Fast verheiratet - Lilith & Alex - Sandra Duminuco - E-Book

Fast verheiratet - Lilith & Alex E-Book

Sandra Duminuco

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Beschreibung

Sie hat vor Jahren sein Herz gebrochen. Kann er ihr verzeihen oder spielt er nur mit ihren Gefühlen? Liliths Leben ist ein absoluter Albtraum. Ihr Ehemann betrügt sie mit seiner Sekretärin und will sie nun auch noch aus dem gemeinsamen Haus werfen. Doch für ihren kleinen Sohn muss sie stark sein. Nach einer Party trifft Lilith zufällig auf ihren Ex-Verlobten Alexander und muss sich eingestehen, dass sie ihn nie wirklich vergessen konnte. Blöd nur, dass sie ihm vor ihrer Hochzeit das Herz gebrochen hat und er seitdem nichts mehr von ihr wissen will. Oder doch? Als sie Alex erzählt, dass ihre Ehe vor dem Aus steht, kommen die beiden sich wieder näher. Aber reichen Alex' Gefühle für Lilith oder sitzt der Schmerz zu tief? Von Sandra Duminuco sind bei Forever by Ullstein erschienen: Fast verlobt Fast verheiratet

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Seitenzahl: 440

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Fast verheiratet - Lilith & Alex

Die Autorin

Sandra Duminuco, geboren 1976, lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Westthüringen. Hauptberuflich arbeitet sie im Einzelhandel. Mit der Veröffentlichung ihres ersten Romans hat sie sich einen Traum erfüllt. Die besten Ideen hat die Autorin abends und nachts, mit einem guten Glas Wein und manchmal auch einer Tafel Schokolade.

Das Buch

Sie hat vor Jahren sein Herz gebrochen. Kann er ihr verzeihen oder spielt er nur mit ihren Gefühlen?

Liliths Leben ist ein absoluter Albtraum. Ihr Ehemann betrügt sie mit seiner Sekretärin und will sie nun auch noch aus dem gemeinsamen Haus werfen. Doch für ihren kleinen Sohn muss sie stark sein. Nach einer Party trifft Lilith zufällig auf ihren Ex-Verlobten Alexander und muss sich eingestehen, dass sie ihn nie wirklich vergessen konnte. Blöd nur, dass sie ihm vor ihrer Hochzeit das Herz gebrochen hat und er seitdem nichts mehr von ihr wissen will. Oder doch? Als sie Alex erzählt, dass ihre Ehe vor dem Aus steht, kommen die beiden sich wieder näher. Aber reichen Alex‘ Gefühle für Lilith oder sitzt der Schmerz zu tief?

Von Sandra Duminuco sind bei Forever by Ullstein erschienen:Fast verlobtFast verheiratet

Sandra Duminuco

Fast verheiratet - Lilith & Alex

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinOktober 2018 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-383-4

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Leseprobe: Fast verlobt

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Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Prolog

Alexander

»Jetzt bin ich das Arschloch.« Ich legte mir die Tüte mit den gefrorenen Erbsen auf meine angeschwollene Gesichtshälfte. Meine sonst so weichen braunen Haare klebten ein wenig an meiner Stirn.

»Sag mal, bist du eigentlich bescheuert?«, schrie mich Marc, mein kleiner Bruder, an, während er vor mir hin und her lief. »Die Alte …«

»Lilith!«, unterbrach ich ihn schroff. »Ihr Name ist Lilith.« Ich schmiss die Tüte mit den Erbsen neben mir auf den Tisch und tastete vorsichtig über meinen Nasenrücken, weil es sich so anfühlte, als wäre meine Nase dreimal so groß wie sonst. Hoffentlich war nichts gebrochen.

Marc blieb stehen. »Also nochmal von vorne.« Kopfschüttelnd stützte er sich mir gegenüber mit seinen Händen auf den Tisch. »Die Alte!« Er betonte es extra. »Betrügt dich mit einem anderen, und du nimmst alles auf dich? Wenn du mich fragst, hast du sie nicht mehr alle.«

Er hatte ja recht, aber jetzt war sowieso alles egal. »Männern verzeiht man Seitensprünge leichter.«

»Was hat das damit zu tun, Alex? Sie hat mit einem anderen geschlafen, obwohl sie dich angeblich so liebt? Ihr wolltet in ein paar Wochen heiraten. Wieso nimmst du sie in Schutz?«

»Keine Ahnung. Weil ich sie trotzdem noch liebe.« Genau, ich liebte Lilith, obwohl sie mir gerade mein Herz aus der Brust gerissen hatte. Ich liebte ihre funkelnden blauen Augen, wenn sie sich auf etwas freute. Ich liebte es, wie sie sich eine ihrer langen blonden Haarsträhnen hinters Ohr klemmte, wenn sie nachdachte.

Als ich vorhin nach Hause gekommen war, wusste ich sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Zuerst hatte ich vermutet, etwas bei den Hochzeitsvorbereitungen sei schiefgelaufen. Ich Idiot hatte sie auch noch in meine Arme gezogen und ihr versichert, dass alles wieder gut werden würde. Doch dann versicherte sie mir tausendmal, dass es ihr leidtäte, und ich wurde stutzig. Alles, was ich dann noch mitbekam, waren Worte wie »anderer Typ«, »zu viel Alkohol« und wieder und wieder, dass es ihr leidtäte. Ich hörte ihr zu und spürte, wie in mir etwas zerbrach. »Egal, es ist vorbei.«

Marc nickte. »Es tut mir leid Alex, ich weiß, wie viel sie dir bedeutet«, sagte er jetzt etwas ruhiger und setzte sich endlich auf einen der Stühle.

Ein bis zwei Wochen, dann konnte ich hier alles geregelt haben. Dann wäre ich hier verschwunden. Eigentlich hatte ich mir meine Zukunft anders vorgestellt. In ein paar Wochen hätten Lilith und ich geheiratet. Nach der Hochzeit wollte sie mit mir nach New York ziehen. Wir wollten Kinder, unsere eigene kleine Familie gründen. Scheiße!

»Ich werde schon eher nach New York fliegen«, erklärte ich meinem Bruder, während ich nach meinem Telefon suchte. »Ich will ihr nicht mehr über den Weg laufen.« Ich scrollte durch meine Telefonliste und suchte nach der Nummer unserer Hochzeitsplanerin, damit ich die Feier absagen konnte.

Lilith

Scheiße! Warum konnte ich nicht einfach die Zeit zurückdrehen? Ich hatte mein Leben, meine Liebe und meine Zukunft versaut. Wäre ich nur nie zu dieser blöden Party gegangen. Eine meiner angeblichen Freundinnen hatte mich an diesem Abend immer und immer wieder damit aufgezogen, dass ich mein Leben nie richtig gelebt hatte und dass es viel zu früh wäre, sich für immer und ewig an einen Mann zu binden. Wir hatten uns fürchterlich gestritten. Ich war so wütend auf sie gewesen und hatte meinen Frust im Alkohol ertränkt. Dabei hatte ich diesen Typ kennengelernt. Ich hatte ihm von dem Streit erzählt und mit ihm zusammen noch mehr getrunken. Das nächste an was ich mich erinnern konnte, war, wie wir zusammen auf einem Bett landeten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich in meinem alkoholisierten Zustand nicht realisiert, was für einen Fehler ich gemacht hatte. Erst als er das Kondom auf den Boden warf und sich für den Fick bedankte, wurde mir das bewusst. Ich hatte mich fürchterlich übergeben und wusste, dass ich totale Scheiße gebaut hatte. Und das nur, weil ich wissen wollte, wie es sich anfühlte, von einem anderen Mann berührt zu werden. Warum hatte ich das nur getan? Am schlimmsten war Alexanders Reaktion gewesen. Ich hatte gedacht, dass er mich anschreien und ausflippen würde. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass er mich so ansah, wie er es heute getan hatte. Voller Abscheu. In diesem Moment wusste ich, dass ich ihn für immer verloren hatte.

Ich wischte mir erneut die Tränen von der Wange und sah aus dem Fenster. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihm von meinem Ausrutscher zu erzählen. Aber ich halte es nun einmal mit der Ehrlichkeit. Vertrauen ist das Grundgerüst einer Beziehung.

»Wie geht’s dir?«, fragte mein Bruder Maximilian und sah mich besorgt an.

»Musstest du so fest zuschlagen?«, fragte ich leise und versuchte das Bild aus meinem Kopf zu bekommen. Maximilian und Alexanders Bruder Marc hatten eigentlich mit uns Abendessen gehen wollen und waren etwas früher zu uns gekommen. Sie hatten gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmte. Maximilian fragte als erster. Zu meiner Überraschung erzählte Alexander, dass wir die Hochzeit absagten, weil er mich betrogen habe, und von diesem Moment an geriet alles außer Kontrolle. Maximilian beschimpfte Alexander aufs Schlimmste, während ich die ganze Zeit wartete, dass Alexander sich verteidigte. Oder meinem Bruder doch noch die Wahrheit sagte. Aber nein, ganz ruhig behauptete er, dass er eine andere kennengelernt hätte und mit ihr zusammen gewesen war.

Das war zu viel für Maximilian, er stürzte sich auf Alexander und schlug auf ihn ein. Es war Marc, Alexanders Bruder, der die beiden auseinanderzog und uns schließlich aus dem Haus warf.

»Machst du mir gerade Vorwürfe, dass ich dich verteidigt habe?«, fragte Max entrüstet.

»Vielleicht hast du ihm die Nase gebrochen«, meinte ich besorgt. Was, wenn Alexander schlimm verletzt war? Meine Sorge trieb mir weitere Tränen in die Augen. Ich konnte überhaupt nicht aufhören zu weinen. Kein Wunder, ich hatte totalen Mist gebaut. Und jetzt musste ich mit den Konsequenzen leben. Ich hatte Alexander für immer verloren. Den Mann, den ich über alles liebte und den ich in ein paar Wochen hatte heiraten wollen.

»Am liebsten hätte ich ihm noch was Anderes gebrochen.«

»Max …«

»Tut mir leid. Am besten bleibst du erst mal bei mir. Ich glaube, du solltest dich etwas beruhigen, bevor du es den anderen erzählst.«

»Danke.« Die Fürsorge meiner Mutter würde mich im Moment umbringen.

»Kein Problem, bleib, so lange du willst. Ich habe genug Platz.«

Kapitel 1

Sechs Jahre später

Lilith

Alexander war wieder da. Immer und immer wieder ließ ich mir Maximilians Worte durch den Kopf gehen. »Meine Ex-Verlobte ist jetzt mit deinem Ex-Verlobten zusammen, und so wie es aussieht, ist sie schon bei ihm eingezogen.«

Konnte ich mich so in Geraldin getäuscht haben? Ich wusste, dass mein Bruder manchmal schwierig sein konnte und dass er nicht gerade für Beziehungen geschaffen war. Na ja, bis Geraldin kam. Ich erinnerte mich noch genau an den Abend, an dem mein Vater mich angerufen hatte.

»Lilith, du wirst das jetzt nicht glauben, aber es ist wirklich wahr. Maximilian hat sich verlobt!«

Zuerst dachte ich, er wolle mich veralbern. Allerdings hörte sich seine Stimme so glücklich an, dass es einfach wahr sein musste. Unser Vater hatte sich so oft gewünscht, dass Maximilian endlich eine Frau kennenlernte, mit der er sein Leben verbringen wollte.

Anfangs war ich sehr vorsichtig, denn ich hatte ein paar von Maximilians Freundinnen kennengelernt. Wobei man sie eigentlich nicht so nennen konnte. Für ihn waren es nur Bekanntschaften mit gewissen Vorzügen gewesen. Ich war mir sicher, dass einige der Schönheiten sich mehr erhofft hatten, Maximilian wollte jedoch immer nur seinen Spaß. Dann kam Geraldin. Er hatte uns zuvor noch nie eine Freundin vorgestellt, geschweige denn sie zu einem Familienessen mitgebracht. Ich war sofort von ihr begeistert gewesen. Sie war so anders als die Frauen, mit denen Max sich sonst immer abgegeben hatte.

In Gedanken versunken rührte ich meinen Latte Macchiato um, der inzwischen kalt geworden war. Genervt schob ich das Glas zur Seite und zog die Zeitschrift heran, die ich auf dem Heimweg gekauft hatte. Auf den Bildern, die Geraldin und Alexander zusammen zeigten, wirkten die beiden sehr vertraut. Eines war offensichtlich in einem Restaurant aufgenommen worden, und Alexander hielt Geraldins Hände in seinen. Auf einer anderen Aufnahme liefen sie Arm in Arm durch eine Straße. Sie wirkten wie zwei Verliebte. Allein der Anblick von Alexander erzeugte bei mir eine Gänsehaut.

Wenn ich ihn mit meinem Mann vergleichen müsste, dann wäre Etienne ein leichter Windhauch und Alexander ein Wirbelsturm. Etienne war etwas kleiner als Alexander und weniger muskulös. Er kleidete sich stets ordentlich, besaß jedoch nicht Alexanders Stilsicherheit. Etienne wirkte auf Unbekannte auf den ersten Blick sympathisch, während Alexander die Menschen mit einem Lächeln in seinen Bann ziehen konnte. Okay, das war unfair gegenüber meinem Ehemann. Obwohl, vielleicht doch nicht, er war eben bodenständig und arbeitete viel. Manchmal bis spät in die Nacht. So war auch die Geschichte mit seiner Sekretärin entstanden.

Ich beugte mich etwas weiter über die Fotos und versuchte anhand von Alexanders Gesichtsausdruck herauszufinden, was er empfand. Ich kannte ihn ziemlich gut und wusste, wie er in gewissen Situationen aussah. Auf dem Foto in dem Restaurant wirkte es, als würde er Geraldin trösten. Aber weshalb?

Alle möglichen Ideen schossen mir durch den Kopf. Ich sah zu dem anderen Bild, auf dem er einen Arm um ihre Schulter gelegt hatte und sie durch irgendeine Straße spazierten. Auf diesem Foto wirkten sie wie ein Liebespaar. Verdammt! Ich dachte, sie wäre die Richtige für meinen Bruder. Ich kaute auf meinem Daumennagel und überlegte, ob ich die beiden zur Rede stellen sollte. Maximilian war verliebt. Vielleicht sogar zum ersten Mal in seinem Leben. Warum tat sie ihm so weh? Er hatte mich damals, nach dem Aus mit Alexander, verteidigt und immer zu mir gehalten. Sollte ich mich jetzt einmischen und mit Geraldin reden?

Irgendwie konnte ich das alles nicht glauben, Alexander war nicht der Typ, der sich in Beziehungen einmischte. Auf der anderen Seite hatte ich Alexander schon mehrere Jahre nicht mehr gesehen. Vielleicht hatte er sich verändert.

Mit zitternden Fingern drückte ich auf den Knopf neben dem Namen Hendrix und wartete kurz, bevor ich mich umdrehte und zurück zur Treppe lief. Was machte ich hier eigentlich? Tat ich das für Maximilian und Geraldin oder tat ich das für mich? Mist! Es war doch keine gute Idee. Ich sollte hier verschwinden.

Ich war schon ein paar Stufen hinuntergelaufen, als sich die Tür hinter mir öffnete. »Lilith?«

Ich schloss kurz meine Augen, bevor ich mich dann doch umdrehte und zu Geraldin sah, die mich verwundert anschaute.

»Hallo.« Ich räusperte mich. »Entschuldige, ich hätte dich vorher anrufen sollen.«

»Kein Problem.« Sie versuchte zu lächeln. »Möchtest du vielleicht reinkommen?«

Ich sah die Traurigkeit in ihrem Blick. Um mein Herz wurde es etwas leichter, denn in dem Moment wurde mir klar, dass ich mich nicht in Geraldin getäuscht hatte. »Ich wollte nicht stören.«

Sie schüttelte ihren Kopf. »Du störst mich nicht, ich wollte dich sowieso noch anrufen«, erklärte sie mir und wartete, bis ich in der Wohnung stand.

Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, nahm ich sie in die Arme. »Wie geht’s dir denn?«

Sie atmete tief durch und ich bemerkte, wie sie mit den Tränen kämpfte. »Ehrlich gesagt, ging es mir schon mal besser.«

Ich sah sie an und strich ihr über die Wange. »Ja, du siehst ziemlich fertig aus. Genau wie Max.«

Geraldin schnaubte verbittert. »Das glaube ich kaum. Du hättest ihn mal erleben sollen. Er war nicht gerade sehr nett, und als er mir die Bilder zeigt, ist er so richtig ausgeflippt. Er hat sie dir bestimmt ebenfalls gezeigt – die Fotos aus dieser Zeitschrift?«

»Ja.« Ich nickte und folgte ihr in den Wohnbereich. Die Wohnung sah super aus. Alexander hatte immer schon ein Händchen gehabt, Räume in Szene zu setzten. Es war sein Traum gewesen, Räume oder Häuser zu gestalten. Natürlich hatte ich heimlich seine Karriere in den Medien verfolgt. Er hatte viele Preise gewonnen und war sehr erfolgreich. Er arbeitete mit seinem Bruder Marc in der Firma, die sein Vater aufgebaut hatte. Sie kauften alte Gebäude, renovierten sie und ließen sie in neuem Glanz erstrahlen. Sie waren damit so erfolgreich, dass sie auf der ganzen Welt Zweigstellen betrieben. Alexander hatte sich damals entschieden, die Leitung der Firma in den USA zu übernehmen, ob sich das inzwischen geändert hatte, wusste ich nicht. Marc kümmerte sich zusammen mit ihrem Vater um den europäischen Markt.

Geraldin wischte sich über die Wange. »Alexander wollte mir nur helfen. Wir haben uns einen Laden angesehen, der mich interessiert hat. Für meine Kunstbar«, fügte sie hinzu und setzte sich auf das große Sofa.

Also war Alexander deswegen mit ihr unterwegs gewesen. Ich wusste, dass es Geraldins größter Traum war, ihre eigene Kunstbar zu eröffnen, in der unbekannte Künstler ihre Werke ausstellen und sie ihre Gäste mit kleinen Köstlichkeiten verwöhnen konnte. Ich setzte mich neben sie. »Und dabei hat euch jemand fotografiert?«

Geraldin nickte. »Ja, wir haben das überhaupt nicht bemerkt. Alex hat es nicht verdient, dass so etwas über ihn geschrieben wird, er wollte mir doch nur helfen. Aber Maximilian hat das total falsch verstanden und ist völlig ausgeflippt. Er vertraut mir nicht«, sagte sie traurig.

»Er liebt dich!«, verteidigte ich meinen Bruder.

»Nein! Das glaube ich nicht.«

Ich nahm ihre Hand und setzte mich näher zu ihr. »Doch, das musst du mir glauben. Maximilian hatte noch nicht viele feste Beziehungen. Wenn ich mich recht erinnere, dann gab es da nur eine. Aber ich habe ihn mit dir erlebt. Du hast ihn verändert, Geraldin. Er sitzt zu Hause wie ein Häufchen Elend. Bitte gib ihn noch nicht auf.«

Geraldin wischte sich die Tränen von ihrer Wange. »Ich bedeute ihm nichts, sonst hätte er sich doch bestimmt längst gemeldet.«

Ich lachte kurz auf. »Wir reden über Maximilian. Bisher waren die Frauen, mit denen er sich getroffen hat, oberflächlich und nur hinter seinem Geld her. Du bist anders, und ich denke, dass er Angst vor dem hat, was er für dich empfindet. Außerdem verliert er nicht gerne. Sein Ego steht ihm im Weg.«

Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, was mich freute. Ich mochte sie und hoffte, dass sie irgendwann doch noch meine Schwägerin werden würde.

»Wie geht es dir eigentlich? Hat dein Ehemann immer noch etwas mit seiner Sekretärin?«

Ich atmete tief durch. »Ja, sie ist inzwischen sehr oft bei uns und verbringt Zeit mit Etienne. Im Grunde ist daran nichts Falsches, schließlich sind wir getrennt, auch wenn wir noch nicht geschieden sind. Trotzdem fühle ich mich seltsam dabei.«

»Oh Gott!«

»Ich kann diese Frau nicht ertragen. Wenn du wüsstest, wie oft ich schon versucht habe, mit Etienne zu reden, damit wir eine Lösung finden, wie wir vielleicht freundschaftlich auseinandergehen können. Doch mir kommt es so vor, als würde Annabel das verhindern. Dabei denke ich doch vor allem an Jamie.«

»Das tut mir leid. Wie geht es Jamie damit?«

»Komischerweise findet er es nicht so schlimm, dass sein Papa keine Zeit für ihn hat.«

»Und du? Vermisst du Etienne?«

Darüber brauchte ich nicht lange nachzudenken. »Nein. Ich finde es nur schade für Jamie. Ich wollte, dass er in einer glücklichen Familie aufwächst. Aber leider habe ich das nicht hinbekommen.«

»Du gibst doch nicht dir die Schuld dafür?«

»Vielleicht ein bisschen.«

»Lilith, er hat dich verlassen und lässt auch noch zu, dass diese Frau sich in euer Leben einmischt. Das ist schon dreist genug. Vor allem, wenn sein kleiner Sohn das auch noch mitbekommt.«

»Wenn du es so sagst, hast du natürlich recht. Aber ich habe nicht wirklich um diese Beziehung gekämpft. Ich wollte nur, dass wir Freunde bleiben. Für unseren Sohn.«

»Hm«, murmelte sie nachdenklich.

Ich sah auf die Uhr, es war schon ziemlich spät. »Ich sollte mich besser wieder auf den Weg machen.«

»Nein, bleib doch noch.«

»Eigentlich gerne, aber ich muss Jamie abholen. Er ist bei seinem Freund zum Geburtstag. Und außerdem will ich … Alexander nicht begegnen.«

»Keine Sorge, er ist in Mailand und kommt erst in ein paar Tagen zurück.« Geraldin huschte wieder ein kleines Lächeln übers Gesicht. »Vielleicht würde er sich ja sogar freuen, dich zu sehen.«

Ich schüttelte meinen Kopf. »Das glaube ich weniger.«

»Wann hast du ihn denn das letzte Mal gesehen?«

»Vor knapp sechs Jahren, als Maximilian seine Faust in Alexanders Gesicht gerammt hat.«

»Oh Gott! Und du hast ihn danach nie wieder getroffen?«

»Nein! Ich habe ihn sehr verletzt und glaube nicht, dass er mich jemals wiedersehen will.«

Geraldin runzelte ihre Stirn. »Was machst du am Freitagabend?«

»Eigentlich nichts, Jamie verbringt das Wochenende bei Etiennes Eltern.«

»Sehr gut. Victoria, meine beste Freundin, kommt vorbei, und es wäre schön, wenn du ebenfalls kommen würdest. Ich habe ihr schon viel von dir erzählt, und sie will dich unbedingt kennenlernen. Wir wollen uns einen gemütlichen DVD-Abend machen.«

»Ja, das wäre eine nette Abwechslung.«

Wir standen auf und liefen zur Tür, wo wir uns zum Abschied umarmten.

»Danke, dass du vorbeigekommen bist.«

»Ich habe mich gefreut, dich zu sehen. Dann bis Freitag.«

Ich lief zu meinem Auto und war froh, dass ich mich nicht in ihr getäuscht hatte.

Kapitel 2

Alexander

Ich sammelte meine Unterlagen ein und steckte sie zurück in meine Tasche. Unsere Firma hatte sich für einen ziemlich großen Auftrag beworben, bei dem wir jetzt schon in der engeren Auswahl waren – es ging um ein Millionengeschäft, das wir unbedingt an Land ziehen wollten. Im Falle einer Zusage müsste ich New York verlassen, was mich allerdings nicht weiter störte. In letzter Zeit vermisste ich ab und an meine Heimat und vor allem meine Familie.

Zuletzt legte ich meinen Laptop in den Koffer und sah zu meinem Bruder, der mit einem der Auftraggeber sprach. Ich musste schmunzeln. Er wollte unbedingt herausfinden, welche anderen Firmen noch im Rennen waren. Wenn wir diesen Auftrag bekämen, würden wir zum ersten Mal, direkt zusammenarbeiten. Bisher hatte jeder von uns sein eigenes Team geleitet. Bei einem so großen Projekt würden wir uns jedoch zusammentun. Ich war stolz auf meinen kleinen Bruder und hoffte wirklich, dass es klappte. Seitdem ich in New York lebte, sahen wir uns viel zu selten.

Ich nahm meine Sachen und ging zu Marc, der sich immer noch mit den Auftraggebern unterhielt.

»Signori, grazie per aver dedicato tempo a noi. Dovresti avere ancora qualche domanda per favore chiamaci«, sagte ich zum Abschied.

Die drei Herren nickten uns freudestrahlend an und wir schüttelten uns die Hände. Ich lief mit Marc zum Fahrstuhl. Nachdem sich die Türen geschlossen hatten, drehte sich Marc zu mir. »Was hast du zu ihnen gesagt?«

»Ich habe mich bedankt, dass sie sich Zeit für uns genommen haben. Und dass sie sich jederzeit bei uns melden können, wenn sie noch Fragen haben.«

»Seit wann sprichst du Italienisch?«, fragte er verwundert.

»Schon eine ganze Zeit lang. Ich habe in New York viele Kunden aus Italien gehabt.«

»Du hättest mir das sagen können.«

»Bist du jetzt beleidigt?« Ich musste lachen und schob den Gurt meiner Tasche über meine Schulter.

Unten angekommen empfing uns der Fahrer, der uns vor ein paar Tagen vom Flughafen abgeholt hatte. »Meine Herren, wo darf ich Sie hinfahren?«

»Zum Flughafen.«

»Sehr gerne.«

Wir folgten ihm. Er war sicher ein persönlicher Fahrer von einem der Auftraggeber. Ich bedankte mich, als er mir die Tür aufhielt, und stieg in den Wagen. Marc machte es sich ebenfalls bequem.

»Das ist doch ganz gut gelaufen«, sagte mein Bruder, während der Fahrer um die Limousine lief.

»Das glaube ich auch. Unsere Vorschläge schienen sie sehr zu interessieren. Hast du herausbekommen, wer noch mit im Rennen ist?«

Marc schüttelte seinen Kopf. »Nein, verdammt.«

»Na ja, wir werden es bald erfahren.« Ich sah zu meinem Bruder, der sich weiterhin darüber ärgerte und den Kopf zerbrach, obwohl es im Grunde genommen natürlich keine Rolle spielte, wenn wir es wüssten. Die Konkurrenz würde uns sicher nicht in ihre Pläne einweihen.

»Ja hoffentlich«, seufzte Marc und strich sich durch die Haare. »Wann musst du zurück nach New York?«

»Weiß ich noch nicht genau, warum?«

»Komm doch noch ein paar Tage mit nach London. Wir haben schon lange nichts mehr zusammen unternommen.«

Ich musste lachen. »Früher, als wir noch Kinder waren, haben wir was zusammen unternommen. Wenn ich jetzt mit dir weggehe, endet es meistens in einem Saufgelage oder mit einer Frau in meinem Bett, die ich nicht wieder loswerde.«

»Klingt doch lustig.« Marc grinste und setzte sich die Sonnenbrille auf. »Also, Lust auf ein Saufgelage? Jace würde sich freuen, seinen besten Freund mal wieder zu sehen.«

»Ja, klingt wirklich nach Spaß, aber ich kann nicht. Ich muss mich noch um etwas kümmern oder besser um jemanden, der im Moment bei mir wohnt.«

»Du hast also Frauenbesuch und mir nichts davon gesagt. Ist es was Ernstes?« Marc setzte seine Sonnenbrille wieder ab und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Nein, sie ist eine Freundin … sowas wie eine kleine Schwester«, fügte ich hinzu, weil mein Bruder mich ungläubig anschaute.

»Wie eine Schwester? Das hört sich so an, als hättest du sie irgendwo gerettet.« Marc lachte.

»So ist es irgendwie auch gewesen. Ich habe Geraldin vor einer Dummheit bewahrt. An der ich vielleicht nicht ganz unschuldig bin.«

»Ah, also Geraldin. So langsam werde ich neugierig, wie sieht sie denn aus? Und wenn sie ab jetzt deine Schwester ist, kann ich sie dann mal treffen?« Er grinste und drehte sich noch weiter zu mir.

Was für ein Spinner. »Nein, du Arsch! Außerdem ist sie verlobt.«

»Verlobt … mit wem denn?«

»Maximilian Bergström«, sagte ich und wartete auf seine Reaktion.

»Maximilian ist verlobt? Bist du dir sicher?«

»Ja!«, knurrte ich – sprach ich Chinesisch?

»Das wird ja immer besser, und wie kommt es, dass seine Verlobte bei dir wohnt?«

Ich stöhnte, seit wann war er so neugierig? Hm, gut, eigentlich schon immer. Mein nerviger kleiner Bruder. »Kannst du dich an Tylers Party erinnern, wo du mich mit Jace hingeschleppt hast?« Marc nickte. »Also, da habe ich Geraldin kennengelernt. Sie hatte genauso wenig Lust auf diese Party wie ich, und so sind wir ins Gespräch gekommen. Wir tranken etwas zusammen und sie erzählte mir ein bisschen was über sich, unter anderem, dass sie mit Max verlobt ist. Was ich anfangs gar nicht glauben wollte, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass Max tatsächlich vorhaben könnte sich zu binden und dann auch noch mit so einer tollen Frau wie Geraldin. Denn glaube mir, sie ist ganz anders als die Frauen, mit denen ich Max sonst gesehen habe.«

»Okay, das erklärt aber immer noch nicht, warum sie jetzt bei dir wohnt.«

Ich seufzte. »Ein paar Tage später traf ich sie wieder und rettete sie aus einer prekären Situation. Sie war mit ihrer Freundin in einem Klub. Ihr Exfreund hat sie belästigt und ich bin dazwischen gegangen, weil dieser Arsch sie richtig bedrängt hat. Danach habe ich sie nach Hause gefahren und sie erzählte mir, dass sie einen Laden für die Kunstbar gefunden hatte, die sie gerne eröffnen wollte. Ich bot ihr an, mir den Laden mal anzuschauen. Sie ist sehr ehrgeizig, und das hat mir imponiert. Also war ich mit ihr dort und habe mir das alte Café angesehen.«

»Sie will eine Kunstbar eröffnen? Cool.«

»Fand ich auch, aber leider war der Laden, den sie gefunden hat, zu alt und runtergekommen. Im Anschluss sind wir essen gegangen, und ich sagte ihr meine Meinung über das Café. Dabei hat uns ein Fotograf erwischt.«

Marc schnaubte. »Es gibt Fotos von euch beiden in einer Zeitschrift?«

»Ja! Händchenhaltend und Arm in Arm laufend.«

Marc lachte, er fand das anscheinend total lustig. »Deine Schwester! Willst du mich verarschen? Hat Max die Bilder gesehen?«

Ich nickte und ärgerte mich, dass ich ihm überhaupt davon erzählt hatte.

»Hammer!«

»Hörst du mir eigentlich zu? Ich habe ihr geholfen. Sie liebt Max. Doch der hat die Fotos falsch interpretiert und ist ausgeflippt. Ich wollte sie noch warnen, aber da war es schon zu spät.«

»Und dann?«

»Sie wollte ihn verlassen. Das fand ich zu überstürzt und bot ihr an, vorerst bei mir zu wohnen. Die beiden gehören zusammen – egal wie sauer sie im Moment aufeinander sind.«

»Also, ich habe es mir überlegt. Ich komme mit zu dir.«

»Was? Warum?«

»Ich will sie kennenlernen.«

»Vergiss es, du wirst nach London fliegen.«

»Auf keinen Fall. Ich verbringe mein freies Wochenende bei dir.« Er freute sich offensichtlich und lehnte sich zurück.

Na Prima, hätte ich nur nichts gesagt.

Lilith

»Wo ist Jamie?«, fragte Etienne, nachdem er die Küche betreten hatte.

Ich sah kurz auf und packte noch ein paar Plätzchen ein, die ich gestern zusammen mit meinem Sohn gebacken hatte. »Er ist oben und sucht sich ein paar Spielsachen aus, die er mitnehmen möchte. Deine Eltern kommen gleich und holen ihn ab.«

»Gut, ich wollte kurz mit dir reden. Ich habe nicht viel Zeit und muss gleich wieder los«, sagte er und ging zum Kühlschrank.

Ich machte einen Knoten in die Tüte und legte die Plätzchen neben Jamies gepackte Reisetasche. »Über was willst du reden?«, fragte ich, während Etienne sich gerade aufregte, dass sein geliebtes Tonic Wasser leer war. Tja, vielleicht sollte er langsam lernen, selbst einkaufen zu gehen. Ich tat so, als hätte ich nichts gehört und legte einen frischen Schlafanzug in Jamies Tasche. Außerdem fragte ich mich, wo Etienne schon wieder so dringend hinwollte. Sicher zu seiner Geliebten – nichts und niemand sonst war so wichtig. Arschloch.

Er knallte die Kühlschranktür zu und kam zurück zum Tisch, auf dem seine Aktentasche lag. Er öffnete sie, nahm einen großen Umschlag heraus und schob ihn zu mir.

»Was ist das?«

»Ich will die Scheidung.«

Ich schaute ihn überrascht an und verschränkte meine Arme vor der Brust, damit ich meine Hände unter Kontrolle hatte. »Du willst die Scheidung?«, fragte ich leise und versuchte ruhig zu bleiben. Damit hatte ich nicht gerechnet. Zumindest nicht auf diese Art und Weise.

»Ja!« Er atmete tief durch und zeigte auf den Umschlag. »Ich war schon beim Anwalt und habe alles geregelt. Du bekommst pro Monat einen mehr als angemessenen Betrag, mit dem ihr, Jamie und du, sehr gut leben könnt.«

Ich schloss kurz meine Augen und zählte bis drei. Ich musste mich beherrschen, um ruhig zu bleiben. Ich wollte nicht, dass Jamie mitbekam, wie ich ausflippte. »Wäre es so schlimm gewesen, vorher mit mir zu reden?«

»Reden?« Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Mit dir kann man im Moment nicht reden. Alles, was ich mache, ist falsch. Ich habe mich darum gekümmert, dass du bei der Scheidung gut davonkommst.«

»Warte bitte mal kurz«, unterbrach ich ihn. »Soll ich mich jetzt auch noch bei dir bedanken? Wenn du ein richtiger Mann wärst, hättest du vorher mit mir gesprochen. Und es nicht hinter meinen Rücken getan.«

»Hör auf! Ich sage es dir im Guten, Lilith. Reiz mich nicht. Unterschreibe die Papiere und finde dich damit ab, dass ich mit Annabel zusammen bin. Außerdem möchte ich, dass Annabel hier einzieht.«

Ich hielt mich an der Tasche fest und schluckte schwer. Er wollte mich aus unserem Haus werfen? Seine Eltern hatten es uns zur Hochzeit geschenkt. Dachte er, dass es deswegen ihm gehörte? »Hast du bei dieser ganzen Sache auch mal an Jamie gedacht?«, fragte ich gereizt.

»Ich werde Jamie an den Wochenenden sehen, wenn ich nicht arbeite oder anderweitig beschäftigt bin. Ein Kind gehört zu seiner Mutter. Da du nicht arbeitest, kannst du dich besser um ihn kümmern. Das ist ebenfalls ein Punkt, den der Anwalt in den Papieren geregelt hat.«

Okay, jetzt war Schluss. Ich hatte mich lange genug zurückgehalten. »Du …«

»Mami, ich habe mir ganz viele Sachen ausgesucht.« Jamie kam vollbepackt in die Küche gerannt und hinderte mich so, Etienne meine Meinung zu sagen. Er lief zum Tisch und versuchte, seine mit verschiedenen Sachen beladenen Ärmchen hinauf zu hieven. Dabei fiel sein Lieblingsbär zu Boden. Ich sah zu, wie Etienne ihn aufhob und Jamie mit hochgezogenen Augenbrauen anschaute.

»Du schleppst den doch nicht mit zu deinen Großeltern? Bring den in dein Zimmer, du bist doch schon ein großer Junge.«

Jamie nahm seinen Bruno in die Arme und sah mich traurig an. Ich versuchte zu lächeln und ignorierte meinen Idioten von Ehemann. »Du kannst Bruno mitnehmen.« Jamie lächelte mich an und drückte sein Teddybär an seinen Körper.

»Verhätschle ihn ruhig weiter«, schnauzte Etienne mich an. »Ich muss los.« Ohne sich von Jamie zu verabschieden, schnappte er sich seine Tasche und lief aus der Küche.

So ein Arschloch. Jamie schien es nicht weiter zu stören. Ich ging zu ihm und kniete neben ihn. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie wütend und verzweifelt ich in diesem Moment war, und strich ihm die Haare aus dem Gesicht.

»Bruno wäre bestimmt traurig, wenn ich ihn alleine hierlassen würde«, erklärte er mir und sah zu seinem Kuscheltier, das nach all den Jahren ziemlich mitgenommen aussah. Jamie bewegte den Kopf des Teddybären vor und zurück, so als würde er nicken.

»Ja, mein Schatz.« Mehr bekam ich nicht raus. Etienne wusste nicht einmal, was dieser Teddybär Jamie bedeutete. Am liebsten hätte ich geschrien, um die angestaute Wut rauszulassen, aber das war keine Option. Nicht vor meinem kleinen Sohn. Ich stand auf und sah zu den anderen Sachen, die Jamie aus seinem Zimmer gebracht hatte. »Willst du das alles mitnehmen?«, fragte ich ihn und zeigte auf das Puzzle und die Autospielkarten.

Er nickte. »Ja, und meine Malbücher nehme ich auch mit.«

»Na gut, ich pack sie dir schnell ein.« Ich sah auf die Uhr. Es war schon fünf. »Ziehst du bitte deine Schuhe an?«

»Mach ich, Mami«, sagte er und rannte los. Kurz darauf klingelte es an der Haustür. »Ich mach auf«, rief er mir zu.

Ich zog den Reißverschluss der Tasche zu und folgte Jamie in den Eingangsbereich, wo Etiennes Eltern gerade Jamie begrüßten. Ich nahm Jamies Jacke von der Garderobe und reichte meinen Schwiegervater die Hand.

»Hallo Lilith, sind das Jamies Sachen?« Er zeigte auf die Tasche.

»Ja, ich hoffe ich habe nichts vergessen.« Ich reichte sie ihm und half Jamie die Jacke anzuziehen.

Meine Schwiegermutter strich Jamie über den Kopf. »Jamie, geh doch schon mal mit deinem Opa zum Auto.«

Jamie nickte und kam zu mir. »Tschüss Mami!«

Er umschlang mich mit seinen Ärmchen. Ich beugte mich zu ihm und gab ihm einen festen Kuss. »Mach’s gut mein Schatz. Ich habe dich ganz doll lieb.«

»Ich dich noch viel mehr«, sagte er fröhlich und lief zu seinem Großvater, der ihm die Hand entgegenhielt und mir kurz zuzwinkerte. Ich mochte Etiennes Vater. Er war ein sehr ruhiger und lieber Mensch. Im Gegensatz zu meiner Schwiegermutter, die bisher immer etwas an mir auszusetzten gehabt hatte. Mal sehen, was ich heute wieder falsch gemacht hatte.

Sie wartete, bis die Tür geschlossen war, und drehte sich dann zu mir. »Lilith, ich bin sehr enttäuscht von dir!«

Ich hob meine Augenbrauen und biss mir auf die Zunge. Sie konnte ja nicht wissen, dass ich kurz vorm Platzen war. »Du bist enttäuscht?« Ich atmete tief durch. »Darf ich erfahren, was jetzt wieder nicht zu deiner Zufriedenheit war?« Mir war egal, ob ich schnippisch klang, bald würde sie meine Ex-Schwiegermutter sein. Sollte sie doch mit Etiennes neuer Freundin glücklich werden. Ich würde sie auf jeden Fall nicht vermissen.

Sie schürzte ihre Lippen und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. » Glaube nur nicht, dass Etienne zu dir zurückkommt. Annabel hat mir erzählt, wie abschätzig du sie behandelst. Aber sie ist endlich die richtige Frau für Etienne. Ich habe ihm damals schon gesagt, dass du nicht zu ihm passt. Mein Sohn hat wirklich etwas Besseres verdient. Du denkst nur an dich. Kein Wunder, dass er sich eine neue Frau gesucht hat, die ihn anständig behandelt.«

»Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst!«, unterbrach ich sie. Was fiel ihr eigentlich ein? Ich hatte ihn nicht betrogen, ich hatte mich um alles gekümmert, damit er den Rücken frei hatte, um unsere Firma zu leiten, in der ich in jeder freien Minute sogar noch mitgearbeitet hatte. Ich hatte das Unternehmen mit Etienne zusammen aufgebaut, bis Jamie auf die Welt kam.

»Du wirst schon sehen, was du davon hast!«, fauchte sie mich an und lief hinaus.

Nachdem die Tür geschlossen war, ließ ich mich an der Wand heruntergleiten. War ich wirklich so schlimm? Tausend Gedanken wirbelten durch meinen Kopf. War ich eine schlechte Ehefrau? Nein. Ich hatte nichts falsch gemacht. Ich hatte so oft versucht mit Etienne zu reden – was er immer abgeblockt hatte. Er wollte unsere Beziehung nicht retten, für die ich so gekämpft hatte. Irgendwann hatte ich es schließlich aufgegeben und mich damit abgefunden, dass wir nur noch nebeneinander her lebten. Ich hatte Jamie und schenkte ihm meine ganze Aufmerksamkeit. Wenigstens als Mutter hatte ich nicht versagt.

Von irgendwo hörte ich mein Handy klingeln. Ich rappelte mich auf und lief in die Küche, wo das Klingeln lauter wurde. Als ich das Telefon gefunden hatte, war es verstummt. Ich schaltete es ein und sah, dass Geraldin mehrfach versucht hatte mich anzurufen.

Die Uhr zeigte kurz vor halb sechs. Ich sollte Geraldin absagen, denn heute wäre ich keine gute Gesellschaft und würde sie bestimmt noch mehr runterziehen. Ich wählte ihre Nummer und wartete kurz.

»Lilith, schön dass du zurückrufst. Es gibt eine kleine Planänderung.«

»Geraldin, ich kann nicht kommen.«

»Was? Aber ich brauche dich hier. Vic hat beschlossen in einen Klub zu gehen, um zu feiern. Sie ist ziemlich schlecht drauf«, flüsterte sie. Im Hintergrund hörte ich, wie eine Tür geschlossen wurde. »Sie hat sich mit ihrem Freund gestritten und ist ganz schön am Ende. Sie braucht etwas Ablenkung, aber alleine schaffe ich das nicht.«

Oh Mann, auf Party hatte ich überhaupt keine Lust. Gleichzeitig wollte ich Geraldin nicht enttäuschen.

Sie hatte mein Zögern bemerkt. »Lil, bitte, ich habe auch keine große Lust auf einen Klub. Aber vielleicht tut uns das ja ganz gut. Einfach mal abschalten und nur an uns denken. Ich weiß, dass Alkohol keine Lösung ist, vielleicht sollten wir es heute trotzdem mal probieren.« Sie lachte leise.

Ich atmete tief durch und überlegte kurz. Warum eigentlich nicht? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal betrunken gewesen war. »Ja, du hast recht. Ich mache mich gleich auf den Weg.«

Sie atmete erleichtert aus. »Du bist ein Schatz!«

Ich legte auf und dachte darüber nach, was ich anziehen sollte. Ich besaß so viele schöne Sachen, die ich nie getragen hatte. Etienne war nie mit mir ausgegangen, sodass ich irgendwann aufgehört hatte, mir schicke Kleider zu kaufen. Wofür auch?

Ich lief die breite Treppe nach oben, öffnete meinen Kleiderschrank und schob ein paar Kleiderbügel zur Seite. Dahinter kam eine zweite Ebene zum Vorschein, wo man sehr viel verstauen konnte. Hier hingen sie, all meine wirklich schönen Kleider. Weiter unten stapelten sich Kartons mit einigen meine Lieblingsschuhe, die mich allein vom Ansehen bereits glücklich machten. Ich kniete mich hinunter und suchte nach ein paar schwarzen Pumps von Valentino. Ich fand den Karton und zog ihn vorsichtig hervor. Leider nicht vorsichtig genug, denn gleich mehrere Kartons purzelten vor meine Füße. Heute war definitiv nicht mein Tag. Ich setzte mich auf den Boden und sortierte die Schuhe zurück in ihre Kartons. Nachdem sich alles an Ort und Stelle befand, nahm ich die schwarzen Pumps und strich vorsichtig über die goldenen Nieten, die um den Saum des Schuhs angebracht waren. Steven, Maximilians Freund und Geschäftspartner, hatte sie mir besorgt. Die würde ich heute anziehen. Dazu zog ich ein schwarzes Kleid vom Bügel und hielt es vor meinen Körper, während ich mich im Spiegel betrachtete. Das passte schon mal. Ich legte es aufs Bett und zog weitere Kleider von ihren Bügeln. Während ich überlegte, welches ich wählen sollte, kam mir eine Idee.

Ich verstaute einige Kleider in einem Kleidersack. Geraldin brauchte schließlich auch etwas Schönes zum Anziehen. Sie hatte bestimmt nicht viel mitnehmen können, als sie meinen Bruder fluchtartig verließ. Ich würde mich einfach bei ihr umziehen, sodass sie sich ebenfalls ein Kleid aussuchen konnte.

Mit einem etwas mulmigen Gefühl klingelte ich an der Tür. Geraldin hatte mir erzählt, dass Alexander ganz bestimmt nicht da sein würde. Trotzdem bekam ich beim Gedanken ihn wiederzusehen Herzrasen. Ich wusste nicht, wie er auf mich reagieren würde. Bestimmt würde er mich aus seiner Wohnung schmeißen.

»Lilith, schön, dass du gekommen bist«, begrüßte mich Geraldin und schloss mich in eine feste Umarmung. »Danke, dass du mich nicht alleine lässt«, flüsterte sie mir noch zu.

»Das ist doch Ehrensache«, flüsterte ich zurück und legte meinen Kleidersack auf eine Kommode.

»Oh, kommt schon.« Wir drehten uns gemeinsam zu der Stimme um. »Ich kann euch hören.« Ich erblickte eine junge Frau, die lachend von einem der Barhocker hüpfte. »Lasst uns heute auf die Männerwelt scheißen und unseren Spaß haben.« Sie schenkte Prosecco in ein frisches Glas.

»Lilith, das ist meine beste Freundin Victoria«, stellte Geraldin mir die junge Frau vor, die jetzt auf uns zukam.

»Hallo Lilith, wie schön, dich endlich mal kennenzulernen.« Sie umarmte mich und lächelte mich an.

Ich mochte sie sofort. Ihre Art gefiel mir. »Du brauchst also Abwechslung?«, fragte ich sie und musste grinsen.

Sie nickte und gab mir das Proseccoglas. »Unbedingt!«, seufzte sie. »Mein Freund ist ein Arsch, genau wie Maximilian. Wie steht’s bei dir?«, fragte sie mich und trank ihr Glas in einem Zug aus.

Ich sah zu Geraldin, die mich entschuldigend anblickte. »Mein Mann hat mir heute die Scheidungspapiere auf den Tisch geknallt und mir mehr oder weniger zu verstehen gegeben, dass seine Geliebte bei uns einziehen wird. In unser gemeinsames Haus.«

»Oh Lil, das tut mir leid.« Geraldin kam auf mich zu und umarmte mich kurz.

Victoria näherte sich ebenfalls und strich über meinen Arm. »Es tut mir auch leid.«

Ich schüttelte meinen Kopf. »Es muss euch nicht leidtun. Ich wusste, dass es irgendwann zur Scheidung kommen würde. Ich hatte nur gehofft, dass es …« Ich überlegte kurz, wie ich es sagen sollte. »Na ja, irgendwie freundschaftlich ablaufen würde. Er hätte doch mit mir reden können.«

»Oh Mann, jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen. Im Gegensatz zu mir hast du wirklich einen Grund, auf den Arsch sauer zu sein.«

Ich musste lachen, weil Victoria total betroffen wirkte. »Was hat dein Arsch angestellt?«, fragte ich sie, um sie von mir abzulenken, denn ich wollte im Moment nicht mehr darüber nachdenken.

Sie atmete tief durch. »Das klingt jetzt vielleicht lächerlich, aber er ist auf einer Firmenfeier und hat mich nicht mitgenommen«, schimpfte sie. »Von der Freundin einer Freundin, die auch eine Freundin hat, weiß ich allerdings, dass …« Sie machte eine Pause und sah stirnrunzelnd zu Geraldin, die vergeblich versuchte unauffällig zu kichern. »Was ist so lustig?«

»Du. Hast du ihn darauf angesprochen, dass du von ganz vielen Freundinnen weißt, dass die Party mit Anhang ist?«

»Nein, er schämt sich vielleicht für mich.«

Geraldin prustete los. »Du hast wirklich einen ganz großen Knall. Frank liebt dich.«

»Vielleicht wollte er dir auch nur eine langweilige Party ersparen?«, mutmaßte ich.

»Ich brauche unbedingt noch was zu trinken.« Sie drehte sich weg und lief zurück in die Küche, wo die geöffnete Flasche Prosecco stand. Geraldin und ich folgten ihr. Sie schenkte sich ihr Glas voll. »Vielleicht habe ich etwas überreagiert.« Geraldin und ich nickten gleichzeitig, worauf wir beide erneut lachen mussten. Victoria leerte ihr Glas wieder in einem Zug aus. »Trotzdem hätte er mit mir reden können.«

»Das sind Männer, die denken nicht so weit.« Ich setzte mich auf einen der Barhocker und nahm einen großen Schluck aus meinem Glas, bevor ich es zurück auf die Marmorplatte stellte.

»Stimmt! Frank ist eben auch ein Arsch, genau wie Max und dein Mann.«

Wir mussten wieder lachen. »Hey, wir sollten uns fertigmachen und richtig feiern gehen.«

»Ich habe ein paar Kleider mitgebracht. Vielleicht wollt ihr eins davon anziehen?«

»Perfekt!« Victoria sprang sofort auf und klatschte in die Hände. »Wir machen uns heute richtig schick und lassen es krachen.« Sie holte den Kleidersack und lief zur Treppe. Geraldin nahm meine Hand und zog mich hinterher. Oben erhaschte ich einen Blick in eines der Schlafzimmer.

»Das ist Alex’ Reich.« Geraldin zeigte auf das Zimmer und grinste. »Er ist in Italien.«

»Gut, denn er wäre bestimmt nicht sehr erfreut, mich hier zu sehen.«

»Das weißt du doch gar nicht.«

»Doch, glaube mir.« Nach dem, was ich ihm angetan hatte ...

»Lilith, die Kleider sind der Hammer, darf ich mir eins aussuchen?«, rief Victoria aus dem Bad. Geraldin grinste und zog mich weiter. Ich warf einen kurzen Blick in Alexanders Schlafzimmer und fragte mich, wie er wohl auf mich reagieren würde.

»Lilith, du ziehst bestimmt das Schwarze an, zu deinen Hammerschuhen von Valentino.«

Ich betrat das Bad und nickte Geraldin zu, setzte mich auf den Rand der Badewanne und beobachtete, wie die beiden anderen die Kleider anprobierten.

Wie lange war ich eigentlich nicht mehr mit Freundinnen weg gewesen? Ich überlegte, konnte mich jedoch nicht erinnern. Ich hatte mein Leben Etienne geopfert. Er hatte jedes Mal einen riesigen Aufstand gemacht, wenn ich mich mit meinen Freundinnen treffen wollte. Deswegen hatte ich irgendwelche Ausreden erfunden und meine Verabredungen abgesagt, bis mich schließlich niemand mehr fragte. Noch mal würde mir das nicht passieren! Während ich immer schön das Hausfrauchen gespielt hatte, hatte Etienne sich amüsiert. Schön blöd, Lilith. Aber damit war jetzt Schluss.

Victoria kam mit einem kleinen Kosmetiktäschchen zu mir und stellte es neben uns ab. Sie hob mein Gesicht etwas an und runzelte ihre Stirn. »Smokey Eyes, die passen perfekt zu deinem Outfit.« Sie kramte kurz in ihrem Täschchen. »Schließ deine Augen.« Ich tat es und lehnte mich zurück. »Ich werde etwas Blau mit draufgeben, das passt zu deinen Augen.«

»Macht ihr mal, ich hole uns noch etwas zu trinken.« Ich hörte, wie Geraldin den Raum verließ und die Treppe nach unten lief.

»Warst du mal bei deinem Bruder?«, fragte Victoria mich leise.

Ich öffnete meine Augen und sah in ihr Gesicht. »Ja, ihm geht es beschissen. Er liebt Geraldin immer noch, das sieht ein Blinder. Allerdings steht ihm im Moment noch sein Ego im Weg.«

»Die zwei gehören einfach zusammen«, flüsterte Victoria zurück. »Hoffentlich begreift er bald, dass er etwas unternehmen muss.«

»Das hoffe ich auch.«

»Danke, dass du für Geraldin da bist.«

Ich schluckte und nickte. »Ich mag sie so sehr, und ich hoffe, dass sie irgendwann meine Schwägerin wird.«

Victoria umarmte mich ganz kurz und ließ mich schnell wieder los, weil wir Geraldin hörten, die zurückkam. »Mach deine Augen zu und fang ja nicht an zu heulen«, meinte Victoria. Sie wischte sich selbst kurz über die Augen und grinste mich an.

»Ich habe Tequila gefunden«, erklärte Geraldin begeistert. Ich spürte, wie sie sich neben mich setzte. »Wow, Vic, das sieht super aus. Kannst du das bei mir auch so machen?«

Victoria lachte. »Na klar. Aber erst trinken wir was.«

Wir stießen an und meine Kehle brannte so schlimm, dass ich husten musste.

Victoria lachte. »Ich geh mal kurz für kleine Mädchen.«

Während sie im Gästeklo verschwand, schenkte Geraldin Tequila nach. Ich hob meine Augenbrauen. »Trink einfach«, forderte sie mich auf. »Es wird immer besser.«

Ich musste lachen, hob mein Glas und schüttete das durchsichtige Zeug in meinen Mund. Tatsächlich kratzte es nicht mehr, war aber trotzdem noch eklig.

Geraldin neben mir schüttelte sich auch. »Vielleicht auch nicht.«

Ich stellte mein Glas ab und strich mein Kleid zurecht.

»Geht’s dir wirklich gut?«

Ich hob meine Schultern. »Eigentlich ja. Aber ich frage mich die ganze Zeit, ob es vielleicht an mir liegt. Bin ich eine schlechte Ehefrau gewesen? Hat er sich deshalb eine andere gesucht?«

»Sowas darfst du dir gar nicht erst einreden. Es kann immer vorkommen, dass man nicht zusammenpasst. Das ist allerdings noch lange kein Grund seine Ehefrau zu betrügen. Außerdem glaube ich, dass diese Tussi es voll drauf angelegt hat, euch auseinander zu bringen.«

»Ja, das glaube ich auch. Soll sie mit ihm glücklich werden.«

»Hat Jamie schon etwas mitbekommen?«

Ich schüttelte meinen Kopf. »Ich glaube nicht. Etienne ist nicht gerade an seinem Sohn interessiert. Meistens meckert er nur mit ihm.«

»Was für ein Arschloch.« Sie nahm meine Hand und drehte sich zu mir. »Irgendwann werden wir die Männer bekommen, die uns wirklich lieben.«

»Was ist mit Max? Liebst du ihn noch?«, fragte ich vorsichtig, obwohl ich die Antwort schon wusste.

»Ja, aber er mich nicht.«

»Warte es ab. Ich kenne meinen Bruder. Gib ihm etwas Zeit.«

Sie schluckte und senkte ihren Kopf. »Wir werden sehen.«

»Ihr werdet es nicht glauben.« Victoria kam ins Zimmer gerannt und hielt ihr Handy hoch. »Er hat mir geschrieben.«

»Frank?«, fragten wir beide gleichzeitig und mussten darüber lachen. Der Alkohol zeigte langsam seine Wirkung.

»Ja. Er hat geschrieben: ›Wünschte du wärst hier bei mir. Miss you!‹«

»Das ist doch total süß.«

»Was?« Sie schüttelte energisch ihren Kopf. »Süß wäre es gewesen, wenn er mich mitgenommen hätte.« Sie nahm ihr Glas und kippte es in einem Zug hinunter. »Ich habe eine Idee. Wir machen ein Foto von uns, das ich ihm schicken kann. Dazu schreibe ich, dass wir heute Abend auf alle Fälle unseren Spaß haben werden.« Sie quetschte sich zwischen uns und hielt ihr Handy hoch. Sie wartete kurz, bis wir alle gut zu sehen waren, und drückte auf den Auslöser. Nachdem sie noch etwas dazu geschrieben hatte schaltete sie ihr Handy aus und stand auf. »Lasst uns gehen und Spaß haben. Wer braucht schon Männer?«

Alexander

»Versprich mir, dass du Geraldin in Ruhe lässt und sie nicht mit blöden Sprüchen nervst.«

Marc prustete los. »Ja … was denkst du nur von mir?«

Ich hob meine Augenbrauen. »Ich kenne dich einfach zu gut.«

»So schlimm bin ich auch nicht«, verteidigte er sich.

Ich zog meinen Schlüssel aus der Tasche und steckte ihn ins Schloss. »Doch, bist du.« Ich lachte, weil er sich ärgerte. Nachdem ich aufgeschlossen hatte, stellte ich meine Taschen neben die Tür und schaltete das Licht an. Alles war ruhig. Geraldin schlief bestimmt bereits. Marc ließ seine Tasche ebenfalls fallen und betrat die Wohnung.

»Sieht so aus, als hätte deine Schwester eine Party gefeiert.« Er hob zwei leere Flaschen Prosecco hoch, die auf der Marmorplatte standen. Ich sah drei Gläser, die Marc jetzt ebenfalls entdeckt hatte. Er beugte sich vor und richtete sich wieder auf. »Lippenstift«, erklärte er mir grinsend. »Hat sie heiße Freundinnen?«

Ich schüttelte lachend meinen Kopf. »Hast du auch noch andere Probleme?«

»Ruf sie doch mal an. Die sind bestimmt irgendwo feiern. Wir könnten zu ihnen fahren und ein bisschen mit ihnen abhängen.«

Ich hatte keine Lust auf Party. Es war weit nach Mitternacht. »Sie wird bestimmt bald …« Ein Kratzen an der Haustür unterbrach mich. Marc hatte es ebenfalls gehört, er schien sich zu freuen. Blödmann.

Ich wollte zur Tür laufen, doch Marc hielt mich fest. »Warte, wir könnten sie erschrecken.«

»Wie alt bist du?«

»Spielverderber.«

Ich konnte leises Gekicher hinter der Tür hören, und dann war da wieder dieses Kratzen. Wenn sie so weitermachten, würden sie mir noch die Tür ruinieren. Also beschloss ich, ihnen zu öffnen. Marc folgte mir. Ein weiteres Kichern ertönte und eine Stimme, die ziemlich angetrunken klang. Danach hörten wir einen dumpfen Schlag und lautes Gelächter. Ich öffnete die Tür und musste schmunzeln. Marc drängte sich an mir vorbei und erblickte die drei Frauen, die vor unseren Füßen lagen und sich schlapp lachten.

»Wie geil ist das denn«, rief Marc begeistert und schlug mir auf die Schulter.

Ich stöhnte. »Los, hilf mir, sie in die Wohnung zu bringen.

»Okay.«

Als ich mich zu Geraldin beugte, entdeckte ich sie. Lilith. Sie war gerade dabei sich aufzurappeln. Ich hielt mitten in der Bewegung inne. Mein Gott, wie schön sie war.

»Alesch, bischt du scho rück?«, stammelte Geraldin und lachte. Die anderen beiden lachten ebenfalls.

»Pst … er ist ein Feind«, krächzte die dritte im Bunde. Ich erinnerte mich an sie – es war Victoria, Geraldins beste Freundin. Marc half ihr gerade hoch und führte sie ins Haus.

»Nein, dasch ischt dosch Alesch.« Geraldin zeigte auf mich. Ich hielt ihr meine Hand entgegen, um ihr auf zu helfen.

Marc kam gerade zurück und grinste immer noch. »Hallo Schwester, komm, ich trag dich lieber. Du kannst anscheinend nicht alleine stehen.«

»Welche Sches … äh … Schwester?«, fragte Geraldin, während sie ihren Arm um Marc legte und sich von ihm abführen ließ.

Ich fragte mich, wie die Frauen es in diesem Zustand unbeschädigt nach Hause geschafft hatten. Lilith hatte sich an die Hauswand gelehnt und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.

»Ich wusste nicht, dass du hier bist, hicks«, sagte sie, während sie ihre Haare hinter ihr Ohr strich. Selbst in diesem Zustand sah sie wunderschön aus.

»Kein Problem. Komm, ich helfe dir.« Stechend blaue Augen blickten mich erschrocken an. Dieser Blick war so durchdringend, dass ich kurz zur Seite sah, um wieder etwas klarer im Kopf zu werden.

»Nein … hicks … ich will dir keine Umstände machen. Kannst du mir ein Fahrer holen … der so ein … hicks …«

»Lilith, hör auf, ich lass dich in diesem Zustand nicht alleine weg.« Ich lief die paar Schritte zu ihr und hob sie in meine Arme. Sie sah mich beunruhigt an, legte dann aber ihren Arm um meinen Hals und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Es fühlte sich so gut an.

»Alex?« Marc war wieder da, bestimmt um zu sehen, wofür ich so lange brauchte. Als er Lilith erkannte, verfinsterte sich seine Miene. Ich gab ihm ein kurzes Zeichen, dass er seinen Mund halten sollte, und lief an ihm vorbei.

Die anderen beiden lagen bereits auf dem Sofa und machten es sich bequem. Ich lief mit Lilith darauf zu und setzte sie vorsichtig neben ihnen ab. Genau wie Geraldin und Victoria kippte sie zur Seite und schloss ihre Augen.

»Oh Mann, die sind ja total breit.«

»Ja.« Ich konnte meinen Blick nicht von Lilith lassen. Mein Puls raste. Ich hatte mich so oft gefragt, was passieren würde, wenn ich sie nach all den Jahren wiedersah. Ich hatte vermutet, dass ich den Schmerz wieder spüren würde, der mich überfallen hatte, als ich sie damals verlassen hatte. Aber das war es nicht. Nein, ich hätte sie am liebsten an mich gedrückt und nicht wieder losgelassen.