Fight #2 - Gerechtigkeit in deinen Händen - Alisha Mc Shaw - E-Book

Fight #2 - Gerechtigkeit in deinen Händen E-Book

Alisha Mc Shaw

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Beschreibung

Band 2 einer Reihe, aber jedes Buch ist in sich abgeschlossen. Achtung! Dieses Buch ist in seiner Wortwahl und den Geschehnissen nicht unbedingt geeignet für Zartbesaitete! ~Warnung~ Es wird in Band 2 leicht auf Band 1 gespoilert! "Du gehst aber ran, Lady! Aber Dog nimmt nur von hinten. Stellungswechsel!" Seit Dario "Dog" Matthews vor 15 Jahren bei einer Schießerei seine Familie verlor, ist sein einziger Lebensinhalt seine Boxhalle und das Trainieren von Straßenkids. Als er ein Paket mit einer Akte erhält, deren Inhalt ihm wohlbekannt ist, bricht eine Welt für ihn zusammen. Verdrängte Erinnerungen werden wach und schlafende Hunde geweckt. "Weißt du, Dog ... du bist nicht der Einzige mit einer verfickten Vergangenheit!" Avery Harper, Polizistin beim NYPD, ahnt nicht, in welches Wespennest sie hineinsticht, als sie den Anruf eines Unbekannten erhält und mitten in einen alten, bereits zu den Akten gelegten Fall gerät. Als sie Unstimmigkeiten erkennt, ist ihre Neugierde geweckt. Schlagartig sitzt Avery nicht nur ihre eigene Vergangenheit im Nacken, sondern mehrere Leben sind in Gefahr.

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Alisha Mc Shaw, Melanie Weber-Tilse

Fight #2 - Gerechtigkeit in deinen Händen

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Inhaltsverzeichnis

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Dog

Avery

Epilog

Danksagung Alisha Mc Shaw

Über Alisha Mc Shaw

Danksagung Melanie Weber-Tilse

Über Melanie Weber-Tilse

Impressum neobooks

Inhaltsverzeichnis

Fight #2

Gerechtigkeit in deinen Händen

Alisha Mc Shaw und Melanie Weber-Tilse

»Du gehst aber ran, Lady! Aber Dog nimmt nur von hinten. Stellungswechsel!«

Seit Dario »Dog« Matthews vor 15 Jahren bei einer Schießerei seine Familie verlor, ist sein einziger Lebensinhalt seine Boxhalle und das Trainieren von Straßenkids. Als er ein Paket mit einer Akte erhält, deren Inhalt ihm wohlbekannt ist, bricht eine Welt für ihn zusammen. Verdrängte Erinnerungen werden wach und schlafende Hunde geweckt.

»Weißt du, Dog … du bist nicht der Einzige mit einer verfickten Vergangenheit!«

Avery Harper, Polizistin beim NYPD, ahnt nicht, in welches Wespennest sie hineinsticht, als sie den Anruf eines Unbekannten erhält und mitten in einen alten, bereits zu den Akten gelegten Fall gerät. Als sie Unstimmigkeiten erkennt, ist ihre Neugierde geweckt. Schlagartig sitzt Avery nicht nur ihre eigene Vergangenheit im Nacken, sondern mehrere Leben sind in Gefahr.

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Deutsche Originalausgabe, 1. Auflage 2017

Ihr findet uns auf

facebook.com/AlishaMcShaw

http://alishamcshaw.de/

www.weber-tilse.de

https://www.facebook.com/m.webertilse

Herausgeber:

Alisha Mc Shaw

c/o Papyrus Autoren-Club, Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

Melanie Weber-Tilse

Breslauer Str. 11, 35274 Kirchhain

© Mai 2017 Alisha Mc Shaw / Melanie Weber-Tilse

Alle Rechte vorbehalten!

Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen Erlaubnis durch die Autoren.

Covergestaltung: Alisha Mc Shaw / http://alishamcshaw.de

Bilder: © @ DmitryPoch, / depositphotos.com

© Geoff Goldswain, / 123rf.com

© beneangulo, © PUNTO STUDIO FOTO AG / stock.adobe.com

Korrektorat: Schreibmanufaktur

facebook.com/Schreibmanufaktur

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Dog

Das Leben fickt mich jeden Tag

»Coach? Du solltest ... ähm ... vielleicht mal reinkommen.«

Mit einem bedauernden Seufzen warf ich die halbgerauchte Kippe auf den Boden, trat sie sorgfältig aus und hob den Rest dann auf, um ihn in den bereits überquellenden Mülleimer direkt neben der Tür zu werfen. Dann glitt mein Blick zu dem 15-jährigen Jungen, der auf seiner Lippe herumkaute und mich unsicher ansah.

»Was ist los, Tom?«, knurrte ich.

»Brian«, stammelte der Junge nur und hielt mir die Tür zu meiner Boxhalle weit auf. Jetzt konnte auch ich die Schreie und den anfeuernden Jubel hören, der aus dem Inneren drang.

»Kann man nicht mal in Ruhe eine verdammte Kippe rauchen?«, fluchte ich und stürmte an Tom vorbei, einem meiner Jungs aus dem Resozialisierungsprogramm. »Brian!« Die kleine Gruppe von Jugendlichen, allesamt meine Schüler, stob auseinander und gab den Blick frei auf meinen neuesten Schüler, der mit seinen Knien auf der Brust von Jamie kniete, einem zwölfjährigen Jungen.

Mit hartem Griff packte ich Brian an seinem Shirt und riss ihn mit Schwung fort. »Haben sie dir ins Hirn geschissen, oder was?«, brüllte ich ihn an.

»Jamie hat gesagt, ich habs nicht drauf!«, versuchte er, sich halbherzig zu verteidigen.

»Ach, und weil du es eindeutig nicht drauf hast, hast du dir gedacht, du rückst ihm mal eben auf die Pelle, oder was?«, knurrte ich. Brian war erst seit einigen Tagen Mitglied meiner Truppe, aber leider hatte er den Begriff Teamspirit noch nicht wirklich begriffen. Ich warf ihm einen finsteren Blick zu und half dann Jamie, wieder aufzustehen. Der kleine Latino blutete aus der Nase, hatte die Hände zu Fäusten geballt und starrte voller Wut zu Brian, aber er bewegte sich keinen Meter.

»Habt ihr nichts zu tun?«, blaffte ich die Jungs an, die wie die Schmeißfliegen um uns herumstanden, manch einer ein hämisches Grinsen auf den Lippen. Auch Brian wollte sich davonmachen, aber mein knappes »du nicht!«, ließ ihn erstarren. Ich bedeutete Jamie mit einem Nicken, ebenfalls zu gehen, und drehte mich zu Brian.

»Soll ich dir mal was erzählen, mein Junge? Ich sage dir, warum du hier bist.« Trotzig schob der Junge die Unterlippe vor, aber er erwiderte meinen Blick unerschrocken. Zu unerschrocken, aber das würde ich ihm austreiben. Ich baute mich vor ihm auf und begann, bei jedem meiner nun folgenden Worte mit meinem Finger gegen seine Brust zu tippen. »Weil ... du ... es ... tatsächlich ... nicht ... drauf ... hast!«

Brians Mund öffnete sich. »Fick dich!«, sagte er klar und deutlich.

Ich lachte dröhnend. Dann griff ich nach seinem T-Shirt und zerrte ihn hinter mir her. »Ich zeig dir, wer hier wen fickt, Junge. Du bist hier, weil es deiner Mutter gelungen ist, dich vor dem Jugendknast zu bewahren. Das ist alles.« Mit der freien Hand öffnete ich die Tür zu den Toiletten, die für die Allgemeinheit da waren. »Und ich zeige dir noch was, Brian!«

Ich schubste den aufsässigen Teenager in den Toilettenraum. »Im Knast würdest du jetzt Scheiße fressen. Und damit du auch mal ansatzweise begreifst, was das bedeutet, wirst du jetzt die Klos putzen. Und zwar so lange, bis ich der Meinung bin, dass ich mein Mittagessen direkt aus der Schüssel zu mir nehmen kann.«

Mit einer Hand zeigte ich auf den Putzeimer samt Wischmopp, der sein trostloses Dasein in einer Ecke fristete. Brian war blass geworden und starrte mich mit offenem Mund an. »Das kannst du nicht machen, Coach!«, stammelte er.

Meine Augenbraue zog sich nach oben, während ich amüsiert grinste. »Kann ich nicht?«, echote ich. »Ich glaube, ich kann sehr wohl. Wenn es dir allerdings lieber ist zu gehen ...«, ich breitete die Hände aus und deutete zur Tür. »Bitte, tu dir keinen Zwang an, Mr. Ich habs voll drauf! Aber komm am Ende nicht jammern, weil sie dir im Knast deinen süßen Arsch aufgerissen haben!«

Mit diesen Worten drehte ich mich um und verließ mit einem lauten Türknallen die Toilette. Ich war mir sicher, dass Brian spätestens in einer halben Stunde mit wesentlich weniger Überheblichkeit zu mir ins Büro kommen und mir mitteilen würde, dass die Klos jetzt so sauber waren, wie es halt ging bei dem alten Porzellan.

Ich trainierte seit Jahren fehlgeleitete Jugendliche, und kannte meine Pappenheimer. Brian musste schnell begreifen, dass der einzige Gott, den er in meiner Boxhalle anzubeten hatte, ich war, sonst würde ich keinen Zugriff auf ihn bekommen, und das konnte hier tödlich enden. Finster starrte ich die restlichen Jugendlichen an. Auch sie würden ihr Fett noch wegbekommen.

Mir war sehr wohl das Gejohle aufgefallen, dass ich schon vor der Halle gehört hatte. Jeder Einzelne von ihnen hatte Brian angestachelt, ihn angefeuert. »Antreten!« Mein Ruf hallte an den Wänden wider und es dauerte nicht einmal zehn Sekunden, bis die gesamte Bande in mehr oder weniger reih und Glied vor mir stand.

»Falls es einer von euch noch immer nicht kapiert haben sollte, Jungs. In meiner Boxhalle gilt das Motto mitgegangen, mitgefangen.« Mein Blick glitt zu Jamie. Dessen Nase hatte zwischenzeitlich zwar aufgehört zu bluten, aber sein T-Shirt zeigte deutlich die Spuren des vorangegangenen Kampfes. Langsam schritt ich die Reihe ab, starrte jeden von meinen Jungs finster an. Bei Tom, der mich über die Prügelei informiert hatte, blieb ich stehen.

»Du gehst mit Jamie und sorgst dafür, dass er ein frisches Shirt bekommt«, wies ich ihn an und drückte ihm den Schlüssel zu meinem Vorratsraum in die Hand. Ich hatte schon vor Jahren einen Vorrat an billigen T-Shirts und Hosen in allen nur erdenklichen Größen angelegt, denn Dinge wie heute waren sozusagen an der Tagesordnung. Dieser Raum wurde von mir verschlossen gehalten, seitdem ich vor zwei Jahren einen jugendlichen Dieb hochkant aus meiner Halle und dem Programm geworfen hatte und ich gab den Schlüssel nicht leichtfertig aus der Hand. Tom wusste um diesen Umstand und sein Gesicht leuchtete kurz auf, ehe er nickte und mit Jamie zusammen verschwand.

»Und ihr anderen ...«, holte ich Luft und wandte mich endgültig ab, um in meinem Büro zu verschwinden, »ihr werdet jetzt in die verdammte Toilette gehen und Brian helfen.« Nicht der geringste Widerspruch war zu vernehmen, als die Jungs mit hängenden Köpfen den Weg zur Toilette antraten.

In meinem Büro ließ ich mich auf den Stuhl plumpsen und legte meine Füße auf den Schreibtisch. Ich liebte meine Jungs, jeden einzelnen Querkopf, aber manchmal musste man ihnen nun mal vor Augen halten, dass ich hier der Boss war und die Regeln bestimmte. Für viele dieser Jungs war ich die letzte Instanz davor, in den Jugendknast zu wandern. Entweder lernten sie bei mir, ihrer Wut ein anderes Ventil zu geben, oder sie lernten es eben nicht. Brian war kein hoffnungsloser Fall, er hatte einfach einen beschissenen Start in dieses Leben gehabt und hier eine Chance, es auf die Reihe zu bekommen. So einfach war das.

Es klopfte und nach meinem Herein steckte Jamie seinen Kopf durch die Tür. Sein Gesicht sah wieder vorzeigbar aus und er trug ein frisches T-Shirt. »Coach, da ist was für dich gekommen!«, erklärte er und trat mit einem kleinen Karton ein. Verdutzt starrte ich auf das Paket, denn ich konnte mich nicht entsinnen, etwas bestellt zu haben.

Jamie stellte den Karton auf meinem Schreibtisch ab, grinste schief und trat dann von einem Fuß auf den anderen. »Was ist los, Junge?«, ermunterte ich ihn, denn ich konnte sehen, dass ihm etwas auf der Seele brannte.

»Er hat gesagt, dass meine Mutter eine Crackhure ist, aber ... ich habe ihn nicht geschlagen, Coach.« Ich erhob mich und trat um den Tisch herum, das Paket war für einen Moment vergessen. Vor dem Zwölfjährigen ging ich in die Knie, und wuschelte ihm mit der Hand durch die Haare. »Ich bin stolz auf dich.« Ein Lächeln glitt über Jamies Gesicht und er blickte kurz hinter sich zur Tür. Diese war geschlossen und im nächsten Augenblick hing der Junge auch schon an meinem Hals.

»Danke, Coach«, flüsterte er in meinen Bart hinein, dann riss er sich von mir los und verschwand aus meinem Büro. Verdammt, genau solche Momente waren es, die mir zeigten, dass ich das Richtige tat. Jamies Mutter war süchtig und sie war eine Hure, da musste ich mir nichts vormachen. Mit blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass es mir gelingen würde, Jamie so weit zu festigen, dass er nicht abrutschen würde, wenn seine Mutter ihre Sucht nicht in den Griff bekam. Leider hatte ich nicht viel Hoffnung, was sie betraf.

Ich richtete mich wieder auf und griff nach meiner Kaffeetasse. Dabei fiel mein Blick auf das Paket. Scheppernd fiel mir der Becher aus der Hand und zerschellte auf dem Betonboden. Keuchend machte ich einen Schritt nach hinten und musste mich an meinem Jackenständer festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. ›Dario Dog Matthews‹ stand nebst der Adresse des Boxclubs auf dem Adressaufkleber und ich würde diese Schrift unter Tausenden wiedererkennen.

Mir war speiübel und ich tastete mich langsam an meinem Schreibtisch entlang, ehe ich mich wieder auf den Stuhl setzte. Mit brennenden Augen starrte ich auf das Paket, das keinen Absender besaß und von dem ich doch wusste, wer es mir geschickt hatte. Sofort sah ich Bilder vor mir. Aidan, einer meiner Jungs von ganz früher. Er war das perfekte Beispiel für gelungene Integration gewesen. Vom Schläger zum Bullen. Na ja gut, wenn ich ehrlich war, fast gelungene Integration. Aidan hatte, solange ich ihn kannte, Probleme mit Autorität und das sorgte für so manche Schwierigkeit in seinem Job.

Fast wie von selbst glitt meine Hand an die kleine Narbe am Kinn, die verborgen unter meinem Bart lag und rieb nachdenklich darüber. Unsere ersten Wochen im Boxclub hinterließen bleibende Erinnerungen bei uns beiden, aber irgendwann hatten wir gelernt, uns gegenseitig zu respektieren. Es war mittlerweile ein knappes Dreivierteljahr her, dass Aidan einen Undercover-Job angetreten hatte, und tief in die russische Mafia New Yorks abgetaucht war.

Aidan war ein Kämpfer, wie ich auf der Straße groß geworden. Es gab Fähigkeiten, die erwarb man nur dort, wo wir beide herkamen und genau diese waren es, die ihn perfekt dafür machten, sich als Straßenkämpfer auszugeben und so die Struktur des russischen Paten zu unterwandern. Mein Job in dieser Angelegenheit war es, Aidan, der sich von da an wieder bei seinem Kampfnamen Mir rufen ließ, auf Posten zu bringen.

Alles war gut durchdacht und Aidan hatte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der besten Fighter hochgearbeitet, denn er war einfach verdammt gut in dem, was er tat. Nur eins war nicht geplant gewesen, und genau das hätte Aidan fast sein Leben gekostet. Der russische Pate hatte nämlich eine Tochter. Und mein Schützling hatte natürlich nichts Besseres zu tun, als sich ausgerechnet in Janka Pastrowa zu verlieben und die ganze Mission damit zu gefährden. Es hatte geendet, wie es enden musste. Die New Yorker Polizei hatte mit der Hilfe eines verdammt guten Hackers und den Aussagen von Aidan und Janka die gesamte Familie Pastrow samt ihren Handlangern auffliegen lassen, während Aidan, Janka und ihre Eltern ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden waren.

Also hatte es vor rund vier Monaten geheißen, Abschied zu nehmen. Und ich wollte verdammt sein, es fiel mir nicht leicht. Aber mich fragte niemand und so traf es mich jetzt umso härter, das Paket vor mir zu sehen, das eindeutig von Aidan stammte. Was konnte so wichtig sein, dass er riskierte, seine neue Identität auffliegen zu lassen? Hatte ihm seine Liebe zu Janka nun auch den letzten Rest Verstand gekostet? Es war nicht so, dass ich Janka nicht mochte, weiß Gott nicht, aber wir alle hatten Scheiße gefressen, um sie zu retten.

Für mich ein Grund mehr, zu leben, wie ich es tat, denn Weiber ließen einen nur bescheuert im Kopf werden. Ich hatte meinen Spitznamen nicht von ungefähr. Ich trieb es, wenn ich es denn überhaupt tat, ausschließlich von hinten. Gesichtslose Vögelei, die mir das gab, was ich brauchte. Befriedigung. Nicht mehr und nicht weniger. Ich starrte das Päckchen an, unsicher, ob ich es öffnen sollte. Nein, würde ich nicht. Noch waren meine Schüler da und ich konnte nur vermuten, dass der Inhalt mich nicht glücklich machen würde. Was auch immer dort drin war, es würde warten müssen bis heute Abend im Trailer.

***

Der Alkohol brannte schwer in meiner Kehle und begann bereits, meine Sinne zu benebeln. Ich trank seit vier Jahren nicht mehr, aber das Öffnen des beschissenen Pakets ließ mir nichts Anderes übrig. Mittlerweile verfluchte ich mich dafür, es überhaupt aufgemacht zu haben. Hätte ich gewusst, welche Geister ich damit wecken würde ... jetzt war es zu spät, das Ding war offen und ich dabei, mich heillos zu besaufen.

Mit brennenden Augen starrte ich immer wieder auf den Brief, der, eindeutig Aidans Handschrift tragend, vor mir auf dem kleinen Klapptisch meines Trailers lag und dessen Inhalt ich bereits auswendig konnte. ›Tu das Richtige, Dog. Du hältst die Gerechtigkeit in deinen Händen‹. Darunter stand eine Nummer mit dem Hinweis, dass ich mich vertrauensvoll an Harper wenden solle. Fast hätte ich gelacht. Gerechtigkeit.

Für mich war das seit 15 Jahren nicht mehr als ein Wort, das irgendjemand erfunden hatte, um Dingen einen Namen zu geben, die man sowieso nicht vorhatte zu erfüllen. Mit jedem Schluck, den ich aus meinem Freund Walker trank, wurde das Brennen in meinem Hals weniger und mein Kopf leichter. Oder war es schwerer? Egal. Wenn Alkohol eins konnte, dann war es, Vergessen zu bringen. Und vergessen wollte ich.

Fast automatisch glitten meine Augen wieder zu meinem altersschwachen Laptop, auf dem in einer Diashow die Bilder abgespielt wurden, die Aidan mir auf einem USB-Stick hatte zukommen lassen. Ich wollte verdammt sein, woher hatte der Kerl diese Bilder? Irgendwelche Unterlagen waren auch noch drin gewesen, aber ich hatte die falsche Entscheidung getroffen. Nachdem ich wusste, was auf dem Stick war, war ich mental nicht mehr in der Lage, auch noch die ganzen Papiere zu lesen. Ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, was drinstand. Verdammt, ich träumte jede Nacht von dem, was dort zu lesen war, davon war ich überzeugt.

Schwer lag das Handy in meiner Hand, auf dessen Display die Nummer eingegeben war. Ich hatte sie schon 100 Mal eingetippt und wieder gelöscht. Dreck, ich würde keinen Scheiß Bullen anrufen. Geister wecken, die mich schon ohne Hilfe täglich quälten, wozu?

»Hallo?«, erklang da plötzlich eine eindeutig weibliche Stimme aus dem Lautsprecher meines Telefons und vor Schreck ließ ich das Gerät fallen. Laut fluchend krabbelte ich dem Teil hinterher, was deutlich erschwert wurde durch die Tatsache, dass ich so gut wie alles doppelt sah. »Hallo, wer ist denn da?«

Als ich das Telefon endlich wiedergefunden hatte, riss ich es ans Ohr. »Hallo, sind Sie Harper?«

»Avery Harper, ja. Wer ist denn da?«

»Drecksscheiße, ich werde Aidan erschießen, wenn ich ihn in die Finger bekomme!«

»Wer sind Sie, und woher haben Sie meine Nummer?«

Ich nahm das Telefon vom Ohr und betrachtete es einen Moment lang verwundert.

»Hallo?« Die Stimme wurde langsam ungeduldig.

»Ich hab deine Nummer von dem Zettel, Lady«, erklärte ich dann. »Scheiße, wieso gibt mir Aidan die Nummer von einer Tussi?«

Schweigen schlug mir entgegen. Es dauerte mehrere Sekunden, bis ihre Stimme wieder erklang. »Aidan also, ja? Wer sind Sie?«

»Dog.«

Wieder Stille. Dann leises Fluchen. Die Kleine konnte fast so gut fluchen wie ich. »Er hat geschrieben, ich kann Ihnen vertrauen.« Das Fluchen wurde lauter. »Kann ich Ihnen vertrauen?« Verdammt, warum fiel mir das Reden nur so schwer? Ich hatte das Gefühl, dass sich jedes meiner Worte total undeutlich anhörte. Vielleicht musste ich langsamer sprechen.

»Was wollen Sie?«

Normal sprechen können, vielleicht? Die verfickten Bilder loswerden? »Bilder ... Blut ....«, sagte ich stattdessen.

»Scheiße, Dog. Wo sind Sie? Wer blutet?« Ich vernahm heftiges Klicken im Hintergrund, konnte mir aber keinen Reim darauf machen, der Alkohol zeigte seine Wirkung immer deutlicher.

»Ich bin Zuhause.« Logisch, oder?

»Wo ist Zuhause, Dog?« Ich glaube, die Kleine wurde ungeduldig, das fing ja schon gut an mit uns beiden.

»Na, hier in meinem Trailer! Johnny ist auch da!«

Wieder Klicken in der Leitung. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich komme.«

Endlich sagte sie etwas, womit ich mich auskannte. »Beim Kommen kann ich helfen.«

»Vollidiot.«

»Stimmt«, musste ich trocken zugeben. Heilige Scheiße, was tat ich da überhaupt? Mir hatte vor 15 Jahren keiner helfen können, und dann sollte es diese Kleine an meinem Telefon können? Scheiße, verfluchte. »Hören Sie, Lady, vergessen Sie einfach, dass ich angerufen habe. War ne Schwachsinnsidee!«

»Nein, halt. Warten Sie, Dog. Ich werde ...« Was sie würde, hörte ich nicht mehr, denn da hatte ich bereits aufgelegt. Stöhnend sank ich zur Seite, mir war nicht mehr zu helfen und ich wollte mich gar nicht erst dem Irrglauben hingeben, dass sie es konnte.

Avery

Keine schlafenden Hunde wecken

Müde strich ich mir durch die Haare und sagte mir immer wieder, dass ich gerne ein Cop war. War ich eigentlich auch. Bis man mich versetzt hatte, und meine verdammten männlichen Kollegen meinten, mich nicht ernst nehmen zu müssen.

Ich hatte Jahre in der Sitte gearbeitet und nun saß ich hier in der Mordkommission und alles, was ich mir mühsam aufgebaut hatte, war nichtig. Frustriert seufzte ich auf. Seit Nathan und Aidan, ehemalige Kollegen aus der Abteilung, nicht mehr hier arbeiteten, hatte sich vieles geändert. Nathan, ein absolut fähiger Detective, mit dem ich immer gerne zusammengearbeitet hatte, wenn die Sitte eingeschaltet worden war, arbeitete mittlerweile als Sicherheitschef für einen der reichsten Männer in New York, Michael Thompson.

Und Aidan, der Mistkerl, war nach einem Undercovereinsatz in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden und ich hatte noch nicht einmal die Chance, mich von dem jungen Lümmel zu verabschieden. Dabei hatte gerade er mir immer wieder geholfen, wenn ich zu den Kids auf der Straße durchdringen musste. Dem aufbrausenden Polizisten hatte ich wirklich viel zu verdanken.

Nun saß ich allerdings hier und füllte eine der zu besetzenden Stellen aus. Neue Kollegen waren dazugekommen, Frischfleisch, die meinten, sich mir gegenüber wie die letzten Neandertaler benehmen zu müssen. Und das musste ich mir mit meinen 33 Jahren bieten lassen? Ja, musst du, wies ich mich selbst zurecht. Denn ich hatte nie den Ehrgeiz besessen, Detective zu werden. Stattdessen war ich weiterhin Polizistin und die jungen Detectives hatten mehr zu sagen als ich.

Somit saß ich an einem beschissenen Samstagabend auf dem Revier und hatte den Papierkram übernommen … übernehmen müssen. Denn Mister Obercool Flynn, der neue arrogante Arsch am Mordkommissionshimmel, war der Meinung, dass es unter seiner Würde war. Ich hatte mich, obwohl er bestimmt fünf Jahre jünger war als ich, das erste Mal nicht getraut, gegen einen männlichen Kollegen zu behaupten. Er hatte etwas in seinem Blick, was mich frösteln ließ.

Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen trüben Gedanken und ich zuckte zusammen. Nicht die Tatsache, dass ich angerufen wurde, sondern auf welchem Handy es klingelte, ließ mir einen Schauer den Rücken hinablaufen. Ich hatte ein Telefon für ganz spezielle Notfälle und diese Nummer kannten wirklich nur eine Handvoll Menschen. Hektisch kramte ich es hervor. Irritiert, weil es keine der gespeicherten Nummern war, schaute ich auf das Display. Keiner, der diese Nummer hatte, würde sie rausgeben … auf jeden Fall nicht leichtfertig. Entweder war einer meiner Kontakte der Meinung gewesen, dass jemand meiner Hilfe bedurfte, oder aber die Nummer war nicht freiwillig rausgegeben worden.

Ich nahm das Gespräch an, »Hallo?«, und musste erst einmal den Hörer vom Ohr reißen, weil direkt danach ein lautes Poltern zu hören war, welches mein Trommelfell schmerzhaft schwingen ließ. Eine männliche Stimme fluchte im Hintergrund. »Hallo, wer ist denn da?«, versuchte ich, auf mich aufmerksam zu machen.

Schweres Atmen war zu hören, dann erklang eine tiefe männliche Stimme an meinem Ohr. Fuck, wer war das? Vor allen Dingen, was war mit dem Mann los? Nach den ersten Sätzen, die so viele Schimpfwörter und Flüche enthielten, dass es jedem anderen die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte, kapierte ich, dass Aidan, dieser verdammte Arsch, meine Nummer irgendeinem besoffenen Kerl gegeben hatte.

Doch irgendetwas zwang mich, das Gespräch nicht zu beenden. Der Mann war stockbesoffen, aber seine Stimme enthielt eine Traurigkeit, die mich weiter den Hörer ans Ohr pressen ließ.

Als er endlich seinen Namen nannte, entfuhr mir ebenfalls ein Fluch. Ich wusste natürlich, wer Dog war, Aidan hatte mir so oft von dem Boxtrainer vorgeschwärmt, dass es mir schon zum Hals heraushing. Doch jetzt hatte ich dessen Stimme in meinem Ohr und merkte, wie verzweifelt der Kerl war. Warum hatte Aidan ihm meine Nummer gegeben? Was war hier los?

Sein »Er hat geschrieben, dass ich Ihnen vertrauen kann«, ließ mich fast aus der Haut fahren. Wenn man mir nicht vertrauen konnte, wem dann? Was sollte die Scheiße?

Ich versuchte herauszubekommen, was er wollte und beim Wort Blut schrillten sämtliche Alarmglocken los. Hatte er jemanden umgebracht und ich sollte das Ganze diskret regeln, oder was dachte er sich?

Nur mit Mühe bekam ich herausgekitzelt, wo er sich befand und es dauerte einige Sekunden, bis mir Dogs richtiger Name einfiel. Blitzschnell flogen meine Finger über die Tastatur, um in Erfahrung zu bringen, wo sein Trailer stand.

Mittlerweile hatte dieser allerdings für sich beschlossen, dass es eine absolut hirnrissige Idee gewesen war, mich anzurufen, wobei ich ihm da wirklich zu gerne zugestimmt hätte. Stattdessen saß ich nur fünf Minuten später in meinem Wagen und brauste mit Höchstgeschwindigkeit zu Dogs Adresse.

Sein Wohnwagen stand in der Nähe der Halle, wo er sicherlich auch Aidan trainiert hatte. Ich parkte und sah, dass noch Licht brannte. Schnell war ich an seiner Tür und klopfte laut.

»Dog?«, rief ich und war froh, dass sonst keine Menschenseele hier wohnte. »Hallo? Machen Sie verdammt noch mal die Tür auf!«

Endlich hörte ich schwere Schritte und dann dauerte es Minuten, bis er die Tür geöffnet bekommen hatte. Als er diese aufriss und nach hinten schwankte, war ich mit einem Satz bei ihm und versuchte, den verdammt großen und breiten Kerl aufzufangen. Das Unterfangen war von Anfang an zum Scheitern verurteilt und er riss mich mit sich. Wenigsten seinen Fall konnte ich ein wenig abmildern und dann lag ich auf ihm. Sein Atem, der nach Alkohol stank und sicher einen Elefanten narkotisieren konnte, schlug mir entgegen.

»Du gehst aber ran, Lady! Aber Dog nimmt nur von hinten. Stellungswechsel!«

Zum Glück verlangsamte ihn der Alkohol und ließ ihn recht unkoordiniert nach mir greifen, sodass ich mich ihm entziehen konnte, bevor er noch meinte, mich in die richtige Position für einen Fick von hinten bringen zu können.

Ich rappelte mich auf und ließ ihn auf allen vieren zurück, brachte mich aber außer Reichweite seiner Hände, denn immer noch versuchte er, mich am Fuß zu erwischen.

»Herrgott noch mal, Dog«, rief ich so laut, dass er zusammenzuckte, innehielt und mich aus roten Augen anstarrte. »Harper. Ich bin Avery Harper und keine deiner … deiner … ach egal. Du hast mich angerufen.«

Ganz langsam sackten meine Worte zu ihm durch und seine Augen wurden größer. »Du bist ein Cop?«

Ich stöhnte auf. Typisch Mann. Nur weil ich gut aussah, meinten sie, mich über einen Kamm scheren und als total ungeeignet für den Job als Polizistin ansehen zu müssen.

»Ja, ich bin ein Cop. Wo ist das Blut? Ist jemand verletzt … oder sogar tot?« Auch wenn mir die Fragen unter den Nägeln brannten, stellte ich sie langsam, damit er mich verstand. Immer noch hockte er auf dem Boden und schien nicht fassen zu können, wer oder was ich war. Dann zeigte er mit einem leichten Nicken zum Tisch und ich sah den aufgeklappten Laptop und einige Unterlagen, die daneben lagen.

Mit einem Blick erkannte ich auf dem Computer Bilder von einem Unfallort mit zwei Leichen. Das Datum lag 15 Jahre zurück und ich hätte fast erleichtert aufgeatmet, dass er keine echte Leiche oder einen Verletzten gemeint hatte.

»Okay, das hat noch Zeit. Hier stirbt keiner in den nächsten Minuten. Du allerdings musst ins Bett.«

Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht und seine Augen glitten über meinen Körper. Ich stöhnte laut auf. »Ohne mich! Los, hoch mit dir, Dario.« Das Nennen seines richtigen Vornamens schien ihn endlich vom Gedanken, mich unbedingt nehmen zu wollen, abzulenken.

Er brummelte und versuchte, aufzustehen. Nach einigen Versuchen fluchte ich laut und hielt ihm die Hand entgegen. Jetzt war ich auf seine stattliche Figur vorbereitet und schaffte es irgendwie, ihn hoch zu zerren, dann stützte er sich schwer auf mir ab. Heilige Scheiße, wenn der mich jetzt unter sich begrub, war ich verloren. Ich schliff ihn zu seinem großen Bett und er ließ sich einfach nach hinten fallen. Super, somit blieb die ganze Arbeit an mir hängen, wobei ich ihn auch einfach so liegen lassen konnte.

Doch mein blödes Gewissen ließ das nicht zu. Ich machte mich an die Schnürung seiner Boots und war nach dem zweiten Stiefel klitschnass geschwitzt. Das Hemd würde ich ihm anlassen, aber die Jeans … Grollend und mit spitzen Fingern begann ich, die Hose aufzuknöpfen.

Obwohl er stark alkoholisiert war, sah ich seine Hand nicht kommen. Blitzschnell lag diese an meinem Gelenk und hielt mich fest. Sein Blick war schon fast wütend auf mich gerichtet. »Nur blasen, es wird nicht auf mir gesessen.«

Verdutzt hielt ich inne, dann lachte ich. »Meinst du wirklich, dass ich dir in deinem Zustand einen blase? Du hast doch echt ‘nen Knall, Mann.«

Er grinste breit. »Nüchtern aber schon?«, fragte er.

»Nicht in deinen feuchtesten Träumen«, knurrte ich. »Und nun halt still, ansonsten kannst du dich alleine ausziehen.«

»Schade«, nuschelte er und ließ mich widerstrebend los. Doch jetzt beobachtete er jede meiner Bewegungen. Endlich hatte ich die Jeans komplett aufgeknöpft, fasste beherzt zu und zog sie ihm über die Hüfte herunter.

Sein tiefes Lachen ließ mich Dog wütend anfunkeln. Dieser … »Du Arschloch«, fauchte ich und wollte mich aufrichten, doch wieder war er schneller und griff nach meiner Hand. Dieser verdammte Mistkerl hatte keine Unterhose an und sein Schwanz stand, obwohl er betrunken war, hart und steil ab.

Er wollte spielen? Konnte er haben. Ich rutschte langsam auf ihn und das Lachen verging ihm. »Du möchtest ficken, Dog? Dann nach meinen Regeln.«

Er presste die Zähne fest aufeinander und zog seine Hand zurück, als habe er sich verbrannt.

»Geht doch«, grinste nun ich und stand wieder auf. Wobei ich gestehen musste, dass seine stattliche Größe … ich schüttelte ganz schnell den Gedanken ab, zog ihm die Jeans endlich komplett aus und nachdem er sich irgendwie aufs Bett hochgeschoben hatte, schmiss ich ihm die Decke über den Körper. Keine zwei Sekunden später schnarchte er so laut, dass ich Bedenken hatte, ob die Wände das aushielten.

Ich wandte mich ab und wollte den Trailer schon wieder verlassen, als mein Blick am Tisch hängen blieb. Langsam ging ich näher und blickte auf die Diashow, die auf dem Laptop ablief. Sie zeigte zwei Leichen. Eine Frau und ein Kind, die erschossen worden waren. Ich kannte solche Bilder und trotzdem traf es mich immer wieder, wenn ich sah, dass ein Kind involviert gewesen war. Vor allen Dingen hatte man die zwei regelrecht durchsiebt und das Blut um ihre Körper wies darauf hin, dass es nur so aus ihnen herausgeflossen war.

Die Akten, die neben dem PC lagen, machten mich neugierig und als ich die erste öffnete, keuchte ich auf. Fuck, das auf den Bildern waren Dogs Frau und sein Sohn. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Ich wusste nicht wirklich, was solch ein Verlust bedeutete, aber in etwa konnte ich es mir vorstellen. Nun wunderte es mich nicht mehr, dass Dario stockbesoffen im Bett lag und Aidan ihm meine Nummer gegeben hatte. Ich blätterte die Akte durch, die sehr dünn war. Der kurzgehaltene Bericht beschrieb einen Bandenkrieg, in den die beiden geraten waren und der Autopsiebericht bestätigte, dass die beiden durch die Schüsse verstorben waren. Das letzte Blatt, eine interne Nachricht, ließ mich jedoch stutzen. In fast unleserlicher Schrift stand dort: Der Vorfall wird nicht weiter untersucht, die Akte wird geschlossen.«

Bitte? Seit wann wurde das so gehandhabt? Wenngleich sie in einen Bandenkrieg geraten waren, hätte geklärt werden müssen, wie genau das passiert war, wer beteiligt gewesen war, wenigstens eine Befragung hätte erfolgen müssen. Nichts von dem, was man hätte machen müssen, war passiert. Verdammt, hier war etwas ganz gewaltig faul. Vor allen Dingen aber, wo hatte Dog die Unterlagen her? Von Aidan? Ich musste morgen dringend im Revier ins Archiv und mir anschauen, was ich dort für Unterlagen fand. Vielleicht war in einer der Kisten noch etwas zu finden. Heute jedoch konnte ich hier nichts mehr ausrichten und auch ins Archiv kam ich nur, wenn es ein Notfall war. Doch im Moment wollte ich keine schlafenden Hunde wecken. Kurz lachte ich bei dem Gedanken auf. Wie passend.

Ich ließ Dario einen Zettel mit einer kurzen Nachricht auf dem Tisch liegen und klappte den Laptop zu, bevor ich ging. Er sollte nicht gleich am nächsten Morgen auf die schrecklichen Bilder schauen müssen.

Dog

Krieg der Erinnerungen

Der pelzige Geschmack in meinem Mund war mit nichts zu beschreiben, und mein Schädel dröhnte zum Gotterbarmen, würde ich denn an ihn glauben. Ich blinzelte vorsichtig, denn die Sonne drang durch die Fenster meines Trailers hinein und verstärkte meine Kopfschmerzen nur noch. Es dauerte ziemlich lange, bis ich wagte, meine Augen komplett zu öffnen. Heilige Scheiße, was hatte ich für einen Müll geträumt!

In meinem Traum war eine Frau zu Besuch gewesen, und sie hatte mich ausgezogen. Mein Blick glitt an meinem Körper herab und in weniger als einer Sekunde saß ich kerzengerade im Bett. Mein Schädel strafte mich mit donnernden Schmerzen, aber das war mir gerade vollkommen egal. Wo, verdammt, war meine Hose? Hatte ich die Scheiße etwa doch nicht geträumt? Schlagartig fiel mir das Paket wieder ein und ich entsann mich schwach, dass ich darüber nachgedacht hatte, die Nummer auf Aidans Brief anzurufen.

Und dann wurde mir klar, dass ich offensichtlich nicht nur darüber nachgedacht, sondern tatsächlich angerufen hatte. Was war ich nur für ein Vollidiot! Um nicht zu riskieren, dass mein Kopf doch noch platzte, erhob ich mich langsam, ich musste dringend das tote Tier in meinem Mund loswerden. Und meine Hose finden.

Bruchstückartig, aber dafür umso intensiver kehrten die Erinnerungen zu mir zurück. Wenn mich die Bilder, die sich vor meinem inneren Auge abspielten, nicht trogen, dann ... war die kleine Miss Harper ein richtig heißes Gerät. Und ich Trottel hatte mich, sturzbetrunken wie ich war, von meiner allerbesten schlechten Seite gezeigt.

Nachdem ich die Zähne geputzt und Kaffee aufgesetzt hatte, fühlte ich mich dazu in der Lage, meinen Blick erstmals zum Tisch gleiten zu lassen, wo ich gestern Abend alles stehen und liegen gelassen hatte. Sogar Johnny stand dort noch, leer bis auf den letzten Tropfen, und schien mich hämisch anzugrinsen. Die kleine Lady hatte den Laptop zugeklappt, vermutlich, um mir noch mal die Bilder zu ersparen, die ich mir gestern angesehen hatte.

Erfolglos, denn diese Bilder würden mich für den Rest meines Lebens begleiten, wie sie es seit nunmehr 15 Jahren schon taten. Ich hätte auswendig wiedergeben können, wie meine Frau und mein Sohn auf der Straße lagen, welcher Schuss wo getroffen hatte, und wie wenig Blut nur noch in ihren Körpern gewesen sein konnte, wenn man die Menge bedachte, die sich auf der Straße verteilt hatte.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren beide schon nach den ersten Schüssen tot, hatte man mir damals mitgeteilt. Es sollte wohl tröstend sein, aber das war es mitnichten, verdammt! Wieder stieg grenzenlose Wut in mir auf, und ich wischte in einer schnellen Handbewegung nicht nur den Laptop, sondern auch die verfluchte Akte vom Tisch. Ich hasste Aidan dafür, dass er mir das antat.

Ein kleiner Zettel segelte zu Boden und ich verfolgte seinen Flug mit den Augen. Die Handschrift auf diesem war nicht Aidans. War mir das Stück Papier entgangen? Ich hob es auf und las, was in einer zierlichen Schrift dort stand. ›Wenn du wieder nüchtern bist, meld dich. Ave‹. Stöhnend ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Nicht nur, dass ich die Kleine mit anzüglichen Worten bedacht hatte, jetzt schien sie auch noch darauf aus, Samariterin zu spielen.

Aber damit war sie bei mir an der falschen Adresse. Weder wollte, noch musste ich gerettet werden. Sollte ich jemals die Möglichkeit erhalten, Aidan noch einmal zu begegnen, würde ich ihm deutlich klarmachen, was ich von seinem Paket hielt und wohin genau er sich solche Aktionen in Zukunft stecken konnte!

Ich schnappte mir mein Handy, und tippte auf die Wahlwiederholung. Je schneller ich der Lady klarmachte, dass unsere gemeinsame Zeit schon wieder dem Ende zuging, desto besser. Es dauerte keine zwei Sekunden, da hob sie ab. »Na, wieder nüchtern?«

Ich verzog das Gesicht. Scheiße, reichte es nicht, wenn ich mich daran erinnerte, wie ich mich benommen hatte? Nein, jetzt musste sie auch noch darauf rumreiten. »Nüchtern genug, um wieder bei Verstand zu sein allemal, Lady«, knurrte ich. »Ich will Sie auch gar nicht lange aufhalten. Wollte nur mitteilen, dass einfach alles, was gestern geschehen ist, und was auch immer Sie gesehen haben, sich erledigt hat.«

Ein leises Lachen erklang am anderen Ende der Leitung. »Das hättest du wohl gerne ... Aber keine Sorge, dass du mich ficken wolltest, habe ich schon wieder vergessen. Das Andere jedoch ... Aidan hat dir nicht ohne Grund meine Nummer gegeben.«

Erneut entwich mir ein Knurren. »Weil er ein Vollidiot ist, hat er mir deine Nummer gegeben. Ich werde ihn finden und dann zeige ich ihm, was ich davon halte!«

»Meinst du, das hätten deine Frau und dein Sohn so gewollt?«

Scheiße. Dieses Miststück. Von allen Dingen auf der Welt, die sie hätte sagen können, musste es diese eine Sache sein, die mich sowieso schon nicht losließ. »Soll ich dir was sagen, Lady?«, zischte ich gepresst durch die Zähne. »Meine Frau und mein Sohn können gar nichts mehr wollen, sie sind nämlich tot!«

»Aidan hat gewusst, dass damals nicht richtig ermittelt wurde und wenn du ihnen Gerechtigkeit zukommen lassen willst, bist du auf mich angewiesen.«

»Lady, auf was ich angewiesen bin, hab ich gestern Abend schon angeboten, aber du hast dankend abgelehnt, falls du dich erinnerst! Alles was ich will, ist, dass du diese Sache einfach ruhen lässt.«

»Weißt du, Dario ...« Fuck, sie kannte ja sogar meinen echten Namen. Recherchieren konnte sie, das musste ich ihr lassen. »Es spielt letztendlich keine Rolle, was du willst. Wenn Aidan will, dass ich nachforsche, werde ich das tun. Er hat auf jeden Fall seine Gründe! Einfacher wäre es, wenn du kooperieren würdest, aber ich bin nicht auf dich angewiesen. Du hingegen bist sehr wohl auf mich angewiesen, wenn du irgendetwas wissen willst!«

Meine Hand ballte sich zur Faust, mein Innerstes zog sich schmerzvoll zusammen. »Weißt du was, Lady?«, zischte ich gepresst. »Für so ein junges Ding bist du ganz schön bissig! Aber soll ich dir mal was sagen? Ich bin hier der Dog und mir sind schon viele solcher Früchtchen wie du begegnet! Die Fresse am Telefon aufreißen kannst du auf jeden Fall ziemlich gut! Kannst ja herkommen, wenn du mir was zu sagen hast. Mal sehen, wie vorlaut du von Angesicht zu Angesicht bist. Wo du mich findest, scheinst du ja zu wissen!«

Wutentbrannt nahm ich das Handy vom Ohr und legte auf. Was bildete sich diese verschissene Polizistin eigentlich ein? Ein Klopfen an der Tür ließ mich zusammenfahren. Für eine Schrecksekunde lang glaubte ich, dass die Kleine vor meinem Trailer stand, doch das konnte nicht sein. Oder? Ich stürmte zum Eingang und riss die Tür auf. »Was?«, brüllte ich, noch bevor ich überhaupt gesehen hatte, wen ich vor mir hatte.

Meine Wut verpuffte schlagartig, als ich realisierte, dass Jamie dort stand. Der Zwölfjährige hatte angstgeweitete Augen und starrte mich an. »Scheiße«, entwich mir ein unterdrückter Fluch und meine Miene wurde weich. Ich stieg die Stufen des Trailers hinab und machte einen Schritt auf den Jungen zu, der vor mir zurückwich. Dreck, und das alles nur wegen dieser ... dieses ... Frauenzimmers! »Sorry, Kleiner. Es tut mir leid. Hab ‘ne beschissene Nacht hinter mir.«

Jamie legte den Kopf schief und sah zu mir hoch. Ich lächelte ihn an und nach einer Weile glitt ein Grinsen über sein Gesicht. »Die Jungs sind schon alle da, Coach. Es ist schon nach zehn Uhr!«

Fast wäre mir wieder ein Fluch über die Lippen gekommen, aber ich konnte mich gerade noch bremsen. Ich nickte und drehte mich wieder zum Trailer um. »Geh schon mal rüber. Ich komme sofort nach.« Ich musste dringend ein paar Aspirin einwerfen, sonst würde ich das Training mit den Jungs nicht überstehen.

***

Es dauerte fast eine Stunde, bis die Tabletten wenigstens so weit gewirkt hatten, dass ich nicht bei jedem Punch, den meine Jungs in den Boxsack taten, schmerzerfüllt zusammenzuckte. Verspätet begann ich dann das Programm, das ich jeden Sonntag mit den Kids durchzog. Mir war es lieber, sie hier bei mir zu haben, als dass sie irgendwo in der Stadt Scheiße bauten. Auch Brian war da, was ich wohlwollend zur Kenntnis genommen hatte.

Natürlich war es mir nicht gelungen, mit einer einzigen Aktion einen anderen Menschen aus dem Jungen zu machen, aber der Blick, den er mir zugeworfen hatte, als er meine Halle betrat, ließ erkennen, dass er zumindest einen Funken Respekt vor mir in sich trug. Das war nicht viel, aber immerhin ein Anfang.

Und wenn ich es erst mal geschafft hatte, den Kids einzutrichtern, dass es nur mein Wort war, das zwischen Freiheit und Knast entschied – entschieden die meisten von ihnen richtig. Aidan war das beste Beispiel dafür, trotz allem, weshalb ich gerade nicht gut auf ihn zu sprechen war.

Die sich quietschend öffnende Tür der Halle ignorierte ich zunächst, bis die älteren meiner Jungs anfingen zu johlen und zu pfeifen. Ich wandte mich um und fast hätte mich der Schlag getroffen. Die kleine Polizistin stand im Türrahmen und starrte mich wie ein Racheengel an. Scheiße, ich hatte mein Maul wohl etwas zu weit aufgerissen und ob ich es wollte oder nicht, ich musste ihr Respekt zollen.

Sie hatte echt Arsch in der Hose! Sprichwörtlich übrigens, wie ich feststellte, als sie langsam und mit schwingender Hüfte, und ich meinte nicht dieses gekünstelte Arschschwingen von Make-up beschmierten Luxusweibchen, sondern diesen natürlichen Schwanz zum Leben erweckenden Hüftschwung, auf mich zu gestiefelt kam.

Ich zwang mich, an etwas Unverfängliches zu denken, und blickte auf sie herab, als sie nun vor dem Boxring stehenblieb und ihren Kopf in den Nacken legen musste, um mich ansehen zu können. »Was?«, fauchte sie, als ich anfing, breit zu grinsen.

Mit einem Kopfnicken deutete ich auf meine Jungs. »Nichts, solange Kinder anwesend sind«, erklärte ich und war mir sicher, dass sie verstand. Ihr finsterer Blick wurde weicher und sie nickte. Dann drehte sie sich zu meinen Kids, von denen einige sie anstarrten, als sei sie das siebte Weltwunder. Und scheiße, ich wollte verdammt sein, aber fast hätte ich mich in dieses Starren eingereiht, als jetzt ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien und es förmlich zum Leuchten brachte. »Brian!«, sagte sie und ging auf mein neuestes Problemkind zu. Woher zur Hölle kannte sie ihn?

Aber das Beste war, mit anzusehen, das Brian errötete bis an die Haarwurzeln und verlegen »Hi, Ms. Harper« stammelte.

Das waren ja ganz neue Töne! Avery drehte erneut den Kopf und sah mich an. Sie musste mir angesehen haben, dass ich wissen wollte, woher sie den Jungen kannte, aber sie schüttelte nur ganz leicht den Kopf, ehe sie ihre Jacke auszog und Brian diese zum Aufhängen in die Hand drückte. »Wärst du so lieb? Ich werde euch beim Training zusehen, wenn es für euch okay ist?«

Sie blickte in die Runde und zu meinem Erstaunen nickte einer nach dem anderen. »Fein, dann wäre das geklärt«, grinste sie und marschierte an den Rand der Halle, wo ein paar Turnbänke standen, und setzte sich.

In den folgenden zwei Stunden erlebte ich etwas, was sogar mir die Worte raubte, und dass war wirklich eine Kunst. Meine Jungs benahmen sich wie eine Eins. Keiner, aber wirklich keiner von ihnen fluchte, brüllte oder leistete sich sonst irgendeinen Fehltritt. Nein, jeder Einzelne schien es zu seinem erklärten Ziel gemacht zu haben, die kleine Polizistin zu beeindrucken, denn mehr als einmal huschten verstohlene Blicke zu der Bank, von der aus sie uns genau beobachtete.