Feinste Jaffa-Orangen. Die Templer in Palästina und ihre Kolonien - Hans Hermann Cordes - E-Book

Feinste Jaffa-Orangen. Die Templer in Palästina und ihre Kolonien E-Book

Hans Hermann Cordes

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Beschreibung

Als 1869 die ersten Templer aus Württemberg nach Palästina aufbrachen, um im Heiligen Land das Reich Gottes auf Erden zu errichten, hatte für sie mit dem erwarteten baldigen Erscheinen des Messias das Tausendjährige Reich begonnen. Sie lebten für sich, waren fleißig, erfinderisch, strebsam, gingen nur unbedingt nötige Kontakte ein und hielten sich von allem Nicht-Deutschen fern. Sie gründeten erfolgreich sieben Siedlungen, die sie Kolonien nannten. Sie jubelten 1898 Kaiser Wilhelm II zu, der ihnen stets seinen Schutz angedeihen lassen wollte und dieses Versprechen nicht einlöste. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges brach für sie eine Welt zusammen. Als sie sich von diesem Schock erholt hatten, schlossen sie sich begeistert den Nationalsozialisten an und wurden noch während des Krieges und danach aus ihrem Heiligen Land für immer ausgewiesen.

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Hans Hermann Cordes

Feinste Jaffa-Orangen

Die Templer in Palästina und ihre Kolonien

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2012

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2012) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Inhalt
Pioniere im Heiligen Land
Ein Vorwort
Anmerkungen:
Palästina
Ein Name und seine Entstehung
Die Tempelgesellschaft
Eine christliche Erweckungsbewegung 1861 – 1950 und ihre Vorgeschichte
Zeitgeschichtlicher Abriss im Zeitraffer
1869 Haifa
1869 Jaffa
1892 Walhalla als Erweiterung von Jaffa
Das Gemeindehaus in Jerusalem
1907 Waldheim bei Nazareth
Anmerkungen:
2 Das Tal Rephaim
3 Der Journalist Hartmut Bohnhoff glossiert
Christoph Hoffmann
Pietist und Kirchenkritiker Gründer der Tempelgesellschaft
Haus Jakob, geht, lasst uns aufbrechen
– Die Biluim beim Tempelvorsteher –
Anmerkungen:
Georg David Hardegg
Revolutionär und Pietist Gründer der Tempelgesellschaft
Anmerkungen:
Ein Brief aus Schaffhausen
Georg David Hardegg an Gottlob Franckh
Friedrich (Fritz) Keller
Deutscher Vizekonsul in Haifa von 1878 – 1908
Münchhausen im Orient
– Der Besuch aus Jerusalem –
Anmerkung:
Gottlieb Schumacher
Bauingenieur, Architekt und Archäologe
Anmerkung:
Die Siedler der Deutschen Kolonie in Haifa
– Handel, Handwerk und Verkehr –
Rosamond und Laurence Oliphant
Christliche Zionisten
Kaiser Wilhelm II
und die Reise nach Palästina 1898
Anmerkungen:
Kaiserwetter
– Lehrer Lange und der Schulaufsatz –
Anmerkung:
Der Kaiser bei den Templern
– Jerusalemer Hackröllchen –
Die Missionen des Freiherrn Plato von Ustinow
Anmerkungen:
Das Kreuz aus Olivenholz
– Die Rettung aus dem Audsche –
Die Füchse im Weinberg
– Als Fritz Unger zu Tode kam –
Der Erste Weltkrieg und die britische Nahostpolitik
Die Balfour-Deklaration
und ihre gescheiterte Umsetzung
Anmerkung
Die Palästina-Deutschen zwischen 1933 – 1950
Anmerkungen:
Lakshin’s Warehouse
– Die unruhigen Jahre –
Feinste Jaffa-Orangen
Sarona-Wilhelma Einwickelpapier für Orangen aus Sarona-Wilhelma
– Eine wichtige Mitteilung –
Anmerkungen:
Anhänge
Die Häuser der Templer in Haifa und ihre Inschriften
Grabsteine und ihre Inschriften
Ein Nachwort
Glossar
Quellennachweis
Hans Hermann Cordes

Pioniere im Heiligen Land

Ein Vorwort

Die aus Württemberg stammenden protestantisch-pietistischen Templer haben, beginnend mit der Gründung ihrer Siedlungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges tiefe Spuren im Heiligen Land hinterlassen. Noch bevor die ersten jüdischen Immigranten, die so genannten Biluim, aus Russland kamen, siedelten sie sich bereits in Palästina an und errichteten ihre erste Kolonie in Haifa, der noch sechs weitere folgen sollten. Die Beweggründe der Siedler, sich als Pioniere am Wiederaufbau des daniederliegenden Heiligen Landes zu beteiligen und sich an die Spitze der christlichen Bewegungen zu setzen, waren in ihrem starken Glauben auch darin zu suchen, dass mit der Rückkehr der Juden in das Land ihrer Väter und ihre Bekehrung das Wiederkommen Jesus’ Christus angekündigt würde. Das Reich Gottes wäre nahe.

Dieses Buch kann und will nicht den Anspruch auf historisch-wissenschaftliche Genauigkeit und Vollständigkeit erheben, was auch nicht beabsichtigt war. Es soll aber der Versuch unternommen werden, hier die Geschichte dieser Erweckungsbewegung in Ansätzen zu verfolgen und ihr gerecht zu werden. Das Augenmerk soll dabei auf die Entwicklung von der Gründung der ersten Kolonien, auf den Besuch Kaisers Wilhelm II und auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und danach gelegt werden, als Palästina nach dem Zerfall des Türkisch-Osmanischen Reiches britisches Mandatsgebiet wurde. Die Templervereinigung entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte von einer ursprünglich umfassenden Glaubensrichtung, zum im Kaiserreich entstandenen glühenden Patriotismus bis hin zu ihrem ambivalenten Verhältnis zum Nationalsozialismus.

An Hand mir zur Verfügung stehender verschiedener Unterlagen und erreichbarer Fakten soll ein geschichtlicher Abriss über das rund achtzig Jahre währende Leben der Templer in Palästina zwischen Gründung in den Jahren 1868/69 und Ausweisung in den Jahren 1948/50 gegeben werden.

In der literarischen Form von Erzählungen soll das historische Geschehen dieser Jahre deutlicher und verständlicher gemacht werden. Ich habe mich dabei, soweit wie möglich und angebracht, wertender Stellungnahmen zu den vielfach einseitigen und häufig auch ideologisch geprägten Betrachtungsweisen enthalten, die von kolonial-imperialistischen Ansprüchen, über den christlich-jüdischen Landraub in einer schon entwickelten moslemisch geprägten ländlichen Gesellschaft bis zur Selbstglorifizierung der Palästina-Deutschen und ihrer Verwicklung in das NS-Regime reichen.

Im Anhang sind Bilder der Deutschen Kolonie und des Templerfriedhofs in der mir so vertrauten Stadt Haifa eingefügt.

Anmerkungen:

In meinem Buch »Friede sei mit dir, Israel« habe ich mich bereits mit der Deutschen Kolonie in Haifa und anderen Themen im Zusammenhang mit der Entstehung des Staates Israel befasst.

In diesem Buch befasse ich mich ausführlicher mit dem Thema

Die Templer in Palästina und ihre Kolonien,

wobei der Kolonie in Haifa eine besondere Rolle zukommt.

Das Handeln aller beteiligten Personen, besonders aber der Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, wiederum lässt Rückschlüsse auf tatsächliche Ereignisse und Begebenheiten zu, die sich so oder so ähnlich ereignet oder zugetragen haben.

Zum besseren Verständnis soll auch der führenden Pioniere der Tempelbewegung gedacht werden. Zu ihnen zählten Christoph Hoffmann und Georg David Hardegg ebenso wie Friedrich Keller, dessen Wirken als kaiserlicher Vizekonsul von großer Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Kolonie in Haifa war. In diesen Kreis ist auch der deutsch-amerikanische Bauingenieur, Architekt und Archäologe Gottlieb Schumacher einzubeziehen. In einzelnen Kapiteln soll an diese Männer erinnert und ihre Leistungen gewürdigt werden.

Historisch belegte Begriffe und Sachen, tatsächlich gehaltene und belegte Reden sowie geführte Gespräche sind weitgehend kursiv gedruckt.

Manche der Personen, die in den von mir teils frei erfundenen, teils wirklich zugetragenen Geschichten genannt werden, haben tatsächlich gelebt. Mir kam es hauptsächlich darauf an, die Handlungsweisen dieser Menschen zu beschreiben und zu verstehen und, soweit das möglich ist, zu erklären. Die historische Detailgenauigkeit mag dabei zu kurz gekommen sein.

Palästina

Ein Name und seine Entstehung

In einem sehr kurzen Aufmaß und sehr unvollständigen geschichtlichen Abriss soll der Versuch einer Begriffserklärung Palästina versucht werden.

Der Name Palästina geht auf die Philister zurück. Im achten Jahrhundert v. Chr. wurde in alten Schriften das Gebiet um Gaza, in das die Philister bereits Jahrhunderte zuvor eingewandert waren, als Palastu bezeichnet. Drei Jahrhunderte später wurde für diese Region der Begriff Syria palaistine verwandt. Aus dem griechischen Wort Palaistine wurde das lateinische Palaestina.

Nach dem Sieg Alexander d. Gr. über die Philister im Jahre 332 v. Chr. gab es kein philistäisches Reich mehr. Über Palästina herrschten in den nächsten Jahrhunderten Perser, Ptolemäer und Seleukiden. Die Seleukiden trieben mit äußerster Brutalität die Hellenisierung des Landes voran. Der Volksaufstand unter Juda Makkabi (Judas Makkabäus) in den Jahren 167 – 165 v. Chr. bescherte Judäa eine formale Unabhängigkeit. Durch den danach mit Rom geschlossenen Vertrag über gegenseitige Waffenhilfe, so klug er auch gewesen sein mag, ließ Judäa im Laufe der Zeit zu einem römischen Vasallenstaat werden. Die Befreiungskriege dauerten von 167 – 142 v. Chr.

Der römische Kaiser Augustus machte Herodes d. Gr. das ehemalige Philisterreich zum Geschenk.

Unter Herodes d. Gr. erlangte das palästinische Reich seine größte geografische Ausdehnung. Die faktischen Herrscher dieses Machtgebildes aber waren die römischen Prokuratoren. 67 n. Chr. wurde Judäa endgültig römische Provinz mit Cäsarea als Hauptstadt.

Nach dem der römische Kaiser Hadrian im Jahre 135 n. Chr. den dritten Bar-Kochba-Aufstand niedergeschlagen hatte, wurden die palästinischen Juden des Landes verwiesen und zu Tausenden, so wird berichtet, entlang der Straße nach Jerusalem gekreuzigt. Hadrian führte den nicht mehr gebräuchlichen Namen Philistäa wieder ein, um jede Erinnerung an das jüdische Land Judäa für immer auszulöschen. Aus der Bezeichnung Philistäa wurde die römische Provinz Palaestina.

Nach dem Untergang des Römischen Weltreiches begann die Christianisierung des Landes durch Byzanz, im frühen siebten Jahrhundert mit der arabischen Eroberung die Islamisierung.

Zu Zeiten der Kreuzfahrer und des Templerordens wurde aus Palästina für zwei Jahrhunderte das Heilige Land, von 1099 – 1287.

Zwei Jahrhunderte beherrschten die Araber das Land, bis 1517 die Osmanen es eroberten und für die nächsten vierhundert Jahre dem Türkischen Reich einverleibten.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Begriff Palästina erneut aktiviert und die Region unter britisches Völkerbundsmandat gestellt.

Während der Begriff palästinisch sich auf die palästinischen Juden des Altertums bezieht, entstand der Begriff palästinensisch erst in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Als Palästinenser werden die Araber im Gaza-Streifen, in Ost-Jerusalem und auf der Westbank bezeichnet. Die in Israel lebenden Araber nennen sich selbst nicht Palästinenser.

Die Tempelgesellschaft

Eine christliche Erweckungsbewegung 1861 – 1950 und ihre Vorgeschichte

Der seit 1840 in Preußen regierende König Friedrich Wilhelm IV, ein im Grunde unpolitischer Monarch, dafür aber ein tief religiöser Mensch, sah es als eine seiner vornehmsten Aufgaben an, die in Preußen getrennten Kirchen wieder miteinander zu versöhnen. Aus diesem Grunde schwebte ihm als Kompromissmodell die anglikanische Kirche in England auch für Preußen vor. Anglikaner, Lutheraner und Reformierte sollten sich vereinigen, um danach auch mit den Katholiken Erfolg versprechende Gespräche zu führen, da Anglikaner und Katholiken viele Gemeinsamkeiten hätten.

Zu dieser Zeit setzten sich in Europa nach den Befreiungskriegen vermehrt Freiheits- und Unabhängigkeitsbestrebungen durch, auch christliche Erweckungsbewegungen gewannen starken Zuspruch.

Aus einer solchen Koalition zwischen zwei natürlichen Verbündeten zogen die Engländer auch den machtpolitischen Vorteil ins Kalkül, sich gemeinsam mit Preußen gegen die Interessen Frankreichs und Russlands in Palästina zu verbünden.

Folgerichtig schlug Friedrich Wilhelm IV England die Errichtung eines anglo-preußischen Bistums in Palästina vor. Da es aber dort zu diesem Zeitpunkt gar keine Preußen gab, wurde Michael Salomon Alexander, ein zum Christentum konvertierter Jude erster protestantischer Bischof in Jerusalem. Das Amt des jeweiligen Bischofs sollte wechselweise zwischen England und Preußen besetzt werden, was bereits einige Jahre später eintrat. Nach dem Tode Alexanders besetzten die Preußen dieses Amt mit dem Schweizer Samuel Gobat. Ende 1841 wurden entsprechende Verträge unterzeichnet, und Konstantinopel erkannte die Protestanten als eigenständige Religionsgemeinschaft an.

Gobat kam über die Basler Mission als Missionar zu einer der großen englischen Missionsgesellschaften. Wichtigste Aufgabe musste der Aufbau einer funktionierenden, vom Protestantismus geprägten Kirche sein, wobei aber auch die Juden- und Muslim-Mission nicht vergessen werden sollten. Gobat versammelte führende Vertreter des württembergischen Pietismus, der norddeutschen Erweckungsbewegung und Leute aus seiner Basler Zeit um sich, sie für sein Anliegen in Jerusalem und darüber hinaus in ganz Palästina zu gewinnen. Das Kaiserswerther Diakonissenwerk und das Syrische Waisenhaus machten dabei den Anfang.

Die Bemühungen der Evangelischen Kirche und ihrer Missionswerke rief aber auch eine Bewegung auf den Plan, die anders gerichtete Ziele verfolgte. 1854 gründete sich die Gesellschaft für die Sammlung des Volkes Gottes in Jerusalem. Zu ihr gehörten Männer wie Georg David Hardegg und Christoph Hoffmann und andere Glaubensgenossen. In ihrer Überzeugung gingen sie davon aus, dass sie ihre religiösen Vorstellungen auf dem Gebiet eines deutschen Staates nicht verwirklichen konnten.

Nach ersten Expeditionsversuchen fand 1861 die Gründung Deutscher Tempel statt, später Tempelgesellschaft genannt, als eigenständige religiöse Bewegung bei gleichzeitigem Austritt aus der Landeskirche, da keine der Mitgliedskirchen die Herstellung des Menschen zum Tempel Gottes und die Herstellung des Heiligtums für alle Völker zu Jerusalem anstrebe, wie die Begründung lautete (Jerusalemsfreunde)1.

Die Templer stellten innerhalb des württembergischen Pietismus eine radikal-separatistische Fraktion dar, die sich mit der Landeskirche nicht versöhnen wollte und/oder konnte, weil diese durch ihre vermeintlichen Verfehlungen sündig geworden sei.

Der Name Tempel bezieht sich auf Textstellen im Neuen Testament ab und hat keinen Bezug zum Templerorden des Mittelalters. Diese protestantisch-pietistische Erweckungsbewegung leitet ihren Namen aus dem Epheserbrief 2, 21-22 und aus dem 1. Petrusbrief 2,5 her und wollten lebendige Bausteine zum Hause Gottes sein:

Auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn;

auf welchem auch ihr miterbaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist.

Und bauet auch ihr euch als lebendige Steine zum geistlichen Hause..., die Gott angenehm sind durch Jesus Christus.

Der Mitbegründer Hoffmann versuchte seine Auffassungen biblisch und moralisch zu untermauern. Das Heilige Land stehe einzig und allein dem Volk Gottes zu. Er stellte dazu im Wesentlichen sinngemäß fest:

Gott habe das Land dem Volke Israel zurückgeben wollen, da aber die Juden Jesus ablehnten, hätten sie das Recht auf das Erbe verloren. Seit dieser Zeit gäbe es auch kein heiliges Volk mehr. Daher müssten die zu Gott Versammelten jetzt aufstehen, um ein neues heiliges Volk, nämlich das Volk Gottes zu schaffen.

In der Wirklichkeit war er später immer wieder gezwungen, sich den vorherrschenden Gegebenheiten und Zwängen anzupassen und oft schmerzhafte Kompromisse einzugehen, auch wenn sich die Templer weitgehend vor ihrer neuen Umwelt zu verschließen und ein Eigenleben zu führen versuchten.

Die Vorgeschichte zur Tempelbewegung und ihrer Gründung als Tempelgesellschaft geht aber noch weiter zurück. Sie findet ihren Ursprung in dem Jahre 1837, das der Begründer des Pietismus, Johann Albrecht Bengel, als Beginn des Tausendjährigen Königtums Jesu berechnet hatte. 1819 wurde im württembergischen Korntal die erste pietistische Gemeinde gegründet, um die Auswanderung vieler Württemberger angesichts des prophezeiten nahen Weltuntergangs zu unterbinden.

Schon um 1850 gab es größere christliche Bestrebungen von Schweden und Amerikanern, das Heilige Land wieder zu besiedeln. Diese Kolonisationsversuche scheiterten aber allesamt nach einigen Jahren. Einzig und allein den Templern gelang durch ihre tiefe und strenge Gläubigkeit und ihr ausgeprägtes Arbeitsethos eine dauerhafte Ansiedlung in Palästina.

Im August 1868 wanderten Hardegg und Hoffmann mit ihren Familien nach Palästina aus und kamen dort einige Wochen später an.

Vgl. hiezu auch die Kapitel über Hoffmann und Hardegg.

Hardegg und Hoffmann waren trotz ihrer gegensätzlichen Ansichten maßgeblich am Aufbau der ersten vier Siedlungen beteiligt:

Zeitgeschichtlicher Abriss im Zeitraffer

1869 Haifa

Nicht datierte, colorierte Postkarte von Haifa

1869 Jaffa

Markt in Jaffa um 1877

– Nach Gründung der Templer-Kolonie –

Gemälde des Orientmalers Gustav Bauernfeind

1892 Walhalla als Erweiterung von Jaffa

1871/72 Sarona

1873/1878 Jerusalem (Rephaim)

Das Gemeindehaus in Jerusalem

Die Deutsche Kolonie im Emek Refa’im 2 ist heute eine beliebte Wohngegend in Jerusalem. Der Siedler Matthias Frank erwarb hier 1871 ein Stück Land und errichtete darauf eine Dampfmühle und ein Steinhaus. Später kamen Kaufleute, Handwerker, Hoteliers, Lehrer hinzu. Als Christoph Hoffmann die Leitung der Tempelgesellschaft nach Jerusalem verlegt hatte, wurde die Stadt auch der geistlich/geistige Mittelpunkt der Bewegung.

Zu diesen vier Kolonien kamen später die folgenden Gründungen hinzu:

1902 Wilhelma bei Lydda (Lod)

Jede Orange wurde einzeln in Einwickelpapier verpackt und mit dem Aufdruck versehen:

Aus Deutschen Siedlungen in Palästina

1906 Bethlehem in Galiläa ( bei Nazareth)

Gut erhaltene Häuser aus Stein erinnern an die Vergangenheit der deutschen Templer, die hier bis nach dem Zweiten Weltkrieg gelebt haben. Sie betrieben erfolgreich Milchwirtschaft. Der heutige Moshaw wurde erst 1948 gegründet und lebt vom Fremdenverkehr, besitzt Restaurants und Kunstgalerien.

1907 Waldheim bei Nazareth

Vor mehr als hundert Jahren gründeten die Kirchler die Siedlung Waldheim, die heute übersetzt den Namen Die Eichen meines Vaters trägt. Der Moshaw ist ein beschaulicher Ort, in dem Künstler Ruhe und Inspiration für ihre Schaffenskraft suchen und finden. Als die Siedler Anfang des 20. Jahrhunderts nach Waldheim kamen, suchten sie hier ihren Messias, auf den sie schon so lange gewartet hatten und der noch immer auf sich warten ließe, weil er Jude sei, die es mit Zeit und Ort bekanntlich nicht so genau nähmen, 3

sowie

1900 Neuhardthof bei Haifa. 4

Um 1890 wurde die Kolonie in Haifa um ein neues Templerviertel auf dem Zentral-Karmel erweitert, auf dem auch Friedrich Keller sein bereits früher errichtetes Wohnhaus hatte, und das man Karmelheim nannte. Das Haus in der jetzigen Kellerstraße wird heute als Begegnungs- und Forschungsstätte genutzt.

1877 Christoph Hoffmann veröffentlichte Sendschreiben, in denen er zu kirchlichen Lehrinhalten Stellung bezog und Dogmen und Sakramente für Templer für unverbindlich erklärte.

1893 Erneute Spaltung. Die Freien Templer sagten sich wegen nicht zu überbrückender Gegensätze von der Zentrale in Jerusalem los.

1905 Zusammenlegung der von der Evangelischen Kirche und der Tempelgesellschaft geführten Schulen in Jerusalem, ein erster Schritt hin zur Wiedervereinigung.

1914 Kurz vor Ausbruch des Krieges kam es im April des Jahres auch zur Vereinigung der beiden Schulen in Jaffa.

1914 Der Erste Weltkrieg begann.

1917 Britische Truppen besetzten die Templersiedlungen in Palästina. Schließung der ökumenischen Schule in Jaffa durch die Briten.