Faszien-Fitness - Robert Schleip - E-Book

Faszien-Fitness E-Book

Robert Schleip

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Wer in Alltag und Sport beweglich, vital und schmerzfrei bleiben will, sollte etwas für sein Bindegewebe tun! Diese Erkenntnis setzt sich in den letzten Jahren in Physiotherapie, Sportwissenschaft und Medizin mehr und mehr durch. Denn das muskuläre Bindegewebe – die sogenannten Faszien – spielt eine große Rolle für Wohlbefinden, Beweglichkeit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit: Sie übertragen die Kraft der Muskeln, kommunizieren mit dem Nervensystem, dienen als Sinnesorgan, sorgen für Schutz und Stoffaustausch der inneren Organe und bilden die Grundlage für eine schöne Körperform. Was man bisher nur Muskeln zutraute, kann auch das Bindegewebe: Es reagiert auf Belastung und Reize und wenn Faszien verfilzen oder verkleben, können Schmerzen und Bewegungsprobleme die Folge sein. Die Faszien sollten deshalb gezielt trainiert werden – 10 Minuten zweimal in der Woche genügen! Wie sich die neuen Erkenntnisse in ein praktisches Übungsprogramm für den Alltag umsetzen lassen, zeigt dieses Buch des führenden deutschen Faszienforschers und Rolfing-Therapeuten Robert Schleip. Mit Übungsfotos, Einblick in die Wissenschaft von den Faszien, Tipps und Adressen.

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Seitenzahl: 200

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ROBERT SCHLEIP

mit Johanna Bayer

FASZIEN FITNESS

Vital, elastisch, dynamisch in Alltag und Sport

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Wichtiger Hinweis

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle Fitnessberatung und medizinische Beratung dar. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und die Autoren haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Originalausgabe

8. Auflage 2018

© 2014 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Caroline Kazianka

Umschlaggestaltung: Maria Wittek

Umschlagabbildungen: Vukašin Latinović

Models: Daniela Meinl, Markus Rossmann

Layout und Satz: Meike Herzog

ISBN Print 978-3-86883-483-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86413-649-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86413-650-4

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.muenchner-verlagsgruppe.de.

INHALT

Vorwort von Klaus Eder

Zur Einführung: Warum Sie Ihre Faszien trainieren sollten

1. Kapitel: Faszien und Bindegewebe – was ist das?

2. Kapitel: Die Prinzipien des Faszientrainings

3. Kapitel: Die Übungen

4. Kapitel: Faszien, Physiotherapie und sanfte Heilmethoden

5. Kapitel: Fitte Faszien: Essen und gesunder Lebensstil

Schlusswort: Die Zukunft gehört den Faszien

Adressen, Links, Infos

Die Autoren

Bildnachweis

Übungsübersicht

Klaus Eder (links) auf dem Weg zur Sofortmaßnahme

VORWORT

von Klaus Eder

Der Einladung, ein Vorwort zu einem Buch über mein Lieblingsthema Faszien zu schreiben, kann ich beim besten Willen und selbst bei knappstem Terminkalender einfach nicht widerstehen. Noch dazu wenn dieses Buch von einem Kollegen kommt, dessen Arbeit ich über alle Maßen schätzen und mit dem mich schon seit vielen Jahren die Faszination für die Rolle der Faszien im menschlichen Körper, und hier ganz besonders im Bereich der Sportmedizin, verbindet: Dr. Robert Schleip.

Mit seiner Forschungsarbeit und seinem Einsatz auf dem Feld der Physiotherapie hat Dr. Robert Schleip die Faszien nicht nur zum Gegenstand der Wissenschaft gemacht, sondern auch in den Fokus von Sportphysiotherapeuten und manueller Behandlung gerückt.

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr es mich freut, dass er jetzt auch mit einem allgemeinverständlichen Buch das Wissen über Faszien einer breiten Leserschaft und vielen Menschen zugänglich macht.

Seit Jahrzehnten arbeite ich mit Hochleistungssportlern und sie vertrauen mir ihre Körper an. Die deutsche Fußballnationalmannschaft betreue ich schon seit 1988 und habe in dieser Rolle »unsere Jungs« über insgesamt sieben Weltmeisterschaftsturniere begleitet. Von 1990 bis 2012 durfte ich auch das deutsche Davis-Cup-Tennis-Team als zuständiger Physiotherapeut betreuen.

Mein Diagnose- und Behandlungsinstrument sind dabei meine bloßen Hände und ich kenne inzwischen die Härte und Weichheit der Muskeln und Faszien bei den meisten dieser Spitzensportler so gut wie meinen eigenen Garten.

Ebenso kenne ich aber auch die oft dramatischen persönlichen Herausforderungen, wenn ein Spieler aufgrund von Verletzungen oder Überlastungsschäden ganz oder vorübergehend ausscheidet – und ich weiß: Fast immer ist Fasziengewebe betroffen. In vielen Fällen kann ich dann aber mit meinen Händen das Ausmaß und die Zeitdauer des Leidens verkürzen. Dabei helfen mir vor allem meine Kenntnisse der faszialen Anatomie sowie meine langjährige Behandlungserfahrung.

Allerdings beruhte vieles, was ich und andere auf diesem Feld über lange Zeit gemacht haben, mehr auf Intuition und Erfahrung als auf gesichertem Wissen. Erst die Arbeit von Dr. Robert Schleip hat das geändert: Er und seine Kollegen von der Universität Ulm haben in Experimenten ganz neue Grundlagen für das Verständnis von den Faszien gelegt, denn sie zeigten, dass Faszien sich unabhängig vom Muskel verhärten können und dass dies auch mit Stress im Zusammenhang steht.

Als Manualtherapeut habe ich schon seit Jahrzehnten mit meinen Fingern solche Verhärtungen bei meinem Sportlern und Patienten ertasten können, Doch mit Erklärungen und Mitteilungen musste ich mich oft bedeckt halten – ich hatte keine, ich hatte nur mein Gefühl. Als Praktiker habe ich im Gespräch mit Orthopäden und Medizinern dann feststellen müssen, dass diese ganz bestimmte Modelle über die Entstehung dieser Verhärtungen im Kopf hatten, die zu meiner Intuition nicht passten. Und es war alles andere als einfach, mit ihnen zu diskutieren.

Es freut mich daher ganz besonders, dass Robert Schleip für seine experimentellen Arbeiten im Jahr 2006 den renommierten Vladimir Janda Preis für Muskuloskeletale Medizin’ bekommen hat.

Vor allem, weil ich bei Prof. Vladimir Janda, dem großen Muskelforscher und Neurophysiologen aus Prag, selbst noch gelernt habe. Prof. Janda war einer der ersten, die mich und andere Pioniere im Feld der heutigen Sport-Physiotherapie darauf hinwiesen, wie wichtig die Faszien für den Ablauf gesunder Bewegungen sind und wie deutlich sie auf die Behandlung reagieren.

Das beobachte ich nicht nur bei meinen Spitzensportlern, sondern auch bei den Freizeitsportlern, die wir in unserem Behandlungszentrum Eden Reha in Donaustauf seit vielen Jahren mit betreuen.

Daher begrüße ich es außerordentlich, dass mit diesem Buch das Faszientraining für alle Menschen, ob Leistungs- oder Hobbysportler, zugänglich wird, und dass es in verständlicher Weise die Funktion der Faszien im Körper erklärt.

Dieses gezielte Faszientraining, das Robert Schleip mit seinen Kollegen in den letzten Jahren entwickelt hat, hat aus meiner Sicht ein sehr großes Potential. Es würde mich sehr freuen, wenn dieses Buch dazu beiträgt, dass mehr Menschen Spaß und Erfolg im Sport haben, ohne sich zu verletzen und auf die rettende therapeutische Hilfe von mir und anderen faszienkundigen Kollegen angewiesen zu sein.

Dabei werden wir, die Sportphysiotherapeuten, bestimmt nicht arbeitslos – aber dank der Arbeit von Forschern wie Robert Schleip werden wir es in Zukunft leichter haben.

Donaustauf, im August 2014

Klaus Eder

Klaus Eder

ist Physiotherapeut und betreut seit vielen Jahren Spitzensportler und Olympiateilnehmer aus verschiedenen Sportarten, darunter auch die deutsche Fußballnationalmannschaft und das deutsche Davis-Cup-Team. In Donaustauf betreibt er Eden Reha, eine Praxis für Physiotherapie und Krankengymnastik mit einer angeschlossenen Rehabilitationsklinik für Sport- und Unfallverletzte. Darüber hinaus bietet Eden Reha laufend Fortbildungen für Ärzte, Gesundheitsfachleute und Sportlehrer an, etwa zur Sportphysiotherapie oder zur Faszium-Therapie.

ZUR EINFÜHRUNG

Warum Sie Ihre Faszien trainieren sollten

Faszien faszinieren mich. Die Faszien, auch Bindegewebe genannt, sind der universelle Baustoff, der unseren ganzen Körper durchzieht, alle Organe umhüllt und uns Form und Struktur gibt. Dieses Material und seine Eigenschaften sind so interessant, dass ich vom Körpertherapeuten zum Naturwissenschaftler wurde: Ich wollte wissen, welchen Anteil die Faszien an menschlichen Bewegungen haben und was sie für Körper und Psyche wirklich bedeuten. Inzwischen ist mir klar, dass ihre Leistung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann – und dass wir gut daran tun, uns in Alltag und Sport der Faszien viel mehr bewusst zu werden.

Was das bedeutet, möchte ich Ihnen in diesem Buch nahebringen. Denn viel zu lange standen die Faszien im Abseits, auch wenn Mediziner, Trainer und Physiotherapeuten sehr wohl um ihre Existenz und ihre Funktionen wussten. Doch wenn an chronischen Rückenschmerzen mit Operationen herumlaboriert wurde, wenn man in der Physiotherapie Schmerz und Verspannungen lindern wollte, wenn Sportler nach langem Training in der Leistung stagnierten, konzentrierte man sich auf Muskeln, Nerven, Knochen, Koordination und Kraft. Die Faszien wurden nicht als eigenständiger Akteur gesehen. Das hat sich in den letzten Jahren massiv geändert: Die Faszien sind aus ihrem Aschenputteldasein herausgetreten.

Einiges, was sich in den letzten Jahren an Wissen rund um das Bindegewebe angesammelt hat, wirft alte Konzepte über den Haufen oder löst manchmal geradezu einen Paradigmenwechsel aus: Ein Muskelkater etwa kommt weniger aus dem Muskelgewebe, sondern entsteht hauptsächlich in den Faszien, die den Muskel umhüllen. Rückenschmerzen haben ihre Ursache in vielen Fällen nicht in Wirbeloder Bandscheibenschäden, sondern in den Faszien, Sportverletzungen sind zum allergrößten Teil keine Muskelprobleme, sondern Faszienverletzungen. Und die Faszien gelten inzwischen als eines unserer wichtigsten Sinnesorgane, das Bindegewebe schickt sogar Signale bis ins Gehirn und den Sitz des Bewusstseins. Alle Körperbewegungen werden von Sensoren in den Faszien mitbestimmt: Fallen sie aus, kann der Mensch seine Bewegungen nicht mehr steuern. Die Liste dieser neuen Erkenntnisse ist ziemlich lang, und fast täglich kommen aus aller Welt weitere dazu.

Sportverletzungen sind fast immer Verletzungen an Bändern, Gelenkkapseln oder Sehnen – also an faszialem Bindegewebe. Hier reißt sich die Nr. 28 von Bayern München, Holger Badstuber, gerade das Kreuzband im rechten Knie.

Sie stammen aus der medizinischen oder biologischen Forschung, aber auch von Physiotherapeuten und anderen Praktikern. Und weil ich selbst als Körper- und Bewegungstherapeut gearbeitet habe, bevor ich in die Wissenschaft ging, ist es mir besonders wichtig, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. So haben wir von der Fascial Fitness Association schon 2009 damit begonnen, die vielen Entdeckungen rund um die Faszien in ein Trainingsprogramm umzusetzen, das das Gewebe gezielt stimuliert, kräftigt und pflegt. Heute spannt sich das Netz von Faszienforschern, Sportwissenschaftlern und Bewegungstherapeuten, die das gezielte Faszientraining anwenden und weiterentwickeln, um die ganze Welt.

Unsichtbares Netzwerk: die Faszien. Diese einmaligen Mikroskopaufnahmen stammen von dem französischen Chirurgen J. C. Guimberteau.

Natürlich gibt es schon Hunderte von Büchern und Trainingsprogrammen, die alle viel und überdies dasselbe versprechen: mehr Kraft, bessere Leistung und Ausdauer, mehr Beweglichkeit, Gesundheit, Wohlbefinden und einen schöneren Körper. Wenn jetzt jemand sagt: »Was sollen wir denn noch alles machen?«, würde ich das gut verstehen. Und wenn jemand sagt: »Warum soll ich die Trainingsmethode wechseln? Ich komme gut klar«, würde ich auch das verstehen. Denn viel hilft nicht viel, wie gerade Sportler wissen – das Richtige muss es sein. Und mit dem Faszientraining kommt eine bislang fehlende Komponente ins Spiel. Ein gezieltes Faszientraining kann die Leistung optimieren, neuen Leistungszuwachs erzielen, im Alltag von Schmerzen und Steifigkeit befreien, und es lässt sich vor allem mühelos in ein anderes Trainingsprogramm integrieren, das Sie schon befolgen. Das heißt: Faszientraining ersetzt nicht alle bisherigen Trainingsprogramme, es ergänzt sie. Es bereichert sie um das Element, das bisher fehlte. Denn die Schwerpunkte in Sportwissenschaft und Trainingslehre waren über Jahrzehnte Kraft, Ausdauer und Koordination. Sie zielten also auf Muskeln, Kreislauf und neuronale Steuerung – ohne die Faszien zu berücksichtigen.

Viele Trainingsprogramme betonen zwar, dass sie die Faszien mittrainieren. Aber das stimmt so nur bruchstückhaft, und es ist vor allem nicht effizient: Faszien brauchen eigene Impulse und bestimmte Bewegungen. In den üblichen, festgelegten und stereotypen Programmen fehlen diese Impulse meist ganz oder treten nur zufällig und ohne abgestimmte Dosierung auf. Zum Vergleich: Wer für einen Marathon trainiert, trainiert auch irgendwie seine Muskeln mit. Doch große Gewichte wird er nicht stemmen können – denn die dafür nötigen Muskeln sind nicht gezielt aufgebaut worden. Gezieltes Training ist also das Schlüsselwort für die Optimierung.

Heute wissen wir, dass die Bedeutung der Faszien für das Funktionieren der Muskeln sowie die optimale Koordination enorm ist – aber dass sie eine spezielle Stimulation brauchen. Das wirkt sich auf die Trainingskonzepte aus, die schon mehrere Erneuerungswellen durchlaufen haben. Nachdem früher einzelne Muskeln trainiert wurden, richtete man danach das Augenmerk auf Muskelketten und funktionale Bewegungsabläufe – und heute zeichnet sich etwas Neues ab: Training muss auch das ganze Fasziennetzwerk und seine langen Zugbahnen erfassen. Denn der Zustand der Faszien beeinflusst Ausmaß und Heilung von Verletzungen ebenso wie die Regeneration nach Training und Wettkampf. Er bestimmt sogar viel mehr – und das erfahren Sie in diesem Buch.

Faszientraining macht also Ihr persönliches Programm komplett. Das bedeutet nicht, dass Sie zusätzlich ein Riesenpensum bewältigen oder sich völlig umstellen müssen. Die Übungen, die wir vorschlagen, lassen sich problemlos integrieren und sorgen fast nebenbei für Wartung und Pflege Ihres Fasziennetzwerks im Körper. Sie sollen das Bindegewebe beleben und regenerieren, es vital und geschmeidig halten, damit Sie Ihre Muskeln noch besser trainieren können, Ihre Bewegungen flüssig und elegant werden und Ihre Widerstandskraft steigt. Denn Faszientraining erhöht die Belastbarkeit von Sehnen und Bändern, vermeidet schmerzhafte Reibereien in Hüftgelenken und Bandscheiben, schützt die Muskulatur vor Verletzung und hält den Körper in Form, weil es für eine jugendliche und straffe Silhouette sorgt. Das ist gerade auch im Alltag und mit zunehmendem Alter wichtig.

Das Ganze ist erstaunlich wenig aufwendig: zehn Minuten zweimal in der Woche reichen. Besondere Kleidung oder Geräte sind nicht erforderlich, das gesamte Programm ist unkompliziert, alltagstauglich und geeignet für alle Alters- und Trainingsstufen. Die Vorteile des Faszientrainings für den Sport, aber vor allem im Alltag liegen dabei auf der Hand:

Die Muskeln arbeiten effizienter.

Die Regenerationszeit verkürzt sich, sodass man schneller fit wird für das nächste Training und die nächste Anforderung.

Die Leistungsfähigkeit steigt.

Bewegungsabläufe und Koordination verbessern sich.

Die Bewegungen erlangen einen Ausdruck von geschmeidiger Eleganz und wirken weniger hölzern.

Körperhaltung und -form werden straffer und jugendlicher.

So kraftvoll und geschmeidig können sich diese Tänzer nur dank gut trainierter und gesunder Faszien bewegen.

Ein guter Faszienzustand bietet langfristig Schutz vor Verletzungen und Schmerz.

Es gibt viel mehr Spaß und Abwechslung im Training.

Faszientraining verleiht ein Gefühl von Jugendlichkeit und Spannkraft.

Die Übungen sind außerdem variierbar für verschiedene Bindegewebstypen oder Problemzonen. Auch im Hinblick auf das Altern, das uns ja alle trifft, ist ein regelmäßiges Faszientraining wichtig: Wir sind so alt wie unser Bindegewebe! Fitte Faszien halten Sie in Form, mit dem richtigen Training können Sie ein Leben lang jugendlich und straff bleiben. Wer also jung bleiben oder wieder jung werden will, tut gut daran, seine Faszien richtig zu pflegen. Was das alltägliche Leben angeht, so gibt es aber noch weitere Auswirkungen. Viele kennen die üblichen Zipperlein, die uns oft und lange begleiten und sich zu Problemen auswachsen können: Rückenschmerzen, Schulter- und Ellenbogenprobleme, Nackenschmerzen, Verspannungen, Kopfschmerzen sowie Fußprobleme wie der Fersensporn. Mediziner erkennen zunehmend, dass bei allen diesen Syndromen der Zustand des Bindegewebes eine wesentliche Rolle spielt, dass Störungen im Bindegewebe sogar die Ursache sein können, etwa bei Schulterproblemen wie der schmerzhaften Schultersteife, auch »Frozen Shoulder« genannt. Und dass sie mit faszienbetonten Behandlungen und Trainingsprogrammen zu lindern oder zu beseitigen sind.

EINE REISE IN DIE UNBEKANNTE WELT DER FASZIEN

Als Körpertherapeut, forschender Humanbiologe und Lehrer sehe ich die Faszien und ihre Bedeutung unter vielen verschiedenen Perspektiven, ob in meiner naturwissenschaftlichen Arbeit oder in der Aus- und Fortbildung von Medizinern, Physiotherapeuten, Rolfern und Osteopathen. Aber jeden Tag erlebe ich auch, was das alles für mich selbst und meinen Körper bedeutet: beim Aufstehen, wenn ich mich genüsslich räkele und strecke, weil das so wohltuend wach macht. Nach einem anstrengenden Tag, wenn ich im Park um die Ecke im Klettergerüst herumturne und alle Gelenke maximal dehne – sehr zur Freude der Kinder und Nachbarn, die einen 60-Jährigen im Klettergerüst herumhangeln sehen. Frühmorgens, wenn ich barfuß jogge, um meinen Körper zu spüren und meine Sinne auf den Tag einzustellen. Und während der Arbeit, wenn ich lange sitzen muss und immer wieder mit kleinen Übungen die starre Haltung unterbreche. Das Pensum, das ich als Forscher, Lehrer und Autor zurzeit erledige, könnte ich nicht schaffen, wenn ich meinen Körper und besonders mein Fasziensystem nicht pflegen würde.

Im Park bei meiner Wohnung in MünchenSchwabing. Nach einem langen Tag gibt es kaum etwas Erfrischenderes, als mich dort auszutoben.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie – auch durch dieses Buch – dasselbe erleben und in Ihrem Körper spüren können. Daher lade ich Sie ein, mich auf eine Reise zu den bisher verborgenen Strukturen zu begleiten, die Sie und mich ausmachen. Anfangs ist es eine Spurensuche, und es werden auch einige etwas trockenere Landstriche zu durchqueren sein. Das sind die Kapitel, die Grundlagen erklären samt anatomischen und physiologischen Details. Sie gehören aber einfach dazu, wenn man die Prinzipien des Faszientrainings verstehen will, die über Muskeltraining und Kraftaufbau hinausgehen und viel mit den Eigenschaften des Gewebes zu tun haben. Und ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur für Sportler, Trainer und Bewegungslehrer aller Art interessant und nützlich ist, sich etwas tiefer auf das Geschehen in den Faszien einzulassen. Sondern auch für Leser, die einfach ein befriedigendes Körper- und Bewegungsgefühl erlangen möchten – eigentlich für alle. Besonders auch für Menschen mit Schmerzen, Ältere, die ein sinnvolles, einfaches Trainingsprogramm und Informationen suchen, oder Ungeübte, die sanft in den Sport einsteigen wollen. Praxistipps gibt es außer im Übungskapitel auch im Abschnitt über Ernährung und gesunden Lebensstil.

Auf unserer Reise in die unbekannte Welt der Faszien werden Sie einiges erfahren, von dem Sie vielleicht noch nie gehört haben. Anderes ist Ihnen beim Training oder auf der Bank des Physiotherapeuten möglicherweise schon begegnet. Aber verschaffen Sie sich ruhig erst einen Überblick über die Eigenschaften und Funktionen der Faszien, bevor Sie sich mit Feuereifer auf die Übungen stürzen. Sie werden so viel mehr vom Training profitieren und auch für Ihren Alltag einige neue Einsichten erlangen.

Vor allem aber soll unser Faszientraining auch Spaß machen! Denn sinnliches Vergnügen ist, das werden Sie noch erfahren, aus vielen Gründen wesentlich für unsere Art von Faszientraining. Und so starten wir jetzt unsere Expedition mit der Aussicht auf neue Freude am eigenen Körper und an der Bewegung.

1. KAPITEL

Faszien und Bindegewebe – was ist das?

Bevor Sie trainieren, sollten Sie mehr über die Faszien und die Bedeutung des Bindegewebes für Ihren Körper wissen. Denn das Bindegewebe ist erstaunlich vielfältig und hat Funktionen, die den ganzen Organismus betreffen. Deshalb möchte ich Ihnen in diesem Kapitel einen Überblick über die verschiedenen Typen von Fasziengewebe und seine Eigenschaften geben. Sie werden sehen, dass bestimmte Grundfunktionen des Bindegewebes für fast alle Typen gleich sind. Und nicht nur das – über weite Körperstrecken ist das Bindegewebe vernetzt, auch über verschiedene Organe hinweg. Das alles hat Auswirkungen auf die Art des Trainings, das ich mit meinen Kollegen entwickelt habe und das wir Ihnen in Kapitel 3 vorstellen. Noch wichtiger werden diese Eigenschaften oder Funktionen dann, wenn man bedenkt, dass sie auch mit Schmerzen, bestimmten Krankheiten oder Funktionseinschränkungen zusammenhängen, sich im Alter verändern und sogar die psychische Gesundheit beeinflussen können. Dazu werfen wir auch einen Blick in die Wissenschaft von den Faszien.

Die folgenden Abschnitte sind daher wichtig, wenn Sie von Ihrem Training maximal profitieren wollen. Wer es sehr eilig hat, wird dieses Kapitel vielleicht überspringen wollen und gleich zu den Übungen in Kapitel 3 blättern. In einer ruhigen Minute sollten Sie die Lektüre allerdings besser nachholen – Sie werden mehr von den Übungen haben und vielleicht wichtige Erkenntnisse in Ihren Alltag übernehmen können.

FRISCHE FASZIEN!

Wahrscheinlich hat jeder schon einmal ein Stück Fasziengewebe in der Hand gehabt und sogar mit dem Messer traktiert – in der Küche. Da wir gerne das Muskelfleisch von Tieren verzehren, bekommen wir auch oft die dazugehörigen Faszien zu Gesicht: Sie durchziehen als feine Marmorierung die Fleischstücke und sitzen sichtbar als weiße Schicht darauf. In der Regel schneiden Metzger, Koch oder Hausfrau die Sehnen und weiße Schichten weg. Je nach Fleischsorte und Gericht behält man sie manchmal aber auch, denn sie geben Geschmack und Fett ab. Wenn man es bei einem Schweinebraten zum Beispiel auf eine schöne, knusprige Schwarte abgesehen hat, lässt man ein dickes Stück der Bauchfaszie samt Fett am Braten. Bei einem typischen Roastbeef, das aus der Lende stammt, ist wie hier im Bild meistens ein Teil der großen Rückenfaszie des Tieres zu sehen. Sie wird zum Braten eingekerbt. Diese Faszien, die Sie im Bild sehen, sind also Muskelfaszien, es gibt aber auch noch andere Typen von faszialem Gewebe.

Faszien live: ein typisches Roastbeef, innen fein marmoriert mit Fett und Bindegewebe. Die weiße Schicht obendrauf ist ein Stück der großen Rückenfaszie.

URSTOFF MIT VIELEN FUNKTIONEN

Faszien bestehen im Wesentlichen aus den Urbausteinen des Lebens: Protein und Wasser. Wie das Gewebe genau zusammengesetzt ist, entscheidet die Funktion an der Körperstelle, an der es sich befindet. Diese Funktionen und damit auch die Bautypen sind so vielfältig, dass das für Nichtfachleute verwirrend sein kann. Und auch Fachleute haben sie bis vor Kurzem nicht unter einem einheitlichen Blickwinkel betrachtet. Sehr wohl bekannt war den Medizinern, Physiologen und Anatomen allerdings, dass die großen Faszienblätter, auch Sehnen und Bänder, die strammen Hüllen um Organe wie Niere oder Herz, die hauchdünnen Schichten rund um Muskelbündel sowie die Gelenkkapseln aus demselben Material bestehen. Und dass sie alle mit dem lockeren Unterhautfettgewebe, dem losen, netzartigen Füllgewebe im Bauchraum und sogar Knorpeln und Fettgewebe wesentliche Bau- und Funktionsprinzipien gemein haben. Tatsächlich handelt es sich bei allem Bindegewebe um eine Art Universalbaustoff im Körper: Es sind Fasern in einem Netz, das mal fester, mal lockerer geknüpft ist und mal mehr, mal weniger Flüssigkeit enthält. Dieses Netz kann sowohl dehnbar als auch dicht, zug- und reißfest oder weich und lose sein. Und immer besteht es aus denselben Bausteinen in unterschiedlichen Anteilen: Kollagen, Elastin und einer wässrigen Grundsubstanz.

Auf dem ersten Weltkongress zur Faszienforschung 2007 haben daher die Initiatoren, zu denen auch ich gehörte, beschlossen, den Begriff neu zu fassen: Das Bindegewebe im Bewegungsapparat sowie die festen Hüllen um die Organe bezeichneten wir fortan als »Faszien«. Wir wollten außerdem die Gesamtheit der Bindegewebsfunktionen im Blick behalten. Unser Veranstaltungsteam zog damit die Konsequenz aus dem Wissen, das Ärzte, Physiologen, Biologen, Orthopäden, Anatomen, aber auch Physiotherapeuten und Masseure, Bewegungstherapeuten und alternative Heiler aller Disziplinen seit den 1960er-Jahren zusammengetragen hatten.

Heute betrachten Faszienforscher weltweit das gesamte Bindegewebe als ein eigenes Organ, als System, das den ganzen Körper durchdringt und das sowohl allgemeine als auch einige sehr spezifische Aufgaben hat. Und sie verwenden die Begriffe »Faszien« und »Bindegewebe« weitgehend synonym – so ist es auch in diesem Buch. Allerdings machen nicht alle Anatomen und Mediziner das so. Mediziner verstehen unter »Bindegewebe« auch Blut, Knochen und weitere Gewebe, und sie betrachten nur bestimmte Teile des muskulären Bindegewebes als Faszien. Hier halten wir uns aber an den modernen Faszienbegriff: Danach ist das, was man in der Alltagssprache unter Bindegewebe versteht, gleichbedeutend mit dem Wort »Faszien«.

DIE BAUSTEINE DER FASZIEN

Kollagene

Kollagenfasern unter dem Rasterelektronenmikroskop

Als Bestandteil der Faszien spielen vor allem Kollagene eine Rolle. Kollagene sind recht feste Fasern, die dem Menschen und allen Wirbeltieren buchstäblich Form geben. Man nennt sie deshalb auch Gerüsteiweiße oder Strukturproteine. Mit einem Anteil von 30 Prozent sind Kollagene die am häufigsten im Körper vorkommenden Proteine, also wahrhaft ein Urstoff: Sogar die Knochen gehen ursprünglich aus Kollagenfasern hervor. Im Mutterleib produziert der Embryo zunächst Kollagen, das dann Mineralien, darunter Kalzium, einlagert. So wird aus weichen Fasern harter Knochen.

Die Kollagene gibt es in rund 28 unterschiedlichen Typen, davon sind vier sehr häufig. Und sie haben interessante mechanische Eigenschaften: Sie sind leicht dehnbar und trotzdem sehr reißfest – ihre Zugfestigkeit ist höher als die von Stahl!

Elastin

Elastin ist das zweite Strukturprotein, das im Fasziengewebe vorkommt. Sein Name deutet bereits seine wichtigste Eigenschaft an: Es ist elastisch, lässt sich also dehnen und kehrt wieder in seine alte Form zurück wie ein Gummi. Bei Zug kann es sich auf mehr als die doppelte Länge ausdehnen, bevor es – bei Überlastung – schließlich reißt.

Elastinfasern aus der Hauptschlagader

Die Dehnbarkeit ist gerade für Körperteile wichtig, die mechanisch beansprucht werden oder ihre Form verändern müssen, für die Blase zum Beispiel, die sich abwechselnd füllt und entleert. Dank des hohen Anteils an Elastin kann sie sich wie ein Gummiball ausdehnen und wieder zusammenziehen. Auch die Haut, die naturgemäß bei Bewegungen gedehnt wird, enthält Elastin.

Die Bindegewebszellen

Beide Faserproteine, Kollagen und Elastin, werden von Zellen in den Faszien hergestellt, den eigentlichen Bindegewebszellen. Diese Fibroblasten sitzen verteilt in dem Geflecht, aus dem das Fasziengewebe besteht. Nur sie produzieren die Fasern des Bindegewebes, und zwar in dem Anteil, wie er im dazugehörigen Organ gerade gebraucht wird. Dabei reagieren sie auch auf Belastung, also Anforderungen von außen – trainiert man viel und entwickelt Kraft, produzieren die Fibroblasten auch mehr Fasern, die dem wachsenden Muskel helfen. Die Bindegewebszellen tauschen das Gewebe regelmäßig aus, allerdings eher langsam – innerhalb eines Jahres etwa die Hälfte des Fasziengewebes im Körper. Außer den nötigen Strukturproteinen scheiden die Bindegewebszellen auch Enzyme aus und dazu Botenstoffe, mit denen die Fibroblasten miteinander sowie mit anderen Zellen kommunizieren. Mittels dieser Botenstoffe wirken sie auch auf das Immunsystem ein. Diese Flüssigkeit und die darin schwimmenden Lymphzellen, Immunzellen und allerlei anderen Stoffe werden von Fachleuten »Grundsubstanz « genannt.

Die Matrix