Faszien-Fitness – erweiterte und überarbeitete Ausgabe - Robert Schleip - E-Book

Faszien-Fitness – erweiterte und überarbeitete Ausgabe E-Book

Robert Schleip

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Wer in Alltag und Sport beweglich, vital und schmerzfrei bleiben will, sollte etwas für sein Bindegewebe tun! Diese Erkenntnis gilt mittlerweile in Physiotherapie, Sportwissenschaft und Medizin als anerkannt. Denn in den letzten Jahren hat sich hier enorm viel getan. Das muskuläre Bindegewebe spielt eine große Rolle für Wohlbefinden, Beweglichkeit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit: Die sogenannten Faszien übertragen die Kraft der Muskeln, kommunizieren mit dem Nervensystem, dienen als Sinnesorgan, sorgen für Schutz und Stoffaustausch der inneren Organe und bilden die Grundlage für eine schöne Körperform. Was man bisher nur Muskeln zutraute, kann auch das Bindegewebe: Es reagiert auf Belastung und Reize und wenn Faszien verfilzen oder verkleben, können Schmerzen und Bewegungsprobleme die Folge sein. Die Faszien sollten deshalb gezielt trainiert werden – 10 Minuten zweimal in der Woche genügen! Der Faszienforscher und Rolfing-Therapeut Robert Schleip zeigt in diesem komplett überarbeiteten Bestseller, wie sich ein praktisches Übungsprogramm für den Alltag umsetzen lässt. Er berichtet über die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Forschung und klärt auf, welche Methoden und Geräte am effektivsten für die Faszienbehandlung sind und welche eher schaden statt nutzen. Diese Erkenntnisse spielen bereits heute eine wichtige Rolle im Bereich der Physiotherapie und werden zukünftige Behandlungstechniken weiterhin beeinflussen.

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Seitenzahl: 281

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ROBERT SCHLEIP

mit Johanna Bayer

FASZIENFITNESS

ROBERT SCHLEIP

mit Johanna Bayer

FASZIENFITNESS

Vital, elastisch, dynamisch in Alltag und Sport

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Wichtige Hinweise

Sämtliche Inhalte dieses Buchs wurden – auf Basis von Quellen, die die Autoren und der Verlag für vertrauenswürdig erachten – nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und sorgfältig geprüft. Trotzdem stellt dieses Buch keinen Ersatz für eine individuelle Fitness- und Ernährungsberatung sowie medizinische Beratung dar. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und die Autoren haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

5. Auflage 2022

© 2019 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Simone Fischer

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt

Umschlagabbildungen: Vukašin Latinović, Grafik: shutterstock/fox_industry

Models: Daniela Meinl, Markus Rossmann

Layout: Katja Muggli, www.katjamuggli.de

Satz: Satzwerk Huber, Germering, Melanie Kitt, Lisa Killer

Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-7423-0252-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-710-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-711-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort

von Klaus Eder

Vorwort zur überarbeiteten Ausgabe 2018

von Robert Schleip

Einführung: Warum Sie Ihre Faszien trainieren sollten

Eine Reise in die unbekannte Welt der Faszien

Kapitel 1: Faszien und Bindegewebe – was ist das?

Frische Faszien

Urstoff mit vielen Funktionen

Die Bausteine der Faszien

Typen und Funktionen des Bindegewebes

Das neue Bild vom Körper

Die vier Grundfunktionen der Faszien

Die tiefen Schnitte der Chirurgen

Höchstleistung: die Faszien im Bewegungsapparat

Die Informationszentren: Faszien als Sinnesorgan

Ein ungewöhnlicher Fall: Ian Waterman – der Mann ohne Körpergefühl

Die Wissenschaft von den Faszien

Faszienpioniere: Alfred Pischinger und sein System der Grundregulation

Faszienpioniere: Elisabeth Dicke und die Bindegewebsmassage

Faszienpioniere: Ida Rolf, Begründerin von Rolfing und Struktureller Integration

Faszienpioniere: Andrew Taylor Still, Begründer der Osteopathie

Die Volkskrankheit Rückenschmerz – und neue Perspektiven

Kapitel 2: Die Prinzipien des Faszientrainings

Gesunde Bewegung im Alltag

Was Sie wissen sollten, bevor Sie trainieren

Wie Muskeln und Faszien zusammenarbeiten

Faszienzugbahnen und das Spannungsnetzwerk

Wie reagiert das Bindegewebe auf Training?

Was Sie über Faszientraining wissen sollten

Nicht automatisch: Muskel- und Faszientraining

Dehnung und Training: Was die Faszien brauchen

Die vier Dimensionen des Faszientrainings

Bevor es losgeht: Welcher Bindegewebstyp sind Sie?

Die Tests zu den Bindegewebstypen

Kapitel 3: Die Übungen

Was Sie brauchen

Kleidung und Schuhe

Bevor es losgeht: wichtige Hinweise

Ihr Wegweiser: die vier Dimensionen des Faszientrainings

Achtsamer Atem unterstützt die Übungen

Das Basisprogramm

Übungen für Problemzonen: Rücken, Nacken, Arme, Hüften, Füße

Ein kleines Rückenprogramm

Im Büro: Probleme in Nacken, Armen und Schultern

Rund um die Hüfte

Für Füße und Gang

Für Wikinger, Schlangenmenschen und Crossover-Typen

Wikinger mit festem Bindegewebe

Schlangenmenschen mit eher weichem Bindegewebe

Crossover-Typen

Was Männer und Frauen interessiert

Übungen und Tipps für Frauen

Übungen und Tipps für Männer

Übungen für Sportler

Sportartspezifische Faszienpflege

Selbsthilfe bei Muskelkater

Ausgleichsübungen für Läufer

Hinweise für Radfahrer

Der Alltag als Übung: mehr kreative Bewegung!

Ältere Menschen

Kapitel 4: Faszien, Physiotherapie und sanfte Heilmethoden

Yoga früher und heute

Klassische Massage und manuelle Therapie

Akupunktur

Rolfing

Osteopathie

Pilates

Im Check: neue Faszientrends

Kapitel 5: Fitte Faszien: Essen und gesunder Lebensstil

Gefahr Übergewicht

Nicht rauchen

Trinken Sie genug

Eiweiß ist wichtig

Vitamin C für das Kollagen

Fit durch Zink, Kupfer, Magnesium und Kalium

Ausreichend schlafen

Von Kieselerde bis Gelatine – sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?

Die Debatte um Zucker

Entzündungen und die Faszien

Meine persönlichen Tipps

Die Zukunft gehört den Faszien!

Anhang

Die Autoren

Weiterführende Literatur, Links und Adressen

Bildnachweis

Übungsübersicht

Register

Vorwort

von Klaus Eder

Schon 2014 konnte ich der Bitte um ein Vorwort zu diesem Buch nicht widerstehen: Faszien sind mein Lieblingsthema, und ich beschäftige mich schon mein ganzes Berufsleben damit, früher vielleicht ohne viel darüber zu wissen, aber ihre Bedeutung ahnend und in der Behandlung spürend. Das hat sich für fast alle, denen es genauso ging, inzwischen geändert – vor allem seitdem Faszien-Fitness von Dr. Robert Schleip erschienen ist, das er zusammen mit der Wissenschaftsautorin Johanna Bayer geschrieben hat. Dieses schlanke, übersichtliche Buch ist zu einem Standardwerk geworden, das bei mir und vielen meiner Kollegen im Regal steht und das ich auch meinen Patienten und Klienten empfehle.

Die Arbeit von Robert Schleip schätze ich über alle Maßen – besonders, weil er sich auch so für die Verbreitung des Faszienwissens in der Praxis einsetzt. Dabei verbindet uns beide schon lange die Faszination, welche die Rolle der Faszien im menschlichen Körper auf uns ausübt, ganz besonders im Bereich der Sportmedizin. Mit seiner Forschungsarbeit und seinem Einsatz auf dem Feld der Physiotherapie hat Robert Schleip die Faszien nun schon seit mehr als 15 Jahren nicht nur zum Gegenstand der Wissenschaft gemacht, sondern auch in den Fokus von Sportphysiotherapie und manueller Behandlung gerückt. Er hat das Thema aber auch für das breite Publikum erschlossen und sich dabei als ganz erstaunliches Talent entpuppt, mit seinen faszinierenden Vorträgen, Seminaren, Workshops, dem Training für Breitensportler und natürlich seinen populären Büchern.

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr es mich daher freut, dass dieses allgemein verständliche Buch zu Faszien und Faszientraining ein so großer Erfolg geworden ist: Fast 80 000 verkaufte Exemplare sprechen für sich. Robert Schleip hat es geschafft, das neue Wissen über Faszien wirklich einer breiten Leserschaft und vielen Menschen zugänglich zu machen.

Der Profibereich, in dem ich seit Jahrzehnten arbeite, hat von dieser Verbreitung des neuen Wissens ebenso stark profitiert, wenn nicht noch mehr. Ich selbst arbeite seit Jahrzehnten mit Hochleistungssportlern zusammen. Diese Athleten vertrauen mir ihre Körper an. Die deutsche Fußballnationalmannschaft betreue ich schon seit 1988 und ich habe »unsere Jungs« insgesamt bei acht Weltmeisterschaftsturnieren, acht Europameisterschaften und zehn Olympischen Spielen begleitet. Von 1990 bis 2012 durfte ich auch das deutsche Davis-Cup-Tennisteam als Physiotherapeut betreuen. Meine Diagnose- und Behandlungsinstrumente sind dabei meine bloßen Hände, und ich kenne inzwischen die Härte und Weichheit der Muskeln und Faszien bei den meisten dieser Spitzensportler so gut wie meinen eigenen Garten. Ich kenne aber auch die oft dramatischen persönlichen Herausforderungen, wenn ein Spieler aufgrund von Verletzungen oder Überlastungsschäden ganz oder vorübergehend ausscheidet – und ich weiß: Fast immer ist Fasziengewebe betroffen. In vielen Fällen kann ich dann aber mit meinen Händen das Ausmaß und die Zeitdauer des Leidens verkürzen. Dabei helfen mir vor allem meine Kenntnisse der faszialen Anatomie sowie meine langjährige Behandlungserfahrung.

Im Olympialager in Sotschi 2014 kam auch Bruno Banani, Rennrodler aus Tonga, zu mir in Behandlung.

Allerdings beruhte vieles, was ich und andere auf diesem Feld über lange Zeit gemacht haben, mehr auf Intuition und Erfahrung als auf gesichertem Wissen. Erst die wissenschaftliche Arbeit von Dr. Robert Schleip hat das geändert: Er und seine Kollegen von der Universität Ulm haben in Experimenten ganz neue Grundlagen für das Verständnis der Faszien gelegt, denn sie zeigten, dass Faszien sich unabhängig vom Muskel verhärten können und dass dies auch mit Stress in Zusammenhang steht.

Als Manualtherapeut habe ich schon seit Jahrzehnten mit meinen Fingern solche Verhärtungen bei meinem Sportlern und Patienten ertasten können. Doch mit Erklärungen und Mitteilungen musste ich mich oft bedeckt halten – ich hatte keine, ich hatte nur mein Gefühl. Als Praktiker habe ich im Gespräch mit Orthopäden und Medizinern dann aber feststellen müssen, dass diese Akademiker ganz bestimmte Modelle über die Entstehung dieser Verhärtungen im Kopf hatten, die nicht zu meiner Intuition passten. Und es war alles andere als einfach, mit ihnen zu diskutieren.

In meiner Klinik in Donaustauf arbeite ich vor allem mit faszienorientierten Methoden.

Das hat sich jetzt geändert – dass die Faszien in Diagnose und Therapie einbezogen werden, ist jetzt selbstverständlich. Robert Schleip hat das erreicht, und zwar international. Und man kann ihm diese Arbeit gar nicht hoch genug anrechnen. Schon 2006 hat er für seine innovativen biologischen Studien den renommierten Vladimir-Janda-Preis für Muskuloskeletale Medizin bekommen. Professor Janda, den großen Muskelforscher und Neurophysiologen aus Prag, durfte ich noch selbst kennenlernen. Er war einer der Ersten, die mich und andere Pioniere im Feld der heutigen Sportphysiotherapie darauf hinwiesen, wie wichtig die Faszien für den Ablauf gesunder Bewegungen sind und wie deutlich sie auf die Behandlung reagieren. Das beobachte ich nicht nur bei meinen Spitzensportlern, sondern auch bei den Freizeitsportlern, die wir in unserem Behandlungszentrum Eden Reha in Donaustauf seit vielen Jahren betreuen.

Daher begrüße ich es außerordentlich, dass dieses Buch eine aktuelle, mit dem seit 2014 wieder angewachsenen Wissensstand ergänzte Bearbeitung und Neuauflage erfährt. Inzwischen hat sich, auch durch die weltweite Arbeit von Robert Schleip, so viel getan, dass auch wir Therapeuten gespannt darauf sind, was die beiden Autoren jetzt präzisieren und zusammentragen.

Das gezielte Faszientraining, das Robert Schleip mit seinen Kollegen in den letzten Jahren entwickelt hat – und ständig weiterentwickelt – hat dabei aus meiner Sicht weiterhin ein sehr großes Potenzial. Es würde mich daher sehr freuen, wenn die Neuausgabe dazu führt, dass wieder mehr Menschen Spaß und Erfolg im Sport haben, ohne sich zu verletzen und auf die therapeutische Hilfe von mir oder anderen faszienkundigen Kollegen angewiesen zu sein. Dabei werden wir, die Sportphysiotherapeuten, nach wie vor nicht arbeitslos –, aber dank dem geradezu weltumspannenden Netzwerk von Forschern, das Robert Schleip in den letzten Jahren geschaffen hat, werden wir es in Zukunft leichter haben.

Ihr Klaus Eder

Donaustauf, im Juni 2018

Klaus Eder ist Physiotherapeut und betreut seit vielen Jahren Spitzensportler und Olympiateilnehmer aus verschiedenen Sportarten, darunter auch die deutsche Fußballnationalmannschaft und das deutsche Davis-Cup-Team. In Donaustauf betreibt er Eden Reha, eine Praxis für Physiotherapie und Krankengymnastik mit einer angeschlossenen Rehabilitationsklinik für Sport- und Unfallverletzte. Darüber hinaus bietet Eden Reha laufend Fortbildungen für Ärzte, Gesundheitsfachleute und Sportlehrer an, etwa zur Sportphysiotherapie oder zur Faszium-Therapie.

Vorwort zur erweiterten Ausgabe 2018

von Robert Schleip

Ende 2012 begann in Deutschland die große Faszienwelle. Fernsehberichte in WDR und ARD hatten sie ausgelöst, und Unmengen von Anfragen überrollten mich und mein Fascia Research Team an der Universität Ulm: Es kamen neue Anfragen von Journalisten, vor allem traten aber auch Sportler, Trainer, Ausbilder, Physiotherapeuten, Forscher, Ärzte, Kliniken und Verbände an uns heran. Und bis heute hat das Interesse an den Faszien nicht nachgelassen: Praktisch jede Volkshochschule in der ganzen Republik hat einen Kurs zu Faszientraining im Programm, es gibt kaum eine Gesundheits- oder Sportredaktion, die das Thema nicht aufgegriffen hätte. Auch fast alle Trainingssysteme, von Fitness bis Yoga, beziehen die Faszien mit ein.

Zu einem wesentlichen Teil ist dafür dieses kleine Buch verantwortlich, das im Herbst 2014 erstmals erschienen ist. Inzwischen gibt es acht Auflagen und fast 80 000 verkaufte Exemplare, ein Erfolg, mit dem ich keinesfalls gerechnet habe. Dazu kommt noch eine überraschende internationale Nachfrage, seit 2014 erschien Faszien-Fitness unter anderem auf Englisch, Taiwanesisch, Chinesisch und Koreanisch, weitere Sprachen werden folgen. Auch die riesige Zahl von Ratgebern und Büchern zu Faszien, viele davon nach unserem Beispiel erschienen, zeigen, wie groß das Interesse an dem Themenfeld ist.

Gleichzeitig ist die wissenschaftliche Erforschung der Faszien seit 2014 erheblich vorangeschritten. Es gibt inzwischen weltweit so viele seriöse Publikationen in hochwertigen Journalen, dass selbst hartgesottene Kritiker aus dem medizinischen und sportwissenschaftlichen Bereich einsehen mussten, wie sehr sie die Bedeutung von Faszien sowie die Möglichkeiten eines gezielten Faszientrainings unterschätzt haben.

Viel mehr Institute und Forscher beschäftigen sich jetzt mit den Faszien, was für alle, die in diesem Bereich arbeiten, ein noch größerer Ansporn ist, weiter auf der Spur der Faszien zu bleiben. Denn noch längst sind nicht alle Geheimnisse des Bindegewebes aufgeklärt. Gleichzeitig bestätigt uns aber gerade diese naturwissenschaftliche Seite der neuen Faszienforschung darin, die neuen Erkenntnisse praktisch umzusetzen: in Sport, Physiotherapie, Medizin, Reha, in Freizeit und Berufsalltag, wenn es zum Beispiel um die Gesundheit am Arbeitsplatz geht.

Selbstverständlich ist dabei nicht alles Wissen um die Faszien neu. Neu ist aber die wissenschaftliche Phase, in der wir jetzt sind. Neu sind auch viele Methoden, zum Beispiel aus der Molekularbiologie, und es gibt neue Geräte und bildgebende Verfahren, etwa die Ultraschall-Elastografie, die wir als Pilotprojekt in Ulm einsetzen. Neu sind aber vor allem die fachübergreifende Betrachtung und die weltweite Zusammenarbeit. Auf Faszienkongressen tauschen sich akademische Forscher, Mediziner und Naturwissenschaftler mit Physiotherapeuten, Masseuren und Trainern aus. Das große weltweite Interesse und die Aufbruchsstimmung in vielen Disziplinen haben sich auch auf unserem jetzt vierten weltweiten Faszienkongress 2015 in Washington, D.C., gezeigt. Der nächste internationale Faszienkongress von uns fand im September 2018 in Berlin statt. Und an der Universität Ulm konnten wir mittlerweile den zweiten Kongress zum Thema »Bindegewebe in der Sportmedizin« veranstalten, bei dem wir die führenden internationalen Forscher auf diesem Feld zusammenbrachten.

Was mich an diesen Entwicklungen besonders freut, ist der direkte und lebendige Austausch unter den weltweit arbeitenden Faszienforschern aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Das hat es so früher nicht gegeben: Bislang herrschte strenge Schulentrennung, heute profitieren die Wissenschaftler von den Praktikern und umgekehrt. Was wir dabei in Bezug auf Trainingsmethoden und Praxis gerade durchlaufen, ist ein ganz normaler Prozess in der Entwicklung neuer Systeme: Ergebnisse aus der Forschung werden in konkrete Anwendungen übertragen, Prinzipien in Methoden übersetzt und ausprobiert – oft sogar, bevor sie wissenschaftlich ausreichend untersucht sind. Dabei geht man nach sinnvollen Annahmen und Plausibilitäten vor, und zwar so gut wie möglich, indem man sich auf Forschungsergebnisse stützt, die schon vorhanden sind. Viele Trainingsmethoden sind so entstanden: Sportler und Trainer erhielten Anregungen und Inspirationen aus der Wissenschaft oder auch aus einem ganz anderen Bereich und probierten einfach etwas Neues aus.

Im Jahr 2015 fand der vierte internationale Faszienkongress in Washington, D.C., statt.

Dieses Buch nach vier Jahren anhand der neuesten Erkenntnisse zu überarbeiten, war mir daher ein persönliches Anliegen, denn es galt einiges nachzutragen, zu korrigieren und zu erweitern. Das war mir besonders wichtig, weil ich mich seit 2016 ausdrücklich auf die Forschung konzentriert habe und an der Universität Ulm inzwischen eine neue interdisziplinäre Gruppe leite. Meine fachliche Arbeit steht daher für mich immer im Vordergrund – was in einem leicht lesbaren Buch für das Publikum allerdings nicht ständig Thema sein kann. Hier ist der Spagat zwischen Verständlichkeit und Anschaulichkeit einerseits und wissenschaftlicher Präzision andererseits zu schaffen, der nicht ohne Vereinfachungen einhergeht.

Kritische Fachkollegen, die mir seit 2014 eifrig Rückmeldungen zu diesem Buch gegeben haben, möchte ich damit beruhigen: Ich stehe immer auf der Seite der Wissenschaft. Auf dieser Ebene bin ich für sie auch immer ansprechbar. In einem gut lesbaren, interessant aufbereiteten, populären Sachbuch gelten aber andere sprachliche Gesetze, denen ich mich hier gerne unterwerfe. In wissenschaftlichen Fachartikeln würde ich zum Beispiel für einen beobachteten Zusammenhang – etwa zwischen Alter und Beweglichkeit – auch die sogenannte Standardabweichung sowie mehrere Literaturreferenzen nennen. Derlei passt aber nicht in einen Text für das allgemeine Publikum, daher haben wir zugunsten einer besseren Lesbarkeit auf solche wissenschaftlichen Details verzichtet. Trotzdem bildet der Stand der Forschung die Basis für dieses Buch, wenn auch sprachlich nicht immer so präzise, wie ich es in einer wissenschaftlichen Publikation ausdrücken würde. Ich vertraue mich, was das angeht, aber gerne dem Verlag und meiner Co-Autorin Johanna Bayer an. Denn nur gemeinsam ist es gelungen, das Wissen um die Bedeutung der Faszien für unseren Körper und unsere Bewegungen im breiten Bewusstsein zu verankern. Das ist neben der wissenschaftlichen Arbeit auch mein Ziel als Faszienforscher.

Ihr Robert Schleip

Ulm, im August 2018

Einführung

Warum SieIhre Faszientrainieren sollten

Faszien faszinieren mich. Die Faszien, auch Bindegewebe genannt, sind der universelle Baustoff, der unseren ganzen Körper durchzieht, alle Organe umhüllt und uns Form und Struktur gibt. Dieses Material und seine Eigenschaften sind so interessant, dass ich vom Körpertherapeuten zum Naturwissenschaftler wurde: Ich wollte wissen, welchen Anteil die Faszien an menschlichen Bewegungen haben und was sie für Körper und Psyche wirklich bedeuten. Inzwischen ist mir klar, dass ihre Leistung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann – und dass wir gut daran tun, uns in Alltag und Sport der Faszien viel mehr bewusst zu werden.

Was das bedeutet, möchte ich Ihnen in diesem Buch nahebringen. Denn viel zu lange standen die Faszien im Abseits, auch wenn Mediziner, Trainer und Physiotherapeuten sehr wohl um ihre Existenz und ihre Funktionen wussten. Doch wenn an chronischen Rückenschmerzen mit Operationen herumlaboriert wurde, wenn man in der Physiotherapie Schmerz und Verspannungen lindern wollte, wenn Sportler nach langem Training in der Leistung stagnierten, konzentrierte man sich auf Muskeln, Nerven, Knochen, Koordination und Kraft. Die Faszien wurden nicht als eigenständiger Akteur gesehen. Das hat sich in den letzten Jahren massiv geändert: Die Faszien sind aus ihrem Aschenputtel-Dasein herausgetreten.

Sportverletzungen sind fast immer Verletzungen an Bändern, Gelenkkapseln oder Sehnen – also an faszialem Bindegewebe. Hier reißt sich die Nummer 28 von Bayern München, Holger Badstuber, gerade das Kreuzband im rechten Knie.

Einiges, was sich in den letzten Jahren an Wissen rund um das Bindegewebe angesammelt hat, wirft alte Konzepte über den Haufen oder löst manchmal geradezu einen Paradigmenwechsel aus: Ein Muskelkater etwa kommt weniger aus dem Muskelgewebe, sondern entsteht hauptsächlich in den Faszien, die den Muskel umhüllen. Rückenschmerzen haben ihre Ursache in vielen Fällen nicht in Wirbel- oder Bandscheibenschäden, sondern in den Faszien, Sportverletzungen sind zum allergrößten Teil keine Muskelprobleme, sondern Faszienverletzungen. Und die Faszien gelten inzwischen als eines unserer wichtigsten Sinnesorgane, das Bindegewebe schickt sogar Signale bis ins Gehirn und den Sitz des Bewusstseins. Alle Körperbewegungen werden von Sensoren in den Faszien mitbestimmt: Fallen sie aus, kann der Mensch seine Bewegungen nicht mehr steuern.

Die Liste dieser neuen Erkenntnisse ist ziemlich lang, und fast täglich kommen aus aller Welt weitere dazu. Sie stammen aus der medizinischen oder biologischen Forschung, aber auch von Physiotherapeuten und anderen Praktikern. Und weil ich selbst als Körper- und Bewegungstherapeut gearbeitet habe, bevor ich in die Wissenschaft ging, ist es mir besonders wichtig, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. So haben wir von der Fascial Fitness Association schon 2010 damit begonnen, die vielen Entdeckungen rund um die Faszien in ein Trainingsprogramm umzusetzen, welches das Gewebe gezielt stimuliert, kräftigt und pflegt. Heute spannt sich das Netz von Faszienforschern, Sportwissenschaftlern und Bewegungstherapeuten, die das gezielte Faszientraining anwenden und weiterentwickeln, um die ganze Welt.

Unsichtbares Netzwerk: die Faszien. Diese einmaligen Mikroskopaufnahmen stammen von dem französischen Chirurgen J. C. Guimberteau.

Natürlich gibt es schon Hunderte von Büchern und Trainingsprogrammen, die alle viel und überdies dasselbe versprechen: mehr Kraft, bessere Leistung und Ausdauer, mehr Beweglichkeit, Gesundheit, Wohlbefinden und einen schöneren Körper. Wenn jetzt jemand sagt: »Was sollen wir denn noch alles machen?«, würde ich das gut verstehen. Und wenn jemand sagt: »Warum soll ich die Trainingsmethode wechseln? Ich komme gut klar«, würde ich auch das verstehen. Denn viel hilft nicht viel, wie gerade Sportler wissen – das Richtige muss es sein. Und mit dem Faszientraining kommt eine bislang fehlende Komponente ins Spiel. Ein gezieltes Faszientraining kann die Leistung optimieren, neuen Leistungszuwachs erzielen, im Alltag von Schmerzen und Steifigkeit befreien, und es lässt sich vor allem mühelos in ein anderes Trainingsprogramm integrieren, das Sie schon befolgen. Das heißt: Faszientraining ersetzt nicht alle bisherigen Trainingsprogramme, es ergänzt sie. Es bereichert sie um das Element, das bisher fehlte. Denn die Schwerpunkte in Sportwissenschaft und Trainingslehre waren über Jahrzehnte Kraft, Ausdauer und Koordination. Sie zielten also auf Muskeln, Kreislauf und neuronale Steuerung – ohne die Faszien zu berücksichtigen.

Viele Trainingsprogramme betonen zwar, dass sie die Faszien mittrainieren. Aber das stimmt so nur bruchstückhaft, und es ist vor allem nicht effizient: Faszien brauchen eigene Impulse und bestimmte Bewegungen. In den üblichen, festgelegten und stereotypen Programmen fehlen diese Impulse meist ganz oder treten nur zufällig und ohne abgestimmte Dosierung auf. Zum Vergleich: Wer für einen Marathon trainiert, trainiert auch irgendwie seine Muskeln mit. Doch große Gewichte wird er nicht stemmen können – denn die dafür nötigen Muskeln sind nicht gezielt aufgebaut worden. Gezieltes Training ist also das Schlüsselwort für die Optimierung.

Heute wissen wir, dass die Bedeutung der Faszien für das Funktionieren der Muskeln sowie die optimale Koordination enorm ist – aber dass sie eine spezielle Stimulation brauchen. Das wirkt sich auf die Trainingskonzepte aus, die schon mehrere Erneuerungswellen durchlaufen haben. Nachdem früher einzelne Muskeln trainiert wurden, richtete man danach das Augenmerk auf Muskelketten und funktionale Bewegungsabläufe – und heute zeichnet sich etwas Neues ab: Training muss auch das ganze Fasziennetzwerk und seine langen Zugbahnen erfassen. Denn der Zustand der Faszien beeinflusst Ausmaß und Heilung von Verletzungen ebenso wie die Regeneration nach Training und Wettkampf. Er bestimmt sogar viel mehr – und das erfahren Sie in diesem Buch.

Faszientraining macht also Ihr persönliches Programm komplett. Das bedeutet nicht, dass Sie zusätzlich ein Riesenpensum bewältigen oder sich völlig umstellen müssen. Die Übungen, die wir vorschlagen, lassen sich problemlos integrieren und sorgen fast nebenbei für die Wartung und Pflege Ihres Fasziennetzwerks im Körper. Sie sollen das Bindegewebe beleben und regenerieren, es vital und geschmeidig halten, damit Sie Ihre Muskeln noch besser trainieren können, Ihre Bewegungen flüssig und elegant werden und Ihre Widerstandskraft steigt. Denn Faszientraining erhöht die Belastbarkeit von Sehnen und Bändern, vermeidet schmerzhafte Reibereien in Hüftgelenken und Bandscheiben, schützt die Muskulatur vor Verletzung und hält den Körper in Form, weil es für eine jugendliche und straffe Silhouette sorgt. Das ist gerade auch im Alltag und mit zunehmendem Alter wichtig.

Das Ganze ist erstaunlich wenig aufwendig: Zehn Minuten zweimal in der Woche reichen. Besondere Kleidung oder Geräte sind nicht erforderlich, das gesamte Programm ist unkompliziert, alltagstauglich und geeignet für alle Alters- und Trainingsstufen. Die Vorteile des Faszientrainings für den Sport, aber vor allem im Alltag, liegen dabei auf der Hand:

Die Muskeln arbeiten effizienter.

Die Regenerationszeit verkürzt sich, sodass man schneller fit wird für das nächste Training und die nächste Anforderung.

Die Leistungsfähigkeit steigt.

Bewegungsabläufe und Koordination verbessern sich.

Die Bewegungen erlangen einen Ausdruck von geschmeidiger Eleganz und wirken weniger hölzern.

Körperhaltung und -form werden straffer und jugendlicher.

Ein guter Faszienzustand bietet langfristig Schutz vor Verletzungen und Schmerz.

Es gibt viel mehr Spaß und Abwechslung im Training.

Faszientraining verleiht ein Gefühl von Jugendlichkeit und Spannkraft.

Ob Hip Hop, Modern Dance oder Ballett – so kraftvoll und geschmeidig können sich Tänzer nur dank gut trainierter und gesunder Faszien bewegen.

Die Übungen sind außerdem für verschiedene Bindegewebstypen oder Problemzonen variierbar. Auch im Hinblick auf das Altern, das uns ja alle trifft, ist ein regelmäßiges Faszientraining wichtig: Wir sind so alt wie unser Bindegewebe! Fitte Faszien halten Sie in Form, mit dem richtigen Training können Sie ein Leben lang jugendlich und straff bleiben. Wer also jung bleiben oder wieder jung werden will, tut gut daran, seine Faszien richtig zu pflegen. Was das alltägliche Leben angeht, so gibt es aber noch weitere Auswirkungen. Viele kennen die üblichen Zipperlein, die uns oft und lange begleiten und sich zu Problemen auswachsen können: Rückenschmerzen, Schulter- und Ellenbogenprobleme, Nackenschmerzen, Verspannungen, Kopfschmerzen sowie Fußprobleme wie der Fersensporn. Mediziner erkennen zunehmend, dass bei allen diesen Syndromen der Zustand des Bindegewebes eine wesentliche Rolle spielt, dass Störungen im Bindegewebe sogar die Ursache sein können, etwa bei Schulterproblemen wie der schmerzhaften Schultersteife, auch »Frozen Shoulder« genannt, und dass sie mit faszienbetonten Behandlungen und Trainingsprogrammen zu lindern oder zu beseitigen sind.

Eine Reise in die unbekannte Welt der Faszien

Als Körpertherapeut, forschender Humanbiologie und Lehrer sehe ich die Faszien und ihre Bedeutung unter vielen verschiedenen Perspektiven, ob in meiner naturwissenschaftlichen Arbeit oder in der Aus- und Fortbildung von Medizinern, Physiotherapeuten, Rolfern und Osteopathen. Aber jeden Tag erlebe ich auch, was das alles für mich selbst und meinen Körper bedeutet: beim Aufstehen, wenn ich mich genüsslich räkele und strecke, weil das so wohltuend wach macht; nach einem anstrengenden Tag, wenn ich im Park um die Ecke im Klettergerüst herumturne und alle Gelenke maximal dehne – sehr zur Freude der Kinder und Nachbarn, die einen weit über 60-Jährigen im Klettergerüst herumhangeln sehen; frühmorgens, wenn ich barfuß jogge, um meinen Körper zu spüren und meine Sinne auf den Tag einzustellen; und während der Arbeit, wenn ich lange sitzen muss und immer wieder mit kleinen Übungen die starre Haltung unterbreche. Das Pensum, das ich als Forscher, Lehrer und Autor zurzeit erledige, könnte ich nicht schaffen, wenn ich meinen Körper und besonders mein Fasziensystem nicht pflegen würde.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie – auch durch dieses Buch – dasselbe erleben und in Ihrem Körper spüren können. Daher lade ich Sie ein, mich auf eine Reise zu den bisher verborgenen Strukturen zu begleiten, die Sie und mich ganz wesentlich ausmachen. Anfangs ist es eine Spurensuche, und es werden auch einige etwas trockenere Landstriche zu durchqueren sein. Das sind die Kapitel, die Grundlagen samt anatomischen und physiologischen Details erklären. Sie gehören aber einfach dazu, wenn man die Prinzipien des Faszientrainings verstehen will, die über Muskeltraining und Kraftaufbau hinausgehen und viel mit den Eigenschaften des Gewebes zu tun haben. Und ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur für Sportler, Trainer und Bewegungslehrer aller Art interessant und nützlich ist, sich etwas tiefer auf das Geschehen in den Faszien einzulassen, sondern auch für Leser, die einfach ein befriedigendes Körper- und Bewegungsgefühl erlangen möchten – eigentlich für alle. Besonders auch für Menschen mit Schmerzen, Ältere, die ein sinnvolles, einfaches Trainingsprogramm und Informationen suchen, oder Ungeübte, die sanft in den Sport einsteigen wollen. Praxistipps gibt es außer im Übungskapitel auch im Abschnitt über Ernährung und gesunden Lebensstil.

Auf unserer Reise in die unbekannte Welt der Faszien werden Sie einiges erfahren, von dem Sie vielleicht noch nie gehört haben. Anderes ist Ihnen beim Training oder auf der Bank des Physiotherapeuten möglicherweise schon begegnet. Aber verschaffen Sie sich ruhig erst einen Überblick über die Eigenschaften und Funktionen der Faszien, bevor Sie sich mit Feuereifer auf die Übungen stürzen. Sie werden so viel mehr vom Training profitieren und auch für Ihren Alltag einige neue Einsichten erlangen.

Nach einem langen Tag gibt es kaum etwas Erfrischenderes, als mich im Park bei meiner Wohnung in München-Schwabing auszutoben.

Vor allem aber soll unser Faszientraining auch Spaß machen! Denn sinnliches Vergnügen ist, das werden Sie noch erfahren, aus vielen Gründen wesentlich für unsere Art von Faszientraining. Und so starten wir jetzt unsere Expedition mit der Aussicht auf neue Freude am eigenen Körper und an der Bewegung.

Kapitel 1

Faszien undBindegewebe –was ist das?

Bevor Sie trainieren, sollten Sie mehr über die Faszien und die Bedeutung des Bindegewebes für Ihren Körper wissen. Denn das Bindegewebe ist erstaunlich vielfältig und hat Funktionen, die den ganzen Organismus betreffen. Deshalb möchte ich Ihnen in diesem Kapitel einen Überblick über die verschiedenen Typen von Fasziengewebe und seine Eigenschaften geben. Sie werden sehen, dass bestimmte Grundfunktionen des Bindegewebes für fast alle Typen gleich sind. Und nicht nur das – die Faszien sind über weite Körperstrecken vernetzt, auch über verschiedene Organe hinweg. Das alles hat Auswirkungen auf die Art des Trainings, das ich mit meinen Kollegen entwickelt habe und das wir Ihnen in Kapitel 3 vorstellen. Noch wichtiger werden diese Eigenschaften oder Funktionen dann, wenn man bedenkt, dass sie auch mit Schmerzen, bestimmten Krankheiten oder Funktionseinschränkungen zusammenhängen, sich im Alter verändern und sogar die psychische Gesundheit beeinflussen können. Dazu werfen wir in diesem Kapitel auch einen Blick auf die Wissenschaft von den Faszien.

Die folgenden Abschnitte sind daher wichtig, wenn Sie von Ihrem Training maximal profitieren wollen. Wer es sehr eilig hat, wird sie vielleicht überspringen wollen und gleich zu den Übungen in Kapitel 3 blättern. In einer ruhigen Minute sollten Sie die Lektüre allerdings besser nachholen – Sie werden mehr von den Übungen haben und vielleicht wichtige Erkenntnisse in Ihren Alltag übernehmen können.

Frische Faszien

Wahrscheinlich hat jeder schon einmal ein Stück Fasziengewebe in der Hand gehabt und sogar mit dem Messer traktiert – in der Küche. Wenn wir Fleisch zubereiten, ist das meistens das Muskelfleisch von Tieren, und dort bekommen wir oft die dazugehörigen Faszien zu Gesicht: Sie durchziehen als feine Marmorierung die Fleischstücke und sitzen sichtbar als weiße Schicht darauf. In der Regel schneiden Metzger, Koch oder Hausfrau die Sehnen und fast alle weißen Schichten weg. Je nach Fleischsorte und Gericht behält man sie manchmal aber auch, denn sie geben Geschmack und Fett ab. Wenn man es bei einem Schweinebraten zum Beispiel auf eine schöne, knusprige Schwarte abgesehen hat, lässt man ein dickes Stück der Bauchfaszie samt Fett am Braten. Bei einem typischen Roastbeef, das aus der Lende stammt, ist wie hier im Bild meistens ein Teil der großen Rückenfaszie des Tieres zu sehen. Sie wird zum Braten eingekerbt. Diese Faszien, die Sie im Bild sehen, sind also Muskelfaszien, es gibt aber auch andere Typen von faszialem Gewebe, etwa in den Eingeweiden. In diesem Buch konzentrieren wir uns jedoch auf Faszien des Bewegungsapparates, also auf die Muskelfaszien.

Faszien live: ein typisches Roastbeef, innen fein marmoriert mit Fett und Bindegewebe. Die weiße Schicht obendrauf ist ein Stück der großen Rückenfaszie.

Urstoff mit vielen Funktionen

Faszien bestehen im Wesentlichen aus den Urbausteinen des Lebens: Protein und Wasser. Wie das Gewebe genau zusammengesetzt ist, entscheidet die Funktion an der Körperstelle, an der es sich befindet. Diese Funktionen und damit die Bautypen sind so vielfältig, dass dies für Nicht-Fachleute verwirrend sein kann. Und auch Fachleute haben sie bis vor Kurzem nicht unter einem einheitlichen Blickwinkel betrachtet. Sehr wohl bekannt war den Medizinern, Physiologen und Anatomen allerdings, dass die großen Faszienblätter, auch Sehnen und Bänder, die strammen Hüllen um Organe wie Niere oder Herz, die hauchdünnen Schichten rund um Muskelbündel sowie die Gelenkkapseln aus denselben Grundelementen bestehen und dass sie alle mit dem lockeren Unterhautfettgewebe, dem losen, netzartigen Füllgewebe im Bauchraum und sogar mit Knorpeln und Fettgewebe wesentliche Bau- und Funktionsprinzipien gemein haben. Tatsächlich handelt es sich bei allem Bindegewebe um eine Art Universalbaustoff im Körper: Es sind Fasern in einem Netz, das mal fester, mal lockerer geknüpft ist und mal mehr, mal weniger Flüssigkeit enthält. Dieses Netz kann sowohl dehnbar als auch dicht, zug- und reißfest oder weich und lose sein. Und immer besteht es aus denselben Bausteinen in unterschiedlichen Anteilen: Kollagen, Elastin und einer wässrigen bis gelartigen Grundsubstanz.

Auf dem ersten Weltkongress zur Faszienforschung 2007 haben daher die Initiatoren, zu denen auch ich gehörte, beschlossen, den Begriff neu zu fassen: Das faserige Bindegewebe im Bewegungsapparat sowie die festen Hüllen um die Organe bezeichneten wir fortan als »Faszien«. Wir wollten außerdem die Gesamtheit der Bindegewebsfunktionen im Blick behalten. Unser Veranstaltungsteam zog damit die Konsequenz aus dem Wissen, das Ärzte, Physiologen, Biologen, Orthopäden, Anatomen, aber auch Physiotherapeuten und Masseure, Bewegungstherapeuten und alternative Heiler aller Disziplinen seit den 1960er-Jahren zusammengetragen hatten.

Als dieses Buch 2014 erschien, gab es an dem umfassenden Faszienbegriff, den wir hier verwenden, vereinzelt noch Kritik aus der Fachwelt. Doch inzwischen hat sich das geändert: Das Konzept eines zusammenhängenden Fasziennetzwerkes im menschlichen Körper ist unter Orthopäden und auch bei Sportwissenschaftlern inzwischen akzeptiert. Weitere Kritik betraf das Faszientraining, etwa mit folgendem Einwand: »Faszien kann man nicht gezielt trainieren, denn sie sind untrennbar mit den Muskeln verbunden.«

Diese auf den ersten Blick plausible Überlegung wurde immer wieder vorgebracht, auch von renommierten Experten. Aber auch hier haben die Kollegen inzwischen umgelernt. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass das kollagene Gewebe andere Reizschwellen und Anpassungszeiten hat als die Muskelfasern, und dass es daher richtig ist, ein spezifisch dosiertes und ausgerichtetes Faszientraining zu praktizieren. In einigen Fällen sind es dieselben Kritiker, die sich bei der Erstausgabe des Buches noch klar gegen eine spezifische Trainierbarkeit der Faszien aussprachen, die heute – und das erfüllt uns mit Freude – umgeschwenkt sind und jetzt auch selbst das Faszientraining propagieren.

Die Bausteine der Faszien

Kollagene

Als Bestandteil der Faszien spielen vor allem Kollagene eine Rolle. Kollagene sind recht feste Fasern, die dem Menschen und allen Wirbeltieren buchstäblich Form geben. Man nennt sie deshalb auch Gerüsteiweiße oder Strukturproteine. Mit einem Anteil von 30 Prozent sind Kollagene die am häufigsten im Körper vorkommenden Proteine, also wahrhaft ein Urstoff: Sogar die Knochen gehen ursprünglich aus Kollagenfasern hervor. Im Mutterleib produziert der Embryo zunächst Kollagen, das dann Mineralien, darunter Kalzium, einlagert. So wird aus weichen Fasern harter Knochen.

Diese Aufnahmen von Kollagenfasern stammen von einem Rasterelektronenmikroskop mit extremer Vergrößerung.

Die Kollagene gibt es in rund 28 unterschiedlichen Typen, davon sind vier sehr häufig. Und sie haben interessante mechanische Eigenschaften: Sie sind leicht dehnbar und trotzdem sehr reißfest – ihre Zugfestigkeit ist höher als die von Stahl!

Elastin

Elastin ist das zweite Faserelement, das im Fasziengewebe vorkommt. Elastinfasern sind besonders dehnbar: Bei Zug können sie sich auf bis zu 150 Prozent der Ausgangslänge ausdehnen und anschließend in ihre alte Form zurückkehren, wie ein Gummi. Der Name »Elastin« deutet auf diese wichtige Eigenschaft hin, denn Elastin kann sich auf mehr als die doppelte Länge ausdehnen, bevor es – bei Überlastung – schließlich reißt.

Stark vergrößert dargestellte Elastinfasern aus der Hauptschlagader.

Die Dehnbarkeit ist gerade für Körperteile wichtig, die mechanisch beansprucht werden oder ihre Form verändern müssen, für die Blase zum Beispiel, die sich abwechselnd füllt und entleert. Dank des hohen Anteils an Elastin kann sie sich wie ein Luftballon ausdehnen und wieder zusammenziehen. Auch die Haut, die bei Bewegungen immer gedehnt wird, enthält Elastin.

Allerdings stimmt es nicht, dass die Elastinfasern für die elastische Federung der Faszien verantwortlich sind. Elastin ist zwar, ähnlich einem Kaugummi, sehr dehnbar, aber es sind die Kollagenfasern, die Bewegungsenergie speichern und sie wie ein Katapult wieder abgeben. Dieses Phänomen erklären wir noch ausführlich im nächsten Kapitel. Fürs Erste ist der Unterschied zwischen Elastin- und Kollagenfasern wichtig. Die Verwirrung dabei liegt an unserer Alltagssprache: Hier ist bei dem Begriff »Elastizität« oft unklar, ob damit hohe Dehnbarkeit wie bei einem Kaugummi oder eine hohe Speicherfähigkeit für Bewegungsenergie wie bei einer Stahlfeder gemeint ist. Elastinfasern sind auf die erste Eigenschaft spezialisiert, Kollagenfasern hingegen auf die zweite.

Die Bindegewebszellen