Feders fabelhafte Pflanzenwelt - Jürgen Feder - E-Book

Feders fabelhafte Pflanzenwelt E-Book

Jürgen Feder

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Beschreibung

Jenseits vom Blumenbeet: Ochsenzunge, Hungerblümchen und Wanzensamen Aufregend ist der botanische Dschungel Deutschland: Gleich vor der Haustür, am Wegesrand oder hinter der Autobahnleitplanke warten spannende Gewächse darauf, entdeckt zu werden. Der passionierte Botaniker Jürgen Feder nimmt den Leser mit auf Schatzsuche, stellt auf unnachahmliche Art 333 gewöhnliche und ungewöhnliche Pflanzen vor – und begeistert so für die heimische Flora. Oder wussten Sie, dass es über 800 verschiedene Arten Löwenzahn gibt und die heimische Zwerg-Wasserlinse die kleinste Blütenpflanze Europas ist? «Autobahnen sind wahre ‹Pflanzensamenverbreitungsmaschinen›. Durch das jahrzehntelange Streuen von Tausalzen wurden sie zu Wanderstrecken für viele salzliebende Pflanzen, darunter das Dänische Löffelkraut (Cochlearia danica) oder der Krähenfuß-Wegerich (Plantago coronopus), die früher nur an der Küste gedeihten.» (Jürgen Feder) «An den ungewöhnlichsten Orten kann man überraschende Funde machen, wie die Fuchsrote Borstenhirse (Setaria purrila) – entdeckt direkt vor einem Toilettenhäuschen an der A 27. Warum? Weil sich dort bevorzugt Nährstoffe und Salze von menschlichem Urin sammeln, die sie liebt.» (Jürgen Feder) «Ein Samenspender par excellence ist das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium), einmal geschüttelt und schon sind Tausende Samen verteilt. Eine absolute Rakete - schlank wie ein Spargel, aber glatt zwei Meter hoch.» (Jürgen Feder)

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Seitenzahl: 352

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Jürgen Feder

Feders fabelhafte Pflanzenwelt

Auf Entdeckungstour mit einem Extrembotaniker

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Vorwort1 Ja, i bin mit’m Radl da2 Direkt vom Hausflur in die Feldflur3 Wiesen – am besten nicht im ganz grünen Bereich4 Manchmal steckt man ziemlich tief im Sumpf5 Zum Teufel mit dem Moor?6 Horch, vom Walde komm ich her7 Nah am Wasser gebaut8 Über, auf und unter Wasser9 Reif für die Insel10 Der Mittellandkanal – hier kann man ungestört nach rechts und links gucken11 Das alte Berlin – noch unverbaut und mit vielen Gleisflächen12 Die Lüneburger Heide – Mondlandschaft mit Truppenübungen13 Das Wendland – abgelegene Hochburg des Widerstands14 Das Sankt-Jürgensland – Gräben, Kühe, Wind und Wetter15 Die Sächsische Schweiz – Bäume und Blumen für Landschaftsmaler16 Am Kyffhäuser – hier tobt der botanische Bär17 Die Pfalz – viel Wein und manchmal zum Niederknien schön18 Ab in die Alpen und wieder zurück – in vierundzwanzig Stunden19 Fahrn, fahrn, fahrn – auf der Autobahn …20 Dorf- und Stadtguerilleros – Ausnahmezustand in der Welt der Pflanzen21 Das Ende eines Tages – diesmal sogar mit einer LeicheGlossarLiteraturDankRegister
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Vorwort

Willst du immer weiter schweifen?

Sieh, das Gute liegt so nah.

Lerne nur das Glück ergreifen,

denn das Glück ist immer da.

Johann Wolfgang von Goethe

Falls Sie es noch nicht wissen, ich bin der letzte Mohikaner der Pflanzenwelt, ein Extrembotaniker, und der packt nun aus. Aufregend ist der Dschungel von Deutschland, zumal er gleich vor Ihrer Haustür oder hinter der nächsten Autobahnleitplanke beginnt. Ich will Ihnen die Schönheit wildwachsender Pflanzen zeigen, in meinen Worten und mit von mir selbst aufgenommenen Fotos. Vor allem ist mir aber wichtig, Eigeninitiative zu wecken. Sie und Ihre Kinder sollen Lust bekommen, auf Entdeckungsreise in die Natur zu gehen.

Feders fabelhafte Pflanzenwelt ist kein Handbuch für Einbauküchen, Handys oder Spritzpistolentechnik, sondern führt Sie zu ungewöhnlichen Gewächsen von der dänischen Grenze bis zu den Alpen, von Aachen nach Görlitz. Spannende Pflanzen sind an den unmöglichsten Orten zu finden, ohne dass Sie sich deswegen in ein Flugzeug setzen müssen. Oft reicht ein Fahrrad. Starten Sie mit mir eine Schatzsuche, begegnen Sie botanischen Geistern auf Abwegen.

Sie alle sind wesentlicher Ausdruck und Eindruck unserer Kultur. Ebenso will ich auf die Gefährdung von Pflanzenarten aufmerksam machen und die damit verbundenen Gründe, auf das jahrhundertealte Wechselspiel von Natur, Tier und Mensch. Der letztgenannten Spezies gelingt es nämlich, seine von ihr selbst gestalteten artenreichen Biotope – oft unbewusst – wieder zu zerstören. Ich möchte etwas gegen die Trägheit der Herzen tun. Historisches Erbe soll erhalten werden, denn nur was man kennt, kann man auch schützen!

Das Volk der Botaniker ist ein spezielles, und ich bin wohl einer, der sehr speziell ist. (Weshalb? Das werden Sie schon nach und nach erfahren.) Einst wurden wir als Floristen bezeichnet, waren wir doch diejenigen, die sich um die Flora, die Pflanzenwelt, kümmerten. Unsere Aufgabe war es, Pflanzen zu bestimmen, zu beschreiben, zu zählen, ihre Vorkommen in Karten einzutragen, wir haben herbarisiert (also Blumen getrocknet und gepresst), nach bedeutenden Inhaltsstoffen gefahndet und uns für besondere Arten eingesetzt. Mit der Industrialisierung, der Verstädterung der Landschaften sowie der Entfremdung der Menschen von der Natur entstanden Blumenläden – und Floristen verkauften nun Pflanzen. Sie, die Blumenhändler, brachten uns Botaniker um unsere ursprüngliche Bezeichnung. Wir selbst nennen uns zwar noch Floristen, aber Uneingeweihte (und das sind die meisten) denken bei diesem Wort sofort an das Blumengeschäft um die Ecke. Der Florist dort ist leider viel bekannter als der Florist in Feld, Heide, Wald und Wiese – das soll hier wieder geändert werden.

Natürlich wird der eine oder andere so manch wunderbare Pflanze in diesem Buch vermissen. Doch zum Trost: Bisher hat niemand alle wildwachsenden Pflanzenarten in Deutschland (fast 7000 Arten) gesehen, selbst ich (noch) nicht. Auch bei größtem Eifer wird das kaum möglich sein. Auf der Jagd nach dem absoluten Weltrekord jemals von einem Menschen ausfindig gemachter Vogelarten ist erst vor einiger Zeit eine auf diesem Gebiet führende Amerikanerin in den Tod gestürzt (nach der etwa 8500sten Vogelart). Ein ähnliches Schicksal will mir wohl niemand wünschen.

Und jetzt müssen Sie mir nur noch folgen …

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1Ja, i bin mit’m Radl da

Pflanzenexpeditionen startet man am besten mit dem Fahrrad, gleich nach Verlassen der Haustür. Wer weiß, vielleicht wäre ich nie Botaniker geworden, wenn meine Eltern mir nicht als Kind ein Rad gekauft hätten. An dieses erste Fahrrad erinnere ich mich noch genau: Wir wohnten in Bielefeld, und meine drei Geschwister und ich bekamen 1970, alle am selben Tag, ein solches Zweirad, und zwar ab Werk. Bielefeld war eine Fahrradstadt, gleich mehrere bekannte Radfabriken gab es hier: Adler, Dürkopp, Göricke, Rabeneick, Rixe. Meine spätere Liebe zum Fahrrad hatte allerdings vorher zunächst einen herben Dämpfer erhalten. Kurz vor dem Fahrradkauf saß ich, neun Jahre alt, auf dem Weg zum Freibad bei meinem Vater hinten auf dem Gepäckträger. Auf einem durchrüttelnden Schotterweg geriet mein linker großer Zeh in die Speichen, es floss ziemlich viel Blut, die Kuppe war ab, der Badespaß schon beendet, bevor er überhaupt begann.

Nicht lange danach fuhr die komplette Familie dann mit dem Bus zum Göricke-Werk, und es wurden vier Räder gekauft. Meines war braunrot – eine komische Farbe, die aber den Vorteil hatte, eher schmutz- und rostunauffällig zu sein. Es war ein 26er Rad und kostete 139 Mark. Insgesamt musste mein Vater für alle Räder rund 500 Mark bezahlen, damals sehr viel Geld. Dafür hatte er für uns vier Kinder die Busrückfahrkarte gespart, denn nach Hause wurde selbstverständlich gleich geradelt.

Mein Fahrrad hielt bis 1978; vielleicht hätte ich noch länger etwas davon gehabt, wenn es mir nicht am Freibad gestohlen worden wäre – trotz der Rostfarbe. Mit diesem Rad fuhr ich stundenlang durch die Wälder, gern begleitet von unserem Hund Purzel, und konnte mich nicht an dem sattsehen, was die Natur mir da präsentierte.

Heute ist das nicht anders. Wenn ich auf dem Sattel sitze, schaue ich meist nicht geradeaus, sondern nach rechts (und seltener auch mal nach links). Vom ständigen Immer-nach-rechts-Gucken sind meine linken Hals- und Nackenmuskeln viel stärker ausgebildet als auf der rechten Seite, dafür bin ich da viel faltiger. Und manchmal tut mir vom körperverdrehten Radeln auch meine rechte Hüftseite weh. Egal, schaue ich von oben auf die verschiedenen Pflanzen, fühle ich mich wie der König der Wald- und Wiesensäume. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang durchforste ich die Landschaften nach ihnen, fasse sie an, schmecke sie, rieche an ihnen – freudig, rastlos und tatsächlich bis an die Grenze zum körperlichen Raubbau. Im Lauf der Jahre sind bei diesem Fahrradmarathon sehr viele gefährdete Gewächse von mir verbucht worden, selbst eine Reihe ausgestorbener Arten. Als Fahrradfahrer will ich natürlich auch noch die Welt verbessern und immer mit gutem Beispiel vorangehen.

Bei Tagestouren reicht mir ein Rucksack, in den ich neben Stift und Karten meine Kamera, etwas zu trinken und zu essen sowie eine Regenjacke einpacke. Will ich eine Woche unterwegs sein, lege ich in meinen Fahrradkorb noch eine eingerollte Thermomatte, meinen Schlafsack und einige Nahrungsmittel. In die Gepäcktaschen stopfe ich Ersatzwäsche, Regenjacke, Handtuch, Rosenschere, Minisäge, Luftpumpe sowie einen kleinen Löffel. Der ist enorm wichtig für meine geliebten Joghurtpötte! Rosenschere und Minisäge sind notwendig, um hin und wieder Gehölze zu entfernen, wenn sie gerade bei seltenen Arten zu viel Schatten verursachen.

 

Bevor ich jedoch aufs Rad steige und überhaupt Tempo aufnehme, sehe ich ganz in der Nähe meines Wohnblocks – längst lebe ich nicht mehr in Biefefeld, sondern in Bremen – den herrlich himmelblau blühenden Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys). Seine vierteiligen Blüten mit den zwei weißen Staubbeuteln fallen jedoch ganz leicht ab, ein Blumenstrauß mit dieser Art ist also nur ein kurzes Vergnügen. Wir Floristen nennen diese Blüten «hinfällig», ein passender Ausdruck. Im Volksmund wird der Ehrenpreis auch Männertreu genannt. Sogar in den vermoosten, völlig ungedüngten Rasenflächen um den Rowohlt Verlag in Reinbek sah ich im November 2013 Massen «meines geehrten Preises».

Gamander-Ehrenpreis

Mit ziemlicher Sicherheit begegne ich kurz darauf im Bremer Land, weil gut zu erkennen, dem mannshohen Großen Odermennig (Agrimonia procera). Bei diesem Rosengewächs muss ich mir nicht einmal den Hals verdrehen, so hoch wächst es hinaus. Das Besondere an seinen gelben Blüten und krautigen Blättern ist, dass sie nach Obst duften, nach Apfelsinen oder Äpfeln. Ein frischer Trieb am Fahrrad oder ein Blatt in der Hosentasche erspart einem den unangenehmen Geruch nasser Schuhe, einnebelnder Socken oder fast stehender Hosen – was nach einer Woche schon mal passieren kann. Zahlreiche Blüten an kerzengeraden Stängeln kommen durch das knallige Gelb so richtig zur Geltung. Nach der Blüte bilden sie klettende Früchte aus, die vor allem im Fell vorbeilaufender Tiere haften bleiben. Auch ich hatte schon mehrfach diese anhänglichen Früchtchen an Socken oder Hosenbeinen.

Großer Odermennig

Auf dieser Weise kann ich ewig vor mich hin strampeln, um festzustellen, was da alles um mich herum blüht. Oft aber war ich auf meinem Fahrrad nicht nur zum Vergnügen unterwegs, sondern im Auftrag der Niedersächsischen Naturschutzbehörde oder des Bremer Umweltsenats. Meine Aufgabe war es dann, wertvolle Lebensräume und deren Pflanzenarten ausfindig zu machen und in einem Verzeichnis festzuhalten – Kartieren nennt man das in der Fachsprache. Überhaupt, wir Botaniker wollen und müssen die Kenntnisse über unsere heimische Pflanzenwelt verbessern: Wo kommt welche Art in welchen Mengen vor? Breiten sich die Arten aus, oder gehen sie zurück? Ist eine solche Entwicklung nur in bestimmten Regionen oder landesweit zu verzeichnen? Aus diesem Wissen leiten sich auch die Roten Listen ab, die Verzeichnisse bedrohter Arten. Sie sollen helfen, die Artenvielfalt auch für kommende Generationen zu erhalten und – wenn möglich – noch weiter zu fördern.

Zwischen 1987 und 1989 klapperte ich in der Region Hannover insgesamt siebenundsechzig Bahnhöfe mit dem Rad ab, das pflanzliche Ergebnis wollte ich für meine Diplomarbeit festhalten und auswerten. Während einer dieser Touren – es ging von Hannover über Laatzen nach Sarstedt – hielt ich an einer Kreuzung. Zwangsweise, denn die Ampel zeigte Rot. Beiläufig schaute ich nach links, direkt auf den Pflasterstreifen zwischen Radweg und Landesstraße. Ich wusste es in diesem Moment nicht: Sollte ich meinen Augen trauen? Ein exorbitantes Deutsches Filzkraut (Filago vulgaris, RL 2) stand da, und nicht nur eins, sondern gleich mehr als hundert Individuen, wie ich mit einem gekonnten Blick auszuzählen vermochte. Es war wirklich kaum zu glauben, denn das Deutsche Filzkraut wurde in Niedersachsen zuletzt 1937 gefunden. Die Überprüfung durch Herrn Garve, der damals im Niedersächsischen Landesverwaltungsamt tätig war, bestätigte den sensationellen Fund: Ich hatte das kniehoch wachsende Deutsche Filzkraut wiedergefunden – nach über sechzig Jahren scheinbarer Nichtexistenz! Wegen ihres mausgrauen Äußeren werden Filzkräuter oft auch Schimmelkräuter genannt. Das klingt wenig sympathisch, aber viele sehen sie aufgrund des Grautons nicht – was mein Glück war und noch heute ist.

Deutsches Filzkraut

Um Hannover, genauer gesagt im Leine-, aber ebenso im Wesertal, habe ich oft den Knolligen Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum) entdeckt, der aufgrund seiner verdickten Wurzel auch Rüben-Kälberkropf heißt. «Entdeckt» ist zu viel gesagt, denn dort ist er eine alltägliche Erscheinung. Mich verblüfft bei ihm, dass er bei einer Wuchshöhe von bis zu zwei Metern einen sehr filigranen Aufbau hat. Er zeichnet sich weiterhin durch rötliche Stängel aus, feine Blattrosetten und gefiederte Blättchen; manchmal sieht die Pflanze aus, als würde sie, etwas aufgeblasen, gleich lostanzen wollen. Giftig ist sie zudem, dennoch habe ich sie in guter Erinnerung.

Knolliger Kälberkropf

Weiter in den Auen von Leine und Weser begegneten mir Rosen, natürlich wilde Rosen. Rosen sind schwierig; manche sagen, das wäre ich ebenfalls … Wie auch immer: Oft genug habe ich Rosenexperten dabei beobachtet, wie sie nach abgefallenen oder aufsteigenden Kelchblättern fahndeten oder die Form der Hagebutten eingehend analysierten. (Ist das Loch oben breit oder eng, ist die Hagebutte behaart oder unbehaart?) Doch trotz all ihrer Anstrengungen konnten sie sich nicht einigen, bekamen sich sogar in die Wolle, weil sie eine bestimmte wilde Rose nicht exakt bestimmen konnten. Das ist nun gar nicht mein Ding. Kann ich solche tollen Blütenpflanzen nicht nach ihrer Farbe zuordnen, verliere ich schnell die Lust. Als Augenmensch möchte ich ein Gewächs schon bei seinem Anblick richtig bestimmen. Schlag auf Schlag soll es weitergehen, ein solches Vorpreschen liebe ich. In der Zeit, in der sich die Fachleute die Köpfe heißreden, habe ich nämlich schon zwanzig weitere Arten entdeckt. Oft genug erlebte ich das anlässlich von Kartierertreffen, auf denen sich mehrere Botaniker zur Artenbestimmung versammelten. Da trabte ich dann einfach los und kam häufig mit wahren Blumensträußen neuer Arten zurück, die auf unsere Pflanzenlisten kamen. «Apportieren» nennen wir das, wie bei Hunden, die das Niederwild einsammeln.

Zweifellos ganz eindeutig war in den Auen der Leine aber die Hunds-Rose (Rosa canina), mit Abstand die häufigste der etwa achtundzwanzig wilden Rosenarten in Deutschland. Bei dieser märchenhaften Heckenschönheit mag ich im Juni ihre oft zahlreichen weißlich rosa gefärbten, nur schwach duftenden Blüten. Gewöhnlich wird sie bis drei Meter hoch, sie wächst aber auch doppelt so hoch hinaus, wenn sie klettern kann. Mit Hunden hat die Hunds-Rose eigentlich nichts zu tun, mal abgesehen von ihren hundsgemeinen Dornen. Diese Rose war und ist bei uns sehr häufig. Und was kann sie noch so außer wachsen und blühen? Ihre Wurzelrinde wurde früher nach dem Biss tollwütiger Hunde (aha!) als Heilmittel eingesetzt. Die kletternde Hunds-Rose erinnert mich immer an eine bestimmte Kletterrose, die mein Vater eingepflanzt hat, um damit unsere Straßenlaterne vor dem Haus zu verschönern. Ihr Sortenname war «New Dawn», und mir dämmert gerade beim Schreiben: Das waren auch meine ersten englischen Worte.

Hunds-Rose

Viele Pflanzenarten, die um 1950 noch recht häufig waren, sind heute verschollen – ich sage lieber verschollen als verschwunden, denn so bleibt die Hoffnung, dass sie nur übersehen wurden. Viel zahlreicher als die ausgestorbenen Arten (die aber wie das Deutsche Filzkraut wiederauferstehen können) sind jedoch die hierzulande neu eingewanderten Pflanzen. Sie sind als blinde Passagiere auf Schiffen zu uns gekommen, auf Lkws oder per Eisenbahn. Noch vor dem Mauerfall erstaunten mich 1987 bei einer Radeltour durch das thüringische Eichsfeld imposante Bestände von etwas gelb Blühendem. Verirrte Rapspflanzen, dachte ich zuerst, bis ich begriff, dass ich mich getäuscht hatte. Es handelte sich um das Orientalische Zackenschötchen (Bunias orientalis), das aus Südosteuropa und Vorderasien stammt. Seine Wuchshöhe ist recht auffällig, 1,5 Meter, und es sichert sich seine Existenz, indem sich zur Fruchtzeit die vielen sparrigen, das heißt zu allen Seiten winklig abstehenden Stängel auf den Boden legen und so keiner anderen Pflanze eine Chance geben. Ganz schön extrovertiert ist dieses Zackenschötchen, ein goldgelber Drängler und Wüstling.

Orientalisches Zackenschötchen

Ein Immigrant ist auch die seltene Gelbe Bartsie (Parentucellia viscosa). Ursprünglich ist dieses bis einen halben Meter hohe Gewächs mit einer breiten Oberlippe und einer dreiteiligen Unterlippe in Australien und Amerika beheimatet. Vermutlich gelangte es mit Grassamen nach Europa, und noch heute vagabundiert diese Pflanze, die von klebrigen Drüsenhaaren umhüllt ist, an immer neuen Stellen.

Gelbe Bartsie

Ein anderer vom Fahrradsattel aus nicht zu übersehender gelber Farbtupfer ist der weit verbreitete Huflattich (Tussilago farfara). Das vielseitige Gewächs half früher gegen Durchfall, Fieber oder Wunden. Wie über Nacht erscheinen schon im März Blüten, die wie kleine leuchtende Sonnen aussehen und noch dazu urgesund riechen. Im April folgen dann ihre Pusteblumen, um einiges eher als beim verwandten Löwenzahn. Verblühte Blütenstängel hängen zunächst schlapp herab, um sich dann zur Samenreife wieder aufzurichten. Nur so kann der Wind die fallschirmartigen Samen optimal verbreiten. Inzwischen sind diese Triebe dreimal so lang geworden, denn der Huflattich wächst im Gegensatz zu uns Menschen noch in der Alterungsphase kräftig weiter. Er ist, wie der Name andeutet, sogar trittverträglich. Schon als Kind sah ich den Huflattich in einer Schiefergrube bei Halle am Teutoburger Wald, hier suchte ich mit meinen Geschwistern nach Versteinerungen, leider mit mäßigem Erfolg. Und als ich 1981 einen Sommer lang im Osten von Bielefeld mit der Außenanlage einer großen Gesamtschule beschäftigt war – ich hatte gerade eine Ausbildung als Gärtner angefangen –, wuchs auf dem Lehmboden zwar massenhaft Huflattich, aber noch weit und breit kein Baum oder Strauch.

Huflattich

An den Straßen großer Städte, an Flugplätzen, in Häfen, Sandgruben (vorzugsweise mit Bauschutt), auf Bahnhöfen sowie an und auf Mauern ist der Schmalblättrige Doppelsame (Diplotaxis tenuifolia) gern zu Hause. Letztlich an allen Stellen, wo ich am besten mit dem Fahrrad hinkomme. Weil seine rapsgelben Blüten die Sonne so sehr lieben, ist der Schmalblättrige Doppelsame ein untrüglicher Anzeiger von Wärmeinseln. Die Blätter und Stängel dieser bis ein Meter hohen buschartigen Pflanze riechen nach Schweinebratensoße, sodass ich in ihrer Umgebung regelmäßig Appetit auf eine heiße Brühe oder einen zünftigen Eintopf verspüre. Das geht aber nicht allen so. Paul Ascherson, im 19. Jahrhundert einer der berühmtesten Botaniker, kannte in seinem Hauptrevier Berlin alle Örtlichkeiten. Ähnlich wie ich trieb er sich mit großer Vorliebe auf Müllkippen und in Hafenanlagen herum. Den Schmalblättrigen Doppelsamen mochte er jedoch überhaupt nicht, über ihn schrieb er: «Stinkt widerlich nach Schweinebraten.» Das kann man aus seiner Sicht auch verstehen, denn Ascherson war Jude.

Schmalblättriger Doppelsame

Im Anschluss meiner Ausbildung zum Landschaftsgärtner begann ich im Oktober 1983 ein Studium der Landespflege in Hannover. Kurz zuvor hatte ich meinen Führerschein gemacht und kaufte für 3000 Mark meinem Freund Blocky seinen Citroën Pallas ab, praktisch eine Rostlaube und von Anfang an reparaturanfällig. Während einer Autobahnfahrt von Bielefeld nach Hannover gaben bei starkem Regen plötzlich die Scheibenwischer ihren Geist auf, und ich musste für den Rest der Fahrt auf sie verzichten. Kurze Zeit später lenkte ich, ein schlechter Autofahrer, den Citroën Pallas in der Gegenrichtung, also von Hannover nach Bielefeld, bei einer einspurigen Baustelle in die gerade ausgekofferte Nebenspur. In totaler Schräglage klebte ich an der schotterigen Böschung, ein Hubwagen musste angefordert werden, es war mitten in der Nacht. Bei der sich nebenan befindenden Autobahnpolizei durfte ich am nächsten Tag 170 Mark Bergungskosten «hinterlegen», sehr ärgerlich für einen armen Studenten.

Mit anderen Worten: Am liebsten war es mir, wenn mein Auto stand. Und so war ich weiter mit meinem Rad unterwegs, und wie Ascherson suchte ich dort, wo sich der Hundekot sammelte, wo der Müll liegen blieb, in unordentlichen Hinterhöfen, auf ölverschmierten Gleisflächen, oft gar nicht so weit von meiner Haustür entfernt. Dabei machte ich Bekanntschaft mit der Strahlenlosen Kamille (Matricaria discoidea), die bereits um 1850 aus östlichen Regionen zu uns einwanderte, mit ziemlicher Sicherheit über Bahnlinien. Heute ist diese Allerweltspflanze, die mich an kleine Diskuswerfer in Gelb-Grün erinnert, überall anzutreffen. Kein Dorf ohne die Strahlenlose Kamille! Kein Umschlagplatz, kein Bahnhof, keine Pflasterstraße, kaum ein Feldweg.

Strahlenlose Kamille

Mit dem Radl sind in Städten wie Bremen übrigens sehr gut Straßenbahndepots zu erreichen. Sie lösen in Botanikern wahre Glücksgefühle aus, ebenso wie Busbahnhöfe und große Parkplätze, etwa vor Fußballstadien oder IKEA & Co. Nicht zu vergessen sind die Markt- und Schützenplätze. Überall dort, wo viele Autos fahren oder halten, kann nämlich der ziemlich ausbreitungswillige Zweiknotige Krähenfuß (Coronopus didymus) wachsen, den ich erstmals 1987 auf dem Gelände des Straßenbahndepots Glocksee in Hannover sah. Die Reifen der Autos und die Schuhprofile ihrer Benutzer tragen die Samen von Ort zu Ort. Massenhaft war er da verbreitet, den weiten Weg aus Südamerika hatte er längst hinter sich. Handflächengroß wird er – nein, nicht wirklich, denn er legt sich nach dem ersten Aufrichten sofort wieder hin. Dieser sonnenhungrige Vertreter kann sich zwischen Platten- und Pflasterritzen so richtig dünne machen. Sein Markenzeichen sind die wie kleine Flaschenbürsten aufgebauten Fruchtstände. Diese setzen sich aus zahlreichen «Brillen» zusammen, immer zwei Samen gegenüber an einem Stielchenende. Das sieht verdammt niedlich aus! Der Zweiknotige Krähenfuß mit seinen gefiederten Blättern soll angeblich unangenehm riechen, für mich duftet er herrlich nach Küchenkresse.

Zweiknotiger Krähenfuß

An Gräben und auf Brachen pikt oft etwas, wenn man zwischendurch vom Rad absteigt und einen kleinen Streifzug zu Fuß unternimmt. Die Wilde Karde (Dipsacus fullonum) sieht aus wie ein Eierkopf mit Stacheln, manchmal erinnert sie mich an einen robusten Stehgeiger. An ihren Köpfchen erscheinen ab Juli kleine purpur- bis rosafarbene Blüten. Sehr dekorativ! Das in wannenartig verwachsenen Stängelblättern gesammelte Wasser diente einst als ein Augenmittel (ist aber wohl Aberglaube), die Wurzel sollte gegen Hautschrunden, Lungenschwindsucht und Syphilis helfen. Zum Namen der Wilden Karde: Mit «Kardätschen» war früher das Entfilzen von Textilien gemeint. Der Ausdruck ist ausgestorben, die Pflanze aber nicht.

Wilde Karde

Immer auf die Kleinen? Ja, auch bei den Pflanzen. Sie werden leicht übersehen (oder man schaut auf sie herab), man tritt auf sie, Autos parken auf ihnen, schlimmstenfalls spuckt man auf sie. Und haben sie sich trotz aller Unbill wieder aufgerafft, greifen genervte oder unwissende Mitbürger zu Messer, Kratzer oder Schraubendreher, um ihnen auf den Knien und über Gartenplatten rutschend den Garaus zu machen. Nein, nicht ich, ich bin ein Freund dieser Niedlinge und achte ganz besonders auf sie, sie sind doch so klein. Ein solcher Winzling, den ich am liebsten sofort der ganzen Welt zeigen würde, ist die Rote Schuppenmiere (Spergularia rubra). Mit ihren rosarot gefärbten fünfteiligen Blüten ist sie ein Augensternchen, eine sinnliche Mini-Nelke. Und erst die zehn gelben Staubgefäße … Bei ihr könnte ich wirklich ins Schwärmen geraten. Und das geht nicht nur mir so: Jemand schrieb mir per E-Mail, wie viele schöne Schuppenmieren er «in so einem kleinen Haufen Dreck» nach erledigter «Pflege» seiner Terrasse und der Garageneinfahrt vorgefunden hätte. «Mit wie viel Power die da aus den Ritzen sprießen!» Ich antwortete, dass das ja wohl dann auch die letzte (unnötige) Säuberungsaktion gewesen sein sollte.

Rote Schuppenmiere

1987 wurde meine Tochter Janne geboren. Die nahm ich, kaum dass sie laufen konnte, in meiner zwischenzeitlichen Heimat Hannover mit auf meine botanischen Suchaktionen. Auf Güterbahnhöfen tobten wir viel herum, unbedingt wollte sie an diesen Orten Verstecken oder Fangen spielen – und lief gern mal weg. Das wissend und nicht immer gutheißend, ließ ich sie das eine oder andere Mal einfach im Fahrradkindersitz sitzen und klappte nur den Greifständer herunter. Hätte Janne da in ihrem Sitz geschaukelt und wäre umgekippt – daran darf ich gar nicht denken. Doch als wir einmal zusammen über den Boden krochen, entdeckte ich mit ihr die Rote Schuppenmiere.

Weil man nicht ständig auf dem Boden herumkriechen kann, um nach Niedlingen Ausschau zu halten, wird der Blick frei für das hochwachsende Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium), denn die großen Blüten an langen Trauben erfreuen einem schon von weitem. Die Pflanze zählt zu den Nachtkerzengewächsen, aber während die Nachtkerzen geschlossen gelb blühen, haben sich fast alle Weidenröschen auf ein helles bis kräftiges Purpurrot geeinigt. Das Schmalblättrige Weidenröschen konnte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den Städten plötzlich in Massen entfalten und wurde daher Trümmerrose genannt. Auf den künstlichen Steinwüsten konnten sich Abertausende Samen dieser auch im Gebirge häufigen Art für kurze Zeit ungehindert ausbreiten. Auch interessant: Aus der Samenwolle fertigte man früher Dochte an.

Schmalblättriges Weidenröschen

Eine noch imposantere Erscheinung ist die Gewöhnliche Eselsdistel (Onopordum acanthium). Wenn ich sie erblicke, murmele ich: «Du großmäulige Schuttdistel, du angeberischer Dickkopf», denn sie weist mit die größten Blütenköpfe aller Disteln auf. Diese purpurroten Kugeln können 8 Zentimeter breit und 5 Zentimeter hoch sein, und so etwas übersieht nun wirklich niemand! Überall kann die Eselsdistel überleben, sie selbst wird heiß geliebt von Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und Tagfaltern. Einst wurde sie als Heilpflanze gegen Geschwüre («Krebsdistel») angesehen, gegen Blut-, Haut- (Krätze, Milchschorf, Kopfgrind) und Geschlechtskrankheiten (Tripper); ihre Wurzeln und jungen Sprossen wurden gegessen.

Gewöhnliche Eselsdistel

«So schön und dazu noch so häufig», möchte man zum Gewöhnlichen Leinkraut (Linaria vulgaris) sagen. Die ziemlich lange im Jahr blühende, bis 80 Zentimeter hohe Pflanze hat gelbe Blüten mit einem orangefarbenen Schlund. Pure Magie. Diese genügsame Art benutzte man früher zum Blondieren der Haare und nannte sie deshalb auch Frauenflachs oder Unser Lieben Frauen Flachs. Das hätte ich mal meiner früheren Ehefrau Barbara sagen sollen, die sich mühevoll mit allerlei Chemie blonde Strähnchen machte. Aber damals wusste ich das noch nicht.

Gewöhnliches Leinkraut

Sie werden es noch feststellen: Ich bin ein großer Klettenfan. Sobald ich unterwegs Kletten sehe, pflücke ich sie ab und drücke sie anderen auf Schultern oder Rücken, nicht ohne die Bemerkung: «Na, mein Freund, wie geht’s?» Da kann ich mich kaputtlachen. Gut, vielleicht ist das gar nicht so lustig … Aber egal, denn selbst wenn ich mit dem Rad durch die Gegend rase, erkenne ich die Große Klette (Arctium lappa). Dazu eine weitere Geschichte: 1983 erhielt ich vom Niedersächsischen Landesverwaltungsamt, genau gesagt von der Abteilung Naturschutz, einen besonderen Kartierauftrag. Im Zuge eines geplanten landesweiten Verbreitungsatlanten für alle Wildpflanzen in Niedersachsen und Bremen sollte in sämtlichen diesbezüglichen Gebieten möglichst gleichmäßig geforscht werden. Nun gibt es artenreiche und damit interessante Landschaften, aber auch weniger spannende Areale. Bei Bennigsen, in der Nähe vom Deister, hatte ich im zweiten Durchgang – Ende April 1993 war ich schon einmal dort gewesen, jetzt war es zweieinhalb Monate später – gerade ein schönes Laubwaldgebiet auskartiert. Funde der rötlich violett blühenden Großen Klette hatten mich froh gestimmt, denn mit fast zwei Meter Höhe ist sie unsere auffälligste Klette überhaupt. Nun waren noch umliegende Äcker, wenige Gräben und Wege sowie ein Abschnitt der Landesstraße 422 dran, als ein längerer Platzregen niederging und ich unter einem Baum mit meinem Fahrrad Schutz suchte.

Große Klette

Als die Sonne sich wieder zeigte und das Regenwasser verdampfte, nahm ich mir diese Landesstraße mit den lückig gesäumten Apfelbäumen und Straßengräben vor. Kurz darauf hörte ich von Norden her einen Pkw mit völlig überhöhter Geschwindigkeit heranbrettern. Gerade hatte ich mein Rad an einem Apfelbaum abgestellt, als das Fahrzeug mit rund 100 km/h (70 waren erlaubt) anrauschte und dabei in einer Kurve auf die linke Fahrbahnseite geriet. Genau dort, wo ich eben noch gestanden hatte, schoss das Auto in den Graben rein – ziemlich spitzwinkelig, sodass es noch rund fünfzig Meter mit großem Krach weiterrutschte, direkt auf mich zu. Zehn Meter vor mir kam der völlig verdreckte Wagen zum Stehen. Aus der Beifahrertür quälte sich eine Frau heraus – sie war zum Glück unversehrt und mit dem Schrecken davongekommen. Schon seltsam, was einem so mit dem Rad passieren kann. Zum Glück bin ich nie übern Deister gegangen!

Im Zuge dieses Kartierungsauftrags bekam ich auch die Echte Hundszunge (Cynoglossum officinale) zu Gesicht, die wegen ihrer langen rauen Blätter – sie selbst wird bis zu 80 Zentimeter hoch, die Blätter bis zu 15 Zentimeter – so genannt wird. An einem gehölzarmen, von Kaninchenbauten durchlöcherten Südhang bei Bovenden im Kreis Hildesheim wuchsen wenige Exemplare. Braunrote Blüten und die Früchte erinnern an ein Vergissmeinnicht und zogen mich in den Bann. Gleich Kletten bleiben die steinharten Samen der Echten Hundszunge im Fell von Tieren hängen, ebenso gern an Jacken, Hosen und Socken von unvorsichtigen Zweibeinern. Aus Textilien sind sie nur mit Mühe wieder zu entfernen – kein Wunder, dass dieser Mechanismus Vorbild für die Entwicklung von Klettverschlüssen war. Auch aus diesem Grund finde ich die Echte Hundszunge grandios, denn Klettverschlüsse sind einfach klasse – im Gelände ersparen sie mir unnötiges Fummeln an Knöpfen und Reißverschlüssen. Perfekt für jemanden wie mich, der immer gleich losziehen muss.

Echte Hundszunge

Nicht minder begeistert mich die Kaschuben-Wicke (Vicia cassubica, RL 3), sie ist so eine edle Erscheinung. Die dunkelgrünen Blätter, wie kleine Fächer übereinander angeordnet, stehen in schönem Kontrast zu den purpurroten Blütenständen, die wie Schmetterlinge erscheinen. Typisch für sie sind hellbraune Fruchtschoten, die im Längsschnitt an riesige Flöhe erinnern. Zur Geschichte des Namens: Die Kaschuben, ein westslawisches Volk, haben Mitteleuropa von Osten her besiedelt, und genau dort wuchs diese Wickenart besonders häufig. Natürlich ist man dann stolz, wenn man sie auch noch im Umkreis von Cuxhaven oder Stade findet!

Kaschuben-Wicke

Ich kenne niemanden, der die Wilde Malve (Malva sylvestris) nicht mag. Ihre tellerartigen Blüten sind phänomenal, man kann sie sogar essen, und meist setzen sie sich aus langen rosafarbenen Blütenblättern mit drei purpurroten Streifen zusammen. Leider geht die Wilde Malve inzwischen stark zurück, denn unsere Dörfer werden immer sauberer und hofnahes «wildes» Brach- und Weideland verschwindet.

Wilde Malve

Auf meinen Radexkursionen komme ich fast immer am Rainfarn (Tanacetum vulgare) vorbei, eine Leuchte aller Säume (er ist aber auch auf trockenen Brachen zu finden). Die vielen goldgelben Blüten sehen aus wie mit Stoff bezogene Knöpfe, eine äußerst hübsche Zierde. Selbst im farbenärmer werdenden Herbst zeigt er noch lange Flagge. Das Farnartige bezieht sich auf seine stark zerteilten Blätter. Pflückt man sich einen schönen Strauß vom Rainfarn, riechen die Hände danach ziemlich würzig, fast unangenehm scharf. Früher wurde er aus diesem Grund gegen Verstopfung, Spring- und Spulwürmer, in Russland sogar gegen Wasserscheu eingesetzt. Er diente statt Hopfen als Bierwürze, und rieb man Fleisch mit Rainfarn ein, schützte das vor Maden und Schmeißfliegen.

Rainfarn

Ein ganz exklusiver Kandidat ist für mich der Hain-Wachtelweizen (Melampyrum nemorosum), eine in Deutschland auffallend östlich verbreitete Art. So kommt sie in Ost-Schleswig-Holstein, Ost-Niedersachsen, Ost-Hessen, Ost-Bayern und natürlich in weiten Teilen von Ostdeutschland vor. Meine beiden Söhne Felix und Tim mussten diesen Wunder-Wachtelweizen 2004, im Alter von neun und elf Jahren, über sich ergehen lassen. «Oh Papa, Mensch, immer deine Pflanzen», maulte Tim, der jüngere. Also erklärte ich ihnen seine Besonderheiten: «Wisst ihr, er ist ein Halbschmarotzer und entzieht anderen Pflanzen, die man Wirtspflanzen nennt, etwa Gräsern, Nährstoffe und Wasser. Obwohl sie allein nicht existieren kann, ist diese Art in der Lage, große, oft tausend Pflanzen umfassende Bestände aufzubauen. Seht ihr, die Blüten leuchten in einer Traube goldgelb, und ab Mitte Juni verfärben sich die darüberliegenden Hochblätter zunächst blassblau, danach königsblau bis violett-lila. Das hilft, Bienen anzulocken. Dieses Schauspiel ist einfach grandios!» Und so sahen es dann auch meine Söhne und waren mir gegenüber gnädiger gestimmt.

Hain-Wachtelweizen

«Wer in Dorfe oder Stadt eine Schwarznessel (Ballota nigra) wohnen hat, der sei höflich und bescheiden, dass sie muss nicht weiter weichen.» Frei nach Wilhelm Buschs fünftem Max-und-Moritz-Streich, bei dem die Krabbelviecher im Bett von Onkel Fritz mehr und mehr werden! Zuzeiten des humoristischen Dichters gab’s die schmutzig violett blühende Pflanze noch vielerorts zuhauf. Inzwischen suche ich oft vergeblich nach einer Schwarznessel, sie ist nämlich häufig Opfer zu sauberer Dörfer und Städte geworden, in denen auch die letzten Grünreste zugepflastert wurden. Doch es gibt sie noch zu entdecken, denn sie ist geflüchtet. Dort, wo Bauern landwirtschaftliche Abfälle, Schutt oder überschüssigen Boden außerhalb der Siedlungen entsorgen und auch nicht alles überdüngen, hat sie eine Nische gefunden. Keine andere Pflanze auf der Roten Liste für Niedersachsen und Bremen habe ich so häufig der Landesbehörde gemeldet wie die Schwarznessel.

Schwarznessel

Wieder einmal war ich per Fahrrad unterwegs, auf dem Weg von Rosche nach Uelzen in Ost-Niedersachsen, mit richtig viel Tempo, als ich westlich von Rosche im Fahren die Schwarznesseln in einem Straßengraben zählte, es waren etwa fünfzehn. Dabei geriet ich vom frisch aufgetragenen Asphalt des Radwegs mit Schwung in den Graben und stürzte kopfüber in einen umfangreichen Brennnesselbestand. Mein Gesicht brannte nach dem Aufprall wie Hölle, pustelte kurz darauf weißlich hell auf, und noch eine Stunde später in Uelzen war trotz ständiger Gesichtsmassage meine schlechte Laune nicht verflogen.

Wo die Schwarznessel ist, gibt sich immer wieder auch das Herzgespann (Leonurus cardiaca, RL 3) die Ehre. Seine weiteren Namen: Löwenschwanz, Katzenschweif oder Gemeiner Wolfstrapp. Schmutzig roter Dorfhäuptling ginge ebenfalls. All diese Bezeichnungen erinnern an die gute alte Zeit in den Dörfern, als Gänse, Hühner, Kühe, Schweine und Ziegen noch frei herumliefen, als wilde Lagerplätze, klapprige Maschinen sowie aus dem Fenster geworfene Küchenabfälle die Szenerie bestimmten. Das selten gewordene Herzgespann verträgt es, abgemäht zu werden, und zwischendurch darf auch ein Trecker darauf parken. Aber nicht zu lange, denn sonst können sich die quirlartigen rosafarbenen Blüten nicht entfalten. Durch den schon erwähnten Sauberkeitswahn in Siedlungsbieten hat diese Art mit am meisten von allen «Dorfpflanzen» gelitten.

Herzgespann

Im für Botaniker beschäftigungsarmen Winter notiere ich mir gern, welche Baumarten von den schweren Kugeln der immergrünen Laubholz-Mistel (Viscum album) befallen sind, meinem persönlichen Evergreen! Das belebt längere Fahrradtouren, vor allem im Winter, wenn nicht viel zu sehen und alles laubfrei ist. Befallen werden von der Mistel vor allem Birken, Weißdorn, Apfelbäume, Linden, Robinien, Silber-Ahorn und Pappeln, vorzugsweise in den Niederungen von Flüssen oder in alten Parkanlagen. Oft waren es mehr als hundert Misteln je Baum (ich zählte immer genaue Mengen aus). Manchmal fragten mich Menschen, die mir unterwegs begegneten – und ich mich dann auch –, was ich denn da eigentlich so treiben würde.

Laubholz-Mistel

Dieser Halbschmarotzer entzieht Wirtsbäumen Nährstoffe und Wasser, und trotz meines gegenteiligen fachlichen Rats gelang der Mistel zwischen 1993 und 2003 sogar der Sprung auf die Rote Liste von Niedersachsen und Bremen. Da packte mich dann der Ehrgeiz: Zehn Jahre lang betrieb ich eine intensive Mistelkartierung, aus der sich schließlich ergab, dass die Laubholz-Mistel sich sogar ganz stark ausgebreitet hatte. Aber das hatte ich doch gleich gesagt! Was noch spannend ist: Ist der Juli insgesamt kühler, fehlt die Mistel im Norden oder Nordwesten Deutschlands, oder es gibt einzig sehr wenige Vorposten. So haben wir in Bremen seit Jahrzehnten nur zwei große Bälle in einem Silber-Ahorn, der vor dem Sendesaal von Radio Bremen steht. Eine weitere Mistel auf einer jüngeren Pappel wurde hier durch Fällung vernichtet, denn keine Mistel überlebt ihren Wirt. Es hat bei ihr auch nie an sogenannten Ansalbungen gefehlt – das ist das absichtliche Ausbringen, Ansäen und in diesem Fall das Ankleben von nicht ursprünglichen Pflanzenarten. Bei der Mistel gelingt das sogar hin und wieder, was ich mit Freuden registriere, denn im grünarmen Winter sind Misteln wunderschöne Anblicke.

Misteln können siebzig Jahre alt werden und oft zum Tod der Wirtsbäume führen. Sie blühen bereits ab März, und die weißen, stark klebrigen Beeren werden vor allem von Drosseln (daher etwa die Misteldrossel) verbreitet. Dazu werden die lästigen Beeren am Schnabel auf nicht zu alten Zweige abgestreift. Diese wie skurrile Medizinbälle oder falsche Krähennester aussehenden Misteln haben Menschen schon von alters her beschäftigt. Germanen glaubten, sie seien vom Himmel gefallen, gallische Druiden nutzten sie als Heilmittel und als Zaubertrank, bei vielen anderen Völkern waren sie Sinnbild für ein ewiges (grünes) Leben. Aus dem klebrigen Fruchtfleisch fertigt man leider im Mittelmeerraum die gefürchteten Vogelfang-Leimruten.

Ideal vom Fahrrad aus zu erkennen, da unübersehbar, ist der wuchtige, fast immer 2 Meter hoch werdende Arznei-Haarstrang (Peucedanum officinale, RL 3). Er hat viele leuchtend gelbe Dolden – bei einer Dolde liegen mehrere Blüten auf ungefähr einer Höhe – und lange gefiederte Blattzipfel, daher der Name Haarstrang. In Kräuterbüchern hatte er eine große Bedeutung, denn der Milchsaft, der beim Anschneiden aus der Wurzel austritt, wie auch das fenchelartige Laub sollen viele Leiden wirksam gelindert haben. So wurde er gegen Kopfschmerzen, Blähungen und Unfruchtbarkeit eingesetzt und galt als appetitanregend, auswurffördernd sowie hustenlindernd. Die robuste Pflanze kann abgemäht werden; abgeweidet wird sie dagegen nie, denn kein Tier frisst sie. Sie schmeckt einfach nicht, und sie bekommen davon Fusseln im Mund. Nach einer Mahd, also dem Mähen von Gras oder Getreide, wachsen fast buschartig neue Blätter, das sieht dann aus wie eine riesige Perücke oder wie gelbgrüner, giftig anmutender Bodennebel. Bislang habe ich so einen nebulösen Arznei-Haarstrang leider nur im Regenschatten des Harzes erblickt.

Arznei-Haarstrang

 

Bin ich länger als einen Tag unterwegs, stellt sich natürlich die Frage nach der Übernachtung. Anfangs hatte ich noch ein Zelt bei mir, aber das benutzte ich nur ein einziges Mal. All diese knackenden Geräusche um mich herum – wer weiß, wer oder was da gerade kommt oder eben nicht! Das könnte ein Mensch sein, der nichts Gutes im Sinn hat, oder ein Wildschwein, das ebenso nicht gerade freundlich gesinnt ist. Meine Phantasie ging in jener einzigen Zeltnacht auf jeden Fall so mit mir durch, dass ich am Ende in einem Kornfeld unter freiem Himmel übernachtete. Inzwischen habe ich mich auch schon in eine Treckerspur gelegt, dann wieder an Waldwege, mehrfach unter überdachte Fahrradständer von Schulen, in Bunker auf Truppenübungsplätzen oder wie der Deutschlandwanderer Joey Kelly in die Häuschen von Bushaltestellen.

Alternativ kam ich einmal auf die Idee, einen Hochstand aufzusuchen. Er hat immerhin ein Dach, und man kann hinausschauen, wenn auch nur stehend und im Hellen. Als ich dann aber nachts auf dem Boden des Hochstands lag und einschlafen wollte – nur deshalb war ich ja hinaufgeklettert –, fühlte ich mich ausgeliefert. Was konnte da nicht alles passieren? Das Fahrrad befand sich unten, fliehen war also unmöglich. Stieg da jemand die Leiter hoch? War das der Jäger? Es klang verdächtig danach. Längst hatte ich mit meinem Dasein Hase, Reh oder Wildschwein verjagt. Das würde sicher Theater geben … Aber natürlich kam niemand. Trotzdem, Hochstände vermeide ich seitdem. Mit diesem Knacken in unmittelbarer Umgebung kam ich genauso wenig zurecht wie im Zelt – ich muss die Szenerie sofort überblicken können.

Heute schaue ich schon am Morgen, wo ich abends unterkommen will. Bahn- und Friedhöfe habe ich im Visier, in ländlicheren Regionen werden Letztere nämlich über Nacht nicht abgeschlossen. Kapellen, die keine Bewegungsmelder haben, werden dort von mir bevorzugt. Zu meinem Leidwesen haben jedoch immer mehr von ihnen Bewegungsmelder, dabei kann ich bei Licht nicht einschlafen. Habe ich trotz dieser technischen Errungenschaften die optimale Kapelle gefunden, rolle ich Schlafsack und Thermomatte aus. Mein Rucksack mit Schal oder Handtuch dient mir als Kopfkissen.

 

Also, das Erschließen und Genießen von Natur sowie das Erkennen und Begreifen von Naturzusammenhängen, das Lesen der Natur anhand der anstehenden Baumarten, Feldfrüchte, Biotoptypen und Dorfstrukturen gelingt am allerbesten mit dem Fahrrad. Jederzeit kann ich absteigen, noch ein Foto machen, auf Karten meinen Standort überprüfen und besondere Funde darauf vermerken. Ich kann mit dem Rad querfeldein in Treckerspuren fahren (etwa um einen Sumpf, Teich oder einen anderen Weg zu erreichen), es durch Bäche und kleine Flüsse tragen, flugs über Baumstämme, Gräben, Schlagbäume und Zäune hieven, sogar längs und auf Bahnschienen bin ich schon verkehrt. Flink wie ein Wiesel erkunde ich die Gegenden, esse beim Fahren, stehe auf den Pedalen, um an hohen Böschungen oder tiefen Gräben noch größer zu werden und besser sehen zu können. Per pedes bin ich zu langsam und mit dem Auto oft viel zu schnell. Das Fahrrad ist einfach unschlagbar, und die tollsten Pflanzenfunde verdanke ich meinen Rädern! Außerdem tue ich beim Radeln gleichzeitig etwas für meine Gesundheit, spare Benzin, verpeste keine Luft und mache keinen Lärm – außer natürlich bei Jubelschreien nach exorbitanten Funden!

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2Direkt vom Hausflur in die Feldflur

Ein Acker fasziniert mich, weil so viele schöne Arten darauf wachsen. Früher dachte ich, Ackerpflanzen schützt man, wenn man sie in Ruhe lässt. Warum nur pflügt der Bauer diese Pflanzen um? Das darf er doch nicht! In den achtziger Jahren beobachtete ich einen Landwirt, der beim Wiesemähen zahlreiche Orchideen umnietete. Das erzürnte mich derart, dass ich sogar beim Landesamt in Hannover vorstellig wurde. «Ich möchte mal was melden», sagte ich aufgebracht. «Ein Bauer hat da Orchideen einfach mit seiner Maschine umgepflügt.» Milde lächelnd gab mir mein Gegenüber, mein späterer Mentor Herr Garve, zu verstehen: «Das ist auch gut so. Würde der Mann nicht mähen, würden viele Arten verschwinden, dann verfilzen Äcker und Wiesen, und alles wächst hoch, nur die stärkeren Konkurrenten würden überleben. Äcker sollten nicht zu tief umgepflügt werden, und sicher sollte man Wiesen nicht fünfmal im Jahr mähen, aber ab und zu ist nicht verkehrt, und Orchideen haben schön geschützte Knollen in der Erde.» Da hatte ich was erfahren: Da bekommen Pflanzen was auf die Mütze, und dennoch entsteht gerade dadurch Artenvielfalt!

Und nicht weniger faszinieren mich Ackergräben. Wie sehen die im März aus? Matschig, kahl, trostlos wie eine Mondlandschaft oder ein Schlachtfeld. Wie soll da was blühen? Doch kommt man drei Monate später wieder – sagenhaft, was sich da alles getan hat. Nicht wiederzuerkennen, rund und gesund schauen die Gräben jetzt aus.

Und dann die Kornfelder mit dem knallroten Klatsch-Mohn und den leuchtend blauen Kornblumen! Ein phänomenaler Farbenkontrast, erst der blassblaue Weizen, der dann blaugrün wird, dann goldgelb, und dazwischen das Königsblau und Picasso-Rot. Deshalb sind Standorte auch so interessant. Wie sehr freue ich mich im Juni, wenn die Kornblume versucht, ein kleines bisschen über das Getreide zu wachsen. Die will ja nur mit dem Kopf über die Halme gucken: «Hallo, hier bin ich!» Andere Ackerpflanzen wiederum ducken sich, obwohl sie Sonnenanbeter sind. Damit sie genug Sonne erhalten, stehen sie nicht mitten im Kornfeld, sondern eher am Rand.

Also, rein in die Schuhe und raus auf die Äcker – und diesmal zu Fuß, dann sieht man die Winzlinge viel genauer. Meine Begegnungen mit Bauern halten sich in Grenzen – mähen sie, dann sind sie in Eile, und ich bin sowieso in Eile. Selten fragt mich einer, was ich auf den Feldern treibe, und ich bin immer froh, wenn man mich in Ruhe lässt, denn so ein Landwirt kann ganz schön argwöhnisch sein. Wenn der jemanden auf seinen Feldern sieht, geht er nur vom Schlechtesten aus: Da will jemand seinen Müll abladen. Als man mir das einmal unterstellte (ich war auf dem Fahrrad unterwegs), antwortete ich: «Guter Mann, wenn ich was tun wollte, was Ihnen nicht gefällt, dann würde ich es nachts machen und nicht jetzt, wo Sie gerade am Pflügen sind. Ich kippe doch nichts vor Ihrer Nase hin. Und wollte ich was von Ihrem Feld mitnehmen, dann würde ich mir auch eine andere Tageszeit aussuchen und nicht mittags um zwölf.» Danach war der Bauer beruhigt.

Ein anderer hatte mal Angst um seine Kühe, genauer gesagt um seinen Bullen. Ich könnte ihn reizen. Klar, wenn mich so ein Bulle sieht, wie ich über seine Weide stapfe, macht er sich bemerkbar: Er schnauft, grunzt und startet Trockenübungen mit seinen Vorderhufen. Er gibt mir zu verstehen: «Hör mal, hier bin ich der König, nicht du, verschwinde!» Aber er fängt niemals an zu rennen, dafür ist ein echter Bulle viel zu faul und schwerfällig.