Flüsterwald - Der Schattenmeister erwacht  (Flüsterwald, Staffel I, Bd. 4) - Andreas Suchanek - E-Book

Flüsterwald - Der Schattenmeister erwacht (Flüsterwald, Staffel I, Bd. 4) E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Endlich: Das große Staffelfinale der beliebten Abenteuerreihe mit Suchtfaktor ab 9 Jahren! Seit Lukas auf dem Dachboden ein Portal zum Flüsterwald entdeckt hat, ist nichts mehr, wie es vorher war. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden – seiner Mitschülerin Ella, der Elfe Felicitas und dem wissbegierigen Menok Rani – hat er schon viele magische Abenteuer erlebt. Doch nun ist der dunkle Magier zurückgekehrt. Und er plant nichts Geringeres, als das Herz des Waldes und obendrein den gesamten Flüsterwald zu zerstören. Auf die vier Freunde wartet eine fast unmögliche Aufgabe! Großartiges Zusatzmaterial — nur in der ersten Auflage des 4. Bandes enthalten: - persönliche Signatur des Autors - 16 Bonusseiten: Ranis streng geheime Notizen über die Spezies Mensch - Farbiger Vor-und Nachsatz

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Seit Lukas auf dem Dachboden ein Portal zum Flüsterwald entdeckt hat, ist nichts mehr, wie es vorher war. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden – seiner Mitschülerin Ella, der Elfe Felicitas und dem wissbegierigen Menok Rani – hat er schon viele magische Abenteuer erlebt. Doch nun ist der dunkle Magier zurückgekehrt. Und er plant nichts Geringeres, als das Herz des Waldes und obendrein den gesamten Flüsterwald zu zerstören. Auf die vier Freunde wartet eine fast unmögliche Aufgabe!

Das spannende Finale der 1. Staffel!

Lukas (Mensch)

*Leseratte und Abenteurer

*muss sich in einer neuen Stadt zurechtfinden

*seine Familie hat keine Ahnung vom Flüsterwald oder von Magie

Ella (Mensch)

*Lässt sich von niemandem aufhalten

*Liebt ihren Großvater über alles

*hat viel in der Theater-AG gelernt

Felicitas (Elfe)

*zaubert gerne (was nicht immer klappt wie geplant)

*fühlt sich im Internat einsam und unternimmt deshalb öfter (verbotenerweise) Streifzüge

Rani (Menok)

*Nachwuchsautor, forscht über Menschen

*spielt für sein Leben gerne und ist schokoladensüchtig

Punchy (Katze)

*heißt mit vollem Namen: Pedora Ulinde Naftet von Chibalka

*Aufpasserin von Felicitas

*hat Nerven aus Stahl

Inhalt

Prolog

Der Schulgarten

Der Silberglanzblock

Verfolgungsjagd

Das erste Siegel

Kampf um das erste Siegel

In den Flüsterwald

Der nächste Schritt

Der Menok-Bau

Ranis Großmenok

Die Wanderjahre des Großmenoks

Das zweite Siegel – Zwischenspiel beim dunklen Magier

Die Jahreszeitenschlucht (Sommer)

Die Jahreszeitenschlucht (Winter)

Die Jahreszeitenschlucht (Frühling)

Die Jahreszeitenschlucht (Herbst) – Ranis Peras heldenhafte Abenteuer

Die andere Seite der Schlucht

Der Chronist

Das Wissen aller Zeiten

Vor langer Zeit

Die großen zwei

Kristallalarm

Wo ist Felinde?

Das Gesicht des Magiers

Die Schattenmeisterin greift ein

Zurück zum Herzen

Kampf der Schatten

Das Schattenportal

Zwischen zwei Sekunden

Die Rückkehr des Herzens

Die Nacht geht zu Ende

Ein ganz normaler Morgen

Epilog

Prolog

Die Rückkehr war geglückt.

Er konnte noch immer nicht fassen, dass es ihm gelungen war. Wie oft hatte er den Körper seines Menschenzwillings aus der Ferne gesteuert, hatte das Herrenhaus von Weitem betrachtet, das Siegel vernichten wollen.

Nächtelang hatte er hinter dem magischen Fenster des Gefängnisbaums gesessen, um in die Ferne zu blicken und Winterstein zu beobachten.

Gefangen zwischen zwei Welten, war sein Hass ins Unermessliche gewachsen. Auf die Menschen, die Flüsterwäldler und das Herz des Waldes. Immer wieder hatte er Pläne ersonnen, einen Ausweg gesucht. Zuerst vergeblich, doch jetzt, am Ende, war er frei.

Er stand von einem Zauber verborgen im Zimmer seines Menschenzwillings, der Tag ging in die Dämmerung über. Er hörte, wie an der Türschwelle ein Gähnen erklang, dann näherten sich schwere Schritte dem Bett. Der Mensch wusste nicht, dass er zu diesem einfachen Leben gezwungen worden war. Vor langer Zeit war er von ihm, seinem Schatten, getrennt worden – doch nun endlich war es so weit. Nicht mehr lange, und er würde wieder seine volle Macht besitzen. Dann würde er gnadenlos Rache üben. Zuerst am Herz des Waldes und schließlich am gesamten Flüsterwald. Niemand könnte sich ihm mehr entgegenstellen.

Endlich zog sein menschlicher Teil die Decke bis zum Kinn, gähnte ein weiteres Mal und war Minuten später eingeschlafen. Leise Schnarchgeräusche erklangen, vor dem Fenster breitete sich die Dunkelheit aus. Winterstein schlief, der Wald erwachte.

Wie auch er selbst, existierten Stadt und Wald in einem stetigen Wechsel.

»Aber das endet bald«, flüsterte er heiser.

Mit einem letzten Lächeln sammelte er seine Kraft, entfesselte die Magie und wurde wieder eins mit seinem anderen Teil. Er musste ihn nicht länger aus der Ferne steuern, jetzt war er wieder voll und ganz ein Schattenzwilling. Mit all seiner Magie, seiner Macht. Niemand konnte ihn jetzt noch aufhalten.

»Fangen wir also an.«

Seine Worte waren so endgültig wie eine Klinge, die herabfuhr, um Blätter und Holz zu zerteilen. Bis nichts mehr vom Flüsterwald übrig war.

Der Schulgarten

»Die Schürze steht dir gut.« Ella zwinkerte.

Lukas beschränkte sich auf ein verärgertes Knurren. Seine Füße steckten in Gummistiefeln, er trug eine Harke. Zu seiner Linken erstreckte sich ein Blumenbeet, rechts wuchsen Wildkräuter empor. Ein wenig abseits lag der Schulgartenteich. Fische schwammen darin herum, schillernde Punkte dicht unter der Oberfläche.

Ella hatte ihr Haar zu einem Zopf gebunden und Gartenhandschuhe übergestreift. »Stell dir vor, das ist ein Mini-Flüsterwald und wir können ihn pflegen.«

Nicht, dass sie ihn erst hätte überzeugen müssen. Lukas mochte den Garten und hatte, seit er kürzlich an die neue Schule in Winterstein gewechselt war, schon öfter einen Blick darauf geworfen. Herr Baumbach kümmerte sich immer im Wechsel mit einer anderen Klasse darum, jede Woche. Lukas hatte sich gefreut, endlich auch ein wenig mitzuhelfen.

Bis zu dem Brennnessel-Zwischenfall.

Schuld waren in gewisser Weise seine Abenteuer im Flüsterwald. Denn durch sie hatte er drei Hoodies verloren, die nun in Fetzen und blutverschmiert im geheimen Studierzimmer lagen, das sich hinter der Geheimtür in seinem Bücherregal befand. Die ganzen magischen Tränke, Pulver und Kristalle, die ebenfalls im Studierzimmer des Professors aufbewahrt wurden, hatten sich als wirkungslos erwiesen, wenn es darum ging, Hoodies wiederherzustellen. Also trug er nur ein T-Shirt. Glücklicherweise war es heute trotz des herbstlichen Wetters warm.

Leider hatte ihn Frank geschubst, woraufhin Lukas getaumelt und rückwärts – mit ausgebreiteten Armen – in ein Brennnesselbeet gefallen war. Die Pusteln bildeten sich immer stärker. Außerdem juckte es.

»Das ist gut für die Durchblutung«, hatte Herr Baumbach gemeint.

Wenigstens musste Frank eine Strafarbeit schreiben, was zwar gerecht war, aber nichts im Vergleich zur Theater-AG, in der Lukas bis zum Schuljahresende festhing – als Strafe wegen eines Vergehens im Informatikunterricht. Unterm Strich lief es nicht so gut an der neuen Schule.

»Jetzt schau doch nicht so, als könne jeden Augenblick ein Gewitter über uns hereinbrechen«, sagte Ella, deren gute Laune ungebrochen war.

Gemeinsam folgten sie ihrem Lehrer zu dem Beet, um das die Klasse sich heute kümmern sollte. Es lag am Ende des Gartens, hinter einem kleinen Hügel. Steine waren erst letzte Woche ausgelegt worden, um den gesamten Bereich schöner zu gestalten. Der Weg schlängelte sich auf der einen Seite hinauf, auf der anderen hinunter.

Herr Baumbach stand bereits vor dem Beet, hatte die kräftigen Arme in die Hüfte gestemmt und blickte zu Boden. Sein Bauch wölbte sich unter der engen Jacke, das dunkle Haar war an mehreren Stellen licht. »Also das ist ja seltsam.«

Lukas und Ella schlossen auf.

Direkt vor ihnen lag das Beet. Viel für die Pflänzchen tun konnten sie allerdings nicht. Schwarze Stängel ragten aus der Erde.

»Und dabei sind die so gut gewachsen«, sagte Herr Baumbach. »Das tut diese Sorte immer, sie wächst hier in unserem Wintersteiner Wald prächtig.«

Ella warf Lukas einen durchdringenden Blick zu. Er nickte. Das konnte kein Zufall sein.

Erst vor wenigen Tagen war der dunkle Magier aus seinem Baumgefängnis ausgebrochen, wo der Professor – Ellas Großvater – jetzt festsaß. Sie wussten nicht, wer sich unter der Kapuze verborgen hatte, als sie ihm im Baumgefängnis gegenübergestanden und ihm versehentlich zu seinem Ausbruch verholfen hatten. Doch was sie wussten, war, dass er Rache üben und den Flüsterwald zerstören wollte.

Und als wäre das nicht genug, hatten sie bisher keine Spur von Franklin, dem Assistenten des Professors, gefunden. Er war seit ihrer Zeitreise verschollen und irrte als Stadtstreicher irgendwo durch Winterstein. Noch immer war sein Geist durch ein magisches Gift verwirrt.

Auch Frau Stein war in den letzten Tagen nirgendwo aufzufinden, die Bibliothek war ohne erkennbare Gründe geschlossen.

Während Herr Baumbach sich nach vorne zum Beet beugte, zog Lukas Ella beiseite. Schließlich sollte sie niemand hören, wenn sie über den magischen Flüsterwald sprachen.

»Denkst du, was ich denke?«, fragte er.

»Die Pflanzensamen hat Herr Baumbach aus dem Wald«, sagte Ella sofort. »Und jetzt verwelken die Blumen hier bei uns. Das muss die Ausstrahlung des dunklen Magiers sein. Er ist hier in Winterstein und wird stärker.«

Nichts anderes hatten sie erwartet, doch die Auswirkung so direkt vor sich zu sehen, war ziemlich beängstigend. Er hatte sie ausgetrickst, war mit ihrer Hilfe seinem Gefängnis entkommen. Und vielleicht hatte er sich sogar schon mit seinem Schattenzwilling wiedervereinigt. Lukas und Ella hatten in den letzten Tagen immer wieder versucht, mithilfe des Magiedetektors die menschliche Hälfte des dunklen Magiers aufzuspüren. Vergeblich! Sie mussten ihn irgendwie aufhalten, auch wenn Lukas keine Ahnung hatte, wie.

»Was hältst du davon, wenn wir uns heute Abend auf den geheimen Speicher schleichen und mithilfe des Portals ins Baumhaus im Flüsterwald reisen. Dort hinterlegen wir für Felicitas eine Nachricht. Dann weiß sie, dass wir bisher keinen Erfolg damit hatten, den Menschen zu finden.«

Die Elfe war nach ihrem letzten gemeinsamen Abenteuer in den Flüsterwald aufgebrochen. Zum einen wollte sie versuchen, mehr über die Schattenzwillinge herauszufinden. Zum anderen war ihr Plan, ihre Mutter, die Elfenkönigin, dringend über die Rückkehr des dunklen Magiers zu informieren. Diese würde hoffentlich alle möglichen Schutzzauber anwenden, um den Flüsterwald zu beschützen. Heute war bereits Freitag und die Elfe würde vermutlich bald zurück sein. Lukas hatte bisher jeden Tag nachgeschaut, doch Felicitas hatte sich noch nicht wieder gemeldet. Ihre Nachforschungen schienen länger zu dauern.

»Alles klar, so machen wir das. Aber hat deine Mutter auch nichts dagegen?«, fragte er.

Ella winkte ab. »Sie wünscht mir immer nur viel Spaß, wenn ich mit Freunden spielen gehe. Spielen! Als wäre ich ein Kind.«

Lukas wusste genau, was sie meinte. Seine Mutter bekam immer diesen seltsamen Blick, sobald er ein Treffen mit Ella erwähnte. »Also meine Mutter hat bestimmt nichts dagegen. Du kannst mit uns zu Abend essen und wir sagen ihr dann einfach, dass wir danach noch gemeinsam lesen oder so.«

Zwar bestanden seine Eltern darauf, dass er die Zimmertür nicht abschloss. Aber eine kurze Stippvisite auf dem Speicher war bestimmt möglich.

»Vielleicht sollten wir mal schauen, ob es ein Pulver für die Pflanzen gibt«, Lukas deutete auf das Beet. »Damit Herr Baumbach nicht so geknickt aussieht.«

Noch während er den Arm ausstreckte, spürte er wieder das Jucken. Die Pusteln bedeckten seine Haut mittlerweile von oben bis unten. »Und eine Tinktur gegen Unkraut wäre auch nicht schlecht.«

Und in diese Kategorie hatte Lukas Brennnesseln jetzt kurzerhand eingeordnet, jawohl! Da war es ihm egal, dass man diese auch als Tee trinken konnte.

Herr Baumbach verteilte die Schüler noch auf die anderen Beete, um diese zu jäten, die Pflanzen zu gießen und das Bienenhotel von allzu aufdringlichem Unkraut zu befreien. Besonders Letzteres machte Lukas viel Spaß.

Er betrachtete die winzigen Bienen, die emsig suchend herumkrabbelten. Im Sommer trugen sie dazu bei, dass der ganze Garten grünte und blühte, das hatte Herr Baumbach ihnen erklärt. Und da hier im Schulgarten kein Unkrautvernichtungsmittel zum Einsatz kam, blieben sie auch gesund.

Am Ende der Stunde brachten sie die Gartengeräte zurück in den Schuppen. Da Lukas und Ella nicht in dieselbe Klasse gingen, trennten sich hier ihre Wege.

»Du hast alles?«, fragte er.

»Komplett ausgerüstet«, bestätigte sie. »Wir haben jetzt unsere Biostunde im Raum der Theater-AG, weil uns Frau Telfts dort einen Test schreiben lässt. Ich mache langsam und bringe ganz am Ende die Kleidung zurück, die wir uns für die Zeitreise ausgeborgt hatten.«

Was auch für die Walkie-Talkies galt. Es war ihnen sogar gelungen, das defekte Funkgerät zu reparieren, das ihnen bei ihrem Abenteuer in der Vergangenheit kaputtgegangen war. Damit bekam die Theater-AG alles vollständig wieder zurück.

Ella rannte davon, um den Anschluss an ihre Klasse nicht zu verlieren. Lukas steuerte den eigenen Klassenraum an. Es stand noch eine Stunde Deutsch auf seinem Plan, danach hatte er für heute frei.

Was auch nötig war, denn die Sorge um den dunklen Magier raubte ihm den Schlaf. Jede Nacht stand er am Fenster und beobachtete den Flüsterwald in der Ferne. Der Schutz leuchtete blau, die Barriere war intakt.

Doch ein ums andere Mal fragte er sich, wie lange das noch so blieb.

Der Silberglanzblock

Das Abendessen erwies sich als ganz nett, sah man davon ab, dass seine kleine Schwester Lisa ständig mit Karottenstückchen nach ihm warf. Danach sprach sie mit ihrem Plüschhasen, als sei Lukas nicht am Tisch.

Seine Mutter war damit beschäftigt, Ella über deren Familie, ihre Hobbys, überhaupt, ihr ganzes Leben auszufragen. Peinlich!

Doch das Schlimmste war sein Pa, der Ella ja unterrichtete. Er fragte sie tatsächlich, ob sie schon für die kommende Matheklausur gelernt hatte. Oberpeinlich!

Am Ende gelang es Lukas, Ella nach oben in sein Zimmer zu retten. Den Nachtisch hatten sie mitnehmen dürfen. Aber höchstens noch zwei Stunden durften sie zusammen verbringen, schließlich sollte Lukas am nächsten Morgen mit auf den Markt gehen, begleitete sie der Ruf seiner Mutter.

»Ich dachte schon, wir schaffen das nie.« Grummelnd legte er den Riegel vor. »Für den Fall, dass meine Schwester neugierig wird.«

Für die Zukunft musste er sich irgendetwas einfallen lassen, wie er es auf dem geheimen Speicher merkte, wenn unten jemand an seine Tür klopfte.

Am Bücherregal zog Lukas an dem präparierten Buch, wodurch das Regal aufklappte. Dahinter führten die vertrauten Stufen hinauf. Kleine Wandlampen warfen ihren goldenen Schein auf die Holztreppe. Ella schnappte sich beide Schälchen mit dem Nachtisch und reichte eines davon an Lukas weiter.

Gemeinsam stiegen sie hinauf.

Von außerhalb des Hauses war der Speicher nicht zu sehen, ebenso wenig das Fenster. Magie machte das möglich. Hier oben ragten die Regale mit den magischen Tinkturen und Pulvern darin auf. Es gab einen flauschigen Sessel, einen Schreibtisch und natürlich die Portalstanduhr, die direkt in das Baumhaus führte.

Verblüfft blieb Lukas am Rand der Treppe stehen, als er eine vertraute Stimme hörte.

»… stellte ich mich dem dunklen Magier entgegen und rief: ›Gib den Silberglanzblock frei!‹ Natürlich bekam er es mit der Angst zu tun, als ich meine neue Steinschleuder auf ihn richtete. Ich hatte Stinkmorcheln hineingetan. Lukas, Ella, Felicitas, Punchy und der Großvater zitterten vor Angst. Der dunkle Magier rief: ›Also gut, nimm den Silberglanzblock, du starker Menok. Aber beim nächsten Mal werde ich noch gemeiner sein.‹ Dann rannte er davon.«

Rani saß vor dem Silberglanzblock, in dem eine weibliche Menok eingesperrt war. Er hatte sein Büchlein aufgeschlagen und las aus seinen »Notizen« vor, die grundsätzlich wenig mit der Wirklichkeit zu tun hatten.

Bei ihrer Reise in die Vergangenheit hatten die Freunde auch die gefangene Menok entdeckt, was zu einigem Trubel geführt hatte. Felicitas hatte versprochen, den Block bei nächster Gelegenheit zu schmelzen und die Menok zu befreien.

Lukas wollte gerade etwas sagen, als Ranis Nase zu zittern begann. Er sprang auf und schob mit beiden Händen sein Buch zurück in den Fellbeutel an seinem Bauch. Mit dem Greifschwanz zog er die Brille von der Nase und steckte sie dazu. »Was ist das?«

Der Blick des kleinen Menoks war eindeutig. Er hatte die Schalen mit dem Nachtisch entdeckt.

»Menschenessen«, erklärte Lukas.

»Ist da auch Menschenschokolade drin?«, fragte Rani unschuldig.

»Joghurt mit Erdbeeren«, schaltete sich Ella ein. »Total schokofrei.«

Rani kam herbeigeflitzt. »Das ist natürlich nicht ganz so gut. Aber es ist nett, dass ihr mir etwas mitgebracht habt.«

Mit einer flinken Bewegung sauste er an Lukas in die Höhe, packte das Schälchen mit dem Erdbeerjoghurt und flitzte wieder hinunter.

»He! Das ist meins«, rief Lukas.

Rani wirkte gänzlich unbeeindruckt, packte den Löffel und schaufelte den Joghurt in seinen Mund. Sekunden später war sein Fell im Gesicht voller Joghurtflecken.

»Vielleicht haben wir Glück und Erdbeeren haben einen ähnlichen Effekt wie Schokolade«, flüsterte Lukas Ella zu.

»Du meinst, er schläft bei Erdbeeren auch ein?« Sie kicherte. »Oder seine Stimme wird leiser.«

Sie gingen zu dem Silberglanzblock hinüber. Im Inneren schlummerte die weibliche Menok. Durch Felicitas wussten sie, dass der Aufenthalt in einem solchen Block wie ein erholsames Mittagsschläfchen war.

»Du hast ihr aus deinem Büchlein vorgelesen?«, fragte Lukas.

»Das mache ich jede Nacht.« Zufrieden stellte Rani die leere Schale ab. »Vielleicht hört sie es ja irgendwie. Das wäre doch schön, dann kann sie mich bereits richtig einschätzen, wenn sie erwacht. Und euch auch.«

»Ja genau«, sagte Lukas trocken. »Hoffen wir, dass sie alles gehört hat.«

Rani trippelte auf seinen beiden Hinterpfoten auf und ab, die Ärmchen hinter dem Rücken verschränkt. »Meine Eltern werden völlig aus dem Häuschen sein, wenn ich sie mit in den Bau bringe. Und was Cani erst sagen wird. Bestimmt spielt er sich wieder auf und erzählt, dass er der Beste im Nussweitschießen ist. Und Lani wird mit seinen guten Noten im Zahlenunterricht angeben.«

Rani schien völlig in seinen Gedanken gefangen und entwarf bereits Strategien, wie er die weibliche Menok beeindrucken konnte.

»Wie viele Brüder hast du?«, fragte Ella.

Ohne anzuhalten, erwiderte Rani: »Zu viele.«

»Und Schwestern?«

»Keine«, sagte er missmutig. »Sie sind sehr selten. Alle meine Menok-Freunde haben nur Brüder. In zwei Bauten haben sie jetzt auch ein Schwesterchen. Wir haben das tagelang gefeiert.«

»Das ist so süß«, sagte Ella.

»Ihr könnt meine Schwester haben«, kommentierte Lukas.

»Wirklich?« Rani stoppte und starrte zu ihm hoch. »Also das wäre großzügig.«

»Äh, das war eigentlich nicht ernst gemeint. Sie ist ja manchmal schwierig, aber ich behalte sie trotzdem.«

Rani starrte ihn missmutig an, zog sein Büchlein hervor und notierte etwas hinein. Das einzig verständliche Wort, das er nuschelte, war »geizig«.

Was der Menok nicht bedachte, war, dass er direkt vor dem geöffneten Standuhrportal schrieb. In einem Augenblick stand er noch dort, im nächsten kullerte er über den Boden. Er bildete ein Fellknäuel mit Punchy, die plötzlich durch das Portal aufgetaucht war.

Kurz darauf schoss eine energiegeladene Elfe aus dem wirbelnden Portal hervor, die Fäuste erhoben. Da sie nur die Größe von Lukas’ Arm besaß, waren es wohl eher Fäustchen.

»Wer auch immer … oh. Was ist denn hier los, habt ihr euch ohne mich getroffen?« Felicitas schluckte. »Normalerweise wartest du doch im Baumhaus, Rani.«

Mittlerweile war der Menok dabei, Punchy anzubrüllen, und die Katze schimpfte miauend zurück.

»Wir wollten eigentlich eine Nachricht für euch im Baumhaus hinterlassen«, erklärte Lukas. »Aber Rani ist anscheinend jeden Abend hier. Er liest dem Menok-Mädchen etwas vor.«

»Ohhhhh.« Felicitas verschränkte die Finger ineinander und hielt die Hände vor die Brust. »Das ist so lieb von dir.«

Rani stoppte mitten in seiner Schimpftirade. »Natürlich! Ich bin immer lieb. Und schlau. Hast du jetzt endlich den Gewitterwolken-Elfenstaub dabei?«

Felicitas’ Lächeln verrutschte bei den harschen Worten ein wenig. Doch wie sie eben war, konnte nichts ihre gute Laune zerstören. »Das habe ich.«

Sie hielt ein Säckchen aus grauer Seide in die Höhe, das mit einem Lederbändchen verschnürt war.

Rani ließ sofort von Punchy ab und sauste unter Felicitas im Kreis herum, die Arme ausgestreckt. »Gib es her!«

»Du brauchst eine Elfe, um mit Elfenstaub Magie zu wirken«, sagte sie mit einem Seufzen. »Ich erledige das.«

»Aber bestimmt explodiert dann gleich der Silberglanzblock.« Rani stemmte die Pfoten in die Seite.

»Tut er nicht«, gab sie giftig zurück. »Jetzt, wo ich weiß, dass das Herz des Waldes einen Teil von sich in mich gelegt hat, bin ich vorsichtiger.«

»Wie beim Siebenbachtal?«

Rani blitzte Felicitas an, die Elfe blitzte zurück. Im nächsten Augenblick schrien sie einander an.

»Er schafft es wirklich mit jedem«, sagte Lukas.

»Er würde sogar Direktor Arnold zur Explosion bringen und der ist echt immer total entspannt.« Ella seufzte.

Punchy steuerte ein Miauen bei und leckte über ihre Tatzen.

Nach einigen Minuten hatten sich die Gemüter wieder abgekühlt. Felicitas sank auf den Schreibtisch nieder und setzte sich auf die Kante. »Bevor wir den Silberglanzblock auflösen, muss ich euch erzählen, was im Flüsterwald gerade passiert.«

Verfolgungsjagd

Vor dem Fenster begann ein leichter Nieselregen, wie so oft in den letzten Tagen. Lukas merkte, wie sich vor Anspannung seine Nackenhaare aufstellten.

»Ich habe meiner Mutter alles geschrieben und sie hat mir bereits geantwortet«, berichtete die Elfe. »Sie konnte sich gut an unser damaliges Abenteuer erinnern. Ich muss mich weiterhin von ihr fernhalten, weil unsere Magie sich sonst chaotisch entladen könnte. Sie sucht aber nach einer Lösung. Eigentlich tut sie das schon recht lange. Auf jeden Fall hat sie die anderen Herrscher informiert. Alle wollen sich vorbereiten.« Sie schluckte. »Die Warks sind unterwegs und durchstreifen den Bereich an der Grenze des Flüsterwaldes.«

Bei dem Gedanken an die gruseligen Wesen, die die Geheimnisse des Flüsterwalds beschützten, schüttelte es Lukas. »Aber solange die Siegel noch da sind, kann er doch nicht hinein, oder?«

»Das stimmt«, bestätigte Felicitas. »Aber zurzeit geht jeder im Flüsterwald davon aus, dass er sie zerstören wird.«

»Moment.« Lukas räusperte sich und betrachtete die Dunkelheit vor dem Fenster mit ganz anderen Augen. »Aber eines davon ist doch hier, oder? Ich bin ja irgendwie – quasi versehentlich – zum Siegelwahrer geworden, als wir hier eingezogen sind.« Erst jetzt wurde ihm so richtig bewusst, dass womöglich auch der Schutz des Hauses nicht ewig den Angriffen des Magiers standhalten würde. Wenn die Flüsterwäldler sogar davon ausgingen, dass der dunkle Magier die zwei Siegel brechen konnte, die den Wald schützten …

»Was eine große Ehre ist«, erwiderte Felicitas.

»Hallo! Er will das Siegel zerstören«, lenkte Lukas die Aufmerksamkeit der Elfe auf den eigentlichen Punkt. »Und wir sitzen quasi obendrauf.«

»Ja, ja, das ist alles ganz schrecklich«, schaltete sich Rani ein. »Kannst du jetzt endlich mal ausholen und diesen Gewitterstaub auf den Block werfen?«

Lukas fühlte die vertraute Frustration in sich aufsteigen. Er war so hilflos wie an dem Tag, als er mit seinen Eltern und seiner Schwester ins Auto gestiegen war und sein altes Leben hinter sich lassen musste. Andere entschieden, er musste sich fügen.

»Also, damit wir jetzt Ruhe haben«, meinte Ella und deutete auf den Silberglanzblock, »sollten wir das vielleicht wirklich erst erledigen.«

»Natürlich.« Felicitas stieß sich von der Tischkante ab, drehte einen schwungvollen Looping in der Luft und öffnete dabei das Säckchen. »Bereitet euch auf die Druckwelle vor.«

»Druckwelle?«, konnte Lukas noch fragen.

Im nächsten Augenblick flirrte der Elfenstaub aus den Gewitterwolken durch den Raum.

Rumms.

Donner erklang, dicht gefolgt von einem Sturm. Lukas flog durch die Luft und landete im Sessel, der rückwärts umkippte. Rani wurde davongeschleudert, auf die Treppe zu, und kullerte die Stufen hinab zur geheimen Speichertür. Dass die magische Standuhr noch immer aktiv war, rächte sich jetzt, denn Punchy wirbelte durch den Dachboden direkt durch das Portal hindurch. Hoffentlich landete sie in den Sitzkissen im Baumhaus.

Felicitas schwebte über allem, schlug die Hand vor den Mund und sagte: »Oh, das tut mir jetzt leid. Hatte ich die Druckwelle nicht erwähnt?«

»Nein, hast du nicht!«, erklang die dumpfe Stimme von Rani wütend herauf.

Doch dem Menok ging es gut, wie sich kurz darauf herausstellte. Er kam wieder oben an, bereit für eine Schimpftirade. Stattdessen starrte er auf die Reste des Silberglanzblocks, wo das Menok-Mädchen sich aufrichtete.

Sie gähnte herzhaft, streckte sich und glättete mit ihrem Greifschwanz das Fell. »Oh. Hallo. Wer seid ihr denn?«

»Lukas«, stellte dieser sich vor. »Das ist Ella. Die Elfe ist Felicitas und …«