mitmachen!“

Iska: „Klar, die Eltern auch! Manchmal ist FR auch doof, aber kein FR ist noch viel doofer!“

Fabian: „Wieso macht ihr das jetzt, gab’s das im Fernsehen?“

Iska: „Nee, weißt du, meine Mama hat da so eine Ausbildung gemacht und da hat die das gelernt.“

Fabian: „Und wieso machen das jetzt alle hier?“

Yannik: „Ej, weil das gut ist! Und weil meine und Jonas’ Eltern das auch gelernt haben. Wieso macht ihr das denn noch nicht?“

***

Schade, dass ich lachen muss, und die Kinder mich deshalb bemerken.

Ich hätte gerne noch eine Weile zugehört.

*

1.2 Das Autorenteam

Wir Autorinnen sind zwei Frauen, die im Bereich der Erziehung gearbeitet haben bzw. noch arbeiten. Wir wollen Ihnen erzählen, weshalb und wozu und für wen genau wir dieses Buch schreiben. Wir sehen die Nöte junger Eltern, die Verzweiflung von Großeltern und Tagesmüttern, die Entmutigung der LehrerInnen, die vielen Erziehungsratgeber und den Schrei nach der „Super Nanny“, die es richten soll. Wir sehen auch die immer neue Beschreibung der kleinen Tyrannen und die wieder hoffähig gewordene Tugend der Disziplin im Erziehungsalltag.

Ich bin Heide Köpfer, Mutter von drei inzwischen erwachsenen Kindern, die ich alleine großgezogen habe. Ich habe zwei Enkel, ein Mädchen, Kim-Laura, und einen Jungen, Niklas. Ich bin Sonderpädagogin und habe an vielen Grundschulen gearbeitet und Eltern sowie Lehrer beraten. Inzwischen berate ich Eltern, Paare und Einzelpersonen auf der Grundlage der Individualpsychologie (IP), der Gestalttherapie und des Psychodramas (nach Moreno).

Mit diesem Buch möchte ich eine Handreichung mitgestalten, die ich Eltern, alleinerziehenden Müttern und Vätern, Großmüttern und Großvätern, ErzieherInnen und allen an Erziehung Interessierten in die Hand geben kann, wenn sie an der derzeitigen Gestaltung ihres Familienlebens etwas verändern möchten. Was genau das sein könnte und wie sie Veränderung erreichen, wird Inhalt dieses Buches sein. Das Endprodukt stelle ich mir jedenfalls als ein deutlich verbessertes Zusammenleben in der Familie, vor dem Hintergrund von Gleichwertigkeit und Ermutigung, vor.

Nach dem Motto: Mehr Lust statt Frust!

Das Buch wird klare Anweisungen enthalten, wie Familien mit Kindern jeder Altersstufe das Instrument Familienrat einsetzen können, um es möglichst effektiv zu nutzen. Dabei ist es als Gerüst gedacht, das jede Familie individuell aufbauen und gestalten kann. Wir bieten einen Rahmen, der kreativ verändert und nach den jeweiligen Bedürfnissen ausgefüllt werden kann und soll. Die Struktur ist zwar vorgegeben, aber nicht starr. Sie basiert auf Erfahrungen vieler Familien und will Hilfe anbieten, kein starres Korsett. Unser Buch will zum Familienrat-Buch von Rudolf Dreikurs eine zeitgemäße, aktuelle Ergänzung sein. Die Inhalte sind im deutschsprachigen Raum gewachsen und beziehen ihre Beispiele aus diesem Erfahrungshintergrund.

***

Ich bin Erika Becker und habe auch drei inzwischen schon lange erwachsene Kinder. An meinen beiden Enkeln kann ich mit der Gelassenheit der Großeltern-Generation wunderbar die ermutigend geförderte Entwicklung verfolgen. Die zwei Enkel meines Lebensgefährten sind öfter zu Besuch und zeigen immer wieder, wie wohltuend und verbindend ermutigender Umgang wirkt. Zur Psychologie und damit auch zum Familienrat nach dem Individualpsychologen Rudolf Dreikurs bin ich als Quereinsteigerin gekommen. Nach einer eigenen Teilnahme an einem Encouraging-Training habe ich mich für die Ermutigung und die Individualpsychologie begeistert und bin selbst Encouraging-Trainerin geworden. Etliche Aufbautrainings folgten, die Entwicklung des Familienrat-Trainings nach Dreikurs im Verein für praktizierte Individualpsychologie, kurz VpIP, und schließlich auch die Ausbildung zur Individualpsychologischen Beraterin im Adler-Dreikurs-Institut, kurz ADI.

Wie meine Autoren-Kollegin Heide Köpfer bin ich Ausbilderin für Familienrat-TrainerInnen. Mein Anliegen ist es, Familien, Ratsuchenden und denen, die sich ihr gutes Familienklima erhalten wollen, ein Buch in die Hand zu geben, das den Unterschied deutlich macht zu anderen familiären Treffen, die zum Teil auch Familienrat genannt werden. Ein Buch, das – auch nach entmutigenden Phasen – immer wieder Lust macht zum Anfangen, das gut begleitet und Fragen beantwortet. Es soll Eltern und Erziehern helfen, statt zu- und übereinander, miteinander zu sprechen und damit mehr Frieden in ihre Familien zu bringen.

Wenn ich die Augen schließe, stelle ich mir vor, wie dieses Miteinander ein verstärkt erlebtes Zugehörigkeitsgefühl entstehen lässt, das sich wellenförmig ausbreitet in andere Gruppen, in die gesamte Gesellschaft unseres Landes und dann in alle Länder der Erde. Diesem Ziel von mehr Zugehörigkeitsgefühl und damit auch mehr Gemeinschaftsgefühl aller Menschen bringt uns der praktizierte Familienrat nach Rudolf Dreikurs ständig ein Stückchen näher.

Wie kamen wir zum Familienrat?

Heide: Als ich mich nach meiner Scheidung unversehens in der Rolle der Alleinerziehenden fand, wurde mir sehr schnell klar, dass nicht nur eine Ehe scheitern kann, sondern auch das Zusammenleben mit Kindern. Denn die Schwierigkeiten bei der Erziehung von Kindern lösen sich ja mit der Trennung vom Partner nicht einfach in Luft auf, sie fangen meist dann gerade erst an!

So hatte ich mir das aber nicht vorgestellt!

Kinder wollte ich gerne und mindestens drei oder vier, eine harmonische Familie (was immer das sein mag), mit oder ohne Partner – und nun dies: Streit ohne Ende, und zwar der Geschwister untereinander oder mit mir.

- Machtkämpfe von früh bis spät – und nicht nur mit mir!

- Mithilfe im Haushalt? Fehlanzeige.

Oder nur unter drakonischen Strafandrohungen.

- Gemeinsame Planung irgendwelcher Aktivitäten?

Unmöglich.

- Eigenverantwortlichkeit? Ein Fremdwort.

- Gleichwertigkeit? Eine/r muss doch sagen, wo’s langgeht!

Also ich.

- Dagegen: Geschrei, Geheule, Handgreiflichkeiten ...

Die Liste ließe sich verlängern und noch heute spüre ich, wie unglücklich und hilflos ich damals war. Dabei fühlte ich mich für alles und jedes zuständig – und nichts von meinen hohen Erziehungszielen wollte mir gelingen. Unser Leben verlief nach dem unguten Motto:

Wenig Lust und viel Frust.

Dass mir dabei auch noch ab und an die Hand ausrutschte, meine Stimme immer lauter, die Wortwahl unschön wurde, nahm ich mir persönlich übel: Ich schämte mich sehr und verachtete mich nach jedem missglückten Versuch, unser Familienleben besser in den Griff zu bekommen.

Es musste etwas geschehen!

Unter solch vergleichsweise schweren Bedingungen startete ich mit dem Familienrat nach Dreikurs, den ich von Erik Blumenthal und Bronia Grunwald, der Schwester von Rudolf Dreikurs, kannte, aber noch nie live erlebt hatte. Einfach war es also nicht und es gab auch viele Rückschläge, aber immerhin gewann ich meine Handlungsfreiheit zurück – und schon bald auch das gute Gefühl, etwas bewegen zu können anstatt bewegt zu werden. Die größte Hilfe in diesem Entwicklungsprozess hin zu mehr Demokratie in unserer Viererbande waren zweifelsohne die Kinder, damals vier, fünf und sechs Jahre alt. Sie machten immer wieder mit, auch wenn es manchmal chaotisch zuging – die Blockaden kamen erst später.

***

Erika: Das erste Mal hörte ich vom Familienrat am Anfang meiner Ausbildung zur Encouraging-Trainerin am Rudolf Dreikurs Institut (später Adler-Dreikurs-Institut) in Sinntal/Züntersbach, geleitet von Theo und Julitta Schoenaker. Wir sprachen natürlich auch über den Familienrat und darüber, was er in den Familien schon bewirkt hatte – teilweise kleine Wunder. Das wollte ich auch erreichen! Und da ich nach dem Abschluss des Basistrainings sowieso das Elterntraining erlernen wollte, hatte ich gleich zwei gute Gründe, in der eigenen Familie mit dem Familienrat anzufangen.

Wie viele Eltern stellte ich mir vor, wie super alles laufen würde, wie die Hausarbeiten verteilt würden und ich endlich mehr aus der Gedankenwelt meiner Kinder erfahren würde. Also nahm ich mir die Bücher Mit Kindern in Frieden leben – Titel heute Die Kunst, als Familie zu leben – von Theo Schoenaker und Familienrat von dessen Begründer Rudolf Dreikurs und seinen KollegInnen Gould und Corsini vor. Ich studierte den Familienrat. Ganz einfach kam mir das vor. Natürlich zitierte ich die Kinder nicht zu dieser neuen Unternehmung – so viel hatte ich schon gelernt –, sondern ich lud sie ein, mit mir etwas Neues zu probieren, was unserer Familie guttun sollte.

Zu dem Zeitpunkt war mein Mann seit vier Jahren verstorben und ich alleinerziehend. Die Reaktionen der beiden noch im Haus lebenden Kinder waren gemischt, von verhaltener Zustimmung der 16-jährigen Tochter bis zu klar gezeigtem Desinteresse des 20-jährigen Sohnes. Ich wollte den FR und die anderen sollten – bitte schön – mitmachen und es toll finden! Es wurde zäh und über drei bis vier klägliche Versuche kamen wir nicht hinaus.

Zwei Jahre später steckte ich dann in der Weiterbildung zur Encouraging-Elterntrainerin. Nun musste der FR geübt werden. Voller Elan ging ich wieder daran. Der inzwischen 22-jährige Sohn war ausbildungsbedingt kaum noch zu Hause. Dafür wohnte seine 22-jährige Freundin mit mir und meiner Tochter zusammen. Die beiden machten mit. Uns dreien gefielen besonders die regelmäßigen Treffen, die gute Stimmung und der Gedankenaustausch. Dass auch meine Tochter die Beratungen wichtig nahm, erkannte ich daran, dass sie, die leidenschaftlich telefonierte, in der Familienrat-Zeit den Hörer von sich aus einfach neben den Apparat legte.

Nach einigen Wochen, in denen wir uns ganz regelmäßig zum Familienrat zusammensetzten, ließ unser Engagement dann doch wieder nach und eine weitere Pause entstand. Doch immerhin, noch vor den nächsten Sommerferien beschlossen wir drei, nach den Ferien erneut mit dem Familienrat zu beginnen. Danach blieben wir viele Wochen dran, bis die Freundin meines Sohnes in eine WG zog und die Interessen der Tochter sich immer stärker nach außen orientierten.

Es gab noch einen weiteren Anlauf, der mir sehr wichtig ist, er fand allerdings erst etliche Jahre später statt und in einer ganz anderen Umgebung. Ich hatte einen neuen Lebenspartner gefunden, der auch Mitglied im Verein für praktizierte Individualpsychologie war. Im Verein entwickelten wir Möglichkeiten, den Familienrat intensiver als im Elterntraining an interessierte Eltern und Erzieher zu vermitteln.

Tja, und wenn ich mich schon theoretisch so stark damit beschäftigte, was lag dann näher, den FR auch wieder praktisch zu nutzen? Das brachte uns zum Partnerrat und wir erlebten, welche besondere Qualität diese Minuten hatten, in denen wir uns zusammensetzten, um gezielt und ganz bewusst ermutigend je eine oder zwei Fragen zu besprechen und Lösungen zu finden.

Übrigens: Die Ermutigungsrunde und der schöne Abschluss bestehen bei unserem Partnerrat oft aus einem Kuss. Sie sehen: Im Familienrat darf man auch kreativ sein.

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1.3 Familienrat nach Dreikurs

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1.4 Mit der folgenden Checkliste geht’s jetzt richtig los!

Zur Vorbereitung gehören folgende Überlegungen:

Welcher Termin ist bei uns günstig, damit alle anwesend sein können?

Welche Idee für die Einladung habe ich?

Wie wecke ich die Neugierde und die Motivation meiner Familie?

Wie gestalte ich eine Wohlfühlatmosphäre? – Kerzen, Blumen, Dekoratives ...

Welches Thema eignet sich für den Beginn?

Geburtstagsfeier, Geschenk für Verwandte,

Wochenendgestaltung, Urlaubsplanung

Wer könnte beim ersten Mal Vorsitzender, wer Protokollant sein?

Welche Utensilien fallen mir ein, um dieses Amt deutlich zu machen?

Vielleicht möchte ich einen Redestein benutzen der besagt:

Wer den Stein hat, darf reden, die anderen dürfen zuhören.

Welche Ermutigungen, also Komplimente, Freundlichkeiten oder Positivpunkte fallen mir zu jedem Familienmitglied ein?

Was könnte ein gemeinsamer Abschluss sein, an dem alle Freude haben können?

Achtung: Nichts ist nerviger als eine zu lange Sitzung!

Wichtig: Der Familienrat ist keine Meckerrunde!

Literaturhinweis: Dreikurs/Gould/Corsini, „Familienrat“ + „Lichtblick, Magazin für praktizierte Individualpsychologie“ – Sonderheft Familienrat nach Rudolf Dreikurs

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1.4.2 Einladung an die Familienmitglieder

Hier können Sie Ihrer Fantasie freien Lauf lassen, ihr sind keine Grenzen gesetzt. Die folgenden Beispiele anderer Eltern können Anregungen für Sie sein:

Der Teddy oder das Spielzeug, das grade aktuell ist, wird mit eingeladen.

Die Einladung liegt am Abend vorher schriftlich auf dem Kopfkissen.

Sie kann auch im Briefkasten stecken.

Für alle gut sichtbar, haftet sie mit einem Magneten an der Kühlschranktür.

Raffiniert und bevorzugt bei schon etwas älteren Kindern: mit Lippenstift an den Badezimmerspiegel geschrieben.

Sehr persönlich wirkt die direkte mündliche Einladung. Da kann der FR als Gemeinsamkeit angekündigt werden.

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1.4.3 Wie wecke ich die Neugier und die Motivation meiner Familie?

Sie kennen Ihre Lieben am besten und wissen, womit Sie sie neugierig machen können, begeistern können oder zum Ausprobieren bewegen. Die Aussicht, gleichwertig mitzureden und mitzubestimmen, spricht erfahrungsgemäß die etwas älteren Kinder an. Für die jüngeren kann besonders die gemeinsame Zeit zusammen mit allen Familienmitgliedern attraktiv sein.

Sollte die Partnerin/der Partner skeptisch sein, wäre die Aussicht auf weniger Einzelverantwortung eventuell eine Motivation. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Berichte von Familienmitgliedern, die das ganze Buch durchziehen, erzählen davon.

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1.4.4 Familienrat aus der Kiste

Eine kurzweilige Variante stellen wir Ihnen im nächsten Punkt vor. Sie ist entnommen aus dem Ausbildungs-Handbuch für FR-Trainer/Innen des VpIP:

In einer kleinen Kiste (oder einem anderen Behälter) sind unten aufgeführte Gegenstände verborgen. Ein Familienmitglied greift blind hinein, holt einen Gegenstand heraus und überlegt laut, was der wohl mit dem FR zu tun haben könnte. Danach dürfen auch die anderen ihre Meinung sagen. Es ist erstaunlich, auf welche Ideen man dabei kommen kann. Derjenige, der den FR einführen möchte, gibt die Bedeutung des Gegenstandes für die FR-Sitzungen bekannt. Reihum geht es weiter, bis die Kiste leer ist. Dann haben alle einen Eindruck, was für den FR wohl wichtig ist.

Familienrat aus der Kiste:

Ideen zu möglichen symbolischen Gegenständen und deren Bedeutung auf den folgenden Seiten.

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1.4.5 Protokollheft – gemeinsam gestalten

Ein weiterer Punkt wird spätestens hier interessant: die Gestaltung der Protokollmöglichkeiten für Beratungsprozess und gefundene Beschlüsse. Gleich nach geweckter Neugier, schon vor gefundenem Termin und vor dem ersten Beratungstreffen, kann er angegangen werden. Protokollgestaltung kann genauso gut auch Thema der ersten Beratungssitzung sein. Da der Familienrat eine Familienveranstaltung ist, liegt es nahe, die Protokollmöglichkeiten für die Beschlüsse mit allen gemeinsam zu besprechen und das für die eigene Familie am besten geeignete Medium gemeinsam auszusuchen und auch zu gestalten. Ich hörte von verschiedensten Möglichkeiten:

Eine Familie hat ihr geliebtes Wünschebuch für die künftigen Familienrat-Protokolle genutzt. Beim ersten Treffen liest Julia die vorhandenen Wünsche vor. Alleine das lockert schon die Atmosphäre. Besonders den Kindern macht es großen Spaß, dieses Buch als Familienbuch zu gestalten.

Die Kinder oder auch alle zusammen können ihre eigene Familie oder ihre Erinnerung an eine schöne gemeinsame Familienunternehmung auf die ersten Seiten malen.

Es können Bilder hineingeklebt werden von allen, die zur Familie gehören.

Eine Familie fotografierte von jedem ein Ohr und den Mund. Zusammen mit Kinderzeichnungen gestaltete sie damit die ersten Seiten des Protokoll-Buches. Damit griff die Familie die Idee auf, dass alle zuhören sollen und jeder ausreden darf.

Auf einem anderen FR-Buch stand ganz groß: Unsere Familienzeit und darum herum waren lauter Smileys gemalt.

Ein weiterer Buchdeckel zeigte das Foto der Familie und alle dazugehörigen Fingerabdrücke.

Eine andere Familie hat ihrem neuen Familienbuch den Titel REVAM gegeben. Das sind die Anfangsbuchstaben aller Familienmitglieder. Darunter ziert das Bild eines Iglus das Buch. Das bedeutet für sie Schutz und Sicherheit, aber auch, dass das Leben draußen oft sehr kalt und hart ist, es aber innen in ihrer Familie immer schön warm sein soll.

Und wieder andere haben gemeinsam ihre Familie gezeichnet, wie sich alle an den Händen halten.

Möglich ist es auch, einzelne Protokoll-Blätter in einem Ordner abzuheften.

In einer Familie mit schon PC-erfahrenen Kindern ist es üblich, die Ermutigungen, die Beratungsverläufe und besonders die Beschlüsse gleich mitzuschreiben und in einem eigenen Ordner zu speichern.

Bewährt haben sich dicke Protokoll-Bücher, in die über Jahre geschrieben werden kann – und wo schon nach einiger Zeit das Familien-Wachstum erkennbar ist.

Sie sehen, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Wichtig ist, dass jedes Familienmitglied jederzeit eigenständig die Protokolle einsehen kann, denn darin festgehaltene Beschlüsse und Wichtiges aus den Beratungen verleihen mehr Sicherheit und Stabilität. Sie begleiten bei Bedarf in jeder weiteren Beratung und auch in den Zeiten dazwischen.

Warum ist das so wichtig?

Stellen Sie sich vor, das zehnjährige Kind hat einen Beschluss aus dem letzten FR anders in seiner Erinnerung als Sie. Wer hat nun recht? Was ist, wenn Sie sich jetzt nicht einigen können, wenn jeder auf seinem Standpunkt beharrt und den Beschluss auf seine Art durchziehen will bis zur nächsten Sitzung, so wie es ja vorgesehen ist? Das würde ein schönes Durcheinander geben und reichlich Machtkämpfe. Wie gut, wenn dann mindestens die Beschlüsse aus den FR-Sitzungen schriftlich festgehalten und nachzulesen sind. Es ist auf jeden Fall unterhaltsam und auch erhellend nach langer Zeit in zurückliegenden Protokollen zu stöbern und die Entwicklung der Familie zu verfolgen.

*

*

1.4.6 Die erste Sitzung und die Vorbereitung für eine gute Atmosphäre

Vielleicht stellen Sie eine brennende Kerze oder ein kleines Sträußchen Blumen auf den Tisch, schalten ruhige, leise Musik an oder lassen sich sonst etwas einfallen, was das Wohlbefinden der Teilnehmenden unterstützt. Ob eine hübsche Tischdecke sinnvoll ist? Sie kennen Ihre Familie ja gut genug. Auf jeden Fall soll es so sein, dass die Beratung in der Wahrnehmung das Wichtigste bleibt. Damit sind Naschwerk und Knabbersachen schon mal ausgeschlossen. Reglementierungen entfallen ganz von selbst, weil keine Krümel im Eifer der Begeisterung über den Tisch geprustet werden und gesprochene Worte nicht im Knuspern untergehen. Etwas zu trinken ist dagegen erlaubt und es darf ruhig auch ein besonderes Getränk sein, das alle gern mögen. Wenig sinnvoll erscheint das Sitzen auf dem Sofa um den Couchtisch. Nur zu leicht kann die Aufmerksamkeit vom Thema wegdriften hin zum Ausprobieren der bequemsten Sitzstellung.

Gesprächsleitung bzw. Vorsitz müssen bestimmt werden

Bei den ersten FR-Sitzungen übernimmt ein Elternteil die Aufgabe des Gesprächsleiters, danach wechselt der Vorsitz bei jedem Treffen. Auch kleine Kinder können mit Unterstützung von Mama oder Papa den Vorsitz übernehmen, wenn sie einige Male zugeschaut und miterlebt haben, wie die Großen es machen.

Der Protokollführer muss ernannt werden

Ein Protokollbuch zu führen ist hilfreich, wie Sie im letzten Kapitel erfahren haben. Sinnvollerweise sitzen Vorsitzende und Protokollführer nebeneinander, da es das Mitlesen bzw. Diktieren erleichtert. Als günstig hat sich erwiesen, wenn der Protokollführer vom letzten FR beim nächsten Mal den Vorsitz hat, da er die eigene Schrift am besten lesen kann. Auch hier können bald schon jüngere Kinder das Amt übernehmen – und sie wollen das auch gern.

Nicht vergessen: Die Ermutigungsrunde

Jeder Anwesende bekommt zu Beginn der Sitzung mindestens eine Ermutigung, ein Lob, etwas Erwähnenswertes gesagt. Dies sorgt für eine gute Atmosphäre, die als Grundlage sehr wichtig ist. Ein Zehnjähriger sagte dazu: „Am Anfang sagen wir uns alle etwas Nettes. Dann können wir uns hinterher nicht mehr so gut anmotzen.“ Auch sich selbst zu ermutigen ist erlaubt. Alternativen sind ein Lied, ein Gebet, das Vorlesen des Mut-Zettels.

Der Mut-Zettel hängt oder liegt zwischen den Beratungsterminen an einem bestimmten Platz, zum Beispiel an der Küchentür. Jedes Familienmitglied kann dort etwas Schönes über die anderen eintragen. Auch für ungute Erfahrungen ist Platz. Sie sollen nicht unter den Tisch fallen. Damit die Sicht auf die schönen Momente wichtiger bleibt, ist der Platz für das Ungute allerdings relativ klein gehalten. Diese Notizen können ein Thema für Beratungen sein. In die Ermutigungsrunde gehören sie nicht.

Ein Gefühlswürfel ist hilfreich

Falls unerwartet bei einem Familienmitglied negative Gefühle auftauchen, kann der Gefühlswürfel weiterhelfen. Er hat auf seinen Seiten verschiedene Gesichtsausdrücke: heiter, lachend, nachdenklich, traurig, wütend und zufrieden.

Der Gefühlswürfel kann in einer Befindlichkeitsrunde genutzt werden oder falls jemand in der Ermutigungsrunde nichts sagen möchte. Eine Erklärung zu dem Gefühlszustand wäre schön, muss aber nicht sein. Auch während der Beratungen kann es möglich sein, dass ein Mitglied nicht reden mag, weil es wütend, traurig oder gerade sehr nachdenklich ist. Dann genügt es, das passende Gesicht auf dem Würfel zu zeigen – und die anderen wissen Bescheid.

Sammeln der Gesprächsanliegen

Bei den ersten Sitzungen sollten gemeinsame Unternehmungen, Planung von Geburtstagen, Festen, Urlaub, also positiv belegte Themen im Vordergrund stehen. Mithilfe im Haushalt oder Konflikte werden erst nach einiger Übungszeit thematisiert.

Achtung: Der Familienrat ist keine Meckerstunde, sondern eine Möglichkeit zur Beziehungspflege. Er dient nicht in erster Linie zur Aufgabenverteilung.

Und: Lassen Sie Ihren Kindern zunächst ruhig den Vorrang beim Vorschlagen der Themen.

Einigung auf die Tagesordnung und Zeitvorgabe

Gemeinsames Abstimmen, welche Themen in welcher Zeit bearbeitet werden sollen, ist allerdings wieder von allen Familienmitgliedern gleichwertig auszuführen. Jeder hat eine Stimme und jede Stimme zählt gleich viel! Gesamtdauer des Familienrats: Anfangs maximal 30 Minuten, bei kleineren Kindern genügen 15 Minuten oder auch weniger. Mit zunehmender Erfahrung können Sie immer besser einschätzen, welche Beratungsdauer für Ihre Familie am günstigsten ist und bei Bedarf eine neue festlegen.

Austausch zu den Themen und Abstimmung

Alle werden gehört und ernst genommen. Kein Beitrag wird abgewertet. Ausreden lassen, zuhören, abwarten, bis man an der Reihe ist, sind unbedingt nötige Verhaltensweisen. Dazu ist ein Redestein – oder Ähnliches – sehr hilfreich. Nur wer den entsprechenden Gegenstand in der Hand hat, darf seine ganz eigenen Ideen darstellen. Die anderen hören aufmerksam zu. Der Vorsitzende fasst zusammen und ruft dann zur Abstimmung auf. Einstimmigkeit ist anzustreben – sonst lieber das betreffende Thema noch einmal vertagen.

Festhalten der Ergebnisse

Die Beschlüsse werden im Protokollbuch aufgeschrieben. Die Familie berät und beschließt gemeinsam, ob alle gesammelten Themen aufgenommen werden sollen oder nur die besprochenen, alle verschiedenen Argumente oder nur die Ergebnisse. Oder ob eventuell auch die Aussagen aus den Ermutigungsrunden festgehalten werden sollen.

Die Geltungsdauer der einzelnen Beschlüsse wird festgehalten oder als Regel grundsätzlich festgelegt. Rudolf Dreikurs hat vorgeschlagen, dass jeder Beschluss bis zur nächsten Beratung gilt – und zwar für jeden! – und bis dahin nicht abgeändert werden darf.

Ab der zweiten Beratung kommt nach der Ermutigungsrunde der Protokollpunkt Beschlüsse vom letzten Mal hinzu. Jetzt haben alle die Gelegenheit, über ihre Erfahrungen zu sprechen, den Beschluss zu bestätigen oder gemeinsam abzuändern.

Eventuell werden auch gemeinsam Konsequenzen/logische Folgen gefunden, die dann eintreten, wenn sich jemand nicht an die Abmachungen hält. Das hat jedoch Zeit, bis der Ernstfall eintritt. Zunächst sollte für alle ein Vertrauensvorschuss gelten.

Ein schöner Abschluss bleibt in Erinnerung

Zum Abschluss sollte man etwas machen, was allen Mitgliedern der Familie Spaß macht: ein Spiel spielen, eine Geschichte erzählen, Eis oder Kuchen essen, gemeinsam kochen, gemeinsam DVDs schauen und vieles andere mehr.

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Mut-Zettel

Lieber Papa, deinen Humor am Donnerstag habe ich genossen.

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Paula hat beim Malen klare Vorstellungen.

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Auf Andreas ist Verlass. Auch nach dem letzten Einkauf hat er von sich aus genau abgerechnet.

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Maxi, an dir gefällt mir besonders dein Interesse. Du willst genau wissen, wie alles funktioniert.

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Mama ist die Beste!

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Ich fand es gestern ungerecht, ausgeschimpft zu werden.

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1.5 Von der Theorie zur Praxis

Manchmal ist es hilfreich, die Begleitung einer erfahrenen FR-Trainerin in Anspruch zu nehmen. Hier finden Sie entsprechende Informationen zum Thema: www.familienrat.eu. Im Folgenden geben wir Ihnen viele Hintergrundinformationen zum FR.

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1.5.1 Beratungssitzung: Alltag, eine normale Situation in der Erziehungsberatung

Vor mir sitzt Rita, eine sehr dynamische junge Frau aus bäuerlichem Milieu, bodenständig und zupackend. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder, einen Jungen, Peter, sechs Jahre, und ein Mädchen, Sila, drei Jahre alt. Die wichtigsten Erziehungsgrundsätze aus der Dreikurs-Pädagogik wurden in den vorhergehenden Einzelberatungen erfahrbar gemacht und zu Hause eingeübt. So kennt Rita bereits den Begriff soziale Gleichwertigkeit, sie weiß, was das Zugehörigkeitsgefühl bewirkt, auch logische Folgen kommen zum Einsatz und die vier Nahziele störenden Verhaltens sind ihr ein Begriff. Inzwischen hat sich vieles verändert in der Familie, ihr Mann Karl empfindet das Chaos als weniger groß und kann seinen Feierabend und die lebhaften Kinder wieder genießen, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Die Partnerschaft läuft deutlich entspannter, es gibt wieder Luft für die Liebe.

Natürlich sind sowohl positive als auch negative Reaktionen des sozialen Umfelds auf Ritas neue Erziehungsmethoden nicht ausgeblieben. Rita ist trotzdem guter Dinge und will sich vom einmal eingeschlagenen individualpsychologischen Weg nicht abbringen lassen. Aber nun gibt es da noch den geistig behinderten Onkel, der mit im Haus wohnt, und ab und zu die über 90-jährige Großmutter, die immer wieder mehrere Wochen zu Gast und dann Teil der jungen Familie ist. Rita ist ihre Enkelin und erwägt, die Großmutter ganz zu sich zu nehmen und zu pflegen. Somit steht spätestens jetzt die Einführung des Familienrats an, damit das bisher Gelernte umgesetzt und erweitert werden kann.

Wozu? Und warum gerade jetzt?

Es läuft doch einigermaßen ...

Unsere Antwort: Gerade wenn es einigermaßen gut läuft, besteht die Chance, aus dem Guten etwas Besseres zu machen, mit dem Ziel, glücklicher zusammenzuleben.

Dann folgen die Fragen und Befürchtungen: Ein FR, was ist das?

Wozu ist der FR denn gut, was haben wir davon?

Wie geht das? Wie mache ich das denn? Kann ich das überhaupt?

Werden meine Lieben mitspielen? Und wie vermittle ich, was ich damit erreichen will?

Und später:

Wie bekomme ich alle an einen Tisch? Wie lade ich ein?

Und wie geht es dann weiter?

Ich schlage vor, einfach zu beginnen und die Fragen dann zu beantworten, wenn sie sich stellen, zum Beispiel nach einer Familienratssitzung.

Ich wende mich wieder an Rita und erkläre: „Ein Familienrat findet statt, wenn sich alle Mitglieder eurer Familie, die dauerhaft zusammenleben, regelmäßig treffen, um miteinander über anstehende Fragen, Vorhaben und Aufgaben zu sprechen, die eure Gemeinschaft betreffen.“ Damit ist klar, dass auch jüngere Kinder teilnehmen können und ganz kleine dabei sein dürfen, wenn sie sich einigermaßen ruhig mit einem Spielzeug beschäftigen.

Sila kann mit ihren drei Jahren bereits sprechen, sie kann dabei sein, solange sie durchhält, Peter will schon selbst eine Rolle einnehmen und ein Amt ausführen. Dabei kann ihm ein Erwachsener helfen. Der behinderte Onkel kann sprechen und hat zu manchen Dingen eine eigene Meinung, er gehört unbedingt dazu. Die pflegebedürftige Großmutter dagegen wäre mit einer Sitzung völlig überfordert. Sie will ihre Ruhe und Pflege. Die Aufgaben, die daraus erwachsen, könnten zu einem Thema für den FR werden.

Diese Treffen können natürlich – je nach Fantasie – auch ganz anders heißen, ich nenne hier einige Beispiele und Vorschläge aus anderen Familien: Anstatt FR spricht eine Familie einfach von unserem Treff, unserem Familientreffen oder vom runden Tisch, eine andere vom family meeting, wieder eine andere vom Palaver unterm Affenbrotbaum und aus Kanada stammend das mondaynight-dinner, bei dem sich im Anschluss an die wöchentlich montags stattfindende Besprechung immer ein schönes Essen gibt. Der Name ist aber natürlich nur die Verpackung, viel wichtiger ist der Inhalt.

Und noch wichtiger: die erste Sitzung, der Anfang

„Ja, aber wie fange ich denn nun damit an? Und vor allem: Wie kriege ich alle an einen Tisch?“, ist Ritas nächste Frage.

Meine Antwort ist ganz einfach: „Du lädst ein zu einem ersten Treffen, bei dem ihr dann alles Weitere besprecht. Alle, das sind: dein Mann, der Onkel, Peter und Sila. Du suchst dafür einen geeigneten Termin, an dem du sicher sein kannst, dass alle Zeit haben.“ Das könnte beispielsweise der Sonntagvormittag oder -nachmittag sein oder eben ein freier Abend in der Woche, bevor die Kinder zu Bett gehen. Mit kleineren Kindern ist eine Abendsitzung naturgemäß weniger sinnvoll, aber das muss jeder selbst wissen und für die eigene Familie richtig planen.

Die Einladung kann mündlich erfolgen, wirksamer ist sie nach Erfahrung aber schriftlich, als Plakat an der Tür oder an einem anderen gut sichtbaren Platz – geschrieben oder gemalt – sodass sich jedes Familienmitglied angesprochen fühlt – und vor allem: an den Termin denkt! „Deiner Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt, am besten bewährt hat sich eine schriftliche Einladung, auf einem großen Blatt Papier schön gestaltet und so platziert, dass es alle sehen müssen“, antworte ich auf Ritas Nachfrage. „Du kannst das erste Treffen auch etwas geheimnisvoll gestalten, eventuell Silas Teddy mit einladen, es ist ja etwas ganz Besonderes, was da eingerichtet werden soll.“

Ebenso ist es mit dem Raum: Am besten bewährt hat sich der Esstisch (vielleicht ist er sogar rund), an dem alle ihren Platz haben, der ohne große Diskussionen eingenommen werden kann. Der Tisch kann hübsch hergerichtet werden, vielleicht eine gestaltete Mitte haben, zum Beispiel mit einer schönen Kerze oder einem besonderen Stein, den man nachher zur Beratung gleich als Redestein benutzen kann.

„Auch hier richtest du dich ganz nach den Gepflogenheiten und Ritualen deiner Familie, sie sind wichtig, aber nicht unbedingt notwendig“, gebe ich Rita mit auf den Weg. „Schön und motivierend für die Folgetreffen ist es, wenn du für den Ausklang etwas zum Knabbern bereithältst, auch ein besonders beliebtes Getränk hebt die Stimmung ganz von selbst. Ein Lied oder ein Spiel können sehr motivierend für die Kinder sein. Wichtig dabei ist, dass diese Ausschmückungen die eigentliche Beratung nicht zudecken oder gar stören und dann als Ablenkungsmanöver wirken.“

Unverzichtbar ist allerdings die Ermutigungsrunde.

„Ermutigung ist jedes Signal, das mir den Glauben gibt: Ich kann!“ (Zitat aus Theo Schoenakers Vorträgen)

Sie gehört zu den Inhalten und damit an den Beginn jeden Familienrats. Ermutigung ist an dieser Stelle deshalb so wichtig, weil sie von vornherein die Atmosphäre des Familienrats verändert. Die Teilnehmer werden auf eine lösungsorientierte Beratung eingestimmt, die Beiträge sind grundlegend positiv, die Stimmung automatisch freundlich. Ermutigung wirkt Wunder!

Ermutigungen kannst du jeder Person in der Runde geben, zu der dir etwas Ermutigendes einfällt.

---ENDE DER LESEPROBE---