Ritter meiner Leidenschaft - Sue-Ellen Welfonder - E-Book

Ritter meiner Leidenschaft E-Book

Sue-Ellen Welfonder

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Beschreibung

Abenteuer, Magie und jede Menge Leidenschaft!

Als Jamie Macpherson erschöpft von harten Kämpfen nach Baldreagan Castle zurückkehrt, erblickt er im hellen Mondlicht ein feengleiches Wesen. Der Gedanke an die unbekannte Schönheit lässt sein Herz höherschlagen und sein Blut in Wallung geraten. Dann erfährt Jamie, dass sie seine Braut ist - und kann sein Glück kaum fassen ...
Aveline Matheson erliegt sogleich der Anziehungskraft des gut gebauten Highlanders und kann es kaum erwarten, sich mit ihm den sinnlichen Freuden des Ehelebens hinzugeben. Doch schon bald wird das Glück der Liebenden getrübt: Der schlimmste Gegner der Familie will die Macphersons auslöschen. Aber Jamie wird für seine Liebe kämpfen und alles tun, um seine geliebte Braut und seine Familie zu schützen ...

Historische Liebesromane voll packender Leidenschaft - die Reihe um den MacKenzie Clan von der USA-Today-Bestsellerautorin Sue-Ellen Welfonder:

Band 1: Der Verführer im Kilt
Band 2: Bittersüße Qual der Liebe
Band 3: Der feurige Kuss des Highlanders
Band 4: Mein schottischer Rebel
Band 5: Ritter meiner Leidenschaft
Band 6: Die feurige Braut des Highlanders

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Seitenzahl: 487

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Danksagungen

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

Epilog

Über die Autorin

weiter Titel

Impressum

Grußwort des Verlags

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Über dieses Buch

Als Jamie Macpherson erschöpft von harten Kämpfen nach Baldreagan Castle zurückkehrt, erblickt er im hellen Mondlicht ein feengleiches Wesen. Der Gedanke an die unbekannte Schönheit lässt sein Herz höherschlagen und sein Blut in Wallung geraten. Dann erfährt Jamie, dass sie seine Braut ist – und kann sein Glück kaum fassen ...

Aveline Matheson erliegt sogleich der Anziehungskraft des gut gebauten Highlanders und kann es kaum erwarten, sich mit ihm den sinnlichen Freuden des Ehelebens hinzugeben. Doch schon bald wird das Glück der Liebenden getrübt: Der schlimmste Gegner der Familie will die Macphersons auslöschen. Aber Jamie wird für seine Liebe kämpfen und alles tun, um seine geliebte Braut und seine Familie zu schützen ...

Sue-Ellen Welfonder

Ritter meiner Leidenschaft

Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Moreno

In liebevoller Erinnerung an Elizabeth »Lizzy« Benway, passionierte Leserin und begeisterte Anhängerin romantischer Liebesgeschichten und hochgeschätzte Freundin vieler Autorinnen und Autoren. Viel zu früh wurde ihr Leben durch eine Hurrikantragödie beendet.

Lizzy schwärmte für Duncan, den Helden in DEVIL IN A KILT, und ich werde nie vergessen, wie viel Spaß wir hatten, nachdem sie auf ihrer beliebten John-DeSalvo-Website einen Wettbewerb um dieses Buch ausgeschrieben hatte. Vor allem aber wird Lizzy unvergessen bleiben wegen ihrer Großherzigkeit und Güte und der mitreißenden Begeisterung, mit der sie alles tat, was sie anpackte. Ich vermisse dich, Lizzy, und ich danke dir dafür, dass du meine Anfangszeit als Autorin zu etwas so Besonderem gemacht hast.

An dem Tag, an dem wir dich verloren haben, ist in der Gemeinschaft der Freunde romantischer Liebesgeschichten ein strahlendes Licht erloschen.

Danksagungen

Schottland ist ein Land von großer Schönheit, in dem Althergebrachtes und Traditionen, Legenden und Mythen auch heute noch sehr lebendig sind und geachtet werden. Wer dort lebt, kann sich glücklich schätzen; wer das Land besucht, ist fasziniert und wird Schottlands Zauber für immer verfallen bleiben. Schottland ist auch mein geheimes Elixier, die Quelle meiner Inspiration, und bei jedem meiner Besuche dort fühle ich mich wie neu geboren. Immer wieder beeindruckt es mich, wie leicht es dort ist, beim Umherstreifen die Vergangenheit zu spüren und zu sehen. Oder zu glauben, dass Träume sich an einem so besonderen Ort wirklich erfüllen.

Während der Recherche für dieses Buch hörte ich Geschichten über etliche mutige, heldenhafte James Macphersons, von denen jeder Schottland sein ganz eigenes großartiges Vermächtnis hinterlassen hat. Das Schicksal eines dieser Männer ging mir besonders nahe, weil er sein Leben zu Unrecht durch die Hand eines korrupten Henkers verlor – in dem Moment, in dem ein Reiter herbeigejagt kam, um das Begnadigungsschreiben zu überbringen.

Dieser als »Zigeunerbandit« bekannte James Macpherson war ein meisterlicher Fiedelspieler. Wie auch Jamie in diesem Roman soll er außergewöhnlich groß und stark gewesen sein. Der verwegene und charmante Draufgänger war erst vierundzwanzig, als er starb. Seine Hoffnung auf Rettung erfüllte sich nicht, weil die Uhr am Stadtturm vorgestellt worden war, um seine Exekution vor dem Eintreffen der Begnadigung durchführen zu können.

Dieser liebenswerte junge Musikant geriet jedoch nicht in Vergessenheit, wobei ihm vielleicht Schottlands Magie ein wenig zu Hilfe kam. Er schlug der Obrigkeit ein letztes Schnippchen, indem er sein Vermächtnis in seiner Musik fortleben ließ, die bis heute sehr geschätzt wird, wann immer »The Macphersons Rant« und seine anderen wundervollen Lieder gespielt werden.

An dieser Stelle möchte ich zudem jenen drei zauberhaften Frauen danken, deren Ratschläge und ermunternden Worte für meine Arbeit von so unschätzbarem Wert sind: Roberta M. Brown, meine beste Freundin, Agentin und größte Unterstützerin; meine unübertreffliche Redakteurin Karen Kosztolnyk, deren Verständnis und Rat ich über alles schätze, und Michele Bidelspach, die ich schon seit Devil in a Kilt bewundere und verehre. Ich danke euch!

Wie immer gilt all meine Liebe und mein zutiefst empfundener Dank meinem wundervollen Ehemann Manfred – dafür, dass er sich nicht (allzu sehr) beklagt, wenn ich mich wieder einmal nach Schottland aufmache. Seine Unterstützung und sein Enthusiasmus bedeuten mir sehr viel.

Und nicht zu vergessen meinen kleinen Hund Em, der mir ein treuer Begleiter und über alles geliebter Freund ist, um den sich mein ganzes Leben dreht.

Baldreagan Castle, in den Western Highlands, 1325

Zum Teufel mit deinem Gejammere!« Munro Macpherson ballte die Hände zu Fäusten und starrte die Hebamme wütend an. Um nicht die wie tot daliegende Gestalt auf seinem Bett ansehen zu müssen, richtete er seine ganze Wut gegen die mit blutverschmierten Händen vor ihm stehende alte Frau. »Und sag mir nicht, dass sie stirbt! Das will ich nicht hören!«

Er trat zwei Schritte vor, und dann noch einen, als Morag, die Hebamme, ihn kummervoll ansah. Es war der gleiche Blick, mit dem sie ihn schon einige Male angeschaut hatte, seit er in das Gebärzimmer gestürmt war.

Ein Blick, der beredter war als Worte und der Munro Dinge sagte, die er nicht akzeptieren wollte.

Ein kalter Schauder lief ihm über den Rücken, und er funkelte sie böse an, als könnte er so das Mitgefühl von ihrem runzligen, mit Altersflecken übersäten Gesicht vertreiben. »Du bist es und keine andere, die heute Nacht vor ihren Schöpfer treten wird, wenn du nicht dafür sorgst, dass meine Frau am Leben bleibt!«

»Es ist Gottes Wille, Sir.« Morag seufzte und bekreuzigte sich.

»Dann bete doch zu den alten Göttern!«, schrie Munro mit schmerzverzerrtem Mund. »Jeder in diesen Bergen weiß doch, wie vertraut du mit ihnen bist!«

Die alte Frau presste die Lippen zusammen und träufelte noch etwas Kräuteröl auf ihre Hände. »Ihr habt mit eigenen Augen das Stück kaltes Eisen gesehen, das ich in ihr Bett gelegt habe. Und ich habe Euch gesagt, dass das Wasser, mit dem meine Nichte den Schweiß von der Stirn Eurer Gemahlin abtupft, aus dem Brunnen der heiligen Brigida stammt.«

»Dann versuch es mit Hexerei!« Munro versagte nahezu die Stimme. »Tu, was immer nötig ist!«

Aus schmalen Augen schaute er grimmig auf Morags verängstigt wirkende Nichte, die ein tropfnasses Tuch in der Hand hielt. Heiße Wut stieg in ihm auf, weil eine so unscheinbare Maus von Frau leben und atmen durfte, während seine wunderschöne, liebreizende Gemahlin, die gestern Abend noch so voller Leben gewesen war, jetzt sterben sollte.

Verzehrt vom Fieber und nicht mehr Herrin ihrer Sinne.

Unfähig, es noch länger zu ertragen, wandte sich Munro abrupt von den beiden Frauen und dem schmerzgepeinigten schattengleichen Wesen ab, das sein Leben gewesen war. Alles, was von ihr geblieben war, waren ihr Stöhnen, ihr unverständliches Gestammel und die wirren Strähnen ihres einst so wundervollen langen Haars auf den befleckten Laken. Ihre prachtvollen bronzefarbenen Locken, die matt und stumpf geworden waren und allen Glanz verloren hatten. So wie auch alle Farbe aus ihrer einst so makellosen, rosig angehauchten Haut gewichen war, auf die sie immer so stolz gewesen war.

Ausgezehrt und erschöpft warf sie sich nicht einmal mehr hin und her, wenn die Wehen sie übermannten. Sie lag nur da, mit hohlen Augen und eingefallenem Gesicht, dessen wächserne Blässe vom Nahen des Todes kündete.

Von ihrem Ende und Munros Untergang.

Da ihm nur allzu bewusst war, dass er nichts, aber auch gar nichts dagegen tun konnte, trat er an eines der Fenster und starrte düster in die graue Herbstnacht. Heiße Tränen liefen ihm über die Wangen, aber er versuchte, sie zu unterdrücken, als er die kühle, feuchte Nachtluft einatmete.

So angestrengt er jedoch in die regennasse Finsternis hinausstarrte oder auch das noch ferne, heftige Donnergrollen begrüßte, das Gefühl der Machtlosigkeit blieb. Klein und hilflos fühlte er sich, als wäre er nicht mehr der große, kraftvolle Mann, der furchtlos durch die Berge streifte, sondern ein zitternder Jammerlappen, der sich auf die Knie geworfen hätte, wenn Betteln und Flehen jetzt noch hätten helfen können.

Stattdessen aber gefror ihm das Blut in den Adern, und sein Körper spannte sich so sehr an, dass Munro sich wunderte, weshalb er nicht zersprang und in tausend Stücke auseinanderbrach, die sich nie wieder zusammensetzen lassen würden.

Mit zusammengepressten Lippen hielt er den Blick auf die dunklen Berge gerichtet und umklammerte mit beiden Händen seinen Schwertgurt. »Hör zu, Morag«, sagte er dann im unterwürfigsten Ton, den ein Mann wie er zustande brachte, »trotz meiner Launen und Wutanfälle liebe ich meine Frau. Ich könnte es nicht ertragen, sie zu verlieren.«

Nach diesen Worten drehte er sich um, und sein Magen verkrampfte sich, als er sah, wie die alte Frau unter die blutbefleckten Röcke seiner Frau schaute und ihr Gesichtsausdruck noch düsterer wurde.

Munro schluckte und umklammerte seinen Gürtel fester. »Verlang von mir, was du willst, um sie zu retten. Was immer es auch sein mag. Ich würde mit Freuden für immer in deiner Schuld stehen, Morag.«

Aber die Hebamme schüttelte nur den Kopf. »Das Kind ist zu groß«, sagte sie, während sie die Beine seiner Frau noch weiter spreizte. »Und sie hat schon zu viel Blut verloren.«

»Und was bedeutet das?« Munros unbeherrschtes Naturell erwachte wieder, und vor Wut traten ihm fast die Augen aus dem Kopf. »Sag die Wahrheit, Frau, wenn du nicht willst, dass ich dich und deine greinende Nichte aus dem Fenster werfe!«

»Eure Frau Gemahlin wird sterben, Sir«, antwortete Morag ruhig, »aber es ist möglich, dass das Kleine überlebt. Sein Kopf kommt schon. Und es hat auch kräftige Schultern. Seid dankbar ...«

»Dankbar?« Wutentbrannt griff Munro nach den blutdurchtränkten Röcken seiner Frau und riss sie gerade noch rechtzeitig hoch, um einen kräftigen kleinen Jungen mit kupferfarbenem Haar zwischen ihren leblosen Schenkeln hervorkommen zu sehen.

»Dankbar für einen zehnten Sohn?«, brüllte er mit einem verächtlichen Blick auf das schreiende Kind. »Für das Kind, das meine Iona umgebracht hat?«

»Er ist Euer Sohn, Mylord.« Morag drückte das Kind an ihre Brust und spreizte ihre knotigen Finger auf seinem nass glänzenden Rücken. »Und ein feiner, strammer Junge noch dazu. Er wird Euch helfen zu vergessen. Mit der Zeit ...«

»Ich werde nie vergessen!«, schwor Munro und starrte an ihr vorbei auf die leeren, schon glasig werdenden Augen seiner Frau. »Und noch einen zusätzlichen Esser brauche ich nicht. Ich will diesen Jungen nicht! Neun gesunde Söhne sind genug für einen Mann.«

»Sir, bitte ...« Die Hebamme reichte den Neugeborenen ihrer Nichte und eilte Munro nach, als der sich zum Gehen wandte. »Ihr müsst ihm wenigstens einen Namen geben.«

»Ich muss gar nichts!« Munro fuhr herum. Wenn Morag nicht so alt gewesen wäre, hätte er sie jetzt vermutlich geschlagen. »Aber wenn du unbedingt einen Namen willst, dann nenn ihn Jamie – James von der Heide!«

Die Alte blinzelte verständnislos. »›Von der Heide‹?«

»Das war es, was ich sagte«, bestätigte Munro, schon halb aus der Tür. »Denn dort wurde er gezeugt, was ich mein Leben lang bereuen werde, und dorthin kann er von mir aus zurückkehren. Sobald er alt genug ist. Auf Baldreagan ist kein Platz für ihn.«

1. Kapitel

Fairmaiden Castle in der Nähe von Baldreagan,Herbst 1347

Der zehnte Sohn?« Bestürzt über diese unerwartete Neuigkeit, die ihr Vater soeben verkündet hatte, ging Aveline Matheson auf den Hohen Tisch zu. Der Blick ihrer verweint aussehenden Schwester, der ihr folgte und starke Schuldgefühle auslöste, war kaum weniger beunruhigend.

Aveline holte tief Luft und versuchte mit aller Kraft, das Gefühl zu ignorieren, dass ihre ganze Welt aus den Fugen zu geraten drohte.

»Ich erinnere mich zwar, dass es noch einen jüngeren Sohn gab, aber ...« Sie verstummte, weil Sorchas tränenfeuchter Blick ihr das Weiterreden schwer machte.

Hinzu kam, dass nicht nur ihre älteste Schwester, sondern auch alle anderen Angehörigen des Clans im großen Saal anwesend waren. Und alle starrten sie an, drehten sich nach ihr um und beobachteten aus schmalen Augen ihre Reaktion, so, als ruhten die Zukunft und das Glück des Matheson-Clans auf ihren schmalen Schultern.

Und nach dem, was Aveline soeben erfahren hatte, war es wohl auch so.

Sie zitterte innerlich, als sie auf ihren Vater zuging und so selbstbewusst und hocherhobenen Hauptes vor seinem Stuhl stehen blieb, wie ihre zierliche Statur es ihr erlaubte.

Sie gegen Alan Mor Mathesons grimmigen Gesichtsausdruck. Ein Ausdruck, den ihr vollbärtiger, in ein Plaid gehüllter Vater mit dem gleichen Geschick benutzte, mit dem er auch sein Schwert zu führen wusste.

Als Aveline diesen Blick jetzt auf sich gerichtet sah, schluckte sie und wollte nur noch aus dem Großen Saal flüchten. Doch sie riss sich zusammen und blieb stehen. »Es tut mir aufrichtig leid für Laird Macpherson«, begann sie, obwohl sie sich kaum vorstellen konnte, wie grauenvoll es sein musste, neun Söhne auf einmal zu verlieren. »Aber falls du die Absicht hast, auch weiterhin auf einer Verbindung unserer Häuser zu bestehen, sollte dann nicht Sorcha die Braut sein?«

Bei ihren Worten holte Sorcha hörbar Luft.

Alan Mors Gesicht verhärtete sich, und er schlug mit den Händen auf den Tisch. »Himmeldonnerwetter!«, brüllte er so wütend, dass seine älteste Tochter zusammenfuhr, als hätte er sie geschlagen.

Aber Alan schenkte ihr keinerlei Beachtung, als er sich vorbeugte und seinen durchdringenden Blick auf Aveline gerichtet hielt. »Deine Schwester hätte die Braut sein sollen, das ist wahr. Sie sollte Macphersons ältesten Sohn Neill heiraten, wie du sehr wohl weißt. Aber jetzt, da Neill und die anderen tot sind, bleibt nur noch der junge Jamie.«

Er schwieg einen Moment und ließ die letzten Worte in der vom Feuerrauch erfüllten Luft hängen. »Sorcha ist fünfzehn Jahre älter als der Junge, und deine anderen drei Schwestern sind bereits verheiratet. Ich werde das Bündnis mit Macpherson nicht aufs Spiel setzen, indem ich dem einzigen Sohn, der ihm noch geblieben ist, die Braut verweigere, die für ihn am passendsten ist.«

Aveline reckte das Kinn. »Wie immer dem auch sei ...«

»Das spielt keine Rolle. Nicht jetzt.« Sorcha berührte Aveline am Arm und blinzelte, um ihre Tränen zurückzuhalten. »Es war Neill, der mein Mann hätte werden sollen. Ich ... ich wäre ihm bis an das Ende dieser Welt, ja, selbst durch die Tore der Hölle gefolgt«, sagte sie mit belegter Stimme. »Es ist nicht mein Wunsch, mich mit dem jungen Jamie zu vermählen.«

»Aber es tut mir trotzdem furchtbar leid für dich.« Aveline atmete hörbar aus, als ihr die Brust vor Mitgefühl ganz eng wurde. »Und es zerreißt mir das Herz für die Macphersons.«

»Ha!«, fuhr Alan Mor sie an. »Deine Schwester ist eine begehrenswerte junge Frau mit guten Aussichten. Es wird sich schon noch ein anderer Ehemann für sie finden«, erklärte er und sah sich um, als machte er sich auf Widerspruch gefasst. »Und was diesen querköpfigen alten Bock Macpherson angeht, so hat er bisher noch immer unglaubliches Glück gehabt. Sein Kummer wird schnell vergehen, wenn er an das schöne Stück Weideland denkt, das er für seine kostbaren Rindviecher bekommt. Ganz zu schweigen von den gut gefüllten Geldschatullen, die der Kerl mir abgeschwatzt hat.«

Ein kalter Schauder lief Aveline über den Rücken, aber sie sagte nichts.

Wenn ihr Vater Macpherson »gut gefüllte« Geldschatullen anzubieten hatte, konnte er sie eigentlich nur mit Steinen gefüllt haben – oder mit leeren Worten und Geprahle.

Sie war sich dessen völlig sicher, als sie Sorcha den Hohen Tisch verlassen und zum Kamin hinübergehen sah. Ihre ältere Schwester hielt sich kerzengerade. Im Schein der Fackeln wirkte sie leichenblass, und ihre Augen waren matt und verquollen. Am schlimmsten aber war der versteinerte Ausdruck ihres Gesichts, der nur allzu deutlich sagte, was jeder Matheson ohnehin schon wusste.

Neill Macpherson war ihre letzte Chance gewesen, einen Ehemann zu bekommen.

Denn es gab so gut wie keinen Heiratskandidaten für Sorcha, die so grobknochig und reizlos war, dass nicht einmal Alan Mors anpreisende Worte sie zu einer begehrten Partie machen konnten.

So manch einer schüttelte auch heute noch verwundert den Kopf über Neills Bereitschaft, Sorcha zur Frau zu nehmen.

Aber er hätte es des Bündnisses wegen getan.

Und jetzt war er tot.

Aveline erschauderte und krallte die Finger in ihre Röcke, als das Bild der letzten Momente der Brüder Macpherson vor ihrem inneren Auge auftauchte.

Nicht dass sie dabei gewesen wäre. Aber jeder, der in diesen Bergen geboren war, wusste um die Gefahren des berüchtigten Flusses Garbh Uisge, dessen reißende Wasser die tiefe, von Birken gesäumte Schlucht durchströmten, die die Ländereien der Mathesons und Macphersons trennte.

Diese gefahrvolle Schlucht mit dem wild herabstürzenden Wasserfall, dem mit Felsbrocken übersäten Fluss voll heimtückischer Stromschnellen und Nebeln aus aufbrandender Gischt war jetzt zu einer immerwährenden Mahnung vor dem Zorn der Elemente geworden. Zumindest dann, wenn diese sich das Zersplittern von feuchtem, altersmorschem Holz zunutze machten.

Den unerwarteten Zusammenbruch einer schmalen Brücke, die keiner der beiden Clans hatte erneuern wollen, weil beide Oberhäupter darauf beharrt hatten, dass der Nachbar die Brücke häufiger benutzte und demzufolge auch das Geld für ihre Instandsetzung bereitstellen müsste.

Ein dummer Starrsinn, der einen grausamen Zoll gefordert hatte und Aveline jetzt dazu veranlasste, der Arroganz und Großspurigkeit ihres Vaters den Rücken zuzukehren und zu einem Fenster hinüberzugehen.

»Du irrst dich«, sagte sie, als sie die Fensterläden weit öffnete. »Nichts auf dieser Welt wird Laird Macphersons Schmerz je lindern können.«

»Vielleicht nicht«, gab Alan Mor zurück. »Aber der Mann ist noch dümmer, als ich dachte, wenn er sich nicht wenigstens durch die Vorteile getröstet fühlt, die er durch dieses Bündnis zwischen uns haben wird.«

Zu Avelines Enttäuschung ging ein zustimmendes Gemurmel durch den großen Saal, gefolgt vom Klirren der Bierbecher, mit denen die Männer miteinander anstießen, lauten Beifallsrufen und Alan Mors eigenem selbstzufriedenem Grunzen.

Aveline biss die Zähne zusammen und starrte in die neblige, regnerische Nacht hinaus, auf die Umrisse der zerklüfteten, schwarzen Berge und das Glitzern ferner Sterne, die hier und da zwischen den grauen, windgepeitschten Wolken zu sehen waren.

»Gebe Gott, dass du recht behältst«, sagte sie schließlich. Sie war froh darüber, dass die erfrischend kalte Nachtluft ihr das Atmen sehr erleichterte. »Dennoch muss ich mich dagegen aussprechen, die Lage eines Mannes auszunutzen, der vollkommen gebrochen und am Ende ist.«

»›Ausnutzen‹?«, dröhnte Alan Mors tiefe Stimme durch den Saal. »Drück dich gefälligst etwas klarer aus, Mädchen – und komm von diesem Fenster weg!«

Aveline versteifte sich und hielt den Blick auf den silbrig glänzenden Fluss gerichtet, der sich nicht weit von Fairmaiden Castle zwischen den Bäumen dahinwand. Dieser uralte, gemächlich dahinfließende Fluss gab sich weitaus friedfertiger als der weiß schäumende Garbh Uisge, der so viele unschuldige Menschenleben gefordert hatte.

Und der sie und andere in diese unerwartete Lage gebracht hatte.

Ihre Schläfen begannen zu pochen, und schließlich wandte sie sich vom Fenster ab. Sorcha hatte sich in eine der dunkleren Ecken des Großen Saales zurückgezogen, wo ihr von Kummer und Tränen gezeichnetes Gesicht vor dem Licht der Pechfackeln geschützt war. Alle anderen Anwesenden hatten sich Aveline zugewandt, und das Gesicht ihres Vaters trug jetzt einen noch grimmigeren Ausdruck als zuvor.

Aveline straffte die Schultern und trat einen Schritt vor.

»Nun?«, fragte Alan Mor mit einem Blick, der schier die Luft versengte. »Wirfst du mir etwa vor, ich würde versuchen, den alten Macpherson zu betrügen?«

»Nein, ich ...« Aveline sprach nicht weiter, weil sie nicht lügen konnte. Schließlich waren die Gerissenheit und die Zungenfertigkeit ihres Vaters überall in den Highlands wohlbekannt.

Während sie langsam auf ihn zuging, suchte sie deshalb nach einem Weg, ihren Verdacht nicht zu offen auszusprechen. »Ich werfe dir gar nichts vor«, erklärte sie und hoffte, dass nur sie selbst den Spott in ihrer Stimme hörte. »Und ich versichere dir, dass ich nicht nur bereit bin zu heiraten, sondern zudem auch kaum den Tag erwarten kann, an dem ich einen Ehemann und einen eigenen Haushalt habe.«

»Warum machst du dann ein Gesicht, als hättest du in etwas Bitteres gebissen?«

»Weil ich nicht glaube, dass Munro Macpherson unsere Einmischung begrüßen wird ...«

»Einmischung?« Alan Mor sprang so heftig auf, dass die Dokumente, die vor ihm auf dem Tisch lagen, durcheinanderflogen. »Ich versuche lediglich, dem alten Narren zu helfen! Hast du denn nicht gehört, was ich gesagt habe? Dass schon gemunkelt wird, er verließe nicht mal mehr sein Bett? Dass er Angst hätte, seine Privatgemächer zu verlassen, weil er glaubt, die Geister seiner Söhne seien nach Baldreagan zurückgekehrt, um ihn heimzusuchen?«

Alan Mors Nasenflügel bebten, als er Aveline mit einem aufgebrachten Blick bedachte. »Noch ist Munro nicht völlig übergeschnappt, aber er wird es bald sein, wenn ihn nicht jemand unter seine Fittiche nimmt. Er braucht Jamie.«

»Seit wann kümmert es dich, wie es Macpherson geht?«, erwiderte Aveline in herausforderndem Ton und stieg die Stufen zum Podium hinauf. »Ihr wart nie Freunde, du und Munro.«

»Aber Nachbarn.« Ihr Vater senkte den Blick und schien plötzlich ein reges Interesse für die farbige Kordel zu entwickeln, die ein aufgerolltes Pergament zusammenhielt. »Zu wissen, dass er nicht verrückt ist, ist ein geringeres Übel, als den Mistkerl zu verärgern.«

»Ich wette, dass du ihn sogar sehr verärgern wirst, wenn du auf deinen dummen Plan beharrst.« Aveline nahm ihrem Vater das Pergament aus der Hand und hielt es so, dass er es ihr nicht wegnehmen konnte. »Jeder weiß, dass Munro Macpherson nie ein gutes Wort für Jamie übrig hatte. Er hat immer nur gesagt, der Junge sei ein Dolchstoß zwischen seine Rippen.«

Alan Mor sog scharf den Atem ein, und seine Überraschung über ihre offenen Worte war beredt genug für Aveline.

Also wussten weder der alte Macpherson noch der junge Jamie, dass ihr Vater nach wie vor die Absicht hatte, an dem geplanten Bündnis zwischen den beiden Clans festzuhalten!

»Soviel ich hörte, ist Jamie zu einem feinen, stattlichen jungen Mann herangewachsen.« Alan Mor fasste sich schnell wieder und schob das Kinn vor. »Er hat im letzten Herbst sogar an König Davids Seite in Neville’s Cross gekämpft, wo sein Mut und seine Tapferkeit ihm große Anerkennung eingebracht haben. Munro wird seine Meinung über den Jungen ändern, wenn er erst einmal zu Hause ist.«

»Trotzdem ...« Aveline umklammerte das Pergament noch fester. »Ich glaube nicht, dass wir Jamie dieses Schreiben schicken sollten, bevor Laird Macpherson wieder wohlauf genug ist, um zu entscheiden, ob auch er noch immer eine Verbindung zwischen unseren Häusern wünscht.«

Zu ihrem Entsetzen lachte ihr Vater nur.

Und sein Schreiber, dessen Finger schwarz von Tinte waren, stimmte in sein Lachen ein.

»Zu spät!«, erklärte Alan Mor mit funkelnden Augen. »Dieses Pergament in deinen Händen ist nur ein Brief an deine Schwester in Inverness, in dem ich mich nach ihrer Gesundheit erkundige und für den Wein und die vielen Töpfe Heidekrauthonig bedanke, die uns ihr Mann geschickt hat.«

Aveline legte das Pergament auf den Tisch zurück. »Du meinst, du hast Jamie bereits geschrieben? Ohne Macpherson davon zu unterrichten?«

Ein selbstgefälliges Lächeln erschien auf dem Gesicht ihres Vaters. »Eines Tages wirst du mir dafür dankbar sein. Du und dieser Dummschwätzer Macpherson.«

»Und Jamie?«

»Ha!«, schnaubte Alan Mor. »Der am meisten von allen – wenn er dich erst einmal gesehen hat!«

Plötzlich strahlte er seine Tochter an, seine schlechte Laune schien völlig vergessen. »Welcher junge Bursche wäre nicht entzückt von so einer zarten Blüte?«

Aber Aveline war sich dessen nicht so sicher.

Unwillkürlich blickte sie auf ihren dicken Zopf herab, doch statt dessen wundervollen goldenen Glanz im Kerzenlicht zu registrieren, sah sie nur ihre winzigen Hände und Füße und ihre viel zu kleinen Brüste. Da sie in ihren eigenen Augen alles andere war als eine voll erblühte Frau mit üppigen Rundungen, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Mann Gefallen an ihr finden könnte.

Oder an den abscheulichen Umständen, die sie und Jamie in ein Ehebett bringen würden.

Kein Mann ließ sich gerne übertölpeln.

Ob er nun ein lang vermisster Sohn war oder nicht.

Viele Meilen entfernt, hinter dunklen Bergen und kargem, von Farn und winterbrauner Heide überzogenem Moorland, erhob sich über den stillen Wassern des Loch Hourn Cuidrach Castle, die stolze Festung der MacKenzies, deren Türme und beeindruckender Wächter, der Bastardstein, sich dunkel gegen den frostklaren Himmel abhoben.

Die Nacht war eisig; Sterne glitzerten kalt am Himmel, und ein beißender Wind pfiff um die Fenster und rüttelte an den Läden. Alle, die sich in der Burg aufhielten, waren dankbar für das hell brennende Feuer im Kamin des Großen Saales. Diensteifrige junge Knappen reichten Tabletts mit Glühwein und dampfend heißen, frisch gebackenen Fleischpasteten herum. Auf einigen der ans Feuer herangezogenen Bänke drängten sich trinkende, miteinander scherzende Männer, deren tiefes Lachen zu den geschwärzten Deckenbalken aufstieg und deren derbe Scherze allen in den Ohren klangen.

Nur ein Bewohner von Cuidrach mied die Behaglichkeit und Wärme des Großen Saales in jener Nacht und suchte stattdessen die Ungestörtheit eines kleinen Lagerraumes auf, der von Fackellicht erhellt wurde und mit Weinfässern gefüllt war.

Unter halb lautem Fluchen, das derb genug war, um selbst den Teufel erschaudern zu lassen, schaute James von der Heide, der scherzhaft auch ›Jamie der Kleine‹ genannt wurde, auf den winzigen Blutstropfen an seinem Daumen.

Es war das fünfte Mal in weniger als einer Stunde, dass er sich in den Finger gestochen hatte.

Und bestimmt auch nicht das letzte Mal, vermutete er. Jedenfalls nicht, wenn er seine Aufgabe zu Ende bringen wollte.

Seufzend leckte er das Blut von seinem Finger und rückte mit seinem Schemel noch näher an die am hellsten scheinende Wandfackel heran. Bei hellerem Licht würde es ihm vielleicht leichter fallen, die ausgelassenen Säume seiner neuen Leinentunika wieder umzunähen.

Sie war ein Geburtsgeschenk der Gemahlin seines Lehnsherren und die schönste Tunika, die Jamie je besessen hatte. Sie war aus feinstem Leinen, weicher als Rosenblüten und mit einem exquisiten nordischen Muster um den Halsausschnitt herum bestickt; allein sie anzusehen ließ ihn vor Freude erröten und sein Herz schneller schlagen, wenn er an die vielen Stunden dachte, die Lady Mariota mit der Herstellung dieses wundervollen Geschenks für ihn verbracht hatte. Ein Geschenk, das er unbedingt zu seiner Geburtstagsfeier heute Abend tragen wollte.

Und das würde er auch.

Wenn die Tunika doch nur nicht so eng an den Schultern und ihre Ärmel nicht zu kurz wären. Und seine verdammten Finger nicht so furchtbar ungeschickt.

Widerwillig nahm er die Nadel auf und machte sich wieder an die Arbeit. Denn im Grunde war das Problem gar nicht die Tunika, sondern er selbst.

So war es schon immer gewesen.

Er war einfach viel zu groß.

Und mein Gehör ein bisschen zu gut, dachte er wenig später, als er sich der plötzlichen Stille vor der geschlossenen Lagerraumtür bewusst wurde.

Er legte den Kopf ein wenig schief und lauschte.

Sein Instinkt hatte ihn nicht getäuscht.

Die Ausbrüche männlichen Gelächters im Großen Saal, die zotigen Lieder und das gelegentliche Bellen der Burghunde, ja sogar das vereinzelte, hellere weibliche Gekicher, das er gedämpft gehört hatte, war verstummt. Totenstille herrschte jetzt im Großen Saal, eine eigenartige Lautlosigkeit, die jegliches Geräusch erstickte.

Eine unheimliche Stille, die nichts Gutes zu verheißen schien und etwas Unheildrohendes hatte – wenn es nach den feinen Härchen an seinem Nacken ging, die sich ihm sträubten. Oder wie es ihm kalt über den Rücken lief.

Neugierig geworden, legte Jamie Tunika und Nadel aus der Hand und richtete sich auf. Bevor er jedoch den kleinen Vorratsraum durchqueren konnte, wurde die Tür geöffnet, und sein Lehnsherr Sir Kenneth MacKenzie trat ein. Er war in Begleitung von Sir Lachlan, dem Garnisonskommandanten von Cuidrach, und eines ganz und gar mit Reisestaub bedeckten Mannes, den Jamie noch nie gesehen hatte.

Der durchnässte Umhang, den der Fremde um die Schultern trug, und sein vom Wind zerzaustes Haar zeugten von einem anstrengenden Ritt. Aber es war mehr als das und die verschmutzten Stiefel und müden Augen des Mannes, was Jamies Mund vor Aufregung trocken werden ließ.

Es war der Gesichtsausdruck des Mannes.

Die offenkundige Anspannung und das Mitgefühl, das er ausstrahlte und das den kleinen Vorratsraum zu erfüllen schien, bis Jamie daran zu ersticken glaubte.

Besonders, als er die gleiche müde Traurigkeit auch in Sir Kenneth’ und Sir Lachlans Augen sah.

Jamie richtete sich auf. »Was ist passiert?«, fragte er, während er von einem Mann zum anderen sah. »Sagt es mir geradeheraus, denn ich kann sehen, dass etwas Schlimmes geschehen ist.«

»Aye, mein Junge, so ist es, fürchte ich. Ich wünschte, ich könnte dir jetzt widersprechen, aber ...« Kenneth sah den Fremden an und räusperte sich. »Weißt du, Jamie, dieser Mann kommt aus Carnach nördlich von Kintail. Alan Mor Matheson aus Fairmaiden Castle hat ihn hergeschickt. Er bringt schlechte Nachrichten. Dein Vater ...«

»O Gott!« Jamie starrte die drei Männer an. »Wollt Ihr mir sagen, dass er gestorben ist?«

Keiner der drei Männer antwortete, aber ihre angespannten, grimmigen Gesichter waren beredt genug.

Jamie blinzelte, als ihm schwarz vor Augen wurde und eine Welle von Schwindel ihn zu übermannen drohte. Selbst der Boden schwankte unter seinen Füßen. Es konnte nicht wahr sein. Nichts hätte seinen unbeugsamen Vater niederstrecken können. Munro Macpherson war ein Mann wie aus Granit, der Stahl statt Blut in seinen Adern hatte. Und nach der Gleichgültigkeit, die er Jamie sein Leben lang entgegengebracht hatte, hätte es diesen nicht einmal kümmern dürfen, was seinem Vater widerfuhr.

Aber es kümmerte ihn.

Mehr, als er geglaubt hätte. Sogar so sehr, dass das Dröhnen des Blutes in seinen Ohren es ihm unmöglich machte zu verstehen, was Sir Kenneth sagte. Er sah nur die Bewegung seiner Lippen und das traurige Kopfschütteln Sir Lachlans und des Boten.

Jamie schluckte und presste seine eiskalten Finger an die Schläfen. »Wiederholt das bitte noch einmal, Sir. Ich ... ich habe Euch nicht verstanden.«

»Ich sagte, dein Vater ist nicht tot, obwohl es ihm nicht gut geht und er das Bett nicht mehr verlässt. Deswegen hat Laird Matheson diesen Mann zu uns geschickt.« Kenneth trat vor und legte Jamie die Hände auf die Arme. »Aber ich muss dir leider mitteilen, dass auch etwas sehr Tragisches geschehen ist.«

Jamie blieb fast das Herz stehen, und für einen Moment lang war er außerstande, etwas zu erwidern. Dann riss er sich von Kenneth los und sah den anderen Männern prüfend ins Gesicht. »Wenn meinem Vater nichts zugestoßen ist, wem dann? Einem meiner Brüder?«

Die drei Männer wechselten einen Blick.

Einen ungemein bedeutungsvollen Blick.

Einen Blick, der so beredt war, dass sie Jamie damit mehr ängstigten, als wenn ihm ein Schwert an die Kehle gehalten geworden wäre. Einen grauenvollen Augenblick lang sah er die Gesichter seiner neun Brüder vor sich und ihm schwindelte, als würde er ohnmächtig. Bevor das jedoch geschehen konnte, nahm Sir Lachlan die Taschenflasche von seinem Gürtel und drückte sie Jamie in die Hand.

»Trink das«, forderte er ihn mit grimmiger Miene auf. »Die ganze Flasche, wenn du kannst.«

Jamie ließ sich nicht lange bitten und stürzte den scharfen uisge beatha so schnell hinunter, dass der starke Highland-Schnaps ihm die Kehle verbrannte und die Tränen in die Augen trieb.

Die letzten Tropfen noch auf der Zunge, straffte er die Schultern und bereitete sich auf das Schlimmste vor. »Sagt mir die Wahrheit«, bat er, die Flasche fest mit einer Hand umklammernd. »Welcher meiner Brüder ist tot?«

»Es betrübt mich, es dir sagen zu müssen, Junge.« Kenneth holte tief Luft und warf einen weiteren Blick auf den Boten. »Es geht nicht um einen deiner Brüder, sondern um alle. Sie sind im Wildwasser des Garbh Uisge ertrunken, als die alte Brücke unter ihnen zusammenbrach.«

»Nein, o Gott, nein!!!« Schock und Entsetzen erfassten Jamie und durchströmten ihn heiß und kalt, während sich in der kleinen Kammer eine beklemmende Stille ausbreitete, die bis auf das schrille Summen in seinen Ohren und das Heulen des Windes um die Burgmauern alle Geräusche auslöschte.

Und bis auf ein leises, unheimliches Stöhnen, das er erst als sein eigenes erkannte, als ein scharfer Schmerz ihm die Kehle zuschnürte und das Summen in seinen Ohren abbrach.

Kaum war es verstummt, taumelte er zurück und sackte, wie gelähmt vor Fassungslosigkeit, vor den aufeinandergestapelten Weinfässern zusammen. Seine Knie begannen zu zittern, sein Blick verschwamm, und alles um ihn herum zog sich zu einem wild herumwirbelnden schwarzen Nichts zusammen.

Zu einer Schwärze, die Übelkeit erregte und Angst machte, denn sie verhöhnte ihn mit aufblitzenden Bildern seiner Brüder, ihren im Tod kalten und grauen Gesichtern, dann wieder so, wie sie im Leben ausgesehen hatten.

Bilder von Neill, dem Ältesten, der das gleiche glänzende rötlich braune Haar wie Jamie hatte, die gleichen warmen braunen Augen. Selbstbewusst und stolz war Neill der hitzköpfigste von Jamies Brüdern. Nach Neill kam Kendrick, schlagfertig und verwegen, mit einem draufgängerischen Grinsen und der Fähigkeit, Aufsehen unter den Damen zu erregen, allein schon indem er ein Zimmer betrat.

Und nicht zu vergessen Hamish, der Träumer und heimliche Romantiker der Familie, still und gutmütig und zufrieden, wenn man ihn in Ruhe ließ, damit er sich den Geschichten über Mythen und Ritter und alte gälische Heldentaten widmen konnte. Und sechs weitere Brüder, die Jamie alle lieb und teuer waren und ihm in all den Jahren, in denen sein Vater ihn gemieden hatte, Kraft und Lebensmut gegeben hatten.

Sie waren sein ganzes Glück gewesen, sein einziger Trost, bis zu dem Tag, an dem er in die Heide aufgebrochen war, ein neues Zuhause gefunden hatte und als Knappe in die Dienste Duncan MacKenzies, des »Schwarzen Hirschen von Kintail« und Onkel seines jetzigen Lehnsherrn, getreten war.

Und nun lebten seine Brüder nicht mehr.

Jamie schloss die Augen und schluckte. Er konnte es nicht glauben, er würde ihren Verlust nie akzeptieren können, solange noch ein Atemzug in ihm war. Aber als er die Augen wieder öffnete und in die bekümmerten Gesichter der drei Männer sah, die in der Tür des Vorratsraumes standen, wusste er, dass alles wahr war, was sie ihm berichtet hatten.

Und trotzdem versuchte er, es zu leugnen.

»Das kann nicht sein. Meine Brüder kannten jedes Heidekrautgebüsch, jedes Torfmoor und jeden kleinen See, jeden Stein und Berghang unseres Landes«, sagte er und wünschte, der Raum würde endlich aufhören, sich um ihn zu drehen. »Sie haben diese Brücke jeden Tag benutzt und hätten es bemerkt, wenn sie einzustürzen gedroht hätte.«

Der Bote zuckte mit den Schultern und schien sich sehr unwohl in seiner Haut zu fühlen. »Man vermutet, dass die anhaltenden Regenfälle der letzten Zeit das Holz stark angegriffen haben. Die Planken waren alt und morsch, einige von ihnen sogar schon verrottet. Mit Verlaub, Sir, aber Ihr wart seit Jahren nicht mehr in Baldreagan. Diese Brücke musste wirklich dringend ausgebessert werden.«

Jamie kämpfte gegen seinen Schmerz an und maß den Boten mit einem langen, durchdringenden Blick. »Bist du sicher, dass sie tot sind? Alle neun? Besteht auch nicht der kleinste Zweifel?«

»Nein, Sir, tut mir leid.« Der Mann schüttelte den Kopf, und seine Worte ließen Jamies letzte Hoffnung schwinden. »Ich habe die Leichen mit eigenen Augen gesehen. Ich war selbst dabei, als sie aus dem Fluss gezogen wurden.«

Jamie nickte, außerstande, etwas zu erwidern.

Die Worte zerrissen ihm das Herz und ließen Bilder vor ihm erstehen, die er nicht verkraften konnte. Nur mit Mühe stieß er sich von den Weinfässern ab und ging an das schmale Fenster, froh über den kalten Windstoß, der ihn dort begrüßte, und den starken Geruch nach Regen.

Seine Finger krampften sich um seinen Schwertgürtel, als müsste er sich daran festhalten, während er in die Nacht hinaus und auf den dunklen Kiefernwald schaute, der sich unweit der Mauern Cuidrachs erhob. Als er seinen Blick auf die stillen Berge richtete, schluckte er wieder heftig und wünschte mit aller Macht, ihr Friede möge ihn beruhigen. Aber heute Abend verfehlte selbst die Schönheit von Kintail ihre Wirkung.

Ja, Jamie war sogar überzeugt, dass nicht einmal der schönste, mit süß duftendem Heidekraut bestandene Hang ihn heute hätte beruhigen können. Er konnte nur daran denken, dass bis vor wenigen Minuten seine einzige Sorge gewesen war, seine Geburtstagstunika rechtzeitig umzunähen, und nun ... Er umklammerte seinen Gürtel noch fester und seufzte schwer, als Cuillin, sein treuer alter Hund, ihn winselnd mit der Nase anstieß, bis er sich bückte, um dem Tier den strubbeligen Kopf zu streicheln.

Cuillin blickte mit besorgten Augen zu ihm auf und fegte mit seinem buschigen Schwanz über die Binsenstreu am Boden. Neill hatte ihm den Hund geschenkt, erinnerte Jamie sich und erschauderte bei der Erinnerung daran. Doch kaum klang das Erschauern ab, war sein Entschluss gefasst, und er wandte sich an die drei Männer.

»Es ist nicht meine Art, mich dort aufzudrängen, wo ich nicht erwünscht bin«, begann er nach einem kurzen Räuspern und straffte die Schultern. »Ich werde nach Baldreagan reiten, ob meinem Vater meine Anwesenheit nun recht ist oder nicht. Ich muss meinen Brüdern die letzte Ehre erweisen. Das bin ich ihnen schuldig.«

Zu seinem Erstaunen verzog sich der Mund des Boten zu einem etwas verlegenen Lächeln. »Ich bin froh, das zu hören«, sagte er, während er einen Schritt auf Jamie zuging. »Denn zufällig habe ich Euch auch noch etwas anderes als schlechte Neuigkeiten mitgebracht.«

Er unterbrach sich und warf sich ein bisschen in die Brust. »Genau genommen habe ich Euch sogar etwas zu berichten, das von größtem Interesse für Euch sein dürfte.«

Jamie zog nur eine Braue hoch und sagte nichts.

Ohne sich von diesem Schweigen beirren zu lassen, griff der Bote unter seinen Umhang und zog eine mit einem Band verschnürte und mit Wachs versiegelte Pergamentrolle hervor. »Etwas, bei dem es Euch vielleicht ein wenig leichter ums Herz wird. Denn seht, ich habe hier einen Brief ...«

»Von meinem Vater?«, fiel Jamie ihm ungläubig ins Wort.

Der Bote schüttelte den Kopf. »Euer Vater ist gar nicht in der Verfassung, Briefe zu schreiben. Dieser hier ist von meinem Herrn, Laird Matheson. Aber er schickt ihn Euch im Namen Eures Vaters und aus Höflichkeit Euch gegenüber.«

Jamie betrachtete den Brief skeptisch. »Mein Vater und Alan Mor haben sich nie verstanden. Mir als nächstem Nachbarn einen Brief zu schicken, um mich über den Tod meiner Brüder zu unterrichten, da mein Vater dazu nicht fähig ist, ist eine Sache. Aber mir im Namen meines Vaters einen Brief zu schreiben? Aus Höflichkeit mir gegenüber? Nein, das kann ich nicht glauben.«

»Bei meiner Seele, Sir, es ist die Wahrheit.« Der Bote hielt Jamie das Pergament hin. »In den Jahren Eurer Abwesenheit hat sich viel geändert – wie dieser Brief beweisen wird. Vielleicht werdet Ihr sogar angenehm überrascht sein.«

Jamie unterdrückte einen Fluch, weil er seinen Kummer nicht an einem unschuldigen Boten auslassen wollte. »Dieser Tag hat mir schon genug Überraschungen gebracht«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß nicht, ob ich noch mehr erfahren will.«

Aber dann nahm er die Pergamentrolle doch und strich mit dem Daumen über das wächserne Siegel. »Allerdings muss ich zugeben, dass ich neugierig bin.«

»Dann lies den Brief«, ermunterte ihn Kenneth. »Was der Mann sagt, klingt vernünftig, Jamie. Vielleicht wäre jetzt genau der richtige Moment, um mit deinem Vater Frieden zu schließen und endlich einen Strich unter der Vergangenheit zu ziehen.«

Das habe ich mein Leben lang versucht, hätte Jamie fast entgegnet. Aber stattdessen brach er das Siegel auf und entrollte das Pergament. Um besser sehen zu können, trat er unter eine Wandfackel, und eine seltsame Mischung aus Erstaunen und Bestürzung regte sich in ihm, als er die schnörkeligen, mit schwarzer Tinte geschriebenen Zeilen überflog.

Während er las, beschlich ihn eine leichte Verärgerung darüber, dass er erst jetzt, unter solch tragischen Umständen, daheim willkommen sein sollte. Was den Rest betraf ... Verblüfft schaute er von dem Brief auf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

Als er etwas sagen wollte, blieben ihm die Worte im Halse stecken, denn die Ironie seiner Situation raubte ihm schier die Sprache. Falls Alan Mor nicht irgendein grausames Spiel mit ihm trieb, war alles, was er sich je gewünscht hatte, mit einem Mal zum Greifen nahe.

Vorausgesetzt, er tat, was man von ihm verlangte.

Zum ersten Mal in seinem Leben offenbar in großer Gunst stehend, wandte sich Jamie an den Boten und bemühte sich, nicht die Stirn zu runzeln. »Du weißt, was in dem Schreiben steht?«, fragte er. Der Mann nickte. »Ist es wahr, dass mein Vater und Alan Mor ein Bündnis geschlossen haben? Eines, das mit der Heirat meines Bruders Neill und Alan Mors ältester Tochter besiegelt werden sollte?«

Wieder nickte der Mann. »Ja, so ist es. So wahr ich hier vor Euch stehe.« Er nahm den Becher Bier, den Sir Lachlan ihm anbot, und trank einen großen Schluck, bevor er fortfuhr: »Euer Vater braucht Euch und fragt jeden Tag, ob Ihr schon eingetroffen seid. Er wird täglich schwächer und will nicht einmal mehr sein Schlafgemach verlassen. Wir alle hoffen, dass Eure Rückkehr seine Lebensgeister wieder wecken wird.«

Nach einem Moment des Zögerns trat der Mann näher und legte verschwörerisch die Hand auf Jamies Arm. »Und natürlich ist es auch unser aller Wunsch, dass das Bündnis zwischen den beiden Clans bestehen bleibt.«

»Durch meine Ehe mit dieser Aveline?«

»Nun, Sir, welches andere Mädchen würdet Ihr denn wollen?«, entgegnete der Bote leicht pikiert und straffte seine Schultern. »Der armen Sorcha hat Neills Verlust das Herz gebrochen, und sie ist im Übrigen auch viel zu alt für Euch. Die anderen Schwestern sind bereits verheiratet. Es kann nur Aveline sein – sie ist die Jüngste. Und noch Jungfrau.«

Jamie sah den Mann befremdet an und hätte schwören können, dass er spürte, wie sich ein eisernes Joch auf seine Schultern legte.

Was kümmerte es ihn, ob Aveline Matheson noch jung an Jahren war ... Und ob sie noch Jungfrau war, interessierte ihn schon gar nicht.

Er erinnerte sich noch gut an die Mädchen von Fairmaiden Castle, wenn auch bedauerlicherweise nicht an ihre Namen. Aber wenn er sich recht entsann, gab es nicht eine Einzige unter ihnen, der er in einer mondlosen Nacht würde begegnen wollen. Und schon gar nicht eine, mit der er gern das Lager teilen würde.

Sich an eine solche Frau zu binden, würde sich als der sicherste und schnellste Weg ins Unglück herausstellen.

Aber er wollte seinen Vater sehen. Und ihm helfen, falls er konnte.

Jamie seufzte und glaubte zu spüren, wie sich das Joch noch schwerer auf seine Schultern legte. »Ich hätte nie gedacht, dass ich meinen Vater in diesem Leben noch einmal wiedersehen würde. Jedenfalls nicht, weil er behauptet, mich zu brauchen. Und was diese Ehe mit einer von Mathesons Töchtern anbelangt ...«

»Oh, aber Aveline ist eine mehr als nur hübsch anzusehende junge Frau, und sie ist sehr temperamentvoll«, warf der Bote ein und verstellte Jamie den Weg, als dieser wieder zum Fenster zurückgehen wollte. »Außerdem bringt sie eine sehr ansehnliche Mitgift mit. Erstklassiges Weideland für die Rinder Eures Vaters. Ich versichere Euch, dass Ihr es nicht bereuen werdet. Das schwöre ich Euch beim Leben meiner Söhne.«

»Ich werde darüber nachdenken«, räumte Jamie ein und gab sich die größte Mühe, sein Unbehagen zu verbergen.

»Warum gehst du nicht in den Großen Saal, um etwas zu essen und ein paar Stunden zu schlafen?« Kenneth legte dem Boten eine Hand auf die Schulter und führte ihn zur Tür. »Morgen früh wird Jamie dich dann seine Entscheidung wissen lassen.«

Nachdem der Mann gegangen war, wandte Kenneth sich Jamie zu, schaute ihn an und zog eine seiner dichten schwarzen Brauen hoch. »Nachdem du dein Leben lang versucht hast, die Gunst deines Vaters zu gewinnen, wüsste ich gern, warum du so blass geworden bist, als du erfahren hast, dass der Mann dich plötzlich braucht? Dich beunruhigt doch wohl nicht dieses Gerede über eine Heirat?«

Jamie verschränkte die Arme vor der Brust, als er spürte, wie ihm eine heiße Röte in den Nacken stieg. Verflucht sollte sie sein, seine verdammte Ritterlichkeit – aber er konnte sich nicht dazu überwinden, seine Bedenken auszusprechen.

Oder zuzugeben, dass er lieber seine Männlichkeit verschrumpeln und vertrocknen sehen würde, bevor er sich gezwungen sähe, einer der Töchter Alan Mors beizuwohnen.

Sofern er überhaupt imstande dazu wäre!

»Ach komm, nun mach nicht so ein verdrossenes Gesicht.« Sir Lachlan nahm Jamie den Brief ab und überflog ihn rasch. »Hier steht nichts, was dich zu irgendetwas verpflichtet«, erklärte er, als er wieder aufblickte. »Du musst nichts tun, was du nicht willst.«

Und genau das war Jamies Problem.

Denn er wollte nach Hause zurückkehren, am liebsten noch heute. Er wollte es so sehr, dass ihm vor Freude schier das Herz zersprang. Aber wenn er erst einmal dort war, würde es ihm schwerfallen, seinen Vater zu enttäuschen.

Oder Aveline Matheson.

Falls ein solches Bündnis wirklich seine Mitwirkung erfordern sollte. Denn das Problem war, dass er nach einem strengen Ehrenkodex lebte, der es ihm nicht erlaubte, eine unschuldige junge Frau in Verlegenheit zu bringen.

Nicht einmal dann, wenn die Rücksichtnahme auf ihre Gefühle auf Kosten seiner eigenen ging.

Und außerdem waren Vernunftehen ohnehin die Regel. Bis auf wenige Ausnahmen erlaubte sich nur das gemeine Volk den Luxus, eine reine Liebesehe einzugehen.

Mit einem resignierten Seufzer griff er nach seiner neuen Tunika und legte sie trotz der unfertigen Säume an. »Wir alle wissen, dass ich das Mädchen heiraten werde, falls mein Vater es wünscht«, sagte er, schon auf dem Weg zur Tür. »Also werde ich morgen in aller Frühe nach Baldreagan aufbrechen und Alan Mor aufsuchen, sobald ich meinen Vater gesehen habe.«

Nachdem er den anderen seine Entscheidung mitgeteilt hatte, betrat er den Großen Saal und blieb für einen Moment stehen, um dessen verrauchte, von Fackeln erhellte Wärme auf sich wirken zu lassen. Diese ganz alltäglichen Freuden, die seine Brüder nie wieder erleben würden. Verglichen mit ihrem Schicksal kam ihm sein eigenes mehr als akzeptabel vor.

Solange diese Aveline nicht von ähnlich großer Statur war wie er, würde er schon einen Weg finden, sie irgendwie zu erdulden.

Zumindest hoffte er das.

2. Kapitel

Jamie wusste sofort, dass er in Schwierigkeiten war, als er auf dem mit Stechginster bestandenen Hügel sein Pferd anhielt und die dunklen Berge betrachtete, die sich um ihn herum erhoben. Nebel waberte in den Talsenken, und dieser Anblick beflügelte seine Seele und krampfte ihm das Herz zusammen.

Die Berge hießen ihn willkommen.

Es war, als umarmten sie ihn auf eine altvertraute Weise und hielten ihn so fest umschlungen, dass Jamie fast der Atem stockte, und er hätte schwören können, dass er sie erst an ebendiesem Morgen verlassen hatte.

Er wünschte nur, es wäre so, als er die Tränen zurückdrängte, die hinter seinen Lidern brannten. Stärker als je zuvor in seinem Leben fühlte er jetzt, dass der Ruf der Berge und Moore selbst die schwersten Sorgen endlos weit weg erscheinen lassen konnte.

Hinter Jamie regte sich Cuillin, sein alter Hund, in seinem Weidenkorb am Sattel. Fast schien es, als spürte auch er eine deutliche Veränderung in der Luft.

Als wüsste er, genau wie Jamie, dass sie wieder zu Hause waren.

Und das waren sie, daran bestand nicht der geringste Zweifel.

In der zunehmenden Abenddämmerung konnte Jamie schon die fernen, gelb schimmernden Lichter von Baldreagan sehen, die von seinem hohen Aussichtspunkt aus kaum mehr als miteinander verwobene helle Punkte waren, aber dennoch sein Zuhause.

Der einzige Ort auf Erden, von dem er geglaubt hatte, er würde ihn nie wieder sehen.

Der Ort, von dem er gewusst hatte, dass er ihn bis an sein Lebensende vermissen würde.

»Gott im Himmel«, flüsterte er, und ein schier unglaubliches Gefühl der Zugehörigkeit begann ihn zu erfassen.

Duthchas wurde dieses Gefühl genannt. Die unverbrüchliche Treue eines Highlanders zu seinem Heimattal, ein tief verwurzeltes Gefühl des Einsseins mit dem Land seiner Vorfahren.

Es war wie ein Rufen, das Jamie mit jeder Faser seines Körpers spürte.

Die Brust war ihm so eng geworden, dass er versucht war, aus dem Sattel zu steigen und die moosbedeckte Erde zu küssen. Vielleicht hätte er es sogar getan, aber er wollte den alten Cuillin nicht erschrecken.

Deshalb begnügte er sich damit zu schauen und wünschte, der Grund für seine Rückkehr könnte ein erfreulicherer sein.

Doch selbst hier oben, am nördlichen Ausläufer des Kintail und noch ein gutes Stück vom Garbh Uisge entfernt, zerriss das Brüllen des reißenden Flusses die Stille der Nacht. Ein schauriges Geräusch, das Jamie auszuhöhlen schien und eine Leere in ihm erzeugte, von der er nicht glaubte, sie je wieder füllen zu können.

Fluchend hielt er sich die Ohren zu.

Und dann umklammerte er die Zügel so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten.

So weiß wie das Mondlicht, das auf die dunklen Umrisse der Berge fiel; schimmernde Silberstreifen, die in der sanften Brise wie sanfte Wellen dahinflossen und deren Schönheit ihm das Herz zusammenzog.

Besonders, als einer dieser schimmernden Silberstreifen eine überaus lieblich anzusehende weibliche Gestalt annahm.

Jamie blinzelte.

So etwas hatte er noch nie gesehen.

Aber er wäre kein Highlander, würde er dieses Wunder nicht erkannt haben. Diese Erscheinung, die so alt war wie die Felsen und das Heidekraut, aber auch so selten, dass Jamies ganze Welt ins Schwanken geriet.

Ihm stockte der Atem, und er griff mit einer Hand hinter sich und krallte seine Finger in das zottelige Fell des alten Cuillin. »Bei Gott und allen Heiligen!«, flüsterte er. »Eine Fee!«

Ja, daran bestand nicht der geringste Zweifel.

Nur eine der Daoine Sithe konnte so zartgliedrig und von dieser exquisiten Schönheit sein.

Leichtfüßiger als jedes andere weibliche Geschöpf auf Erden lief die schöne Fee über eine vom Mondlicht erhellte Lichtung – fast schien es, als würden ihre zierlichen Füße nicht einmal den Erdboden berühren.

Gott, sie sah so winzig aus, dass Jamie bezweifelte, ob sie ihm auch nur bis an die Brust reichen würde, wenn er vor ihr stünde. Ihre schlanke, feingliedrige Gestalt bewegte sich mit unvergleichlicher Anmut. Das offene Haar schimmerte wie helle Seide und fiel ihr in schimmernden weichen Wellen bis auf die Hüften. Jamie unterdrückte ein Stöhnen, denn er wollte es unbedingt vermeiden, die Aufmerksamkeit der Fee zu erregen.

Aber er nahm ihren Duft in der kühlen Nachtluft wahr.

Einen Duft, der ihn an Sommer und Veilchen und vom Tau geküsstes Gras erinnerte.

Ja, sie musste ihn verzaubert haben.

Denn obwohl er sie nur aus der Ferne beobachtete, wurde er von dem unwiderstehlichen Wunsch erfasst, ihr nachzureiten, um ihr im Mondlicht silbern glänzendes Haar zu berühren, seine Finger in den seidenen Strähnen zu vergraben und zu fühlen, dass es so weich war, wie es aussah.

Oder um zu sehen, ob ihre Augen so saphirblau waren, wie er glaubte. Und die Spitzen ihrer Wimpern wirklich wie in Gold getaucht aussahen.

Und vielleicht würde er sie auch küssen. Vorausgesetzt natürlich, dass ein Sterblicher ein solch ätherisches Geschöpf überhaupt berühren konnte.

Augenblicklich zogen Jamies Brauen sich zusammen, und der Zauber war gebrochen.

Eine heiße Röte stieg in seinen Nacken, und sein wild pochendes Herz begann sich zu beruhigen. So groß, wie er war, und so zerbrechlich, wie sie wirkte, würde allein schon ein leichter Atemzug von ihm sie verletzen können.

Und seine Dreistigkeit, sich derartigen Gedanken über eine Sithe hinzugeben, würde ihn mit Sicherheit in irgendein verwunschenes Feenschloss bringen, wo er, mit unlösbaren goldenen Banden gefesselt, gefangen gehalten würde oder, was genauso unerfreulich wäre, für hundert Jahre oder länger in einen tiefen Schlaf versetzt werden würde.

Solche Dinge geschahen, das wusste jeder.

Erschaudernd rieb Jamie sich seinen Nacken.

Der Mond verschwand hinter einer Wolke, und als er wieder hervorkam, war die Lichtung leer und die Nacht wieder genauso still wie vorher.

»Das ist doch ...!« Jamie stieß den Atem aus, den er unwillkürlich angehalten hatte, und kniff die Augen zusammen, aber die Fee blieb verschwunden.

Nur der dunkle Streifen eines munter dahinplätschernden Baches bewegte sich zwischen den hohen Birken und dem Gesträuch.

»Der Himmel ist mein Zeuge ... hast du sie auch gesehen, Cuillin?« Jamie drehte sich im Sattel um und kraulte seinem Hund die Ohren, wobei ihm nicht entging, dass Cuillins alte Augen zu genau derselben Stelle hinüberblickten, an der die Fee verschwunden war.

Oder dass der alte Hund mit der Rute wedelte.

Einen weiteren Beweis für das Gesehene brauchte Jamie nicht.

Er konnte dem alten Hund auch keinen Vorwurf daraus machen, so verzückt zu sein. Die Fee war wirklich traumhaft schön gewesen. Selbst wenn sie von Kopf bis Fuß in Gold und Mondstrahlen gehüllt und ihr schimmerndes Haar mit Sternen übersät gewesen wäre, hätte sie nicht schöner sein können.

Und als Jamie genauer darüber nachdachte, beschloss er, dass das eine durchaus angemessene Beschreibung für sie war.

Und er war auch überzeugt, dass sie nach süßem Nektar und Verführung schmecken würde. Jamie war ein Mann, der nicht für seine schönen Worte, sondern für seinen ungewöhnlich großen Körperbau und seine Geschicklichkeit im Umgang mit dem Schwert bekannt war. Aber diese schöne Fee inspirierte sogar ihn zu poetischen Gedanken.

Doch trotzdem hörte er auf, an die Fee zu denken, als sein Blick auf einen anderen hellen Schimmer in der Dunkelheit fiel. Denn dieser war so irdisch und real wie die Highlands und durchflutete ihn mit Erinnerungen. Er brachte Erlösung mit sich, aber leider auch wieder diese schmerzhafte Enge in Brust und Kehle, die ihn schon quälte, seit er von Cuidrach aufgebrochen war.

Ein Unbehagen, das immer stärker wurde, je weiter er nach Norden ritt.

Mit grimmiger Miene richtete Jamie sich auf und wischte sich über die feuchten Wangen, ohne den Blick von den dicken weiß getünchten Mauern einer kleinen Kate abzuwenden, die durch die Stämme der uralten kaledonischen Kiefern, die am Fuß des langen, steinigen Hanges vor ihm standen, kaum zu sehen war. Torfrauch stieg in einer dünnen blauen Säule von dem mit Steinen beschwerten, strohgedeckten Dach der Kate auf, und Jamie war beinahe sicher, dass er auch das Blöken von Schafen hören würde, wenn er seine Ohren anstrengte. Und vielleicht sogar die leisen Töne einer Fiedel.

Wenn er sich wirklich konzentrierte, würde er sogar den würzigen Geruch von Markknochenbrühe oder Hammeleintopf wahrnehmen.

Denn diese kleine Kate gehörte Hughie Mac. Schon in Jamies Jugend war Hughie ein steinalter Mann gewesen, mit einem gnomähnlichen Körper, der fast ebenso knorrig und verkrümmt war wie die hohen, alten Kiefern, die sein Haus abschirmten. Aber Hughie hatte auch Augen voller Schalk, in denen stets ein Lächeln stand. Einst war er der bevorzugte Viehhirte von Jamies Großvater gewesen, ein Junge, der sehr geschätzt gewesen war für sein Geschick im Umgang mit den Tieren, aber sogar noch mehr für die zauberhaften Melodien, die er den Saiten einer Fiedel entlocken konnte.

Und auch für das herzliche Willkommen und freundliche Lächeln, das er stets für Jamie bereitgehalten hatte, besonders, wenn diesem die Welt wieder einmal unerträglich finster vorgekommen war.

Für einen Moment war Jamie versucht, zu Hughies Haus hinabzureiten, an seine Tür zu klopfen und, falls der alte Hirte aufmachte, ihn in die Arme zu schließen und bis zum nächsten Morgen nicht mehr loszulassen.

Hughie würde ihn auf jeden Fall freundlich willkommen heißen.

Wie das bei Jamies Vater sein würde, blieb noch abzuwarten.

Und das machte ihn verdammt nervös. Besonders, seit er die Fee gesehen hatte. Deshalb straffte er die Schultern und ritt weiter, um es hinter sich zu bringen. Er stieß seinem Pferd die Knie in die Flanken, trieb es die unebene, steinige Anhöhe hinunter und mitten durch die Rinderherde seines Vaters, die erschrocken auseinanderstob.

Eine hochgewachsene Gestalt in einem Umhang, das Gesicht von einer Kapuze beschattet, starrte ihn vom Rand der aufschreckten, wild durcheinanderlaufenden Herde entsetzt an.

Eine hochgewachsene weibliche Gestalt.

Jamie war so überrascht, dass er sich einen verrückten Augenblick lang fragte, ob auch sie eine der Feen sein mochte. Oder ob Hughie Mac noch immer seinen Spaß mit hübschen jungen Frauen hatte. Aber als Jamie auf die Frau zuritt, konnte er sehen, dass sie ebenso von dieser Welt war wie er.

Und sie war das reizloseste weibliche Wesen, das ihm je begegnet war.

Außerdem hatte er noch nie jemanden gesehen, der so zutiefst verängstigt war.

»Nicht!«, kreischte sie, während sie vor ihm zurückwich. »Komm um Himmels willen nicht in meine Nähe – bitte nicht!«

Um Himmels willen. Genau das dachte Jamie auch.

Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er in dem ungalantesten Winkel seiner Seele alle Heiligen zu Hilfe rief, dass diese Walküre sich nicht als Aveline Matheson herausstellte.

Was wegen der Nähe zu Fairmaiden Castle durchaus möglich war.

Dennoch zügelte er sein Pferd vor der Frau und schwang sich aus dem Sattel. Das verlangten allein schon Ehre und Anstand. Aber zu seinem Erstaunen riss die Frau die Augen nur noch weiter auf und hob furchtsam eine Hand, als versuchte sie, eine Horde fliegender Gespenster abzuwehren.

»Gott erbarme sich meiner!«, jammerte sie, und Jamie konnte im Schein des Mondes sehen, wie leichenblass sie wurde. »Ich ...«

»Ihr müsst eine der jungen Damen von Fairmaiden sein.« Jamie legte seine Hände auf ihre Arme, um sie zu beruhigen. »Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben. Seht Ihr den Hund dort drüben?«, fragte er und zeigte mit dem Kopf in Cuillins Richtung. »Welcher böse Geist würde schon mit einem alten, halb blinden Hund durch diese Berge reiten? Ich bin James von der Heide und kehre heim, um ...«

»Dem Himmel sei Dank!« Die Frau blinzelte ihn erleichtert an, und allmählich kehrte auch die Farbe in ihr Gesicht zurück. »I-ich dachte, Ihr wärt Neill.«

Jamie schluckte, als er den Namen seines Bruders hörte. Er hatte unaufhörlich an seine Brüder denken müssen, seit er die Grenze zu den Ländereien der Macphersons überschritten hatte.

Über sie zu sprechen, und wenn auch nur über einen von ihnen, war etwas, wovon er sich nicht sicher war, ob er es konnte.

Noch nicht.

Aber seine Ritterehre und die tränenverschleierten Augen der Frau veranlassten ihn, ihr sanft die Wangen zu trocknen.

»Ihr kanntet Neill?«, fragte er, obwohl es ihn enorme Überwindung kostete, den Namen auszusprechen.

Sie zuckte zusammen und biss sich auf die Lippen, als sie nickte. Dann füllten ihre Augen sich erneut mit Tränen, und ihre Reaktion legte die Vermutung nahe, wer sie war.

»Ich bin Sorcha«, sagte sie leise und bestätigte damit Jamies Verdacht. »Bis vor Kurzem war ich Neills Verlobte und die glücklichste Frau hier in diesen Bergen.«

Ihre Augen waren wie tiefe, dunkle Seen, als sie Jamie ansah. »Er war groß und schön. Ein kühner, aufrichtiger Mann, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte. Aber wer hätte auch vorhersehen können ...« Offensichtlich außerstande, weiterzusprechen, verstummte sie und presste für einen Moment die Hand auf den Mund.