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Sandra Duminuco

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Beschreibung

Geraldin steckt in der Klemme. Sie muss unbedingt den Catering-Auftrag einer großen Firma an Land ziehen, sonst verliert sie ihren Job. Aber ihr neuer Auftraggeber hat andere Pläne. Als Geraldin in der Firma ankommt, trifft sie auf Maximilian von Bergström, den Sohn des Geschäftsführers, der sie dem versammelten Firmenvorstand als seine Verlobte vorstellt. Geraldin ist völlig überrumpelt. Kurz darauf macht Maximilian ihr ein Angebot: Sie soll eine Zeit lang seine Verlobte spielen und so den Vorstand davon überzeugen, dass er verantwortungsbewusst genug ist, um die Firma zu übernehmen. Doch der junge Firmenerbe hat die Rechnung ohne Geraldins Widerspenstigkeit und ihr Temperament gemacht. Kein Wunder also, dass alles ganz anders kommt, als er es geplant hatte …

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Die AutorinSandra Duminuco, geboren 1976, lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Westthüringen. Hauptberuflich arbeitet sie im Einzelhandel. Mit der Veröffentlichung ihres ersten Romans hat sie sich einen Traum erfüllt. Die besten Ideen hat die Autorin abends und nachts, mit einem guten Glas Wein und manchmal auch einer Tafel Schokolade.

Das Buch

Geraldin steckt in der Klemme. Sie muss unbedingt den Catering-Auftrag einer großen Firma an Land ziehen, sonst verliert sie ihren Job. Aber ihr neuer Auftraggeber hat andere Pläne. Als Geraldin in der Firma ankommt, trifft sie auf Maximilian von Bergström, den Sohn des Geschäftsführers, der sie dem versammelten Firmenvorstand als seine Verlobte vorstellt. Geraldin ist völlig überrumpelt. Kurz darauf macht Maximilian ihr ein Angebot: Sie soll eine Zeit lang seine Verlobte spielen und so den Vorstand davon überzeugen, dass er verantwortungsbewusst genug ist, um die Firma zu übernehmen. Doch der junge Firmenerbe hat die Rechnung ohne Geraldins Widerspenstigkeit und ihr Temperament gemacht. Kein Wunder also, dass alles ganz anders kommt, als er es geplant hatte …

Sandra Duminuco

Fast verlobt

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin August 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-209-7  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Prolog

Maximilian

»Ich brauche unbedingt eine Frau!«, sagte ich und unterbrach damit die Diskussion über die Vorteile von irgendwelchen neuen Handyfunktionen zwischen meinen beiden besten Freunden.

Steven neben mir seufzte, legte sein neuestes iPhone auf den Tisch und nahm stattdessen seinen Scotch. Steven wusste über mein Vorhaben Bescheid und fand es überflüssig, aber mein letztes Telefonat mit meiner Schwester hatte mir mein Problem wieder ins Gedächtnis gerufen und meine Vermutungen bestätigt und verstärkt.

Ich drehte mich also zu Tyler, der mich auf seine übliche Art angrinste. Tyler war von uns dreien, der Verrückteste und würde mich verstehen. Ganz anders als Steven. »Aha!«, sagte er und neigte seinen Kopf zur Seite. »Ich glaube nicht, dass du lange suchen musst.« Er beugte sich etwas weiter zu mir. »Die Zwei dahinten beobachten dich schon eine ganze Weile. Gib ihnen einen aus, vielleicht haben sie sogar Lust auf einen heißen Dreier.«

Ich folgte Tylers Blick nach rechts und sah zwei junge Frauen, die mir kichernd zuprosteten. Na super! Ich drehte mich schnell wieder weg. Auf so etwas hatte ich heute keinen Bock. »Das habe ich damit nicht gemeint.«

Tyler runzelte seine Stirn und sah mich an. »Was stimmt denn mit denen nicht?«, fragte er neugierig und drehte sich nochmal kurz zu den zwei Frauen.

»Gar nichts! Aber, verdammt! Ich rede nicht nur von einer Nacht.«

Tyler wandte sich an Steven. »Verstehst du, was er uns damit sagen will?«

Steven seufzte und lehnte sich vor, um sein Glas abzustellen. »Max will dem Vorstand vorspielen, dass er verantwortungsvoll sein kann, indem er ihnen eine Frau als seine Verlobte vorstellt. Er glaubt, dass sie ihre Meinung über ihn ändern, wenn sie denken, dass er in festen Händen ist«, erklärte Steven, lehnte sich mit verschränkten Armen zurück und grinste seinen besten Freund an.

»Gut erklärt, Herr Anwalt. Aber genau das ist der Punkt!« Ich schaute zu Tyler und wartete auf seine Reaktion. Die von Steven kannte ich, er fand diese Idee bescheuert.

»Ernsthaft?« Tyler lachte laut auf und schlug mir gegen das Knie. »Das ist hoffentlich ein Witz? Oder warte, hast du etwa schon jemanden im Auge?«, fragte er immer noch lachend und drehte sich zu Steven. »Er meint das doch nicht wirklich ernst?«

»So wie es aussieht, meint er es ernst«, antwortete Steven mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Hey, ihr zwei seid meine besten Freunde, ich dachte, ihr würdet mich verstehen. Und nein … bis jetzt habe ich noch keine Idee, wen ich dafür nehmen könnte!«

»Also ich glaube, darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Wie wäre es mit der Rothaarigen, wie war ihr Name noch gleich? Ähm …« Tyler überlegte und sah fragend zu Steven.

»Annabel«, sagte Steven und nahm sein Glas vom Tisch.

»Genau, Annabel, die war doch süß«, meinte Tyler und boxte gegen meine Schulter, so als hätte er das Problem schon gelöst.

Ich schüttelte meinen Kopf. »Wenn ich das durchziehe, dann nur mit einer, die mit unseren Kreisen nichts zu tun hat und die ich auch wieder loswerde, wenn ich sie nicht mehr brauche. Ich würde sie sogar dafür bezahlen«, erklärte ich und überlegte, wer Annabel noch mal gewesen war.

»Wahnsinn! Ich bin auf alle Fälle bei der Suche dabei!« Tyler nahm sein Glas und prostete Steven zu. »Das wird ein Spaß.«

Verdammt, vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, ihm davon zu erzählen. Ich kannte Tylers Frauengeschmack, und eine Frau, die ihm gefiel, konnte ich auf gar keinen Fall als meine Verlobte vorstellen. Hilfesuchend drehte ich mich zu Steven, aber der grinste mich nur schulterzuckend an. Ich hätte meinen Plan vielleicht doch für mich behalten sollen. »Ich besorg uns noch was zu trinken«, sagte ich und stand auf, um zur Bar zu gehen. Vielleicht schaffe ich es ja, Tyler so abzufüllen, dass er sich morgen an nichts mehr erinnert.

Kapitel 1

Vier Wochen später

Geraldin

Frustriert starrte ich mich im Spiegel an. Mein Gott, ich sah schrecklich aus. Seufzend löste ich das Haarband und fuhr mir durch meine lange Mähne, die schlaff herunterhing. Ich hatte mich die letzten Wochen wirklich gehen lassen. Aber damit war jetzt Schluss! Ab heute keine Schlabberpullis und Jogginghosen mehr, schwor ich mir. Ich hatte mir lange genug die Augen wegen Sebastian ausgeheult. Immerhin hatte er mich betrogen und verarscht. Früher hätte ich mir so etwas nicht so lange gefallen lassen. Ich hatte irgendwie gehofft, er könnte der Richtige sein. Aber ich hatte mich geirrt, schwer geirrt! Sebastian war ein verlogenes Arschloch.

Nachdem ich geduscht und mich so richtig in Schale geworfen hatte, stellte ich mich wieder vor den Spiegel im Schlafzimmer. »Du schaffst das!«, sagte ich zu meinem Spiegelbild und zuckte erschrocken zusammen, weil es genau in diesem Moment an der Tür klingelte.

»Wow, für wen hast du dich so schick gemacht?«, plapperte Victoria, meine beste Freundin, sofort los, als ich die Tür noch nicht mal richtig geöffnet hatte.

»Ähm … ich muss gleich zur Arbeit. Heute Nachmittag treffe ich mich mit einem Kunden, der einen großen Catering-Auftrag zu vergeben hat. Möchtest du einen Kaffee?«

»Hm. Also glaubt dir dein Chef jetzt endlich, dass der fette alte Sack dich beim letzten Mal angetatscht hat?«, fragte Victoria und machte es sich auf einem der Barhocker in der Küche bequem.

»Nein, er glaubt dem Kunden immer noch, dass ich mir das alles nur ausgedacht habe. Aber was soll der auch sagen, wenn seine Frau neben ihm steht? Ich wollte unbedingt den Arsch von Ihrer Mitarbeiterin berühren!«, äffte ich mit verstellter Stimme nach und musste lachen. »Na ja, immerhin habe ich dem Arschloch eine Ohrfeige verpasst. Das hatte er ja wohl verdient!«

»Notgeiler Sack!« Victoria lachte zurück. »Aber mal ehrlich, du siehst phantastisch aus.«

»Ja, ich bin endlich aufgewacht, und ich habe jetzt ein Ziel vor Augen, das nichts mit Sebastian zu tun hat.« Ich pustete kurz auf meinen Kaffee und nahm einen Schluck.

»Na dann erzähl, wie sieht dein Ziel aus?«

»Erstens: Wohnung suchen. Zweitens: mich in Arbeit stürzen. Und drittens: so lange arbeiten und Kontakte knüpfen, bis ich mir meinen Traum von einer Kunst-Bar verwirklichen kann.«

»Und viertens«, unterbrach mich Victoria, »deine beste Freundin nicht vernachlässigen.« Sie hob ermahnend den Zeigefinger.

»Niemals!« Ich hob zwei Finger zum Schwur, worauf wir beide losprusteten.

»Hast du schon eine neue Wohnung gefunden?«

Ich schüttelte meinen Kopf. »Nein, aber ich muss hier unbedingt raus.« Ich seufzte.

»Gut, dann freut es dich sicher zu hören, dass du eine Zeit lang bei mir wohnen kannst. Erik ist irgendwo in der Schweiz auf einem Seminar, und er hat mir gesagt, dass du so lange sein Zimmer bei uns haben kannst.«

»Echt?«, fragte ich erstaunt.

»Hm!«, murmelte sie zustimmend und trank noch einen Schluck.

»Man Vic, das wäre ja super! Ich habe die meisten meiner Sachen schon gepackt. Sebastian kommt heute Abend zurück, und ich will ihn auf keinen Fall mehr sehen.«

»Na dann nehmen wir am besten jetzt gleich ein paar Sachen mit, und ich fahr dich dann zur Arbeit. Ich freu mich, wenn du bei mir bist.« Sie lächelte und nahm mich in die Arme. Konnte es eine bessere Freundin geben?

***

»Dieser Auftrag ist äußerst wichtig, Fräulein Winter! Die Familie Bergström gehört seit Jahren zu unseren besten Kunden. Wie Sie wissen, habe ich im Moment niemand anderen, den ich dorthin schicken könnte, weil wir noch weitere wichtige Events veranstalten. Also ist es jetzt Ihr Auftrag.« Mein Chef sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Und ich hoffe, dieses Mal legen Sie sich nicht wieder mit dem Kunden an.«

Tief einatmen und wieder ausatmen. Einatmen, ausatmen. Ich brauche das Geld. Ganz ruhig, Geraldin. Irgendwann bekommt jeder seine gerechte Strafe, sagte ich mir vor. Ich verspürte immer tiefer werdenden Hass auf den kleinen dicken Mann vor mir. Was hatte ich dem Typ eigentlich getan? Am liebsten hätte ich ihm mal so richtig die Meinung gesagt. Aber verdammt, ich brauchte den Job.

»Hören Sie mir überhaupt zu?«, nörgelte er mich über den Schreibtisch an.

Ich versuchte meine Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen. »Natürlich, Familie Bergström wünscht ein Catering. Ich habe alles verstanden und werde sie nicht enttäuschen, Herr Marx.« Sie aufgeblasener Vollidiot, dachte ich und setzte ein falsches Lächeln auf.

»Gut, dann machen Sie sich auf den Weg und morgen früh will ich sofort die Einzelheiten auf dem Tisch haben.« Er legte mir die Unterlagen hin und widmete sich dann wieder seinem Computer. Das Gespräch war also beendet, denn er schenkte mir keine weitere Beachtung. Worauf ich auch nicht scharf war.

Ich ging aus dem Büro und beherrschte mich gerade so weit, dass ich die Tür leise hinter mir schließen konnte. Am liebsten hätte ich sie mit einem lauten Rums ins Schloss fallen lassen. Wenn ich nur nicht so auf diesen Job angewiesen wäre, ich hätte mir schon längst etwas anderes gesucht. Aber ich brauchte das Geld, die Bezahlung war durch die Provisionen ziemlich gut. Ich hoffte, so schnell wie möglich Geld sparen zu können, damit ich meinen eigenen Laden aufmachen konnte. Aber im Moment sah es echt mies aus. Meine Eltern hatten zwar gut für mich vorgesorgt, aber ich wollte ihr Geld eigentlich nicht benutzen. Doch so wie die Dinge jetzt standen, blieb mir wohl nichts anderes übrig.

***

Leicht schlitternd rutschte ich in den Fahrstuhl und murmelte eine Entschuldigung an die zwei aufgetakelten Grazien, die bereits darin standen. Und die, wie ich zugeben musste, viel besser in diesen Business-Look passten als ich selber. Als sich die Türen schlossen, drückte ich auf den Knopf für die oberste Etage und richtete meinen Blick auf die Anzeigetafel über der Tür. Ich hoffte, dass der Fahrstuhl schnell den sechzehnten Stock erreichen würde, denn der penetrante Parfum-Duft der zwei Frauen benebelte meine Sinne. Außerdem spürte ich die Blicke der beiden auf mir und bemerkte, wie sie mich von oben bis unten musterten. War es so offensichtlich, dass ich nicht zu dieser Gesellschaft gehörte? Dabei hatte ich heute mein superschickes hellgraues Etuikleid an, das ich mir vor kurzem im Abverkauf gegönnt hatte. Victoria hatte gemeint, es wäre wie für mich gemacht und würde wie angegossen passen. Da ich die Blicke der Frauen immer noch auf mir spürte, drehte ich mich zu ihnen um und sah ihnen selbstbewusst entgegen. Was auch wirkte, denn jetzt starrten sie mich wenigstens nicht mehr an.

»Also, wie glaubst du, wird Maximilian reagieren?«, fragte die Blonde der beiden ihre Begleiterin.

»Das werden wir ja gleich wissen, aber dieses Mal lasse ich mich nicht so einfach abspeisen. Wir gehören zusammen. Er muss das nur noch begreifen«, flüsterte die Brünette leise, aber entschlossen.

Ping! Zum Glück war der Fahrstuhl endlich oben angekommen. Als die Türen sich öffneten, atmete ich einmal tief durch, um das Parfüm der zwei Grazien aus meinen Lungen zu bekommen. Dieser Maximilian war wirklich nicht zu beneiden. Obwohl ich näher an der Tür stand, drängten sich die beiden an mir vorbei. Aber das war mir egal, ich hatte noch genügend Zeit bis zu meinen Termin. Langsam folgte ich ihnen in einen großen Raum, der sehr edel wirkte. Vor uns befand sich ein runder Empfangstresen, der in glänzendem Weiß erstrahlte und an dem eine junge Frau gerade telefonierte. Miss Brünett hämmerte mit ihren überdimensionalen Fingernägeln auf den Tresen. Am liebsten hätte ich meine Hand darauf geknallt und ihr gesagt, wie bescheuert das war, was sie hier abzog, aber ich beherrschte mich gerade so.

Die Empfangsdame legte den Hörer auf und begrüßte uns freundlich. Aber Miss Oberzicke Brünett, ließ sie gar nicht zu Ende reden. »Sagen Sie bitte Maximilian Bergström, dass Fräulein von Schirra ihn unbedingt sprechen möchte«, sagte sie in einem herablassenden Tonfall.

»Tut mir leid, aber er ist gerade in einer Besprechung. Wenn Sie vielleicht warten möchten. Es dauert sicher nicht mehr lange«, antwortete die Dame vom Empfang ihr freundlich.

»Nun gut … dann bringen Sie uns zwei Tassen Kaffee.« Miss Brünett wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern stolzierte mit ihrer Freundin zu der großen Sitzlandschaft in einer Ecke des Raumes.

Mein Gott, wie ist die denn drauf?, dachte ich. Das Wort »bitte« gab es wohl in ihrem Wortschatz nicht. Anscheinend dachte sie, die Welt würde sich nur um sie drehen. Erneut klingelten zwei Telefone, die junge Frau vom Empfang entschuldigte sich kurz bei mir und nahm eins der Gespräche an.

Um Nancy, so hieß die nette Empfangsdame laut ihres Namensschildes, etwas entgegenzukommen, weil das andere Telefon auch immer noch klingelte und sie ja zusätzlich noch die zwei Grazien bedienen musste, zog ich meinen Mantel aus und setzte mich auf einen der bequemen Sessel. Ich war gut in der Zeit und außerdem befanden sich meine potentiellen Kunden ja so, wie es schien, noch in einer Besprechung.

Nancy verschwand nach dem ersten Telefonat kurz in einem Raum weiter hinten, eilte dann aber wieder herbei, um ein weiteres Telefonat entgegenzunehmen und danach gleich das nächste. Oh Mann, sie war wirklich nicht zu beneiden. Ob es hier immer so zuging?

»Hallo Fräulein?«, quiekte Miss Brünett vom Sofa in Nancys Richtung. »Wie lange dauert es denn noch mit unserem Kaffee?«

Ich schüttelte entsetzt meinen Kopf. So etwas Unverschämtes! Ich drehte mich zu Nancy um … ich wusste nicht wieso, vielleicht um ihr zu zeigen, dass ich ihr beistehen würde.

Nancy war rot angelaufen, sicher aus Verzweiflung oder vielleicht auch aus Wut. Bei mir wäre es auf jeden Fall Wut gewesen. Ich hätte der Brünetten vermutlich rein zufällig den Kaffee übers Kleid geschüttet. Aber nein, das gäbe bestimmt richtig Ärger. Denn so wie es aussah, war Miss Brünett mit dem Boss hier befreundet oder wollte es zumindest sein, wenn ich mich richtig an das Gespräch aus dem Fahrstuhl erinnerte. Nancy rannte wieder in den hinteren Raum und kam nach kurzer Zeit mit drei Tassen Kaffee auf einem Tablett zurück. Sie trat als Erstes zu mir und stellte mir eine Tasse auf den kleinen Nebentisch. »Sie trinken doch Kaffee?«, fragte sie mich freundlich.

»Ja, vielen Dank!« Ich lächelte sie an.

»Ich kümmere mich gleich um Sie, aber wegen der Firmenübernahme ist hier im Moment die Hölle los«, erzählte sie mir, während die Telefone schon wieder klingelten.

»Machen sie sich bitte keinen Stress, ich bin sowieso zu früh«, antwortete ich ihr.

»Danke!«, hauchte sie erleichtert und ging zu den zwei Grazien, stellte den Kaffee vor sie und eilte dann zu ihrem Schreibtisch zurück. Blondie rief ihr noch etwas hinterher, was sich anhörte wie: »Wird ja auch langsam Zeit.« Aber zum Glück hatte Nancy sich schon wieder auf ihre eigentliche Aufgabe konzentriert.

Mein Gott, waren die bescheuert. Dieser Maximilian konnte einem wirklich leidtun, schoss es mir durch den Kopf. Aber trotzdem würde ich liebend gerne sein Gesicht sehen, wenn Miss Brünett sich auf ihn stürzte, dachte ich. Denn offenbar ahnte er noch nichts von diesem Besuch. Ob er sich freuen würde? Egal das ging mich nichts an. Ich versuchte mich wieder auf meine eigentliche Aufgabe zu konzentrieren. Also war das Büfett sicher für die Feier zur Firmenübernahme gedacht. Nun ja, das erklärte so einiges, und ich hoffte, dass sie sich das ordentlich was kosten lassen würden. Denn je mehr sie zahlten, desto höher fiel die Provision für mich aus, und das Geld konnte ich im Moment wirklich gut gebrauchen.

Maximilian

»Also gut, dann hätten wir die wichtigsten Einzelheiten geklärt. Mein Sohn wird in zwei Wochen offiziell die Firma übernehmen. Und somit trete ich von allen Verpflichtungen zurück. Maximilian erhält alleine die fünfundsiebzig Prozent der Familienanteile, genau wie es damals bei mir der Fall war.« Mein Vater sah sich kurz um und wartete auf eine Reaktion, aber alle nickten, wenn auch etwas wiederwillig. »Sehr gut! Ich freue mich, dass wir uns einig sind und hoffe, dass Sie meinem Sohn die gleiche Loyalität wie mir entgegenbringen.« Freudstrahlend schaute er in die Gesichter der Anwesenden und blieb bei seinem Anwalt hängen. »Der letzte Punkt, den ich noch ansprechen möchte, bevor wir wieder an unsere Arbeit gehen, ist, dass mein langjähriger Freund und Anwalt Phillip Reuters in zwei Wochen auch seinen wohlverdienten Ruhestand antritt«, erklärte Friedrich Bergström dem Vorstand und den Abteilungsleitern.

»Gibt es schon einen Nachfolger?«, fragte eines der Vorstandmitglieder und sah meinen Vater erwartungsvoll an.

War ja klar, dass sie mich ignorierten. Aber nicht mit mir. Ich räusperte mich kurz und zog so die Aufmerksamkeit auf mich. »Ich habe mit meinem Vater entschieden, dass Steven Mänder die besten Voraussetzungen für diese Stelle hat. Er wird der Firma mit Rat und Tat zur Seite stehen, genau wie Phillip es all die Jahre getan hat«, antwortete ich kurz und blickte in die Gesichter der Männer, die mich schon die ganze Zeit musterten, um vielleicht doch noch irgendeinen Punkt zu finden, den sie gegen mich vorbringen konnten. Aasgeier, ging es mir durch den Kopf. Am liebsten hätten sie es, wenn einer aus ihren eigenen Reihen das Sagen in der Firma übernähme. Aber das würde mein Vater, jetzt wo wir uns endlich wieder versöhnt hatten, niemals zulassen.

Wie konnte ich diese Leute nur dazu bringen, mir zu vertrauen? Vielleicht sollte ich doch noch mal über die Idee, mir eine Verlobte zu suchen, nachdenken. Steven muss mir dabei helfen, irgendwo wird sich schon eine geeignete Frau finden.

»Maximilian!«

Mein Vater riss mich aus meinen Überlegungen.

»Ja!«, antwortete ich schnell, um den Gedanken von eben zu verscheuchen, denn vielleicht war es ja doch nicht notwendig. Immerhin besaß ich fünfundsiebzig Prozent der Firma und damit die absolute Mehrheit. Aber die Vorstandsmitglieder würden vermutlich alle Themen, mit denen ich sie betraute, zu Tode diskutieren und sich mir so in den Weg stellen. Ich sah zu meinem Vater.

»Hast du noch irgendwelche Fragen?«

»Nein, ich denke, soweit haben wir alles geklärt«, antwortete ich und schenkte ihm ein Lächeln. Er nickte mir fröhlich zu. Mein Gott, zum Glück hatten wir uns endlich ausgesprochen. Ich hatte mich wie ein Arschloch benommen, doch er hatte mir alles vergeben. Eigentlich hatte ich das gar nicht verdient. Ich durfte das hier nicht versauen.

»Bestens, dann werden wir in zwei Wochen den Vertrag unterschreiben. Meine Herren, ich danke Ihnen.« Friedrich Bergström erhob sich und schüttelte einigen der Männer die Hand, bevor er mit ein paar anderen den Konferenzraum verließ.

Der Anwalt meines Vaters klopfte mir auf die Schulter. »Du schaffst das schon Max, und ich stehe dir immer zu Verfügung. Das weißt du doch? Wenn du und Steven mich brauchen solltet, dann genügt ein Anruf.«

»Danke Phillip, ich werde darauf zurückkommen.« In dem Moment vibrierte mein Handy. »Bitte entschuldige mich kurz«, sagte ich zu Phillip und schaute auf das Display. Steven hatte mir eine Nachricht gesendet, dass er sich entschieden hatte, noch einen Tag länger bei Tyler in London zu bleiben und erst morgen Vormittag zurückkommen würde. Schmunzelnd öffnete ich mein

E-Mail-Programm und schrieb: Trinkt einen für mich mit, oder nein, besser zwei! Ich hole dich vom Flughafen ab. Sag mir Bescheid, wann du landest. Und grüße Tyler von mir. Max

Danach drückte ich auf senden und sammelte meine Papiere zusammen.

Geraldin

Ich nahm gerade einen Schluck von meinen Kaffee, weil Nancy immer noch damit beschäftigt war, irgendwelchen Anrufern zu erklären, dass sie auf die offizielle Pressemitteilung warten sollten, als sich eine der vielen Türen öffnete und vier Männer hindurchkamen. Hinter der Tür erkannte ich eine Art Konferenzraum, aus dem jetzt noch drei weitere Männer heraustraten. Zwei von ihnen verabschiedeten sich von Nancy und gingen zum Fahrstuhl. Meine zwei Grazien hatten sich von der Couch erhoben und gingen auf die übrigen Männer zu. Ich stellte meine Tasse auf den Tisch und überlegte, welcher von ihnen wohl dieser Maximilian sein könnte.

Freudestrahlend stöckelte Miss Brünett auf die fünf Männer zu. »Friedrich!«, piepste sie, wobei mir auffiel, dass ihr Lächeln aufgesetzt war, denn es erreichte ihre Augen nicht.

»Yvonne?«, sagte einer der Männer überrascht und drehte sich zu ihr.

Nach den üblichen Begrüßungsritualen säuselte sie etwas freundlicher: »Entschuldige bitte, dass ich euch hier so überfalle, aber ich muss unbedingt mit Maximilian sprechen. Ich habe schon mehrfach versucht, ihn zu erreichen, seit er wieder zu Hause ist, aber er hat sich noch nicht bei mir gemeldet. Und da wir gerade in der Nähe waren, dachte ich, ich schaue schnell mal vorbei.« Sie blickte sich kurz um. »Aber ich sehe ihn nicht, ist er gar nicht hier?«

Friedrich musterte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Doch, er kommt sicher gleich«, sagte er dann ebenfalls freundlich.

Aber auch bei ihm fiel mir auf, dass sein Lächeln aufgesetzt wirkte. So wie es aussah, war er nicht gerade begeistert, sie hier zu sehen. Das Schauspiel, das mir hier geboten wurde, war wirklich interessant. Allerdings wäre es wohl besser, wenn ich mich jetzt auch langsam bemerkbar machte, denn ich hatte ja schließlich einen Termin, den ich auf gar keinen Fall versauen durfte.

Ich griff nach meinem Mantel und wollte mich gerade erheben, da fiel mein Blick auf einen jungen Mann, der nun auch das Konferenzzimmer verließ. Mein Atem setzte kurz aus. Wow! Das war ein Bild von einem Mann. Groß, an den richtigen Stellen muskulös und ein Gesicht wie gemalt. Der dunkelgraue Anzug, bestimmt eine Maßanfertigung, umschmeichelte seinen Körper und saß wie angegossen. Seine mittelblonden Haare und seine gebräunte Haut, passten perfekt dazu, aber das Faszinierendste an ihm waren seine grünen Augen. Kein Wunder, dass Miss Brünett so scharf auf ihn ist, schoss es mir durch den Kopf. Innerlich seufzte ich. Warum standen solche Männer eigentlich immer nur auf so aufgetakelte, unnatürliche Schönheiten?

»Maximilian!« Ihre piepsige Stimme schallte durch den Raum und brachte mich wieder ins Hier und Jetzt. Mein Gott, Geraldin, beherrsche dich, ermahnte ich mich, zog es aber vor, lieber doch noch ein bisschen sitzen zu bleiben. Von der Seite aus schaute ich wieder zu diesem Maximilian hinüber. Unterdessen sah er sich im Raum um, bis sein Blick an mir hängen blieb.

Das brachte mich total aus der Fassung. Ich wollte wegschauen, aber ich konnte nicht. Meine Güte, warum war es denn hier auf einmal so heiß?

Miss Brünett hatte es jetzt zu ihm geschafft und lenkte ihn ab. »Maximilian, endlich!«, sagte sie übertrieben laut. Alle anderen Anwesenden starrten die beiden nun ebenfalls an. So wie es aussah, fanden die anderen Anwesenden diesen Auftritt von ihr auch übertrieben.

»Yvonne, was machst du hier?«, fragte Maximilian genervt. Er gab ihr noch nicht einmal zur Begrüßung die Hand.

»Ich muss dringend mit dir reden! Und da du nicht auf meine Anrufe reagierst«, schimpfte sie schmollend, »blieb mir nichts anderes übrig, als es hier zu versuchen. Ich muss wirklich unbedingt mit dir sprechen, Maximilian«, sagte sie enthusiastisch und gestikulierte mit ihren Händen vor ihm umher.

»Tut mir leid, im Moment ist es etwas schwierig. Aber du kannst gerne mit Nancy einen Termin ausmachen, vielleicht können wir uns in den nächsten Tagen zum Lunch treffen«, sagte er ruhig und schaute wieder zu mir herüber.

Meine Güte, er musterte mich, und ich hätte schwören können, dass ich seinen Blick auf jedem Zentimeter meines Körpers spürte. Ein Schauer lief über meine Haut. Dieser Mann machte mich total nervös. Ich sollte mich vielleicht doch zu Nancy durcharbeiten und ihr mitteilen, weshalb ich hier war, denn im Moment fühlte ich mich wie eine Spannerin. Aber die Situation war zu spannend, ich musste unbedingt mitbekommen, wie Miss Brünett auf diese Abfuhr – denn das war eindeutig eine – reagierte. Und das tat sie.

»Das meinst du doch wohl nicht im Ernst?«, piepste sie sauer.

Er drehte sich wieder zu ihr und schaute sie fragend an. »Yvonne, habe ich irgendetwas verpasst?«

Sie holte einmal tief Luft und strich eine ihrer gestylten Locken hinters Ohr. »Gut, du willst es ja anscheinend nicht anders. Dann klären wir es eben hier, vor allen anderen. Es geht um dich und um mich! Ich dachte, wir gehören zusammen, aber da du dich nicht mehr meldest und mir nach unseren letzten Treffen aus dem Weg gehst und dein Vater …«, jetzt sah sie sauer zu diesem Friedrich hinüber, der das Schauspiel mit verschränkten Armen beobachtete, »mir auch nicht erzählt, wo du dich gerade aufhältst. Da …«

Maximilian ließ sie nicht weiterreden. »Yvonne … wovon redest du? Wir zwei … das wird es nie geben. Du verrennst dich da in etwas. Tut mir leid aber …«

»Was zur Hölle soll das heißen?«, schrie sie ihn an. »Maximilian, wir gehören zusammen!« Miss Blondie eilte ihr zur Seite und legte einen Arm um ihre schmale Taille.

»Was? Wie kommst du denn darauf?« Er sah wütend aus, aber er wirkte auch gleichzeitig beherrscht. Das verdankte er sicher seiner guten Erziehung. Alle anderen Anwesenden im Raum schauten wie bei einem Tennisspiel zwischen den beiden hin und her.

»Wieso … wieso?« Sie schnappte nach Luft. »Du und ich … das passt perfekt, sieh das endlich ein. Wir sind wie geschaffen füreinander«, schnauzte sie ihn an.

»Yvonne, wir zwei gehören nicht zusammen. Und ich würde dich bitten, dass du mich in Ruhe lässt und mich nicht mehr anrufst oder nach mir suchst. Ich liebe eine andere, wir sind verlobt und ich werde sie bald heiraten!«, erklärte er ihr in ruhigem Ton.

Wumms! Miss Brünett und Miss Blondie starrten ihn ungläubig an. Selbst dieser Friedrich sah in diesem Moment verblüfft aus. Nur einer der anderen Männer schien sich aufrichtig für ihn zu freuen. »Na, das sind ja tolle Neuigkeiten.«

Ich seufzte. Seine Verlobte war wirklich zu beneiden. Sein Vater hatte sich auch wieder gefasst. Er ging einen Schritt auf seinen Sohn zu. »Du bist verlobt?«, fragte er überrascht. »Warum hast du denn nichts gesagt und vor allem … mit wem?«

Alle starrten ihn an und warteten auf seine Antwort, sogar ich hatte die Luft angehalten. Er jedoch hatte wieder dieses unglaubliche Lächeln im Gesicht und schaute zu … mir. »Schatz!«

Äh! Meinte er mit Schatz etwa … mich? Nein, ganz bestimmt nicht. Aber hinter mir war nichts, außer einer Wand und einer riesigen Pflanze, die meinte er bestimmt nicht. Ich blickte mich kurz um und tat so, als würde ich mir die Haare hinter das Ohr schieben, aber da war wie erwartet niemand. Als ich wieder zu den anderen sah, spürte ich alle Augen auf mir, was mir sofort die Röte ins Gesicht trieb. Ich hatte mich bestimmt nur verhört. Oder? Oh Gott nein, Maximilian kam direkt auf mich zu, nahm meine Hand, die jetzt etwas zitterte, und zog mich von meinem Sessel hoch in seine Arme. Meine Güte roch der gut. Ich schluckte und sah ihn erschrocken an. Was wollte er von mir? Aber das Schlimmste kam erst noch. Er beugte sich zu mir herunter und legte seine Lippen auf meine. Er drückte mich an sich und gab mir einen festen Kuss. Sein Geruch umströmte mich. Das Gefühl, das er in mir auslöste, ließ mich leise aufstöhnen. So schnell wie dieser Kuss gekommen war, so schnell war er auch wieder vorbei. Aber Maximilian ließ mich nicht los, sondern legte seinen Arm um meine Taille und zog mich fest an sich. Ich stand unter Schock. Ich spürte seinen warmen Atem auf meiner Haut, was mir eine Gänsehaut bescherte.

Er flüsterte ein »Bitte hilf mir!« in mein Ohr, bevor er erneut seine Lippen kurz auf meine legte. Unsere Augen trafen sich und in seinem Blick stand die völlige Verzweiflung. Ich nickte ihm kaum merklich zu und er schenkte mir wieder sein wundervolles Lächeln. Er drehte uns zu den anderen, wobei mir die ganze Sache so peinlich war, dass ich niemandem in die Augen sehen konnte. Miss Brünett baute sich empört vor uns auf, woraufhin mich Maximilian noch fester an sich zog, so als würde er mich vor einem Angriff beschützen, den ich ihr auf alle Fälle zutraute.

»Du machst Witze! Das ist ja wohl nicht dein Ernst!«, brüllte sie wutentbrannt und zeigte mit ihrem Finger auf mich. »Die willst du heiraten?« Jetzt lachte sie und starrte Maximilian an, der mich immer noch fest umschlungen hielt.

»Rede nicht so von meiner Verlobten«, zischte er ihr wütend entgegen.

Verlobte! … Ich? … Scheiße!

»Glaube mir, die ist nichts für dich! Sie ist doch nur scharf auf dein Geld und deinen Namen«, spuckte sie uns verbal ins Gesicht. Ich war total schockiert. Sie benahm sich wie eine Furie.

»Nein Yvonne, denn sie ist nicht so wie du!« Das hatte gesessen, denn jetzt lachte sie nicht mehr.

Verdammt, wo war ich hier nur wieder reingeraten, ich wollte doch nur den Catering-Auftrag!

»Du mieses Schwein!«, schrie sie, woraufhin ich zusammenzuckte. Maximilian zog mich enger an sich, ihm war die Situation anscheinend auch nicht geheuer.

»Es ist besser, wenn du jetzt gehst!«, sagte Friedrich zu Miss Brünett und stellte sich neben seinen Sohn und mich. Doch es sah so aus, als hätte sie das nicht vor, obwohl Miss Blondie hinter ihr ununterbrochen auf sie einredete. Aber das interessierte sie überhaupt nicht. Ich bekam gerade noch mit, wie sie ausholte, um Maximilian eine Ohrfeige zu verpassen. Allerdings war seine Reaktionsgeschwindigkeit besser als meine, denn er wich ihrem Schlag gekonnt aus. Ich war jedoch nicht so schnell, und so traf sie mich mit voller Wucht. Mein Gesicht wurde zur Seite geschleudert, und ich spürte einen brennenden Schmerz auf meiner Wange. Tränen schossen mir in die Augen, so sehr brannte meine Wange. Anscheinend hatte Miss Brünett mich mit ihrem überdimensionalen Ring getroffen. Ich bekam nur am Rande mit, wie zwei der anderen Männer sie von mir wegzogen. Sie sah immer noch ziemlich wütend aus.

Maximilian und sein Vater kümmerten sich währenddessen um mich. »Schatz … ist alles in Ordnung?«, fragte mein Pseudoverlobter besorgt. Aber ich war so benebelt, das ich gar nicht antworten konnte.

»Sie blutet!«, sagte er zu seinem Vater und schaute genau wie ich auf seine Hand. Und oh nein… da sah ich es … mein Blut. Mein Magen drehte sich. Ich konnte doch kein Blut sehen. Vor allem nicht meins.

»Nimm sie weg! Nimm sie weg!«, schallte es durch meinen Kopf. Jedoch war ich viel zu geschockt, um auszusprechen, dass er seine Hand mit meinem Blut runternehmen sollte. Das Letzte, was ich noch mitbekam, war der erschrockene Ausdruck in Maximilians Gesicht, als meine Beine nachgaben und ich zur Seite fiel.

Maximilian

»Schatz!«, rief ich geschockt. Ich bekam gerade noch mit, wie ihre Beine wegknickten und versuchte, sie zu halten, aber es war zu spät. Sie fiel nach hinten und landete mit dem Kopf auf der Tischplatte des kleinen Couchtisches. »Oh nein!« Ich beugte mich zu ihr hinunter und zog sie in meine Arme. Das hatte ich nicht gewollt. Verdammt! »Schatz!« Sie hatte ihre Augen geschlossen und lag regungslos in meinen Armen. »Schatz!« Entsetzt strich ich ihr übers Gesicht.

»Was ist mit ihr?«, fragte Friedrich besorgt und kniete sich neben mich.

»Sie ist bewusstlos, sie kann ihr eignes Blut nicht sehen«, antwortete ich ihm und sah in sein besorgtes Gesicht. Das musste es sein, sie konnte kein Blut sehen, und ich Idiot hatte auch noch meine Hand hochgehalten. Ich zog sie zu mir auf den Schoß, und drückte ihren Kopf an meine Brust. »Entschuldige, entschuldige bitte, das habe ich nicht gewollt.«

»Soll ich einen Arzt rufen?«, fragte Nancy besorgt, die zu uns geeilt war.

Ich sah in ihr erschrockenes Gesicht und schüttelte meinen Kopf. »Nein, ich bringe sie nach Hause. Vater, kannst du bitte Gustav anrufen und ihm sagen, dass er sofort zu mir kommen soll?« Ich stand vorsichtig auf und hielt sie fest in meinen Armen, ihr Kopf lag immer noch an meiner Brust.

»Wir könnten auch einen Arzt hierherrufen«, sagte er besorgt.

»Nein … nein, ich bringe sie nach Hause. Ich will sie bei mir haben«, antwortete ich meinem Vater, der mir zum Fahrstuhl folgte und dann mehrere Male auf den Knopf drückte.

»Gut. Nancy, rufen Sie bitte meinen Chauffeur an.« Nancy nickte und eilte davon. »Lass dich wenigstens von Jan fahren.«

Die Türen öffneten sich und ich nickte ihm schnell zu. Phillip eilte mit dem Mantel der jungen Frau und ihrer Tasche zu mir in den Fahrstuhl.

»Ich habe Fräulein von Schirra gewarnt, dass sie euch nicht mehr zu nahetreten soll, ansonsten bekommt sie eine Anzeige.«

»Danke Phillip!«, sagte ich, als er die Autotür hinter uns schloss.

Jan brauste los und ich zog meine Scheinverlobte fest in meine Arme. Vorsichtig strich ich wieder über ihren Kopf. Eine längliche Wunde prangte auf ihrer Wange, die nicht mehr so schlimm blutete. Ich drückte das Taschentuch, das Nancy mir gegeben hatte, wieder darauf. Warum hatte ich diesen Schlag nicht abbekommen. Diese Frau hier konnte doch gar nichts dafür. Ich hörte ihren leisen Atemzügen zu und strich immer wieder über ihren Kopf, der in meinen Armen lag. Ihr blumiger Duft erfüllte das Innere der Limousine. Als ich vorhin aus dem Konferenzraum gekommen war, war sie mir sofort aufgefallen. Wie sie dasaß, in diesem grauen Kleid, das ihre Augenfarbe betonte. Stahlgrau. Ich hatte vorhin schon mit dem Gedanken gespielt, dass sie es sein könnte. Sie war perfekt für mein Vorhaben, vielleicht ein bisschen zu perfekt. Dass ich es dann einfach getan hatte, hatte mich selbst überrascht. Aber als ich Yvonne gesehen und sie mir diese Szene gemacht hatte, da hatte ich keine andere Wahl gehabt. Ausgerechnet vor dem gesamten Vorstand musste sie ausflippen. Verdammte Scheiße! Ich hatte zweimal mit ihr geschlafen, schon nach dem ersten Mal hatte sie mehr von mir gewollt. Ich hätte es wissen müssen, aber das zweite Mal war ich sturzbetrunken und nicht bei klarem Verstand gewesen, sonst hätte ich mich nicht erneut auf sie eingelassen. Mist! Aber jetzt war die Katze aus dem Sack und mein Vater und auch einige Vorstandsmitglieder glaubten, ich wäre verlobt. Genau das hatte ich mir doch gewünscht, oder? Tausend Gedanken wirbelten durch meinen Kopf. Als Jan vor dem Haus parkte, machte sich etwas Erleichterung in mir breit, weil ich meinen Onkel erblickte. Er war Arzt und konnte der jungen Frau sicher helfen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich sie nicht in ein Krankenhaus gebracht hatte, aber was hätte ich denn dort sagen sollen? Das sie meine Verlobte sei, aber mir ihr Name entfallen war?

»Max … was ist denn passiert?«, fragte mein Onkel und half mir beim Aussteigen.

»Sie ist ohnmächtig geworden, als sie das Blut gesehen hat. Und sie ist mit ihrem Kopf auf einen Tisch gefallen.«

»Na komm, ich werde mir das mal ansehen. Schaff sie hoch ins Schlafzimmer.«

Ein leises Stöhnen kam aus ihrem Mund, als ich sie vorsichtig auf mein Bett legte. »Meinst du, es ist sehr schlimm?«, fragte ich besorgt und setzte mich zu ihr auf den Rand des Bettes.

»Lass mich nach ihr sehen, geh du und ruf deinen Vater an, sonst muss ich nachher auch noch zu ihm fahren, weil er sich zu sehr aufregt.« Er zwinkerte mir zu, holte etwas aus seiner Tasche und beugte sich dann zu der jungen Frau hinunter.

»Okay!« Wiederwillig verließ ich das Zimmer, um meinen Vater zu informieren. Nachdem ich ihn beruhigt hatte, lief ich in den Eingangsbereich, um nach der Tasche der Frau zu sehen. Ich musste ihren Namen herausfinden. Ich fand die Tasche und auch ihre Geldbörse und suchte darin nach ihrem Ausweis. Dabei kam ich mir ziemlich erbärmlich vor. Aber die ganze Situation war verrückt, und normalerweise war das nicht meine Art, aber in diesen Fall sah ich keine andere Möglichkeit.

Geraldin Winter, geboren am 12. Dezember 1992. Aha, vier Jahre jünger als ich. Das passte perfekt. Mit meinem neu erworbenen Wissen rannte ich wieder zurück in mein Schlafzimmer. »Wie geht es Geraldin?«, fragte ich leicht außer Atem, als ich das Zimmer betrat.

»Sie hat eine leichte Gehirnerschütterung. Ich habe ihr etwas gegeben, damit sie durchschläft. Sie braucht einfach nur Ruhe.« Er packte seine Sachen zusammen und schenkte mir ein beruhigendes Lächeln. »Morgen geht es deiner Geraldin schon viel besser. Lass sie einfach schlafen, das wird ihr guttun.« Er lächelte mir zu. »Der Riss auf der Wange wird verheilen und es wird auch keine Narbe zurückbleiben.« Er klopfte mir auf die Schulter. »Wenn irgendetwas sein sollte, ruf mich an.«

»Danke, vor allem dafür, dass du so schnell gekommen bist«, erwiderte ich erleichtert.

»Kein Problem. Bleib ruhig bei ihr, ich kenne den Weg.« Damit verließ er den Raum.

Vorsichtig setzte ich mich zu Geraldin auf das Bett und beobachtete sie, wie sie ruhig ein- und ausatmete. Am besten wäre es, wenn ich ihr das Kleid ausziehen würde, dachte ich. Hoffentlich hatte sie keinen Freund, an ihrer Hand war kein Ring. Das war schon mal ein gutes Zeichen. Ich holte eines meiner Schlafanzugoberteile aus dem Schrank, richtete Geraldins Oberkörper auf und lehnte sie an meine Brust, wobei sie etwas murmelte, aber sie sprach so leise, dass ich es nicht verstand. Ich strich ihr die langen Haare zur Seite und überlegte, wie ich es anstellen sollte, dieses Kleid von ihrem Körper zu bekommen. Zum Glück hatte das Kleid einen ziemlich langen Reißverschluss am Rücken, so dass ich es leicht über ihre Arme ziehen konnte. Mit einer Hand hielt ich sie weiter vorsichtig an meine Brust gedrückt, mit der anderen Hand griff ich nach meinem Schlafanzugoberteil und stülpte es ihr ganz langsam über ihren Kopf. Es war ihr mehrere Nummern zu groß, so dass ich es ihr einfach überziehen konnte. Mit meinen Händen ließ ich sie vorsichtig zurück auf das Kopfkissen gleiten und streifte ihr Kleid über ihre Hüfte und ihre langen Beine. Sie stöhnte leise auf, was mich kurz innehalten ließ. Danach legte ich die Decke über sie und setzte mich wieder an den Rand des Bettes. Ich nahm ihre Hand und strich langsam darüber. Geraldin, was für ein schöner Name, dachte ich. Ihre stahlgrauen Augen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Wie sie mich angeschaut hatte. Irgendetwas hatte das mit mir gemacht, so als wäre ich in ihrem Bann gefangen. Und in diesem Moment hatte ich gewusst, dass sie perfekt war für mich. Sie war die perfekte Verlobte. Meine Verlobte! Jetzt musste ich sie nur noch davon überzeugen, dass sie mitspielte.

Kapitel 2

Geraldin

Das helle Licht wurde durch schwere Vorhänge abgefangen, deren Farbe ich nicht richtig erkennen konnte, weil die Sonne sie verschleierte. Aber trotzdem war ich mir sicher, dass ich diese Vorhänge noch nie gesehen hatte. Ich ließ meinen Blick weiter durch den Raum schweifen. Wo war ich hier? Und wieso lag ich mitten am Tag in einem fremden Bett? Ich drehte mich etwas zur Seite und schaute auf die andere Bettseite. Sie war unbenutzt. Irgendwie hatte ich einen Filmriss. Schweratmend drehte ich mich auf den Rücken und starrte an die Decke, wo ein überdimensionaler Ventilator hing. War ich auf irgendeiner Party gewesen? Nein … ich … ich. Mein Gott, genervt strich ich mir mit meinen Händen über mein Gesicht, um irgendwie den Nebel aus meinem Kopf zu vertreiben. Aber stattdessen blieb meine Hand an meiner Wange hängen, die mit etwas beklebt war und bei meiner Berührung schmerzte. Ich richtete mich auf und strich noch mal über meine Wange. Oh nein … jetzt erinnerte ich mich wieder. Mein Blut … ich hatte geblutet, weil so eine durchgeknallte Tussi mich geschlagen hatte. Aber das erklärte trotzdem nicht, warum ich hier in diesem Bett lag. Vorsichtig hob ich die Decke und entspannte mich ein wenig, denn ich hatte zumindest etwas an. Ich konnte mich nur nicht erinnern, dass ich mich umgezogen hätte. Jetzt reiß dich mal zusammen, Geraldin, sagte ich zu mir selbst. Ich ließ mich zurück ins Kissen fallen und überlegte. Ich war in dieser Firma gewesen … »Scheiße!« Die Firma, der Catering-Auftrag. Ich sprang aus dem Bett. Ich musste unbedingt zurück in die Firma, ich war dort gewesen, um den Catering-Auftrag zu besprechen. Aber was zur Hölle machte ich dann hier, in diesem Bett? Dieses Mal durfte ich das nicht versauen. Ich brauchte diesen Job. Ihn zu verlieren, zum jetzigen Zeitpunkt, wo mein Leben sowieso schon total den Bach runterging, wäre eine Katastrophe. Ich sprang auf und suchte überall in dem riesigen Schlafzimmer nach meinen Sachen, aber sie schienen nicht hier zu sein. Verdammt! Ich starrte auf die Tür. Ach egal, ich musste diesen Auftrag abschließen, also atmete ich einmal tief durch und sammelte Mut, um mich dem zu stellen, was mich dahinter erwartete. In dem Moment als meine Hand den Griff berühren wollte, wurde die Tür jedoch von außen aufgedrückt, und noch bevor ich einen Schritt nach hinten machen konnte, knallte sie gegen meinen Kopf. »Autsch …«

»Oh nein, nicht schon wieder! Es tut mir leid! Hast du dir wehgetan?«, fragte eine männliche Stimme.

Wutentbrannt starrte ich der Stimme entgegen. Ich blinzelte durch meine Finger hindurch zu dem Mann, der sehr dicht vor mir stand. Und jetzt erinnerte ich mich nicht nur an die Verletzung, nein, jetzt als ich ihn wiedersah, fiel mir der Rest auch noch ein. Er hatte mich vor allen anderen geküsst und, was noch viel schlimmer war, er hatte behauptet, wir wären verlobt!

»Darf ich?«, fragte er und zog vorsichtig an meinen Händen, die ich immer noch an meinen Kopf gepresst hielt. »Es tut mir wirklich leid, ich dachte du schläfst noch«, entschuldigte er sich und schaute nach meinem Kopf, indem er vorsichtig mit seinen Fingern darüberstrich.

Meine Atmung beschleunigte sich. Ich wollte jetzt endlich Klarheit. »Wo bin ich hier und wo sind meine Sachen?«, fragte ich nervös und brachte etwas Abstand zwischen uns. Denn eigentlich war er für mich eine fremde Person. Vor der ich nur mit einem Oberteil bekleidet stand.

Er seufzte, schloss die Tür hinter sich und kam wieder etwas näher, woraufhin ich einen Schritt zurück machte. »Du bist bei mir zu Hause. Deine Sachen liegen frisch gewaschen im Bad. Aber kannst du mir erst mal sagen, wie du dich fühlst?«

»Keine Ahnung! Ich bin etwas durcheinander.« Ich sah mich in dem Raum um. Wo war dieses verfluchte Bad? »Wo ist das Badezimmer?«, fragte ich, wobei ich versuchte, meine Stimme so normal wie möglich klingen zu lassen, denn er machte mich total nervös. Wie konnte ein Mensch nur so verdammt sexy aussehen? Bestimmt wusste er, wie er auf Frauen wirkte, also was sollte dann diese ganze Lügengeschichte, und warum zog er mich damit rein.

»Das Badezimmer ist dahinten.« Er zeigte mit seinen perfekten Fingern hinter mich. »Aber der Arzt hat gesagt, dass du …«

»Welcher Arzt?«, unterbrach ich ihn entsetzt. Irgendwie blickte ich nicht mehr durch. Okay, ich konnte kein Blut sehen, aber deswegen hatte ich noch nie einen Blackout gehabt und vor allem hatte ich noch nie einen Arzt dafür gebraucht. Was hatte er mit mir gemacht?

»An was kannst du dich noch erinnern?«, fragte er und schaute mich mit seinen grünen Augen an.

Ich schloss kurz meine Augen, um mich zu sammeln. »Ich wurde von Ihrer durchgeknallten Freundin geschlagen. Weil Sie ihr erzählt haben, wir zwei wären verlobt!« Ich holte tief Luft, um nicht auszuflippen. »Und jetzt würde ich mir gerne endlich etwas anziehen und zurück in die Firma fahren, denn ich hatte dort einen Termin!«, zischte ich ihn an.

»Geraldin, bitte leg dich wieder ins Bett. Du hast eine leichte Gehirnerschütterung. Nachdem Yvonne, die übrigens nicht meine Freundin ist, dich geschlagen hat, bist du ohnmächtig geworden, weil ich Idiot die Hand mit deinem Blut hochgehalten habe.« Er machte eine kurze Pause und strich sich durch seine Haare, die daraufhin in alle Richtungen abstanden. »Ich habe es nicht gleich mitbekommen, weil ich noch entsetzt darüber war, zu was Yvonne fähig ist. Aber da bist du leider schon aus meinen Armen gerutscht und ich konnte dich nicht halten … du bist mit dem Kopf auf die Tischkante gefallen.« Er atmete hörbar aus und schaute mich schuldbewusst an.

Oh! Ich fasste mir an den Kopf, daher also die leichten Kopfschmerzen. »Aber wieso bin ich dann hier bei Ihnen und nicht in einem Krankenhaus?« Ich fand das alles unglaublich. Und woher wusste er eigentlich meinen Namen?

»Weil alle denken, dass wir verlobt sind, und da ist es ja wohl klar, dass ich mich um dich kümmere«, erklärte er mir, so als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

Nur hatte er anscheinend vergessen, dass wir gar nicht verlobt waren! Ich atmete einmal tief durch und räusperte mich kurz. »Ich hoffe doch, dass Sie das inzwischen richtiggestellt haben. Denn wir sind nicht VERLOBT!«, zischte ich ihn an. »Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss dringend zu meinem Termin!« Ich drehte mich wütend von ihm weg und wollte in das Badezimmer gehen, um mir endlich meine Sachen anzuziehen, damit ich hier wegkam.

»Geraldin … bitte!« Er kam hinter mir her und griff meine Hand.

»Hey!« Ich versuchte sie ihm zu entziehen, aber keine Chance. Seine Finger hielten meine Hand fest umschlossen. »Hören Sie auf damit!«

»Was wolltest du in der Firma? Vielleicht kann ich dir helfen. Außerdem triffst du um diese Uhrzeit dort niemanden an.« Er sah mich fragend an, wobei er meine Hand immer noch fest umschlungen hielt.

Ich ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen und versuchte nebenbei, meine Hand zu befreien. Aber dann erstarrte ich. »Wie spät ist es?« Er hatte gesagt, um diese Zeit wäre keiner in der Firma. Aber es war doch noch hell.

Er schaute kurz auf seine edel aussehende Uhr. »Sieben Uhr dreißig.«

»Abends?«, fragte ich und betete innerlich, dass er nicken würde, aber das tat er nicht.

»Nein … morgens!« Er sah mir stirnrunzelnd entgegen.

»Scheiße!«

»Keine Sorge, deine Freundin Victoria, so heißt sie glaube ich, weiß Bescheid, dass du hier bei mir bist. Dein Handy hat Sturm geklingelt, und weil du geschlafen hast und ich dich nicht munter machen wollte, habe ich ihr eine Nachricht geschrieben, dass alles in Ordnung ist und du dich heute bei ihr meldest.

»Was?«, schrie ich und entriss ihm meine Hand. Victoria war sicher total am Durchdrehen. Ich war stinksauer und wollte nur noch so schnell wie möglich von hier weg. Allerdings drehte sich alles und mir war total schwindelig. Ich suchte verzweifelt nach etwas, an dem ich mich festhalten konnte, aber da lag ich schon in seinen Armen. »Oh …«

»Keine Angst Geraldin, noch mal lasse ich dich nicht fallen. Aber vielleicht glaubst du mir jetzt, dass es besser ist, wenn du liegen bleibst.« Er legte mich vorsichtig auf das Bett und setzte sich zu mir.

»Woher wissen Sie eigentlich meinen Namen?«, fragte ich und richtete mich etwas auf.

»Ich habe in deiner Tasche nach deinem Ausweis gesucht«, sagte er, als wäre es das Normalste auf der Welt, in fremden Taschen herumzuwühlen. Dabei drückte er mich zurück auf das Kissen und ließ seine Hände auf meinen Schultern liegen, so dass ich mich nicht erneut aufsetzten konnte.

»Was bilden Sie sich eigentlich ein?«, fragte ich schwer atmend, weil ich versuchte, mich gegen seine Hände zu wehren.

Er wollte mir gerade antworten, als es leise an der Tür klopfte. Widerwillig stand er auf und lief grummelnd zur Tür. Ich schaute ihm hinterher. Erst da fiel mir auf, dass er die passende Hose zu meinem Oberteil anhatte. Darüber trug er ein weißes T-Shirt. Wer hatte mich ausgezogen? Doch nicht etwa er! Als er die Tür öffnete, hörte ich eine Frau sagen, dass Herr Dr. Berger da sei. Außerdem fragte sie noch, ob wir Frühstück wollten. Anscheinend hatte er eine Haushälterin. War ja klar.

»Schicken Sie ihn bitte nach oben! Und wenn er wieder gegangen ist, würden wir heute gerne hier oben essen. Danke Carla«, antwortete er ihr und schloss die Tür. Er kam zurück und setzte sich wieder zu mir aufs Bett. »Kann ich dich um einen Gefallen bitten? Noch einen … Bitte Geraldin!« Er wartete gar nicht auf meine Antwort, sondern redete einfach weiter. »Könntest du bitte aufhören, mich ständig zu siezen. Es wirkt vermutlich etwas seltsam, wenn die eigene Verlobte ihren Mann mit Sie anspricht. Bitte Geraldin!«

Er sah verzweifelt aus, aber ich fiel nicht darauf rein. Ich war immer noch stinksauer. Allerdings kam ich gar nicht dazu, ihm meine ganzen Vorwürfe an den Kopf zu knallen, denn es klopfte schon wieder an der Tür.

»Es ist offen«, rief er vom Bett aus und nahm meine Hand in seine. Ich versuchte sie ihm zu entziehen, aber er erhöhte den Druck und ließ es nicht zu.

»Max! Oh und wie ich sehe, ist unsere Patientin wieder bei Bewusstsein.« Ein älterer Mann mit grauen Haaren kam auf uns zu und lächelte mich freundlich an.

»Danke, dass du extra noch mal vorbeischaust«, entgegnete Maximilian.

»Aber was redest du denn da!« Der Mann legte seine Hand auf Maximilians Schulter. »Ich bin auf dem Weg zur Klinik, also war es gar kein Umweg.«

Die kannten sich sehr gut, so wie sie miteinander umgingen.

»So, Max, und nun lass mich mal kurz zu deiner Verlobten!« Etwas widerwillig ließ mich Maximilian los und stand auf. Der ältere Mann grinste in sich hinein. Für ihn wirkte Maximilian sicher wie ein Verliebter, der sich nicht von seiner Freundin trennen konnte. Wenn er wüsste, schoss es mir durch den Kopf.

»Also junges Fräulein, wie fühlen wir uns denn heute?«, fragte er und berührte meinen Kopf leicht. Zusätzlich leuchtete er mir noch in die Augen.

»Gut«, sagte ich leise, worauf er mir zunickte.

»Trotzdem würde ich vorschlagen, heute auf jeden Fall noch im Bett zu bleiben«, erklärte er mir freundlich.

»Nein, das …« Ich setzte mich etwas auf.

»Geraldin!«, ermahnte mich Maximilian. »Bitte sei doch vernünftig! Es ist besser, du ruhst dich noch etwas aus.« Sein Blick wirkte angespannt.

»Max hat recht! Lass dich einfach heute so richtig von ihm verwöhnen.« Der Arzt grinste mich an. »Bald hat er mit der Firma genug zu tun, da hat er sicher nicht mehr so oft Gelegenheit dazu.«

Ich nickte resigniert und nahm mir vor, mit meinem Widerspruch zu warten, bis der nette Arzt weg war.

»Gestern Abend hat sich Friedrich noch bei mir gemeldet und wollte wissen, wie es Geraldin geht. Er wollte euch nicht stören«, erzählte er und sah dann zu meinem angeblichen Verlobten.

»Ach ja?«, erwiderte Maximilian und ließ mich dabei nicht aus den Augen.

»Er ist glücklich, Max! Nicht nur, dass du jetzt die Firma übernimmst, sondern du hast auch noch eine Frau gefunden, mit der du dein Leben verbringen willst. Im Prinzip hast du ihm zwei seiner größten Wünsche erfüllt! Mich würde es nicht wundern, wenn die komplette Familie schon Bescheid weiß.« Er lachte.

Na super!

»Ja, das sähe meinem Vater ähnlich«, erwiderte Maximilian, wobei er mich immer noch nicht aus den Augen ließ.

»Wo habt ihr euch denn kennengelernt?«, fragte der Arzt, während er seine Tasche verschloss.

Ich holte einmal tief Luft. Warum klärte er den Mann nicht auf, dass alles nur ein riesengroßes Missverständnis war? Ich suchte seinen Blick, es sah aber nicht so aus, als wollte er die Sache endlich richtigstellen. Also blieb das wohl an mir hängen. »Wir sind …« Weiter kam ich nicht.

»Wir sind uns auf der Straße begegnet. Sie ist mir sozusagen in die Arme gelaufen. Nicht wahr, Schatz!« Sein Blick war durchdringend und todernst.

Na warte.

»Und wann hattet ihr vor, es der Familie zu sagen?«, fragte der Arzt und stand vom Bett auf, woraufhin sich Maximilian sofort zu mir setzte und sich meine Hand schnappte. Er hielt sie so fest, dass ich keine Möglichkeit hatte, sie ihm zu entziehen. Er hob eine Augenbraue und sah mich eindringlich an. Es wirkte wie eine stille Warnung, jetzt nichts Falsches zu sagen.

»Eigentlich wollten wir es in zwei Wochen bei der Firmenübergabe bekanntgeben, aber leider wurde unser Vorhaben durchkreuzt.« Maximilian seufzte enttäuscht. Was für ein Schauspieler.

»Das könnt ihr doch immer noch machen. Deine Mutter wäre überglücklich gewesen, könnte sie euch beide sehen«, meinte der Doktor leise und legte Maximilian eine Hand auf seine Schulter. Maximilian schloss daraufhin kurz seine Augen und nickte nur.

»Nun ja, ich freue mich für euch. Sehr sogar.«

Mir versetzte es einen Stich in meiner Brust. Wie konnte Maximilian nur so ruhig bleiben? Immerhin war es seine Familie, die er gerade belog.

»Also dann, sollte noch irgendetwas sein, ruft mich bitte an, zu jeder Zeit.« Der nette Arzt streckte mir die Hand entgegen. »Es war mir eine Freude, Geraldin. Aber wir sehen uns ja jetzt sicher öfter.«

»Danke Doktor«, stammelte ich verlegen.

»Bitte, nenn mich doch Gustav.« Ich nickte schüchtern, auch das noch.

»Soll ich dich noch hinausbegleiten?«, fragte Maximilian und stand auf.

»Nein. Bleib ruhig hier, ich kenne ja den Weg«, hörte ich die Antwort.

Ich war inzwischen so wütend, dass ich nicht mehr mitbekam, was sie noch sagten. Maximilian schloss die Tür und kam sofort zu mir zurück. »Danke!«

Wutentbrannt warf ich die Decke von mir und setzte mich auf. »Das ist doch alles nicht wahr! Wann haben Sie eigentlich vor, das aufzuklären?«, schnauzte ich in seine Richtung und stand vorsichtig auf.

Er grinste mich an und stand mit verschränkten Armen vor mir. Fand er das etwa lustig? »Es läuft doch bis jetzt ganz gut!«

»Was? Ich habe mich sicher gerade verhört!«

»Leg dich wieder hin«, forderte er mich auf und trat einen Schritt näher.

»Nein!« Ich blieb stehen. Was bildete er sich eigentlich ein? »Ich muss zur Arbeit und darauf hoffen, dass mein Chef Ihnen am Telefon glaubt, dass meine Firma den Auftrag für das Catering bekommt. Sonst bin ich meinen Job los!«, schrie ich, wobei mir wieder etwas schwindelig wurde. Ich massierte mir meine Schläfen und versuchte, mich zu beruhigen.

»Geraldin … wenn du dich jetzt nicht gleich wieder hinlegst, binde ich dich an dieses Bett!« Er wirkte verärgert und funkelte mich mit seinen grünen Augen an.

Ich starrte ihm mit offenem Mund entgegen. »Das meinen Sie ja wohl nicht ernst!«

»Bring mich lieber nicht in Versuchung.« Er grinste wieder.

Er kam noch ein Stückchen näher und beugte sich zu mir, so dass sein Gesicht direkt vor meinem war. Ich starrte in seine Augen, die mich schon aus der Ferne nervös gemacht hatten und versuchte, woanders hinzusehen. Nebenbei vergrößerte ich den Abstand zwischen uns, denn er war einfach zu nah. Seine Lippen sahen so weich aus und ich fragte mich, wie sie sich wohl anfühlten, wenn sie auf meinen Lippen lagen. Ich konnte mich an unseren ersten Kuss nicht mehr so genau erinnern.

Geraldin, ermahnte ich mich gedanklich und konzentrierte mich wieder auf mein Problem. Ich schüttelte meinen Kopf. »Das, was Sie hier machen, nennt man Freiheitsberaubung. Also wenn Sie keine Anzeige wollen, dann hören Sie endlich auf mit dem ganzen Scheiß hier und lassen mich jetzt in Ruhe. Ach ja und wenn Sie sich fragen sollten, wie Sie sich für den Rest entschuldigen können, dann kümmern sie sich um meinen Auftrag!«, schnauzte ich ihn an und drückte meine Hände gegen seine Brust, die sich sehr muskulös und fest anfühlte. Ich versuchte, ihn wegzustoßen, was leider gar nichts bewirkte, also stand ich auf, lief um ihn herum und machte mich auf den Weg zum Badezimmer.

»So habe ich das nicht gemeint«, sagte er leise. Wutentbrannt drehte ich mich zu ihm, um ihm noch einmal zu erklären, dass er total durchgeknallt war. Aber ich kam gar nicht dazu, denn er griff erneut nach mir, hob mich in seine Arme und legte mich wieder in das Bett. Meine Gegenwehr störte ihn überhaupt nicht. »Muss ich dich wirklich festbinden? Oder bleibst du jetzt endlich liegen?« Er beugte sich zu mir runter, so dass er schon wieder so nah war und wartete auf eine Antwort. Ich starrte ihn geschockt an. Hatte er wirklich vor, mich anzubinden? Wollte er mich hier einsperren? »Geraldin, ich will doch nur, dass du dich wieder erholst. Ich rufe jetzt gleich bei dir in der Firma an und kläre alles mit deinem Chef. Aber bitte … ruh dich heute hier aus.« Er streckte seine Hand aus und strich mir meine Haare aus meinem Gesicht, danach ließ er seine Fingerspitzen vorsichtig über meine Wange gleiten. Diese Berührung erzeugte bei mir eine Gänsehaut und ein Kribbeln. Ich starrte ihn immer noch an. Er zog seine Hand so schnell weg, als hätte er sich verbrannt und räusperte sich. Danach stand er auf und trat ein paar Schritte zurück, wobei ich ihn nicht aus den Augen ließ. Sein Verhalten war sehr merkwürdig. »Also, haben wir das jetzt geklärt und du bleibst liegen?«, fragte er dann sanfter.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Liegen bleiben und ihm vertrauen, dass er das mit meinem Chef klärte oder wieder aufstehen? Ich wollte jedenfalls nicht austesten, ob er mich wirklich festbinden würde, denn irgendwie traute ich ihm das zu. Also nickte ich und stammelte ein leises »Okay«.

Sein Gesicht entspannte sich etwas. »Carla, meine Haushälterin, wird dir was zum Frühstück bringen! Ich fahre gleich in die Firma und regle alles mit deinem Chef«, sagte er, hielt an der Tür noch mal kurz an, als wollte er mir noch etwas erklären, aber dann nickte er mir nur kurz zu und verschwand.

Ich atmete aus. Wieso gelang es mir immer wieder, mich in solche blöden Situationen zu bringen? Ich würde auf keinen Fall lange hier liegen bleiben. Ich nahm mir vor, etwas zu warten und dann aus diesem Haus zu verschwinden.

Nach kurzer Zeit klopfte es leise an die Tür. Ich konnte mir schon denken, dass es seine Haushälterin war. Sie stellte mir ein Tablett mit allen möglichen Köstlichkeiten neben das Bett und erkundigte sich nach meinem Befinden. Außerdem gratulierte sie mir zur Verlobung. Und erzählte mir, dass sie sich sehr freute, mich hier zu haben. Sie fragte mich auch gleich noch, was ich gerne zum Mittag essen wollte. Ich bedankte mich und erklärte ihr, dass ich keinen großen Hunger hätte und mir das Frühstück allemal reichen würde. Sie nickte mir freundlich zu und bat mich, ihr Bescheid zu sagen, wenn ich irgendeinen Wunsch hätte. Ich bedankte mich noch mal, und nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, fluchte ich leise vor mich hin. Jetzt war ich schon genauso eine Lügnerin wie Maximilian. Aber ich sah nicht ein, warum ich seiner Haushälterin die Wahrheit sagen sollte. Immerhin war alles nur seine Schuld.

Ich lief in das Bad und fand zum Glück meine Kleider. Nachdem ich mich angezogen und meine Wange inspiziert hatte, überlegte ich, wie ich es anstellen sollte, unbemerkt aus dem Haus zu kommen. Außerdem wusste ich nicht, wo sich meine Tasche befand. Aber zur Not würde ich sie hierlassen und Victoria später schicken, um sie zu holen. Sie würde Maximilian die Hölle heiß machen, dessen war ich mir sicher. Verdient hätte er es.

Maximilian

»Max, ich bin schon in Heathrow, und warte auf meinen Flieger.« Steven gähnte in den Hörer. »Ich komme circa zwölf Uhr an.«

»Ja … gut …«

»Alles klar bei dir? Du hörst dich so seltsam an? Hattest wohl eine stressige Nacht?«

»Steven, ich muss dir dringend was erzählen. Ich hab’s getan, ich bin verlobt«, sagte ich schnell und wartete auf seine Reaktion.