Faszination Sabbatjahr - Willi Krämer - E-Book

Faszination Sabbatjahr E-Book

Willi Krämer

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Beschreibung

Ein Berufsfeuerwehrmann und eine System-Ingenieurin. Zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Er ist es gewohnt, Entscheidungen in Bruchteilen einer Sekunde zu fällen: Situation scannen, handeln, Feierabend. Sie löst Probleme analytisch und mit viel Zeit: Fakten werden gesichtet, Zusammenhänge erkannt, strukturiert, interpretiert, um letztendlich den bestmöglichen Entschluss zu fassen. Zusammen reisten die beiden ein Jahr um die Welt: Durch die USA mit dem Fahrrad, eine Fernbus-Rundreise durch Südamerika, mit dem Camper durch Australien und Backpacking in Asien. 362 unvergessliche und abenteuergeladene Tage, die einige Gefahren, aber auch viele lustige Situationen, beinhalteten.

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Seitenzahl: 653

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Die Kreuzfahrten durch die Karibik sowie Südsee sind aus Platzgründen hier nicht näher aufgeführt. Ebenso die Detail-Touren durch die USA, Südamerika und Australien. Tracks 3 und 6 siehe Detail-Karte USA.

Track 3: von New York nach San Diego Track 6: von Miami nach New Orleans

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Wie alles begann: die Vorbereitung

Island, immer hell, kalt und nass

Mit dem Rad nach Kansas City

Immer, wenn man denkt, es wird nicht mehr schöner…

Kalifornien, der Golden State

Auf hohen Wellen nach Südamerika

Valparaíso, die kulturelle Hauptstadt Chiles

Busrundreise durch Pampa und Savanne

Urlaub vom Urlaub, Karibikrundfahrt auf der AIDA

Südstaaten, eine Region voller Gefahren

Hawaii, oder wie man eine Party feiert

Australien, mit dem Camper durch das Outback

Die Südsee, das Paradies auf Erden

Singapur, Land der seltsamen Strafen

Thailand, oder Thaiboxen im Dschungel-Camp

Südkorea, die große Überraschung

Japan, hochmodern und viel Trubel

Transpazifik mit dem Schiff, die Heimreise naht

Jamaika, das mieseste Land unserer Reise

Warmshowers, Übernachtungen, die man nie vergisst

Wieder in Deutschland, alles noch beim Alten?

FAQs

Last but not least

Vorwort

Sabbatjahr? Was ist das eigentlich? Wie kommt man überhaupt darauf? Ist so etwas nicht nur für Lehrer?

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr, was letztendlich den Ausschlag gegeben hat, mich damit zu befassen.

Zum einen hatte sicherlich die Aussage meiner Schwester einen großen Anteil: "Wenn du aus der Schule kommst, dann musst du arbeiten, bis du alt bist." Dies hat sie vor ewigen Zeiten zu mir gesagt, als ich noch ein Kind war. Aus irgendeinem Grund hat sich dieser Satz bei mir eingebrannt.

Der zweite Grund war ein ehemaliger Arbeitskollege. Als ich 1987 in die Lehre kam, sagte er zu mir: "Im September 1989 gehe ich in Rente. Dann werde ich viel reisen und unternehmen." Er ging zwar wirklich wie vorausgesagt in Rente, jedoch reiste er nicht und unternahm auch nichts Großartiges. "Weißt du, ich habe mein ganzes Leben davon geträumt, etwas Tolles zu unternehmen, aber zu Hause ist es ja doch am Schönsten", erklärte er mir später. Dabei wirkte er sehr traurig. Ich denke, er war einfach zu alt, und ihm fehlte die Kraft und der Mut, um größere Projekte anzugehen. Die Aussage, dass es zu Hause am Schönsten sei, wirkte wie eine Ausrede. Damit musste er nicht zugeben, dass er seine Träume in Wirklichkeit aufgegeben hatte. Dies stimmte mich damals sehr nachdenklich und schwirrte, genauso wie die Aussage meiner Schwester, immer in meinem Hinterkopf herum.

Ich habe mich aber nie wirklich damit abgefunden, dass ich arbeiten müsse, bis ich alt bin. Da war immer so ein gewisser Zweifel. Aber wie sollte ich das bloß bewerkstelligen? Es gab ja zunächst auch keinen Ausweg. Meine Lehre machte ich im öffentlichen Dienst, danach bin ich zur Feuerwehr gegangen und wurde Beamter. Somit arbeitete ich immer unter festen Urlaubsregelungen. Unter diesen Bedingungen kam eine lange Auszeit also nicht in Frage. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich von der Möglichkeit eines Sabbatjahres hörte. Ich muss es wohl irgendwo aufgeschnappt haben. Mein Arbeitskollege Jörg war da in seinen Planungen schon weiter. Er erzählte mir, dass er es bereits beantragt hatte. "Das ist nicht nur für Lehrer, sondern für alle Beamte", erklärte er mir. Das gab mir dann den endgültigen Ausschlag, mich intensiver damit zu beschäftigen. Wie funktioniert so etwas überhaupt? Wie geht man das an? Spielt der Arbeitgeber mit? Und vielleicht die wichtigste Frage: „Macht Helena, meine Freundin, überhaupt mit, und wenn ja, kann sie es auch beantragen? Schließlich arbeitet sie in der freien Wirtschaft.“ So begann es also: das Unternehmen "Sabbatjahr"!

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und hoffe, dass ihr viel zu lachen bekommt.

Wie alles begann: die Vorbereitung

Die Aufregung wuchs, mir war ganz flau im Magen. Ein Gespräch lag vor mir. Ein Gespräch? Nein, DAS Gespräch. Ich musste zu meinem Chef und ihm irgendwie verkaufen, dass ich ein Jahr frei machen möchte, ein sogenanntes „Sabbatical“. Das bedeutete, ich würde der Feuerwehr ein Jahr lang fehlen, meine Arbeitskollegen müssten so lange für mich in die Bresche springen und meine Fehlzeiten kompensieren. Auch im Sachgebiet Ausbildung würde ich fehlen. Mein Tätigkeitsbereich umfasste zu dieser Zeit die Organisation und Schulung der Absturzsicherung. Alles, was irgendwie mit Höhen und Tiefen zu tun hatte, fiel in mein Ressort. Außerdem unterstützte ich die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr bei diversen Lehrgängen. Das müsste dann alles geregelt werden. Aber was, wenn mein Chef „Nein“ sagte? Zum Personalamt rennen? Dort vorsprechen? Mit Klage drohen? Nein! Das sollte einvernehmlich geschehen. Wer möchte sich schon so einen Ärger auf der Arbeit aufhalsen. Gibt es eine Alternative? Nicht wirklich. Entweder „Ja“ oder „Nein“. Ich durfte gar nicht daran denken und hatte echt Bammel vor dem Gespräch. Die Stufen hoch in den Bürotrakt wurde ich immer langsamer, suchte förmlich nach einem Grund, nicht weiterzugehen. Ich begab mich ins Vorzimmer und begann einen Smalltalk mit der Sekretärin. Sie musste mir die Aufregung angemerkt haben und schickte mich durch zum Chef. Ich wusste gar nicht, wann ich das letzte Mal so eine Nervosität verspürt hatte. Es musste sehr lange her gewesen sein. „Hallo Herr Schröder“, versuchte ich gut gelaunt zu wirken, „ich hätte da ein Anliegen.“ Dann folgte DAS Gespräch. Vielleicht gerade einmal zwei Minuten hat es gedauert.

Ich verließ das Büro, schloss die Tür hinter mir. Nichts wie raus aus dem Vorzimmer. Ich wollte alleine sein. Er hatte „Ja“ gesagt. Einfach so. „Ich kann Ihnen doch nicht ihren Lebenstraum versauen.“ So oder so ähnlich hat er erwidert. Ich kann es nicht mehr sagen, habe es gar nicht richtig wahrgenommen. Nach dem „Ja“ sind in meinem Inneren alle Dämme gebrochen. Die Gedanken überschlugen sich: „Was wird wohl auf mich zukommen? Wo werde ich zuerst hinreisen? Habe ich überhaupt genug Geld, um ein Jahr zu reisen? Bekommt meine Partnerin Helena auch ein Jahr frei ohne Probleme? Was, wenn ich krank werde?“ Fragen über Fragen. Die größte Frage aber stand noch im Raum: Wie fange ich das Ganze eigentlich an? Ich spürte, dass eine Menge Arbeit vor mir lag, um mich ordentlich vorzubereiten.

Nun aber einmal von vorne:

Wir, das sind Willi und Helena. Der Berufs-Feuerwehrmann und die System-Ingenieurin.

Zum Zeitpunkt des Reisebeginns war ich 48 Jahre alt, arbeitete seit über 20 Jahren bei der Berufsfeuerwehr in Koblenz und war vorwiegend in der Ausbildung tätig. Ich wohnte in Koblenz und hatte eine Fernbeziehung mit Helena, damals 35 Jahre alt. Sie arbeitete bei einem Luftfahrt-Unternehmen. Da sie in Frankfurt wohnte, trennten uns circa 130 Kilometer. Wir sahen uns an den Wochenenden oder wenn ich die Woche über frei hatte – was halt der Schichtplan so hergab. Unsere Urlaube verbrachten wir vornehmlich mit Radtouren. Von Frankfurt in die Metropolen Europas: Paris, Kopenhagen, Prag, Amsterdam, Zürich, Hamburg, Berlin, München hatten schon auf dem Programm gestanden. Ebenso entlang der französischen Atlantikküste von der Normandie bis nach Bilbao. In der Vorbereitung machten wir auch eine Alpenüberquerung zum Gardasee. Über die beiden Pässe Stilfser Joch (mit 2757 Metern der zweithöchste Gebirgspass der Alpen) und Mortirolo (die steile Giro d’Italia-Legende) mit einem insgesamt 35 Kilogramm schweren Fahrrad zu fahren, war schon ein Highlight. Never ever. Das war für uns der absolute Grenzbereich des körperlich Machbaren. Jedoch war es ein guter Test. Schließlich hatten wir ein ganzes Jahr voller Abenteuer vor uns. Da wir in den letzten Jahren unsere Urlaube vornehmlich mit dem Fahrrad verbracht hatten, war selbstverständlich schnell klar, mit welchem Fortbewegungsmittel wir fahren würden. Dies bedeutete nicht nur Urlaub, Party und gute Laune, sondern auch körperliche Belastung, Reisestress und eine Menge Entbehrungen.

Die Planungen begannen:

Es galt erst einmal die Frage zu klären, welches Modell ich für das Sabbatjahr in Anspruch nehmen konnte. Mit dem stellvertretenden Amtsleiter Herrn Obel besprach ich, wann es für alle Beteiligten am besten passte. Ein Fünf-Jahres-Modell sollte es werden. Das hieß, ich bekam vier Jahre lang nur achtzig Prozent vom Gehalt, und die angesparten viermal 20 Prozent bekam ich im fünften (arbeitsfreien) Jahr ausgezahlt. Damit konnte ich leben. 20 Prozent Einbuße war zwar nicht gerade wenig, aber es sollte funktionieren.

Meine Freundin Helena hat ebenfalls das Jahr zugesprochen bekommen. Auch diese Hürde war also geschafft.

Nun hatten wir vier Jahre Zeit, um alles vorzubereiten. Eine scheinbar unendlich lange Zeit.

Also gut, Fahrrad fahren: aber wo? Nordamerika kam uns beiden spontan in den Sinn – die USA. Gute Idee. Wir begannen damit, uns Ziele aufzuschreiben, die wir gerne sehen würden. Das war keine gute Idee. Innerhalb von zehn Minuten hatten wir circa 50 Ziele überall verteilt in den Staaten. Zunächst die großen Städte wie New York, Los Angeles, Las Vegas, San Francisco. Natürlich die Nationalparks im Südwesten, eine Geisterstadt, die Niagarafälle, ein Abstecher nach Kanada, Cape Canaveral usw. usw. Mit dem Fahrrad innerhalb eines Jahres war das alles unmöglich zu erreichen. Das wurde uns mit einem Blick auf die Karte ganz schnell klar. Also wieder Punkte streichen? Nein. Wir unterteilten in „Must be“ und „May be“. So wurde zumindest der erste Part der Reise, die USA, ganz langsam zu einer runden Sache. Wohin sonst noch? Ein Jahr ist schließlich lang. Südamerika wurde auch schnell in unsere Pläne aufgenommen. Ein wenig Asien musste auch sein, und wenn man schon einmal in der Nähe war, könnte man auch Australien mitnehmen. Afrika reizte uns erst einmal nicht.

„Wie machen wir das eigentlich mit dem Wetter?“, stellte sich die Frage. Wir wollten ja nicht im Winter Fahrrad fahren. Also recherchierten wir, wann es wo warm war. Dafür gab es gute Online-Tools. Das sollte also nicht das Problem sein.

Nach einigen Wochen und viel Hin und Her war er grob abgesteckt: der „Masterplan“.

Da unser Sabbatical am 1. Juni 2017 begann, entschlossen wir uns, zunächst den Sommer über von New York nach San Francisco und dann weiter die Pazifikküste entlang bis San Diego zu fahren. Der Rest würde schon werden, dachten wir. Durch Zufall fanden wir ein Kreuzfahrtschiff, das uns Ende September von San Diego in Kalifornien nach Valparaíso in Chile bringen würde. Coole Sache. Danach, so gegen Januar, sollte es nach Australien und später nach Asien gehen, von wo aus wir dann nach Hause fliegen wollten.

Mit diesem Plan gingen wir in mehrere Reisebüros und wollten die ersten Flüge buchen. Meist wurden wir aber nicht sonderlich kundenfreundlich behandelt. Das lag vielleicht daran, dass sie an den reinen Flügen nicht viel verdienten. Wir hatten den Eindruck, dass die sich nicht viel Arbeit machen wollten. Beim Reisebüro Dr. Tigges in Frankfurt war das allerdings anders. Frau Schmidt hatte viel Spaß an unserer Tour gefunden und recherchierte eine Menge zusätzlicher Flüge, Reisezeiten, Informationen und gab uns viele nützliche Tipps. Ihr haben wir zum Beispiel den sechstägigen Stop-Over in Island zu verdanken.

Während der fortschreitenden Planungen taten sich immer wieder neue Probleme auf, die es zu lösen galt. Wir fanden heraus, dass in Südamerika Englisch nicht gerade weit verbreitet war. Wie sollten wir da zurechtkommen, ohne die Sprache zu beherrschen? Also war Spanisch lernen angesagt. „Oje, na das kann ja was geben“, kam es mir in den Sinn. Aber gut, vier Jahre waren ja eine Menge Zeit.

„Babbel“ war das Zauberwort. Die Fernsehwerbung versprach viel. „Okay“, dachte ich, „das muss ich mir mal näher ansehen.“ Es kostete vier Euro im Monat, und ich konnte so viel lernen wie ich mochte. Egal wann, egal wo. Na, das war doch mal eine Idee, bezahlbar und einfach. Also wählte ich ein Jahres-Abo. Das übte auch gleich ein wenig Druck aus. Die ersten Lektionen machten richtig Spaß. „Hola Señor“, „Buenos días“ und „De dónde eres?“ bestimmten in der nächsten Zeit meinen Tagesablauf. Aus Spaß wurde allerdings schnell richtig harte Arbeit. Büffeln war angesagt. Immer wieder motiviert haben mich die einzelnen Kurse, nach denen man jeweils ein Zertifikat erhielt und sich mal ein Päuschen gönnen konnte.

Beim Surfen auf der Babbel-Seite entdeckte ich die Möglichkeit, einen Lernpartner zu finden. Man konnte seine Mutter- und Lernsprache angeben, und das System suchte entsprechend geeignete Kandidaten. In meinem Falle also alle spanischen Muttersprachler, die Deutsch lernten. „Perfekt“, dachte ich. Ich schrieb also einige an, und so ergab sich der ein oder andere Mailverkehr. Ich wollte aber sprechen üben, also fragte ich nach, wer denn Lust hätte, ab und zu mit mir via Skype zu kommunizieren. Und so begann eine wunderbare Freundschaft zu Maria del Carmen Castillo aus Ecuador. Das Perfekte daran war, sie wohnte in der Schweiz. Daher fiel also eine Zeitverschiebung aus, und ich lernte südamerikanisches Spanisch. „Touchdown“, dachte ich. „Das nenne ich mal Glück.“ Die Realität sah allerdings ganz anders aus: Maria konnte genauso wenig Deutsch wie ich Spanisch. Die ersten Male waren also sehr anstrengend und schwierig, weil wir uns einfach nicht verstanden. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir uns einigermaßen unterhalten konnten. Letztendlich hat es jedoch sehr viel gebracht. An dieser Stelle noch einmal ein dickes Dankeschön an Maria.

Eines Abends auf der Couch überkam es mich, in Facebook eine Suchanzeige aufzugeben. „Suche spanische Muttersprachler“, schön mit einem Foto der spanischen Flagge hinterlegt. Da wir in Deutschland zumindest in den kleineren Städten nicht so viele davon hatten, glaubte ich nicht wirklich an eine Rückmeldung. Wiederum der Zufall, ein Freund eines Freundes, brachte mich mit Señor Antonio zusammen. Ein älterer Herr aus der Nähe von Barcelona, wohnhaft in einem Pflegeheim in Koblenz. Wieder eine perfekte Gelegenheit. Mal abgesehen von Frühstück, Mittag- und Abendessen hatte er quasi immer Zeit, und vor allem auch Lust. So war es stets eine gelungene Abwechslung für den Spanier, eine Runde mit mir spazieren zu gehen. Komischerweise vergaß er auf jedem Spaziergang seine Zigaretten, und so kam es, dass mich jeder dieser Ausflüge eine Schachtel Gauloises kostete. Ich musste natürlich jedes Mal schmunzeln, wenn ihm plötzlich einfiel: „Oh, meine Zigaretten, schon wieder vergessen.“

Ich entwickelte viel Ehrgeiz beim Lernen, und mein Spanisch verbesserte sich allmählich. Nach einer ganzen Zeit und viel harter Arbeit, anscheinend bin ich kein Sprachtalent, kamen Helena und ich auf die glorreiche Idee, einen Sprachurlaub zu buchen. Wir hörten uns um, und das sauberste Spanisch sollte man angeblich in Madrid sprechen. Also gut, meinetwegen, eine Woche Urlaub opfern und ab in die Hauptstadt. Ja – von wegen, so einfach, wie sich das alles anhörte, war es dann aber nicht. Wieder war richtig büffeln angesagt, mit Hausaufgaben, Referaten und all solchen Scherzen. Ich fühlte mich 35 Jahre zurückversetzt. Morgens aufstehen, schlecht gelaunt in die Schule gehen und nachmittags Hausaufgaben machen. Super Sache, Willi. Urlaub hatte ich doch irgendwie anders in Erinnerung. Als wir aber nach einer Woche unser Zertifikat in den Händen hielten, war ich doch mächtig stolz. Und auch Maria bestätigte mir bei der nächsten Skype-Unterhaltung, dass sich mein Spanisch deutlich verbessert hatte. Da freute ich mich nun doch, diesen Schritt gemacht zu haben.

Weitere Fragen stellten sich:

Was eigentlich in brenzligen Situationen tun? Sicherlich könnte man nicht allem ausweichen. Das war auch ein wichtiges Detail, das zu klären war. In jungen Jahren hatte ich ziemlich intensiv Kickboxen trainiert. Das war allerdings schon zwanzig Jahre her. Konnte ich das überhaupt noch? Wenn ja, wie gut, und wie konnte ich es umsetzen? War noch etwas da? Das Timing, die Reflexe, die Technik? War dies nicht längst alles verloren?

Ich erkundigte mich also nach Kampfsportvereinen rund um die Stadt Boppard, in der ich zu dieser Zeit noch wohnte. Ich fand auf Anhieb nichts Vernünftiges, mein alter Verein in Koblenz war für ein regelmäßiges Training zu weit entfernt, und zudem waren dort mittlerweile alle Parkplätze mit Parkscheinautomaten ausgestattet, die man bis 22 Uhr füttern musste. Das wäre teuer geworden. Es gab hier also erst einmal keine Lösung.

Das sollte sich im Januar 2016 ändern, etwa eineinhalb Jahre vor Beginn der Auszeit. In einem Lehrgang lernte ich Sina Erfurt kennen, eine junge Studentin, die in der Freiwilligen Feuerwehr war. Wir verstanden uns sofort prächtig. Nach kurzer Zeit heckten wir gemeinsam den Plan aus, eine Wohngemeinschaft zu gründen. „Was für eine Schnapsidee“, dachte ich, „fast 50 Jahre alt und in eine WG ziehen.“ Nicht selten wurde ich dafür im Freundes- und Kollegenkreis belächelt. Im September zogen wir dann zusammen. Meine Freundin hatte nichts dagegen, da 25 Jahre Altersunterschied einfach zu viel sind, als dass Sina eine Gefahr wäre. Außerdem war sie mit ihrem damaligen Freund Peter zusammen. Des Weiteren hatte die WG noch den Vorteil, dass ich in der Auszeit Kosten für die Wohnung sparen würde, da man sich diese ja teilte. Der größte Vorteil aber bestand darin, dass meine alte Kickboxschule mittlerweile umgezogen war und sich jetzt nur einen Kilometer von meiner WG entfernt befand. Die Parkplätze waren dort kostenfrei. Da hatte ich wirklich einmal Glück. Also nichts wie hin, beim nächsten Training stand ich im wahrsten Sinne des Wortes auf der Matte. Es fühlte sich irgendwie an, wie wieder nach Hause zu kommen. Viele der Sportler von damals trainierten noch dort, und mein alter Freund und Trainer Bernie Willems freute sich riesig, dass ich kam. Mittlerweile Träger des 8. Dans im Kickboxen, des 7. Dans im Taekwondo, Buchautor und Produzent von diversen Kampfsport-DVDs, konnte ich mich echt glücklich schätzen, dass ich solch eine Koryphäe der Selbstverteidigung für meine Vorbereitung gewinnen konnte – dachte ich zumindest.

Als ich dann aber zum ersten Mal mittrainierte, konnte ich mich danach zwei Tage lang nicht mehr bewegen. Muskelkater, und das nicht zu knapp. Die Kondition war quasi gar nicht mehr vorhanden. „Das wird ein steiniger Weg“, dachte ich, biss mich aber durch. Ich hatte relativ schnell wieder richtig Spaß am Training. Vor allem das Selbstbewusstsein wurde mächtig aufpoliert. Eine Tatsache, die mich später so manch heikle Situation viel gelassener angehen ließ.

Da standen wir nun. Schön in Reih und Glied, jeder seine offene Hand nach vorne ausgestreckt. „Was mache ich hier eigentlich? Das ist doch völlig krank“, dachte ich. Der Leiter des Reptiliums Landau, Uwe Wünstel, hatte zu einem Lehrgang geladen. „Gefahrtiere bei der Feuerwehr“, eine Gefahr, die mittlerweile ein echtes Thema geworden ist. Giftige Schlangen, Spinnen, Skorpione und so weiter zählten wohl immer mehr zu den gebräuchlichen Haustieren in Deutschland. Für mich kam der Lehrgang wie gerufen, schließlich wollte ich den Umgang mit solchen Tieren lernen. Unterwegs würden wir bestimmt öfter in Kontakt mit ihnen geraten. Langsam setzte er mir einen Skorpion auf die Hand. „Keine Angst, der macht nichts. Er sticht nicht in das, worauf er sitzt.“ – „Ob der Skorpion das auch wirklich weiß?“, kam es mir in den Sinn. Danach die Vogelspinne. Hierzu wieder der beruhigende Kommentar: „Die hole ich auch bei den Kindergeburtstagen heraus.“ Na prima. Als er dann mit einer Schlange ankam, war es genug. Nein, ich mochte das nicht. Ich wollte keine Schlange in meinen Händen halten. Bin halt kein Reptilienmensch. Zwei Tage Schulung, und ich hatte mich auch noch freiwillig gemeldet. Tolle Idee, Willi. Allerdings muss ich wirklich zugeben, dass es der Schlangen-Uwe (so nannten wir ihn hinter dem Rücken) wirklich geschafft hat, mir meine Angst zu nehmen. Wir erlernten den Umgang und das Einfangen von Leguanen, Echsen, Schildkröten bis hin zu echt gefährlichen Schlangenarten. Besonders die Klapperschlange war sehr respekteinflößend. „Lieber mal den längeren Fanghaken nehmen“, war mein Gedanke. Letztendlich bekamen wir aber ein wenig Übung darin, und so stellte es kein großes Problem mehr dar, die gefährlichen Tiere auch sicher in ein dafür vorgesehenes Behältnis zu befördern. Jedoch hatte ich mich zu früh gefreut. Sah ich mich schon als den kommenden „Crocodile Dundee“, war nun noch die Abschlussübung zu bewältigen. Eine sechs (!) Meter lange Python, etwa so dick wie mein Oberschenkel, musste von Hand eingefangen werden. Am Kopf der Schlangen-Uwe, 50 Zentimeter dahinter eine Mitarbeiterin des Reptiliums und dann in Abständen von einem Meter je ein Feuerwehrmann. Das Tier wurde mit einem Tuch über dem Kopf beruhigt, und dann hieß es: „Zugriff!“ Eine Erfahrung, die ich wohl in meinem Leben nie vergessen werde. Es fühlte sich so an, als würde sie nur aus Muskeln bestehen, und wir mussten wirklich kräftig zupacken. Die Schlange im Schwitzkasten haltend schoss mir durch den Kopf: „Wie lassen wir die denn eigentlich wieder los?“ Aber auch hier hat uns der Teamleader mit seinen Kommandos ganz souverän angeleitet, und die Situation wurde völlig gefahrlos gelöst. Ein großes Kompliment und meinen größten Respekt an Schlangen-Uwe für diese einzigartige Erfahrung.

Ich stand bei einer Abseil-Übung auf dem Kran, als die SMS kam. „Ankunft so gegen 18:00 Uhr.“ In 40 Metern Höhe reichte es natürlich nur für ein knappes „Ja, okay“, und was da wirklich auf mich zukommen sollte, war mir noch nicht ganz klar. Ich hatte mich auf der Plattform „Warmshowers.org“ angemeldet. Dies war so etwas wie „Couchsurfing“, nur für Radfahrer. Man bekam ein Profil, wurde bewertet und konnte bei anderen kostenlos übernachten. Als Gegenleistung ließ man andere Personen, die mit dem Rad unterwegs waren, bei sich übernachten. Eine einfache und kostengünstige Sache für alle Beteiligten. Nun war es soweit. Der mittlerweile vierte Gast hatte sich angekündigt. Sol Rodríguez Tablado aus Buenos Aires, Argentinien. Er hatte mir ein wenig über seine Reisepläne geschrieben, dass er unterwegs nach London war und so weiter. „Na ja, dann wollen wir uns mal in die große Welt von Warmshowers stürzen“, dachte ich noch, als es kurz nach sechs klingelte. Neugierig öffnete ich die Tür und war erst einmal sprachlos. Der erwartete „Er“ war eine „Sie“. Und was für eine. Bildhübsch und in enger Radbekleidung. Elfenbeinbraune Beine. Top Figur. Es konnte sich nur um eine Verwechslung handeln, oder war das etwa versteckte Kamera? „Was erzähle ich jetzt bloß Helena?“, war mein erster Gedanke. Eine fremde Frau sollte in meiner Wohnung übernachten. Auweia. Sol, na klar, ein Mädchenname. Dies hatte ich im Vorfeld nicht realisiert. Es erschien mir einfach unmöglich, dass eine Frau aus Südamerika alleine mit dem Fahrrad durch Europa fuhr. Wie sich später herausstellte, gab es aber ganz viele alleinreisende Damen aus aller Herren Länder. Ich musste Helena fragen. „Du, Helena, ich muss dir etwas sagen“, meldete ich mich ganz kleinlaut. Sie merkte natürlich sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Zu meiner Verwunderung war das für Helena aber alles ganz normal und auch überhaupt kein Problem. Schließlich suchten die Radfahrer ja kein Date, sondern lediglich eine Übernachtungsmöglichkeit. Ich war dann doch ein wenig beruhigt, als Helena ganz unproblematisch grünes Licht gab.

So kam es, dass ich in den folgenden Jahren zahlreiche Gäste beherbergte, um möglichst viel über andere Länder und deren Radfahrszene zu erfahren. Dem Thema „Warmshowers“ widme ich weiter hinten ein ganzes Kapitel. Damit haben wir noch viele tolle und weniger tolle Erfahrungen gemacht.

Irgendwann fiel mir ein Programmheft der Volkshochschule Koblenz in die Hände. Ich blätterte ein wenig darin und sah mir die Spanischkurse an, als mir plötzlich ein Fahrrad-Schrauber-Kurs ins Auge stach. Beim örtlichen Radhändler „Radsport Regenhardt“, den ich vom Hörensagen schon kannte. Er hatte in Koblenz einen sehr guten Ruf, und so sah ich mir das Ganze genauer an. Drei Abende Schulung, und die Preise waren bei den Volkshochschulen immer äußerst moderat. Noch schnell mit dem Schichtplan abgeglichen, und da war ich auch schon angemeldet. Endlich konnte ich mir von echten Profis ein paar Tipps holen. Natürlich hatte ich in Kindertagen viel an meinen Rädern herumgeschraubt und repariert, aber die heutige Technik verlangte doch schon so einiges mehr an Wissen von einem ab. So kam es, dass wir an den Abenden unter der Aufsicht des Chefs persönlich und einem jungen Meister verschiedene (simulierte) Reparaturen durchführen mussten. Selbstverständlich reichte das nicht zum „Super-Schrauber“, aber man bekam doch ein ganz anderes Feeling für sein Rad. Und das Gefühl, sich helfen zu können, machte wahrscheinlich am meisten aus, um beruhigter auf diese Tour zu gehen. Außerdem waren die Tipps natürlich unbezahlbar: Welches Werkzeug nehme ich mit, welche Ersatzteile, was mache ich, wenn dieses oder jenes passiert? Ich hatte in jedem Fall den Eindruck, dass die Kosten für diesen Kurs sehr gut investiertes Geld waren.

Ein anderes leidiges Thema war der ganze Papierkram. Ich möchte dies hier auch nur kurz anreißen, denn es bot wahrscheinlich genug Stoff, um ein weiteres Buch zu füllen.

Man stelle sich vor: Handy, Internet, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Vollmachten, Patientenverfügungen, Abmeldung in diversen Sportvereinen, abonnierte Zeitungen, Visa-Formalitäten und und und. Die Liste könnte ich noch eine Weile fortführen. Das Chaos zu organisieren, hat viel Zeit und Nerven gekostet. Schließlich fuhren wir nicht mal eben drei Wochen weg, sondern ein ganzes Jahr. Da kamen so viele Dinge auf mich zu, an die ich vorher im Traum nicht gedacht hätte. Wussten Sie, wie viele verschiedene Vollmachten es gibt? Für was ich welche brauche, oder dass Banken einen eigenen Vordruck dafür haben und eine andere Vollmacht nicht anerkennen? Oder dass die zwar nicht von einem Notar angefertigt sein, wohl aber ein Amtssiegel haben müssen. Einfach Wahnsinn. Bei der Handy-Vertragsunterbrechung musste man den Aufenthalt außerhalb von Europa lückenlos nachweisen. Tolle Idee bei einer Radtour. Wir hatten ja nur den Hinflug in die USA gebucht. Ich schlug vor, die sollten ihren Azubi mitschicken, aber der Vorschlag kam nicht so gut an. Letztendlich erkannte der Handyanbieter aber meine einjährige Auslands-Krankenversicherung an. Was für ein Irrsinn! Ich hätte ja beispielsweise auch in Österreich sein können in dem Jahr. Dann hätte die Unterbrechung wiederum nicht gegolten.

Sämtliche Ausweispapiere, Reiseunterlagen, Impfpässe, Führerscheine und so weiter haben wir zur Sicherheit eingescannt und in eine Cloud (Datenspeicher im Internet) geladen. Somit hatten wir von überall auf der Welt Zugriff auf alle wichtigen Papiere.

Das Visum für die Vereinigten Staaten von Amerika hat mich acht Monate Arbeit gekostet. Unzählige Telefonate und E-Mails. Der US-Behörde in Frankfurt war eine Firma vorgeschaltet, die Visaanträge bearbeitete. In unserem speziellen Fall hatte aber keiner eine Ahnung, welches Visum wir benötigten. Zuerst wussten wir ja noch nicht, ob wir mit dem Flieger in die USA oder über den Landweg von Kanada aus einreisen wollten. Die Route war eben noch gar nicht so genau geplant. Von Südamerika flogen nur ganz wenige Flugzeuge nonstop nach Australien. Die meisten machten eine Zwischenlandung in Los Angeles. Das wiederum zählte als Einreise in die Vereinigten Staaten. Also ein völliges Hick-Hack. Nach langem Hin und Her und einem etwa zweistündigen Termin in der amerikanischen Botschaft in Frankfurt erhielten wir jedenfalls ein Zehn-Jahres-Visum und dürfen nun bis ins Jahr 2026 einreisen. Verrückt, nicht?

In der Planungsphase galt es auch, viel Material zu testen, das Gewicht des Gepäcks zu optimieren und innovative Lösungen für das ein oder andere Problem zu finden. Allein die technische Ausrüstung: GPS-Gerät, Beleuchtung, Fotokamera, Handy und so weiter. Alles musste in Einklang gebracht werden. Schließlich konnte ich nicht vier verschiedene Ladegeräte mitnehmen. Und so haben wir jeden Part der Ausrüstung ausgiebig getestet. Man stelle sich vor: Einmal bin ich die circa 150 Kilometer lange Strecke Koblenz - Frankfurt (mit dem Fahrrad ist es etwas weiter als mit dem Auto) bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt mit Skibrille und beheizbaren Schuhsohlen gefahren, nur um eine Radhose zu testen. Oder ein anderes Mal bin ich die gleiche Strecke im Dunkeln gefahren, um die Beleuchtung auszuprobieren. Als ich noch in Boppard wohnte, bin ich bei minus 10 Grad Celsius die 23 Kilometer zur Arbeit geradelt. All solche Tests mussten meines Erachtens sein. Völliger Blödsinn, wie sich später herausstellte. Vielleicht machte ich mir manchmal einfach zu viele Gedanken.

Ein anderes großes Thema war der medizinische Part. Ich wollte natürlich gesund in so ein Jahr starten, und daher ließ ich mich von meinem Hausarzt zunächst einmal komplett auf den Kopf stellen. Glücklicherweise kamen hier aber keine Besonderheiten zum Vorschein. Auch die Blutwerte waren alle in Ordnung. Außerdem hatte ich noch genügend Antikörper gegen Hepatitis A und B im Blut. Es folgte noch die zahnmedizinische Untersuchung, die ebenfalls sehr positiv verlief. Keine Plombe und kein Loch. Lediglich eine Zahnsteinentfernung stand an. Das sah schon einmal alles sehr gut aus.

Blieben noch die Impfungen. Da unsere Route mittlerweile grob abgesteckt war, mussten wir erst einmal herausfinden, welche Impfungen wir überhaupt brauchten. Dies stellte sich als gar nicht so einfach heraus. Schließlich fanden wir eine Reisemedizinerin, die sich mit all den Dingen auskannte. Außerdem war ihre Praxis eine staatlich zugelassene Gelbfieberimpfstelle. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir gar nicht bewusst, dass Gelbfieber nur von besagten Stellen geimpft werden durfte. Laut Impfausweis war noch der Schutz gegen Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis vorhanden. Bei der Reisemedizinerin wurde ich dann noch gegen Folgendes geimpft: Masern/Mumps/Röteln, Tollwut, Typhus, Gelbfieber, Meningokokken, Japanische Enzephalitis und Cholera. Dies geschah über einen Zeitraum von rund zwei Monaten, da man nicht alles gleichzeitig impfen konnte und man gegen gewisse Dinge mehrmals geimpft werden musste.

Die Kosten für mich als Privatversicherter gliederten sich wie folgt auf:

Arztkosten: 250,09 Euro

Zahnarztkosten: 276,68 Euro

Kosten für Impfungen: 703,85 Euro

Die Gesamtsumme belief sich somit auf 1230,62 Euro. Zieht man mal die Kosten für die Behandlungen ab, die ich sowieso hätte machen müssen, blieb immerhin noch ein Restbetrag von knapp 1000 Euro, den ich für die medizinische Vorbereitung der Tour hinblättern musste. Bei Helena wurden fast alle Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Dies war allerdings nicht bei jeder so. Da hatte Helena einfach Glück gehabt.

Je näher der Beginn des Sabbatjahres rückte, desto nervöser wurde ich. War ich wirklich gut vorbereitet? Die Route war grob ausgefeilt, Materialtests haben wir in unzähligen Ein- oder Mehrtagestouren vollzogen. Der ganze leidige Papierkram war soweit geregelt, und zur Krönung hatte Sina eine Mitbewohnerin gefunden, die solange in mein Zimmer zog. Somit wurden die Kosten für die Wohnung erheblich gesenkt. Ich musste also nur meinen Kram in Umzugskartons packen und auf den Speicher räumen. Ebenso erledigte Sina den ganzen Support während der Reise, der von zu Hause aus nötig war. Ohne eine solche Unterstützung wäre das alles undenkbar gewesen. Ich stellte ihr eine Generalvollmacht aus, damit sie sich um alles kümmern konnte. Immer wieder kamen zwischendurch Dinge auf, die erledigt werden mussten, so zum Beispiel ein Schreiben mit einer Ordnungsverfügung der Stadtverwaltung: Auf einem geerbten Grundstück musste ein Gartenhäuschen abgerissen werden. Der Fall lief seit 2012 und befand sich im Widerspruchsverfahren. Da aber meine Mutter zwischenzeitlich verstorben war, wurde die Sache an die Erben weitergereicht. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nichts von dem Hergang. Somit war Sina mir eine unvorstellbar wertvolle Hilfe bei der Lösung so mancher Angelegenheiten.

Für unsere Tour ließen wir noch jeweils zwei T-Shirts bedrucken. Ein Radshirt und ein ärmelloses, welches man über alles drüberziehen konnte. Auf dem Rücken war die Aufschrift „World-Tour 2017-2018“ und ein Radfahrer skizziert. Auf der Brust standen jeweils unsere Vornamen. Damit identifizierten wir uns mit unserer Reise, und man konnte uns überall gut erkennen.

Blieb nur noch, sich anständig von allen zu verabschieden. So organisierte ich eine „Go-Away-Party“. Ich habe das Vereinsheim des Kesselheimer Fußballclubs angemietet, und zu meiner Freude kamen drei Tage vor dem Abflug an die 80 Leute, um „Tschüss“ zu sagen. Angefangen von Verwandten, Freunden, Arbeits- und Vereinskollegen bis hin zu meinem (mittlerweile neuen) Chef Herr Maxeiner. Von allen Seiten wurde eine gute Reise und gutes Gelingen gewünscht. Ein wahrlich schönes Event, drei Tage vor dem Abflug.

Besonders wichtig ist es mir, folgende Tatsache zu erwähnen: Ich hatte die Bitte, mir bloß keine Blumentöpfe oder Ähnliches zu schenken, weil ich schon alles auf dem Speicher verpackt hatte. Also stellte ich eine Spardose auf. Als ich diese am folgenden Tag öffnete, musste ich fast weinen. Damit hatte ich niemals gerechnet. Die Party war mehr als bezahlt. Dafür nochmals allen ein dickes DANKESCHÖN.

Island, immer hell, kalt und nass

Am 24.05.2017 war es dann endlich soweit. Wir hatten die Möglichkeit, uns den Flug nach New York mit einem sechstägigen Stop-Over in Reykjavík zu versüßen. Klar, Island sah man auch nicht alle Tage. Die Räder wollten wir hier allerdings noch verpackt lassen.

Gemeinsam mit Helenas Mutter fuhren wir zum Frankfurter Flughafen. Dort erwarteten uns bereits Helenas Schwester Susanne mit ihren beiden Töchtern Pia und Heike. Allerdings hatte der Flieger drei Stunden Verspätung. Wir erhielten von der Fluggesellschaft Iceland Air einen Gutschein in Höhe von 20 Euro für die Unannehmlichkeiten. Da noch ein wenig Zeit bis zum Abflug war, besuchten wir die Flughafen-Terrasse. Hier konnten wir uns schon einmal auf die bevorstehende Reise einstimmen. Die Flugzeuge aus dieser kurzen Entfernung beim Starten und Landen zu beobachten, war schon etwas Besonderes. Dann wurde es Zeit, sich zu verabschieden, was besonders zwischen Mutter und Tochter gar nicht so leicht fiel. Da wurde so manche Träne vergossen. Jetzt noch durch die Sicherheitskontrolle, und los ging die Reise. Da die erste Klasse nicht ausgebucht war, hat die Fluggesellschaft sich entschieden, die Plätze mit Passagieren der zweiten Klasse zu füllen. Eine sehr nette Geste. Dass ausgerechnet wir unter diese Regelung fielen, hat uns natürlich besonders gefallen. Also das ging ja schon mal gut los. Sofort ein Upgrade in die erste Klasse. So konnte es weitergehen, und meiner Flugangst kam es auch entgegen, nicht so eingeengt zu sein. Ja richtig, Flugangst. Das war echt übel, dass ich eine Weltreise vor mir hatte mit letztendlich 15 Flügen, die teilweise über 10 Stunden lang waren. Richie, ein Bekannter aus dem Rettungsdienst, hatte mir da sehr gute Tabletten empfohlen. „Du wirst im Flieger sitzen und absolut keine Angst haben“, hatte ich noch seine Worte in den Ohren. Und genau so war es auch, ich war relativ entspannt. Ich machte es mir erst einmal gemütlich und wählte „Dirty Dancing“ aus dem Filmprogramm aus. Der Kultklassiker kam genau richtig, um mir die Zeit zu vertreiben. Wer kannte ihn nicht, Babys berühmten Satz „Ich habe eine Wassermelone getragen“? Genauso geläufig waren die Musiktitel. Diese konnte man wunderbar mitsingen, was vielleicht nicht zur Freude der anderen Fluggäste beigetragen hat, mir aber in diesem Moment egal war. Was jetzt noch gefehlt hätte, wäre ein wenig mehr Platz gewesen, um mittanzen zu können. Das hätte die Party perfekt gemacht. Die Tabletten wirkten also hervorragend. Danke Richie.

In Island angekommen, mussten wir uns erst einmal einen Platz für die eingepackten Räder suchen. Da die Gepäckfächer zu klein waren, suchten wir nach einer anderen Möglichkeit. Direkt neben dem Flugplatzgebäude war eine Lagerhalle, wo man Dinge einlagern konnte. Ich ging also da hin und klärte die Formalitäten. „120 Euro für eine Woche?“, fragte ich den Mitarbeiter entsetzt. Ja, kein Witz. Wir sind angekommen im superteuren Island. Also woanders fragen. Ein Busunternehmen nahm unsere Räder mit ins circa 50 Kilometer entfernte Reykjavík. Für 20 Euro pro Rad zwar immer noch teuer, aber besser als 120. Außerdem fuhr uns der Bus direkt zur gebuchten Unterkunft. Hier war allerdings keiner zu Hause. Wir fanden die Schlüssel mit allen weiteren Instruktionen in einer Klarsichthülle an der Haustür deponiert und begannen, das Gepäck und die Räder nach oben zu transportieren. Das Zimmer war groß genug, um die Radkartons dort einzulagern. Der Anfang war also schon einmal gemacht. Jetzt konnte das Abenteuer losgehen.

Am nächsten Morgen hieß es, die Hauptstadt zu erkunden. Wir sahen ein Stück Berliner Mauer, den legendären Chuck Norris Grill sowie ein Denkmal am Meer, das wohl ein Wikingerboot darstellen sollte. In der Innenstadt war jedoch nicht viel los, da an diesem Tag Christi Himmelfahrt, also Feiertag, war. Da war vieles geschlossen. Auf dem Nachhauseweg entdeckten wir direkt gegenüber unserer Pension ein Schwimmbad mit verschiedenen Hotpots, eine Art Whirlpool nur ohne Whirl. Schilder gaben die Temperatur des Wassers an. Der heißeste hatte 44 Grad Celsius. Das war schon fast unangenehm. Eine Besonderheit war jedoch, dass man beim Duschen genauestens kontrolliert wurde. Die Mitarbeiter achteten darauf, dass man sich zunächst nackt auszog und sich dann unter den Armen und im Genitalbereich richtig wusch. Selbstverständlich mit Seife, sonst wurde man ermahnt. Wahrscheinlich sind die heißen Pools eine Wonne für die Bakterien, und da wollte man ein Ausbreiten vermeiden. Als Helena sich abtrocknen wollte, musste sie zurück an das Schließfach, da sie dort ihr Handtuch vergessen hatte. Sofort wurde sie ausgeschimpft, was ihr denn einfiele. Sie könnte doch nicht nass die Dusche verlassen. Eine Dame rannte quasi mit einem Wischmop hinter ihr her, um die Wasserpfützen wieder aufzuwischen, was wir ein wenig gewöhnungsbedürftig fanden. Jedenfalls waren die Hotpots aber genau das Richtige, um abends das kühle Mai-Wetter Islands zu vergessen.

Unser weiterer Plan sah vor, uns ein Auto zu mieten, um ein wenig die Umgebung zu erkunden. Also suchten wir am nächsten Tag eine Autovermietung auf, und zu unserem Glück war die Mitarbeiterin eine Deutsche. Das machte die ganze Sache ein wenig einfacher. Gerade bei solchen Vertragsangelegenheiten war es uns ganz recht, dass uns das Kleingedruckte in Deutsch erklärt wurde. Jedoch stellten wir zu unserer Verwunderung fest, dass der Preis vor Ort ein ganz anderer war, als der im Internet. Nachdem wir sie damit konfrontiert hatten, erklärte sie uns, dass sie den günstigen Preis nicht machen und man das nur online so buchen könnte. Äh, wie bitte? Nur online? „Wie ist denn ihr WLAN-Passwort?“, fragte Helena spontan. „Brillante Idee“, dachte ich. Darauf musste man erst einmal kommen. Selbst die Dame an der Rezeption musste lächeln. Folglich loggten wir uns in deren WLAN ein und wollten gerade buchen, als der Chef der Autovermietung dazukam. Er bekam mit, was wir da trieben und beendete den ganzen Spuk. Er gab uns gnädigerweise denselben Preis wie im Web, konnte sich aber ein Lächeln auch nicht verkneifen.

Nachdem das Auto übernommen war, erkundeten wir ein wenig die Umgebung und durften die wunderbare Landschaft rund um Reykjavík

erleben. Wasserfälle, heiße Quellen und unendliche Weite. Schnell wurde unsere Freude über diese tolle Gegend getrübt. Fuhr uns doch ein LKW ganz dicht auf und drängelte unaufhörlich. Dass Helena am Fahren war und sie nicht so viel Fahrpraxis hatte, machte die Situation nicht wirklich einfacher. Plötzlich setzte der gehetzte Fahrer zum Überholen an und scherte so knapp vor uns ein, dass es zum Unfall gekommen wäre, wenn Helena nicht sofort stark abgebremst hätte. Das sorgte natürlich für ordentlich Adrenalin. „Vollidiot, tätowierter Vollbartdepp“, und vielleicht noch ein paar andere unschöne Dinge, schimpfte ich. „Wir sehen uns an der nächsten Ampel, mein Freund!“, tobte ich weiter. Allerdings hatte ich vergessen, dass es in Island überhaupt keine Ampeln gab. Jedenfalls nicht da draußen. Soweit das Auge reichte nur Prärie. Also nichts da mit Rache nehmen. Na ja, wer weiß, wofür es besser war. Nach einer Weile sind wir dann auf eine andere Strecke abgebogen, und die Sache war vergessen.

Wir folgten einer Straße ins Landesinnere, und plötzlich stand da ein Schild „Gravelroad“, was so viel wie „Schotterstraße“ bedeutete. Eben noch asphaltiert, befanden wir uns nun auf einem Verkehrsweg, der für unser Auto verboten war. Das stand eindeutig im Mietvertrag: nur feste Straßen. Also hieß es, wieder drehen und einen anderen Weg suchen. War auch egal, schließlich fuhren wir ja nur durch die Gegend und ließen uns treiben. Verwunderlich war es allerdings schon, dass ohne jegliche Vorwarnung der Fahrbahnbelag wechselte. Und das, nachdem wir schon viele Kilometer einer Straße gefolgt waren und nicht etwa hinter einem Abzweig oder einer Kreuzung. Verrücktes Island. Darüber hinaus mussten wir uns bei unseren Fahrten ziemlich gut vorbereiten. Es gab sogenannte „F-Straßen“, die meist mit einer dreistelligen Nummer versehen waren. Das „F“ stand für „Fjall“ und bedeutete übersetzt „Berg“. Das waren die Hochlandstraßen, die man nur mit einem Geländefahrzeug befahren durfte. Meist waren sie nur für kurze Zeit im Jahr befahrbar, manche erst von Mitte Mai bis maximal Mitte September. Also mussten wir immer genau die Karten studieren, um nicht auf eine solche Straße zu geraten. Da hätten wir mit unserem Kleinwagen absolut keine Chance gehabt.

Am Folgetag stand der „Golden Circle“, oder auch „Goldener Ring“ genannt, auf dem Programm. Der Nationalpark Thingvellir, der Geysir Strokkur und der Wasserfall Gullfoss waren die wesentlichen Sehenswürdigkeiten. Im Nationalpark Thingvellir mit dem Wasserfall Öxarárfoss wurden schon etwa um 930 nach Christus Volksversammlungen abgehalten. Island hatte eines der ältesten Parlamente der Welt. Besonders mystisch wirkte der Ort, weil hier das Auseinanderdriften zweier tektonischer Platten zu sehen war, der amerikanischen und der eurasischen. Dies wurde durch imposante Felsspalten und Risse sichtbar. Das Highlight war dann der Fluss Öxará, der in einer Schlucht einen großartigen Wasserfall bildete und viel zu der Anmut dieses Areals beitrug. In dem Geo-Thermalgebiet Haukadalur waren viele heiße Quellen zu bewundern, wo einem der typische isländische Schwefelgestank von weitem schon in der Nase lag. Hier befand sich auch der Geysir Strokkur. Alle zehn Minuten schoss er circa 30 Meter in die Höhe. Ein großartiges Spektakel. Hingegen wimmelte es hier nur so von Touristen, was die Schönheit dieses Ortes ein wenig trübte. Aber was erwarteten wir eigentlich? Wir waren ja selbst welche. Zum Schluss der Tagestour besuchten wir den Gullfoss, was so viel wie „Goldener Wasserfall“ bedeutete. Dies war ein wirklich großartiges Erlebnis. Gewaltige Wassermassen stürzten in zwei rechtwinklig zueinanderstehenden Kaskaden in die Tiefe. Es war wahnsinnig laut, und eine gute Regenjacke war wirklich nötig, da der Nieselregen, welcher durch den Wasserfall ausgelöst wurde, allgegenwärtig war. Wir bestaunten diese gewaltigen Kräfte der Natur eine Zeit lang und genossen diese wundervollen Augenblicke.

Dieser „Golden Circle“ ist echt ein Muss für Islandbesucher und war unser erstes großes Highlight der Reise.

Ein anderes einschneidendes Erlebnis war der Besuch einer natürlichen heißen Quelle namens Reykjadalur, was so viel wie „Dampfendes Tal“ bedeutete. Von Reykjavík circa 45 Minuten Autofahrt entfernt erreichten wir schnell den Parkplatz, um von dort die etwa einstündige Wanderung zur Quelle zu starten. Wir kamen an vielen brodelnden Wasserlöchern vorbei, den Schwefelgestank immer in der Nase. Es ging ständig bergauf, bis wir plötzlich in eine Höhe kamen, wo das Wetter nicht mehr auf unserer Seite war. Die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt, und es regnete in Strömen. Ich hatte Gott sei Dank eine Regenhose angezogen, Helena hatte da weniger Glück. Ihre Jeans war innerhalb kürzester Zeit klatschnass. „Es kann doch nicht mehr weit sein“, dachte ich. Pustekuchen, der Weg zog sich wirklich ewig bis an die besagte Badestelle. Dort angekommen, fragten wir andere Besucher, ob das Wasser denn auch schön warm wäre. „Klar, kommt rein“, war die Antwort. Aber die Temperaturen ließen uns zögern. Wir waren nass und durchgefroren. Na gut, was sollte es. Wenigstens für ein Foto. Also Klamotten runter und schnell rein ins Warme. Ins Warme? Die Brühe war gerade mal lau, von heiß konnte hier wirklich keine Rede sein. Wie sollten wir denn hier je wieder herauskommen bei der Kälte? Trotzig machten wir ganz schnell ein paar Schnappschüsse. Es gab natürlich nichts, wo man die Sachen trocken lagern konnte. Der nicht aufhörende Regen hatte noch einmal alles gut durchgeweicht. Schnellstmöglich versuchten wir, aus dem Wasser zu steigen und mussten uns wieder die völlig nassen Klamotten anziehen. Es galt, sich auf den Rückweg zu machen. Wir wussten ja, dass es noch eine Stunde bis zum wärmenden Auto sein würde. Die Stimmung war auf dem Nullpunkt. „Island, meine Liebe“, fiel mir der Name einer Facebook-Gruppe ein, in der wir uns im Vorfeld einige Infos über das Land eingeholt hatten. „Meine Liebe wird es jedenfalls nicht“, motzte ich. Eigenartig allerdings war, dass der Regen an derselben Stelle aufhörte, wo er auf dem Hinweg angefangen hatte. Na, das war ja schon mal ein kleiner Trost. Als wir endlich unser Auto erreichten, kam sogar ein wenig die Sonne raus. „Nichts wie rein und Heizung an. Verdammt, wir müssen noch einkaufen“, sagte ich zu Helena, „und das in unserem Zustand. So ein Mist!“ Trotzdem einigten wir uns, es direkt zu tun. Mit den nassen Sachen ging es also in den nächsten Supermarkt. Schnell eingekauft und nichts wie ab nach Hause. Erst einmal heiß duschen und etwas zu essen machen. Wir hatten in unserer Unterkunft die Möglichkeit zu kochen. Das taten wir auch fast jeden Abend. Das lag allerdings nicht daran, dass wir uns gerne in der Küche aufhielten, sondern weil Island ein ziemlich hochpreisiges Land war und wir unser Budget nicht unnötig strapazieren wollten. Wir sahen ein mit Käse belegtes Brot in der Auslage einer Bäckerei für umgerechnet 12 (!) Euro. Da fiel die Entscheidung leicht, des Öfteren mal zu kochen. Die Zutaten waren zwar auch sehr teuer, aber wenigstens noch bezahlbar.

Ein ebenso leidiges Thema in Island war der Alkohol. Erstens bekam man ihn nicht überall und zweitens war er unglaublich teuer. Wie übrigens alles in Island. Abends also einfach mal ein Bierchen trinken gehen ging nicht. Die Kosten beliefen sich in einer Bar so um die acht bis zehn Euro je Bier. Im Supermarkt bekam man nur Alkoholfreies oder Light-Bier mit circa zwei Prozent Alkoholgehalt. Man musste in sogenannten Weinläden einkaufen gehen, Vinbudin hießen die dort. Selbst hier war es richtig teuer. Ich sah da eine Flasche Bacardi (0,7 Liter) für 60 Euro! Also einfach mal eine Party machen war nicht in Island, es sei denn, man war bereit, tief in die Tasche zu greifen.

Am Abend gönnten wir uns wieder den Hotpot nahe unserem Hotel. Schnell waren die Strapazen des Tages vergessen. Gemütlich genossen wir die heißen Pools, als zwei weibliche Teenager in Badekleidung an uns vorbeiliefen. Sie waren beide nass, kamen wohl gerade aus dem Wasser. Die beiden froren offensichtlich ganz ordentlich, und eine klagte: „Es ist so kalt.“ Da kam ein Isländer aus einem Hotpot und mischte sich in das Gespräch ein: „Nein es ist nicht kalt, schaut auf die Anzeige. Es sind doch acht Grad.“ Das war der Kracher. Wir waren erst einmal sprachlos. Nass, in Badehose und acht Grad. Das bedeutete also in Island „nicht kalt“. Wie oft haben wir über diese Aussage schon gelacht?

Am nächsten Tag stand ein Besuch des „Saga Museums“ auf dem Plan. Hier waren die alten Wikinger, sowie ausgestopfte Eisbären ausgestellt. Man konnte sich hier verkleiden mit Schwert, Schild, Helm und so weiter und damit dann Fotos machen. Das haben wir selbstverständlich voll ausgekostet. Wir hatten einen Heidenspaß und fanden, das war ein echt klasse Service des Museums.

Anschließend waren wir verabredet mit Ana Bea Pearson, einer spanischen Freundin Helenas, wohnhaft in Frankfurt. Das war ja ein Zufall, dass sie genau zum selben Zeitpunkt in Island war. Wir trafen sie in einem der Souvenirläden und verbrachten den Nachmittag gemeinsam in Reykjavík. Wir entdeckten das Penismuseum. Das was? Ja, richtig gelesen, das Penismuseum oder auch Phallusmuseum genannt. Auf Spanisch übrigens Faloteca, auf Englisch Phallological Museum. Na, das war ja lustig. Hier konnten wir die weltweit größte Sammlung von Penissen bewundern. 280 verschiedene, sowie auch Kunstgegenstände wie beispielsweise ein Penis-Telefonhörer oder ein Spazierstock mit Penisgriff. Mein persönlicher Favorit waren die silbernen Skulpturen der Dödel der isländischen Handball-Nationalspieler. Hinter einer Glasscheibe konnte man die 15 Prachtexemplare bewundern. Ich vermutete jedoch, dass sie bei der Reproduktion ein wenig mit den Größen gepfuscht hatten. Hätte ich wahrscheinlich auch gemacht. Männer halt! Wir drei hatten jedenfalls unseren Spaß in dem Museum. Anschließend besuchten wir noch ein Einkaufszentrum. Hier wurde man mit einem Shuttle-Bus vom Museum aus kostenlos hingebracht. Auch dies fanden wir in dem sonst so teuren Island einen guten Service. Wir schlenderten ein wenig umher und schauten uns die Läden an. Kaufen konnten wir ja nicht so viel, weil wir bekanntlich mit dem Rad unterwegs waren. Den Abend wollten wir noch in einem Hotpot ausklingen lassen. Bei der Auswahl eines solchen hatten wir allerdings kein glückliches Händchen. Ausgerechnet an diesem Tag war er geschlossen. Blöd war nur, dass der an unserem Hotel gelegene genau auf der anderen Seite der Stadt war. Also etwa eine Stunde zu laufen. Aber wir waren ja im Urlaub und hatten Zeit. Endlich angekommen, konnten wir uns nach schon beschriebener Waschprozedur endlich entspannen und genossen die letzten gemeinsamen Stunden mit Ana Bea. Letztendlich war es ja schon mal ein guter Beginn der Reise. Keine Woche unterwegs, und schon trafen wir die erste Bekannte. Sie war sogar so nett und hat ein paar Souvenirs von Helena mit nach Frankfurt genommen. Diese war sie schon einmal gut los und musste sie nicht ein ganzes Jahr mitschleppen.

Abends telefonierten wir noch mit der Busgesellschaft. Da wir am nächsten Morgen sehr früh abgeholt werden sollten, wollten wir uns noch einmal vergewissern, dass sie einen Bus zu uns schicken würden, in den unsere Räder reinpassten. Es wurde uns zwar bestätigt, jedoch trauten wir dem Frieden nicht so ganz. Also überredeten wir unseren Gastgeber dazu, noch einmal dort anzurufen. Nach einer langen Unterhaltung mit der Gesellschaft sagte er uns dann, dass alles glatt gehen würde. Hoffnungsvoll warteten wir dann gegen vier Uhr morgens an der Haltestelle, und es kam, wie es kommen musste. Ein ziemlich kleiner Bus rollte an, und niemand wusste von den Telefonaten des Vortages. Erst nach heftigsten Diskussionen durften wir die Räder einladen. Wir blockierten den kompletten Innenraum des Busses, so dass niemand mehr einsteigen konnte. Die Busfahrerin war äußerst mies gelaunt und fuhr uns nur mit Widerwillen zum Busterminal, wo wir in einen großen Bus umsteigen mussten, der uns dann zum Flughafen brachte. Dort angekommen, begann der Busfahrer damit, das Gepäck auszuladen. Er war natürlich von seiner Kollegin aufgehetzt worden, und somit war er auch nicht gerade freundlich zu uns. Es war regnete stark, und er stellte unsere Fahrradkartons einfach auf den nassen Boden. „Sag mal, geht’s bei dir noch?“, fauchte ich ihn an, „die Kartons sind aus Pappe, du Vollidiot. Wir bezahlen hier Geld für den Transport.“ Zwei Meter weiter hätte er sie auch unter ein Dach stellen können, aber das war ihm wohl zu viel. „Wieder so ein sturer Wikinger“, dachte ich und war stinksauer. Schließlich mussten die Kartons noch einen weiteren Flug überstehen.

Als letzten Punkt unseres Aufenthaltes in Island möchte ich noch anmerken, dass wir aufgrund der wenigen Stunden, an denen es dunkel war, permanent müde waren. Wie sollte man auch einschlafen können, wenn um zwei Uhr nachts die Vögel zwitscherten? Zu der Zeit, als wir da waren, sollten wir 21 Sonnenstunden haben. Das hieße, wir hätten drei Nachtstunden. Jedoch wurde es gar nicht richtig dunkel wie bei uns. Es war immer noch ziemlich hell, und wir konnten keine großen Unterschiede erkennen. Wahrscheinlich war unser Aufenthalt einfach zu kurz, um uns an diese Gegebenheiten zu gewöhnen.

Abschließend muss ich allerdings sagen, dass mir die Landschaft in Island echt gut gefallen hat, auch wenn das Wetter nicht immer mitgespielt hat. Aber dafür konnte Island ja nichts. Die hohen Preise jedoch waren sehr gewöhnungsbedürftig.

Mit dem Rad nach Kansas City

Der Big Apple. Ende Mai landeten wir auf dem JFK-Flughafen in New York. Eigentlich sollten wir mit unserem Visum ins Interview mit einem Zollbeamten kommen, um mit ihm die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung zu erörtern. Das Visum war nämlich nur eine Einreisegenehmigung. Ein kleiner Unterschied. Wie lange wir in den Staaten bleiben dürften, sollten wir erst hier erfahren. Als uns der freundliche Officer mit unseren Fahrradhelmen sah, begrüßte er uns mit den Worten: „I love cycling.“ Stempel auf die Papiere, zack, fertig. Genehmigung erteilt. Ich fragte zur Sicherheit nochmal, ob wir bis Ende September, also circa vier Monate, bleiben dürfen: „Dann fährt unser Schiff in San Diego ab.“ Er lächelte nur mit den Worten: „Ende September? Kein Problem, dann stempeln wir mal zur Sicherheit bis Ende Oktober.“ Wir waren begeistert. So einfach hatten wir uns das nicht vorgestellt.

Nachdem wir unser Gepäck und unsere Radkartons erhalten hatten, begaben wir uns nach draußen. Das Zusammenbauen der Räder war ein Highlight. Zwei Security-Männer hatten einen Riesenspaß, als wir uns vor dem Gebäude damit abquälten. Sie standen die ganze Zeit bei uns und amüsierten sich mit entsprechenden Kommentaren. Sie sahen so etwas wohl auch nicht alle Tage. Circa eineinhalb Stunden hat es gedauert, bis die ganze Sache erledigt war. Dabei stellten wir fest, dass uns beim Flug einer meiner Flaschenhalter kaputt gegangen war, aber das dürfte schnell behoben sein. Sicherlich gäbe es einen Fahrradladen in New York. Uns war es aber ganz recht, dass die beiden Wachleute dabeistanden. So fühlten wir uns ziemlich sicher in dem Land der „vielen Waffen“. So jedenfalls war es ja in den vielen Hollywoodstreifen suggeriert worden. Das Klischee der USA. Dazu passten auch die vielen guten Tipps, die uns in der Vorbereitungsphase gegeben worden waren: „Passt bloß auf, überall lauern Diebe und Räuber.“ Meist kamen die Ratschläge von Leuten, die noch nie in den Vereinigten Staaten waren. Spätestens jedoch seit Präsident Trump, der die Außenwirkung der USA noch ein wenig mehr verschlechterte, hörte man in den Medien nichts Gutes mehr, jedenfalls nicht viel. Des Weiteren war ein wenig Smalltalk mit den Herren eine gelungene Abwechslung und vor allem ein netter Beginn der Reise nach dem langen Flug. Die Fahrrad-Kartons sollten wir einfach stehen lassen. Sie hatten schon einen Herren der Putzkolonne bestellt, der sich des Problems annehmen würde.

Dann konnte unser Abenteuer endlich losgehen. Ab ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und zwar mit dem Fahrrad. Freiheit pur!

Zunächst radelten wir durch Brooklyn in Richtung Manhattan. Wie oft hatte ich im Vorfeld darüber gelesen, keine Wertsachen in der Öffentlichkeit offen zu tragen oder zu zeigen? Was machte ich? Mitten in einer der schlechteren Gegenden hatte ich nichts anderes zu tun, als meine Fotokamera zu zücken und einen „Dunkin` Donuts“ (Fast Food Restaurant) zu fotografieren, während Helena sich etwas zu essen geholt hat. Eine Gruppe Jugendlicher wurde direkt aufmerksam, und ich hörte sie noch irgendetwas von „Kamera“ flüstern. Also schnell wieder weg mit dem Ding und Stärke demonstriert. Jacke ausgezogen und böse geguckt. Zum Glück konnte ich die Kids damit noch einschüchtern. Ich glaube, wenn sie zwei Jahre älter gewesen wären, hätte das wohl nicht mehr so einfach funktioniert. Auf jeden Fall war mir das eine Lehre. Wie dämlich kann man eigentlich sein?

Auf unserer weiteren Fahrt hatten wir allerdings auch viele schöne Begegnungen. Es winkten uns eine Menge Leute zu und wünschten uns viel Glück und alles Gute. Da waren wir zum ersten Mal überrascht von der Freundlichkeit in den Vereinigten Staaten. Über die Brooklyn-Bridge ging es dann nach Manhattan. Auf die obere Etage der Brücke durften nur Radfahrer und Fußgänger. Hier war entsprechend viel los, daher kamen wir nur langsam voran. Es war jedoch ein erhebendes Gefühl, im Hintergrund die New Yorker Skyline zu sehen. Als wir Manhattan erreicht hatten, kamen wir dann an „Ground Zero“ vorbei. 343 Feuerwehrleute waren hier am 11. September 2001 ums Leben gekommen, als die beiden Türme des World Trade Centers einstürzt waren. Ich hatte damals auch für die Hinterbliebenen der New Yorker Firefighter. Hier war wirklich keinem zum Lachen. Man wurde sofort nachdenklich. Die Bilder der vielen Live-Übertragungen von damals schossen einem unweigerlich durch den Kopf, als die Menschen vom Dach der Türme in den Tod gesprungen waren, wie diese dann später einbrachen und alle um ihr Leben rannten. Ein sehr trauriger Ort.

Die nächsten Tage wurden geprägt von unvorstellbar gewaltigen Eindrücken. Diese Masse an Gebäuden war einfach der Hammer. Abends schmerzte die Nackenmuskulatur vom vielen nach oben schauen. Natürlich folgte Sightseeing an den üblichen Orten. Besonders erwähnenswert war der Central-Park mit dem unheimlichen Gewusel, riesigen Spielwiesen für Softball und Ähnlichem. Das Empire State Building, die Wall Street, eine Bootstour zur Freiheitsstatue, die Fifth Avenue, Chinatown, Little Italy, der Times Square, der Broadway, die 42. Street. Man könnte die Liste noch lange fortführen. New York war einfach überwältigend. Lustig war auch eine Begebenheit in einem Fast Food Restaurant. Hier gab es tatsächlich eine Dame, die Musik auflegte. Das hatten wir bis dahin noch nicht gesehen, ein McDonald’s mit einem eigenen DJ. Selbstverständlich stand auch der Besuch einer Feuerwache auf dem Programm. Besonders beeindruckend war das Memorial vom 11. September. Jede Wache hier hatte tote Kollegen zu verzeichnen. Alleine in dieser relativ kleinen waren es zehn Opfer. Eine Tatsache, die ich mir zu Hause gar nicht vorstellen mochte.

An Manhattans Westside war auch das Intrepid Sea-Air-Space Museum.

Hier lag der Flugzeugträger Intrepid vor Anker, auf dem unzählige Düsenjets ausgestellt waren, ebenso das Space Shuttle Enterprise, sowie das U-Boot USS Growler. Dies wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und besorgten uns die Eintrittskarten. Hier konnte man fast den ganzen Tag verbringen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie lange man erst benötigte, um sich auf den modernen nuklearbetriebenen Flugzeugträgern der Nimitz-Klasse auszukennen. Alles war so riesig.

In dem U-Boot war allerdings alles winzig. Uns war völlig unklar, wie man in solch kleinen Betten schlafen kann. Eingesperrt in einer solchen Enge tagelang über die Weltmeere zu fahren, war wahrlich kein Vergnügen. Interessant war auch, dass die Soldaten der Navy bis in die 60er Jahre eine Katze auf dem Flugzeugträger hielten. Diese sollte die Mäuse in den Speisekammern fangen, bis dies dann später aus hygienischen Gründen verboten wurde.

Direkt am Pier 86, wo das Schiff festgemacht war, war eine Art Hundekindergarten. Hier konnte man seinen Hund zur Aufbewahrung abgeben. Eine „Hundesitterin“ passte auf, dass es zwischen den Tieren zu keinen Konflikten kam. Hunde sämtlicher Rassen tollten herum und hatten ihren besonderen Spaß mit einer mit Wasser gefüllten Sandkastenmuschel, wo sie rein- und raussprangen. Wir verweilten hier eine ganze Zeit lang, da es sehr lustig war, dem bunten Treiben zuzuschauen.

Tags darauf schlenderten wir durch den Washington Square Park, wo man gegen Gebühr „Blitzschach“ spielen konnte. Das hieß, man hatte fünf Minuten Zeit für eine Partie. Helena, als ehemalige Schachspielerin, wollte sich den Spaß natürlich nicht entgehen lassen. Allerdings war sie ein wenig aus der Übung, und so musste sie sich schließlich geschlagen geben. Es war aber auch kein Wunder, wenn man bedachte, dass die hier jeden Tag spielten. Allerdings hat sie es geschafft, ihren Gegner ganz schön ins Grübeln zu bringen. Das waren hart verdiente drei Dollar für den Herren.

Am vorletzten Tag trafen wir uns mit Leslie Adatto, die wir aus der Sprachschule in Madrid kannten. Sie lebte in New York und zeigte uns noch ein paar Geheimtipps in der Stadt. So auch die High Line. Das war eine ehemalige Hochbahntrasse, die zu einem parkähnlichen Weg umgebaut worden war. Leslie organisierte uns eine Führung durch eine Freundin. Sie selbst musste noch arbeiten. Bei dem Rundgang nahm es die Dame allerdings sehr genau mit ihrer Aufgabe. Jedes noch so kleine Kunstwerk wurde genauestens erklärt. Im Schatten war es noch recht kühl und uns verging recht schnell die Laune. Es bot sich auch keine Gelegenheit für ein Verschwinden, und daher blieb uns nichts anderes übrig, als uns alles anzuhören. Da fiel mir ein passender Spruch eines Arbeitskollegen ein: „Manchmal ist man Hund, manchmal ist man Baum.“

Am Abend verabredeten wir uns für einen Besuch im Metropolitan Museum of Art. Eigentlich nicht so unser Ding, aber wir taten Leslie und ihrem Freund den Gefallen. Außerdem sollte es da eine interessante Ausstellung von „was auch immer“ geben. Nur der Eintritt von 25 US-Dollar war schon heftig, aber Leslie erklärte uns, dass es kein Muss ist, Eintritt zu bezahlen. Hä? Wie bitte? Kein Eintritt? „Man kann frei wählen, wie viel einem der Besuch wert ist“, klärte sie uns auf. Die 25 Dollar waren nur eine Empfehlung. Nach Ausfüllen eines Formulars entschied ich mich für drei Dollar. Wie sich später herausstellte, war das noch zu viel für mich. Ich hatte einfach keinen Zugang für diese Art der Kunst. Helena hatte da schon mehr Interesse. Sie hielt sich eine Weile bei den Kunstwerken auf und bewunderte die Werke von Renoir, Picasso, Cézanne und Monet. Na ja, für mich hatte lediglich der Blick von der Dachterrasse etwas für sich. Als ich jedoch ein Bier und ein Glas Wein für Leslies Freund bestellte, knöpfte mir der Barkeeper 22 Dollar ab. Da habe ich nicht schlecht gestaunt. Das war schon ein stolzer Preis. Na, wie gesagt: „Manchmal ist man Hund, manchmal Baum.“ Nachdem wir dann im Hotel die Möglichkeit nutzten, unsere Sachen zu waschen, verließen wir New York. Jetzt begann das Fahrradfahren.

Zunächst fuhren wir zur Fähre, die uns von Manhattan nach New Jersey bringen sollte, um die durchaus nicht ungefährlichen Randgebiete der Metropole zu umgehen. Dort angekommen kauften wir zunächst die Tickets und wollten noch eine Kleinigkeit essen. Ein paar Meter weiter stand ein Hotdog-Verkäufer, und Helena handelte ihn auf die üblichen zwei Dollar herunter. Ich stand mit den Rädern an dem Ticketautomaten und zog derweil die Fahrkarten. Der Verkäufer konnte genau beobachten, wie sie zu mir zurückkam und ich dann zu seinem Stand ging. Außerdem hatten wir ja die gleichen Shirts an. Trotzdem wollte er vier Dollar von mir haben. Ich fragte ihn: „Sag mal, siehst du nicht, dass wir zusammengehören? Glaubst du im Ernst, ich bezahle jetzt vier statt zwei Dollar?“ Er grinste nur mit den Worten: „Einen Versuch war es ja wert“, woraufhin ich nur den Kopf schüttelte und mich fragte, ob die denn hier alle ein wenig durchgeknallt waren.