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Verfolgt von einem schrecklichen Verlust verbindet sie eine ungezügelte Leidenschaft!
Kaum eine junge Dame wäre wohl weniger dazu geeignet, ins Kloster zu gehen, als die willensstarke Madeline Drummond. Doch verkleidet als Nonne begibt sie sich nach der brutalen Ermordung ihrer Eltern auf eine ungewöhnliche Pilgerreise durch Schottland. Angetrieben von dem Wunsch nach Vergeltung trifft Madeline dabei auf den Pilger Iain MacLean, der die Rolle des reuigen Sünders ebenfalls nur vorzutäuschen scheint. Schon bald offenbart sich, was tatsächlich unter den keuschen Gewändern schlummert ...
»Zutiefst sinnlich ... für alle, die dunkle, ultraheiße und sexy Helden mögen.« Historical Romance Writers
Große Gefühle in den schottischen Highlands - die spannende Reihe um den MacLean Clan:
Band 1: Fesselndes Verlangen
Band 2: Im süßen Bann der Versuchung
Band 3: Der stolze Highlander
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Seitenzahl: 426
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Widmung
Danksagungen
Der Ruin des MacLean
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Epilog
Über die Autorin
Alle Titel der Autorin
Impressum
Grußwort des Verlags
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Kaum eine junge Dame wäre wohl weniger dazu geeignet, ins Kloster zu gehen, als die willensstarke Madeline Drummond. Doch verkleidet als Nonne begibt sie sich nach der brutalen Ermordung ihrer Eltern auf eine ungewöhnliche Pilgerreise durch Schottland. Angetrieben von dem Wunsch nach Vergeltung trifft Madeline dabei auf den Pilger Iain MacLean, der die Rolle des reuigen Sünders ebenfalls nur vorzutäuschen scheint. Schon bald offenbart sich, was tatsächlich unter den keuschen Gewändern schlummert ...
Sue-Ellen Welfonder
Im süßen Bann der Versuchung
Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Moreno
Für die Liebe zu unberührten Orten, der Verwurzelung im Land und stillen Augenblicken.
Für uralte Eiben, alte Gemäuer und Highland-Sonnenuntergänge, Pracht goldener Nachmittage.
Und einen längst nicht mehr unter uns weilenden Highlander, Iain von Lochhaber, dessen Schicksal so hell und strahlend hätte sein sollen wie sein edles, tapferes Herz.
Wie immer an die unerschrockenen Heldinnen meines wahren Lebens, meine Agentin und Freundin, Pattie Steele-Perkins, dafür, dass sie immer da war, selbst in stürmischeren Zeiten; und meine Redakteurin, Karen Kosztolnik, die ein so großes Herz hat, dass sie eine fabelhafte Heldin in jeder im mittelalterlichen Schottland spielenden Geschichte abgeben würde. Meine Damen, ich empfinde tiefe Anerkennung für euch und bin euch beiden sehr und ewig zu Dank verpflichtet.
Und an meinen gut aussehenden Ehemann, Manfred, meinen Held im wahren Leben, dessen Geduld und Unterstützung es mir ermöglicht, mich in meinen Turm zurückzuziehen und meine Träume zu verfolgen; und auch an meinen eigenen vierbeinigen Beschützer, meinen kleinen Hund, Em, der mich trotz meiner vielen Stunden am Computer liebt und es nie versäumt, mir meine Tage zu verschönern.
In einer lange zurückliegenden Zeit, nach der kein lebender Clanangehöriger je gewagt hätte zu fragen, begannen zwei bemerkenswerte Eigenheiten die MacLean’schen Männer zu charakterisieren und sie von allen anderen zu unterscheiden: die Wildheit ihres unbeherrschten Naturells und ihre Fähigkeit zu lieben, wahrhaft zu lieben, immer nur eine einzige Frau, wobei diese letztere Charaktereigenschaft entweder ein Segen oder ein Fluch war.
Je nachdem.
Und ob er es nun wollte oder nicht, zu Beginn des Jahres 1331, auf der schönen Insel Doon, war der hitzköpfigste MacLean von allen im Begriff, die Tradition herauszufordern.
Baldoon Castle, Isle of Doon
Schottland, im Jahre 1331
Exakt ein Jahr nach dem Tag, an dem seine bezaubernde Gemahlin ihren letzten Atemzug getan hatte, löste Iain MacLeans unbeherrschtes Naturell die Katastrophe aus, die sein Clan schon immer befürchtet hatte, und weder die fieberhaften Bemühungen seiner Angehörigen noch die trügerische Schönheit der ungewöhnlich stillen Nacht vermochten sein verhängnisvolles Handeln ungeschehen zu machen.
Der durch ihn entstandene Schaden wog zu schwer.
Binnen Kurzem würde die familieneigene Kapelle kaum mehr als Ruß und Asche sein, ihre vielgerühmte Pracht nur noch eine Erinnerung.
Den bitteren Geschmack des Schuldbewusstseins auf der Zunge, blickte Iain sich in dem rauchigen großen Burgsaal um und suchte nach einer bedauernswerten Seele, an der er seine Wut auslassen konnte. Doch die anderen Clanangehörigen eilten mit hastig wieder aufgefüllten Wassereimern in den Händen an ihm vorbei und beachteten ihn kaum.
Iains Brauen zogen sich zusammen. Er konnte nicht einmal die Flucht ergreifen. Wut und Fassungslosigkeit durchzuckten ihn, verwandelten seine Beine in Blei und ließen ihn wie angewurzelt stehen bleiben, während kalte Selbstverachtung ihm den Magen umdrehte.
Kaum mehr als ein grimmig dreinblickender Schatten des unbeschwerten Mannes, der er einst gewesen war, fuhr er sich mit den Fingern durch sein rußverschmiertes Haar und wartete darauf, jede arme Seele, die unbedacht genug sein sollte, ihn anzusehen, wütend anzufunkeln.
Er wartete beinahe begierig darauf, das dreiste Verhalten anderer mit einem Blick zu vergelten, der finster genug war, um den Ausdruck der Missbilligung von den Gesichtern der Gaffer zu wischen. Konträr zu seiner Selbstüberzeugung, kraft seiner Miene jeden in die Flucht schlagen zu können, stand sein Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber dem Glühen der Abenddämmerung, das ihn zu verhöhnen schien, indem es sein weiches Licht durch die hoch angebrachten Fensterschlitze des großen Burgsaals warf.
Die breiten Fensterschrägen schimmerten in einem sanften, leuchtenden Gold, gänzlich gleichgültig gegenüber der Qual, die in ihm tobte ... oder der Blasphemie, die er an den Tag gelegt hatte.
Iain stieß einen tiefen Seufzer aus. Er zog es vor, wenn der Himmel stürmisch und bewölkt war. Er kannte die Heimtücke, die verführerische Illusion eines anscheinend stillen Sommerabends.
Und nichts verdarb das Trugbild dieses Abends, nichts außer dem beißenden Rauch, der die Luft erfüllte, und der kalten Finsternis in seinem Herzen.
Der Leere.
Das und die aufgeregten Schreie seiner Clanangehörigen, während sie kämpften, um das Feuer in der Kapelle zu löschen, die bis vor einer kleinen Weile noch das schönste Oratorium der gesamten westlichen Inselwelt gewesen war.
Der ganze Stolz der MacLeans ... zerstört im Bruchteil von Sekunden.
»Oje, oje.« Eine besonders ärgerliche Stimme übertönte den Lärm. »Da kannst du wirklich nur noch auf göttliche Vergebung hoffen, Junge.« Gerbert, Baldoons Seneschall seit undenklichen Zeiten, reckte sein stoppeliges Kinn und schien sichtlich erpicht darauf, Iain über die Grenzen des Erträglichen hinaus zu provozieren. »Dieser heute begangene Frevel wird einen Schatten auf jeden Mann, jede Frau und jedes Kind werfen, die den Namen MacLean tragen.«
Ohne auch nur den Versuch zu machen, seinen Ärger zu verbergen, richtete Iain seinen verdrießlichsten Blick auf den lästigen Graubart, der es gewagt hatte, seine Grübeleien zu stören. »Wenn die Heiligen so allwissend sind, wie ein gewisser weißhaariger alter Bock immer behauptet, dann werden sie auch weise genug sein, um zu wissen, dass ich allein die Verantwortung dafür trage.«
Gerbert erwiderte Iains Blick, und seine wässrigen blauen Augen verengten sich zornig.
»Aye, der Herr wird Seinen Finger auf dich legen«, prophezeite er und schlug mit seinen knotigen Fingern nach den dichten Schwaden Rauch, die zwischen ihnen standen.
»Seinen Finger?«, spottete Iain mit wachsender Verärgerung. »Manch einer würde sagen, Er hätte mir mehr auferlegt als bloß einen Finger.«
Versuch es mal damit, deine Frau einem machthungrigen Onkel zum Opfer fallen zu lassen, und dann mit dem Wissen weiterleben zu müssen, dass du sie nicht retten konntest, dass ihr Schicksal sie auf einem Fels im Meer ereilte, an dem man sie mit ihren eigenen Zöpfen festgebunden und zurückgelassen hatte, damit sie bei hereinkommender Flut ertrank.
Iains Brust wurde so eng, dass er kaum noch atmen konnte. Unbändiger Zorn durchflutete ihn, und das Bild von Lileas, kalt und still, ihr aufgelöstes Haar voller Tang, der sich darin verfangen hatte, schürte seine Wut mit der ganzen unbezähmbaren Heftigkeit, die die MacLean’schen Männer, so hieß es, immer dann überkam, wenn sie ihre einzig wahre Seelenverwandte erkannten.
Eine Vorstellung, die Iain schlicht und einfach absurd empfand.
Die einzig unbezähmbar intensiven Emotionen, die er in seinem Leben je erfahren hatte, waren aus Zorn geboren und nicht aus unbändiger Leidenschaft.
Grimmig straffte er die Schultern und trat näher an den Seneschall heran, in der Hoffnung, den geschwätzigen Alten mit seiner beeindruckenden Größe und seinem durchtrainierten Körper einzuschüchtern. Dieser Versuch misslang ihm jedoch gründlich.
Der streitlustige alte Halunke hörte nicht auf, ihn mit ungemein spitzen Blicken zu durchbohren.
Iain atmete mehrmals tief durch, bis die Anspannung in seiner Brust ein wenig nachließ. »Aye«, stimmte er Gerbert dann schließlich zu und erhob seine Stimme, um sicherzugehen, dass der Seneschall auch wirklich jedes Wort verstand. »Wenn die Heiligen in diesem Augenblick in mich hineinschauen könnten, würden sie mehr finden als einen Finger, der schwer auf meinem Herzen lastet.«
»Ich habe dich schon gekannt, bevor du deinen Namen sagen konntest, Junge.« Gerberts magere Brust schwoll vor Wichtigtuerei an. »Du bist es, nur du allein, der sich hier Bürden auferlegt.«
Nur der blanke Überdruss bewahrte Iain davor, verächtlich aufzulachen. »Denkst du?«, entgegnete er stattdessen, und seine kühle, ruhige und gefasste Stimme hätte jeden anderen Mann irritiert und verunsichert.
Gerbert aber nickte nur, sein Schweigen war beredt genug.
»Und was denkst du sonst noch?«, beharrte Iain, obwohl ihm schwante, dass er es noch bereuen würde, diese Frage gestellt zu haben. Das entnervende Gespür des Graubarts konnte ungemein verletzend sein.
»Was ich weiß, ist, dass du dir dein eigenes trauriges Bett bereitet hast, und –«, Gerbert stieß mit dem Finger gegen Iains Brust, »– wenn es nicht ein so kaltes und leeres Bett wäre, würdest du vielleicht auch nicht so aufgedreht umherstampfen, dass du versäumst, darauf zu achten, wohin du gehst.«
Versäumst.
Iain fuhr zusammen, dieses unschuldige Wort bohrte sich wie ein scharf geschliffenes Messer direkt in sein Herz.
Er wusste mehr über Versäumnisse als alle Bewohner der Inseln und der Highlands zusammen.
»Ein Mädchen in meinem Bett? Und dann auch noch ausgerechnet heute? Hast du den Verstand verloren?« Entrüstet schob er Gerberts Finger von seiner Brust. »Freudenmädchen sind das Letzte ...« Er brach ab, denn seine Kehle war vor Entrüstung wie zugeschnürt.
In einem anderen Leben hätte er nur laut gelacht, so absurd wäre ihm die Vorstellung erschienen, dass der schmalbrüstige Seneschall sich erdreisten könnte, ihm gegenüber Dinge wie männliche Bedürfnisse und dienstwillige Mädchen auch nur zu erwähnen.
Aber in diesem Leben hatte Iain MacLean, Besitzer des einsamsten Herzens aller Bewohner der Hebriden, vergessen, wie man lachte. Und so tat er, was er konnte, und zog ein verdrießliches Gesicht. »Leichte Mädchen und die Befriedigung männlicher Bedürfnisse.« Dann beugte er sich vor und sah den alten Bock aus schmalen Augen an. »Was weißt denn du von solchen Dingen?«
»Genug, um zu wissen, was jemanden wie dich bedrückt.« Gerberts Miene zeigte eine eigenartige Mischung aus Mitgefühl und Vorwurf.
Iain versteifte sich, eine Ader an seiner Schläfe begann zu pochen. Mitgefühl war das Letzte, was er brauchte. Weder von Baldoons streitlustigem Seneschall noch von irgendjemand anderem.
Und er brauchte auch keine Predigten.
Oder eine Frau in seinem Bett.
Insbesondere keine Frau in seinem Bett.
In dem Jahr seit dem Tod seiner Frau hatte er gelernt, seine niedrigeren Instinkte zu unterdrücken. Er erinnerte sich kaum noch, wie es war, von leidenschaftlicher Erregung erfasst zu werden, ganz zu schweigen davon, ein nahezu schmerzhaftes Verlangen in seinen Lenden zu verspüren.
Er atmete tief ein und fuhr zusammen, da die verrauchte Luft in seinen Lungen brannte. »Heute vor einem Jahr war Lileas auf dem Lady Rock ihrem Schicksal überlassen worden. Sie ertrank dort«, setzte er erklärend hinzu, wobei er jedes Wort gewissenhaft betonte. »Das und nichts anderes ist es, was mich so bedrückt.«
Und nicht eine der unzähligen Stunden zwischen damals und heute hatten seine Qual mindern können ... oder seine Schuldgefühle verringert.
Fass dir ein Herz, ermahnten ihn seine Verwandten mit schöner Regelmäßigkeit. Das Leben geht weiter, sagten sie. Iain runzelte die Stirn bei dem Gedanken an diese Belehrungen. Selbst die Frauen hatten neuerdings begonnen, ihm damit in den Ohren zu liegen, er solle wieder heiraten.
Der Verzweiflung nahe, legte er einen Handrücken an seine Stirn und richtete den Blick gen Himmel. Du liebe Güte, er war umgeben von hirnlosen, halsstarrigen Narren, die alle miteinander unfähig waren, die Wahrheit zu erkennen, selbst wenn sie ihnen auf der Nase gesessen und ihnen zugezwinkert hätte.
Resigniert schloss er die Augen, kniff sich in seinen eigenen Nasenrücken und unterdrückte den Impuls, den Kopf zurückzuwerfen und höhnisch aufzulachen.
Er wusste, was seine gut meinenden Clanangehörigen nicht begreifen wollten.
Iain MacLean, berüchtigt für sein unbeherrschtes Naturell und Herr über Nichts, hatte kein Leben mehr, das er hätte weiterleben können.
Etwa um dieselbe Zeit, aber auf der anderen Seite der Hebriden, hinter der zerklüfteten Küste des Festlands, tief in den mit Heidekraut bestandenen Hügeln und grünen Tälern im Herzen Schottlands, stand Lady Madeline Drummond von Abercairn Castle innerhalb der gastfreundlichen Mauern der strohgedeckten Kate einer Freundin und trotzte dem grauenhaften Durcheinander ihrer eigenen folgenschweren Nacht.
Vor Wut und Aufregung der Verzweiflung nahe, zerrte sie an dem abgetragenen Stoff des weiten schwarzen Umhangs, den ihre Freundin aus dem Volk, Nella aus dem Sumpf, an ihren umfangreichen Busen drückte.
»Dieser Umhang ist genau das Richtige«, beharrte Madeline und zog erneut daran. »Er wird mir gute Dienste leisten.«
Nella schüttelte den Kopf. »Nein, Mylady, ich lasse Euch doch nicht in Lumpen herumlaufen!«, protestierte sie und riss Madeline den Umhang aus den Händen. Achtlos warf sie ihn auf den klobigen Tisch, der hinter ihnen stand. »Und ich lasse Euch auch nicht allein das Land durchqueren. Euer Leben wäre verwirkt, sobald Ihr nur aus dieser Kate treten würdet, und Ihr wärt tot, bevor Ihr auch nur in die Nähe des ersten Heiligtums gelangen würdet.«
Nella legte ihre von der Arbeit roten Hände auf den abgetragenen Stoff und verengte ihre scharfen, aber fürsorglichen Augen. »Büßer und fromme Männer vergessen ihre fleischlichen Begierden nicht einfach, bloß weil sie sich auf eine Pilgerfahrt begeben haben.«
Madeline schnippte ein unsichtbares Stäubchen von ihrem Ärmel. »Ich mache mir keine Illusionen über fleischliche Begierden. Weder über die von Männern noch über die von Frauen«, gab sie etwas steif zurück und wünschte inbrünstig, das Gegenteil sei wahr.
Ihr Herz sehnte sich nach dem Glück der Unaufgeklärten, wollte mit nichts Belastenderem gefüllt sein als den schwärmerischen Träumen vom charmanten Lächeln eines gut aussehenden Mannes.
Dem süßen Zauber seiner goldenen Worte, dem sinnlichen Versprechen seiner zärtlichen Berührung.
Doch statt der verführerischen Liebkosungen eines stattlichen Bewerbers, seiner atemberaubenden Küsse und geflüsterten Koseworte, liefen kalte Schauder über ihren Rücken. »Du brauchst mich nicht vor der dunklen Seite der Sinnenlust zu warnen«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu Nella. »Ich weiß sehr gut, was Männer dazu treibt, solch schändliche Taten zu begehen.«
Als sich zu den kalten Schaudern nun auch noch eine Gänsehaut gesellte, befeuchtete Madeline Drummond – die den Ruf besaß, die schönste Maid im ganzen Land zu sein – ihre Lippen, die noch nie die leidenschaftlichen Küsse eines Mannes gespürt hatten. Sie sei schön, hatten sie ihr ganz offen ins Gesicht gesagt. Madeline seufzte, und ihre unberührten Lippen zuckten fast vor Belustigung angesichts der Ironie, die in diesem Kompliment lag.
Denn sie wusste, was sie wirklich von ihr dachten.
Sie war nicht schöner als andere junge Mädchen, aber sie war einsam.
Das einsamste Mädchen in den Highlands.
Sie verschränkte ihre Hände, damit ihre Finger aufhörten zu zittern, und warf einen raschen Blick zum nächsten Fenster ... oder vielmehr zu der groben Öffnung in der Wand, die als solches diente. Der Ausblick durch diese rechteckige Öffnung in der Mauer – hätte sie es gewagt, an dem Nellas kleine Kate umgebenden Dickicht der Erlen vorbeizuschauen – verlieh der Notwendigkeit, sich mit dem Gewand einer Postulantin bekleidet durch das Land zu stehlen, noch zusätzliches Gewicht.
»Männliche Gier ist mir nicht fremd«, erklärte sie, und wieder durchzuckte sie ein kalter Schauder, den sie bis in ihre Zehen spürte.
»Vielleicht nicht«, räumte ihre Freundin ein, die den verschlissenen schwarzen Umhang immer noch nicht herausrücken wollte. »Aber Ihr habt ein sehr behütetes Leben geführt, Mylady. Ihr habt noch nie ...«
»Gelebt«, schloss Madeline für sie. Sie blinzelte, denn plötzlich schien die Farbe in Nellas gemütlichem Häuschen vor ihren Augen zu verblassen, und der gepflasterte Boden schien unter ihren Füßen zu beben und zu schwanken.
Aber sie ignorierte das Schwindelgefühl, das sie ergriffen hatte, und deutete mit dem Kopf in die Richtung der Gräuel, deren Anblick schlicht und einfach über ihre Kräfte ging. »Meine liebe Nella, verstehst du denn nicht, dass es für mich schier unmöglich sein wird, hier zu leben, solange der Schurke, der diese Abscheulichkeiten begangen hat, auf dieser Erde weilt?«
Heftiger Widerspruch erschien in Nellas sorgenvollen Augen. »Wollt Ihr denn nicht einmal von den Gefahren hören?«
»Ich kenne die Gefahren ... und auch ihre Konsequenzen.«
Madeline straffte die Schultern. Wäre sie sich der Gefahren nicht schon längst bewusst, hätte die grenzenlose Besorgnis ihrer Freundin, die sie siedend heiß und nachhaltig durchflutete, ihr die Berechtigung von Nellas Unruhe verdeutlicht.
Und den Fluch, der Madeline seit ihrer Geburt begleitete: die Fähigkeit, die Emotionen anderer zu spüren.
Nicht immer, und nie absichtlich, aber oft genug. Und immer ungebeten, stiegen sie aus irgendeinem unbekannten Winkel ihrer Seele auf, um sich mit den Sorgen und Wünschen anderer zu verketten, und das so schnell, wie ein jäher Nebel ein ganzes Highland-Tal bedecken konnte.
Ein zweifelhaftes Talent, das ihr die wahren Motive jedes Mannes aufgezeigt hatte, der je um ihre Hand angehalten hatte, in Wahrheit aber nichts anderes als den überall bekannten Reichtum ihres Vaters und die strategisch gute Lage seiner Ländereien vor Augen gehabt hatte.
Madeline presste die Lippen zusammen, schluckte die in ihrer Kehle aufsteigende Verbitterung hinunter und richtete den Blick auf den Pilgerumhang auf Nellas blitzblank geschrubbtem Tisch.
»Ein Mann müsste schon blind sein, um Eure Schönheit und Euren Stand nicht zu erkennen«, erklärte ihre Freundin, die ihrem Blick gefolgt war. »Euch so derb zu kleiden dürfte da kaum einen Unterschied machen.«
»Ich kleide mich nicht derb«, berichtigte Madeline, »sondern als Postulantin.«
Nella schnaubte. »Ich sehe schon ... die temperamentvolle, stolze Lady von Abercairn will den Schleier nehmen.«
»Wenn ich getan habe, was ich tun muss, wird mir gar nichts anderes übrig bleiben, als Gottes Gnade zu erbitten, indem ich mein Leben in Seine Dienste stelle.«
»Du meine Güte, Mylady, wenn Ihr tatsächlich Euer Leben in Abgeschiedenheit verbringen wollt, dann können wir auch auf direktem Weg zum nächsten Kloster reisen«, schlug Nella vor und legte ihren Kopf zur Seite. »Dann braucht Ihr nicht von einem Heiligtum zum nächsten zu laufen, um Silberbein zu suchen. Die Götter selbst werden ihn vernichten.«
Silberbein.
Sir Bernhard Logie.
Unter welchem dieser beiden Namen auch immer, die bloße Erwähnung von Madelines Nemesis griff mit grausamer Hand durch die abendliche Stille, um ihr ihre Hoffnungen und Träume zu entreißen und sie auf den verkohlten Scheiterhaufen zu vernichten, die seine Männer vor Abercairns stolzen Mauern errichtet hatten.
Den mit den Zinnen versehenen Mauern einer Festung, die nur deshalb eingenommen werden konnte, weil der schlimmste Feind ihres Vaters zu einem unsäglich barbarischen Mittel gegriffen hatte – dem Verbrennen unschuldiger Menschen.
Ein Leben für jede Weigerung, die Burgtore zu öffnen.
Und obgleich die Forderung umgehend erfüllt und die Zugbrücke unverzüglich hinuntergelassen worden war, fand trotz allem ein unschuldiger Hirtenjunge ein grausames Ende auf dem Scheiterhaufen, und die schändliche Tat wurde so lange wiederholt, bis drei von Abercairns wehrlosesten Bewohnern nicht mehr lebten.
Als Silberbeins Männer Madelines stolzen, unbeugsamen Vater zu den Scheiterhaufen führten, war sie geflohen und hatte sich vor dem Unbeschreiblichen zu Nellas Kate geflüchtet.
Ihrem einzigen Zufluchtsort in einer wahnsinnig gewordenen Nacht.
Nella war eine einfache, aber gutherzige Frau, die sich ihren Frieden sicherte, indem sie andere in dem Glauben ließ, sie besäße ein so einzigartiges Talent wie Madeline, eine sorgfältig ausgewählte Fähigkeit, die beeindruckend genug war, um die meisten Gefahren von ihr fernzuhalten.
Nur wenige Menschen waren beherzt genug, um sich dem Wohnort einer Frau zu nähern, von der man munkelte, sie werde von den Toten heimgesucht.
Und es war Sir Bernhard Logie, den Madeline tot sehen wollte. Dieser wurde auch »Silberbein« genannt, der beinförmigen silbernen Votivgaben wegen, die er ständig an irgendwelchen Gedenkstätten hinterließ, aus Dankbarkeit für das Eingreifen irgendeines obskuren Heiligen, der seine Lahmheit geheilt hatte, als er noch ein Kind gewesen war, gab dieser erfahrene Kämpe und Ritter, der insbesondere für das blitzschnelle Umschwenken seiner Loyalität bekannt war, sich als frommer Mann.
Aber Madeline wusste es besser.
Und so fixierte sie Nella mit einem entschlossenen Blick. »Die Götter und sämtliche beutegierigen Wölfe im Land können mit ihm tun, was sie wollen ... nachdem ich für die Schande, die er über meine Familie gebracht hat, Vergeltung geübt habe.«
Nella atmete tief ein, und Madeline konnte die Argumente schon hören, noch bevor sie über die Lippen ihrer Freundin gekommen waren. Bevor sie mit Nellas Widerspruch konfrontiert werden konnte, fuhr sie schnell herum und sagte: »Er hätte besser daran getan, sich etwas anderes einfallen zu lassen, als Abercairn einzunehmen.« Dann riss sie die mit dicken Bohlen versehene Haustür auf.
Ihr Herz hämmerte vor Zorn, als ihr Blick auf den nicht allzu fernen Rauch fiel, der noch immer von den schwarzen Scheiterhaufen aufstieg, die sie zwar nicht sehen konnte, aber mit jeder Faser ihres Herzens spürte.
»Du weißt, dass ich einen gut geschärften Dolch in meinem rechten Stiefel trage«, sagte sie mit gepresster Stimme. »Und ich werde nicht zögern, ihn zu benutzen, wenn ich Silberbein gefunden habe.«
Nella trat zu ihr an die offene Tür. »Dann lasst uns verschwinden, bevor sie Euch hier finden«, sagte sie mit einem vielsagenden Blick auf die abendlichen Nebelschwaden, die von den nahen Hängen bereits hinunterwaberten. »Die Gerüchte über meine Hexereien werden sie nicht ewig von hier fernhalten.«
Bitterer Kummer, oder vielleicht auch schmerzliches Bedauern, durchzuckte Madeline, und sie warf ihrer Freundin einen scharfen Blick zu. Aber das Gefühl verschwand so rasch, wie es gekommen war, und keine Spur von Kummer trübte Nellas freundliches Gesicht.
Den Umhang schon um ihre üppige Gestalt gelegt, reichte Nella Madeline nun einen zweiten, nicht ganz so verschlissen aussehenden Pilgermantel. »Könnt Ihr ihn spüren?«, fragte sie mit leiser Stimme, als Madeline das Kleidungsstück umlegte.
»Denn sollte seine Schlechtigkeit auch nur irgendetwas in Euch anrühren, hätten wir zumindest eine Spur und bräuchten keine Zeit damit zu verschwenden, uns in die falsche Richtung zu begeben.«
»Ich spüre ...«, begann Madeline, brach aber dann genauso schnell schon wieder ab. Sie spürte in der Tat etwas, aber die Dunkelheit, die von ihrem Herz Besitz ergriff, war zu schmerzlich intensiv, um von jemandem wie Bernhard Logie herzurühren ... und kam aus einer zu großen Entfernung.
»Ich fühle ... nichts«, erwiderte sie ausweichend, während ihre Brust ganz eng wurde und zu schmerzen begann, da sie plötzlich die Einsamkeit und Gewissensqualen eines Fremden am eigenen Leib spüren konnte.
Die Einsamkeit eines Mannes und mit absoluter Sicherheit nicht die Schuldgefühle eines Mörders.
Ein herzzerreißendes Gefühl der Reue, das viel zu tief empfunden und intim war, um es mit irgendjemand anderem zu teilen.
Nicht einmal mit der lieben Nella.
Kalt, schwarz und durchdrungen von einer grenzenlosen Sehnsucht nach längst vergangenen Tagen und verlorenen Möglichkeiten, bemächtigte sich die Qual des Mannes ihrer Seele. Und wurde so bedrückend, dass sie kaum noch atmen konnte, bis seine Macht über sie wieder nachließ und sich langsam in die weit entfernte Ecke des Landes, aus der sie gekommen war, zurückzog.
»Ihr habt nichts gespürt, Mylady?« Nellas zweifelnde Stimme durchdrang die leichte Benommenheit, die noch immer Madelines Sinne trübte.
»Ich ...« Nicht ganz sicher, was es war, was sie gerade empfunden hatte, gab Madeline den Versuch auf, es zu erklären, und lehnte sich schwer atmend an den Türrahmen.
»Und würde er heute noch leben, wäre ich die Lieblingskonkubine unseres guten Königs Robert«, versetzte Nella knapp mit einem scharfen Blick auf sie. »Die Wahrheit ist, dass Ihr weißer geworden seid als frisch gefallener Schnee, also erzählt mir nicht, es hätte Euch nichts bewegt.«
Bewegt.
Das war es – etwas hatte sie bewegt, und das zutiefst. Die Erkenntnis durchflutete sie wie ein Sturzbach goldener Wellen und befreite sie von den letzten dünnen Fäden des mächtigen Griffs des Fremden. Sie umfasste Nellas starke Hände mit ihren eigenen, die heftig zitterten. »Ich habe etwas gefühlt«, hauchte sie, beeindruckt von der Tiefe der Qual des Mannes und wie betäubt von der Intensität seines Verlangens.
»Und was habt Ihr gespürt?«, beharrte Nella und drückte ermutigend Madelines Hand.
Madeline zögerte, nicht bereit, die Qual des Fremden mit jemandem zu teilen, aber auch nicht in der Lage, ihre Verwunderung über alles andere zu verbergen.
»Nun?«, fragte Nella wieder.
»Ich habe Liebe gespürt.«
»Liebe?«
»Aye, Liebe«, wiederholte Madeline mit jäher Überzeugung. Das bloße Wort ließ ihre Nervenenden prickeln. »Herzzerreißende, ergreifende Liebe, die die Erde unter deinen Füßen zum Beben bringt.«
Die Art von Liebe, von der sie in so vielen Nächten geträumt hatte.
Die Erinnerungen an diese Träume hatte sie jedoch in dem Moment, als sie in Nellas Pilgermantel geschlüpft war, begraben.
Mörderinnen verdienten es nicht, leidenschaftliche Liebe zu erfahren, und Nonnen war es nicht gestattet.
In einer weit entfernten Ecke des Landes stand Iain MacLean mitten im großen Burgsaal von Baldoon und wappnete sich gegen die unerquickliche Gewissheit, dass jeder Engel, der seine Flügel zu Recht trug, nun stirnrunzelnd und in wütender Entrüstung auf ihn hinunterblicken musste.
Bruchstücke seiner tief empfundenen Bedürfnisse, all seine Sehnsüchte und bestgehüteten Geheimnisse lasteten so schwer auf seinen breiten Schultern, wie die wabernden Rauchschwaden der zerstörten Kapelle ihn immer noch wie ein bedrückender Mantel bitterer Vorwürfe einhüllten.
Mit dem unangenehmen Geschmack von in der Kehle aufsteigender Galle, bemühte er sich, die brennende Frustration zu ignorieren, die an seinen Eingeweiden fraß. Eine Ader pochte noch immer wild an seiner linken Schläfe, und sein Herzschlag dröhnte so laut in seinen Ohren, dass er das laute Chaos, das ihn umgab, fast nicht hören konnte.
Nicht, dass all die Stimmfetzen ihm irgendetwas verraten würden, was er noch nicht wusste.
Die beschämenden Folgen seiner Gedankenlosigkeit waren unauslöschlich in seinem Bewusstsein eingraviert. Und vermutlich tanzten sie auch schon auf den flinken Zungen sämtlicher Klatschmäuler der Inseln.
Iain biss die Zähne zusammen und fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht.
Ein Anfall blinder Wut, ein versehentlich umgestoßener Kerzenleuchter, und die Hölle war ausgebrochen, und ihre höhnisch johlenden Bewohner krallten ihre scharfen Klauen um seine gequälte Seele, um ihm einen Vorgeschmack auf die ihn erwartende Verdammnis zu geben.
Wieder blinzelte er gegen den beißenden Rauch in seinen Augen, atmete tief und versuchte, nicht zu husten. Wenn die Heiligen nur eine Spur von Erbarmen hätten, würden sie auch ihn von dem rasenden Inferno in Baldoons Kapelle vernichten lassen.
Bedauerlicherweise aber, und zu seinem starken Ärger, hatte sein Bruder, Donall der Kühne, das verehrte Oberhaupt des großartigen Clans MacLean, ganz offensichtlich andere Pläne.
Donall MacLean, der genauso groß wie Iain war und sowohl den gleichen beeindruckenden Körperbau als auch das gleiche gute Aussehen besaß, richtete einen abschätzenden Blick auf die noch immer rauchende Kapelle ... und die grimmig dreinschauenden Krieger, die sich immer näher um ihn und seinen Bruder scharten. Getreue Freunde, die Iains aufbrausendes Temperament kannten und wussten, wie schnell die Funken zwischen diesen beiden Brüdern, die einander so täuschend ähnlich sahen, dass fast alle, die ihnen zum ersten Mal begegneten, sie für Zwillinge hielten, fliegen konnten.
Stets bereit, den Wünschen ihres Lehnsherrn unverzüglich nachzukommen, benötigten die treuen Krieger keine weitere Ermutigung als ein fast unmerkliches Nicken Donalls des Kühnen, um einen engen, halbkreisförmigen Kordon um Iain zu bilden.
Eine undurchdringliche Barriere zwischen Iain und den Flammen, die an den Mauern der Kapelle emporzüngelten.
Mit unnachgiebiger, bitterernster Miene zückte Donall MacLean sein Schwert mit jenem lauten Sirren, das nur die tödlichste aller Klingen hervorrufen kann.
Und dann zielte er mit der Spitze auf Iains Bauch. »Denk nicht einmal daran, dorthin zurückzugehen«, sagte er warnend, seine dunklen Augen hart wie Stein und seine tiefe Stimme kalt wie Eis. Und so unerhört gefasst, dass sie Iains Zorn höchstens noch steigerte.
Das Blut pochte dumpf in seinen Adern, als er den kühlen Blick seines älteren Bruders mit einem hitzigen erwiderte. »Du gedenkst mich mit der Klinge deines Schwerts zurückzuhalten? Mit unseres Vaters Schwert?«
Donall verzog keine Miene. »Ich beabsichtige nicht, dich zu verletzen. Es ist heute schon genug Unheil angerichtet worden, aber du hast recht, ich werde das Schwert benutzen, falls es nicht anders geht ... solltest du weitere Dummheiten anstellen.«
»Dann tu es doch.« Iain hob herausfordernd die Hände. »Glaubst du, ich fürchtete das Schwert mehr als die Flammen?«
»Ich weiß sehr gut, dass du überhaupt nichts fürchtest.« Donall warf einen weiteren vielsagenden Blick auf die zerstörte Kapelle. »Aber so furchtlos du auch sein magst, ich würde dir dennoch raten, an Gottes Zorn angesichts des Sakrilegs von heute Nacht zu denken.«
Iain fixierte seinen Bruder mit einem harten Blick, er war inzwischen so erbost, dass er im Begriff war, einen Schwall wütender Beschimpfungen loszulassen. Aber er kämpfte gegen einen solchen Ausbruch an, presste die Lippen zusammen und hoffte, dass Donall den Muskel nicht sah, der an seiner Wange zuckte.
Oder das ganze Ausmaß seines inneren Tumults erriet, denn er allein trug die Last des Todes seiner Frau.
Sein ganzer Körper pochte vor Erregung, und er ballte die Fäuste so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Hätte er Lileas so leidenschaftlich geliebt, wie die MacLean’schen Männer der Legende nach ihre Frauen liebten, dann hätte er die Gefahr gespürt, die sie an jenem Tag bedrohte, und hätte sie daran hindern können, sich dem Lady Rock zu nähern.
Aber er hatte nichts gespürt.
Er hatte an jenem verhängnisvollen Morgen nicht einmal an sie gedacht ... bis es zu spät gewesen war.
Und deshalb hatte er versucht, seine Schuldgefühle auf die einzige Art und Weise, die er kannte, zu betäuben – indem er den Tadel seines Bruders mit der selbstbewussten Arroganz ertrug, die nur sehr wenige MacLean’sche Männer aufzubringen vermochten. »Du wagst es, mir zu sagen, ich solle die Launen eines Gottes bedenken, der so gleichgültig ist, dass er den Mord an Lileas erlaubte?«
»Der Herr hatte bei ihrem Tod seine Hand bestimmt nicht im Spiel, aber ich wette, dass es Ihn sehr verärgern wird zu sehen, dass du den Ihn ehrenden Ort in Brand gesetzt hast.«
Brennender Zorn stieg in Iains Kehle auf, und seine Verbitterung drohte ihn förmlich zu ersticken. »Aye, du hast recht, Bruder. Er hatte nichts damit zu tun«, schäumte er und gab sich nicht einmal mehr Mühe, seine Wut zu zügeln. »Gott und all seine Heiligen schliefen wohl an jenem unseligen Tag, so wie sie wohl auch schliefen, als mein eigener Kummer mich vom Altar zurücktreten und gegen diesen verdammten Kerzenleuchter stoßen ließ.«
Er wurde immer ungehaltener und erwiderte Donalls abschätzenden Blick mit wutblitzenden Augen. »Oder willst du mir etwa unterstellen, ich hätte diesen Kerzenleuchter mit voller Absicht umgestoßen?«, stieß er aufgebracht hervor, weil er seine tiefen Schuldgefühle nicht einmal gegenüber seinem eigenen Bruder eingestehen wollte, den er mehr liebte als das Leben selbst.
»Glaubst du, ich hätte die Kapelle in Brand setzen wollen?«, insistierte er, und seine Stimme wurde bei jedem Wort lauter.
Lauter und durchdrungen von nur mühsam unterdrücktem Ärger.
Donall betrachtete ihn einen langen, unbehaglichen Moment. »Jeder innerhalb dieser Mauern weiß, dass du in diesem letzten Jahr mehr Zeit auf den Knien vor diesem Altar verbracht hast als in deinem eigenen Schlafzimmer«, antwortete er schließlich. »Warum solltest du den einzigen Ort, an dem du dich so hartnäckig vor der Welt verborgen hast, den Flammen übergeben? Nein, Bruder, ich glaube, es waren deine eigenen Qualen und dein hemmungsloser Zorn, die dich geblendet haben.«
»Qual und Zorn?« Iain verkrampfte sich vor Empörung. »Ich würde sagen, es ist mein gutes Recht, das eine wie das andere zu empfinden.«
Ein heißer, alles verzehrender Kummer begann ihn zu durchfluten, aber er wäre lieber tausend Mal verflucht worden, bevor er seinem schmerzlichen Bedauern einen Namen gegeben hätte. Oder jemandem diese furchtbare Leere eingestand, die jede seiner wachen Stunden verfinsterte und seine schlaflosen Nächte überschattete.
Donall zog eine Augenbraue hoch, und seine stumme Kritik sagte mehr als Worte.
Iain richtete sich zu seiner vollen Größe auf und zog nun ebenfalls eine Augenbraue hoch. Kämpferisch. »Du wagst zu behaupten, ich hätte kein Recht, dergleichen zu empfinden?«
»Ich sage, du hast das Recht darauf im selben Augenblick verwirkt, als dein unbeherrschtes Naturell dich dazu veranlasste, den Kerzenleuchter umzustoßen.«
»Irgendein Tölpel muss das sperrige Ding verschoben haben«, versetzte Iain, in einem Ton, der Donall geradezu herausforderte, irgendetwas anderes zu behaupten.
»Nein, du irrst dich«, gab der MacLean ihm die erhoffte Antwort. »Der Kerzenleuchter stand dort, wo er schon immer stand.«
Iain blickte seinem Bruder in die Augen. »Aber das ist ja jetzt wohl kaum noch von Bedeutung.«
»Meinst du?« Donall warf einen weiteren raschen Blick auf die aufgeregten Clanangehörigen, die noch immer versuchten, das Feuer zu löschen. »Für sie ist es das sehr wohl.«
Und auch für mich!, stimmte Iain ihm im Stillen zu. So sehr, dass ich keinen Sinn mehr darin sehe, im Dunkeln zu leben und den Rest meiner Tage Schatten nachzujagen ... zu existieren wie jemand, dem man nur das Schlimmste wünscht.
Oder – was ihm sogar noch weniger gefiel – bemitleidet zu werden.
Während seine Laune sich mit jedem Herzschlag verschlechterte, trat er einen Schritt vor, und dann noch einen weiteren, bis sich die scharfe Spitze von Donalls Schwert in seinen Bauch zu bohren drohte. Dann straffte er die Schultern, blieb stolz und aufrecht vor seinem Bruder stehen und riskierte ein Lächeln, das erste seit längerer Zeit.
Und zugleich sein letztes, wie er hoffte.
Da er sich des prüfenden Blicks seines Bruders vollkommen bewusst war, bereitete Iain sich auf einen blitzschnellen Sprint ins Feuer vor. Nun, da sein Entschluss gefasst war, begann sich dieses ungewohnte Lächeln in ihm auszubreiten. Es erfüllte ihn zwar nicht mit Licht und Wärme, wie ein Lächeln es eigentlich hätte tun müssen, und es verbannte auch die Finsternis nicht aus seiner Seele, aber es durchflutete ihn mit einer beseligenden Erleichterung.
Der beglückenden Gewissheit, dass sein Schmerz bald ein Ende finden würde.
Er stieß einen tiefen Seufzer aus ... und blinzelte, um das ungewohnte Brennen hinter seinen Augenlidern zu verdrängen. »Du irrst dich, Bruder, denn ich weiß sehr wohl, was Furcht ist«, sagte er, und seine tiefe Stimme klang nun seltsam heiser und ... gepresst. »Ich fürchte mich vor dem Leben, und –«, er machte eine ungeduldige Handbewegung, »– ich bin es auch allmählich ziemlich leid geworden.«
Eine jähe Erkenntnis huschte über Donalls Gesicht. »Nein!«, schrie er und warf sein Schwert beiseite. Mit ausgestreckten Armen sprang er vor und bekam seinen Bruder im selben Augenblick zu fassen, als ein merkwürdiges Prickeln in Iains Nacken ihn veranlasste, herumzufahren.
Seine Behändigkeit wurde belohnt mit dem etwas surrealistischen Anblick einer schönen, schwarzhaarigen Frau, die aufgeregt in seine Richtung stürzte. Kreischend, mit wild flackernden Augen hob sie einen großen Weinkrug hoch über den Kopf.
Das Herabfahren dieses Krugs war das Letzte, was Iain sah, bevor ein betäubendes Dunkel einer völlig anderen Natur, als er gehofft hatte, ihn einhüllte und ihm die Sinne raubte.
Viele Meilen weit entfernt, auf der anderen Seite Doons, fegten immer stärkere Windböen über die Hochmoore und Sümpfe der Insel, schlugen aber einen vorsichtigen Bogen um eine ganz spezielle Lichtung hoch über den Klippen und wagten es nicht, auch nur einen einzigen Grashalm innerhalb ihres verzauberten Kreises umzuknicken.
Ein einsames, strohgedecktes Cottage stand dort, mit dicken, weiß getünchten Mauern, das von einer seltsam atemlosen Stille umgeben war. Es lag gefährlich nahe am Rand des Kliffs, hoch über der See, geschützt von Weißbirken und Ebereschen ... und der Magie von Devorgilla, Doons einheimischer Zauberin und weiser alter Frau.
Diese Magierin benutzte in ebendiesem Augenblick, obwohl Iain noch immer unruhig schlief, ihre Fähigkeiten dazu, sich etwas von der in ihm liegenden Dunkelheit zu borgen, um ihr eigenes Tun und Treiben vor dem weichen Licht der Abenddämmerung zu verbergen.
»Nicht die richtige Jahreszeit zum Zaubern«, murmelte sie, während sie sorgfältig ein dunkles Tuch vor einem der blendenlosen Fenster des Cottages befestigte ... dem letzten, das noch keiner solchen Verdunkelungsmaßnahme unterzogen worden war.
Verdrießlich schürzte sie die Lippen, während sie das Tuch glatt strich. Nicht einmal ihre wirksamsten Beschwörungen hatten genügend Düsternis erzeugen können, aber das war ja auch kein Wunder, wenn sein Unglaube so ausgeprägt war, dass er sie sogar behinderte, während er schlief!
Sie grummelte vor sich hin, als sie über den alten Steinboden zu einer grob gezimmerten Bank an der gegenüberliegenden Wand des Raums schlurfte. Ihre buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen, und sie runzelte die Stirn, »›Ich will nichts hören von deinen lasterhaften Zaubersprüchen und erst recht nichts von schwarzen Kesseln voller Molchzungen und Fledermausflügel‹«, äffte sie ihn nach, während sie es sich auf der Bank bequem machte.
Als sie saß, gestattete sie sich ein wohlverdientes Gackern und nahm eine große, mit Steinen gefüllte Holzschale auf ihre dürren Knie. »Ha!«, sagte sie spöttisch, während ein vertrautes Kribbeln über ihren Rücken lief.
»Iain der Zweifler bekommt ein sehr viel wirkungsvolleres Mittel als Molchzungen und Fledermausflügel«, informierte sie die sie umgebende Stille, während sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf die matt schimmernden Steine richtete.
Diese ganz besonderen Steine.
Überwiegend Highland-Quarze, aber einige von ihnen stammten auch von geheiligten Orten auf den Inseln.
Feenfeuersteine, sehr selten und sehr kostbar. Sie alle waren entweder von ihren eigenen Händen gesammelt oder ihr von Leuten geschenkt worden, die ihre Talente mehr zu würdigen wussten als ein gewisser dunkeläugiger Junge, der viel zu engstirnig und unzugänglich war.
Leise vor sich hinmurmelnd und über seine Ignoranz lästernd, begann Devorgilla mit ihren knotigen Händen in der Steinsammlung herumzukramen, bis ihre Fingerspitzen kribbelten und warm wurden und die Steine zu vibrieren und zu glühen begannen.
Mit einer Geschicklichkeit, die das Aussehen ihrer gichtgekrümmten, von Altersflecken übersäten Hände Lügen strafte, klaubte sie seinen Stein aus der Schale und legte ihn neben sich auf die Bank.
Ihr Stein, den Devorgilla ausgewählt hatte, um Iains wahre Seelenverwandte darzustellen, fand sich mit der gleichen Mühelosigkeit. Und während sich sein Stein noch kalt anfühlte und von einer kühlen tiefblauen Farbe war, wurde ihrer mit jedem Tag ein bisschen wärmer.
Erfreut über seine Wärme, platzierte Devorgilla den weiblichen Stein auf ihre flache Hand. Ihr zerfurchtes Gesicht verzog sich zu einem verschmitzten Lächeln, als in der Mitte des Feenfeuersteins plötzlich ein winziger, rotgoldener Punkt erschien.
Der eine steht für dich, der andere steht für sie. Wenn das Herz deiner Dame Feuer fängt, wirst du sie erkennen, hatte sie Iain erklärt. Bei diesem letzten Treffen, für das sie die lange Wanderung nach Baldoon auf sich nehmen musste, hatte sie versucht, ihm die Steine zu übergeben.
Eine anstrengende Reise, die sie nur unternommen hatte, um ihm ihre Hilfe anzubieten.
Devorgilla kicherte bei der Erinnerung an den finsteren Blick, mit dem er sie an jenem Tag bedacht hatte, während sie seinen kalten Stein neben den warmen des Mädchens gelegt und um beide ihre alten Finger geschlossen hatte.
Das Herz seiner Dame könnte kein Feuer fangen, hatte er erwidert und gesagt, ihr Herz wäre so kalt wie das Grab, in dem sie läge, und würde sich nie wieder erwärmen.
Wieder kicherte die Zauberin.
Mit einem mutwilligen Lächeln schloss sie ihre Finger noch fester um die Steine und richtete einen selbstzufriedenen Blick zu der niedrigen Zimmerdecke mit den rußgeschwärzten Balken.
Iain MacLean irrte sich schwer.
Das Feuer im Herzen seiner wahren Seelenverwandten mochte zwar noch kein flammendes Inferno sein, aber es war bereits ein feiner, gesunder Funke und überaus lebendig.
Wirklich überaus lebendig.
Iain umklammerte die zerknüllten Laken seines großen Himmelbetts, in einem vergeblichen Versuch, dem fortwährenden Drehen und Schwanken des eichenen Ungetüms ein Ende zu bereiten.
Doch die Schaukelbewegungen schienen sich mit jedem qualvollen Moment seines wieder erwachenden Bewusstseins nur noch zu verstärken, das Bett hob und senkte sich in perfektem Einklang mit dem schier unerträglichen Pochen hinter seiner Stirn. Ein Läuten misstönender Glocken hallte in seinen Ohren, und seine Augen brannten heftig.
Iain verzog das Gesicht, denn die Erinnerung bohrte sich wie ein spitzer Stachel in seinen wild pochenden Kopf. Ein leises Stöhnen entrang sich seiner ausgedörrten Kehle, und er umklammerte das hin- und herschwankende Bett noch fester.
Wann hatte er das letzte Mal gelacht?
Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, allerdings war er auch nie weniger geneigt gewesen, dies zu tun als jetzt.
Er presste die Lippen zusammen vor dem scharfen Schmerz, der ihn durchzuckte, öffnete die Augen einen winzigen Spalt und blinzelte in die aufdringliche Helligkeit eines Raums, der viel zu sonnig war, um sein eigener zu sein.
Irgendein impertinenter Hurensohn hatte sämtliche Fensterläden aufgerissen und das grelle Nachmittagslicht in sein Schlafgemach gelassen ... in einen Zufluchtsort, den er, wie jeder wusste, ganz bewusst in kühlem, segensreichem Schatten hielt.
»Herrgott noch mal!«, donnerte er und richtete sich wütend auf. »Welcher verdammte Narr ...?« Doch auf der Stelle brach er ab und ließ sich wieder in die Kissen zurücksinken, von jäher Übelkeit und dem schrecklichen Gefühl erfasst, sein Kopf zerspringe in tausend Stücke.
»Herrgott noch mal!«, wiederholte er, aber diesmal waren die Worte kaum zu hören, da er sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgestoßen hatte.
Todesqualen erleidend, starrte er zu dem beruhigend dunklen Baldachin seines prachtvollen Eichenbettes auf. Diese sich ständig in alles einmischenden Dummköpfe, die vorgaben, ihn zu mögen – wussten sie denn nicht, dass er allen Grund hatte, die goldenen Strahlen der Sonne aus seinem Leben zu verbannen?
War es nicht allgemein bekannt auf diesen Inseln, dass die Freude an solchen Dingen zu einem Mann gehörte, der er schon seit Langem nicht mehr war?
Ein harter Zug erschien um seinen Mund, als ein völlig neuer Gedanke durch seinen Zorn und Schmerz zu ihm durchdrang. Vielleicht bildete er sich ja auch nur ein, er läge schmerz- und gramerfüllt in seinem Bett ...
Vielleicht war er ja ins Feuer gesprungen und befand sich nun im Vorzimmer zu Satans ganz privatem Höllenpfuhl? Und das grelle Licht, das ihm in die Augen stach, waren keine Sonnenstrahlen, sondern die lodernden Flammen der Hölle selbst?
Gar nicht so erfreut über die Möglichkeit, wie er geglaubt hatte, zwang Iain sich, das blendend grelle Licht gerade lange genug zu ertragen, um seine Umgebung etwas genauer zu betrachten.
Und sogleich durchflutete ihn eine eigenartige Mischung aus Erleichterung und Ärger. Wäre er gestorben und zur Hölle gefahren, dann wären seine hartnäckigsten Peiniger ihm sicherlich gefolgt. Ein jeder beanspruchte irgendeinen stillen Winkel seines Schlafgemachs für sich, und mit beispielloser Gleichgültigkeit gegenüber seinem bedauernswerten Zustand sahen seine nächsten Verwandten und engsten Freunde ihn mit solch eisiger Verachtung an, dass es ein wahres Wunder war, dass sich keine Eiszapfen an ihren Augenbrauen bildeten.
Alle außer seiner schwarzhaarigen Schwester.
Sie stand nur einen Schritt von seinem Bett entfernt, die Hände ringend und mit geröteten und geschwollenen Augen. Iain blinzelte, und eine leise Verwirrung begann seine düstere, bittere Stimmung zu durchdringen.
Seine Schwester besaß eine unerschütterliche Contenance. Amicia MacLean würde nicht einmal erschrecken, wenn jemand einen brennenden Kiefernzweig an ihre Röcke hielte ... und Iain hatte sie noch nie in seinem Leben weinen sehen.
»Bei meiner Seele, ich wollte dich nicht verletzen«, sagte sie, und ihre Stimme war ganz dumpf vor Qual. »Aber wir ... ich dachte ...« Ihre Worte gingen in einem Schluchzen unter, und sie wischte sich mit dem Handrücken über ihre dunklen Augen. »Wirst du mir je verzeihen können?«
»Dir verzeihen?« Auf ihr schmerzliches Nicken hin warf Iain einen fragenden Blick auf Donall, doch die unbewegte Miene und die zusammengepressten Lippen seines Bruders boten ihm kaum einen Anhaltspunkt für Amicias Kummer.
Ein rascher Blick auf die anderen Eindringlinge, die seine Privatsphäre störten, erwies sich als genauso fruchtlos. Gerbert, der alte Seneschall, erwiderte seinen starren Blick mit vorwurfsvoller Miene, während Donalls Frau, Lady Isolde, in der Nähe der halb geöffneten Tür stand und ihren besorgten Blick auf ihren Gemahl gerichtet hielt.
Gavin MacFie, Donalls engster Freund, saß in einer der tiefen Fensterlaibungen und entfernte den Ruß von einer der kostbarsten Reliquienschatullen Baldoons. Der stattliche Mann mit rötlich braunem Haar, der seiner sonnigen Natur wegen sehr beliebt war, erwiderte Iains Blick für einen langen, unbehaglichen Moment, bevor er traurig den Kopf schüttelte und seine Aufmerksamkeit wieder dem kleinen, juwelenbesetzten Kästchen auf seinen Knien zuwandte.
Iain runzelte die Stirn. Der Anflug von Mitleid in Gavins braunen Augen war ihm nicht entgangen ... in Augen, die gewöhnlich vor Fröhlichkeit funkelten.
Ein lastendes Schweigen breitete sich im Zimmer aus, das der frischen Salzluft, die durch die offenen Fenster drang, etwas ungemein Bedrückendes verlieh. Die unnatürliche Stille machte das leise Weinen seiner Schwester unüberhörbar und weckte ein ungemein ungutes Gefühl in Iain.
Ein zweiter, genauerer Blick auf die schmalen, bogenförmigen Fenster bewirkte, dass eine ganze Armee von Zweifeln sich zu dem quälenden Gefühl von Unbehagen gesellte.
Die Fensterläden waren nicht nur geöffnet worden ... sie waren nicht einmal mehr vorhanden!
»Herrgott noch mal! Wer hat es gewagt ...« Iain verkniff sich den Rest eines grimmigen Fluchs, als seine Verwirrung angesichts der jähen Rückkehr seiner Sinne nachließ. Hunderte von Bildern schossen ihm durch den Kopf, und das aufschlussreichste von allen war das seiner Schwester, die auf ihn zustürzte, um ihm einen Weinkrug über den Kopf zu schlagen.
Er erschauderte bei der Erinnerung und berührte vorsichtig die hühnereigroße Beule an seiner Stirn. Sie pochte heftig und sandte Wellen stechenden Schmerzes bis in seine Zehenspitzen.
Aber die Bedeutung all dessen bewegte ihn und erzeugte Licht und Wärme in einem Herz, das vor langer Zeit der Dunkelheit und Kälte übergeben worden war.
Trotz seiner düsteren Stimmungen und gefährlichen Wutanfälle lag er Amicia nämlich anscheinend immer noch so sehr am Herzen, dass ihr jedes Mittel recht war, um ihn vor Gefahren zu beschützen.
Selbst vor seinem eigenen jämmerlichen Ich.
Ganz besonders vor ihm selbst.
Gegen die Übelkeit ankämpfend, die bei der kleinsten Bewegung in ihm hochstieg, richtete Iain sich auf und atmete tief ein. »Hör auf zu weinen, Mädchen«, sagte er heiser und war entsetzt über die Anstrengung, die diese wenigen Worte ihn kosteten. »Ich bin nicht verärgert über dich.«
»Wirklich nicht?« Amicias Wangen schimmerten von Tränen. »Du bist nicht böse auf mich?«
»Nein«, versicherte er ihr mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Du hast meinen heiligen Eid darauf. Ich weiß, warum du es getan hast, und ich ... Ich danke dir.« Er schenkte ihr ein angespanntes kleines Lächeln.
Das Beste, das er aufzubringen vermochte.
Und nur ihr zuliebe.
Denn alle anderen Anwesenden würden in Kürze das volle Ausmaß seines Zorns zu spüren bekommen.
In einem jähen Aufflackern von Energie, die er ausschließlich seiner grenzenlosen Widerstandsfähigkeit verdankte, schlug er die Decken zurück, schwang die Beine über den Rand des Betts und hielt sich an seiner Kante fest, bis das übelkeiterregende Schwindelgefühl etwas nachließ.
Und dann maß er jeden Mann im Raum mit einem aufgebrachten Blick.
Als dies erledigt war, straffte er die Schultern und richtete seinen Furcht einflößendsten Blick auf die dreiste Person, die er dafür verantwortlich machte, sein Schlafzimmer in diese schier unerträglich grelle Helligkeit getaucht zu haben.
Der grauhaarige alte Flegel hatte sogar ein Feuer im Kamin gemacht und sämtliche Kerzenleuchter im Raum bestückt. Selbst an den Wandfackeln – schwere eiserne, lange vernachlässigte Ungetüme – hatte er sich vergriffen. Sie alle zischten und knisterten mit munter brennenden kleinen Flammen.
Iain unterdrückte das Bedürfnis, spöttisch aufzulachen. Denn dank der erstickenden Hitze, die all diese unzähligen Lichtquellen abgaben, hätte er genauso gut in Satans Hölle erwachen können.
So ruhig er konnte, wandte er sich an den Seneschall. »Wenn ich mich recht entsinne, Gerbert, hatte ich dich unzählige Male angewiesen, kein Feuer hier in diesem Raum zu machen, davon abzusehen, auch nur eine Kerze anzuzünden, und ...« – er hielt inne, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen – »die Fensterläden immer geschlossen zu lassen.«
Der nicht so leicht einzuschüchternde Seneschall betrachtete ihn mit geübter Freundlichkeit, verriet dann aber doch sein Unbehagen, indem er mit den Füßen in der Binsenstreu herumscharrte, was ein sicheres Zeichen seines Schuldbewusstseins war.
Iain atmete tief ein, ließ den Atem langsam wieder aus und fragte, während er den Blick des alten Manns erwiderte: »Wo sind die Fensterläden überhaupt?«
Über den schmallippigen Mund kam keine Antwort, aber in den wässrigen blauen Augen des alten Mannes erschien ein Anflug von Mitgefühl ... es war der gleiche mitleidige Blick, den Ian schon in Gavins offenem Gesicht gesehen hatte.
Und dieses Riesenrindvieh vermied jeglichen weiteren Blickkontakt mit ihm. Der stämmige Insulaner hielt seinen strubbeligen, rötlich braunen Kopf tief über die mit Edelsteinen besetzte Reliquienschatulle gebeugt und polierte unentwegt ihr silbernes Gehäuse ... obwohl kein einziger Rußfleck mehr darauf zu sehen war.
Das kostbare Behältnis für heilige Reliquien glänzte wie eine Speckschwarte.
Ein gänzlich uneinschüchternder Blick auf seine Schwägerin brachte Iain auch nicht mehr ein als ein unverbindliches Achselzucken.
Ein Achselzucken und einen höchst beredten Blick auf ihren Ehemann.
Woraufhin auch Iain seinen Bruder ansah.
Die sehr gerade Haltung des Clanoberhauptes der MacLeans verhieß nichts Gutes, aber Iain war viel zu aufgebracht, um sich darum zu kümmern. »Du warst das«, stellte er fest und kniff die Augen zusammen, um sie vor der grellen Sonne zu schützen, die durch die jetzt offenen Fenster fiel. »Du hast das Entfernen der Fensterläden angeordnet.«
Donall der Kühne versuchte nicht einmal, es abzustreiten, sondern verschränkte nur die Arme und presste seine Lippen zu einer schmalen, unnachgiebigen Linie zusammen.
Erneut beschlich Iain eine gespannte Unruhe, doch diesmal lief sie ihm nicht einfach nur über den Rücken, sondern ergriff seine Nervenenden und durchströmte ihn wie eine Welle böser Vorahnungen, die nicht minder beunruhigend waren als die verschwundenen Fensterläden und die grimmige Haltung seines Bruders.
Die anderen Anwesenden im Zimmer ignorierend, fixierte Iain Donall mit einem nicht minder grimmigen Blick, doch sein Bruder blinzelte nicht einmal. Und auch seine Gesichtszüge wurden nicht weicher oder ließen auch nur eine Spur des Mitgefühls erkennen, das Iain auf den Gesichtern der anderen gesehen hatte.
Iains Hände verkrampften sich an seinen Seiten, seine Nägel gruben sich in seine Handflächen. Es war eine Frage der Ehre, dass er die Dekrete seines Bruders akzeptierte und befolgte. Donall war der Lehnsherr, nicht er, und noch nie zuvor hatte Iain es als unerträglicher empfunden, nur der jüngere Sohn zu sein.
Aber Donall hatte auch noch nie zuvor als Oberhaupt des Clans die Schwelle zu Iains Privatgemächern überschritten.
Nur als sein Bruder und sein Freund.
Dass er nun so gebieterisch in seine Privatsphäre drang, und zudem auch noch in einer dermaßen düsteren Stunde, hinterließ einen bitteren Geschmack in Iains Mund.
Und so straffte er die Schultern und zwang sich, seine weichen Knie und die seltsame Schwere und Steifheit seiner Zunge zu ignorieren. »Glaubst du nicht, ich hätte heute schon genug gelitten?«, gelang es ihm schließlich mit etwas kräftigerer Stimme zu fragen.
Dann machte er eine weit ausholende Bewegung mit dem Arm und deutete auf das lodernde Kaminfeuer und die unzähligen brennenden Kerzen. »Willst du zur Strafe für meine Verfehlungen meine Gemächer auf eine verkohlte Wüste reduzieren?« »Oder –«, er schlenderte zu den blendenlosen Fenstern, wobei er ganz bewusst die von Gavin MacFie besetzte Nische mied, und fuhr dann wieder zu seinem Bruder herum. »Oder versuchst du gar, mich blind zu machen?«
Donall reagierte mit aufreizender Gelassenheit auf Iains spöttische Bemerkung. »Du hast dich selber blind gemacht.« Er warf einen raschen Seitenblick auf Gavin, der noch immer emsig damit beschäftigt war, die Reliquienschatulle zu polieren. »Wir versuchen nur, dich von dieser selbst bewirkten Blindheit zu heilen.«
»Das mag ja sein«, räumte Iain ein und stemmte seine Hände in die Hüften. »Aber ich bin gar nicht sehr erpicht darauf, mein ... Sehvermögen wiederzugewinnen.«
Dann wandte er sich wieder dem Fenster zu, umklammerte sein kaltes Mauerwerk und hielt sich an dem kunstvoll gearbeiteten Filigranmuster des Rahmens fest. Sein Herz begann sogar noch heftiger zu pochen, als er auf die ungeheure Weite des Ozeans hinausstarrte und sein Blick unfehlbar zu dem fast gänzlich überschwemmten Felsen glitt, auf dem Lileas, seine bezaubernde Gemahlin, den Tod gefunden hatte.
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