Finde die Liebe, die dir als Kind gefehlt hat - Julia Tomuschat - E-Book

Finde die Liebe, die dir als Kind gefehlt hat E-Book

Julia Tomuschat

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Beschreibung

Fast jeder erlebt Belastungen und Enttäuschungen gegenüber den Eltern. Werden die negativen Einflüsse zu stark, wird die Persönlichkeitsentfaltung gehemmt. Wir können das verletzte innere Kind, das Schattenkind, heilen. Mit einer inneren Stimme, die sich liebevoll und unterstützend dem jüngeren Selbst zuwendet - mit der heilenden Kraft der elterlichen Liebe. Kümmern wir uns wie eine fürsorgliche Mutter und ein einfühlsamer Vater um uns selbst, geben wir uns die Unterstützung, die wir als Kind vermisst haben: Zuwendung (Nestwärme) und Ermutigung (Flügel). Dadurch stabilisiert sich unser Selbstwert und alte Verletzungen heilen. Anleitungen zeigen, wie die inneren Eltern als fester Bestandteil der Selbstfürsorge aufgebaut werden.

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Seitenzahl: 225

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Impressum

© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Ariane Hug

Lektorat: Imke Rötger

eBook-Herstellung: Linda Wiederrecht

ISBN 978-3-8338-7883-1

1. Auflage 2021

Bildnachweis

Coverabbildung: Franziska Misselwitz, Stocksy

Fotos: Roswitha Kaster

Syndication: www.seasons.agency

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wir wollen Ihnen mit diesem E-Book Informationen und Anregungen geben, um Ihnen das Leben zu erleichtern oder Sie zu inspirieren, Neues auszuprobieren. Wir achten bei der Erstellung unserer E-Books auf Aktualität und stellen höchste Ansprüche an Inhalt und Gestaltung. Alle Anleitungen und Rezepte werden von unseren Autoren, jeweils Experten auf ihren Gebieten, gewissenhaft erstellt und von unseren Redakteuren/innen mit größter Sorgfalt ausgewählt und geprüft. Haben wir Ihre Erwartungen erfüllt? Sind Sie mit diesem E-Book und seinen Inhalten zufrieden? Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung. Und wir freuen uns, wenn Sie diesen Titel weiterempfehlen, in ihrem Freundeskreis oder bei Ihrem online-Kauf.

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GRÄFE UND UNZER VERLAG Grillparzerstraße 12

Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Meinen Eltern Heide und Christian Tomuschat

GIB DIR, WAS DU ALS KIND GEBRAUCHT HÄTTEST

Dieses Buch ist eine sehr gute Nachricht für alle, die als Kind nicht ausreichend Aufmerksamkeit, Liebe und Verständnis bekommen haben: Wenn wir beginnen, uns wie eine fürsorgliche Mutter und ein einfühlsamer Vater um uns selbst zu kümmern, geben wir uns die Unterstützung, die wir in unserer Kindheit vermisst haben.

Wir können das Vermisste also nachholen – und machen uns überdies auf Dauer unabhängig von Quellen der Zuwendung im Außen.

Um darauf einen Vorgeschmack zu bekommen, kannst du dich fragen:

Wie würde sich mein Leben verändern, wenn ich wie ein liebevoller Vater/eine liebevolle Mutter …

• an mich glaubte?

• mich annähme – so wie ich bin?

• mich freundlich ermunterte?

• mir vertraute?

• mich liebte?

HEILUNG UND DIE SEHNSUCHT NACH ELTERLICHER LIEBE

Wem die Liebe seiner Eltern gewiss ist, braucht sich vor nichts zu fürchten – das ist meine feste Überzeugung. Zugleich klingt es wie ein Schlusssatz aus einem Märchen. Die gute Fee verkündet am Ende, als alles gut ausgegangen ist, diese Lebensweisheit. Und wir spüren: Es stimmt! Die elterliche Liebe ist lebenslang eine stärkende Kraft. Intuitiv wissen wir, wie sehr jeder Mensch die Liebe seiner Eltern braucht. Und wie sehr Menschen sie vermissen, wenn Eltern zu dieser Liebe nicht fähig waren. Auch wenn wir längst erwachsen sind, sehnt sich der kindliche Anteil in uns danach, angenommen und gehalten zu werden. Er dürstet nach Mutters und Vaters Liebe.

Manche Menschen hatten das Glück, von hingebungsvollen Eltern aufgezogen zu werden. Sie fühlten sich von klein auf willkommen auf dieser Welt. Sie wurden gefördert und unterstützt. In den Augen ihrer Eltern lag ein Lächeln, wenn sie ihren Nachwuchs anschauten. Diese elterliche Zuwendung stärkt die Lebensenergie dieser Menschen weit über das Kindesalter hinaus. Glückspilze! Sie tragen Vaters und Mutters Liebe in sich. Sie sind in dieser Liebe wie in einen kuscheligen Mantel eingehüllt. Sie sind geschützt, auch wenn der Wind des Lebens eisig bläst. Ein liebevolles Elternhaus gibt uns eine Art Nestschutz für unser gesamtes Leben mit. In der Biologie bedeutet Nestschutz, dass das Baby durch die Muttermilch immunisiert und nicht so leicht krank wird. So ähnlich funktioniert das mit der Elternliebe. Sie macht uns widerstandsfähiger gegenüber den Herausforderungen des Lebens. Sogar die Angst vor dem Tod wird abgemildert, wie mir eine Bewohnerin im Altenheim schilderte. Sie fürchte sich nicht vor dem Sterben. »Im Himmel werde ich Vati und Mutti wiedertreffen und darauf freue ich mich.« Vielleicht hast du ähnlich gute Gefühle, wenn du an deine Eltern denkst. Dann kannst du dieses Buch getrost beiseitelegen und dich daran freuen, dass deine Eltern dir einen warmen Kuschelmantel geschenkt haben.

Sehr viel wahrscheinlicher hast du zwiespältige Gefühle, wenn du an deine Eltern denkst, und du hast ihre Liebe und ihre Zuwendung zumindest stellenweise vermisst. Die meisten Menschen haben kein ungetrübtes Verhältnis zu Mutter und Vater. Sie erinnern sich neben den schönen Momenten auch an Kränkungen, Zurückweisungen und fehlende Zuneigung. Man muss es so sagen: Die wenigsten Eltern lieben ihre Kinder bedingungslos, denn viele Eltern haben ihrerseits ein Päckchen zu tragen. Aufgrund der eigenen Biografie und der Verletzungen, die sie in ihrer Kindheit im Elternhaus erlebten, sind sie eingeschränkt liebesfähig.

Meine Klienten berichten mir von Müttern, die nie zuhörten. Davon, dass dem ungeduldigen Vater der Kragen platzte, weil sie die Schleife immer noch nicht binden konnten, von frostigem Schweigen, weil sie zu spät kamen. Sie erzählen mir, dass es »eine setzte«, weil sie etwas kaputt gemacht hatten, und dass sie Schimpftiraden erdulden mussten, weil sie »nur« eine Drei mit nach Hause brachten. Andere hatten Eltern, die so sehr mit sich selbst beschäftigt waren, dass emotional kein Platz für ein bedürftiges Kind vorhanden war. Als Reaktion darauf strengten diese Menschen sich als Kinder sehr an, die Aufmerksamkeit der Eltern zu gewinnen – oft vergebens. Und einige meiner Klientinnen sind ganz ohne Vater beziehungsweise Mutter aufgewachsen. Ihnen fehlte die Zuwendung eines Elternteils. Und sie fragen sich, warum der Vater / die Mutter sie im Stich gelassen hat. Hinzu kommen die Erziehungsideologien der jeweiligen Zeit. Meine Oma war der Überzeugung »Man muss ein Baby schreien lassen, das stärkt die Lunge«, und als meine Kinder klein waren, stand das Buch »Jedes Kind kann schlafen lernen« auf den Bestsellerlisten. Dieser Ratgeber hat Eltern dazu aufgefordert, ihre Babys und Kleinkinder schreien zu lassen, um ihm das Schlafen »beizubringen«. Die Begleitbotschaft ist klar: Schon sehr kleine Kinder sollen sich fügen. Liebe und Zuwendung gibt es nur bedingt, für »richtiges« Verhalten.

Haben wir in Kindertagen keine oder zu wenig Liebe bekommen, ist unsere Selbstliebe blockiert. Denn die elterliche Liebe wirkt wie ein Spiegel für unsere Gefühle: Schauen die Eltern uns liebevoll an, fühlen wir uns wertvoll und willkommen auf der Welt. Wir spüren, dass wir richtig sind, so wie wir sind. Diese Emotion tragen wir als Urvertrauen in uns und sie ist die Grundlage für ein gesundes Selbstwertgefühl. Probleme wie ein mangelndes Selbstbewusstsein, Ängste und Traurigkeit entstehen, weil Vater und Mutter uns nicht bedingungslos liebten, weil sie nicht erkannten, was wir brauchten, und weil sie uns nicht ausreichend Nähe und Geborgenheit schenkten.

Ist das nicht ein bisschen viel verlangt?, fragst du dich jetzt vielleicht. Bedingungslose Liebe? Wer kann das schon bieten? Oder erwarten? Geht es nicht ein bisschen kleiner? Reicht es nicht, wenn wir überhaupt geliebt wurden? Einerseits schon, schließlich kommen wir mit den Anforderungen des Lebens auch zurecht, ohne dass wir bedingungslose Liebe erlebt haben oder geben können. Aber tief in uns wünschen wir uns genau diese Art von Liebe. Wir wollen geliebt und anerkannt werden, und zwar dafür, dass wir so sind, wie wir sind, unabhängig davon, was wir tun oder leisten. Viele Menschen teilen die Erfahrung, dass sie sich die Anerkennung ihrer Eltern verdienen mussten. »Sie haben mich nur gelobt, wenn ich mit guten Noten nach Hause kam. Ich war nur wertvoll, wenn ich Leistung brachte.«

Nun sind die Kindertage längst vorbei. Doch der Schluss liegt nahe: Wenn es gelänge, uns heute die Liebe zu schenken, die wir als Kind vermisst haben, könnten wir uns doch noch in der Welt bedingungslos willkommen fühlen. Wir könnten die Selbstzweifel, die wir seit Kindertagen in uns tragen, abstreifen. Wir würden uns wertvoll und richtig fühlen, so wie wir eben sind. Und wir könnten dann auch andere so lieben, wie wir es uns wünschen. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Denn die verinnerlichte Stimme der Herkunftseltern verhindert, dass ich mich so annehme, wie ich bin.

Eine vertrackte Situation, die mir meine Klienten und Klientinnen häufig schildern: Sie haben zwar die Verletzungen ihres inneren Kindes entdeckt. Sie haben mit Hilfe von Büchern, Podcasts und Workbooks viel über sich selbst und ihre Kindheit in Erfahrung gebracht. Sie verstehen, wie sehr sie durch ihre Eltern geprägt worden sind. Und trotzdem fehlt der letzte Kick, der wirklich eine Veränderung bewirken würde. Sie sehen sich selbst vor sich, wie sie als Junge oder Mädchen vor ihren Eltern standen und sich klein und wertlos fühlten. Sie spüren auch, dass es gut wäre, dieses kleine Wesen, das sie einmal selbst waren, zu trösten. Aber jetzt sind sie ratlos: »Ich weiß, ich müsste den verängstigten kleinen Jungen / das kleine Mädchen in mir trösten, aber ich weiß einfach nicht, wie das geht. Ich finde nicht die richtigen Worte. Wenn ich es versuche, fühlt es sich hohl an. Irgendwie fehlt mir der Anpack.« Verständlich, denn hierfür braucht man einen Zugang zu sich selbst als Kind, dem inneren Kind.

Vielleicht hast du den Begriff vom inneren Kind schon einmal gehört. Er bezeichnet alle in uns gespeicherten Erinnerungen, Gefühle und Erfahrungen aus der Kindheit. In unserem inneren Raum bewahren wir sowohl Positives wie die unbändige Freude beim Spielen mit Freunden als auch Belastendes wie Schamgefühle, weil wir in großer Runde am Familientisch runtergeputzt wurden. Wir beherbergen in unserer Psyche das fröhliche innere Kind – unser Sonnenkind – und den verletzten kindlichen Anteil – unser Schattenkind. In den letzten Jahren haben sich immer mehr Menschen der Arbeit mit dem inneren Kind zugewandt. Diese aus meiner Sicht positive Entwicklung ist insbesondere das Verdienst meiner lieben Freundin und Kollegin Stefanie Stahl1, die mit ihrem Bestseller »Das Kind in dir muss Heimat finden« darauf aufmerksam gemacht hat, wie prägend das verletzte innere Kind, das Schattenkind, auch noch im Erwachsenenalter ist. Wer sein Sonnenkind entdeckt und sein Schattenkind tröstet, erfährt Heilung.

»Aber wie funktioniert das mit dem Trösten? Wie schaffe ich es, die ursprüngliche Programmierung dauerhaft aufzulösen?« Mit diesen Fragen im Gepäck suchen viele Klient*innen meine Hilfe. Sie wollen ihr verletztes inneres Kind nachhaltig heilen. Dafür braucht das Schattenkind warmherzige Eltern. Damit es auf einer tiefen Ebene gesunden kann, benötigt es das Mitgefühl und die Liebe von (besseren) inneren Eltern. Gutmeinende und unterstützende innere Eltern sind das fehlende Verbindungsstück. Wer sie als Helferwesen in seiner Psyche etabliert, kann das verletzte innere Kind auf einer tiefen Ebene heilen.

Was sind gute innere Eltern? Sie sind eine innere Stimme, die sich liebevoll und unterstützend dem jüngeren Selbst zuwendet. Die Botschaften der idealen inneren Eltern unterscheiden sich zumeist von dem, was du als Kind tatsächlich gehört und aufgenommen hast. Als Kind warst du von deinen Eltern abhängig. Deshalb hast du alles, was sie sagten, für bare Münze genommen. Heute bist du erwachsen. Du kannst neue Entscheidungen treffen, die Kinderrolle verlassen und dir selbst die Ermutigung und Warmherzigkeit geben, die du dir als Kind gewünscht hast. Du kannst dir selbst Vater und Mutter sein.

Genau hier setzt dieses Buch an. Ich möchte dir einen Leitfaden an die Hand geben, wie du dein inneres Kind heilen kannst. Du bekommst eine Anleitung, wie du dir selbst Eltern sein kannst. Mithilfe der Übungen in diesem Buch kreierst du dir ideale innere Eltern, Eltern, die dir den Rücken stärken. Auf diese Weise schenkst du dir die Liebe, die dir als Kind gefehlt hat. Das ist wie ein kleines Coaching zur Selbstliebe. Das heißt, wenn du möchtest, bist du dein eigener Coach im Selbstcoaching zur Selbstliebe.

Damit du den Coachingprozess gut durchlaufen kannst, erläutere ich dir, lieber Leser, liebe Leserin, die dahinterstehenden psychologischen Zusammenhänge. Verstehen allein reicht nicht. Eine Klientin hat es einmal folgendermaßen formuliert: »Vom Kopf her weiß ich ganz genau, warum ich so viele Probleme habe. Aber es sackt nicht vom Hirn in mein Herz und in meinen Bauch.« Damit steht sie nicht alleine da. Verstehen ist der erste Schritt, damit in einem weiteren Schritt das Wissen im Herzen, in der ganzen Person, ankommt. Zum Überwinden der Hirn-Herz-Schranke habe ich Übungen und kleine Experimente entwickelt. Am meisten profitierst du, wenn du die Übungen nicht nur durchliest, sondern auch durchführst. Dafür möchte ich werben. Wir alle wissen, dass wir nicht sportlicher werden, wenn wir Fitnessvideos auf Youtube schauen. Mit der Persönlichkeitsentwicklung ist es ähnlich. Zwar mag sich beim Lesen die eine oder andere Erkenntnis einstellen, aber tiefere Einsichten kommen erst beim Ausprobieren. Vielleicht magst du dir dafür ein leeres Heft zulegen, in das du deine Gedanken, Selbstbeobachtungen und Ideen hineinschreibst?

Du kannst jetzt mit der ersten kleinen Übung anfangen. Schließe die Augen und frage dich: »Wie würde sich mein Leben verändern, wenn ich wie ein liebevoller Vater/eine liebevolle Mutter …

an mich glaubte?mich annähme – so wie ich bin?mich freundlich ermunterte?mir vertraute?mich liebte?«

Wenn wir uns wie eine fürsorgliche Mutter beziehungsweise ein einfühlsamer Vater um uns selbst kümmern, geben wir uns die Unterstützung, die wir als Kind vermisst haben. Das ist uns auch heute, wo wir schon längst erwachsen sind, noch möglich.

Jetzt habe ich die ganze Zeit über die inneren Eltern geschrieben und so getan, als wären Vater und Mutter eine Einheit. Das stimmt aber nicht. Vater und Mutter erfüllen unterschiedliche Grundbedürfnisse. Unser Bedürfnis nach Zuwendung und Nestwärme wird eher von der idealen Mutter erfüllt. Der ideale Vater spornt uns an, die Welt zu erobern. Wenn wir selbst den mütterlichen und väterlichen Part übernehmen und für beides sorgen, für warmes Angenommensein UND Ermutigung, ist dies wie ein Düngemittel für unsere Entwicklung. Der Selbstwert festigt sich und alte Strukturen wie das Gefühl »Ich bin nicht liebenswert« lösen sich auf. Durch die heilende Kraft der elterlichen Liebe nehmen wir uns an, wie wir sind, und stehen authentisch mit beiden Beinen im Leben.

Ich bin viele - Teile der Persönlichkeit

Unsere Psyche beherbergt verschiedene innere Anteile. Wenn wir sie uns bewusst machen, kann Heilung entstehen.

Liebe Leserin, ich stelle mir vor, dass du dir nicht nur Papier und Bleistift bereitgelegt hast, sondern dass du innerlich für das Selbstliebe-Coaching bereit bist. Neugierig schlägst du die ersten Seiten auf und hast Lust, dich durch das Buch zu führen und mit ihm zu arbeiten. Als Coach braucht man Hintergrundwissen darüber, wie Menschen ticken, deshalb beschreibe ich in diesem Kapitel, wie verschiedene Persönlichkeitsanteile zusammenspielen.

Die Aussage »Ich bin viele.« beschreibt eine Alltagserfahrung. Klar, wir sind facettenreich. Im Büro bei der Teambesprechung verhalten wir uns anders als daheim am Küchentisch: Wir haben ein berufliches und ein privates Selbst. In uns leben unterschiedliche Anteile. Und wenn man all die inneren Teile zu einer Party einlüde, käme eine erkleckliche Anzahl Gäste unterschiedlichen Alters zusammen. Die Schematherapie, ein psychotherapeutischer Ansatz, geht davon aus, dass wir ein Kind-Ich, Eltern-Ich und ein Erwachsenen-Ich, sozusagen als Stammgäste, in uns beherbergen. Andere psychologische Richtungen sprechen vom inneren Dialog, der mehrere Stimmen hat, vom inneren Team mit mehreren Rollen oder von der Teilearbeit. Die Dynamik zwischen dem inneren Kind und seinen Eltern steht in diesem Buch im Vordergrund.

Mir ist bewusst, dass ich die Perspektive verenge, wenn ich Vater und Mutter als wichtigste Einflussgröße für unsere Psyche herausschäle. Wir sind komplexe Wesen in einer vielschichtigen Welt. Selbstverständlich existieren weitere Faktoren, die uns stärken oder schwächen. Aus der Forschung weiß man zum Beispiel, dass Persönlichkeitsmerkmale auch vererbt werden. Dazu gehört beispielsweise, ob jemand psychisch stabil ist. Manche Menschen sind von Haus aus robuster und weniger empfänglich für negative Emotionen als andere.2 Umweltfaktoren und Erfahrungen im Mutterleib3 sind ebenfalls bedeutsam: Es spielt eine Rolle, ob wir in armen oder reichen Verhältnissen aufwachsen. Verzeihe mir bitte, wenn ich dennoch nicht alles berücksichtige und mich so sehr auf die Eltern ausrichte. Sie sind nicht der alleinige Einflussfaktor, aber sie sind äußerst wichtig. Solltest du nicht bei deinen biologischen Eltern aufgewachsen sein, kannst du für das Coaching deine Beziehung zu allen wichtigen Bindungspersonen betrachten, zum Beispiel zu deinen Adoptiveltern.

Weil wir mit den Eltern die allerersten Beziehungserfahrungen machen, sind diese derart prägend, dass sie zu einem festen Bestandteil unserer Psyche werden. Kinder tragen eine Liebeserwartung in ihrem Herzen. Selbst wenn sie wollten, könnten sie sich nicht dagegen wehren. Babys kommen bindungsbereit, ich nenne dies auch »liebesbereit«, auf die Welt. Säuglinge wenden sich instinktiv den Menschen in ihrer Umgebung – meistens den Eltern – zu. Sie drehen ihr Köpfchen dahin, wo es nach Mama riecht, und folgen Papas Stimme mit den Augen. Sie bemühen sich aktiv um Nähe. Damit gehorchen sie einer biologischen Notwendigkeit. Schließlich hängt ihr ganzes Weh und Ach, ihr Überleben, davon ab, ob ihnen die Eltern wohlgesonnen sind (siehe auch das Kapitel »Urvertrauen« über das innere Baby >). Ohne Fürsorge kommt kein Menschenkind durch. Deshalb sind Babys neurobiologisch auf Bindung programmiert. Ob wir wollen oder nicht: Papa und Mama sind unsere erste große Liebe.

Auch in den folgenden Jahren sind die Eltern für das Kind der wichtigste Fixpunkt. Ihnen gilt (fast) alle Aufmerksamkeit. Es sieht, ob der Vater, wenn er mit ihm spricht, die Stirn runzelt oder ob seine Augen weich und wohlwollend auf ihm ruhen. Das kleine Kind hört, was die Mama sagt, und vor allem, wie sie Dinge sagt. Mit seinen sensiblen Antennen nimmt es wahr, wie sich seine Eltern verhalten. Sind sie angespannt oder relaxed? Klingen sie glücklich oder verzweifelt? Wie ein trockener Schwamm nimmt es ihre Stimmungen auf und passt sich an. All diese Erfahrungen drücken uns einen Stempel auf. Sie graben sich so sehr ins Hirn und in den Körper ein, dass irgendwann die Eltern gar nicht mehr anwesend sein müssen, um ihre Stimme zu hören. In der Psychologie heißt es, man habe die Eltern verinnerlicht.

DAS VERLETZTE INNERE KIND UND SEINE INNEREN ELTERN

Die Stimme der Eltern begleitet uns überallhin. Ob wir inzwischen zwanzig oder fünfzig Jahre alt sind, unwillkürlich hören wir den Kommentar der verinnerlichten Eltern. Wenn wir ein buntes T-Shirt kaufen, Nutella aus dem Glas naschen oder den eigenen Kindern bei den Schulaufgaben helfen, unablässig vernehmen wir das Urteil von Mutter und Vater wie eine Musik im Hintergrund.

Die meisten Menschen verbinden mit ihren Eltern gute und schlechte Erfahrungen – Sonniges und Schattiges. Zunächst möchte ich die problematische Seite beleuchten. Leider ist die verinnerlichte elterliche Stimme nicht immer liebevoll und unterstützend, sondern oftmals harsch, abwertend oder überängstlich. Wenn wir eine Sache nicht auf Anhieb richtig machen, rollt beispielsweise ein Teil von uns mit den Augen und schimpft: »Du bist ja zu blöd, die einfachsten Sachen hinzubekommen.« Es ist, als würden wir uns selbst abwatschen. Das nagt am Selbstwert. Anstatt dass wir uns ermutigen »Ach, das wird schon. Versuche es einfach noch einmal«, werten wir uns selbst ab. Die inneren Eltern werden zum ständig nörgelnden inneren Kritiker. Wie sollen wir Herausforderungen annehmen und Abenteuer wagen, wenn wir uns selbst zerlegen? Der Gedanke »Ich werde mich bestimmt doof anstellen und blamieren« blockiert uns.

Viele Menschen sind ihren Eltern gegenüber loyal. Sie finden sie vorbehaltlos okay. Egal wie schäbig die Mutter oder der Vater mit ihnen umgegangen ist, niemals würden sie die kleinste kritische Bemerkung über sie fallen lassen. Andere rebellieren gegen ihre Eltern und hoffen, dass sie, wenn sie aus dem Elternhaus ausziehen, die kontrollierende und negative Tonspur abschütteln. Sie wollen endlich frei sein und die alte Leier nicht mehr hören. Leider funktioniert das in den meisten Fällen nicht. Für Kritik und Entmutigung müssen Vater und Mutter nämlich gar nicht anwesend sein.

KATRIN KANN NICHT SCHLAFEN

Meine Klientin Katrin vernahm die väterlichen Kommentare vor dem Einschlafen. Sie quälte sich mit Selbstzweifeln. »Habe ich für morgen alles vorbereitet? Bestimmt habe ich etwas vergessen. Ich bin eine dusselige Kuh.« Ihr Vater war vor einigen Jahren gestorben. Trotzdem lag sie nachts wach. Ihr inneres Kind kämpfte mit dem Gefühl, minderwertig zu sein, das er ihr eingetrichtert hatte. Und dann schaltete sich eine weitere strenge Stimme ein und versuchte, die Selbstzweifel zu übertönen: »Jetzt reiß dich zusammen. Du musst funktionieren. Schlaf endlich ein.«

Für unsere Psyche ist es unbedeutend, ob die Eltern im gleichen Dorf wohnen oder meilenweit entfernt oder wie bei Agnes gar nicht mehr leben. Trotzdem ist ihre Stimme deutlich hörbar. Wenn ich »höre« schreibe, ist das möglicherweise missverständlich für dich. Nicht allen Menschen sind die Eltern auf der Tonspur präsent. Manchmal sind die inneren Eltern als Gefühl in uns verankert. Dann hören wir die elterlichen Kommentare nicht mit unserem inneren Ohr, sondern empfinden beispielsweise ein stechendes Gefühl im Bauch, wenn wir uns bei einem Fehler ertappen. Wohlgemerkt: Die Eltern müssen dafür nicht anwesend sein. Wir haben sie längst verinnerlicht. Sie sind ein Teil von uns.

Wie kommt es dazu, dass die Eltern in uns leben? Die Erfahrungen, die wir als Kind mit unseren Eltern machen, sind durch ein doppeltes Erleben gekennzeichnet. Unsere Eltern sind die Erziehenden und als Kind sind wir der Empfänger ihrer Botschaften.

ANNA IST NIE ZUFRIEDEN

Meine Klientin Anna erzählte mir, dass ihre Mutter immer wieder mit ihr schimpfte, weil sie ihr so viel Arbeit mache. »Wenn ich heimkam und nur ein Krümelchen Dreck mit in die Wohnung brachte, hat sie sich maßlos aufgeregt. Überhaupt stöhnte sie bei jeder Kleinigkeit. Wenn sie für mich und meine Geschwister kochte oder den Wochenendeinkauf erledigte, war das immer mit Genervtsein verbunden. Einmal sagte sie mir sogar, dass wir ihr ganzes Leben versaut hätten.« Annas Mutter sendete ihr die Botschaft: »Du fällst zur Last. Du bist eine Zumutung.« Anna fühlte sich deswegen schuldig und versuchte, sobald sie älter war, ihre Mutter zu entlasten. Sie putzte, bügelte und versorgte die jüngeren Geschwister. Anna war ein fleißiges Mädchen, trotzdem nörgelte ihre Mutter häufig. »Hier sieht es schon wieder aus wie Sau. Ich verstehe einfach nicht, warum du keine Ordnung halten kannst.«

Annas kindliches Ich weiß, wie schmerzlich es sich anfühlt, regelmäßig angemeckert zu werden und nicht zu genügen. Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite lernte Anna »die Kunst« der Beschimpfung, denn Eltern sind für uns immer ein Vorbild. Sie sind unser Modell dafür, wie man mit einem Kind spricht – dafür, wie man mit uns redet. Vor allem, wenn ein Kind sehr häufig wegen der gleichen Sache gescholten wurde, ist die Gefahr groß, dass es diese negativen Kommentare verinnerlicht. Zurück zu Anna, die heute erwachsen ist: Sie braucht ihre Mutter gar nicht mehr. Sie trägt sowohl den Kinderteil, der sich anstrengt, als auch den genervten Mutterteil in sich. »Auch wenn ich tagelang putze und aufräume, irgendetwas stört mich immer. Ich frage mich dann, warum ich nie zufrieden bin.«

Da die Eltern bewusst oder unbewusst unser Vorbild sind, nehmen wir sie in uns auf. Auf diese Weise angelegte psychische Strukturen bleiben uns jenseits der Kindheit erhalten: das Kindliche und die inneren Eltern. Das verletzte innere Kind wird von Stefanie Stahl Schattenkind genannt. Die verletzenden Eltern könnte man dementsprechend Schatteneltern nennen.

Schatteneltern sind nicht nur als innere Stimme vernehmbar. Sie kommen auch zum Vorschein, wenn wir mit anderen Menschen sprechen. Anna hat beispielsweise ihrem Partner einmal heftige Vorwürfe gemacht, weil es bei ihm nicht wie geleckt aussah. Sie stand in der Küchentür und die Worte purzelten aus ihr heraus: »Kannst du keine Ordnung halten? Du bist eine Sau.« In solchen Momenten lassen wir die Schatteneltern auf andere Menschen los. Wir wollen natürlich nicht gemein und gehässig sein. Aber in dem Moment funktionieren wir wie auf Knopfdruck. Hinterher tut es einem leid, denn das eigene Schattenkind weiß genau, wie verletzend diese Worte sind.

Das Schattenkind und die Schatteneltern sind Teil unserer Psyche. Sie sprechen miteinander und schaukeln sich unter Umständen gegenseitig hoch. Oft entfaltet sich eine ungesunde Dynamik, wie man an Annas Beispiel sieht. Anna rackert sich ab, doch für den strengen von der Mutter übernommenen elterlichen Anteil ist es nie gut genug. Anna behält den kritischen mütterlichen Blick auf sich selbst bei: »Kannst du das nicht ein einziges Mal richtig machen?« Deshalb müht Anna sich wie verrückt. Ohne Erfolg. Sie ist in einer Schleife aus Anstrengung und Nörgeln gefangen – ein richtiger Teufelskreis. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, brauchen wir die Sonnenseite, den inneren Erwachsenen und die idealen inneren Eltern.

DAS SONNENKIND UND DIE POSITIVE SEITE DER INNEREN ELTERN

Bisher habe ich vor allem die problematische Seite der verinnerlichten Elternstimme aufgezeigt, aber meistens haben wir auch Positives mit Mama und Papa erlebt. Die Eltern haben uns getröstet und getragen. Oft hat wenigstens ein Elternteil dafür gesorgt, dass Essen auf den Tisch kam, mit uns gespielt, gesungen und uns beim Sport angefeuert. Anna erinnert sich zum Beispiel bis heute mit einem tiefen Durchatmen daran, dass ihr Vater ihr beigestanden hat, wenn ihre Mutter schlimm schimpfte. Durch ein Augenzwinkern gab er ihr zu verstehen: »Nimm es nicht so schwer. Mutti meint es nicht so.« Zwar wäre es Anna lieber gewesen, ihr Vater hätte lautstark für sie Partei ergriffen, dennoch war das Augenzwinkern für Anna ein Lichtblick. »Es hat mir geholfen, die Schimpftiraden zu überleben.« Ein Teil von ihr wusste, dass er ihr, wenn auch heimlich, zur Seite steht. Solche positiven Erlebnisse verlieren wir nicht. Sie sind in unserem Sonnenkind, dem glücklichen inneren Kind, abgespeichert.

Mit meinen Klienten suche ich diese Sonnenseite aktiv auf. Sie bildet ein Gegengewicht zu den dunklen Schattenseiten. Fast immer lässt sich etwas Sonniges finden. Allerdings muss man manchmal den Suchradius erweitern. Ging von den Eltern keine oder wenig Wärme aus, sind hoffentlich andere Menschen in die Bresche gesprungen und schenkten einen Sonnenstrahl. Erzieherinnen, Lehrerinnen, Großväter, Großmütter, Fußballtrainer oder Jungscharleiterinnen waren für viele meiner Klientinnen wichtige Ankerpunkte. »Gott sei Dank konnte ich bei meiner Oma unterkriechen. Ich durfte auf der Küchenbank mit den grünen Polstern sitzen, Kakao trinken und mit den Beinen schlenkern. Die warme Tasse in Händen, die aufmunternden Worte – das war Balsam für meine Kinderseele. Sie war meine Rettung.«

Wir brauchen wenigstens eine erwachsene Person als positiven Bezugspunkt. Das wurde in einer groß angelegten Studie bestätigt: Der wichtigste Einflussfaktor für Resilienz in der Kindheit ist, dass mindestens eine stabile und verlässliche Beziehung zu einem Erwachsenen besteht. Resilienz bedeutet Widerstandskraft: Ich bleibe in schwierigen Lebenssituationen so gefestigt, dass ich sie ohne anhaltenden Schaden überstehe. Wer resilient ist, hat eine Art psychisches Immunsystem. Resiliente Menschen werden von belastenden Lebensereignissen wie einem Umzug oder einem Beziehungsabbruch nicht so schnell aus der Bahn geworfen. Sie sind wie ein Stehaufmännchen und kommen schnell wieder auf die Füße.4