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Band 4 der verstörenden Kurzgeschichten aus dem FNAF-Universum! Isolation bedeutet Leere. Pete schlägt nach der Scheidung seiner Eltern auf seinen jüngeren Bruder ein und fällt einem grausamen Fluch zum Opfer. Kasey stellt sich die Frage, wie weit sie gehen würde, um auf der Straße zu überleben. Samantha und ihre Schwester Susie bemühen sich nach einer schrecklichen Tragödie um eine friedliche Koexistenz. Doch in der düsteren Welt von Five Nights at Freddy's zieht Leere vor allem eines an: hungrige Monster. Der vierte Band von Five Nights at Freddy's-Schöpfer Scott Cawthon mit drei unheimlichen Geschichten!
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Seitenzahl: 267
Veröffentlichungsjahr: 2021
FIVE NIGHTS AT FREDDY’Svon Scott Cawthon
Romane
Band 1: Die silbernen Augen
ISBN 978-3-8332-3519-1
Band 2: Durchgeknallt
ISBN 978-3-8332-3616-7
Band 3: Der vierte Schrank
ISBN 978-3-8332-3781-2
Band 4: Fazbear Frights 1 – In die Grube
ISBN 978-3-8332-3948-9
Band 5: Fazbear Frights 2 – Fass!
ISBN 978-3-8332-4020-1
Band 6: Fazbear Frights 3 – 1:35 AM
ISBN 978-3-8332-4021-8
Comics
Graphic Novel 1: Die silbernen Augen
ISBN 978-3-7416-2001-0
Nähere Infos und weitere spannende Romane unter www.paninibooks.de
Von Scott Cawthon, Andrea Waggener, Elley Cooper & Kelly Parra
Ins Deutsche übertragen vonAnke Bondy
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Amerikanische Originalausgabe: „Five Nights at Freddy’s: Fazbear Frights #4 – Step Closer“ by Scott Cawthon, Elley Cooper, Kelly Parra and Andrea Waggener published in the US by Scholastic Inc., New York, 2020.
Copyright © 2021 Scott Cawthon. All rights reserved.
Deutsche Ausgabe: Panini Verlags GmbH, Schlossstr. 76, 70176 Stuttgart.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Head of Marketing: Holger Wiest (email: marketing@panini.de)
Presse & PR: Steffen Volkmer
Übersetzung: Anke Bondy
Lektorat: Tom Grimm
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDFIVE007E
ISBN 978-3-7367-9856-4
Gedruckte Ausgabe:
ISBN 978-3-8332-4087-4
1. Auflage, Juli 2021
Findet uns im Netz:
www.paninicomics.de
PaniniComicsDE
INHALT
Noch ein Schritt
Tanz mit mir
Heimkehr
Über die Autoren
NOCH EIN SCHRITT
Foxys gelbe Augen glühten in der Dunkelheit. Sein Maul stand offen, die scharfen Zähne blitzten. Foxy hob seinen Haken und ließ ihn vor Petes Gesicht niederfahren, die gefährliche Spitze zischte direkt an seiner Nase vorbei. Pete rollte sich vom Bett. Er zitterte am ganzen Körper. Sein Magen verkrampfte sich, während er hilflos am Boden lag und Foxy neben ihm aufragte. Servomotoren jaulten, als Foxy erneut mit dem scharfen Haken ausholte.
„Du kannst ein Pirat werden, aber zuerst musst du ein Auge und eine Hand verlieren.“
„Nein!“, keuchte Pete.
Als Foxy seinen Haken in Petes Auge schlug, ertönte ein deutlich hörbarer Knall. Blut strömte aus Petes Augenhöhle, und er schrie …
Freddy Fazbear’s Pizzeria war voller verrückter kleiner Kinder und ihren übergriffigen, blöden Eltern. Musik dröhnte aus den Wandlautsprechern, und Arcade-Spiele klingelten und hupten. Der Geruch von verbrannter Pfeffersalami wehte durch die Luft, gemischt mit dem süßen Duft von Zuckerwatte. Pete saß gegen eine Wand gelehnt, die Füße überkreuzt. Auf dem Kopf trug er eine Baseballmütze, die er sich verkehrt herum aufgesetzt hatte, und trank eine Kirsch-Cola. Sein Kaugummi schmeckte nach Wassermelone. Chuck, sein kleiner Bruder, und dessen Freunde drängten sich um ein Arcade-Spiel.
Pete wollte eigentlich überhaupt nicht dort sein, aber seine Mutter musste arbeiten, und Chuck hatte nach der Schule unbedingt wieder zu seinen Freunden gewollt. Also blieb Pete nichts anderes übrig, als den Babysitter zu spielen. Zum hundertsten Mal fragte er sich, warum dieser Job immer an ihm hängen blieb. Und war ihm der kleine Rotzlöffel wenigstens dankbar?
Nö.
Chuck jammerte ständig wegen seines Inhalators. Er jammerte, weil er Hunger hatte. Und andauernd stellte er alle möglichen Fragen. Seit ihr Vater die Familie verlassen hatte, wurde Pete alles, was mit Chuck zu tun hatte, gnadenlos aufgebürdet.
Wie sollte Pete mit seinen sechzehn Jahren der Mann in der Familie sein? Hatte ihn jemand gefragt, was er von seinen neuen Verantwortlichkeiten hielt?
Ganz sicher nicht.
Pete beobachtete ein kleines Kind, das auf ein paar der Mitarbeiter zuging, die nach einer Geburtstagsfeier die Tische abräumten. Einen der Männer zupfte der kleine Junge am Ärmel. Der Angestellte blickte auf das Kind hinab und lächelte. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, erkundigte er sich.
„Wo ist Foxy der Pirat?“, antwortete der Junge.
Die Stimme des Mannes troff geradezu vor Süße. „Oh, Foxy ist im Moment im Urlaub. Wir hoffen, dass er bald zurückkommt.“
Der kleine Junge schob die Unterlippe vor, nickte aber und ging davon.
Der andere Mitarbeiter gluckste. „Der war gut“, sagte er zu seinem Kollegen.
„Ja, auf Urlaub in der Werkstatt. Ich weiß nicht, wann sie die Show wieder rausbringen.“
Pete dachte noch darüber nach, da hörte er, wie jemand seinen Namen sagte. „Pete?“
Er blickte auf und erkannte Maria Rodriguez, die auf einmal neben ihm stand. Ihr schwarzes Haar umspielte ihre Schultern, und ihre Lippen glänzten rot. Sie hatte hellgrüne Augen mit langen Wimpern und ein paar Sommersprossen auf der Nase. Sie war Cheerleaderin an der Highschool, und er kannte sie seit der sechsten Klasse. Warum also fühlte er sich plötzlich so unwohl in ihrer Nähe?
„Hey Maria“, sagte er.
„Hängst du hier mit dem kleinen Chuckie fest?“
Pete machte ein finsteres Gesicht. „Ja.“
„Mir geht es nicht anders. Der Geburtstag meiner kleinen Schwester.“ Maria deutete auf einen geschmückten Tisch vor der Bühne, an dem kleine Kinder mit Zipfelmützen saßen und Kuchen folterten. „Unglaublich, dass wir auch mal so waren wie die.“
Er grinste. „Ich weiß nicht, wie es bei dir war, aber ich war nie so.“
Maria lächelte. „Nee, klar. Und? Wo warst du? Ich habe dich in letzter Zeit nicht beim Training gesehen.“
Er war wegen unnötiger Härte und schlechtem Betragen mehrfach vom Football ausgeschlossen worden. Hallo? Immerhin ging es um Football! Irgendwann hatte er ganz aufgehört zu spielen. Die Wahrheit jedoch war, dass Pete eigentlich niemals aufgab. Bisher hatte er immer zu Ende gebracht, was er anfing. Aber nachdem er gesehen hatte, wie seine Eltern sich gegenseitig aufgaben, war es für ihn auf einmal nicht mehr so wichtig gewesen, irgendetwas zu beenden. Außerdem brauchte er nicht noch mehr Probleme in seinem Leben, auch nicht mit seinem Coach – davon hatte er schon genug durch seine Lehrer und seine Mutter. Auch bei einem Kind läuft bei zu viel Gemeckere irgendwann das Fass über.
Er zuckte mit den Schultern. „Ich hatte das alles satt, weißt du?“
„Ja, ich denke schon. Und was wirst du jetzt mit deiner ganzen freien Zeit machen?“
„Also …“
Jemand winkte Maria vom Partytisch zu, und ihr Gesicht leuchtete auf. „Ja! Wir können endlich aufbrechen.“ Bevor sie ging, fügte sie noch hinzu: „Hey, ein paar von uns treffen sich unter der alten Beacon Bridge, falls du später auch noch vorbeikommen willst …“
Pete lächelte. „Ja?“
Sie nickte. „Das wird cool.“
Dann schüttelte er den Kopf. „Ich kann nicht. Ich muss auf Chuck aufpassen, den kleinen Dummkopf.“
„Oh, okay. Vielleicht das nächste Mal. Wir sehen uns in der Schule.“
Pete spürte, wie er ärgerlich wurde, als er Maria nachsah. Das war alles Chucks Schuld. Kleiner Mistkerl. Alles drehte sich nur um seinen jüngeren Bruder. Es war egal, was Pete gern wollte, denn wenn es einmal um Pete ging, spielte absolut nichts eine Rolle. Sein Vater war weg. Seine Mutter lebte in ihrer eigenen kleinen Welt. Sie dachten wohl, sie könnten die Verantwortung für Chuck einfach Pete übergeben, weil sie selbst keine Zeit hatten, sich um ihn zu kümmern. Aber Pete hatte nie darum gebeten. Er war ein Kind, und Kinder sollten frei sein und keine ständigen Verpflichtungen haben. Sie sollten tun können, was sie wollten. Zum Beispiel mit anderen Kindern zusammen sein, anstatt auf kleine Brüder aufzupassen. Doch das interessierte seine Eltern offenbar nicht. Schließlich hatten sie Pete nie gefragt, ob es ihm recht wäre, wenn sie sich trennten. Sie hatten sich einfach scheiden lassen, und das war es dann gewesen. Absolut nichts davon war fair.
Pete war so überschwemmt von den verschiedensten Emotionen, dass er manchmal einfach nicht wusste, wohin damit. Oft hatte er das Gefühl, eine tickende Zeitbombe zu sein, die kurz vor der Explosion stand. Eine Zeit lang hatte Football geholfen. Auf dem Platz war er eine Naturgewalt, brachte andere Spieler zu Fall, warf sie einfach aus dem Weg. Am Ende des Trainings dann war er erschöpft und irgendwie leer. Und leer fühlte sich besser an. Es fühlte sich gut an. Aber seit er nicht mehr im Team war, hatte er auch kein Ventil mehr, um Dampf abzulassen. Er hasste diese Gefühle. Manchmal hasste er einfach alles.
Pete sah, wie sein Bruder seine Freunde zurückließ, weil er auf die Toilette musste. Mit schmalen Augen erkannte Pete seine Gelegenheit. Schnell stellte er seine Limo ab, holte seinen Bruder ein und packte ihn am Arm.
Chuck verzog das Gesicht. „Au, Pete!“
„Halt die Klappe und geh weiter“, murmelte er, dann blies er seinen Kaugummi auf, bis er platzte.
„Warum? Wohin gehen wir?“
„Du wirst schon sehen.“ Nach einem kurzen Blick über die Schulter drängte Pete seinen kleinen Bruder einen langen, dunklen Flur hinunter. Der Boden war ausgeblichen und alt, und an den Wänden hingen die Reste von Postern, auf denen animatronische Figuren abgebildet waren. Der Laden musste dringend mal überholt werden. Pete war schon einmal dort entlanggegangen und hatte die große Werkstatt entdeckt. Jetzt, da er wusste, wer sich da drin hin und wieder eine Auszeit nahm, konnte er es kaum erwarten, Chuck auf ein kleines Abenteuer mitzunehmen, zumal sein Bruder sich schon immer vor einer ganz bestimmten animatronischen Figur gefürchtet hatte.
Chuck begann zu protestieren. „Wo gehen wir hin?“
„Was ist los mit dir? Hast du Angst?“
„Nein! Aber ich möchte bei meinen Freunden bleiben!“
„Wir wollen uns mal eben was ansehen.“
Chuck schluckte und leckte sich über die trockenen Lippen. Wenn er nervös war, klang er wie ein Frosch. „Lass mich in Ruhe oder ich sage es Mama.“
„Du bist so eine kleine Petze. Jetzt gehst du auf jeden Fall da rein.“ Pete zerrte seinen erstaunlich starken kleinen Bruder durch die Tür der Werkstatt, zu Foxy dem Piraten.
Schwer schlug die Tür hinter ihnen zu und hüllte sie in Dunkelheit.
„Pete, lass mich los!“
„Sei leise. Jemand könnte dich hören, und ich habe keine Lust darauf, dass du wie ein Baby quakst. Weißt du eigentlich, wie nervig das ist?“
Den schraubstockartigen Griff, mit dem er den Arm seines Bruders gepackt hatte, lockerte er nicht. Nein, es war an der Zeit, Chuck eine Lektion zu erteilen. Es war an der Zeit, dass auch Pete endlich einmal tat, was er wollte, und im Moment bedeutete das, seinem kleinen Bruder einen gehörigen Schrecken einzujagen.
Der kleine Chuck, der Trottel, könnte sich dabei sogar in die Hose machen.
Pete musste bei dem Gedanken kichern.
Während er mit einer Hand immer noch den Arm seines Bruders fest im Griff hielt, fischte er sein Telefon aus der Tasche und schaltete die Taschenlampe ein, um den Lichtkegel langsam durch den dunklen Raum wandern zu lassen. Hier war alles seltsam ruhig, als würde sich nicht den Korridor hinunter eine ganze Bootsladung von Leuten befinden. Die Luft war abgestanden und roch muffig, irgendwie … leblos. Als hätte in letzter Zeit niemand einen Fuß hier hereingesetzt. Was schon seltsam war, wenn im Rest des Gebäudes das Leben tobte.
„Ich hab Schluckauf. Hicks!“
Mit dem Fuß hatte Pete eine Flasche über den Boden gestoßen. Sie schlug gegen irgendetwas und zerbrach. Pete und Chuck erstarrten und fragten sich, ob jemand das Geräusch gehört hatte, doch niemand schien zu reagieren.
„Hicks! Ich hab Schluckauf.“
Pete ließ den Lichtkegel des Handys über den Boden gleiten. Dort erschienen abgewetzte schwarz-weiße Fliesen. Verstaubte Tische und ein paar kaputte Stühle standen in dem großen Raum herum. Auf den Tischen lagen halb leere Kartons mit Partyhüten und Tellern. Im Lichtstrahl erschien eine große schwarze Spinne, die auf dem Rand eines der Kartons saß.
„Sieh dir das Vieh an. Es ist riesig!“, meinte Pete.
Mit einem Satz verschwand die Spinne in der Dunkelheit, und die Jungen wichen unwillkürlich zurück.
„Ich hasse Spinnen. Lass uns hier verschwinden“, jammerte Chuck wieder.
„Noch nicht. Hier gibt es noch so viel zu entdecken. Stell dir einfach vor, es ist eins dieser Abenteuerspiele, die du so gerne spielst. Wir müssen unbedingt den geheimen Schatz finden“, erwiderte Pete und lachte leise. Eigentlich wollte er seinen Bruder noch ein bisschen weiter erschrecken.
Wieder richtete er das Licht auf den Boden. Plötzlich bemerkte er etwas, das wie schwarzes geschmolzenes Kerzenwachs aussah und ein paar seltsame schwarze Zeichen.
„Was ist das? Sind das Symbole?“, wollte Chuck wissen.
„Wen interessiert das?“ Pete ließ den Lichtstrahl weiter durch den Raum tanzen. Dann entdeckte er die kleine Bühne mit dem geschlossenen lilafarbenen Vorhang, und ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. An dem Vorhang hing ein schiefes Schild, auf dem stand: AUSSER BETRIEB.
„Volltreffer. Hoffentlich funktioniert das noch.“
„Hicks! Pete … wir sollten nicht hier sein. Wir könnten echt Ärger bekommen. So richtig großen Ärger. Wenn man einfach irgendwo reingeht, obwohl das verboten ist. Das ist gegen das Gesetz.“
„Das ist gegen das Gesetz“, äffte Pete seinen kleinen Bruder nach. „Du bist so ein Streber. Was willst du eigentlich mal werden, wenn du groß bist? Polizist? Auf dem Heimweg kaufe ich dir einen Donut.“
Mit seinem Handy leuchtete Pete neben die Bühne. Dort stand auf einem Beistelltisch ein verrosteter Schaltkasten. Der Deckel war aufgebrochen.
„Das wird lustig.“ Er zerrte seinen Bruder zum Fuß der Bühne. „Genieß die Show, kleiner Bruder.“
„Hör auf, Pete!“
Pete packte Chuck an Hemd und Hose und hievte ihn auf die Bühne. Chuck landete hart auf den Brettern, und Pete ging zum Schaltkasten.
Mit der flachen Hand schlug er auf eine Taste, auf der START stand. Erst einmal, dann noch einmal. Ein leises Brummen ertönte, gefolgt von einem gedämpften Klicken und Scheppern.
„Ach, jetzt komm schon!“, rief Pete ungeduldig, als sonst nichts passierte.
Doch dann begann sich der Vorhang zu öffnen.
„Hicks! Hicks! Hicks!“
Schnell rollte sich Chuck zur Seite.
„Chuck, du Weichei!“ Pete stürmte auf die Bühne und packte Chuck an seinen Turnschuhen, damit er nicht abhauen konnte. Doch Chucks Angst war so groß, dass es ihm gelang, sich seinem Bruder zu entwinden. Er sprang auf die Füße, hüpfte von der Bühne und rannte davon.
Noch nie hatte Pete seinen Bruder so schnell laufen sehen. Und wäre er nicht vor ihm geflohen, hätte das Pete vielleicht sogar beeindruckt. Pete wollte ihm nachlaufen, doch sein Hemd verfing sich irgendwo und riss ihn zurück.
„Verdammt!“, murmelte er. Er zerrte an dem Stoff, aber er bekam das Hemd nicht frei.
Abgehackte Musik ertönte, während der Vorhang vollständig aufgezogen wurde. Wie erstarrt stand Pete vor einer bewegungslosen animatronischen Foxy-Figur, die auf ihn herabstarrte. Gelbe Augen glühten unter roten Augenbrauen, und sein rechtes Auge verdeckte eine schwarze Klappe. Das Maul mit den spitzen Zähnen stand offen, während der mannsgroße Fuchs ein schräges Lied darüber zu singen begann, wie man Pirat wird. An einem Arm hatte er anstelle einer Hand einen Haken, und an der anderen war kein Fell, weswegen man das Metallskelett des Roboters darunter sehen konnte. Das Surren und Kreischen von Zahnrädern hallte in der Stille des Raums wider. Der Brustkorb des Roboters war in Teilen aufgerissen und gewährte Einblick in seine Mechanik. Foxys Bewegungen waren langsam und irgendwie unheimlich. Obwohl Pete wusste, dass die Figur ein Roboter war, wirkte es, als sei der Körper von irgendetwas zerfleischt worden.
Ein Schauer überlief Pete.
Er merkte, dass er seinen Kaugummi verschluckt hatte.
Es gelang ihm nicht, seinen Blick von Foxys gelben Augen loszureißen, während er sang.
Pete wusste nicht, warum … Es war doch nur ein dummer, alter Roboter …
„Du kannst ein Pirat werden, doch zuerst musst du ein Auge und eine Hand verlieren! Zuerst musst du ein Auge und eine Hand verlieren! Zuerst musst du ein Auge und eine Hand verlieren! Zuerst musst du ein Auge und eine Hand verlieren …“
Die in die Jahre gekommene animatronische Figur blieb immer wieder an der einen Stelle hängen.„… zuerst musst du ein Auge und eine Hand verlieren!“
Pete blinzelte, als ihn ein seltsames Gefühl überkam. Als ob eine unsichtbare, kalte, schwere Decke jeden Zentimeter seines Körpers bedeckte und dann durch seine Haut hindurch bis hinein in seine Knochen kroch.
„… zuerst musst du ein Auge und eine Hand verlieren!“
In dem Raum wurde es plötzlich ganz still, doch Pete verharrte im Dunkeln. Vollkommen unbeweglich.
Er blinzelte und sah sich um. Er versuchte, sich zu erinnern, wo er war. Er stand im Dunkeln. Allein. Sein Puls raste, als er einen Schritt zurückwich. Dann sah er, dass sein Hemd an einem Nagel hängengeblieben war. Und dann kam die Erinnerung zurück. Er rieb sich die Augen, riss sein Hemd von dem Nagel los und stürmte von der Bühne fort, um seinen Bruder zu suchen.
„Verdammt noch mal, Chuck!“
* * *
Pete sah, wie Chuck einen tiefen Atemzug aus seinem Inhalator nahm, bevor er sich an den Tisch setzte. Er bemerkte, dass sein kleiner Bruder immer noch angeschlagen war. Chuck musterte Pete von der anderen Seite des Tisches und wand sich. Pete wusste nicht, was ihn eigentlich so ärgerte. Der kleine Mistkerl hatte den besten Teil der Show nicht einmal gesehen. Er war weggelaufen und hatte sich nicht mehr von seinen Freunden weggerührt, bis es Zeit gewesen war, nach Hause zu gehen.
* * *
„Wie war es in Freddy Fazbear’s Pizzeria, Jungs?“, erkundigte sich ihre Mutter, als sie Teller mit Schinken und Kartoffeln vor ihnen auf den Tisch stellte.
„Gut“, erwiderte Chuck, ohne von seinem Teller aufzusehen.
„Ja, total cool“, murmelte Pete und begann zu essen.
„Wie? Ist was passiert?“
„Nein, nichts“, antworteten die Brüder wie aus einem Mund.
Pete warf Chuck einen warnenden Blick zu. Sag ja nichts …
Ihre Mutter hob die Augenbrauen, während sie sich setzte. „Okay. Also ich muss euch beiden etwas Tolles erzählen. Ich dachte, es ist an der Zeit, dass wir etwas zusammen als Familie machen. Und zwar etwas, das wirklich gut für die Welt ist.“
Pete verkniff sich, das auszusprechen, was ihm spontan in den Kopf kam, weil er damit seine Mutter wahrscheinlich verletzt hätte.
Welche Familie?
Es war fast sechs Monate her, dass ihr Vater sie verlassen und die Familie zerstört hatte. Und seit wann war sie zur Weltverbesserin geworden?
„Etwas ganz Neues. Etwas, das für uns drei als Familie einen Neuanfang darstellt. Etwas, das auch jemand anderem einen Neuanfang ermöglichen könnte.“ Sie zog ein Blatt Papier aus einer Mappe, legte es auf den Tisch und drehte es zu ihnen herum.
Ungläubig las Pete die in fetten Buchstaben gedruckte Überschrift. „Organspender?“
Ihre Mutter nickte eifrig. „Ja, wir werden Familienspender. Hört sich das nicht toll an?“
Verblüfft blickte Chuck zu Pete.
„Das sind die tollen Neuigkeiten? Willst du wirklich, dass wir unsere Körperteile verschenken?“, fragte Pete.
Sie winkte ab. „Nur, wenn uns etwas passiert, Dummkopf. Was wir natürlich nicht wollen. Aber wenn es doch passiert, könnten wir anderen Menschen helfen, die krank sind und ein neues Herz oder eine neue Niere brauchen. Wir könnten jemandem das Leben retten. Wir wären Helden.“
„Wir wären tote Helden“, meinte Chuck trocken.
Sie lachte. „Oh, Chuck, du und deine Sprüche.“
„Ja, Chuck, du bist ein echter Kracher“, sagte Pete todernst.
Chuck verzog das Gesicht. „Mama, weißt du, was Pete in der Pizzeria gemacht hat?“
Aus schmalen Augen sah Pete seinen Bruder an. Er hatte gewusst, dass die kleine Nervensäge den Mund nicht würde halten können.
„Was hat er denn getan?“
„Er hat viel zu viel Limonade getrunken.“ Chuck lächelte, wobei seine Zahnspange aufblitzte.
Ihre Mutter seufzte. „Ach Pete. Ich habe dir doch gesagt, was diese Limonade mit deinen Zähnen macht.“
Pete blickte seine Mutter an. Was war in letzter Zeit nur mit ihr los? Letzten Monat hatte sie begonnen, sich mit jemandem zu treffen, der sich „Livecoach“ nannte. Dann hatte sie auch noch mit Yoga angefangen, ihre langen Haare abgeschnitten und irgendeine seltsame Saftkur gemacht. Sie hatte einen Haufen ihrer Klamotten aussortiert und sie der Wohlfahrt gespendet. Und jetzt … wollte sie portionsweise ihren Körper verschenken.
„Hier, lies den Flyer, Pete“, sagte Mom. „Der wird dich bestimmt überzeugen.“
Pete schnappte sich das Papier, das seine Mutter ihm unter die Nase hielt. Die Liste der Körperteile, die gespendet werden konnten, war ziemlich lang: Knochen, Herz, Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse, Haut, Eingeweide, Augäpfel …
Augäpfel.
Du kannst ein Pirat werden, aber zuerst musst du ein Auge und eine Hand verlieren!
Pete dachte zurück an Foxy. Er stellte sich vor, wie Foxy plötzlich von der Bühne stieg und mit seinem großen, spitzen Haken auf ihn zukam, während seine mechanischen Füße über den Boden klapperten.
Petes Magen zog sich zusammen, und ihm war plötzlich ganz schwindelig. Schnell blinzelte er das Bild in seinem Kopf weg. „Was für eine blöde Idee, Mama.“
„Pete, das ist überhaupt nicht blöd. Und es verletzt mich, wenn du so denkst.“
Ja, ihre Mutter hatte in letzter Zeit auch angefangen, über ihre Gefühle zu sprechen. Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf, während sein Gesicht erst ganz blass und dann ganz rot wurde. „Ich werde es nicht tun, Mama.“
„Pete!“
„Ich will nicht darüber reden. Ich geh jetzt ins Bett.“ Pete verließ den Raum.
„Was ist passiert?“, hörte er seine Mutter fragen.
Chuck seufzte. „Typisch Pubertät.“
* * *
„Beeil dich, Pete!“
Chuck hämmerte am nächsten Morgen an die Badezimmertür. Wenn Pete nicht bald herauskam, würde Chuck den Bus zur W. H. Jamesons Realschule nicht mehr bekommen. Falls er den Bus verpasste, würde er fünf Meilen mit dem Fahrrad fahren müssen, und seine Mutter würde ausflippen, weil er dann allein unterwegs war. Sie war ein bisschen paranoid, dass etwas passieren könnte, wenn Pete nicht bei ihm war, was er nicht verstand, da er schon fast zwölf war! (Na ja, elfeinhalb.) Viele seiner Freunde waren ständig allein unterwegs. Aber nicht Chuck. Pete meinte immer, es läge daran, dass Chuck das Nesthäkchen war und ihre Mutter ihn immer noch als Baby betrachtete.
Chuck hörte, wie Pete über der Toilette würgte. Er wich einen Schritt zurück und erschauderte. Pete war krank, vermutete Chuck und verzog die Lippen.
Das hat er verdient, weil er gestern versucht hat, mir Angst einzujagen.
Doch als Pete erneut würgte, verdrängte er den Gedanken, trat einen Schritt zurück und lehnte sich an die Wand, um zu warten. Chuck wusste, dass sich alles verändert hatte, seit ihr Vater sie verlassen hatte. Pete war seitdem nur noch wütend. Ihre Mutter suchte ständig nach tollen Dingen, die sie glücklich machen könnten. Und er selbst? Er versuchte einfach, sich zu beschäftigen. Er hing gerne mit seinen Freunden ab, spielte Online-Games, und er interessierte sich sehr für Rätsel.
Sicher, die Realschule war ätzend, aber zur Schule zu gehen, gehörte einfach zum Leben und man musste diese Zeit eben irgendwie durchstehen. Hin und wieder fand er ein Projekt ganz spannend, doch irgendwann war es beendet, und dann langweilte er sich wieder, bis etwas anderes seine Aufmerksamkeit fesselte. Er verstand durchaus, warum Pete ihn die Hälfte der Zeit hasste, denn ihre Mutter wollte unbedingt, dass Pete immer auf ihn aufpasste. Er versuchte, seinen großen Bruder nicht zu nerven. Doch alles, was er sagte, schien Pete zu verärgern. Vielleicht war das ja bei allen Geschwistern so? Chuck wusste es nicht, weil er keinen anderen Bruder hatte.
Die Toilettenspülung rauschte. Eine Minute später ging die Tür auf. Eine Welle üblen Gestanks wehte Chuck entgegen, und er wedelte mit einer Hand vor seiner Nase herum. Pete sah nicht gut aus. Sein Gesicht war so blass, dass die Sommersprossen auf seinen Wangen wie winzige Insekten wirkten. Sein dunkles Haar stand in alle Richtungen ab, als hätte er in eine Steckdose gefasst. Und er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
„Mann, Pete, was ist los mit dir?“
„Nichts“, fuhr Pete ihn an. „Irgendetwas ist mir nicht bekommen. Wahrscheinlich in dieser dämlichen Freddy Fazbear’s Pizzeria.“
Chuck glaubte das nicht. „Soll ich Mama anrufen?“
Pete schob ihn beiseite. „Nein, ich bin nicht so ein kleines Weichei wie du.“
Chuck spürte, wie sich seine Schultern versteiften. Er hasste es, wenn sein Bruder ihn so nannte. „Wie du willst“, murmelte er. Dann knallte er die Badezimmertür hinter sich zu und schloss ab.
* * *
Pete kippte einen Energydrink mit dreifachem Koffein hinunter, während er zu seinem Biokurs lief, aber er fühlte sich trotzdem ausgelaugt und erschöpft. In der vergangenen Nacht hatte er ein paar ziemlich verrückte Träume gehabt. An alles konnte er sich nicht erinnern, nur daran, dass da unheimlich viel Blut gewesen war. Es war über ihn hinweggeströmt, über sein Gesicht, seine Brust und seine Arme. Schließlich war er aufgeschreckt und hatte bemerkt, dass er fest in die Bettdecke gewickelt war. Bei dem Versuch, sich zu befreien, war er auf den Boden gefallen, und dann war er auch schon ins Bad geeilt und hatte sich übergeben.
Er fröstelte, wenn er nur daran dachte, doch dann rollte er einmal mit den Schultern und schob diese unerfreulichen Bilder beiseite. Wahrscheinlich hätte er zu Hause bleiben sollen, aber seine Mutter bei der Arbeit anzurufen, hätte sie nur in Panik versetzt und ihm eine Million Fragen eingebracht. Er beschloss, den Tag einfach irgendwie zu überstehen. Fünf Minuten nach dem Klingeln erreichte er seinen Klassenraum.
„Mr. Dinglewood, Sie sind zu spät“, bemerkte sein Lehrer Mr. Watson gelangweilt. „Haben Sie eine Entschuldigung?“
Pete riss sich die Mütze vom Kopf und schüttelte den Kopf. Er schob sich auf einen leeren Hocker an einem Arbeitstisch ganz hinten neben einem Jungen mit schwarzer Lederjacke und lilafarbenen Haaren.
Peter verstaute die Mütze in seinem Rucksack und stellte ihn auf den Boden. Dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Unbehaglich rutschte er auf dem Hocker hin und her. Warum konnte er nur nicht stillsitzen?
„Wie ich schon sagte, werden wir heute einen Frosch sezieren“, fuhr Mr. Watson fort. „Einen Test über die Sicherheitsregeln und die Vorgehensweise haben wir bereits geschrieben. Ihr werdet als Team mit eurem Partner zusammenarbeiten und das Laborblatt ausfüllen. Ich erwarte von allen, dass ihr euch wie reife junge Leute verhaltet. Ich weiß, das fällt einigen von euch schwer, aber hier gibt es keine Spielchen, sonst fallt ihr durch. Und das wollt ihr ja nicht. Ihr habt ab jetzt dreißig Minuten Zeit.“
Als sie sich beide dem toten Frosch zuwandten, der ausgestreckt vor ihnen lag, fragte der Typ mit der Lederjacke: „Alter … was ist los mit dir?“
Pete schüttelte nur den Kopf. „Nichts.“
Der Junge mit der Lederjacke warf ihm einen Blick zu, der so viel hieß wie: Ja, klar. Dann nahm er ein kleines Skalpell in die Hand.
Nach zehn Minuten gähnte Pete. Sein Mund war ganz trocken und seine Hände zitterten, weil diese kleinen, präzisen Schnitte anstrengend waren.
Der Junge mit der Lederjacke grinste. „Hey, sieh mal hier“, sagte er und stach dem Frosch mit dem Skalpell ins Auge. Eine seltsame Flüssigkeit floss heraus. „Krank, oder?“ Dann stieß er die Klinge in den Arm des Frosches und schnitt ihn ab. Er hob die winzige Hand auf und winkte Pete damit zu.
Pete schüttelte den Kopf. „Ich brauch mal eine Pause.“
„Hey, es tut mir leid. Ich schwöre, ich höre jetzt auf herumzualbern.“ Er hielt Pete die kleine Froschhand hin. „Komm schon, schlag ein.“
Der Junge kicherte, als Pete vom Hocker sprang und zu dem Wasserspender im Klassenraum ging. Er trank ein paar Schlucke. Verdammt war er durstig. Und Hunger hatte er auch. Sein Magen begann zu knurren, denn er hatte das Frühstück ausfallen lassen, um noch pünktlich zur Schule zu kommen.
Auf dem Weg zurück zu seinem Platz hielt Mr. Watson ihn auf. „Alles gut bei Ihnen, Mr. Dinglewood?“, fragte er.
Mr. Watson war kleiner als Pete, hatte weißes Haar und einen weißen Schnurrbart. Auf der Spitze seiner roten Nase saß eine Brille, als würde er irgendwie auf Pete herabschauen – obwohl das physisch unmöglich war.
„Ja, alles ist gut“, stieß Peter hervor.
Mr. Watson runzelte die Stirn. „Freut mich zu hören. Gehen Sie jetzt bitte an Ihren Tisch zurück. Gerade Sie können es sich nicht leisten durchzufallen.“
„Genau das tue ich aber gerade“, murmelte Pete und fuhr herum.
Und von da an ging buchstäblich alles schief.
Pete machte einen schnellen, langen Schritt, und dabei trat er auf einen der Rucksackriemen. Schon rutschte er aus, verlor den Halt und stürzte rücklings zu Boden. Er spürte, wie er den Typ mit der Lederjacke hart mit dem Fuß traf. Der Junge schrie auf, und Mr. Watson brüllte etwas. Pete landete flach auf dem Rücken, was ihm sämtliche Luft aus den Lungen trieb. Er blinzelte, und als er die Augen öffnete, sah er das Skalpell des anderen Jungen in der Luft. Das kleine Messer musste durch seinen Tritt hochgeflogen sein. Aber dann sah Pete ungläubig, wie das Skalpell der Schwerkraft folgte und direkt auf sein Gesicht zustürzte, wobei die Spitze der kleinen Klinge direkt auf sein Auge zielte.
Adrenalin schoss durch seinen Körper. Mit den schnellen Reflexen, die vom jahrelangen Footballtraining kamen, schlug Pete das Skalpell wie ein tödliches Insekt zur Seite, gerade als die Klinge in sein Auge fahren wollte. Das Skalpell knallte gegen den Arbeitstisch und fiel dann zu Boden.
„Ach du meine …“, zischte der Typ mit der Lederjacke.
„Gütiger Himmel, Pete, ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich Mr. Watson, der wie ein besorgter Vater plötzlich in seinem Gesichtsfeld auftauchte. „Bleiben Sie liegen, ich rufe die Schulschwester. Die Klasse bleibt sitzen! Keiner rührt sich von der Stelle! Wir folgen bitte den Notfallregeln! Aus dem Weg!“
Die Klasse ignorierte Mr. Watson und drängte sich um Pete, während sich sein Oberkörper unter schweren Atemzügen hob und senkte. Er glaubte nicht, dass er sich den Kopf gestoßen hatte, aber ihm war schwindelig und er hatte das Gefühl, nicht ganz bei Sinnen zu sein. Und irgendwie fühlte er sich auch gedemütigt.
Jemand flüsterte: „Gut gemacht, Dingleberry.“
Ein paar der anderen Kinder kicherten. „Oh ja, was für ein Versager. Jetzt wissen wir ja, warum er aus dem Footballteam geschmissen wurde.“
Langsam setzte Pete sich auf, während sein Gesicht rot anlief. Mist, es gab keinen Zweifel, dass er zu Hause hätte bleiben sollen.
Irgendwie schaffte Pete es, den Rest des Schultages zu überstehen. Die Schulschwester hatte ihn untersucht, ihm einen Eisbeutel gegeben und ihn wieder in den Unterricht geschickt. Als die Klingel zum Schulschluss läutete, war das eine große Erleichterung. Schnell lief er an den anderen, meistens langsam dahinschlendernden Kindern vorbei, durch alle Türen und die vordere Treppe hinunter.
Als er einen Blick auf sein Handy warf, bemerkte er, dass er eine neue SMS von seiner Mutter hatte. Mit einer Hand rieb er sich über das Gesicht.
Was nun? Gab es auch mal einen Tag, an dem sie ihn nicht bat, irgendetwas für sie zu erledigen? Klar, er liebte seine Mutter, aber jetzt, da sein Vater nicht mehr da war, um ihr zu helfen, schien Pete immer auf Abruf zu leben. Hoffentlich bat sie ihn nicht, sich wieder um Chuck zu kümmern. Diesmal würde er es nicht tun. Er würde sagen: „Nein, tut mir leid, ich bin krank.“ Er klickte auf die SMS.
Hi Pete, könntest du nach der Schule beim Schlachter vorbeigehen und die Schweinekoteletts abholen, die ich bestellt habe?
Er antwortete schlicht: Sicher.
Woraufhin sie schrieb: Danke! Mit einem Herz-Emoji.
Pete schob sich gleich mehrere Kaugummis mit Wassermelonengeschmack in den Mund und machte sich auf den Weg zur Schlachterei, die ein paar Straßen abseits von seinem direkten Nachhauseweg lag. Eigentlich hatte er seinen Führerschein machen wollen. Das jedoch war der Plan vor sechs Monaten gewesen, vor der Scheidung, doch jetzt schien er das alles vergessen zu haben.
Schließlich erreichte er Barney’s Fleischerei. Kein einziges Auto stand davor, was perfekt war, denn so konnte er die Bestellung abholen und gleich wieder verschwinden. Pete schob sich durch die Glastür, und es stand nicht einmal jemand hinter dem Tresen. An der Scheibe waren Verkaufspreise angeschlagen, und aus dem hinteren Bereich des Ladens ertönte ältere Rockmusik.
Er ging zu der Vitrine mit dem rohen Fleisch und blickte sich um.
„Hallo?“, rief er. „Ich möchte eine Bestellung abholen.“
Da es keine Glocke gab, die er hätte läuten können, wartete er noch eine Minute, ob vielleicht jemand kommen würde. Als das nicht geschah, reichte es ihm. Er klopfte ein paar Mal gegen die Glastheke. „Halloooo!“
Schließlich nahm er die Sache selbst in die Hand und ging hinter den Glastresen. „Hey, ist hier jemand?“
Auf der anderen Seite der Verkaufstheke befand sich ein langer Metzgertisch, auf dem sich eine wässrig rote Lache befand. Der überwältigende Geruch von Fleisch und Blut drehte ihm erneut den Magen um. Der Kaugummi in seinem Mund wurde plötzlich sauer. Er legte eine Hand auf seinen Magen, als wolle er ihn beruhigen. Ichwerdenichtkotzen.Ichwerdenichtkotzen, dachte er. Um sich abzulenken, blickte er sich um, doch überall sah er nur geschlachtete Tiere. Über seinem Kopf hingen gefährlich aussehende Messer und Hackbeile. Erneut wurde ihm schwindelig. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, stützte er sich auf dem Metzgertisch ab und fasste dabei ungewollt in die seltsame wässrige Flüssigkeit. Ihm brach der kalte Schweiß aus.
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