Fesselndes Verlangen - Sue-Ellen Welfonder - E-Book

Fesselndes Verlangen E-Book

Sue-Ellen Welfonder

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Beschreibung

Eine Leidenschaft, die alle Ketten sprengt!

Als Oberhaupt ihres Clans ist Lady Isolde bereit, alles zu tun, um ihr Volk zu schützen - auch sich selbst dem Feind zu opfern. Donall der Kühne, Gutsherr der verhassten MacLeans, ist in ihrem Kerker eingesperrt und wartet auf seine Hinrichtung. Doch anstatt ihn zu töten, ersinnt Isolde einen kühnen Plan, um für dauerhaften Frieden zwischen ihren Clans zu sorgen. Sie will den attraktiven Feind verführen. Der Ritter in Ketten wehrt sich zunächst gegen seine schöne Eroberin, bis auch er beschließt, sich die Freiheit mithilfe von süßen Freuden zu erkaufen. So wird der Kerker zu einem Gefängnis aus wilder Leidenschaft, aus dem er vielleicht nie wieder entkommen möchte ...

Große Gefühle in den schottischen Highlands - die spannende Reihe um den MacLean Clan:

Band 1: Fesselndes Verlangen
Band 2: Im süßen Bann der Versuchung
Band 3: Der stolze Highlander

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Seitenzahl: 561

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Danksagungen

Das Vermächtnis des Lady Rock

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Über die Autorin

Alle Titel der Autorin

Impressum

Grußwort des Verlags

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Über dieses Buch

Als Oberhaupt ihres Clans ist Lady Isolde bereit, alles zu tun, um ihr Volk zu schützen – auch sich selbst dem Feind zu opfern. Donall der Kühne, Gutsherr der verhassten MacLeans, ist in ihrem Kerker eingesperrt und wartet auf seine Hinrichtung. Doch anstatt ihn zu töten, ersinnt Isolde einen kühnen Plan, um für dauerhaften Frieden zwischen ihren Clans zu sorgen. Sie will den attraktiven Feind verführen. Der Ritter in Ketten wehrt sich zunächst gegen seine schöne Eroberin, bis auch er beschließt, sich die Freiheit mithilfe von süßen Freuden zu erkaufen. So wird der Kerker zu einem Gefängnis aus wilder Leidenschaft, aus dem er vielleicht nie wieder entkommen möchte ...

Sue-Ellen Welfonder

Fesselndes Verlangen

Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Moreno

Dieses Buch ist in dankbarer Anerkennung meiner eigenen Lieblingsautorin gewidmet, Becky Lee Weyrich, die mir sagte, ich solle aufhören, siebzehnseitige Briefe zu verfassen und beginnen, Liebesgeschichten zu schreiben.

Ein Fanbrief an sie ließ eine meiner meistgeschätzten Freundschaften entstehen und gab mir die Mentorin, ohne deren Ermutigung ich vermutlich nach wie vor nichts Aufregenderes schreiben würde als zu lange Briefe und unzählige Reiseberichte.

Becky, dies hier ist für dich. Ich danke dir von ganzem Herzen.

Danksagungen

Die folgenden hoch geschätzten Personen haben mir in der schwierigen Zeit des Abgabetermins dieses Buches beigestanden. Ihre großzügige Gesinnung war mir eine wertvolle Unterstützung in einer Zeit, in der ich oft das Gefühl hatte, den Boden unter meinen Füßen zu verlieren. Es macht mich sehr glücklich, sie alle meine Freunde nennen zu dürfen:

Meine Autoren-Kolleginnen Elizabeth Sinclair, Lauren Bach, Lauren Royal, Susan Grace, Brenda Novak, Pat Laye und Rosalie Whiteman. Es war sehr lieb von euch, dass ihr immer auf der anderen Seite der Tastatur wart, wenn ich euch brauchte.

Gaye und Jim Walton für ihr fortwährendes Interesse und die besonderen Steine; Kristine Hughes für die schönen alten Zeiten und dass sie Sorge dafür trug, dass meine Helden nicht in jenen Kartons im Schrank erstickten; und Gwen McDaniel für die Erzählungen von ihrem Bruder, Drake Allen McLean, einem echten Helden der MacLeans.

Meinen unerschrockenen Reisegefährtinnen Karen D. Stevens und Pat Cody, tausend Umarmungen, weil sie nie aufhörten, über unsere nächste Tour über den großen Teich zu sprechen. Die freudige Erwartung half mir, durchzuhalten!

Karen Kosztolnyik und Beth de Guzman für ihr ermutigendes Lächeln, wenn ich mich am hilflosesten fühlte. Courtney Boissonnault, die mich mit ihrem glühenden Enthusiasmus immer wieder aufheiterte, für ihre außerordentliche Unterstützung. Larissa Rivera für ihre Liebenswürdigkeit. Und Michele Bidelspach dafür, dass sie mich nicht vergaß.

Meiner hochgeschätzten Agentin, Freundin und unerschütterlichen Unterstützerin, Pattie Steele-Perkins, dafür, dass sie mich nie hinuntersehen ließ.

Und wie immer auch meinem Ritter in glänzender Rüstung, meinem gut aussehenden Ehemann Manfred, der mit meisterhafter Hand die Festung hielt und viele Drachen tötete, während ich dieses Buch schrieb.

Und last, aber durchaus nicht least dem wahren Bodo, meinem eigenen vierbeinigen Helden, Em, dafür, dass er mein Herz mit Liebe und Freude füllte.

Das Vermächtnis des Lady Rock

In den nebelverhangenen Gewässern vor der Westküste Schottlands, nicht weit von der einsamen, aber schönen Insel Doon, liegt ein Fels, der als »Lady Rock« bekannt ist. Dieses tückische, nur bei Ebbe zu erkennende Eiland bot unzufriedenen Gutsbesitzern eine Möglichkeit, sich unerwünschter Ehefrauen zu entledigen: eine unfruchtbare oder ungehorsame Gemahlin, die auf diesem Felsen ihrem Schicksal überlassen wurde, musste mit der hereinkommenden Flut ertrinken, sodass der Gutsbesitzer wieder frei war, eine andere zu heiraten.

Ein solcher Gutsbesitzer war MacLean, und obwohl seine frevelhafte Handlung in ferner Vergangenheit stattfand, löste die Tat eine bittere Fehde zwischen zwei Sippen aus, die einst Verbündete oder sogar Freunde gewesen waren.

Seit Jahrhunderten zerstritten, hatten sich die Clans der MacLeans und MacInnes nur widerwillig die windgepeitschte Insel Doon geteilt, und keine der beiden Sippen war geneigt gewesen, auch nur einen Fußbreit mehr als absolut erforderlich von »ihrer« Insel mit der anderen zu teilen.

Heute, in dem unruhigen Jahr nach dem Tod Robert the Bruce’, des Königs aller Schotten, herrschte noch immer eine eher angespannte Waffenruhe zwischen ihnen.

Eine Waffenruhe, die schon bald gebrochen werden sollte.

Eine weitere Braut aus der Sippe der MacInnes war auf dem Lady Rock tot aufgefunden worden, auf die gleiche Art ermordet wie ihre unglückselige Ahnherrin, und diesmal, als die uralte Feindschaft wieder ausbricht, will der Clan der MacInnes Blut sehen.

Aye, sie werden Rache suchen.

Eine mehr als angemessene Vergeltung ...

Kapitel 1

Zwickt ihn mit glühenden Zangen ... setzt ihn einem Hagel von Exkrementen und unaufhörlichen Peitschenhieben aus ... Gießt ihm geschmolzenes Blei in die Kehle und zwingt ihn, Kieselsteine aus einem Kessel mit siedendem Öl herauszuholen ...

Lasst ihm keine Ruhe, bis er selbst des Atmens überdrüssig wird.

Und selbst seinen Tod herbeiwünscht.

Das Gemurmel aufgebrachter Stimmen durchdrang den gesegneten Zufluchtsort, den Donall MacLean nur im tiefen Schlummer finden konnte, mit der Taktlosigkeit tölpelhafter Bauern, die sich mit verrosteten Sensen ein Gefecht mit Mondstrahlen zu liefern versuchten.

Vorsichtig, um nicht zu verraten, dass er wach war, öffnete Donall der Kühne, stolzes Oberhaupt des bedeutenden Clans MacLean, die Augen und warf einen raschen Blick auf seine Umgebung, die man nur das Vorzimmer der Hölle nennen konnte.

Das Problem war nur, dass Donall der Kühne, Ritter, Edelmann und Krieger von enorm hohem Ansehen, durchaus noch nicht bereit war, in die Geschichte einzugehen.

Lasst ihn von vier kräftigen Ochsen auseinanderreißen.

Zwingt ihn auf die Knie, bis er zu Gott dem Herrn um Gnade fleht.

»Mich zerreißen lassen? Bis ich Gott um Gnade anflehe?« Die Worte entströmten Donalls zersprungenen Lippen in einem Ausbruch jähen Zorns, den er nicht länger unterdrücken konnte.

Hellwach indessen und ohne sich darum zu scheren, ob seine Peiniger es merkten, zerrte er an den schweren Eisenschellen an seinen Hand- und Fußgelenken. Empört und fassungslos starrte er auf die finster dreinblickenden Graubärte, deren Silhouetten sich vor der offenen Tür seines Kerkers abzeichneten.

Zu dieser Versammlung von Greisen schienen die dreisten, kämpferischen Worte nicht recht zu passen, doch der Hass, der in ihren alten Augen loderte, kennzeichnete sie als die hirnverbrannten Gewalthaber, die ihn mit solch gemeinen Drohungen überschüttet hatten.

Hinter ihnen flackerte und rauchte eine Pechfackel an der Wand, deren schwache Flamme die hageren Gestalten in einen unheimlichen rötlichen Schimmer tauchte – ein merkwürdiger Effekt, der Donalls Eindruck, in den Klauen des Gehörnten und seiner pferdefüßigen Lakaien erwacht zu sein, noch zusätzlich verstärkte.

Die letzten Kräfte seines geschundenen Körpers zusammennehmend, gelang es ihm, die alten Männer mit einem herausfordernden Blick zu messen. »Ein MacLean kniet vor niemandem nieder.« Die bloße Vorstellung machte ihn fassungslos und zornig. »Ihr müsst vollkommen verrückt sein, falls Ihr glaubt, Ihr könntet so etwas erreichen. Das Einzige, was ich tun werde, ist, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen.«

»Aye, verlassen werdet Ihr uns«, stimmte ihm einer der Graubärte zu, »aber als ein die Klippen hinabgeworfenes Stück Fleisch, das nur noch den Seemöwen als Fraß dient.«

Donall blickte seine Bezwinger aus schmalen Augen an. Normalerweise hätte er gebrüllt vor Lachen über ihre Dreistigkeit, aber bedauerlicherweise reichte seine Kraft nur dazu, sie böse anzufunkeln.

Er zitterte vor Kälte, da man ihn nackt auf ein Lager aus verfaultem Stroh geworfen hatte, jeder einzelne seiner Muskeln schmerzte quälend, und in seinen Schläfen pochte es so heftig, dass er hätte schwören mögen, irgendein Tölpel habe ihm mit einer Axt den Schädel in zwei Teile gespalten.

Dem Bedürfnis zu lachen nachzugeben, würde sein Elend also höchstens noch vergrößern. Schon die Stirn zu runzeln tat weh.

Mit einem leisen Stöhnen lehnte er den Kopf an die feuchte Mauer hinter sich und versuchte ruhig durchzuatmen. Das bereute er jedoch augenblicklich, da ein unerträglicher Gestank seine Sinne bei jedem seiner flachen, abgerissenen Atemzüge benebelte.

Ein Gestank, der fast so intensiv war wie der glühende Schmerz, der in seinem Schädel pochte.

Wo zum Teufel war er?

Und wer waren seine strenggesichtigen Peiniger?

Donall schaute den, der gesprochen hatte, forschend an. Unter einer dichten Mähne ungekämmten Haars von der Farbe rostigen Eisens erwiderten scharfe Augen übellaunig Donalls Blick.

Sie alle starrten ihn an.

Und Wogen des Zorns strahlten von ihren alten Knochen aus. Einige der alten Männer kamen ihm irgendwie bekannt vor, aber das Pochen in seinen Schläfen erlaubte ihm nicht, klar zu denken.

Und wer war diese Lady Isolde, von der diese boshaften alten Gockel gesprochen hatten, bevor sie ihr Bombardement haarsträubender Drohungen eröffnet hatten?

Oder war dieser Name seiner Fantasie entsprungen?

War es nur ein Versuch seines Gehirns gewesen, seine Gedanken von seinem schlimmen körperlichen Zustand abzulenken?

Oder war Isolde der Name einer längst vergessenen Buhle? Eines gesichtslosen Opfers eines einmaligen Geplänkels, das ihn nun in seiner schlimmsten Stunde heimsuchte?

Wie auch immer, der in seinem Unterbewusstsein aufgetauchte Name ließ ihm keine Ruhe. Er erschien Donall vertraut, beinahe familiär, blieb aber gleichzeitig so schwer zu fassen wie eine flinke, in der Abenddämmerung herumtollende sidhe. Eine Elfe, die die Kunst beherrschte, sich aufreizend zu nähern, dabei aber immer genug Abstand zu halten, um zu verhindern, dass man erkannte, wer sie war.

Fetzen ärgerlicher Worte sowie ein ihm nur schwach in Erinnerung verbliebenes Rascheln vergrößerten das Chaos seiner wirren Gedanken noch zusätzlich. Seine Kopfschmerzen erstickten jegliches vernünftige Denken, sodass einfach nichts irgendeinen Sinn ergab.

»Nun seid Ihr gar nicht mehr so mächtig, Donall der Kühne, was?«, bemerkte ein weiterer der Graubärte mit einer Stimme, die vor Sarkasmus triefte. »Aber trotzdem geben wir Euch die Chance, Eure Würde zu erhalten, indem wir Euch gestatten, in Gegenwart unserer liebreizenden Herrin für Eure Sünden Abbitte zu leisten.«

Ein weibliches Clan-Oberhaupt?

Lady Isolde.

Fragmente der Gespräche, die er mit Lileas, der inzwischen verstorbenen Ehefrau seines Bruders, geführt hatte, gesellten sich zu dem heillosen Durcheinander in seinem Kopf und stifteten noch zusätzliche Verwirrung.

Hatte Lileas ihre Schwester nicht Isolde genannt? Und waren vor ein paar Jahren nicht Gerüchte umgegangen, Archibald MacInnes’ älteste Tochter habe nach seinem Tod die Rolle des Oberhauptes ihrer Sippe übernommen?

Die Antworten schienen zum Greifen nahe, aber niemals nahe genug, um sie zu fassen.

Oder zumindest nicht, solange das Blut in seinen Ohren dröhnte wie der Hammer eines Schmieds.

Donall öffnete den Mund, um seiner unbändigen Wut Luft zu machen, aber die Flüche erstarben auf seiner Zunge, als ein winziges vierfüßiges Etwas über seine nackten Füße huschte. Instinktiv zog er den Fuß blitzschnell zurück, doch die kalte Eisenschelle an seinem Knöchel hinderte ihn an jeder weiteren Bewegung und führte ihm erneut die grimmige Realität seiner Situation vor Augen.

Der Nebel, der sein Bewusstsein trübte, verzog sich und wich einem Gefühl von Schmerz, Wut und Entrüstung.

Mit zunehmender Klarheit erkannte Donall die abscheulichen Details seiner Umgebung und den jämmerlichen Zustand seines eigenen zerschundenen Körpers.

Nicht weniger bestürzend war die plötzlich aufblitzende schwache Erinnerung an eine grauhaarige Frau, die sich über ihn beugte, eine alte Hexe, die aus trüben, halb blinden Augen zu ihm hinunterschielte. Diese Alte hatte doch das zerlumpte Tuch, mit dem seine intimsten Körperteile verdeckt waren, angehoben und schamlos einen Blick auf das geworfen, was darunterlag.

Möge der Himmel mit all seinen Heiligen ihm beistehen, falls sie sich als das »holde« Oberhaupt herausstellen sollte, in dessen Gegenwart seine Peiniger ihn Buße tun lassen wollten. Der bloße Gedanke daran ließ sein Blut gerinnen.

»Ihr scheint bekümmert«, bemerkte ein anderer Graubart. Dieser hatte schneeweißes Haar und stützte sich schwer auf einen Gehstock, als er sich mit langsamen, schlurfenden Schritten der kalten, mit Schlick bedeckten Wand näherte, an der Donall lehnte. »Dürfen wir zu hoffen wagen, dass Ihr endlich wieder zu Euch kommt? Und Euch womöglich sogar daran erinnert, was für ein Kinderspiel es für uns war, Euch zu bezwingen?«

Er beugte sich so weit zu Donall vor, dass dieser seinen schlechten Atem riechen konnte. »Sagt, wie ist es, von einem unbedeutenden Clan wie dem unseren bezwungen zu werden? Ich wette, Ihr hättet Euch nie träumen lassen, beim Erwachen nichts anderes am Leib zu haben als MacInnessches Eisen?«

Die MacInnes!

Endlich verzog sich auch der letzte Nebel aus seinem Gehirn, und er begann sich wieder zu erinnern.

An alles.

Aber er war keineswegs von ihnen bezwungen worden – sie hatten ihn hereingelegt!

Als der Kummer seines Bruders Iain über den Tod seiner Frau sich als zu groß erwiesen hatte, um Lileas sterbliche Überreste selbst nach Dunmir Castle, der Festung ihres Clans zu bringen, waren Donall und sein Pflegebruder, Gavin MacFie allein aufgebrochen, um diese traurige Aufgabe zu übernehmen.

Bei ihrer Ankunft waren sie freundlich aufgenommen worden, man hatte ihnen gedankt und ihnen sogar etwas zu essen und zu trinken angeboten, bevor sie ihre Reise zum Festland fortsetzten. Bevor sie auf die eigene Festung, Baldoon Castle, das auf der anderen Seite der schönen, von beiden Clans seit Urzeiten bewohnten Insel Doon lag, zurückkehrten, wollten sie die Nähe zum Festland nutzen, um Vieh und Lebensmittel zu kaufen.

Eigentlich hatte Donall erwartet, dass eine Gruppe von MacInnes-Clanmitgliedern sie begleiten würde. Eigentlich hatten seine Reisepläne nämlich das Ziel, den wahren Mörder Lileas zu finden, der ein Mitglied der MacInnes-Sippe sein musste.

Donall wollte diese furchtbare Aufgabe unbedingt erledigt haben, bevor sein jähzorniger Bruder aus dem Nebel seiner Trauer erwachte und selber aufbrach, um den Tod seiner Gattin zu rächen. Iain mit seiner Voreiligkeit würde eine ohnehin schon sehr unangenehme Situation womöglich noch verschlimmern.

Tief in seinem Innersten, ein Ort, an dem Donall mit seinen Gedanken nicht lange verweilen wollte, hoffte er, dass Iains Jähzorn und seine Neigung zur Gereiztheit nicht etwa Anlass für die Tragödie geboten hatten.

Und nun drohten seine Versuche, jeden weiteren zusätzlichen Aufruhr zu vermeiden, an den wahnwitzigen Plänen der MacInnes, Rache an ihm zu üben, ganz und gar zu scheitern!

Verzweifelt vor Enttäuschung warf er sich erbittert gegen seine Fesseln. Das kalte Eisen unterstrich die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen, sich zu befreien. Die verschlossenen Mienen seiner Peiniger unterstrichen die Sinnlosigkeit seines Versuchs, eine Allianz mit ihnen zu bilden, um die wahren Mörder ihrer Verwandten zu finden.

Doch egal, wie sinnlos auch alles erschien, er musste es doch auf jeden Fall versuchen.

Donall zwang sich, seinen Ärger zu zügeln. Würde Archibald noch leben, hätte er möglicherweise eine kleine Chance. Aber der alte Gutsbesitzer war tot, und die Graubärte, die ihn gefangen hielten, ließen nichts von Archibalds Willen erkennen, zumindest einen Anschein von Frieden aufrechtzuerhalten.

Obwohl sie seit Jahrhunderten erbitterte Feinde waren, hatten die Bemühungen des alten Sippenoberhaupts den beiden Clans ermöglicht, in den vergangenen Jahren in einem, wenn auch angespannten, Waffenstillstand zu leben. Weder Donall noch Gavin hatten Verdacht geschöpft, als sie kurz nach ihrem Aufbruch von Dunmuir einem Mädchen begegnet waren, das behauptete, sich einen Fuß verstaucht zu haben. Deren angebliche Verletzung hatte sie anhalten lassen, um zu helfen und es so diesen heimtückischen MacInnes ermöglicht, aus dem Hinterhalt über sie herzufallen.

»Was ist denn, Junge?« Der weißhaarige Greis stieß mit der Fußspitze gegen Donalls nackten Schenkel. »Seid Ihr so verärgert darüber, den Kürzeren zu ziehen, dass es Euch die Sprache verschlagen hat?«

Den Spott des Alten ignorierend, ließ Donall seinen Blick durch die Zelle schweifen und spähte in ihre dunklen Ecken, um festzustellen, ob er in seinem benebelten Zustand Gavin vielleicht übersehen hatte. Aber er schien in der Tat allein, er konnte seinen Pflegebruder zumindest nirgendwo entdecken.

»Was habt Ihr mit Gavin gemacht?« Mühsam richtete Donall sich ein wenig auf. »Denn sollte ihm irgendetwas zugestoßen sein, ist es Euer Clan, der dafür büßen wird«, drohte er und wandte sich an den Mann mit den scharfen Augen, in dem er nun endlich den Bruder des verstorbenen Oberhauptes der MacInnes, Struan, erkannt hatte.

»Stolze Worte für einen Mann in Eurer Lage.« Struans Blick glitt über Donalls eiserne Fußschellen. »Euer Mann erholt sich in seiner eigenen Zelle, und er hat es viel bequemer als Ihr selbst, also macht Euch um ihn keine Sorgen. Wir haben nichts gegen die MacFies. Unser Kampf gilt Euch.«

»Einen Mann aus dem Hinterhalt zu überfallen hat nichts mit Kampf zu tun.« Erneut stieg jähe Wut in Donall auf. »Eine solche List war eine jämmerliche Tat, von der ich sehr bezweifle, dass Euer Bruder sie gestattet hätte.«

»Archibald ist tot.« Der Graubart, der am jüngsten aussah, trat vor und warf einen Seitenblick auf Struan. »Unser ceann cath berät uns nun in Kriegsfragen, und wir verfügen über die Weisheit unserer vereinten Jahre. Das genügt.«

Ohne weitere Worte ging er zu dem Durchbruch in der gegenüberliegenden Wand, der dem Verlies als einziges Fenster diente. Obwohl die Öffnung nur sehr schmal war, ließ sie wenigstens vereinzelte Strahlen von Licht und eine gelegentliche Brise frischer Seeluft in die finstere Kammer. Als der Alte den Luftschlitz nun blockierte, raubte er Donall auch noch den mageren Trost, den dieser aus den wenigen Luftzügen gezogen hatte, die ihren Weg in das Verlies gefunden hatten.

Als stünden seine Gedanken auf Donalls Stirn geschrieben, breitete sich ein wissendes Lächeln auf dem grimmigen Gesicht des Mannes aus. »Wie Ihr seht, Donall der Kühne, reicht Muskelkraft nicht immer, um seine Feinde das Fürchten zu lehren. Geschickte Planung führt erheblich schneller zu einer angemessenen Vergeltung als ein gut geführtes Schwert.«

»Und es ist die Klinge meines gut geführten Schwerts, die Ihr zu spüren bekommen werdet, wenn Ihr mich nicht auf der Stelle freilasst.« Zorn brachte Donalls Blut derart in Wallung, dass er nicht einmal mehr die feuchte Kälte seiner Zelle spürte.

»Eure Klinge befindet sich in sicherer Obhut außerhalb Eurer Reichweite«, gab Struan zurück. »Und die Zeiten, in denen Ihr das Schwert geschwungen habt, sind in der Tat vorbei, MacLean. Selbst Eure angebliche Geschicklichkeit mit einer anderen Art von ... sollen wir sagen, Stoßwaffe? – werden Euch nun nichts mehr nutzen.«

Die Hände in die Hüften gestützt, betrachtete er Donall und bedachtete ihn mit einem fiesen Grinsen. »Ich wage zu behaupten, dass Ihr es sehr bedauern werdet, dass man Euch die Benutzung dieses Schwerts verweigert, sobald Ihr die holde Schönheit unserer Lady Isolde gesehen habt. Aber ach, von einer solch süßen Frucht, wie sie es ist, zu kosten, ist für Euch ein unerreichbares Vergnügen.«

»Eher würde ich meine Flöte in eine Ziege stoßen!«, fauchte Donall, und die Eisenfesseln schnitten tief in seine Hand- und Fußgelenke, als er sich wütend auf den Graubart stürzen wollte. »Da würde ich sie noch eher verdorren und abfallen lassen, bevor ich ...«

»Ihr könnt sicher sein, dass ich die Vorstellung genauso unerfreulich finde.«

Donall erstarrte, als er die weiche, verführerische Frauenstimme vernahm.

Wären die Umstände anders gewesen, hätte ihr angenehmer Klang Donalls Zorn die Schärfe genommen, ja, vielleicht hätte sie ihn sogar erregt, aber in Anbetracht seiner Situation war er nicht in der Stimmung, sich von dem süßen Tonfall einiger kecker Worte beeindrucken zu lassen.

Zumal die melodische Stimme bestimmt Isolde MacInnes gehörte.

Einer Frau, zu der er sich unter gar keinen Umständen hingezogen fühlen wollte.

»So unangenehm mir Eure Anwesenheit auch ist, Ihr befindet Euch unter meinem Dach, und ich bin entschlossen, Euch dementsprechend zu behandeln«, fuhr sie fort und bestätigte damit ihre Identität.

Donall bewegte sich voller Unbehagen auf seinem Strohlager und wünschte, seine Männlichkeit wäre von mehr als nur diesem dünnen Stückchen Stoff bedeckt. Denn wenn die Erscheinung der Lady Isolde auch nur halb so verführerisch war, wie das honigsüße Timbre ihrer Stimme und die Beteuerungen ihres Onkels anzudeuten schienen, hätte er ein würdevolleres Auftreten seinerseits wirklich vorgezogen.

Er mochte zwar gefangen und gefesselt sein, aber es floss noch immer rotes Blut durch seine Adern.

Und diese Schurken hatten ihm auch nicht die Augen ausgestochen.

Er kniff die Lippen zusammen und zwang sich, jeden weiteren Gedanken an gut aussehende Frauen zu verdrängen. Es war lange her, seit er das letzte Mal bei einer Frau gelegen hatte, aber er hatte nicht die Absicht, sich von Isolde MacInnes betören zu lassen.

Nicht einmal ein kleines bisschen.

Was er wollte, war die Befreiung aus dieser Zelle.

Mit etwas Glück würde er Isolde MacInnes so wenig anziehend finden, dass ihm jede Anwandlung unwillkommener Bewunderung gleich beim ersten Blick vergehen würde. Mit angehaltenem Atem, für den Fall, dass es nicht so sein sollte, wandte er den Kopf in Richtung Tür, wo ihre Stimme herkam.

Sie stand nur einen Schritt vom Eingang entfernt, ein Binsenlicht in einer Hand und umgeben von ihren greisen Clanmitgliedern, die sich um sie scharten. Zu seinem großen Verdruss erkannte er auf den ersten Blick, was für eine rare Kostbarkeit sie war.

Ihr Onkel hatte nicht gelogen; sie war wirklich eine Schönheit.

Ein heftiges Gefühl leidenschaftlicher Bewunderung überkam ihn. Seine heißblütige Natur widersetzte sich seinem Vorhaben, ihrem Charme zu widerstehen.

»Lady Isolde«, sagte er und neigte leicht den Kopf. Glücklicherweise verriet wenigstens seine Stimme nicht, dass er sie reizvoll fand. »Ich denke nicht daran, mich an dieser Alberei, die Eure Männer mit mir vorhaben, zu beteiligen, und ich verlange, dass Ihr mich augenblicklich freilasst.«

Sie trat ein paar Schritte weiter in die Zelle und hielt ihr Binsenlicht ein wenig höher. Die Flamme erhellte ihre fein geschnittenen Gesichtszüge, unterstrich die makellose Glätte ihrer Haut und warf einen goldenen Schein auf ihr geflochtenes Haar.

Haar von der Farbe tausend untergehender Sonnen, dessen tiefer Bronzeton mit helleren Strähnen durchsetzt war, die wie geschmolzenes Gold schimmerten. Offen würde es sicherlich bis zu ihren wohl geformten Hüften reichen und jeden Mann verhexen.

Sie kam so nahe, dass Donall ihren Duft wahrnehmen konnte. Es war ein feiner, sauberer Duft, frisch und feminin, der ihn an wilde Blumen und Sommertage erinnerte. Gleichzeitig war er aber auch mit dem Anflug irgendeines warmen, verführerischen Aromas durchsetzt, das auf Geheimnisse hinter ihrer Aura der Anmut und der Unschuld schließen ließ.

Die Art Geheimnisse, die er mit Vergnügen ergründen würde.

Wenn sie eine andere Frau gewesen wäre.

»Ich sagte Euch ja schon, dass sie eine Schönheit ist. Was für ein Pech für Euch, dass Ihr nicht länger nach solch süßen Freuden streben könnt.« Struan legte den Arm um die Schultern seiner Nichte und zog sie näher zu der Stelle, wo Donall an die Wand gelehnt saß. Mit dem Fuß hob er den Stofffetzen über Donalls intimstem Körperteil an und schleuderte ihn beiseite. »Ihr wirkt gesund und munter ... ich nehme an, es quält Euch sehr, zu wissen, dass die wenigen Tage, die Euch bleiben, enthaltsame sein werden?«

Der weißhaarige Alte zu Donalls Linken kicherte, ein dünnes, meckerndes Altmännerlachen. Isolde MacInnes atmete hörbar ein und wandte ihr Gesicht ab, das mittlerweile fast so rötlich glühte wie ihr Haar.

»Bei Gott und allen Heiligen, habt ihr niederträchtigen Schurken denn überhaupt kein Schamgefühl?« Donall bedachte die hämisch grinsenden Graubärte mit einem finsteren Blick. »Falls euer Clan-Oberhaupt noch eine Jungfer ist, welcher Wahnsinn hat euch dann ...«

»Ich bin noch eine Jungfer, Sir, und Ihr seid es, der sich schämen sollte. Ihr und jeder andere männliche MacLean, der je geboren wurde.« Sie stand mit dem Rücken zu ihm, in unbeugsamer stolzer Haltung, und straffte ärgerlich die schmalen Schultern.

Eine in Stein gehauene Göttin.

Dann drehte sie sich um, und das Licht der Fackel fiel nun auf ihr Gesicht. Ihre schönen, ungewöhnlich großen Augen blickten trüb. Der Glanz, der Augen eines solch ausgeprägten Bernsteintons hätte erhellen sollen, war erloschen und einem Ausdruck tiefster Traurigkeit gewichen. Ihre anklagende, verächtliche Miene zog ihre schön geformten Lippen an den Mundwinkeln hinunter, sodass die süße Verlockung des Munds, der förmlich darum bettelte, geküsst zu werden, völlig verschwand.

Nicht, dass er der Mann gewesen wäre, sie zu küssen.

Ganz gleich, wie verlockend diese Lippen waren.

Donall drehte sich auf seinem Lager in einem sinnlosen Versuch, seine intimsten Körperteile vor ihren Augen zu verbergen, aber mehr noch in dem fruchtlosen Bemühen, sich von dem Zauber zu befreien, den sie auf ihn ausübte. Stroh stach in die Rückseiten seiner nackten Beine, und ein kalter Luftzug fegte in die Zelle, der den Salzgeschmack der nahen See mitbrachte und den fauligen Gestank der Zelle aufwirbelte.

Diese feuchte, modrige Zelle, voller Schatten, Düsternis und namenloser, herumhuschender Kreaturen führte ihm seine beschämende Gefangenschaft und seine Hilflosigkeit erneut mit bittere Deutlichkeit vor Augen.

Aber der Zorn, der ihn erfasste, galt nicht der Dame, sondern ihren alten Ratgebern und deren unbotmäßigen Plänen, Rache an ihm zu üben für eine Tat, mit der er nichts zu tun hatte.

Eine ruchlose Tat, von der er nur hoffen konnte, dass sie nicht auf einen von Iains jähen Stimmungswechseln zurückzuführen war.

Donall bohrte seine Nägel in die Handflächen und verdrängte die beunruhigenden Zweifel, die ihn quälten und seine Seele zu zerfressen drohten.

Iain konnte nicht der Mörder sein.

Donall würde es einfach nicht zulassen, dass er es war.

Die MacLeans, sein Bruder mit eingeschlossen, verurteilten die feige Tat, waren zutiefst bestürzt darüber und brannten darauf, den Tod der sanftmütigen Lileas zu rächen.

Und das würden sie auch tun, wenn die MacInnes nur vernünftig genug wären und ihn freiließen.

Und womöglich hatte auch er seinen Verstand verloren, denn er war schon halb geneigt zu glauben, dass, während er mit seinen Unschuldsbeteuerungen bei den Graubärten auf taube Ohren stieß, die Dame Isolde sich möglicherweise als aufgeschlossener erweisen würde. Eine ziemlich törichte Idee, das war ihm klar, aber er hatte nichts zu verlieren und alles zu gewinnen.

Nur indem er seine Freiheit wiedererlangte, konnte er die wahren Schurken finden und weitere mögliche Auseinandersetzungen verhindern, falls Iain zu lange sich selbst überlassen bleiben sollte.

Donall wandte sich wieder dem Oberhaupt des MacInnes-Clans zu und räusperte sich. »Mein Bruder hatte nichts mit dem Tod seiner Gattin zu tun«, sagte er mit erzwungener Ruhe, während er einen harten Kampf mit sich ausfocht, um seinen würdelosen Zustand zu ignorieren, und hoffte, dass seine Worte zuversichtlicher klangen, als er sich fühlte.

Allein das Thema anzusprechen, war für ihn so schmerzlich, dass sich seine Brust zusammenzog. Er konnte die sanftmütige Lileas noch immer reglos an der Küste liegen sehen, ihr rotgoldenes Haar durchsetzt mit Algen, ihr nasser Körper kalt und ohne Leben.

»Iain liebte seine Frau. Er hätte ihr niemals etwas angetan«, schwor er und konzentrierte sich auf die Erinnerungen an zahlreiche Gelegenheiten, bei denen er Iain seine stille Frau mit Zuneigung hatte überschütten sehen, während er die selteneren Momente, in denen sein Bruder Lileas angeschnauzt hatte, wenn er gerade von einer seiner düsteren Stimmungen heimgesucht wurde, zu verdrängen suchte. »Ich würde seine Unschuld auf die heiligsten Reliquien in diesem Land beschwören.«

In Gedanken sah Donall wieder Iains gehetzten Blick vor sich, und sein Innerstes zog sich zusammen bei der Erinnerung daran, wie unbeholfen seine eigenen Bemühungen gewesen waren, die Trauer seines Bruders zu lindern. »Er trauert aufrichtig um sie«, sagte er, und diesmal klang es schon ein wenig überzeugter.

»Ihr lügt.« Die kalten Worte fielen wie zwei Eisstückchen auf seine nackte Haut.

Isolde fröstelte. Wie so oft, seit sie vom Tod ihrer jüngeren Schwester erfahren hatte, wurde sie von Kältewellen durchflutet, obwohl ihr Herz glühte von dem Wunsch, den Mord an Lileas zu rächen. »Ihr lügt«, wiederholte sie, den Blick starr auf die gegenüberliegende Wand gerichtet statt auf den nackten Mann zu ihren Füßen. »Niemand sonst könnte die Tat begangen haben.«

Abrupt löste sie sich aus dem Arm ihres Onkels, drückte ihm ihr Binsenlicht in die Hände und begann auf dem mit Farn bestreuten Boden auf und ab zu gehen. Sie hatte den MacLean länger angesehen, als sie ertragen konnte. Seine Nacktheit verstörte sie, und zu wissen, dass sie ihm bald sogar noch näher sein würde, und insbesondere diesem Teil von ihm, ließ ihr Herz rasen vor Beklommenheit.

Aber näher kommen würde sie ihm.

Für Lileas.

Und für ihre Leute.

Und für dich selbst, wisperte eine leise Stimme in ihrem Unterbewusstsein. Aber diese anderen Gründe schienen jetzt gänzlich unbedeutend.

Dennoch, sie würde stark sein. Stark und tapfer. Sie würde ihre geheimen Pläne in die Tat umsetzen, selbst wenn es bedeutete, ihre Unberührtheit einem Mann zu opfern, den sie verachtete. Der Mord an ihrer Schwester musste gerächt werden, und sie musste auch das Überleben ihrer Sippe sichern.

Ihre Ratgeber wollten das Oberhaupt des MacLean-Clans sterben sehen. Sie behaupteten, sein Tod würde sich als wirkungsvollste Rache gegen die gesamte Sippe erweisen. Aber ein solcher Plan, so berechtigt er vielleicht auch sein mochte, würde die MacInnes vernichten. Die Rache würde schnell und ohne Gnade kommen. Da könnte sie auch gleich die Burgtore entriegeln und die MacLeans hereinstürmen lassen. Nur ein Narr würde sich für so stark halten, den Angriff eines solch mächtigen Clans wie den der MacLeans abzuwehren.

Und dennoch schien fast jeder hier in ihrem Haushalt wild entschlossen, dieser Narr zu sein.

Isolde hatte keine andere Wahl, als ihre eigenen geheimen Pläne zu verwirklichen. Ihre Strategie würde sicherstellen, dass die MacLeans in Zukunft keine Bedrohung mehr für die MacInnes darstellen würden. Und um das zu erreichen, war der Verlust ihrer Unberührtheit nur ein verhältnismäßig kleiner Preis.

Insbesondere, wenn sie schwanger wurde, wie sie hoffte, nach dem Zusammensein mit dem MacLean.

»Wenn Ihr mich also für einen Lügner haltet, Isolde von Dunmuir, dann seid Ihr wohl genauso blutdürstig wie Eure Blutsverwandten?«, fragte Donall MacLean herausfordernd. Seine tiefe Stimme enthielt einen Anflug von Belustigung und riss Isolde aus ihren Überlegungen. »Seid auch Ihr entschlossen, mich zu foltern?«

Was ich mit dir zu tun vorhabe, Donall MacLean, wird für mich selbst die reinste Folter sein. Die Worte hallten so laut in ihren Ohren nach, dass sie schon befürchtete, sie für alle hörbar ausgesprochen zu haben.

»Ihr seid wohl nicht so gesprächig wie Eure wildäugige Bande Ältester, o holde Dame?«, höhnte er. »Habt Ihr kein Verlangen, die Myriaden von Grausamkeiten aufzuzählen, die Ihr mir anzutun gedenkt?«

Erschrocken, weil seine Beschuldigungen der Wahrheit näher kamen, als er ahnen konnte, trat Isolde neben Lorne, den jüngsten ihrer Clan-Ältesten, der vor dem schmalen Fenster des Verlieses stand.

Da sie es nicht wagte, in die dunklen, zornigen Augen ihres Gefangenen zu sehen, blieb sie mit dem Rücken zu ihm stehen, verschränkte ihre Hände und atmete tief die frische, salzhaltige Seeluft ein. Das gedämpfte Plätschern der Wellen am kiesbedeckten Strand hinter der Kerkermauer weckte schmerzliche Erinnerungen in ihr.

Wie oft hatten sie und Lileas in den sorglosen Tagen ihrer Kindheit an diesem schmalen Strand gespielt?

Und wie oft hatte ihr geliebter Vater sie gescholten, weil sie sich an einen Strand gewagt hatten, den er der schnell wechselnden Strömungen des harmlos aussehenden Wassers wegen für überaus gefährlich hielt?

Und nun waren Lileas und ihr Vater tot.

Isolde blinzelte heftig.

Ein Staubkörnchen, irgendetwas, musste ihr ins Auge gekommen sein.

Sie löste ihre Hände voneinander und strich über die Falten ihres mit einem Gürtel zusammengehaltenen arisaid. Die warme, weiche Wolle des Plaids tröstete sie mit seiner Vertrautheit und stellte ein schwaches, aber beruhigendes Bindeglied zur Normalität her in einer Situation, die ihrer Kontrolle vollkommen entglitten zu sein schien.

Noch nicht bereit, sich umzuwenden, starrte sie aus dem Fensterschlitz. Obwohl zu klein, um mehr als einen schmalen Streifen blauen Himmels zu enthüllen, genügte der Anblick, um sie ihre Fäuste ballen zu lassen.

Wie konnte die Sonne scheinen, wenn sich eine solche Finsternis über ihr Herz gelegt hatte?

Wieder blinzelte sie, und diesmal konnte sie das Brennen hinter ihren Lidern nicht mehr auf ein bloßes Staubkorn schieben. Aber sie ignorierte ihre Tränen, straffte ihre Schultern und wappnete sich innerlich für die Konfrontation mit ihrem Feind.

Mit dem Mann, den sie für den Mord an ihrer Schwester verantwortlich machte.

Lileas Tod musste gerächt werden, aber es war noch nicht alles verloren. Sie hatte viel, wofür sie dankbar sein konnte, und sie war nicht allein.

Sie hatte die Unterstützung und die Anerkennung ihres Clans. Ihrer Leute nun, denn nach dem Tod ihres Vaters hatte sie, seinem Wunsch entsprechend, ihre Stellung als Oberhaupt des MacInnes-Clans akzeptiert. Und als solches musste sie tun, was sie für das Beste für ihre Leute hielt.

Ganz besonders in so unruhigen Zeiten und einschließlich der entmutigenden Aufgabe, sie vor ihrer eigenen Sturheit und Torheit zu bewahren.

»Eine der unseren, eine feine junge Frau, von der wir glaubten, Euer Bruder würde sie mit Respekt behandeln, wurde auf dem Lady Rock getötet«, erklang Lornes befehlsgewohnte Stimme neben Isolde, und seine strengen Worte rissen sie aus ihrer Versunkenheit. »Ermordet von ihrem MacLean-Gemahl, auf die gleiche Art und Weise wie ihre Vorfahrin vor so vielen Jahren. Ihr, Donall der Kühne, werdet als Oberhaupt der MacLeans Buße tun, indem Ihr ...«

»Lorne, bitte.« Isolde fuhr herum und berührte den Älteren am Arm, weil sie es nicht ertrug, die blutrünstigen Einzelheiten der Absichten ihrer Verwandten zum wiederholten Male zu hören. »Der MacLean ist sich bewusst, was ihn erwartet.«

Als sie zu ihrem Onkel Struan zurückging, hoffte sie, dass weder ihre Haltung noch ihr Gesichtsausdruck etwas von dem inneren Aufruhr erkennen ließen, der in ihr tobte.

So ruhig und gelassen, wie sie konnte, sagte sie: »Ich bin müde und werde mich früh zurückziehen. Und bei Gott, ich verlasse mich darauf, dass niemand mich vor dem ersten Hahnenschrei belästigen wird.«

Ihren ganzen Mut zusammennehmend, um eine Rolle zu spielen, von der sie bereits bezweifelte, dass es ihr gelingen würde, sie zu meistern, warf sie einen geringschätzigen Blick auf den MacLean. »Niels und Rory haben darauf bestanden, meine Tür zu bewachen, solange er innerhalb unserer Mauern weilt. Um sie nicht zu kränken, habe ich zugestimmt, also seid nicht beunruhigt, falls ihr sie dort seht. Sie haben geschworen, außer der Heiligen Muttergottes selbst niemanden zu mir hereinzulassen.« Damit küsste sie ihren Onkel auf die Wange, schenkte dem MacLean ein knappes Nicken und strebte dann aus dem Verlies, so schnell ihr Stolz es ihr erlaubte.

In sicherer Entfernung von der Zelle blieb sie vor einer tiefen, dunklen Nische in der Mauer des Gangs stehen. »Sorg dafür, dass er anständig gewaschen wird und bring ihn heute Abend zu meinen Gemächern«, flüsterte sie dem in der Dunkelheit verborgenen Mann zu. »Spät ... nicht vor der Stunde der Komplet. Und lass dich um Himmels willen nicht dabei erwischen.«

Der Mann öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber Isolde raffte ihre Röcke und hastete über den feuchten Gang davon, bevor er auch nur ein Wort äußern konnte.

Falls ihr gutmeinender Cousin Niels erneut versuchte, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, war sie imstande, all ihre ehrgeizigen Pläne, einen dauerhaften Frieden mit den MacLeans zu erlangen, im letzten Augenblick vielleicht doch noch aufzugeben.

Denn seit sie ihren Anführer in Fleisch und Blut gesehen hatte, oder vielmehr gänzlich in natura, hegte sie tatsächlich ernste Zweifel an der Durchführbarkeit ihrer Pläne.

Donall starrte ihr noch lange nach, als sie gegangen war, während eine Vielzahl widersprüchlicher Emotionen in ihm kämpfte. Grundgütiger Himmel, aber sie raubte ihm den Atem, machte ihn rasend mit ihrer unverblümten Weigerung, ihn anzuhören. Obwohl sein Zorn sein Blut zum Kochen brachte, konnte er nicht umhin, ihren Mut und ihre Einstellung zu bewundern.

Sie musste wissen, was ihre Clan-Ältesten mit ihm vorhatten. Ihre Bereitschaft, solch barbarische Akte unter ihrem Dach zu erlauben, sprach von ihrem unbeugsamen Willen, den Tod ihrer Schwester gerächt zu sehen.

Ob er die Verantwortung dafür nun auf sich nahm oder nicht, und das tat er ganz gewiss nicht, war die Charakterstärke, die sie demonstrierte, etwas, was jeder schottische Hochländer oder Inselbewohner bewundern musste.

»Eine außergewöhnliche Schönheit, nicht?« Lorne MacInnes sicherte sich Donalls Aufmerksamkeit mit einem raschen Tritt in seine Rippen.

Donall unterdrückte ein Aufstöhnen und warf dem grinsenden Graubart einen finsteren Blick zu. Der zerlumpte Stoff, der vorher seine Männlichkeit bedeckt hatte, baumelte nun zwischen den Fingern dieses Bastards.

»Ein Leckerbissen von der Art, von dem jemand wie Ihr nie wieder kosten wird«, bemerkte Lorne gedehnt und drehte den Lumpen zwischen seinen Fingern, bevor er ihn auf Donalls Lenden fallen ließ. »Wenn Ihr Glück habt, wird unser holdes Oberhaupt vielleicht Eure Träume schmücken«, fügte er hinzu, bevor er aus der Zelle schlenderte und die anderen Älteren ihm folgten.

»Ihr werdet doch nicht abstreiten, dass sie sehr reizvoll ist?«, ertönte eine weitere männliche Stimme aus der Dunkelheit und raubte Donall die willkommene Stille, die sich nach dem kollektiven Aufbruch der Graubärte in der Zelle ausgebreitet hatte. »Ich bezweifle, dass es ein schöneres Mädchen auf unseren Inseln gibt.«

Donall biss die Zähne zusammen und sagte nichts. Er dachte nicht im Traum daran, diesem anmaßenden Burschen die Genugtuung einer Antwort zu geben. Zumal, wenn keine nötig war.

Isolde MacInnes war eine Kostbarkeit, die rar genug war, um einen König in die Knie zu zwingen.

Die meisten Männer würden vor Leidenschaft entflammen bei der bloßen Vorstellung, mit einer solch edlen Maid das Bett zu teilen.

Nicht, dass er auch nur für einen winzigen Moment daran gedacht hätte.

Und schließlich war er auch nicht wie die meisten Männer.

Obwohl regionale Unruhen und seine Pflichten als Gutsbesitzer ihm in den vergangenen Jahren wenig Zeit für Liebesabenteuer gelassen hatten, konnte man nicht behaupten, er würde wie ein Mönch leben.

Aber noch nie war ihm die Gunst einer Frau zuteil geworden, die derart reizvoll und verführerisch war wie das Oberhaupt der MacInnes – und die Pest solle den Hurensohn holen, der ihn ihrem Anblick ausgesetzt hatte!

Verdrießlich zog er seine Augenbrauen zusammen und suchte nach der Quelle seines Ärgers, bereit, die ganze Wucht seines Zorns an diesem Schweinehund auszulassen – aber die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er die Kreatur im Schatten der noch immer offenen Zellentüre stehen sah.

Ein wahrer Hüne von einem Mann – und dieser Ochse mit dem auffallend roten Haar war auch noch dreist genug, Belustigung über Donalls überraschte Miene an den Tag zu legen. »Nicht alle MacInnes sind alt und krumm«, sagte der Riese, während er grinsend seine gewaltigen Armmuskeln spielen ließ. »Es wäre gut für Euch, das in Erinnerung zu bewahren.«

»Und wer seid Ihr?«, gab Donall zurück und wünschte fieberhaft, sich von seinen Fesseln befreien zu können. »Hat Lady Isolde Euch geschickt, um mich zu foltern?«

Der Mann musterte ihn prüfend. Dann, nach einer langen Weile, sagte er: »Ich bin Niels MacInnes, und aye, ich komme von Lady Isolde, aber sie schickt mich nicht, damit ich Euch die Knochen breche, obwohl ich zugeben muss, dass ich nichts dagegen hätte, es zu tun.«

»Warum seid Ihr also hier?«

»Ich fragte Euch vorhin, ob Ihr unser Clanoberhaupt reizvoll findet. Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet.« Niels MacInnes verschränkte seine Arme vor der Brust und maß Donall mit einem durchdringenden Blick. »Tut Ihr es?«

Donall, der diesen Kasper für mehr als nur ein bisschen beschränkt hielt, versetzte scharf: »Und wenn ich es täte?«

»Würde es das Übereinkommen vereinfachen, das meine Herrin Euch anbieten möchte.«

»Übereinkommen?« Nun wusste Donall, dass der Mann beschränkt war.

»Irgendwann zwischen der Stunde der Vesper und der Komplet werde ich Euch hier abholen«, informierte ihn der Riese mit so leiser Stimme, dass Donall ihn fast nicht verstehen konnte. »Solltet Ihr dann nicht bereit sein zu kooperieren, werden Eure Tagesstunden Euch so zur Hölle gemacht werden, wie Eure nächtlichen der Himmel hätten sein können.«

»Was redet Ihr da für einen Unsinn«, protestierte Donall und warf sich erneut gegen seine Fesseln, in einem weiteren vergeblichen Versuch, sich loszureißen. »Ich werde nirgendwo mit Euch hingehen, und ich will mit Eurer Herrin und ihrem Übereinkommen nichts zu tun haben.«

»Und ob Ihr mitgehen werdet, und Ihr werdet auch schön sanft mit meiner Herrin umgehen. Denn wenn nicht, zermahle ich Eure Knochen einen nach dem anderen zu Staub. Die Entscheidung liegt bei Euch.« Nach einem letzten durchdringenden Blick auf Donall trat der Hüne durch die offene Tür. »Also Hölle oder Paradies«, fügte er noch einmal hinzu, bevor er verschwand.

Bestürzt und auch zutiefst verwirrt starrte Donall auf die rauen Planken der Tür, die dieses Riesenrindvieh hinter sich zugezogen und verriegelt hatte.

Was zum Teufel hatte der Kerl damit gemeint, Donall solle sanft mit seiner Herrin umgehen? Doch wohl sicher nicht das Offensichtliche? Jähe Hitze wallte bei der bloßen Vorstellung in ihm auf, und seine Lungen schienen mit einem Mal unfähig, ihn mit genügend Luft zu versorgen.

Nein, es konnte unmöglich etwas dermaßen ... Absurdes sein.

Schön, ungewöhnlich anmutig und höchstwahrscheinlich auch noch unberührt, versprach ein intimes Treffen mit Isolde MacInnes ganz zweifellos das Paradies auf Erden.

Vorausgesetzt, das war es, was die rätselhaften Worte des Hünen zu bedeuten hatten, was Donall jedoch stark bezweifelte. Dennoch konnte ihn niemand als begriffsstutzig bezeichnen. Sein wacher Verstand und sein scharfes Gespür hatten ihm bei so mancher gefährlichen Begebenheit geholfen.

Und je länger er darüber nachsann, desto mehr kam er zu der verrücktesten, absurdesten Schlussfolgerung ...

Mit einem Seufzer ließ er sich an die Wand zurücksinken und starrte zu den Wasserflecken an der Decke seiner Zelle. Möge der Himmel mit all seinen Heiligen ihn beschützen, aber eine Spur des Dufts der Frau hing noch im Raum.

Nicht mehr als ein Hauch von wilden Blumen, aber genug, um seine Sinne zu verwirren und seine Entscheidung zu verspotten, sich von ihren Reizen unberührt zu zeigen.

Falls sich sein Verdacht als wahr erweisen sollte.

Donall schloss die Augen und stöhnte. Es war ein raues, tiefes Stöhnen, das direkt aus seiner Seele kam. Hatte der Riese wirklich gesagt, er habe eine Wahl?

Ja, er hatte ihm eine Wahl gelassen. Das Problem war nur, dass er, falls sein Instinkt ihn nicht getrogen hatte, bezweifelte, dass er die Kraft besaß, die richtige Entscheidung zu treffen.

Kapitel 2

Isolde eilte durch die Abenddämmerung, ihren arisaid fest um die Schultern gezogen. Ein scharfer Wind pfiff ihr um die Ohren, der beißende Kälte sowie den salzigen Geschmack der See und den feuchten, erdigen Geruch nahenden Regens mitbrachte.

Sie folgte einem schmalen Pfad, der sie durch eine Landschaft aus windgepeitschten Bäumen und Sträuchern führte. Es war ein gut ausgetretener Weg, der sich zwischen den zerklüfteten Felsspitzen hinaufschlängelte, die dieses Ende der Insel bildeten, bevor er auf einer Lichtung hoch über den Klippen endete, die von den Alten als »Rand der Welt« bezeichnet wurde.

Eine Vorstellung, deren Unheimlichkeit noch verstärkt wurde durch die Weißbirken und Ebereschen und die Gegenwart von Devorgilla, der alten Frau, die hier auf dieser Lichtung lebte.

Isolde kämpfte gegen den zunehmenden Sturm, der von der See herüberwehte. Sie beeilte sich, den Menschen zu erreichen, dem sie als einzigem ihre Gründe anvertraut hatte, warum sie den MacLean nachts und heimlich in ihr Zimmer bringen lassen wollte.

Nicht einmal der getreue Niels wusste alles und schon gar nicht sein Schatten, Rory.

Nur die cailleach und Isoldes kleiner Hund, Bodo.

Und keiner der beiden würde ihr Vertrauen missbrauchen.

Auch jetzt demonstrierte Bodo wieder seine Zuneigung zu ihr und seinen Eifer, sie vor allem Unheil zu beschützen. Mit erhobenem Schwanz und selbstbewusstem Gang lief er ein kleines Stückchen vor ihr her und sicherte den Weg. Obwohl er winzig war und so verspielt wie ein Welpe, würde der kleine braun-weiße Hund Isolde bis zu seinem letzten Atemzug verteidigen, falls es nötig war.

Und wenn er einen solchen Mut besaß, wer war dann sie, die immer noch Zweifel an der Ausführung eines Plans hegte, der ihren Leuten eine sichere Zukunft gewährleisten würde? Schuldete sie ihnen nicht ebenso viel Loyalität, wie der kleine Bodo ihr bewies?

Wäre ein dauerhafter Frieden nicht ein angemessenerer Tribut an Lileas als ein weiterer Tod?

War eine aus der Not geborene Allianz mit Donall MacLean nicht einem Aussterben ihrer Sippe vorzuziehen?

Isolde blickte rasch zum Himmel auf. Ganze Gruppen schnell vorbeiziehender Wolken, grau und schwer vom Regen, erstreckten sich über den Himmel und stahlen dem frühen Abend so mühelos das Licht, wie der bloße Gedanke an Donall MacLean ihr den Mut geraubt hatte.

Entschlossen schritt sie weiter, doch ein nicht abzuschüttelndes Gefühl des Unbehagens begleitete sie, während Zweifel ihre Absichten zu gefährden drohten.

Sie hatte Stunden, ja ganze Nächte damit verbracht, über eine Lösung nachzudenken. Selbst über die kleinsten Einzelheiten hatte sie sich den Kopf zerbrochen ... und war sogar so weit gegangen, Evelina, Doons Freudenmädchen, Fragen zur Kunst der Verführung zu stellen!

Schnell, bevor sie vor Verlegenheit erröten konnte, verdrängte Isolde den Gedanken an ihre heimlichen Treffen mit Evelina, einer Frau, deren Existenz die anderen Frauen Doons, ob sie nun MacInnes oder MacLean hießen, seit jeher zu ignorieren vorgaben.

Zu Isoldes eigenem Erstaunen war Evelina ihr jedoch sogar sympathisch. Trotzdem bezweifelte sie deren Behauptung, sie ginge ihrem anstößigen Gewerbe nicht mehr nach, seitdem sie ihr Herz angeblich einem geheimnisvollen Wohltäter geschenkt hatte, dessen Namen sie auf keinen Fall verraten wollte.

»Auuuu ...!« Isolde griff nach ihrem Knöchel und funkelte ärgerlich die Wurzel an, die vor ihr quer über den Weg verlief. »Beim Nasenbein Sankt Ninians«, fluchte sie, auf einem Fuß herumhüpfend. »Soll seine Männlichkeit doch ruhig verkümmern und abfallen!«

Stirnrunzelnd blickte sie auf ihren schmerzenden großen Zeh hinunter.

Es war seine Schuld. MacLeans.

Hätte sie nicht an ihn und die Kunst der Verführung gedacht, wäre sie mit ihrem Fuß nicht gegen die Baumwurzel gestoßen.

Bodo kam angesprungen, mit offener Schnauze und einem fragenden Blick in seinen goldbraunen Augen, und die Verwirrung, die ihm ins Gesicht geschrieben stand, wirkte noch sympathischer durch seine krummen Zähne.

Die Art, wie er zu ihr aufschaute, ließ ein wenig von dem Eis schmelzen, das sich um ihr Herz gebildet hatte, seit sie die gehässigen Worte Donalls des Kühnen gehört hatte. Sie vergaß sogar den dumpfen Schmerz in ihrem Knöchel, als sie den kleinen Hund aufhob und in die Arme nahm, um ihn fest an sich zu drücken.

»Du würdest mich nicht mit einer Ziege vergleichen, nicht wahr, Bodo?«, wisperte sie in sein glattes Fell und ignorierte die Stimme der Vernunft, die sie darauf hinwies, dass der MacLean nicht wortwörtlich gesagt hatte, sie sei eine Ziege.

Sein beleidigendes Benehmen ihr gegenüber kränkte sie trotzdem.

Wieder wurde sie tief im Innersten von Wut erfasst, und so drückte sie Bodo noch ein wenig fester an sich und tröstete sich mit dem Gefühl seiner kalten, kleinen Nase, die sich an ihren Nacken presste, bevor sie ihn auf den Pfad zurücksetzte.

Er tollte voran, und Isolde, ängstlich darauf bedacht, ihr Ziel zu erreichen, warf einen weiteren skeptischen Blick auf den ständig dunkler werdenden Himmel, bevor sie sich anschickte, dem Hund zu folgen.

Doch vorher zog sie eine bauchige kleine Lederflasche aus den Falten ihrer Röcke und entfernte rasch den Stöpsel. Das Gesicht verziehend, hielt sie sich die Nase zu und schluckte die letzten Tropfen von Devorgillas Umkehr-Liebestrank, der ihr helfen sollte, sämtlichen Versuchungen zu widerstehen.

Obwohl sie den merkwürdigen Geschmack des Tranks abscheulich fand, beabsichtigte sie, die Alte um Nachschub zu bitten.

Feind oder nicht, sie hätte schon halb blind sein müssen wie Devorgilla, um nicht den eindrucksvollen Körperbau und das gut aussehende Gesicht des MacLeans bemerkt zu haben.

Und dabei war der Mann total verschmutzt gewesen und hatte alles andere als gut gerochen.

Daran, wie er auf sie wirken würde, wenn er ordentlich gebadet und sauber war, durfte sie gar nicht erst denken.

Schlimmer noch, seine Ähnlichkeit mit der schattenhaften Gestalt, von der sie geträumt hatte, nachdem sie in der Nacht von Beltaine Schafgarbenzweige unter ihr Kopfkissen gelegt hatte, wies einen sogar noch beunruhigenderen Aspekt auf.

Nein, sie freute sich wirklich nicht darauf, ihm wieder gegenüberzutreten.

Aber sie musste ihm wieder gegenübertreten – das und noch viel mehr.

Sehr viel mehr.

Die Lippen in grimmiger Entschlossenheit zugekniffen, raffte sie ihre Röcke und eilte weiter. Sie holte Bodo am Rand der kreisförmigen Lichtung ein, die Devorgilla ihr Zuhause nannte.

Isolde kam sich ein bisschen töricht vor wegen des kalten Schauers, der ihr über den Rücken lief, als sie sich bekreuzigte, bevor sie auf die Lichtung trat. Diesen Ort aufzusuchen, war, wie sich einer parallelen, aber unsichtbaren Welt zu überlassen.

Dem geheimnisvollen Reich der sidhe.

Eine Welt, in der noch die alte Religion galt und in der die alte Devorgilla souverän die Herrschaft führte, aber nicht etwa nach den Regeln jener, die jeweils den Titel des Oberhauptes der MacInnes trugen, sondern nach den alten, die der Göttin dienten.

Bodo spitzte die Ohren, und seine Nackenhaare sträubten sich. Er spähte auf die Lichtung ... ein absonderlicher Ort, der trotz der allmählich vordringenden Dunkelheit von einem silbrig hellen Licht erleuchtet war.

Ein Ort, an dem sich kein Lüftchen regte, obwohl der aufziehende Sturm bereits überall um sie herum zu spüren war. Selbst die von Devorgillas strohgedecktem Cottage aufsteigende schmale Rauchsäule war eine schnurgerade, bläulich graue Linie.

Ein leises Knurren kam aus Bodos Kehle, und Isolde bückte sich, um ihn zu streicheln. »Hab keine Angst, mein Kleiner«, sagte sie. »Die cailleach würde keinem von uns beiden etwas tun.«

Bodo hörte auf zu knurren, schaute aber aus großen Augen zweifelnd zu ihr auf. Er trottete jedoch weiter brav neben ihr her, und seine stämmigen kurzen Beinchen bewegten sich flink über das Gras, um mit ihr Schritt zu halten.

Wie immer herrschte eine seltsam atemlose Stille auf der Lichtung. Devorgillas Häuschen lag ganz dicht am Rand des Kliffs. Mit Steinen beschwerte Fischnetze hielten das grobe Strohdach an Ort und Stelle, und wie die Lichtung selbst schienen auch die weiß getünchten Mauern des bescheidenen Häuschens in ein silbrig helles Licht getaucht.

Selbst der warme Schein brennender Kerzen, der durch die offenen Läden zweier Fenster zu erkennen war, konnte der Atmosphäre nichts Einladendes verleihen.

Aber Isolde wusste, dass sie willkommen war.

So wie die Alte stets willkommen auf Dunmuir war, wo man ihre Fähigkeiten und ihre Weisheit schätzte und sie und ihr Besitz sich jederzeit des Schutzes des jeweiligen Oberhaupts des MacInnes-Clans sicher sein konnten. Und Isolde vermutete im Stillen, dass die cailleach mehr MacInnes-Gutsherren überlebt hatte als nur ihren Vater und ihren Großvater.

»Du hast nichts zu befürchten«, versicherte Isolde Bodo, bevor sie die Hand hob, um an die Tür zu klopfen. Sie hätte nie zugegeben, dass ihre Nerven genauso angespannt waren, wie die ihres kleines Hundes es zu sein schienen, oder dass ihre so beherrscht klingende Stimme nicht nur Bodo, sondern auch sie selbst beruhigen sollte.

Doch anders als bei Bodo waren nicht Devorgilla und ihre verzauberte Lichtung die Ursache ihrer Nervosität.

Nein, der Grund für ihre innere Anspannung lag nackt und gefesselt im Kerker auf Dunmuir.

Oder, und das war sogar eine noch viel beunruhigendere Vorstellung, womöglich saß er in diesem Augenblick bereits in einem Waschzuber und man schrubbte ihm den Schmutz vom Körper, um ihn dann in ihr Gemach hinaufzubringen ... damit er ihr den Dienst erwies, zu dem sie ihn zu überreden hoffte.

Bei dem bloßen Gedanken durchrieselte sie ein heißer Schauer, und ihr Herz begann wild zu pochen.

Während sie die Schultern straffte, um ihre Gedanken an den Wahnsinn, den sie auf sich genommen hatte, abzuschütteln, hob sie die Hand, um anzuklopfen. Die Tür schwang jedoch schon just in diesem Moment auf.

Die dreifarbige Katze der cailleach, Mab, schlüpfte durch die Öffnung und rieb sich an Isoldes Beinen, bevor sie verschwand, ohne Bodo, der knurrend sein Missfallen über die Vertrautheit der Katze seiner Herrin gegenüber äußerte, auch nur einen Seitenblick zu gönnen.

»Willkommen, komm nur herein, mein Kind«, begrüßte die Alte Isolde. Eine Fülle der Weisheit und des Mitgefühls erschien in ihren trüben alten Augen.

Isolde ging an ihr vorbei in den Raum mit der niedrigen Decke, Bodo dicht auf ihren Fersen. Die Aufgeräumtheit und Gemütlichkeit des Häuschens machte es ihr noch schwerer, die bisher so mühsam aufrechterhaltene Fassung zu bewahren.

»Du musst mir noch mehr von diesem Gegenmittel geben.« Ihre Worte klangen gehetzt, und die Verzweiflung in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Und ich wüsste gern, was du von ihm denkst. Ist er es? Bitte sag mir, dass er es nicht ist.«

Statt zu antworten, schloss die cailleach übertrieben sorgfältig die Tür, bevor sie sich mit entnervender Langsamkeit zu ihrer Besucherin umdrehte.

Mit einer Langsamkeit, die, wie Isolde vermutete, nichts mit den natürlichen Beschränkungen der altersschwachen Knochen der zierlichen Devorgilla zu tun hatte.

»Ich muss es wissen. Er ...«, begann Isolde, aber die Alte brachte sie mit einem einzigen Blick zum Schweigen.

»So viele Wünsche, Kind«, sagte sie, und Isolde fand, dass ihre dünne Stimme empörend ruhig klang. »Und so viel Ärger pocht in dir. Bei der Gnade der Mutter Erde, ich schwöre dir, dass ich das Rasen deines Herzens hören kann!«

»Du verstehst nicht ...« Isolde beendete ihren Einwand nicht, als die cailleach eine buschige Augenbraue hochzog.

Isoldes Erregung ignorierend, wandte Devorgilla sich einem dunkelhaarigen, etwa neunjährigen Jungen zu, der auf einer Bank an der gegenüberliegenden Wand saß und Moos und Farne in eine abgenutzte Strohmatratze stopfte. »Lugh, hol einen Becher Heidekrautbier für Lady Isolde und einen frischen Knochen für den Hund. Und dann beschäftige dich für eine Weile draußen. Die Dame und ich haben Angelegenheiten zu besprechen, die nichts für deine jungen Ohren sind.«

Der Junge legte seine Arbeit beiseite und errötete heftig, als er aufstand. Nach einem scheuen Blick auf Isolde und einem kurzen Nicken schob er nicht weit von dort, wo er gesessen hatte, einen Vorhang aus geflochtenem Stroh beiseite und verschwand in der dahinterliegenden Dunkelheit.

Isolde lauschte seinen Bewegungen in der kleinen Vorratskammer neben dem Wohnraum des Cottages und bemühte sich, das appetitanregende Aroma von geräuchertem Schinken und gedörrtem Rindfleisch, das hinter der Strohmatte hervordrang, zu ignorieren.

Sie hatte Wichtigeres zu tun, als sich mit dem Knurren ihres leeren Magens zu befassen.

Die Strohmatte bewegte sich wieder, und Lugh kam zurück, mit einem randvollen Becher Heidekrautbier für Isolde und einem ansehnlichen Knochen für den Hund. Bodo vergaß vorübergehend seine Herrin, flitzte fröhlich bellend zu dem Jungen und schnappte gierig nach dem Knochen in seiner Hand.

Ein Knochen, der aus irgendeinem Eintopf stammte, mit einer ordentlichen Portion Fleisch daran. Isolde lief bei dem Anblick das Wasser im Mund zusammen, und sie unterdrückte das Bedürfnis, Devorgillas Ur-Ur-Urenkel zu bitten, auch ihr etwas zu essen zu holen.

Als erriete sie Isoldes Gedanken, legte die Alte eine gichtgekrümmte Hand auf ihren Arm. »Möchtest du einen Teller Kanincheneintopf?« Ihr trüber Blick glitt zu dem über einer großen Feuerstelle hängenden Kessel, in dem es verführerisch blubberte. »Ich habe auch frisch gebackenes Brot, es müsste jetzt bald fertig sein«, fügte sie mit einem Blick auf den runden Backofen in der gegenüberliegenden Wand hinzu.

Ein köstlicher Duft drang aus den Ritzen neben der geschlossenen Ofentür, aber auch dieser Versuchung widerstand Isolde. »Das Bier genügt«, erwiderte sie nur und nahm den Becher, den Lugh ihr anbot. »Danke«, fügte sie mit einem erzwungenen Lächeln für den Jungen hinzu. »Und auch für den Knochen, den du Bodo gegeben hast.«

Lugh errötete noch heftiger, und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem unsicheren Lächeln, bevor er sich abwandte, um zur Bank und seiner unbeendeten Arbeit zurückzukehren.

»Heda, Junge.« Devorgilla schlurfte ihm nach und flatterte mit ihren Händen, in einer Bewegung, die ihre Ähnlichkeit mit einem überdimensionalen schwarzen Vogel noch betonte. »Hinaus mit dir.« Sie scheuchte ihn zur Tür. »Ich meine, du solltest noch mehr Moos und Farn für deine Matratze sammeln.«

Ohne weiteren Protest nahm er den Korb, den Devorgilla ihm reichte, und verließ das Cottage. Isolde empfand tiefes Mitleid für den Jungen. Er hatte kaum ein Wort gesprochen, seit seine Mutter vor einigen Jahren am Fieber verstorben war. Aber so gern sie ihn auch hatte, sie hatte im Augenblick andere, gewichtigere Probleme, um die sie sich kümmern musste.

Sie wartete, bis Devorgilla von der Tür weghumpelte, doch kaum blieb die Alte an der Feuerstelle stehen und griff nach einem langstieligen Schöpflöffel, um den brodelnden Eintopf umzurühren, war es um Isoldes Geduld geschehen.

»Mit einer Ziege hat er mich verglichen!«, schimpfte sie. »Sagte, er würde seine Männlichkeit lieber verdorren und abfallen sehen, bevor er sich dazu herabließe, mir beizuwohnen!«

Devorgilla warf ihr einen scharfen Blick zu. »Er weiß schon, was du von ihm willst?«

»Nein, er weiß nichts ... noch nicht.« Isolde spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. »Er wollte mich bloß kränken.«

Scheinbar ungerührt von Isoldes Ausbruch, tauchte die Alte den Löffel in den Kessel und begann den würzigen Eintopf umzurühren. Eine Wolke köstlich duftenden Dampfs stieg auf und hüllte ihren grauen Kopf ein, und zu Isoldes Ärger glaubte sie, die Alte leise kichern zu hören.

»Ich kann nichts Lustiges an solchen Geschmacklosigkeiten finden«, sagte Isolde und hoffte, dass ihre Stimme die Geräusche ihres Magens, der angesichts des köstlichen Geruchs zu knurren begann, übertönte.

»Ich bin nicht belustigt, sondern neugierig.« Devorgilla sah sie an, und ein wachsamer Ausdruck erschien in ihrem runzligen Gesicht. »Warum willst du noch mehr von meinem Mittel, wenn er dich derart in Harnisch bringt? So aufgebracht, wie du bist, sollte man meinen, du bräuchtest keinen Trank gegen die Liebe?«

Isolde ignorierte die Fragen der Alten und stellte ihr selber welche. Die gleichen, die sie ihr schon bei ihrer Ankunft gestellt hatte. »Ich weiß, dass du bei ihm warst, um ihn zu sehen. Ist er derjenige? Der Mann, den du im Dampf des Kessels sahst?«

Devorgilla bedachte Isolde mit einem weiteren ihrer hintergründigen Blicke und schwenkte ihre Hand in dem Wasserdampf, der aus dem Kessel aufstieg. »Ich wünschte, er würde jetzt erscheinen, damit du ihn mit eigenen Augen sehen kannst. Dann wüsstest du die Antwort, ohne mich zu fragen.«

»Ich frag dich aber.«

»Es gibt Dinge, die sollte man nicht überstürzen.« Die Alte legte den Schöpflöffel auf den Tisch zurück. »Manchmal fänden wir die Antworten, die wir suchen, in unseren eigenen Herzen, wenn wir uns nur die Mühe machten, hinzusehen.«

»Das habe ich getan. Ich habe mir ihn angesehen. Und was ich sah, das hat mir nicht gefallen.« Isolde stieß einen frustrierten Seufzer aus. »Und was er sagte, gefiel mir auch nicht.«

Dervorgilla kicherte leise, nein, es klang mehr wie ein Gackern, und ihre gebeugten Schultern zitterten vor heimlicher Belustigung, wie Isolde vermutete.

»Ich sagte doch schon, es war absolut nichts Lustiges an seinen Spötteleien«, wiederholte Isolde noch einmal und war froh, dass ihr enormer Respekt vor Devorgilla ihre Stimme daran hinderte, das ganze Ausmaß ihrer Empörung zu verraten.

Das Gackern hörte auf, und Devorgilla blickte Isolde prüfend an. Wie immer schien sie ihre unausgesprochenen Worte ebenso klar und deutlich zu verstehen wie die gesprochenen.

»Wie viele Männer, glaubst du, würden unter derartigen Umständen höflich bleiben?«

Isolde schaute lieber zu den rußgeschwärzten Deckenbalken auf, als der Alten einen vernichtenden Blick zuzuwerfen.

Denn Devorgilla hatte recht.

Die Verunglimpfungen Donalls des Kühnen waren wohl mehr seiner Empörung über die Tatsache entsprungen, gefesselt und an eine Kerkerwand gekettet zu erwachen, als dass sie sich wirklich gegen ihre eigene Person richteten.

Doch nachdem sie ihn gesehen hatte, zog sie Wut auf ihn dem Eingeständnis vor, dass ihr Herz fast stehen geblieben war, als sie seine Ähnlichkeit mit dem Mann erkannt hatte, von dem sie in der Nacht von Beltaine geträumt hatte.

Hätte sie doch nur nicht die Schafgarbe unter ihr Kopfkissen gelegt!

Aber sie hatte sehen wollen, ob die Zauberkraft der Kräuter ihren wahren Seelenverwandten heraufbeschwören würde.

Einen Mann, in dem sie jeden anderen als Balloch MacArthur zu erkennen gehofft hatte, den Mann, den der Ältestenrat des Clans zu ihrem zukünftigen Ehemann bestimmen wollte.

Und nun möge der Himmel ihr beistehen, denn nun hegte sie die ernsthafte Befürchtung, dass der Mann in ihrem Traum, ihr Seelenverwandter, Donall MacLean, ihr ärgster Feind sein könnte.

Isolde richtete den Blick wieder auf die Alte. »Ich muss es wissen«, beharrte sie. »Ist der MacLean der Mann, den du in der Nacht von Beltaine im Dampf des Kessels sahst?«

Die cailleach schürzte ihre Lippen und griff wieder nach dem Schöpflöffel. Sanft schob Isolde den Arm der alten Frau beiseite. »Ist er es?«

»Der Mann in meiner Vision war der eine, dein Seelenverwandter«, wich Devorgilla aus und zupfte ein unsichtbares Fädchen von ihrem Ärmel. »Und es war nicht dieser nichtswürdige Ochse Balloch«, fügte sie hinzu und bestätigte damit wieder einmal Isoldes Verdacht, dass die Alte Gedanken lesen konnte.

Eine Welle der Erleichterung durchflutete Isolde bei Devorgillas jüngster Vorhersage, doch das genügte ihr noch nicht. Die nagende Furcht, Donall der Kühne könnte derjenige welcher