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Fliegen Sie mit? Dieses Buch ist Ihr Ticket in Richtung Leichtigkeit und Freude. Aber bevor Sie abheben können, müssen wir erst Ihr Gepäck erleichtern. Was macht Ihr Leben unnötig schwer, und warum klebt der Ballast so hartnäckig an Ihnen fest? Bei der Lektüre erfahren Sie, wo die geistigen Haken sitzen, an denen das überflüssige Gewicht hängt. In drei Schritten lösen Sie sich von der Schwere des Alltags und lernen, wie Sie Ihre wirklichen Bedürfnisse entdecken. So werden Sie zum Schöpfer Ihres Lebens.
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Seitenzahl: 199
Veröffentlichungsjahr: 2012
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»Jeder Mensch ist ein Engel mit nur einem Flügel, und wir können nur fliegen, wenn wir uns umarmen.«
Luciano de Crescenzo
Schön, dass Sie hier sind!
Schritt 1: Leben
Der Sinn von allem
Annehmen
Fühlen
Nicht-Handeln
Nicht-Urteilen
Vertrauen
Der Schatten
Freiheit
Zusammenfassung
Schritt 2: Lieben
Was ist Liebe?
Warum lieben?
Respektieren
Wertschätzen
Segnen
Selbstliebe
Grenzen setzen
Zusammenfassung
Schritt 3: Loslassen
Was läuft in Ihrem Leben falsch?
Wissen, was richtig ist
Recht haben
Was andere über Sie denken
Anstrengung
Erwartungen an Sie selbst
Erwartungen an die Welt
Die Fehler der anderen
Realität
Alte Wunden
Menschen (die Ihnen nicht gut tun)
Angst
Scham
Zusammenfassung
Umsetzung: LeLiLo in Aktion
Die Verbindung der drei Schritte
Es gibt kein Müssen
Gleichzeitig annehmen und verändern
Sein im Hier und Jetzt
Scheinheiligkeit
Praxis: Beispiele
Auf der Autobahn
Ich muss mich um alles kümmern
Reingelegt
Ärger mit dem Nachbarn
Fehlender Lebenspartner
Alles Gute!
Herzlich willkommen am Startplatz zum Flug Ihres Lebens! Dieses Buch ist Ihr Ticket in Richtung Leichtigkeit und Freude. Aber bevor Sie abheben können, werden wir gemeinsam Ihr Gepäck durchgehen müssen.
Wie beim echten Fliegen stört auch in Ihrem Leben jeder überflüssige Ballast an Bord. Jedes Gramm zu viel kostet Sie wertvolle Energie. Aber wie wird Ihr Leben leichter? Mehr Geld, mehr Konsum, mehr Wissen, mehr Unterhaltung, mehr … funktionieren nicht. Denn am Ende der Gleichung kann nicht weniger herauskommen, wenn Sie vorne etwas addieren. Um das zu verstehen, reichen die vier Grundrechenarten.
Zum Kern der Lösung führt also die Frage: Worauf können Sie in Ihrem Leben getrost verzichten? Was macht es unnötig schwer? Sicherlich fällt Ihnen dazu ohne viel Nachdenken eine ganze Menge ein: belastende Verpflichtungen, anstrengende Beziehungen, zu viel Stress im Job, Streit mit dem Nachbarn, Ärger mit Kollegen, Ängste, Geldsorgen… Sie können die Liste beliebig fortsetzen.
Eigentlich wissen Sie ganz genau, was Sie gerne loswürden. Wieso tragen Sie diesen Ballast dann trotzdem mit sich herum? Offenbar haftet doch einiges hartnäckiger an Ihnen, als Sie das gerne hätten.
Durch die Lektüre werden Sie erkennen, wo die geistigen Haken sitzen, an denen das überflüssige Gewicht hängt, und wie Sie es von Ihrem Leben lösen können. Ich zeige Ihnen einen Weg zur Leichtigkeit in drei Schritten, mit dem Sie sich innerlich befreien und zum Höhenflug Ihres Lebens aufschwingen können.
Diese Methode ist vollkommen alltagstauglich. Sie können sie jederzeit anwenden, egal ob bei der Arbeit, im Supermarkt, im Urlaub oder beim Sport. Sie ist eigentlich kinderleicht und erfordert nur, dass Sie dazu bereit sind und sich dafür öffnen. Fassen Sie es als Spiel auf, das Sie in alle Begegnungen des Tages einbauen.
Die Schwere des Alltags und Ihre inneren Widerstände fallen auf diese Weise nach und nach von Ihnen ab, und indem Sie sich dem Leben und Ihren Gefühlen öffnen, stellen Sie Kontakt zu Ihren wahren Bedürfnissen her. Sie übernehmen so die Rolle, die Ihnen eigentlich schon immer zugedacht ist: der Schöpfer Ihres eigenen Lebens zu sein. Und das Leben hält mehr für Sie bereit, als Sie sich derzeit überhaupt ausmalen können.
Also bitte anschnallen, die Rückenlehne senkrecht stellen und das Handy ausschalten! Wir rollen bereits auf die Startbahn zu. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Freude und Leichtigkeit bald Ihre ständigen Wegbegleiter sind und rufe Ihnen aufmunternd zu:
Fliegen Sie Ihr Leben! Werden Sie Ihre Schwere los!
»Sie können Ihr Leben nur
freiwillig oder unfreiwillig annehmen.
Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.«
Was bedeutet Leben für Sie? Wofür sind Sie hier? Worin liegt der Sinn von allem?
Die Sinnfrage reicht tief und ist gerade deshalb ein guter Ausgangspunkt für unsere Suche nach der Leichtigkeit des Lebens. Das ist kein Widerspruch, denn der Ballast, von dem Sie sich befreien wollen, ist in der Tiefe Ihres Wesens verankert. Ihrem Leben Sinn zu verleihen und sich von unnötiger Schwere zu verabschieden, gehen Hand in Hand.
Wir alle brauchen Sinn, das liegt in der Natur des Menschen. Aber wie findet man ihn? Der Lebensweg jedes Menschen trägt einen verborgenen Sinn in sich. Sie kamen auf die Welt, um hier ganz bestimmte Erfahrungen zu machen. Weil das aber ihr ganz persönlicher Weg ist, kann kein anderer Mensch Ihnen sagen, was für Sie Sinn bedeutet. Deshalb gibt es im Grunde nur eine Methode, das herauszufinden, und die besteht darin, mit dem Fragen aufzuhören. Sie können aus Prinzip niemals von anderen eine Antwort darauf erhalten. Das liegt daran, dass die Frage in Wirklichkeit an Sie gerichtet ist, und nur von Ihnen selbst beantwortet werden kann. Das Leben stellt Ihnen die Frage nach dem Sinn jeden Tag, indem es Sie mit bestimmten Lebensumständen herausfordert: »Was machst du daraus?« »Wie bringst du hier das ein, was dir wirklich wichtig ist?« »Was liegt dir am Herzen?«
Da die Frage täglich neu gestellt wird, können Sie auch immer wieder neue Antworten finden. Als Teenager haben Sie bestimmt andere Vorstellungen und damit auch andere Lösungen für Ihre schwierigen Lebenssituationen als im Erwachsenenalter oder im Ruhestand.
Der Sinn Ihres Lebens ist also einzig und allein Ihre persönliche Angelegenheit und liegt nur in Ihrer eigenen Verantwortung. Das mag Ihnen oberflächlich betrachtet vielleicht als Last erscheinen. Es ist aber im Gegenteil eine unglaubliche Erleichterung, weil Sie keinem anderen Herren als sich selbst dienen müssen. Sie müssen weder Sinn für andere schaffen noch ein Leben führen, das aus der Perspektive unserer Gesellschaft als »sinnvoll« erachtet wird. Deshalb sind Sie auch nie am falschen Ort oder in der falschen Situation oder mit den falschen Leuten zusammen. Der Moment ist immer vollkommen richtig. Sie sollten sich nur darüber klar werden, wie Sie das, was Ihnen wirklich wichtig ist, in jeden Augenblick Ihres Lebens einbringen können. Der ganze »hätte-wäre-könnte«-Gedankenballast fällt dadurch vollständig weg.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich meine damit nicht, dass es völlig egal ist, was Sie tun oder lassen. Die Sinnhaftigkeit eines jeden Lebens besteht immer darin, mehr Liebe, mehr Heilung und mehr Vollkommenheit in die Welt zu bringen. Das kann auf einer sehr kleinen persönlichen Skala stattfinden oder aber auch im Großen für die ganze Gesellschaft. Der Religionsphilosoph Martin Buber sagte dazu: »Jeder hat eine in Raum und Zeit ausgespannte Sphäre des Seins, die dazu bestimmt ist, von ihm erlöst zu werden.« Jeder hat folglich die Aufgabe, an der Heilung des Teils der Welt mitzuwirken, an den ihn das Leben gestellt hat – egal ob als Obdachloser auf der Straße oder als Regierungschef eines Staates. Nur was das genau in Ihrem Fall bedeutet, kann Ihnen alleine das eigene Herz sagen. Sie tragen die Antwort bereits in sich, in Form Ihrer Begabungen, Ihrer Werte und Ihrer verborgenen Herzenswünsche.
Ihr Auftrag bei der persönlichen Sinnfindung ist demnach, zu erkennen, was Ihnen wirklich wichtig ist. Sie wissen wahrscheinlich sehr genau, was Ihnen nicht passt. Aber was wollen Sie stattdessen? Welche Werte liegen Ihnen echt am Herzen? Liebe? Mitgefühl? Stabilität? Lebensfreude? Wachstum? Kreativität? Sie werden dadurch aufgefordert, sich selbst sehr gut und immer besser kennenzulernen, auf sich zu hören, ganz besonders Ihre Gefühle wahrzunehmen. Es ist ein Appell, sich selbst wichtig zu nehmen und wertzuschätzen. Sie sind die einzig gültige Referenz für Ihre Bedürfnisse. Kein anderer kann Ihnen sagen, was gut oder richtig für Sie ist. Das ist Ihre Aufgabe im Leben. Lesen Sie in Ihrem Herzen, und tragen Sie die Schätze, die Sie darin finden, hinaus in die Welt.
Aber wissen Sie eigentlich, was Sie tief in Ihrem Herzen wünschen? Die meisten Wünsche sind auf materielle Dinge gerichtet. Denn das sind die Werte, die unsere Gesellschaft als erstrebenswert ansieht. Mehr Geld, ein größeres Haus, ein neues Auto, Ferien auf Hawaii, ein neuer Partner, mehr Freizeit und so weiter. Was steckt aber hinter dem Ersehnten?
Entgegen der landläufigen Meinung hat der materielle Besitz an sich gar keine so große Bedeutung. Es geht hauptsächlich um die Gedanken und die Gefühle, die mit dem Erwerb oder Verlust des begehrten Gutes verbunden sind. Das sind die eigentlichen Motive und Bedürfnisse. Die Frage ist also: Welchen inneren Zustand erwarten Sie sich von der Erfüllung Ihrer Wünsche? Welche Gefühle erhoffen Sie sich davon? Ein schnelles Auto kann beispielsweise Empfindungen von Stärke, Freiheit und Jugend wecken. Vielleicht erwarten Sie von einem neuen Job mehr Kreativität, Einfluss, Macht und Wertschätzung? Die Frage ist immer, inwieweit der gewünschte Gegenstand tatsächlich der am besten geeignete Weg ist, die zugrunde liegenden Bedürfnisse zu befriedigen.
Ich möchte das an einem Beispiel anschaulich machen. Nehmen wir einmal an, Sie wünschen sich ein Wochenendhaus in den Bergen. Sie stellen sich vor, wie Sie sich dort vom Alltag erholen können, wie Sie Freunde einladen und ihnen stolz Ihren neuen Besitz präsentieren.
Was Sie sich von dem Wochenendhaus insgeheim erhoffen, sind also vor allem mehr Entspannung und vielleicht auch etwas Anerkennung. Wenn Ihnen das in dieser Klarheit bewusst wäre, dann könnten Sie sich fragen, ob es wirklich der richtige Weg zu mehr Ruhe ist und ob (beziehungsweise warum) Ihnen die Anerkennung durch andere so wichtig erscheint. In aller Regel war Ihnen dieser Zusammenhang bisher aber nicht bewusst, und deshalb stellte sich die Frage noch nicht.
Was passiert voraussichtlich mit Ihrem Leben, wenn Sie sich das zusätzliche Häuschen tatsächlich leisten und nicht gerade in Geld schwimmen? Sie nehmen zunächst einen weiteren Kredit auf, der Sie noch mehr an die Arbeitswelt bindet. Sie erinnern sich, es ging Ihnen beim Kauf des Feriendomizils um mehr Erholung und Entspannung. Jetzt müssen Sie aber noch mehr arbeiten oder zumindest haben Sie weniger Spielraum, Ihre Arbeitszeit zu reduzieren.
Das Haus verpflichtet Sie darüber hinaus, es in Ihre Freizeitplanung ständig einzubeziehen. Jedes Wochenende fühlen Sie sich gezwungen, Ihr Haus aufzusuchen, schließlich haben Sie dafür viel Geld bezahlt. Wenn Sie nicht ständig Ihren Hausstand im Auto hin und her transportieren wollen, dann brauchen Sie zusätzliche Kleidung und Haushaltsgegenstände. Während Ihrer Abwesenheit muss sich irgendjemand um die neue Immobilie kümmern. Sie müssen einen Hausverwalter und einen Gärtner engagieren. Vielleicht möchten Sie auch ab und zu einmal an einem anderen Ort Urlaub machen. Dann läge es nahe, das Ferienhaus währenddessen zu vermieten, was auch organisiert werden muss.
Alles in allem müssten Sie sich fragen, ob eine derartige Investition geeignet ist, Ihnen mehr Erholung zu verschaffen. Wären Sie sich über Ihre wahren Bedürfnisse im Klaren, dann könnten Sie in kleinen Schritten Ihrem Herzen folgen. Sie würden dann eventuell Ihre Arbeitszeit langsam reduzieren und sich kleine Inseln der Erholung im Alltag einrichten. Vielleicht hätten Sie den Wunsch, sich täglich eine halbe Stunde für Meditation oder einen Spaziergang zu reservieren und sich jede Woche eine entspannende Massage oder einen Besuch in der Sauna zu gönnen.
Den Weg zu sich selbst und zu Ihren Bedürfnissen finden Sie über Ihre Gefühle. Nur wenn Sie Ihre Gefühle annehmen und spüren, können Sie entdecken, was die eigentlichen Motive hinter Ihren Wünschen und Handlungen sind. Ihr Herz zu öffnen, für sich selbst und Ihre Bedürfnisse, ist einer der wesentlichen Aspekte, um die es in diesem Buch geht.
Der Sinn Ihres Lebens besteht also darin, all das in die Umstände Ihres Lebens einzubringen, was Ihnen wirklich am Herzen liegt, also die Welt quasi mit Ihren Werten und Ihrem Wesen zu erfüllen. Dafür müssen Sie das Leben zunächst einmal so annehmen, wie es ist. Mit Annehmen meine ich nicht, zähneknirschend zu resignieren oder vor dem Leben zu kapitulieren, sondern nur, dass Sie für den Augenblick akzeptieren, dass die Umstände Ihres Lebens so sind, wie sie sind. Vielleicht klingt das für Sie zu trivial, und Sie sagen zu mir: »Na kommen Sie lieber Herr Becher, das mache ich doch eh die ganze Zeit. Was sollte ich denn auch sonst anderes tun?«
Ja, was macht man normalerweise? Stellen Sie sich eine ganz alltägliches Szene vor: Sie warten in einer Schlange an der Kasse im Supermarkt, verärgert darüber, dass Sie schon wieder einmal Ihre Zeit unnötig beim Einkaufen vergeuden. Vermutlich suchen Sie nach einem Schuldigen, beispielsweise den Ladenmitarbeitern, die nicht in der Lage sind, genug Kassen zu öffnen. Gleichzeitig beobachten Sie ungeduldig, wie die Kassiererin trotz des großen Kundenandrangs die Waren mit einer Seelenruhe im Schneckentempo über das Lesegerät zieht. »Echt eine Unverschämtheit, dass die sich so viel Zeit lässt!«, denken Sie sich vielleicht insgeheim. Jetzt will sich auch noch jemand, der nur ein paar Sachen in der Hand hat, vor Sie stellen. »Der kommt mir gerade recht. Normalerweise bin ich ja nicht so, aber heute habe ich es wirklich eilig. Also tut mir leid, aber ein bisschen warten kann dem auch nicht schaden.« Vielleicht ärgern Sie sich auch über sich selbst, dass Sie zu einer ungünstigen Zeit Einkaufen gefahren sind oder sich an der langsamsten Kasse angestellt haben (»Wieder 'mal typisch, da drüben geht’s viel schneller vorwärts.«).
Lassen Sie uns jetzt die Situation genauer ansehen. Was passiert da mit Ihnen? Das Leben hat Sie zumindest für diesen Moment in die Warteschlange an einer Kasse gestellt, das ist Fakt. Aber Sie sträuben sich dagegen, weil Sie das Ganze gerne anders hätten, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht wartet tatsächlich ein dringender Termin auf Sie, aber das ändert nichts an Ihrer Lage. Von ihrem Gefühl her nehmen Sie die Situation jedenfalls nicht an. Ihre Aufmerksamkeit ist von Ärger und Vorwürfen absorbiert. Die andere Person mit den vollen Händen, die gerne den Platz vor Ihnen hätte, können Sie deshalb kaum wahrnehmen, jedenfalls nicht als einen Menschen. Sie sehen nur einen weiteren Störfaktor, der die verhasste Schlange vor Ihnen noch länger werden lässt, was Sie natürlich nicht dulden wollen. Apropos Schlange, woraus besteht diese denn? Ebenfalls aus Menschen. Können Sie diese Leute vor Ihnen in dem Moment als das sehen, was sie sind, sie wertschätzen und respektieren? Nein, die Schlange ist ein anonymes Ärgernis, obwohl Sie so nah hinter ihrem Vordermann stehen, dass Sie seine Nackenhaare zählen könnten.
Ein bekannter Weisheitslehrer wurde einmal gefragt, was die wichtigste Veränderung während seines persönlichen Erkenntnisweges gewesen sei. Er erwiderte, dass sich bei den täglichen Begegnungen mit anderen sein Fokus verschoben habe, weg vom Anlass der Begegnung hin zur Begegnung selbst. Früher ging es ihm beim Bäcker in erster Linie darum, leckere Semmeln zu bekommen und beim Friseur um einen schönen Haarschnitt. Heute steht bei ihm im Vordergrund, dem anderen Menschen im Moment der Begegnung seine volle Aufmerksamkeit und seinen Respekt zu schenken, also in unserem Beispiel der Bäckereiverkäuferin, dem Friseur oder auch den anderen Kunden. Der eigentliche Grund des Besuchs in dem Laden hat natürlich immer noch eine gewisse Bedeutung – wer möchte schon vertrocknetes Brot oder einen Haarschnitt wie Prinz Eisenherz – aber die Rangfolge hat sich auf Platz zwei verschoben. Die geschäftliche Beziehung ist nur der äußere Anlass, den das Leben gewählt hat, damit wir Gelegenheit bekommen, unser Gegenüber zu treffen. Allerdings kann dieser Anlass durchaus die Bedingungen diktieren und möglicherweise genau die Herausforderung darstellen, mit der das Leben uns weiterbringen möchte.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Reklamation, zum Beispiel wegen eines defekten Elektrogerätes, und gingen damit zurück in den Laden, in dem Sie es kürzlich erstanden haben. Der Verkäufer ist allerdings überhaupt nicht einsichtig und erklärt Ihnen, dass Sie den Defekt durch einen Bedienfehler selbst verursacht hätten. »Dieser Schnösel tut so, als hätte er davon eine Ahnung, dabei will er mich nur abwimmeln!« wäre ein gängiger Gedanke in diesem Moment.
Betrachten Sie die Situation jetzt bitte einmal so, wie ich es oben beschrieben habe, als Gelegenheit, den Menschen hinter der Verkäuferrolle wahrzunehmen, also nicht nur den »Schnösel«. Den meisten fällt das in einer emotional so aufgewühlten Situation sehr schwer, weil sie stark in ihren negativen Gefühlen gefangen sind. »Objektiv« gesehen, verhält sich der Verkäufer ja falsch, oder? Sie fühlen sich moralisch und vielleicht auch juristisch im Recht. »So kann man nicht mit einem Kunden umgehen!« Nur diese scheinbar objektive Sichtweise ist vor allem Ihre Perspektive. Der Angestellte hat offenbar einen anderen Blick auf die Dinge. Ob berechtigt oder nicht, sei dahin gestellt, er hat jedenfalls seine Gründe. Vielleicht hatte er heute Morgen auch nur Krach mit seiner Frau, oder es quälen ihn gerade schlimme Magenschmerzen, und er möchte Sie deshalb möglichst schnell wieder los werden.
Wie bringen Sie es fertig, eine solche Situation anzunehmen? Der wichtigste Schritt besteht darin, sich erst einmal dafür zu entscheiden. Das ist schon der halbe Weg. Sie müssen es nur wirklich wollen, alles andere kommt dann mit der Zeit von alleine. Aber vielleicht fragen Sie immer noch, wieso in aller Welt Sie sich dafür entscheiden sollten, etwas anzunehmen, was Sie partout nicht haben wollen. Wieso sollten Sie den sturen Verkäufer oder die Schlange an der Kasse überhaupt annehmen?
Die einfachste Antwort darauf ist: weil Sie keine andere Wahl haben! Auch wenn Sie mitunter vielleicht denken: »Mein Leben gefällt mir nicht, ich hätte es gerne ganz anders«, bleibt Ihnen trotzdem nur dieses eine Leben, zumindest in Ihrer aktuellen Inkarnation. Der Umtausch ist ausgeschlossen. Es ist ein Trugschluss zu glauben, Sie könnten sich für ein anderes Leben entscheiden. Es gibt tatsächlich nur die eine Entscheidung: Nehmen Sie Ihr Leben freiwillig oder unfreiwillig an? Andere Alternativen sind nicht vorhanden. Leider wählen viele von uns die unfreiwillige Variante.
Vielleicht wenden Sie jetzt ein: »Nein, für mich trifft das nicht zu, ich nehme so etwas überhaupt nicht an. Ich kämpfe dagegen an und versuche eine Lösung zu finden. Ich setze mich durch. Zum Beispiel rufe ich den Filialleiter, damit der eine weitere Kasse aufmacht, und wegen des defekten Geräts könnte ich ja zum Rechtsanwalt gehen.«
Aber darum geht es gar nicht. Das alles können Sie sowohl aus einer annehmenden, als auch aus einer ablehnenden Haltung heraus tun. Was ist der Unterschied? Nehmen wir wieder das Beispiel an der Kasse.
Ablehnende Haltung: Sie werden in der Schlange immer wütender, weil gar nichts vorangeht. Irgendwann platzt Ihnen der Kragen, und Sie drängeln sich an der Einkaufswagenkolonne vor bis zur Kasse, beschweren sich über das Ihrer Meinung nach unprofessionelle Vorgehen und verlangen den Filialleiter zu sprechen. Die Filialleiterin (hoppla, eine Frau) kommt nach fünf Minuten. In der Zwischenzeit hat schon eine zweite Kasse aufgemacht. Sie konnten sich dort aber nicht anstellen, weil Sie ja noch auf die Chefin warteten. Das verstärkt noch Ihren Zorn, und der Dame schlägt als Begrüßung sofort Ihr Unmut entgegen. Trotz Ihrer Ausbrüche bleibt sie aber ausgesprochen höflich, was Sie nur noch mehr zur Weißglut treibt.
Inzwischen ist der Stau an der Kasse abgeebbt, und letztlich bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich wieder brav einzureihen. Natürlich teilen Sie der Chefin zum Abschied noch mit, dass Sie das letzte Mal in ihrem Laden etwas gekauft haben (»Mist, wo soll ich dann einkaufen, es gibt eigentlich keine Alternative in der Nähe.«). Während Sie ins Auto einsteigen, sind Sie immer noch ganz aufgebracht und beim Zurücksetzen aus dem Parkplatz stoßen Sie mit dem Kotflügel gegen einen Begrenzungspfahl. Den hatten Sie vor lauter Ärger ganz übersehen. »Wieso muss da auch noch so ein blöder Pfosten herumstehen. Es kommt aber immer auch alles zusammen!« Schließlich gelangen Sie nach Hause, und dort kann am Ende Ihr armer Partner oder Ihre Partnerin die schlechte Laune ausbaden. Aber wenigstens haben Sie den Anfängern im Supermarkt ordentlich die Meinung gesagt.
Annehmende Haltung: Sie stehen in der Schlange. Sie hätten auch noch eine Runde durch den Laden drehen können, aber Sie haben sich bewusst für das Anstellen entschieden. Sie sehen die Menschen um sich herum und bemerken, wie sie ungeduldig auf die Uhr sehen und sich umschauen, ob nicht eine weitere Kasse öffnet. Sie spüren auch in sich Ungeduld und Unzufriedenheit mit der Situation aufkommen, lassen diese Empfindungen zu und fühlen sie. Sie spüren die Ablehnung gegen das Warten in Ihnen drückend und brennend in Brust und Bauch. Indem Sie in das Gefühl hinein atmen, nehmen Sie es ganz bewusst wahr. Sie gehen mit Ihren inneren Sinnen in das Gefühl hinein (die genaue Beschreibung wie das geht finden Sie im nächsten Abschnitt »Fühlen«).
Gleichzeitig nehmen Sie auch Ihren übrigen Körper wahr, den Boden und die Schuhe unter den Fußsohlen und den Einkaufswagen in den Händen. Sie machen sich klar, dass in Supermärkten das Personal knapp ist, und die Kassiererinnen zwischen dem Einräumen der Regale und der Kasse ständig hin und her pendeln müssen. Während Ihre negativen Emotionen durch das Atmen und Fühlen abebben, spüren Sie Mitgefühl mit diesen Menschen, die für wenig Geld eine sehr harte Arbeit machen. Sie können sich einfühlen, wie anstrengend es für die Kassiererinnen sein muss, zusätzlich zu ihren Aufgaben auch noch mit der Ungeduld der Kunden umgehen zu müssen.
Ruhig bedenken Sie die Situation. Welche Optionen haben Sie? Falls Sie nicht unter Termindruck stehen, dann nutzen Sie die Zeit, um genau wahrzunehmen, was um Sie herum und in Ihnen passiert. Solche ungeplanten Zeiten der Muße können willkommener Anlass sein, sich kurz zu entspannen und in die Achtsamkeit für das Jetzt zurück zu finden. Als jemand mit einer Handvoll Sachen Sie fragt, ob er sich vor Sie stellen darf, schenken Sie ihm ein Lächeln und ein paar freundliche Worte und lassen ihn vorbei. Vielleicht ergibt sich auch ein nettes Gespräch. Es ist meist kein Zufall, dass uns ein bestimmter Mensch begegnet, sogar an der Supermarktkasse.
Falls Sie es jedoch eilig haben, schätzen Sie ab, wie lange es in etwa dauern wird, bis Sie mit Ihrem Einkauf dran sind. Reicht die Zeit? Nein, es wird zu knapp. Sie gehen zur Kasse vor, bitten die Dame höflich um Entschuldigung und erklären ihr kurz, dass Sie noch einen dringenden Termin haben. Sie fragen, ob vielleicht noch eine weitere Kasse öffnen könne. Sie lächelt freundlich zurück und erwidert, Sie mögen sich schon einmal drüben anstellen, inzwischen rufe sie eine Kollegin aus. Als Sie Ihre Sachen an der anderen Kasse gerade ausgepackt haben, kommt auch schon die zweite Kassiererin. Hätte es mit der zweiten Kasse nicht geklappt, dann hätten Sie eventuell versucht, Ihren Einkauf später abzuholen, beispielsweise auf dem Rückweg von Ihrem Termin.
TIPP: INNERLICH STEHEN BLEIBEN
Ihr Leben anzunehmen heißt, in jedem Moment die Situation und die damit verbundenen Gefühle zu akzeptieren. Das Wichtigste am Annehmen ist, innerlich stehen zu bleiben. Nicht versuchen, das schlechte Gefühl durch Handeln oder Vorwürfe gegen andere wieder los zu werden. Bleiben Sie bei Ihrem Gefühl, und öffnen Sie Ihr Herz dafür, indem Sie es zulassen und einfach nur hin spüren.
Um den Unterschied zwischen ablehnender und annehmender Haltung für Sie noch klarer werden zu lassen, schildere ich jetzt auch noch das Reklamations-Beispiel im Elektrogeschäft in den beiden Versionen.
Ablehnende Haltung: Als der Mann hinter dem Verkaufstresen Ihnen zum zweiten Mal vorhält, Sie seien selbst an dem Defekt des neuen Gerätes schuld, fahren Sie aus der Haut und machen ihm klar, dass Sie ihn für schlichtweg inkompetent halten. Der Verkäufer reagiert darauf etwas gereizt, denn Sie haben gerade seinen Stolz verletzt. Er weist Sie auf Ihren unangemessenen Ton hin und schlägt Ihnen vor, an Ihren Umgangsformen zu feilen. Außerdem hält er Ihnen die Geschäftsbedingungen unter die Nase, nach denen Bedienfehler eindeutig von der Garantieleistung ausgeschlossen sind.