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Hausarrest mit achtzehn. Gibt es was Peinlicheres? Doch Benedikt hatte wirklich über die Strenge geschlagen, als er mit Freunden den Wagen seines Vaters auslieh und sie einen Unfall bauten. Sein Vater bleibt hartnäckig. Er schleppt ihn sogar mit auf ein Freundschaftsspiel des örtlichen Fußballvereins. Dort wird Benedikt im wahrsten Sinn des Wortes vom Schicksal getroffen. Homoerotische Kurzgeschichte / Young Love.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Sämtliche Personen, Ort und Gegebenheiten sind frei erfunden. Ähnlichkeiten daher rein zufällig.
Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Cover-Modells aus.
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Hausarrest!
Das kann er nicht mit mir machen.
Seit zwei Wochen bin ich achtzehn. Er kann mir nicht einfach Hausarrest aufbrummen.
Ist es meine Schuld, wenn mein Kumpel Paul nicht Auto fahren kann?
Wütend warf ich die Türe zu meinem Zimmer im ersten Stock ins Schloss. Unten hörte ich noch meinen Vater toben und mir irgendetwas nachrufen, doch ich ignorierte es in meiner Wut. Ich war achtzehn, verdammt. Volljährig, erwachsen. Man konnte mir nicht mehr einfach so Hausarrest aufbrummen, wie einem pubertierenden Teenager.
Gut, es war eine beschissene Situation gewesen und es war absolut dumm gelaufen.
Meine Kumpels und ich wollten unbedingt zu einem Konzert. Da ich zwar achtzehn, aber mit meinem Führerschein noch nicht fertig war und Paul ebenfalls volljährig, bereits einen Führerschein aber kein Auto besaß, erlaubte ich ihm großzügig, den Wagen meines Vaters zu benutzen. Die Karre stand eh rum, wenn mein Vater ein paar Tage auf Montage war. Also was sollte die Aufregung? Von wegen, ich hätte ihn vorher fragen müssen …
Außerdem war es ganz und gar nicht geplant, dass Paul im Überschwang des Konzertes angefangen hatte zu blödeln. Aus Spaß war er auf der Autobahn Schlangenlinien gefahren, hatte schließlich die Kontrolle verloren und dem Wagen an der Leitplanke einen weithin sichtbaren, neuen Zierstreifen verpasst. Das Auto war schon über acht Jahre alt und besaß bereits einige Beulen und Kratzer. Wenn mein Vater versehentlich irgendwo entlang streifte, machte er kein solches Theater. Die Abdrücke des Pfostens, die er letztes Jahr beim Einparken am hinteren Kotflügel verewigt hatte, sah man heute noch deutlich.
Also, was sollte das Ganze?
Wütend wischte ich alles von meinem Schreibtisch auf den Boden und schickte dem Kram einen zornigen Laut hinterher.
Wie ich diese Sprüche hasste …
„Solange du deine Füße unter meinem Tisch …“ Ich knurrte sauer.
Doch ich hatte keine andere Wahl. Ich hing mitten in der Ausbildung zum Bauzeichner und verdiente gerade mal so viel, dass ich mir meinen Führerschein finanzieren konnte. Ich war auf meinen Vater angewiesen, auf den Inhalt seines Kühlschrankes und auf seine funktionierende Waschmaschine.
Ich bin achtzehn, verdammt. Das kann er nicht mit mir machen.
Mit einem weiteren wütenden Schrei warf ich mich auf mein Bett und erstickte den Laut im Kissen. Ich brüllte so laut ich nur konnte in die weichen Daunen, brüllte mir den Frust und die Scham vom Leib. Mehrmals hieb ich mit der Faust auf die Matratze und schickte meinen Vater und diesen blöden Paul, der auch noch die Frechheit besessen hatte, vor der Polizei zu behaupten, dass ich gefahren sei, gedanklich zum Teufel. Zum Glück dementierten meine anderen Kumpels, die ebenfalls im Wagen gesessen waren, die Aussage. So kam ich recht glimpflich davon – zumindest vor der Polizei. Mein Vater hatte sich nicht so leicht besänftigen lassen.
Ich hatte jetzt wirklichen Ärger am Hals. Nicht nur, dass mir mein Vater nicht mehr vertraute, ob ich nach Pauls Behauptung überhaupt noch meinen Führerschein bekam, war ebenso fraglich. Die spitze Bemerkung hätte sich der Polizist wirklich sparen können.
Wir waren doch einfach nur ein paar Jungs gewesen, die ein wenig Spaß haben wollten. Wir hatten sogar auf Alkohol und dergleichen verzichtet, obwohl der auf der After-Show-Party reichlich geflossen war. Warum musste Paul auch anfangen, im Takt der überlauten Rave-Musik, die aus den Lautsprechern des Wagens dröhnte, Schlangenlinien zu fahren – bei 150 Stundenkilometer – wenn er nicht imstande war, den Wagen zu kontrollieren? Gut, es hätte wirklich mehr passieren können – hatte es aber nicht.
Als Paul die Kontrolle verloren hatte, waren wir an der Leitplanke entlang geschliddert und im Straßengraben hängen geblieben. Es war nichts weiter als Blechschaden entstanden.
Wozu die ganze Aufregung?
Ich schickte einen weiteren Schrei in das Kissen. Es war so ungerecht.
Hausarrest.
Und das vier Wochen lang.
Dabei wollte ich in zwei Wochen zu dieser Rave-Party nach München und mir dort ein paar Tage Spaß und Abenteuer gönnen.
Verdammt nochmal.
Ich richtete mich wieder auf, lehnte mich gegen die Wand, zog meine Knie an mich heran und legte den Kopf darauf ab.
Eine schöne Scheiße.
Es war auch absolut unnötig gewesen, mich bei dem Streit, den wir eben hatten, auch noch auf meine ungenügenden Leistungen in der Berufsschule hinzuweisen. Das brauchte er mir nicht noch ausdrücklich zu sagen. Ich wusste selbst nicht genau, warum ich mich derzeit schwer tat, mich auf die Schule zu konzentrieren. Mein Kopf war ständig woanders. Aber wo, wusste ich selbst nicht. Es machte eben mehr Spaß, mit den Kumpels rumzuziehen, als mich mit statischen Berechnungen und chemischen Formeln zu beschäftigen. Ich war ja erst im ersten Lehrjahr.
Vielleicht hätte ich doch lieber Comic-Zeichner werden sollen, dachte ich sarkastisch. Ein Beruf, den mir mein Vater in vielen stundenlangen und nervenzehrenden Diskussionen ausgeredet hatte.
Mit einem Anflug von Trotz kletterte ich vom Bett und holte meinen Zeichenblock hervor, um meinen Frust und meinen Ärger in eine fratzenhafte Actionfigur hineinfließen zu lassen. Ich besaß hunderte dieser Bilder. Als Kind hatte ich davon geträumt, als Illustrator oder wenigstens als Zeichner bei Walt Disney berühmt zu werden. Jetzt wurde ich Bauzeichner und kämpfte mich durch gerade Winkel und akkurate, exakte Linien.
Früher als Kind, ja, da hatte ich meinen Spaß.
Wehmütig dachte ich an die Zeit zurück, obwohl es eigentlich nur ein paar Jahre waren. Ein paar der damaligen Kumpel zählte ich nicht mehr zu meinen besten Freunden, aber nur, weil sie von meinem Vater Hausverbot erhalten hatten.
Wir waren schon eine wilde Truppe gewesen. Lächelnd zauberte ich mit dem Bleistift an meinen Mister Frust eine rauchende Pump-Gun, die er mit hämisch verzerrtem Gesicht in seine Seite stemmte.
Wild waren wir gewesen, Jungs eben, die ihre Grenzen täglich aufs Neue ausloteten. Wir probierten schon mit fünfzehn harte Alkoholika aus, bis wir kotzend über Klo und Waschbecken hingen. Wir rauchten Havannas, die einer von uns seinem Opa aus der Zigarrenkiste geklaut hatte, und wir lieferten uns schlagkräftige Matches mit anderen Cliquen, vornehmlich mit der Clique des Sohnes des besten Freundes meines Vaters.
Wie hieß diese fiese, kleine Ratte nochmal? Ach, scheiß egal. Mit der Scheidung dessen Eltern, bei welcher der Mutter das Sorgerecht zugesprochen worden war, war diese Ära gestorben.
Ja, das waren echt coole Zeiten gewesen.
Unsere Eltern hatten ständig versucht, uns irgendwie zusammenzubringen, da wir fast im gleichen Alter waren, doch wir beide konnten uns auf den Tod nicht ausstehen. Jede Grillfeier im heimischen Garten artete zu einer wahren Schlacht aus. Ich hatte ständig versucht, ihn mit spitzen Bemerkungen zu gängeln und zur Weißglut zu treiben. Er nutzte jede Gelegenheit, mich bei unseren Eltern zu verpetzen und schlecht zu machen. Wir trafen uns regelmäßig hinter der Sporthalle der hiesigen Grundschule und verprügelten uns gegenseitig. Seine Clique und meine.
Ja, das waren echt tolle Zeiten.
Wie lange war das schon her? Acht Jahre.
Vor acht Jahren hatten sich Dieter und Sabine scheiden lassen und … Joachim, hieß der Kerl, fiel mir in diesem Moment wieder ein … Unsere Namen waren ein weiterer Punkt, an welchem wir uns aufgerieben hatten. Joachim gegen Benedikt.
Bei der Scheidung hatte Sabine ihren Sohn mitgenommen und unsere Wege hatten sich für alle Zeiten getrennt. Die Ehe meiner Eltern war drei Jahre später gescheitert, als meine Mutter ein tolles Jobangebot in Hamburg erhielt und sie sich deswegen gehörig in die Haare bekommen hatten. Weil ich die Schule nicht wechseln wollte und keine Lust hatte, woanders komplett neu anzufangen, blieb ich bei meinem Vater.
Ich hatte es wie die Pest gehasst, wenn mich Joachim Beni genannt hatte, und hätte ihm jedes Mal die Fresse dafür polieren können. Und er war in rasende Wut verfallen, wenn ich ihm ein verächtliches „Joki“ an den Kopf warf.
Ja, das waren wirklich schöne Zeiten gewesen. Ich vermisste sie.
So eine kleine Prügelei mit diesem fiesen, leicht rundlichen Joki würde mir jetzt gefallen, um meine Wut abzureagieren.
Hausarrest!
Was glaubte mein Vater eigentlich, mit wem er es zu tun hatte? Mit einem unreifen, zurückgebliebenen Waschlappen? Ich war achtzehn!
Wütend warf ich den Zeichenblock von mir. Er flatterte in eine Zimmerecke und blieb dort aufgeblättert liegen. Mister Frusts Gesicht war nur noch halb zu sehen. Die andere Hälfte bildete eine Missgestalt, eine kranke Mischung aus Totenschädel und irgendeinem Fantasietier. Eine Zeichnung, die ich vor ein paar Tagen angefertigt hatte.
Noch während ich diese „Collage“ gedankenverloren betrachtete, ging die Türe auf und mein Vater stand im Türrahmen.