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Hauptkommissar Jochen Waldschütz besucht seine Kneipe "Schmidener Eck" und lernt dort Biggi Jansen kennen, die angeblich als Managerin bei einer Hamburger Reederei arbeitet. Die beiden verlieben sich und genießen die wenige gemeinsame Zeit. Beruflich hält die beiden Kommissare Degelmann und Waldschütz die Entführung der Gattin eines Managers auf Trab. Die Beamten sind wegen des Verhaltens des Vorstands einer Waffenfirma entsetzt, dem das Schicksal der Ehefrau gleichgültig zu sein scheint. Es kommt letztendlich zur Geldübergabe, die für Waldschütz zu einer unglaublichen Offenbarung wird.
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Seitenzahl: 113
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Feuer der Liebe - Feuer des Todes
Band 4 der WADE - Krimis
von
Georg Braun
Georg Braun
1. Edition, 2020
ISBN:
Coverbild: Matthias Neufeld.
© 2020 All rights reserved.
Kapitel 1
Der vierzigjährige Jochen Waldschütz hatte in seinem Leben einiges durchgemacht und erfahren, viele Enttäuschungen waren darunter, die ihn gestählt hatten.
An jenem dritten März des Jahres 2020 schien einiges anders geworden zu sein. Er wollte sich mal wieder etwas gönnen und begab sich in eine Kneipe.
Das „Schmidener Eck“ in der Schmidener Straße hatte schon eine wichtige Rolle im Leben des Hauptkommissars eingenommen: Trostpunkt. Immer wenn er einen Misserfolg verbuchte, was Gott sei Dank bisher nicht häufig vorkam, schlich er in diese Wirtschaft und ertränkte den gekränkten Stolz in Bier und Wodka. Letzterer sollte die nach etwas fünf Bieren übrig gebliebenen Leidgefühle abtöten.
Hans – Peter Ringwald, von allen nur Hape genannt, der Wirt der Trostherberge, spendierte seinem Freund Jochen für den Heimgang noch einen Absacker, meist einen Grappa. Damit der edle Hauptkommissar sicher zu Hause im Gesundbrunnen 21 ankam, orderte Ringwald zusätzlich ein Taxi. Alles klappte wunderbar, man kannte sich und konnte sich aufeinander verlassen: Waldschütz auf Ringwald und dieser auf die Taxifahrer.
Der dritte März, ein Dienstag, hatte die Kraft, das Leben eines Menschen zu verändern. Am Tresen saß neben Waldschütz eine Dame, die er zunächst nicht beachtete, nicht sehen wollte, weil er mit den Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts seine eigenen, meist schlechten Erfahrungen gemacht hatte.
Hape wollte schon die Ohren auf Empfang stellen und die Leidensgeschichte nach Jochen anhören, als die Dame am Tresen diese Aufgabe an sich zog und Waldschütz ansprach: „Hi, ich bin die Biggi.“
„Tag“, antwortete der Hauptkommissar und wollte sich wegdrehen. Doch der Anblick der Dame, den er sich höflicherweise abgerungen hatte, versetzte ihn in ein ungekanntes Staunen. Ein Gesicht mit einer entzückenden Schönheit, ein anmutiges Lächeln, kristallklare blaue Augen lächelten ihn an und verzauberten ihn in eine Schockstarre, aus der er für einen Moment nicht mehr herauskam. Er genoss diesen einmaligen Augenblick einer unglaublich schönen Frau, die mit einem Mal ein verschlossenes Herz öffnete und zum Pochen an schubste. Er fühlte die Schmetterlinge im Bauch kribbeln, ein völlig unbekanntes Gefühl. Er war hin und weg und hatte seinen Mund vor Staunen weit geöffnet. Nichts würde ihn schließen. So fasziniert war der Mann, der sich nie mehr vorstellen konnte, sich noch ein einziges Mal zu verlieben.
Biggi lächelte ihn auch an, scheinbar hatte sie das Antlitz des Hauptkommissars in ihren Bann gezogen. Für sie besaß Jochen Waldschütz eine Anziehungskraft eines brutal starken Magneten, der sie nicht entkam. Sie fühlte sich ihm offenbar hingezogen, so der Eindruck eines Beobachters, der nur Hape sein konnte, der Wirt des Schmidener Ecks und Zeuge einer unglaublichen Begegnung.
„Äh, ich bin Jochen“, antwortete Waldschütz nach gefühlt zehn Minuten, als er sich wieder gefangen und die Gefühle einigermaßen im Griff hatte.
Biggi und Jochen zogen sich zurück und begaben sich an einen Tisch. Sie starrten immer noch einander in die Augen, doch lächelten sie zwischendurch auch mal den anderen an. Ganz klar, sie hatten Feuer gefangen, sie wurden von Emotionen geschüttelt, die man nur jüngeren, hormongetränkten Turteltäubchen zugestanden hätte, aber niemals gestandenen Menschen.
Dem Hunger musste der ansonsten vorhandene Durst weichen, das Pärchen bestellte eine Kleinigkeit zu essen. Beide aßen einen großen Salat mit Putenstreifen. Während Hape und sein Team die Mahlzeit herrichteten, wollte Waldschütz seiner beruflich bedingten Neugier entsprechend nach den Lebenseckpunkten und Privatleben der neuen Bekanntschaft fragen.
„Ich bin die Brigitte Jansen, 35, und arbeitete als Managerin bei einem großen Chemieriesen in Darmstadt, wurde aber wegen angeblicher Misserfolge gekündigt.“
Die Augen Waldschützens leuchteten, eine erfolgreiche Frau saß ihm gegenüber.
„Und ich bin Jochen Waldschütz und bin Hauptkommissar bei der Kripo hier in Stuttgart.“
„Ein veritabler Bulle“, schmunzelte Biggi, „den
hätte ich nie in dir vermutet. Du wirkst so einfühlsam und hast zivile Manieren.“
Waldschütz staunte. Wie konnte sie so über Polizisten denken?
„Hast du also Erfahrungen gemacht mit Kollegen?“
„Nur aus der Ferne als Beobachterin. Sonst nicht.“
Die aufgewühlten Nerven des Kommissars beruhigten sich wieder. Erleichtert lächelte er Biggi an und war froh, dass er durch das mittlerweile gebrachte Essen abgelenkt wurde.
Sie unterhielten sich über die Erfahrungen in Beziehungen und auf beruflicher Ebene. Sehr sympathisch. Waldschütz war Feuer und Flamme, noch nie fühlte er sich so angenommen und verstanden wie an dem Abend. Er wagte einen Versuch, der drei Stunden zuvor undenkbar gewesen wäre: Er verbrachte die Nacht mit einer Frau bei sich zu Hause. Ein Feiertag im Leben des Hauptkommissars, der einen Seltenheitswert hatte.
Kapitel 2
Die Liebesnacht hatte Jochen Waldschütz der Sinne beraubt. Er genoss die Zärtlichkeiten ebenso wie den anschließenden erfüllenden Sex. Biggi und Jochen waren in dieser Nacht ein Liebespaar geworden. Das dachte der Hauptkommissar auch noch, als er am Morgen aufwachte und alleine im Bett lag.
„Biggi?“, rief er und hoffte auf eine Antwort oder Reaktion aus dem Bad oder der Küche. Er wurde enttäuscht, stattdessen fand er auf dem Küchentisch einen Zettel mit folgendem Inhalt: Danke für die wunderbare Nacht. Musste weg, habe ein Vorstellungsgespräch in Hamburg. Ciao, Biggi. Sie hinterließ noch ihre Handynummer, die Waldschütz wieder in eine betäubende Ruhe versetzte. Er durfte Hoffnung auf ein Wiedersehen haben, er hatte die Chance, Biggi anzurufen. Er schrieb noch eine SMS mit Viel Erfolg. Bussi, Jochen und hoffte auf eine baldige Antwort. Zumindest wartete er auf diese, als er den Happen hinunterschlang, der sein Frühstück sein sollte. Den Kaffee zog er eine halbe Stunde danach im Präsidium am Automaten, die erste Flumme rauchte er im Wagen auf der Fahrt zur Arbeit.
Er checkte noch den Geldbeutel und war sichtlich erleichtert, dass er die Geldscheine, welche er meinte, dort eingesteckt zu haben, vorfand. Zur weitergehenden Wohnungskontrolle war keine Zeit, außerdem blendete die Liebesnacht jegliche Zweifel an der Integrität der neuen weiblichen Errungenschaft aus.
Oberkommissarin Karin Degelmann erwartete ihren Kollegen sehnsüchtig im Büro. Die Arbeit der Polizei hatte die seltsame Angewohnheit, nicht geringer zu werden, das hieß, die Kriminellen wollten nicht aussterben. Für die beiden Beamten wie auch die Kollegen die sichere Garantie ihres Arbeitsplatzes und damit des Einkommens.
„Du bist aber spät heute“, begrüßte Degelmann ihren Zimmergenossen.
„Sonst bist du es“, konterte Waldschütz und sorgte für ein schmunzelndes Schweigen bei der Kollegin.
Erst musste der Kaffee in den Magen geschüttet werden, vorher streikten die Denkkräfte des Hauptkommissars.
Die Oberkommissarin kannte die Angewohnheit, schätzte sie aber nicht. Doch sie hatte auch das eine oder andere Laster, mit dem sie Waldschütz konfrontierte, ohne die Bereitschaft, daran etwas zu ändern.
Waldschütz lächelte sein Gegenüber strahlend an, Degelmann zeigte sich sichtlich irritiert, weil sie dieses Verhalten an ihrem Kollegen nie entdeckt hatte.
„Ist was? Du strahlst so!“
„Darf ich mich nicht freuen?“
„Doch. Ich würde mich gerne mit dir freuen“, hieß, ihre Neugier wollte befriedigt werden und Waldschütz sollte endlich mit der Sprache rausrücken, womit er noch zögerte. Er war nicht der Typ, der sein Innerstes nach außen kehrte. Er musste nachdenken, ob er sich mit der Preisgabe des amourösen Erlebnisses kein Eigentor schoss.
Karin Degelmann wollte nicht länger auf die Folter gespannt werden. „Na los, erzähl schon.“ Waldschütz genoss den Moment, in dem er Degelmann zappeln lassen konnte und schmunzelte.
Dann schwiegen sie sich an, die Oberkommissarin tat, als ob sie sich in eine Akte vertiefen würde, blickte verstohlen auf und hoffte auf den Augenblick, wo Waldschütz sich erbarmte und einen Ruck gab. Diesem Wunsch wollte Waldschütz nicht nachgeben, zumindest nicht vollumfänglich. Er und Degelmann kannten sich schon seit einiger Zeit, das hieß aber nicht, er müsste ihr sein Intimleben breittreten.
Nach etwa fünf Minuten verlor der Hauptkommissar die Lust an dem quälenden Spiel und fasste Mut.
„Ja, ich habe jemanden kennengelernt. Zufrieden?“
„Wen? Was?“
„Sage ich, wenn daraus eine feste Beziehung geworden ist. Du wirst es als erste erfahren, versprochen.“
Dem Vorschlag musste sich selbst eine hartnäckige Oberkommissarin geschlagen geben.
„Was liegt an?“, fragte der Hauptkommissar.
„Entführung. Einer Frau wurde unter Androhung schwerer Gewalt das Geld genommen, anschließend fuhren die Täter mit ihr und ihrem Auto davon. Keine Spur.“
„Wer war das Opfer?“
„Judith Mollar. Ehefrau von Kai Mollar, der als Manager bei der Holunder AG beschäftigt ist.“
„Bei der Holunder AG? Die Waffen für Kriegsgebiete herstellen?“
„Scheint so. Dann haben wir es mit einem ganz großen Ding zu tun. Weiß May Bescheid?“
„Noch nicht. Ich werde das präsidiale Informationsbedürfnis umgehend stillen“, versprach Degelmann und kontaktierte Polizeipräsident Hans May.
Der war ganz aus dem Häuschen, dass endlich mal ein öffentlichkeitswirksamer Fall auf der Agenda stand.
„Ich werde den Generalbundesanwalt einschalten. Wir erhalten von dort die Anweisungen. Frau Oberkommissarin, Sie und Waldschütz haben sich strengstens daran zu halten, ist das klar? Keine Alleingänge.“
„Selbstverständlich, Herr Polizeipräsident.“ Sagte es und legte verdattert auf. So hatte Degelmann ihren wichtigsten Vorgesetzten am Ort noch nie erlebt. Er war ganz in seinem Element und erkannte die Chance, endlich wichtig zu werden.
Kapitel 3
Liebestrunkenes Schmatzen, Stöhnen ohne Ende. Waldschütz nutzte die Gelegenheiten, wie sie ihm vor die Flinte liefen, und legte Biggi flach. Die neue Liebe stand am Abend vor der Türe und Waldschütz brachte es nicht übers Herz, sie wegzuschicken, obwohl sie die SMS ignoriert hatte. „Weißt du, die ganze Zeit war ich beschäftigt. Assessment Center, wenn dir das was sagt.“
„Kenn ich nicht, was meinst du damit?“
„‚AC‘, so werden diese Veranstaltungen in der Arbeitswelt abgekürzt, sind ausgeklügelte Bewerbungsverfahren, wo die unterschiedlichen Kompetenzen der Kandidaten überprüft werden. Eine Schur, denn man soll sich einerseits teamfähig, andererseits durchsetzungsbereit zeigen.“
„Ah, verstehe, nicht einfach. Und? Wie ist es für dich gelaufen?“
Grinsen auf dem lieblichen und anmutigen Gesicht einer jungen, taffen Frau, die nur eines wollte: Erfolg.
„Ja, ich habe den Job. Managerin einer großen Reederei, Maschner Holding.“
„Du bist .... was? Managerin einer Reederei?“
Waldschütz stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, eine Anklage aus tiefstem Herzen. Er fühlte sich vor wenigen Minuten so wohl, wie im siebten Himmel und jetzt der Paukenschlag: Seine Liebe wurde zertrümmert, ausgerechnet von dem Menschen, dem diese Gefühle zuflossen.
Er offenbarte nun seine heimlichen Pläne. Waldschütz, der nie im Leben eine Partnerschaft plante, hatte sich offenbar doch vorstellen können, das weitere Leben nicht alleine zu verbringen. Eine Nacht hatte genügt, um seine in Stein gemeißelten Pläne ins Nichts aufzulösen und sich radikal zu wenden.
„Weißt du, Jochen, das hier kam für mich zu schnell. Ich hatte mich bereits in Hamburg beworben. Eine Wahnsinnsgelegenheit für die berufliche Entwicklung.“
Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Die Enttäuschung hatte sich in Mark und Glied gefressen. Biggi hatte nur zu gut bemerkt, was sie mit der Äußerung in Jochen angerichtet hatte und dachte sich versöhnliche Worte aus.
„Ich kann dir aber versprechen: So oft es geht, bin ich bei dir.“
„Was heißt das: ‚So oft es geht?‘ Dreimal jährlich?“
Waldschütz war nicht zu beruhigen, er fühlte sich von einer Frau und dem Schicksal getäuscht. Für Zärtlichkeiten war er nicht mehr zu haben, begab sich aus dem Bett, zog sich an und richtete sich für die Arbeit. Gleiches verlangte er auch von seiner vermeintlichen Liebe, die sich offenbar als verkappte Enttäuschung, als menschlicher Rohrkrepierer erwies, sie sollte, wie er, abhauen.
„Kann ich nicht hier ...?“
„Nein, kannst du nicht“, brüllte Waldschütz sie an und das, weil sie ihn bat, in der Wohnung warten zu dürfen, bis sie sich nach Hamburg aufmachen musste.
Sie bekam die volle Wucht seiner Enttäuschung zu spüren, ein lebhafter Beweis, wie Waldschütz auf menschliche Irrtümer zu reagieren pflegte. So lange die Welt, seine Welt, in Ordnung war, konnte er der liebste, zärtlichste, einfühlsamste Mensch auf Erden sein. Aber wehe: Der schwächste Luftstoß, der es wagte, sein inneres Gleichgewicht zu stören, wurde mit aller Gewalt weggepustet.
„Bist du immer so?“, wollte sich Biggi vergewissern.
„Wie, so?“
„Na, so kühl und abweisend, wenn es mal nicht so läuft, wie du es dir ausgemalt hast.“
Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, Waldschütz hatte kapiert, dass er ihr mehr von sich berichten musste, wenn er weiterhin mit ihr zusammen sein wollte.
„Schau, Biggi, es ist so: Seit vielen Jahren hatte ich keine Beziehungen mehr, ich hatte mit dem Thema ein für alle Mal abgeschlossen. Und dann kamst du und hast alles aus den Fugen geschmissen, mein ganzes Koordinatensystem, das ich mir zurechtgelegt hatte, ins Wanken gebracht. Ich spürte wieder Gefühle und jetzt das ...“
Nun konnte sie das Verhalten Waldschützens besser verstehen und einordnen.
„Jochen, ich mag dich sehr, wirklich. Aber gib uns Zeit, uns besser kennenzulernen. Nichts überstürzen. Die Zukunft wird es zeigen ...“
„Ja. Ich kenne diese Sprüche. Sag doch gleich, dass du nicht willst.“
„Musst du mich missverstehen? Ich möchte Beruf und unsere kleine Beziehung unter einen Hut bringen. Du machst es mir verdammt schwer.“
„Ist gut. Lass es uns versuchen.“
Sie gaben einander einen Abschiedskuss und machten sich auf ihre getrennten Wege.
Kapitel 4