Fionrirs kleine Reisen - Andreas Arnold - E-Book

Fionrirs kleine Reisen E-Book

Andreas Arnold

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Beschreibung

"Fionrirs kleine Reisen" ist kein Buch mit Bildern. "Fionrirs kleine Reisen" ist kein Musikalbum. "Fionrirs kleine Reisen" ist all das in einem: 14 Kurzgeschichten um den Drachen Fionrir , vertraut aus der Trilogie "Fionrirs Reise", von Andreas Arnold, 14 Illustration von Norman Heiskel und das Musikalbum zu den Geschichten mit 14 Liedern vom zweifachen Gewinner des Deutschen Rock & Pop Preis Yannick Di Mari. Wohin führen die Reisen? Fionrir ist ein feuerspeiender Bergdrache. Seine Abenteuer füllen drei Bücher, doch seine Geschichten sind noch lange nicht alle erzählt. Inzwischen sind Fionrir und Prinzessin Quirina keine Kinder mehr. Sie und ihre Freunde treten bekannten und unbekannten Widersachern entgegen, treffen alte und neue Weggefährten, bestehen zahlreiche Abenteuer und retten am Ende sogar ein ganzes Königreich. Ob Text, Lied oder Bild: 14 spannende, lustige und überraschende Kurzgeschichten, Zeichnungen und 14 eigens komponierte Lieder laden ein, auf völlige neue Weise mit allen Sinnen in die Welt von Fionrir und seinen Freunden einzutauchen.

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Andreas Arnold

 

FIONRIRS KLEINE REISEN

Kurzgeschichten & Lieder

 

Für Regina

 

Wo du bist, ist mein Himmelskamm!

 

Danksagungen

Es ist zwei Jahre her, als Yannick Di Mari mich nach einer Veranstaltung ansprach, ob wir eine gemeinsame Reise in Fios Welt unternehmen wollen. Es war auf dem Parkplatz einer kleinen Kirche in Butzbach, in der wir gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin Regina Beatrix Rumpel aufgetreten waren. Ich hatte aus dem letzten Band von Fionrirs Reise gelesen und meine zwei musikalischen Begleiter „Gute Reise, Fionrir!“ gesungen, das Yannick extra für das Hörbuch zu Band eins geschrieben hatte. Er fand es schade, dass es nur dieses eine Lied gab. Seitdem haben sich viele Ideen angesammelt, viele Szenen waren in meinem Kopf gereift und unzählige neue Weggefährten in meiner Phantasie entstanden. Sie wollten raus und zu euch. Hier sind sie nun! Geschrieben von mir, musikalisch interpretiert von Yannick und trefflich visualisiert von Norman. Eine einmalige Kombination, auf die ich sehr stolz bin.

Mein Dank gilt Yannick und Norman für die spannende Zusammenarbeit über ein ganzes Jahr hinweg, Regina für ihren tollen Beitrag zu den Liedern mit Sopran und Mandoline, Christoph Seibert für das hervorragende Abmischen, Christian und Stephanie Kässmayer sowie wiederum Regina für ihre wertvollen Tipps und Fehlerkorrekturen zu den Kurzgeschichten und Thorsten Zeller für seine liebevolle Umsetzung des Buches. So macht es noch mehr Spaß, sie zu hören, während man beim Betrachten der Bilder die Geschichte revuepassieren lässt. Nicht zuletzt gilt der Dank Fios treuen Fans, die so viele Wünsche übersandt hatten, welche Romanheldinnen und Romanhelden sie unbedingt wiedersehen wollen. Ich hoffe, ich konnte eure Wünsche erfüllen. Und nun viel Spaß beim Lesen, Hören und Sehen.

 

Andreas Arnold im Februar 2022

Stellt euch vor…

Die Drachen

Fionrir, genannt Fio, ist ein blau-grüner Bergdrache und der Held der Romane „Fionrirs Reise“. Er hat zwei Drachengaben: Wenn Fionrir in der Nähe ist, können alle Menschen und Tiere einander verstehen und sich miteinander verständigen. Als zweite Gabe hat er Visionen, die ihn manchmal sogar ein wenig in die Zukunft schauen lassen. Ihn verbindet der alte Drachenpakt mit Prinzessin Quirina, der Thronfolgerin des Königreichs Lindheim.

 

Midgaund Taras sind Fios Eltern.

Midga ist eine Feuerdrachin und Fios Mutter. Wie alle Feuerdrachen hat sie ein rotes Schuppenkleid. Ihre Gabe ist sehr selten: Sie entfaltet eine heilende Wirkung auf Lebewesen in ihrer Nähe.

Taras ist ein Bergdrache und Fios Vater. Seine Familie stammt aus den fernen Drachenbergen im Osten. Er verfügte über große Kraft. Zusammen mit Midga und Fio bewohnt er die Drachenhöhle im Himmelskammgebirge.

 

Derko ist Fios großer Bruder. Er wohnt in einer Höhle unter einem Wasserfall ganz in der Nähe des Schlosses, in dem Fios Freundin Quirina lebt. Um seine Drachengabe macht er ein großes Geheimnis. Fio ist sich sicher, dass seine Gabe ist, Unmengen essen zu können. Möglicherweise ist er deshalb so stark.

 

Tanina ist Fios ältere Schwester. Sie lebt mit dem Drachen Fargas und ihrem Sohn Tiaras im Nordosten des Königreichs Lindheim, nah bei Fios Wolfsfreunden. Ihre Drachengabe ist es, Pflanzen wachsen zu lassen. Und zwar sehr schnell.

 

Tiaras ist Taninas Drachenjunges. Er ist ein besonderer Drache, denn er hat seine Drachengabe schon im Ei und nicht erst zu seinem siebten Geburtstag entwickelt. Er kann in den Träumen und Gedanken anderer erscheinen.

 

Ceti ist Fios Cousin, der Sohn von Fios Tante väterlicherseits. Er ist Kind einer Bergdrachin und eines Wasserdrachen. Seine Gabe ist es, zu fliegen und zu schwimmen wie kein Zweiter. Der Drachenpakt verbindet ihn mit dem Fischerkönig Simioni.

 

Lida ist ein Wurmdrachenmädchen und fast gleichalt wie Fio. Sie haben einen gemeinsamen Urahn, weshalb Fio sie oft „Cousinchen“ nennt. Lida hat die für Wurmdrachen typische helle Haut und schimmert golden. Ihre Drachengabe ist es, Dinge schweben zu lassen, sogar sich selbst. Der Drachenpakt verbindet sie mit Tamir, einem Prinzen aus dem Wüstenreich.

 

Davud ist Fios Cousin, der Sohn einer der Schwestern Midgas. Sein Vater ist ein geflügelter Riesendrache. Seine Gabe ist es, sich unsichtbar zu machen. Das ist gar nicht so einfach, wenn man so groß ist.

 

Soraya ist eine Feuerdrachin und Fionrirs Oma. Ihr Schuppenkleid ist so glänzend, dass man seine Augen beschirmen muss, wenn sie in der Sonne steht. Sie wohnt mit Sirrusch tief in der Wüste. Von dort können sie ihre Enkel und Urenkel gut erreichen können.

Sirrusch ist ein roter Feuerdrache und Fios Opa. Von ihm hat Fio die Gabe geerbt, in die Zukunft zu schauen. Vor allem ist er jedoch sehr stark und wird von allen geachtet und geschätzt. Er hat zwar keine Flügel, doch zum Glück gibt es Davud, der ihn fliegt.

 

Sarasa ist Derkos Freundin. Sie führen eine heimliche Beziehung, denn Derko ist von ihrem großen Drachenvater eingeschüchtert. Sie kennen sich, seit Tanina einen Bergdrachen aus Sarasas Clan geheiratet hat. Ihre Drachengabe ist ein Schrei, den Drachen selbst auf weiteste Entfernung hören. Er lässt allerdings Menschen abrupt einschlafen.

Menschen

Quirina, Thronfolgerin Lindheims

Anna, Quirinas Mutter, Königin von Lindheim

Leontin, Quirinas Vater, König von Lindheim

Osgar, Quirinas Freund, Sohn des Schatzmeisters

Alina, Quirinas Zofe, bald Herzogin von Gardovia?

Senta Schwertmacherstochter, Kommandantin

ElgarSchildmannssohn, Hauptmann der Leibwache

Liam Schwertarm, Feldwebel

Petrissa, Langbogenschützin

Ewein, Admiral der königlichen Marine Lindheims

Serafina, berühmte Pferdezüchterin und Eweins Gemahlin

Jonte, ein alter Seebär und Kutscher Eweins

Helena, eine Fährfrau

Samantha, Marie und Silas, ihre Kinder

Baldo, einst Matrose unter Eweins Kommando

Gernod, einst Matrose unter Eweins Kommando

Tilbert, Postmeister und erster Zeitungsherausgeber

Sabina, seine Tochter und erste Reporterin

Salman, Buchdruckermeister

Egbert, Torwächter

Garmin, der Dorfälteste Dornheims

Arian, König von Felsenburg

Misan, Kommandant, Großcousin Arians

Kirlan, Major eines Pionierbataillons

Mahran, ein reicher Händler und Cousin Arians

Raif, ein Leibwächter der Königswache

Aigolf, ein windiger Wanderkrämer

Raedwolf, ein Jäger aus dem Dorf Fichtingen

Hunbert, noch ein Jäger aus dem Dorf Fichtingen

Helimar, ein Schäfer aus dem Dorf Fichtingen

Simioni, König der Fischer, aus Marheim

Enndlin, Leibwächterin Simionis, ehemalige Drachenjägerin

Krom, ein Fischer Marheims

Philipp, Küchenjunge und angehender Knappe

Harold, ein Drachenfreund und Wirt

Friedel, ein Drachenfreund

Tamir, ein junger Prinz aus dem Wüstenreich.

Dira, Anführerin eines Trupps Sidobaner

Karir, Diras Bruder

Salir, ein Krieger der Sidobaner

Salim, ein weitgereister junger Koch

Kalim, ein Kamelhändler

Andere Tiere

Speranza, ein Sperlingsmädchen und Fios Freundin

Aaron, der erste Postpapagei

Leah, eine Tochter Aarons

Ruben, ein gesprächiger Esel

Lucia, eine Pferdedame, Rubens Freundin

Raya, Tochter von Lucia und Ruben

Lina, Tochter von Lucia und Ruben

Canina, Wolfsfreundin Fios

Fionn, Caninas Sohnwolf

Fiona, Caninas Tochterwolf

Jutz, ein Uhu und Beschützer von Fiona und Fionn

Bram, ein Bärenfreund Fios

Henry, eine reiche Ratte

Fee, eine Füchsin

Sidos, zu ängstlich für eigene Namen

Dachse, erkennen sich am Geruch (Puh!), nicht übersetzbar

 

Die Macher

Andreas Arnold, geb. 1976, ist an mehreren Büchern mit Kurzgeschichten und Gedichten als Autor und Herausgeber beteiligt. Die drei Bände von „Fionrirs Reise“ sind seine ersten Romane.

 

Norman Heiskel, geb. 1972, ist Auftragszeichner mit langjähriger Erfahrung. Unter anderem illustrierte er alle drei Bände von „Fionrirs Reise“. Dabei gab er der Figur des jungen Drachen ein einzigartiges, bezauberndes Erscheinungsbild.

 

Yannick Di Mari, geb. 1991, ist Musiker, Songschreiber und nun auch Komponist thematischer Soundtracks. Er schrieb auch den Titelsong zum Hörbuch „Fionrirs Reise“, dem ersten Buch der Fionrir-Trilogie, und veröffentlichte bereits zwei Alben unter seinem Künstlernamen „Di Mari“.

 

Regina Beatrix Rumpel ist Sopranistin, spielt Geige, Klavier und Mandoline und schreibt selbst. Sie hat bereits bei „Gute Reise, Fionrir!“ mitgewirkt und trug auch in „Fionrirs kleine Reisen“ stimmlich und instrumental bei.

Fionrirs Welt

S

eit Fionrirs Reise im Tal der Drachen ihr Ende fand, ist viel geschehen. Drei Jahre sind vergangen. Der alte Pakt, der den Frieden zwischen Menschen und Drachen wahrte, veränderte sich in Fios Vision einer gemeinsamen Zukunft. Nie wieder sollte eine junge Prinzessin oder ein junger Prinz einem ahnungslosen Drachen ausgeliefert werden, um beide zu testen. Vielmehr begannen die Drachen gemeinsam mit den Menschen zu leben und beide profitierten voneinander.

 

Die Welten der Drachen und Menschen sind näher gerückt. Manch ein Feind wurde zum Freund und manch ein Widersacher umso hartnäckiger. Quirina ist inzwischen kein Kind mehr. Auch Fionrirs Zeit naht, die Höhle seiner Eltern zu verlassen. Neue Abenteuer warten auf sie. Diese Geschichten erzählen einige von ihnen.

 

Reiseziele

Stellt euch vor…

Fionrirs Welt

 

Die Geschichten:

 

Eine feurige Angelegenheit

Extrablatt! Wie die Drachen nach Lindheim kamen

Der geheimnisvolle Ritter

Tamir und Lida in geheimer Mission

Kopfgeldjagd im Wüstenreich

Wo zur Höhle sind wir?

Lida in Gefahr

Jagdgesellschaft

Entscheidung am Grenzfluss

Urlaub mit Seeschlacht

Ein verhexter Wald

Alte Freunde

Ein traumhafter Flug

Räuber in Fichtingen

 

Die Lieder:

 

Auf einem audio-fähigen E-Book-Reader: Klickt einfach auf den Link hinter der Grafik am Beginn jeder Geschichte. Der Link führt direkt zum Lied des jeweiligen Kapitels.

 

Auf einem E-Book-Reader, der keine Audio-Wiedergabe beherrscht: Scannt den QR-Code am Beginn jedes Kapitels mit Smartphone, Tablet oder einem anderen Gerät, das Audio-Streams wiedergeben kann. Dann gelangt ihr direkt zum Lied, das zu diesem Kapitel gehört.

 

Beide Zugangs-Varianten führen zu einem Audio-Stream, der eine Internetverbindung erfordert. Das Datenvolumen pro Lied ist zwischen 2 MB und 3,5 MB. (128kbps, mp3)

Eine feurige Angelegenheit

F

ionrir erwachte früh an diesem Morgen. Sein fast ausgewachsener Drachenkörper bedeckte einen Großteil des Bodens seiner Kinderhöhle. Er streckte sich und berührte mit den Pranken die eine und mit der Schwanzspitze die gegenüberliegende Höhlenwand.

„Ich bin erneut gewachsen“, murmelte er, während er sich den Schlaf aus dem Körper räkelte. Er drehte sich zur Seite und umschlang sich mit seiner alten weißen Lieblingsdecke, die bereits mehrfach vergrößert worden war. Durch die Öffnung des Kamins drangen Sonnenstrahlen hinein und mit ihnen der Gesang eines Vögelchens. Es trug den Namen Speranza und war ein junges Sperlingsmädchen. Asche fiel auf den Rost, als Fionrirs gefiederte Freundin den Weg durch den langen Schornstein fand. Dieser war in das Gestein des Berges getrieben, in dem Fios Drachenfamilie lebte.

„Guten Morgen, Fio“, tirilierte sie und schüttelte sich grauen Staub vom Gefieder. Es leuchtete in einem bräunlichen Rot. „Geht es dir besser?“

„Ja, schon“, antwortete er. „Der Schnupfen ist fast weg und ich huste nur noch selten.“ Fio zog die Nase hoch und es klang, als würde ein Bär schnarchen.

„Draußen ist es richtig warm“, zwitscherte Speranza und hüpfte auf ihren Freund zu. „Denkst du, wir können ausfliegen?“

Fio war fest in seine Kuscheldecke gewickelt. Eigentlich fühle ich mich stark genug, dachte er, und sagte: „Ich denke, ein kleiner Flug kann nicht schaden“

„Sicher? Du mummelst dich sehr in deine Decke ein“, stellte sie fest und landete mit wenigen schnellen Flügelschlägen auf ihm. „Ist dir kalt?“

„Ach, das ist doch nur, weil ich so früh wach bin.“

„Sobald du der Sonne entgegenfliegst und deine Flügel ordentlich flattern, wird es dir ganz rasch warm“, rief Speranza fröhlich und pickte mit ihrem Schnabel an eine von Fios Hornplatten, die sich unter der Decke abzeichneten. Dann hob sie ab und visierte im Tiefflug die Öffnung des Kamins an. Mit Höchstgeschwindigkeit verschwand sie hindurch. „Bis gleich!“, erklang es langgezogen. Lediglich eine Staubwolke erinnerte an den Besuch.

Fio musste niesen.

„Alles in Ordnung mit dir?“, rief seine Mutter und öffnete die dicke Holztür, die Fios Höhle vom Hauptraum trennte.

„Ja, ja, nur Asche in der Luft.“ Fio erzählte ihr von Speris Besuch.

„Das ist wirklich schön, dass sie so oft nach dir schaut. Du solltest aber noch ein wenig Abstand halten. Du bist sicher noch ansteckend.“ Seine Mutter Midga hielt ihre Pranke an Fios Brust. „Du bist immer noch sehr heiß.“ Bei einem halben Feuerdrachen hatte das einiges zu bedeuten.

Ein Tröten drang herein und beide schreckten auf. Es klang als versuche ein Elefant, Trompete zu spielen. Fios Vater Taras lag seit einigen Tagen danieder. Es folgte ein mitleiderregendes Schniefen.

„Oh!“, sagte die Feuerdrachin und erhob sich. „Ich werde wohl ein neues Laken organisieren müssen. Sein Schnupfen wird nicht besser.“ Fio schaute ihr beim Hinausgehen nach. Ob mein Vater seine Erkältung wohl von mir hat?

Vor einer Woche hatte er zusammen mit Speri und ihren Freundinnen und Freunden in der Luft herumgetollt. Die junge Frühlingssonne hatte gerade erst den letzten Schnee des Winters zu schmelzen begonnen und Fio die kühle Brise unterschätzt, von der sie begleitet war. Als er sich zu Hause nicht gleich vor den Kamin gelegt, sondern noch auf dem Plateau vor dem Höhleneingang ausgeruht hatte, musste er sich erkältet haben.

Fio trat aus seiner Höhle. Im aufrechten Gang mit seiner Decke um die Schultern wirkte er wie ein Reptilienkönig auf dem Weg zu seinen Untertanen.

Im Kamin brannten etliche Holzscheite und strahlten Hitze aus. Taras lag davor und sagte mit nasaler Stimme: „Guten Morgen, Fio.“

„Geht es dir sehr schlecht?“ Fio ging auf allen Vieren auf ihn zu. Sein Vater zitterte unter einem Berg aus Decken.

„Es wird schon werden. In ein paar Tagen bin ich wieder fit.“

„Hätte ich doch mehr aufgepasst!“

„Mach dir keine Sorgen! Bald sind wir gesund.“

Ein Scheit brach in der Mitte auseinander und brachte den wärmenden Stapel zum Einsturz.

„Ich kümmere mich darum!“, sagte Fio und wandte sich dem Kamin zu, als seine Mutter eintrat. In ihren Armen hielt sie drei neue Scheite, jedes so groß wie ein kleiner Baum, und schichtete sie auf. Mit bloßen Pranken ergriff sie ein glühendes Stück Holz und legte es darunter.

„Danke!“, sagte Taras und lächelte ihr zu. Er entblößte Drachenzähne, die einen Tiger zum Fliehen gebracht hätten, wenn dieser nicht bereits durch Midgas Umgang mit dem Feuer das Weite gesucht hätte.

Wohlig entfuhr ihm ein Seufzer. „Ich freue mich, dass es dir besser geht, Fio. Überanstrenge dich aber nicht!“

Fio dachte daran, wie seine Eltern abwechselnd vor seiner Kinderhöhle gesessen und über ihn gewacht hatten. „Nein, ich überanstrenge mich gewiss nicht. Keine Sorge!“

„Ja, das ist gut“, sagte Taras. „Pass auf dich und die anderen auf. Vielleicht bist du noch ansteckend.“

Fio trottete niedergeschlagen den langen Gang entlang bis zur Plattform vor dem Höhleneingang. Als er draußen angelangt war, knarzte die Seilwinde neben ihm. Wilko und Mirka zogen den Eselswagen mit den Einkäufen empor. Binnen Augenblicken erschienen sie auf gleicher Höhe. Die beiden Menschen ließen von der Kurbel ab und Mirka öffnete das Gatter. Sie lächelte und sagte: „Guten Morgen, Fio!“ Wilko arretierte den Haltemechanismus und grüßte Fio ebenfalls mit einem herzlichen „Guten Morgen!“, und ergänzte „Schön, dass du es hinter dir hast. Fühlst du dich gut?“

Fio grüßte zurück. „Ja, danke.“

Sie zogen den schwer mit Nahrungsmitteln und Brennholz beladenen Wagen auf die Plattform.

„Ich kenne dich, seit du aus dem Ei geschlüpft bist, Fio“, sagte Mirka. „Ich merke, wenn du bedrückt bist. Was ist los?“

Fio griff an die Deichsel und half ihnen. „Opa und Davud hätten längst zu Besuch sein sollen und ich wollte Tiaras abholen.“

„Ich weiß, dass sie dir fehlen, aber warte noch, bis du nicht mehr ansteckend bist.“

Wilko trat zu den beiden hinzu. „Stell dir vor, sie wären dennoch gekommen und Davud hätte sich den Schnupfen eingefangen. Nicht auszumalen, was passiert, wenn sich ein Riesendrache seiner Größe erkältet.“

Fio stellte sich vor, wie sein Cousin Davud Luft holte und aus voller Lunge nieste. Vor seinem geistigen Auge sah er eine überraschte Kuh davonfliegen und verwirrt muhen.

„Der Kuh würde vor Schreck die Milch zu Butter“, dachte Fio laut.

Wilko und Mirka schauten sich stirnrunzelnd an und schmunzelten. Wilko deutete auf die Scheune. „Und es gibt gute Nachrichten! Heute Morgen kam Aaron mit einer Nachricht von Sirrusch. Er hat seinen nächsten Besuch schon angekündigt.“

„Außerdem können wir uns keinen weiteren kranken Drachen erlauben“, sagte Mirka. „Uns gehen die Brennholzreserven aus.“

Fionrir half ihnen, die Lebensmittel einzuräumen sowie das Holz aufzuschichten und machte sich auf den Weg.

Vor dem Höhleneingang wartete Speranza. „Da bist du ja. Wie schön! Ich habe mit ein paar Freunden gezwitschert. Wir treffen uns über deinem Lieblingsfelsen. Um diese Tageszeit ist da noch Ruhe. Du weißt ja, der frühe Vogel und so.“

Sie hoben zusammen ab und das Himmelskammtal breitete sich unter ihnen aus. Zum ersten Mal seit fast zwei Wochen sah Fio die spitzen Zacken des Gebirges vor sich aufragen. Inzwischen waren sie vollständig schneebefreit. In der Ferne erkannte er die fünf Dörfer des Tals, die er ebenso lange nicht mehr besucht hatte. Er würde anschließend zu Helimar, dem alten Schäfer, fliegen und natürlich Raedwolf und Hunbert besuchen, die beiden Jäger des Himmelskammtals. Fio schaute zu Speri rüber, die auf gleicher Höhe flog und sich mächtig flatternd ins Zeug legte, ihrem Drachenfreund in nichts nachzustehen. Und dich nehme ich mit, dachte er. Ich werde dir die Residenzstadt zeigen und mit dir Quirina besuchen und Derko natürlich auch. Ich könnte auch gleich den kleinen Sprung über das Meer machen und mich bei Lida und Ceti blicken lassen, wenn ich schon so weit im Süden bin. Fio wurde ganz schwindelig von all den Plänen.

„Wir sind da“, tirilierte ihm seine Freundin zu. Beide begannen den Landeanflug zu seinem Lieblingsfelsen, der inmitten der Waldlichtung emporragte.

Als sie gelandet waren, lehnte sich Fio an und atmete schwer. Ein Zittern durchfuhr ihn. Dann bebte seine Lunge. Er holte tief Luft und ein gewaltiger Nieser entfuhr ihm. Eine riesige Feuerfontäne floh aus seinem Maul und zahlreiche Bäume in seiner Nähe gingen in Flammen auf. Alles Moos auf seinem Lieblingsfelsen verglühte binnen einer Sekunde. Fio schaute sich erschrocken um. Speri und vier weitere junge Spatzen ließen sich auf seinem Kopf und seinen Schultern nieder. Die Neuankömmlinge blickten verwundert umher.

„Oh!“, sagte Speri gelassen. „Jungs, Mädels, wir müssen die Pelikane mit dem Löschwasser holen. Fio hat schon wieder alles angesteckt.“

Sie hoben ab und Fio trottete zurück in die Höhle. Für das Fliegen fehlte ihm die Kraft. Er wünschte sich unter seine Decke, vor den warmen Kamin. Seine Pläne würden auf ihn warten müssen, bis er nicht mehr ansteckend war.

Extrablatt! Wie die Drachen nach Lindheim kamen

A

aron saß auf dem Tresen des königlichen Postamtes und putzte sein Papageiengefieder. Ein Fluchen war aus dem Anbau des Hauses zu vernehmen. Er seufzte, hob schwerfällig ab und flog durch die geöffnete Doppelflügeltür. Es war nicht das erste Mal in den letzten Tagen. Immerhin halfen ihm die kurzen Flüge von seinem Übergewicht herunterzukommen. Seit die Brieftauben und die Postpapageien abwechselnd streikten, war er keine längeren Strecken mehr geflogen. Das muss bald ein Ende haben, dachte er. Zumindest wenn ich weiter flugfähig bleiben will.

„Das gibt es doch nicht! Das muss doch funktionieren!“, vernahm er den Postmeister. Dieser fuhr sich gerade über seine Glatze, die von einem dichten grauen Haarkranz umgeben war. Der kleine Mann stand mit hängenden Schultern vor einer Maschine, die fast den gesamten Raum in Anspruch nahm. Aaron nahm auf seiner Schulter Platz.

Der Mensch blickte ihn an. „Ich wünschte, wir könnten auch ohne Fionrir in der Nähe miteinander sprechen.“ Er straffte seine braune Weste, die von Aarons Krallen krausgezogen wurde. „Du wüsstest bestimmt Rat.“

„Wie gerne würde ich dich verstehen, Tilbert“, erwiderte der Papagei, „aber du brabbelst unverständliches Zeug.“

Für den Postmeister klang es wie „Krakrakrakraa“.

„Schau hier!“, sagte Tilbert und legte einen hölzernen Hebel um. Der war mit drei Zahnrädern verbunden, die er zueinander führen sollte. Das kleinste war mit einer Rolle verbunden, um die ein Lederriemen herumlief, der wiederum über eine Luke in den Stall führte. Dort drehte ein Ochse seine Runden, um die Maschine anzutreiben. „Eigentlich sollte sie laufen. Warum passiert nichts, Aaron?“

Für Aaron klang der Satz wie „Schauhie Reigentlichs olltejetz tiemaschi nezulau fenbegi nen!“ Der Papagei verstand nichts. Irgendetwas stimmt nicht mit deiner Erfindung, dachte Aaron und kratzte sich mit dem linken Fuß hinter dem Ohr.

„Krakra!“, sagte er, als er die Lösung erkannte. Er flog auf den Hebel zu.

Zu einem späteren Zeitpunkt geschah es, dass Königin Anna lauthals zu lachen begann. Sie saß am Kopf der Tafel im Speisesaal. Am anderen Ende der langen Tafel köpfte König Leontin ein Ei. Irritiert blickte er auf. In der Ferne vermutete er seine Gemahlin. Sie war hinter bedruckten Papierbögen versteckt. Vor wenigen Minuten hatte der Postmeister sie ihnen persönlich gebracht und sie Nachrichtenblätter genannt. Wöchentlich sollten weitere folgen. Der König hielt nichts davon. Er war ein Freund von Büchern. Bücher archivierten alles, was es zu einem Thema zu wissen gab. Das war hilfreich. Was sollte er bloß mit dieser kurzlebigen Blattsammlung anfangen, die nur wiederholte, was ihm in den täglichen Audienzen bereits berichtet wurde? Leontin tauchte seinen Löffel in das weiche Innere des Eis und führte ihn zum Mund. Erneut lachte die Königin auf. Wenige Zentimeter vor seinen Lippen verharrte der Löffel. Er blickte auf seine Frau. Oder hätte gerne auf sie geblickt, wäre sie nicht hinter diesen Nachrichtenblättern versteckt.

Der folgende Lachanfall zwang sie, ihre Lektüre abzusenken und sich mit einer Serviette die Tränen aus den Augen zu wischen. Sogleich verschwand sie wieder hinter ihr. Leontin führte den Weg des Löffels zu seinem Mund fort und schmeckte das schwefelige Gelbe des Dotters, das sich sämig auf seiner Zunge verteilte. Er schüttelte den Kopf beim Anblick der riesigen Blätter und dachte über das wöchentliche Erscheinen nach. Natürlich hatte auch er Buchbände, die er sammelte. Die Chroniken des Reichs, dachte er, erscheinen jährlich und enthalten alles, was mein Geschichtsschreiber das Jahr hinweg protokolliert hat. Doch wie will man ein so dünnes Blatt in der königlichen Bibliothek sammeln? Das wären 52, bis das Jahr vorüber ist. Sie stehen nicht einmal von allein und selbst wenn, sie haben keine Buchrücken. Wie will man sie unterscheiden, wenn sie Blatt an Blatt gepresst in einem Regal stehen?

Erneut drang ihr Lachen zu ihm herüber. „Sie hat das Päckchen auf seinen Kopf fallen lassen“, prustete sie.

Leontin seufzte, griff seinen Frühstücksteller, stand auf und nahm zur Rechten der Königin Platz. Er lugte in das Nachrichtenblatt, das sie ihm zuwandte.

Kurz darauf lachten beide.

Aaron hatte gerade neben dem Hebel der Maschine Platz genommen, als die Tür aufschlug und eine junge Frau auf ihn und Tilbert zueilte.

„Wir haben eine Eilmeldung, die unbedingt in die erste Ausgabe muss!“, rief sie und winkte mit einem Blatt Papier. Um ihre Hüfte war ein breiter Gürtel geschlungen. Linksseitig umfasste er in ledernen Riemen mehrere Federkiele und auf der anderen Seite ein Tintenfass. Einige Bündel Papier, unbeschriebenes und beschriebenes säuberlich voneinander getrennt, steckten lose im Hosenbund.

„Sabina!“, begrüßte Tilbert seine Tochter. „Was hast du für uns?“

„Beim morgigen Ritterturnier wird der Vertreter des Königshauses maskiert bleiben. Das gab es lange nicht mehr. Überall in der Stadt wird gerätselt. Es werden sogar Wetten angenommen.“

„Das ist topaktuell!“, sagte ihr Vater strahlend. „Das wird unser Nachrichtenblatt zu einem Renner machen. Wie stehen die Wetten?“

„Ganz vorne liegt natürlich Elgar Schildmannssohn, der Hauptmann der Leibwache. Fast gleichauf mit Senta Schwertmacherstochter.“

Ein grauhaariger Mann reckte seinen Kopf hinter einer Werkbank hervor.

„Hallo, Salman!“, rief ihm Sabina zu.

Der alte Buchdruckermeister winkte ihr. Seit Wochen tüftelte er gemeinsam mit ihrem Vater an der Maschine.

„Was ist mit Liam?“, fragte er. „Ich habe gerade die amtlichen Bekanntmachungen auf der vorletzten Seite gesetzt. Senta ist großartig mit dem Schwert, aber sie wurde jüngst zur Kommandantin ernannt. In diesen Zeiten würde Leontin sich sicher nicht in die Gefahr begeben, dass sie verletzt wird und ausfällt. Liam hat die Ausbildung der Rekruten für die Leibwache übernommen. Der wäre ein Kandidat. Es gibt wohl kaum einen besseren Schwertkämpfer.“

„Möglich“, rief Sabina. „Es gibt aber einen Geheimtipp.“ Sie beugte sich verschwörerisch vor und flüsterte. „Es gibt Stimmen, die behaupten, es sei Leontins ehemalige Spionin Enndlin. Sie steht inzwischen im Dienst des Fischerkönigs und sei für das Turnier zurückgekehrt, heißt es.“

„Das muss alles in die Nachrichtenblätter“, sagte Tilbert triumphierend. „Salman, bereite eine weitere Druckplatte vor. Sabinas Geschichte ist heiß.“

Sie eilte mit ihren Notizen auf den Buchdrucker zu, der an der Werkbank sofort die passenden Metallbuchstaben in einen Kasten setzte. Mit schwarzer Farbe bestrichen würde sein Inhalt bald auf einen Bogen Papier aufgetragen werden. Aber nur dann, wenn sie die Maschine endlich zum Laufen bekämen.

„Krah!“, sagte Aaron und schaute in Tilberts Augen, in denen Ratlosigkeit zu lesen war. Er deutete auf den Hebel und der Papagei nickte. Weiter kamen sie nicht.

Späteren Zeitpunkts sah man den Fischhändler Lindheims den Kopf schütteln. „Wusstest du, dass sich die Zahl der Schreiner in Lindheim verdoppelt hat?“, sagte er zu seiner Frau.

Sie waren damit beschäftigt, den frisch gefangenen Fisch auf dem Eis der Auslage zu platzieren. Vor ihm lag das neue Lindheimer Nachrichtenblatt.

„Verdoppelt?“, wiederholte sie ungläubig. Sie drapierte filetierte Lindfische auf einer tönernen Schale und belegte sie mit Zitronenscheiben.

„Ja“, rief ihr Mann. „Wegen der Drachen, die nach Lindheim gezogen sind. Breitere Eingänge, größere Fenster, höhere Stockwerke. Das konnte unser Meister Michel trotz seiner vielen Gesellen nicht mehr bewältigen.“

Seine Frau hielt inne. „Also gibt es nun zwei Schreiner.“

„Ja, unglaublich, nicht wahr?“, antwortete er, dachte kurz nach und bestätigte: „Doppelt so viele wie damals.“

Über einer der beiden Türen des Ladens klingelte es. Ein Wasserdrache trat durch den deutlich größeren der Eingänge.

„Ah, Herr Zereti!“, begrüßte die Fischhändlerin ihren besten Kunden. „Wie immer der Erste des Tages. Ihre Bestellung ist zur Abholung bereit. Mein Mann holt sie rasch aus dem Eiskeller. Dort lagern wir den Fang des Tages auf Eis, damit sie immer frischste Ware bekommen. Es ist Eis vom Winter. Mit Heu vor dem Schmelzen geschützt.“

„Guten Morgen!“, grüßte der Wasserdrache und schmunzelte darüber, dass ihm wieder einmal Offensichtliches erklärt wurde. Wasser tropfte von ihm herunter. „Oh, verzeihen Sie bitte die Unannehmlichkeit!“

„Das ist doch gar kein Problem. Mein Mann wischt das auf.“

Wie alle Wasserdrachen musste er seine Haut feucht halten. Dazu hatte König Leontin veranlasst, dass in vielen Straßen Duschen an den Ecken standen. Zereti freute sich auf den Sommer, wenn Drachen- und Menschenkinder gemeinsam unter ihnen spielten.

„Vielen Dank, Frau Fischhändlerin!“

Der Grund für diese Titel und langen Namen war ihm allerdings nicht offensichtlich. Wenn er unter Menschen war, wurde seinem Namen die Bezeichnung Herr vorangestellt. Die Fischhändlerin hieß eigentlich Elsa, doch man nannte nicht Frau Elsa, denn es gab mindestens dreißig weitere Elsas in der Stadt. Es gab jedoch nur eine Fischhändlerin, die Elsa hieß, weshalb ihr voller Name Frau Elsa Fischhändlerin lautete. Soweit Zereti es beurteilen konnte, gab es keinen weiteren Drachen, der seinen Namen trug. Das wäre ein Skandal!

Die Treppe knarzte und ihr Mann kam aus dem Keller empor. Mit einem Ächzen wuchtete er, der als Herr Samuel Fischhändler bekannt war, eine Wanne mit unterschiedlichsten Fischen auf einen Tisch neben dem Tresen. „Hier ist alles, was Sie bestellt haben, Herr Zereti.“

Zereti reichte ihm einige Münzen und nahm die Wanne locker unter den linken Arm.

„Kennen Sie das neue Lindheimer Nachrichtenblatt?“, fragte der Fischhändler. Zereti schüttelte den Kopf.

„Ich kann es nur empfehlen.“ Er schlug einen besonders großen Fisch darin ein und legte ihn hinzu. „Geht aufs Haus.“

Als Zereti ging, klingelte die Glocke über der Menschentür und der nächste Kunde trat ein.

„Vorsicht!“, rief Elsa. „Der Boden ist noch nass.“

„Sehr ordentlich“, sagte er und trat an den Tresen. „Vorbildlich!“

Aus des Fischhändlers Angewohnheit, Fische in ausgelesene Zeitungen einzuschlagen, wurde an einem warmen Sommertag der Ausspruch geboren: „An dieser Nachricht ist etwas fischig!“

Tilbert, Salman und Sabina kauerten auf dem Boden. Vor ihnen lagen drei Zahnräder und ein Hebel. Das lederne Antriebsband hing schlaff von der Druckmaschine herunter. Aus dem Stall schaute der Ochse neugierig herüber.

Aaron zeigte mit den Flügeln, rotierte mit dem Kopf und sagte: „Krah, krah!“

Tilbert inspizierte die Stelle, auf die er mit dem Schnabel zeigte. Er zuckte die Schultern und schaute ihn entschuldigend an. „Es tut mir leid, mein guter Aaron, aber ich verstehe nicht, was du meinst.“

Ein Junge kam hereingestürzt. Er trug eine Schiebermütze schräg auf dem Kopf und eine braune Weste über einem ehemals weißen Hemd. Zu den Flecken, die von seinem eigentlichen Metier als Küchenjunge herrührten, hatten sich Tintenflecken gesellt. Er befand sich im Stimmbruch. „Schaut mal!“, sagte er und hielt ein Notizbuch hoch, das bis zur letzten Seite vollgeschrieben war. „Ich habe meine Geschichte zusammen. Der Bericht heißt ‚Drei Jahre Drachen in Lindheim‘ und ich habe ganze fünf Zwischenmeinungen in ihn eingebettet.“

„Zwischenmeinungen?“, fragte Sabina.

„Na ja, ich wollte nicht nur berichten, sondern auch Drachen und Menschen zu Wort kommen lassen und deren Ansichten habe ich dazwischen eingefügt. Also Zwischenmeinungen!“

Die Zwischenmeinungen, die Philipp erfunden hatte, wurden Jahrhunderte später unter dem Begriff Interview weltbekannt.

„Fantastische Idee!“, jubelte der Postmeister.

Philipp war der erste, der etwas beisteuern wollte, als Tilbert in der Gaststätte seines Freundes Harold zu Mittag gegessen und ihm von seinen Plänen erzählt hatte. Harold und Philipp waren Mitglieder des Vereins der Drachenfreunde und natürlich sollte sein Beitrag davon handeln, wie kurze Zeit nach dem denkwürdigen Tag in der Wasserdrachenbucht die ersten Drachen und Menschen Tür an Tür zu leben begannen.

„Lies doch mal ein paar Zeilen!“, bat Sabina und klatschte in die Hände.

Philipp schlug sein Notizbuch auf und räusperte sich: „Von der Hafenstadt Marheim aus hatte das Zusammenleben alle angrenzenden Länder erfasst. Heute ist es auf den Tag genau drei Jahre her, seit der erste Drache ein Haus inmitten der Lindheimer Altstadt erworben hat. Der geschätzte Zwergdrache Herr Idrsch, oder einfach nur Idrsch, wie er sich selbst nennt, kaufte Herrn Maximilian Feuerschmied dessen stillgelegte Schmiede ab und setzte sie wieder in Gang. Mit Drachenfeuer. Was dort geschmiedet wurde, war an Härte durch nichts zu überbieten.“ Philipp hielt inne. „Hier würde ich die Zwischenmeinung des Hofschmieds einbetten.“

„Gute Idee“, sagte Tilbert. „Ich bin gespannt, was er dazu sagt.“

„Ich zitiere: ‚Wir hatten damals alle Angst um unser Geschäft, aber Herr Idrsch spezialisierte sich auf die Fertigung von Eisenbalken für den Hausbau. Mit ihnen konnten die Drachen auch Gebäude in höheren Stockwerken bewohnen. Es ist verrückt, wie Lindheim seitdem in die Höhe gewachsen ist.‘“

„Da hat er vollkommen recht“, sagte Salman. „Früher waren drei Stockwerke schon viel. Das neue Kontor im Hafen hat sieben. Nur der Feuerturm ist höher. Wie ich erfahren habe, baut Herr Sander ein Wohnhaus für Menschen und Drachen mitten in der Stadt mit acht. Ich frage mich wie hoch das nächste wird?“

„Krah!“, sagte Aaron und lenkte zurück zur wichtigsten Frage des Abends: Wie bekommen wir die Druckmaschine in Gang? Er deutete mit einem Flügel auf den Hebel und drehte sich im Kreis.

„Ja“, sagte Tilbert. „Ich drehe auch bald durch. Wir wollen morgen Früh liefern und haben nur noch eine Stunde Zeit, um sie zu starten.“

Der Papagei schlug sich mit einem Flügel ins Gesicht und verdrehte die Augen.

Einige Stunden später trat eine Wache am Westtor Lindheims die Frühschicht an. Sie rückte ihren Spangenhelm zurecht. An vier Seiten ragten Nieten von ihm. Über der Nase prangte ein Nasal. Sie zog ihr ledernes Wams zurecht und richtete das Kettenhemd. Im breiten Gürtel steckte ein Kurzschwert. Sie berührte mit einer Stiefelspitze die andere. Die eiserne Kappe darauf ließ ein metallisches Geräusch erklingen.

Fußgänger kamen und gingen. Pferde- und Ochsenwagen fuhren ein und aus. Die Wache blickte gelangweilt in jeden hinein.

Ihre Ausrüstung ließ auf einen erfahrenen Krieger schließen. Die Uniform war für einen kräftigen Haudegen mit breitem Kreuz und runden Schultern gemacht, doch Egbert war gerade einmal sechzehn Jahre alt. Ihn als hager zu bezeichnen, würde bedeuten, für hagere Menschen einen neuen Begriff finden zu müssen. Er war so dünn, dass er in der Ausbildung den Spitznamen Hautständer erhalten hatte. Zwischen ihm und seinem Wams war so viel Raum, dass zwei seiner Sorte Platz gefunden hätten. Stattdessen fand die Erstausgabe des Lindheimer Nachrichtenblatts darin eine Heimat und verhinderte, dass er sich beim Gehen wie der Klöppel einer Glocke fühlte.

Egbert stützte sich auf eine Hellebarde und beobachtete den Verkehr. „Ganz schön viel los heute“, murmelte er. „Die Warteschlange wird immer länger. Das wird was werden!“ Er drehte sich zum Tor und rief: „Wusstest du, dass Liam zum Feldwebel ernannt wurde?“

Hinter der Stadtmauer tönte eine tiefe Stimme zurück: „Das ist ja großartig! Ach, schau mal durchs Tor. Erdogir beginnt seine Schicht.“

Egbert drehte sich stadteinwärts und schaute zum Zentrum. Aus den höchsten Fenstern des Feuerturms ragten zwei Drachenköpfe.

„Acht Uhr und alles ist gut!“, ließ der linke die Stadt vernehmen.

„Ja, alles ist gut!“, rief der rechte.

„Habe ich doch gesagt!“, brüllte der linke.

Beide streckten ihre Hälse, bis sie in der Mitte zusammenkamen. Sodann keiften sie sich an und stritten so heftig, dass es die wenigsten der zahlreichen Zeugen bei ihrer Tätigkeit hielt. Es dauerte nur Augenblicke, bis die ersten Lachtränen fielen.

Zweikopfdrachen zur Feuerwache einzusetzen, war eine gute Idee. Doppelt so viele Augen und ein 360-Grad-Blick. Leider entwickelten sie ihre Gehirne manchmal unabhängig voneinander, so dass jedes einen eigenen Charakter bekam. Die beiden des Feuermelder-Drachen Erdogir waren einander nicht ganz grün. Das Spektakel der stündlichen Meldungen ließ sich niemand entgehen.