Flüsterwald – Die komplette 2. Staffel in 4 Bänden (Bundle) - Andreas Suchanek - E-Book

Flüsterwald – Die komplette 2. Staffel in 4 Bänden (Bundle) E-Book

Andreas Suchanek

0,0
24,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Flüsterwald Staffel ll - Die komplette zweite Staffel Die preisgekrönte Fantasyreihe ab 9 Jahren mit Suchtfaktor geht weiter - Spannende Wendungen, viel Witz und maximaler Lesespaß! Für alle Fans von Narnia und den Spiderwick-Geheimnissen! Flüsterwald II-1: Der verborgene Meisterschlüssel Aufregend, spannend, ereignisreich: der atemlose Auftakt der 2. Staffel  Lukas und Ella sind vom Herz des Waldes zu Beschützern des magischen Flüsterwalds ernannt worden. Da erreicht sie auch schon ein Hilferuf aus einem der anderen Flüsterwälder, der von großer Gefahr kündet. Zusammen mit der Elfe Felicitas und dem Menok Rani stürzen sich Lukas und Ella in ein neues Abenteuer – und sind gleich mit einer enormen Hürde konfrontiert: Die unterirdische Blinzelbahn, das einzige Transportmittel zwischen den Flüsterwäldern, wurde sabotiert … Flüsterwald II-2: Die versteinerten Katzen Band 2 der zweiten Staffel: Die erfolgreiche Abenteuerreihe geht weiter! Endlich ist es so weit. Lukas, Ella und ihre Freunde reisen in den fernen Flüsterwald, der ein Katzenwald ist. Doch dort angekommen bietet sich ihnen ein katastrophales Bild: Alle Katzen vor Ort sind versteinert! Erneut war die fremde Magierin ihnen einen Schritt voraus. Welche Ziele verfolgt ihre Gegnerin? Ungeachtet aller Gefahren schmieden die fünf Freunde einen Plan, um die Magierin aufzuhalten … Flüsterwald II-3: In den Fängen der Zauberin Band 3 der zweiten Staffel: Die preisgekrönte Fantasyreihe geht weiter! Lukas ist starr vor Schreck: Die fremde Zauberin hat Ella entführt! Doch wo genau befindet sich Ella? Zusammen mit seinen Freunden aus dem Flüsterwald, dem Menok Rani, der Elfe Felicitas und der Katze Punchy, sucht Lukas nach Wegen, um Ella aufzuspüren. Ihre einzige Hoffnung ist eine Elfe, die auf Suchzauber spezialisiert ist, doch die entpuppt sich als Mirabella von Sommerlicht – Felicitas' Erzfeindin aus dem Elfeninternat. Kann Felicitas über ihren Schatten springen? Und finden die Freunde einen Weg, um Ella aus den Fängen der Zauberin zu befreien? Flüsterwald II-4: Der letzte Funken Magie Das große Staffelfinale der beliebten Abenteuerreihe! Der bösen Zauberin ist es gelungen, sämtliche Flüsterwälder zu versteinern. Einzig der Flüsterwald in Deutschland ist noch übrig geblieben. Doch nun ist die Zauberin eingetroffen, um auch hier die Magie abzuziehen. Lukas, Ella und ihre Freunde aus dem Flüsterwald stehen vor der größten Herausforderung ihres Lebens: Schaffen sie es rechtzeitig, die Zauberin aufzuhalten und den letzten Funken Magie zu retten?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 730

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



© Berlin 2025Ueberreuter Verlag GmbH, Ritterstraße 3, 10969 [email protected] 978-3-7641-9374-4

 

Flüsterwald – Eine neue Bedrohung. Der verborgene MeisterschlüsselVollständige E-Book-Ausgabe der 2022 in der Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin erschienenen BuchausgabeE-Book © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2022ISBN 978-3-7641-9319-5Printausgabe © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2022ISBN 978-3-7641-5229-1

 

Flüsterwald – Eine neue Bedrohung. Die versteinerten KatzenVollständige E-Book-Ausgabe der 2023 in der Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin erschienenen BuchausgabeE-Book © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2023ISBN 978-3-7641-9324-9Printausgabe © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2023ISBN 978-3-7641-5230-7

 

Flüsterwald – Eine neue Bedrohung. In den Fängen der ZauberinVollständige E-Book-Ausgabe der 2023 in der Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin erschienenen BuchausgabeE-Book © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2023ISBN 978-3-7641-9336-2Printausgabe © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2023ISBN 978-3-7641-5231-4

 

Flüsterwald – Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken MagieVollständige E-Book-Ausgabe der 2024 in der Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin erschienenen BuchausgabeE-Book © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2024ISBN 978-3-7641-9343-0Printausgabe © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2024ISBN 978-3-7641-5232-1

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden. Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Familien sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie das öffentliche Zugänglichmachen z. B. über das Internet.Cover- und Innenillustrationen: Timo GrubingLektorat: Kathleen Neumannwww.ueberreuter.de

Lukas (Mensch)

*Leseratte und Abenteurer

*muss sich in einer neuen Stadt zurechtfinden

*seine Familie hat keine Ahnung vom Flüsterwald oder von Magie

Ella (Mensch)

*Lässt sich von niemandem aufhalten

*Liebt ihren Großvater über alles

*hat viel in der Theater-AG gelernt

Felicitas (Elfe)

*zaubert gerne (was nicht immer klappt wie geplant)

*fühlt sich im Internat einsam und unternimmt deshalb öfter (verbotenerweise) Streifzüge

Punchy (Katze)

*heißt mit vollem Namen: Pedora Ulinde Naftet von Chibalka

*Aufpasserin von Felicitas

*hat Nerven aus Stahl

Rani (Menok)

*Nachwuchsautor, forscht über Menschen

*spielt für sein Leben gerne und ist schokoladensüchtig

Über das Buch

Lukas und Ella sind vom Herz des Waldes zu Beschützern des magischen Flüsterwalds ernannt worden. Da erreicht sie auch schon ein Hilferuf aus einem der anderen Flüsterwälder, der von großer Gefahr kündet. Zusammen mit der Elfe Felicitas und dem Menok Rani stürzen sich Lukas und Ella in ein neues Abenteuer – und sind gleich mit einer enormen Hürde konfrontiert: Die unterirdische Blinzelbahn, das einzige Transportmittel zwischen den Flüsterwäldern, wurde sabotiert …

Der atemlose Auftakt der 2. Staffel!

Inhalt

Das geschah in der ersten Flüsterwald-Staffel

Prolog

Der (zu) freundliche Direktor

Nächtlicher Besuch

Das versteckte Zauberfach

Wiedersehen mit dem Herzen

In der Werkstatt

Treppe in die Tiefe

Im Reich der Blinzelingenieure

Was ist hier passiert?

Die erste Hürde

Eine katzenhafte Überraschung

Stange und Reck

Die Angstfalle

Der Meisterschlüssel

Attacke der bösen Katzen

Zu Besuch beim Chronisten

Das Katapult

Über den Wolken

Die ersten Schwingen

Das Ritual der Verschmelzung

Der letzte Schritt

Auf dem Weg zum Blinzelknoten

Die Dunkelkatzen

Ranis heldenhafte Abenteuer

Sieg der Dunkelkatzen?

Ein Geistesblitz

Der Knoten der Ferne

Beratung mit dem Herzen

Ein Baumhaus-Plausch

Ankündigungen

Epilog

Das geschah in der ersten Flüsterwald-Staffel

Willkommen, Abenteurer!Im Flüsterwald war schon eine Menge los. Auf den nächsten Seiten erfahrt ihr, was in der ersten Staffel der Reihe (Bücher 1–4) passiert ist.

Lukas Lamprecht zieht mit seinen Eltern und seiner Schwester Lisa in das kleine Städtchen Winterstein. Dort hat sein Vater an der gleichen Schule, auf die auch Lukas gehen soll, eine Stelle als Lehrer angenommen. Doch damit nicht genug: In Winterstein erwartet sie anstelle der angekündigten Villa ein heruntergekommenes Herrenhaus!

An dem Bücherregal in seinem Zimmer entdeckt Lukas durch Zufall einen Geheimmechanismus, der eine Treppe zu einem geheimen Dachspeicher freigibt. Dort findet er jede Menge Flakons und Phiolen, die mit Zaubertränken und Zauberpulver gefüllt sind. Das blaue Flüsterpulver, mit dem sich Lukas aus Versehen überschüttet, ermöglicht es ihm, den Wald in der Nähe des Hauses als das zu sehen, was er wirklich ist: Ein Ort, der von magischen Wesen bevölkert ist und der nachts zum Leben erwacht. Von nun an hat Lukas Zugang zum magischen Flüsterwald!

Im Flüsterwald lernt Lukas die Elfe Felicitas, den kleinen Menok Rani und die Katze Punchy kennen, die sehr bald zu seinen neuen Freunden werden. Als Lukas auf einen Wark trifft, muss er feststellen, dass der Flüsterwald nicht ganz ungefährlich ist: Die echsenartigen Wesen schützen den Flüsterwald vor Feinden und dazu zählen sie auch Menschen!

Kurz darauf lernt Lukas seine neue Schulkameradin Ella kennen, die sich hartnäckig an seine Fersen heftet. Es stellt sich heraus, dass sie die Enkelin von Professor Archibald von Thun ist. Der Professor hatte vor Lukas’ Familie das Herrenhaus bewohnt – bis er eines Tages auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Ella ist überzeugt, dass ihrem Großvater etwas im Flüsterwald zugestoßen ist, wohin er viele Forschungsreisen unternommen hat.

Als Ella loszieht, um sich auf die Suche nach ihrem Großvater zu machen, schließen sich ihr Lukas, die Elfe Felicitas, der Menok Rani und die Katze Punchy an. Eine magische Karte führt sie zu verschiedenen Orten des Flüsterwalds, bis sie schließlich beim Baumgefängnis landen. Hier wird Archibald von Thun durch dunkle Magie gefangen gehalten, ausgetrickst von einem bösen Magier, der vor langer Zeit den Flüsterwald angegriffen hatte. Eine Zeit, die als »die dunklen Jahre« in die Geschichte des Flüsterwalds eingegangen ist. Seitdem sorgt ein Schutzzauber dafür, dass der dunkle Magier den Flüsterwald nicht mehr betreten kann. Wo er sich aufhält, ist unbekannt.

Um den Professor zu befreien, müssen die Freunde in die Vergangenheit reisen und einen Tropfen Blut von seinem jüngeren Ich erbeuten. Da das Blut seines jüngeren Ichs noch nicht mittels dunkler Magie an das Baumgefängnis gebunden ist, könnte so der Zauberbann aufgehoben werden.

Bei der Reise treffen Lukas, Rani, Felicitas, Punchy und Ella auf Felicitas’ Eltern, den noch jungen Professor von Thun und dessen Assistenten Franklin. Es kommt zu etlichen Verwicklungen an deren Ende sie erfahren, dass das Herz des Waldes, eine gütige, magische Entität, sich zu je einem Teil in Felicitas sowie deren Mutter, der Elfenkönigin Felinde von Siebenstern, aufgeteilt hat. Damit erklärt sich auch die Wucht von Felicitas’ Zaubersprüchen, die meist ungeahnte Nebeneffekte mit sich bringen.

Zurück in der Gegenwart befreien die fünf Freunde den Professor. Doch es stellt sich heraus, dass dieser in Wahrheit der dunkle Magier ist. Er hatte lediglich die äußere Gestalt des Professors angenommen und die Freunde damit geschickt in seine Machenschaften eingespannt. Der dunkle Magier entkommt in die Freiheit. Der echte Archibald von Thun hatte sich währenddessen in einem magischen Schlaf befunden und ist nun anstelle des Magiers im Gefängnis eingesperrt.

Im Finale der ersten Staffel müssen die Freunde den Flüsterwald gegen den dunklen Magier verteidigen. Diesem ist es nämlich gelungen, den Schutzzauber, der seinetwegen errichtet worden war, aufzuheben, und er plant nichts Geringeres, als das Herz des Waldes und den gesamten Flüsterwald zu zerstören. Um mehr über eine mögliche Schwachstelle des dunklen Magiers zu erfahren, begeben sich die fünf Freunde zum Chronisten des Flüsterwalds. Dort erfahren sie, dass der dunkle Magier ein Schattenzwilling ist: Ein Wesen, das halb Mensch ist, halb magisches Wesen. Während tagsüber der eine Zwilling in der Menschenwelt aktiv ist, schläft der andere als sein Schatten. Wenn dann der Mensch schläft, übernimmt der Flüsterwald-Zwilling den Körper. Da der Schatten im dunklen Magier so übermächtig war und immer böser wurde, hatte das Herz des Waldes vor langer Zeit Mensch und Schatten getrennt. Um nun wieder seine volle Macht zurückzuerlangen, verbindet sich der dunkle Magier wieder mit seinem Menschenteil: Es ist Lukas’ Schuldirektor!

In letzter Sekunde schaffen es die fünf Freunde, den dunklen Magier zu besiegen. Dabei müssen sie mehr als einmal über ihren Schatten springen und sowohl Mut und Stärke als auch Herz beweisen. Auch schaffen sie es, das Portal zum Schattenwald zu verschließen, wohin vor langer Zeit vom Herz des Waldes ein Großteil der Schattenzwillinge verbannt worden war und welche dem dunklen Magier nun als Armee dienen sollten. Nachdem der dunkle Magier besiegt wurde, bleibt nur noch der menschliche Teil des Schattenzwillings zurück: Direktor Arnold, der nun nichts Böses mehr an sich hat.

Das Herz des Waldes löst sich aus Felicitas und ihrer Mutter und verschmilzt wieder zu einem Ganzen.

Die Herzburg kehrt zurück ans Licht und fortan wird das Herz wieder über den Flüsterwald wachen. Doch nicht alleine. Lukas, Ella, Felicitas, Rani und Punchy werden zu Verteidigern des Waldes und Beschützern der Herzburg.

Neue Abenteuer warten auf die fünf Freunde in der zweiten Staffel.

Prolog

Vor einigen Tagen

Erde und Staub rieselten von der Decke. Spinnweben hatten sich überall ausgebreitet. Die Bewohner flüchteten vor dem schimmernden Licht, das ihren Frieden störte. Die Eindringlinge kamen auf weichen Tatzen.

Eine der Katzen fauchte. Sie sprang mit gewetzten Krallen durch den Tunnel und sicherte den Weg. Dicht hinter ihr folgte ein wabernder Nebel, der faulig roch.

»Ich kann es spüren.« Die Worte hallten als Flüstern von den Wänden wider.

Die Eindringlinge verließen den Gang. Kurz darauf erreichten sie den zentralen Knoten der Blinzelbahn, der das Reisen in die fernen Flüsterwälder steuerte. Dieser Ort war ein Teil der uralten Geschichte, die diesen Flüsterwald prägte – obgleich die wenigsten ihn kannten.

Sie hielten vor dem Podest, auf dem die Steuerung angebracht war. Diese bestand aus einem hölzernen Aufbau, bedeckt mit allerlei magischen Steinen unterschiedlicher Farben, die in Aussparungen ruhten. Überall gab es Aufschläge aus Messing, Silber und Gold. Zahnräder lugten aus dem Holz hervor.

Ein magischer Strahl traf die Verschalung. Daraufhin veränderten sich die äußeren Formen und es offenbarte sich, was bisher durch einen Zauber verborgen gewesen war: das Schlüsselloch am Steuerungssystem. Im Inneren steckte der Meisterschlüssel.

»Sorgen wir dafür, dass niemand mehr die fernen Flüsterwälder besuchen kann. So sind die Völker voneinander abgeschnitten und niemand kann mehr meinen Plan vereiteln.«

Es klackte, als der Schlüssel aus dem filigranen Schloss gezogen wurde. Kurz blieb er noch stecken, als weigerte er sich, gezogen zu werden. Doch schließlich verschwand er im Nebel.

Das Glühen der magischen Steine erlosch, die Verbindung war unterbrochen. Niemand würde mehr zwischen den Wäldern hin und her reisen können. Die meisten Bewohner des Flüsterwaldes würden es nicht einmal bemerken, sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, zu feiern. Der dunkle Magier war besiegt, da hatten neue Sorgen keinen Platz.

»Das gibt mir den nötigen Vorsprung.«

Der wabernde Nebel loderte auf, dann verdichtete er sich zu einem eitrig aussehenden Gemisch. Die Katzen maunzten auf, warteten auf neue Befehle. Sie würden aufs Wort gehorchen.

»Ich habe den Meisterschlüssel, doch das ist nicht genug.«

Ein zustimmendes Miauen.

Sie mussten sicherstellen, dass die Blinzelingenieure ihnen nicht in die Quere kamen. Diese besaßen immerhin den Ersatzschlüssel.

»Das Herz des Waldes wird nicht lange brauchen, um uns auf die Schliche zu kommen. Wir müssen uns beeilen.«

Das Herz des Waldes war gerade zurückgekehrt. Es war mächtig und sein Blick würde in Kürze jedes Geheimnis dem Schatten entreißen. Wenn es so weit war, musste der Plan bereits umgesetzt sein.

»Fangen wir also an.«

Sie ließen Erde, Staub und Spinnweben zurück.

Der (zu) freundliche Direktor

Lukas nahm all seinen Mut zusammen und klopfte.

»Herein«, erklang die Stimme von Direktor Arnold.

Sein Büro war gut besucht. Herr Rechbit stand vor dem breiten Schreibtisch und wirkte überaus zufrieden, neben ihm wartete Herr Baumbach.

»Entschuldigung, ich wollte nicht stören.« Lukas zupfte seinen Hoodie zurecht. Eigentlich hätte er nach seinen Abenteuern im Flüsterwald, bei denen es um Leben und Tod ging, abgehärtet sein müssen. Aber sobald er das Zimmer des Direktors betrat, fiel jeder Mut von ihm ab. Doch seine Sorge war unbegründet.

»Aber nein, du störst nicht«, begrüßte Direktor Arnold ihn geradezu überschwänglich. »Vielleicht verlegen wir das gesamte Treffen direkt in die Aula. Dann kann jeder seine Wünsche äußern.«

Es entsprach also der Wahrheit, die Gerüchte stimmten. Direktor Arnold war seit einigen Tagen offenbar so gut gelaunt, dass er Strafarbeiten erließ und den Lehrern ihre Wünsche erfüllte. Meist teure Wünsche. Das Chemielabor hatte bereits einen komplett neuen Klassensatz an Bunsenbrennern bekommen.

»Wozu der Aufwand?«, Herr Rechbit winkte ab. »Kümmern wir uns doch erst einmal um die neuen Computer.«

»Genehmigt«, erwiderte Direktor Arnold.

»Und eine neue Bepflanzung des Schulgartens«, ergänzte Herr Baumbach. »Ich denke da an einen japanischen Garten mit geschwungenen Wegen und Sitzecken.«

»Machen Sie das so.« Der Direktor lächelte zufrieden.

Lukas wusste natürlich, warum er so freundlich war. Seit der dunkle Schattenzwilling von ihm genommen worden war, gab es nichts Böses mehr in Arnold.

Er war einfach nur noch nett.

»Ähm«, meldete sich Lukas zu Wort.

Alle Augen richteten sich auf ihn.

»Mein junger Freund, was kann ich für dich tun?«, fragte der Direktor.

»Also, die Theater-AG …«

»Ganz fabelhaft«, unterbrach ihn Arnold und strich sich mit der Hand durch seinen Vollbart. »Was ihr da macht, ist grandios.«

»Absolut«, bestätigte Lukas. »Aber ich würde gerne damit aufhören. Weil … mir andere Dinge mehr Spaß machen.« Die gesamte Rede, die er sich zurechtgelegt hatte, war weg. Lukas seufzte innerlich. Das war wohl nichts.

»Dann hörst du am besten damit auf«, stimmte Direktor Arnold ihm zu.

»Einfach so?«, fragte Lukas verblüfft und starrte ihn an.

»Natürlich.«

Stille senkte sich herab. Herr Baumbach und Herr Rechbit wechselten einen schnellen Blick, verzichteten jedoch darauf, ihrem Direktor zu widersprechen. Schließlich wollten sie, dass Arnold auch ihre eigenen Anliegen weiterhin so freimütig genehmigte.

»Toll!«, freute sich Lukas.

»Was ist toll?«, erklang eine Stimme von der Tür.

Lukas fuhr herum.

Vor ihm stand eine schlanke hochgewachsene Frau mit schwarzem, lockigem Haar. Sie trug eine weiße Bluse über einem Bleistiftrock. An ihren Ohren baumelten Saphirohrringe.

»Konrektorin Abeni«, stammelte Herr Baumbach.

»Sie haben es schon wieder probiert, nicht wahr?« Die Frau schenkte den beiden Lehrern einen grimmigen Blick. »Die Bunsenbrenner haben das Budget bereits ans Limit gebracht. Wenn man es genau nimmt, haben sie es sogar überzogen.«

»Aber mein Garten …«, stotterte Herr Baumbach.

»Die Computer …«, ergänzte Herr Rechbit.

»Keine weiteren Ausgaben«, stellte Frau Abeni klar. »Ab sofort überwache ich das Budget.«

Die beiden Lehrer setzten bereits zum Widerspruch an, doch der eiserne Blick der Konrektorin verhinderte das. Sie stapften hinaus, eindeutig verstimmt und verärgert, dass ihnen ihre Wünsche so kurz vor dem Ziel verwehrt worden waren.

»Und was ist mit dir, Lukas?«, fragte die Konrektorin.

»Ohh, ich war nur so hier«, haspelte er schnell.

Sie seufzte. »Arnold?«

»Mein junger Freund hier wollte lediglich aus der Theater-AG aussteigen, dem habe ich natürlich zugestimmt.«

Frau Abeni blinzelte. »War das nicht eine Strafarbeit, die bis zum Ende des Schuljahres laufen sollte?«

Lukas schluckte. »Möglich. Vielleicht. Kann sein.«

»Verstehe. Dann würde ich sagen, dass wir sie – möglicherweise, vielleicht, kann sein – einfach bis zum Ende durchziehen.«

»War das ein Vorschlag?«, fragte Lukas sicherheitshalber nach.

Die Konrektorin verschränkte die Arme.

»Alles klar, bis zum Ende des Schuljahres.« Lukas gab sich geschlagen und verließ eilig das Büro.

Im Vorzimmer streifte ihn der Blick der Sekretärin, der so viel sagte, wie: Ich habe es dir ja gesagt, das hättest du dir sparen können.

Als Lukas aus dem Vorzimmer in den Flur hinaustrat, erblickte er an der gegenüberliegenden Wand Ella. Sie stand mit verschränkten Armen da. »Du solltest dich schämen.«

Das hatte ihm gerade noch gefehlt. »Es war einen Versuch wert«, verteidigte er sich achselzuckend.

»Du nutzt schamlos aus, dass Direktor Arnold alles Böse verloren hat und nur noch nett sein kann. Du wolltest dich aus der Theater-AG stehlen.«

»Hat ja nicht funktioniert.« Lukas schob die geballten Fäuste in die Seitentaschen seines Hoodies. »Ich hänge weiter darin fest.« Er stapfte los.

Ella folgte ihm. Leichtfüßig sprang sie neben ihm her, ganz offensichtlich zufrieden darüber, dass er kein Schlupfloch gefunden hatte. Was die Schule anging, war sie einfach eine Streberin. »Du bist doch total gut.«

»Wie du ja weißt, habe ich die Rolle des Butlers im Theaterstück bekommen. Ich kann also gut bedienen. Danke für das Kompliment!«

»So war das nicht gemeint, das weißt du. Schon klar, du hättest lieber den Baum gespielt«, sagte sie grinsend.

»Wäre mir lieber gewesen, der hat keinen Text«, erwiderte Lukas. Sein Vater lag ihm bereits ständig in den Ohren, dass er im kommenden Jahr zur großen Theater-Aufführung kommen würde. Er arbeitete als Lehrer an Lukas’ Schule und wurde nicht müde zu betonen, dass natürlich auch sämtliche seiner Kolleginnen und Kollegen anwesend sein würden. Als stände sein guter Ruf auf dem Spiel.

Dabei war Lukas derjenige, der auf einer Bühne als Butler irgendwelche Getränke reichen musste und sich durch die Seiten dieses kleinen gelben Heftchens quälte, in dem der Text für seine Rolle stand. Da war ihm ein Wark lieber. Zumindest bei Tageslicht.

»Heute ist Freitag«, wechselte Ella abrupt das Thema.

»Und?«

»Bestimmt meldet sich Felicitas am Abend.«

Lukas war sich da nicht so sicher. Zwei Wochen waren seit ihrem Sieg über den dunklen Magier und der Rückkehr des Herzens vergangen. Doch weder die Elfe Felicitas noch der Menok Rani hatten etwas von sich hören lassen. Keine Nachricht auf dem geheimen Dachboden im Haus von Lukas’ Familie, keine im Baumhaus im Flüsterwald.

Das war auch der Grund für Lukas’ schlechte Laune. Er wollte endlich wieder in den magischen Wald zurückkehren. Mit der Blinzelbahn an alle möglichen Orte reisen, die Wolkenstadt besuchen oder die Teekinder. Mit den Stollenzwergen plaudern und im Elfenpalast umherstreifen.

Es gab noch so viel zu entdecken, sie hatten lediglich einen Zipfel der Magie erkundet, die im magischen Flüsterwald hinter Lukas’ Haus zu finden war.

»Also ich werde heute Nacht auf jeden Fall wieder in den Flüsterwald gehen«, stellte Ella klar. »Mein Großvater ist bestimmt schon ganz traurig, dass er so lange allein war, deshalb möchte ich ihn im Baumgefängnis besuchen.«

Durch eine hinterlistige Falle, für die der dunkle Magier verantwortlich war, und mittels dunkler Magie saß Ellas Großvater in einem magischen Gefängnis fest, das von außen wie ein großer Baum aussah.

»Eigentlich ist die Idee gar nicht so schlecht«, fand Lukas. »Und wenn die anderen nichts von sich hören lassen, besuchen wir sie einfach daheim. Schließlich wissen wir, wo sich der Elfenpalast und Ranis Bau befinden. Notfalls blinzeln wir uns einfach dorthin.«

Natürlich war das nicht ohne Risiko, immerhin benötigten sie Felicitas, damit diese ihnen Elfenohren wachsen ließ. Nur so erkannte sie im Flüsterwald niemand als Menschen und sie waren vor den Nachstellungen der Warks – den Ordnungshütern und Bewahrern der Geheimnisse des Waldes – sicher.

»Ich komme heute Abend bei dir vorbei, sobald es dunkel ist«, rief Ella Lukas zu.

Die Pausenklingel erklang.

Zufrieden sprang Ella davon.

Lukas hatte noch nicht einmal sein Pausenbrot gegessen und jetzt stand Mathematik an.

Grummelnd trottete er zum Klassenraum.

Nächtlicher Besuch

»Ich muss mit euch reden«, sagte Lukas’ Mutter beim Abendessen.

Der Satz kam so betont beiläufig, dass Lukas nicht in sein Brot hineinbiss, sondern in der Bewegung stoppte. Misstrauisch blinzelte er zu ihr hinüber.

»Oh ja«, rief Lisa. »Ich will auch reden.«

»Ich habe das Gefühl, das wollen wir gleich nicht mehr«, sagte Lukas vorsichtig.

Seine Mutter lächelte verkrampft und seltsamerweise war auch sein Pa vollkommen still. Es wirkte, als warteten beide darauf, dass eine Lawine sich vom Berghang löste und kurzerhand ganz Winterstein verschlang. Inklusive des Esszimmers.

»Eure Tante kommt zu Besuch«, sagte Lukas’ Mutter endlich und löste damit die Spannung auf.

»Tante Stefanie!!!!«, rief Lisa und drückte ihren Stoffhasen an sich.

Lukas erwachte aus seiner Bewegungsstarre und biss in sein Brot. Er kaute absichtlich langsam, wohl wissend, dass es jetzt auf Fingerspitzengefühl ankam. Er liebte seine Tante, gleichzeitig war sie die einzige Person, die regelmäßig für einen Tobsuchtsanfall seiner Mutter sorgte. Wenn sie zu Besuch kam, war es an Pa, den Feuerlöscher zu spielen. Und es brannte oft.

»Das ist toll«, sagte er vorsichtig. »Wann denn?«

»In einer Woche.«

Der Herbst war mittlerweile vorüber und der Winter streckte seine Finger nach Winterstein aus. Immerhin konnte Lukas sicher sein, dass seine Tante mit einer großen Tasche voller Kekse, Marzipan und mega ungesunden anderen Dingen bei ihnen aufschlagen würde. Das würde zwar zu langen Vorträgen seiner Mutter über gesunde Ernährung, Biokost und Dinkel führen, aber das war es wert.

»Das ist schön«, erwiderte Lukas und grinste breit.

»Ich erwarte von euch, dass eure Zimmer aufgeräumt sind. Keine herumliegenden Socken, keine Teller mit Essensresten auf der Fensterbank, weil jemand nach dem Lesen in seinem neuen Lieblingsbuch zu faul war, diesen in die Küche zu bringen.« Sie hob den Zeigefinger. »Kein Staubkorn.«

Lukas funkelte sie an. »Aber Tante Stefanie findet Unordnung toll. Sie sagt, das sei der natürliche Ausdruck von Jugend.«

Und obwohl seine Mutter solchen Aussagen normalerweise wohlwollend gegenüberstand, war es in diesem Fall ganz anders.

»Eben.« Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Kein Staubkorn.«

»Aber warum …«, begann Lisa.

»Weil wir ordentliche Menschen sind«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Wie ihr wisst, liebe ich meine Schwester über alles. Es freut mich immer wieder, wenn sie kurz vorbeischaut. Und es stört mich auch gar nicht, dass sie ihre kleinen Kritikpunkte anbringt, denn konstruktive Kritik ist ein Ausdruck von Stärke. Meistens. In der Regel. Manchmal. Sie ist in der Summe durchaus liebenswert.«

Lukas’ Mutter sah bei jedem Wort so aus, als würde sie jeden Moment in die Tischkante beißen.

»Lasst uns also alle eine schöne Zeit miteinander verbringen«, vollendete sie.

»Aber ich habe keine Zeit, aufzuräumen«, sagte Lukas. »Ich muss mich auf die nächste Theater-AG vorbereiten.«

Sein Vater bedachte ihn mit einem strengen Pädagogenblick. »Du sprichst jetzt aber nicht zufällig von der Theater-AG, aus der du heute austreten wolltest? Konrektorin Abeni hat mich darauf angesprochen.«

Irgendwie kam es Lukas plötzlich vor, als wäre es sehr heiß am Esstisch. »Ähm, ich wollte, dass die anderen besser werden.«

»Es wäre eine hervorragende Ausrede, wenn es nicht gleichzeitig so traurig wäre«, konterte sein Pa. »Ich bin sicher, Ende des Jahres bist du ein ausgezeichneter Schauspieler.«

Lukas vertilgte die Reste seines Abendbrotes und stapfte dann extralaut die Treppenstufen hinauf.

»Zimmer aufräumen, Theater-AG, was kommt als Nächstes?«, grummelte er leise vor sich hin.

Er schloss die Tür hinter sich und legte den Riegel vor. Mittlerweile hatten seine Eltern stillschweigend akzeptiert, dass er auch einfach mal seine Ruhe brauchte.

An der linken Wand erhob sich das Bücherregal in die Höhe, das den geheimen Eingang zum Speicher verbarg. An der rechten Wand stand sein Bett, dahinter sein Schreibtisch. Vor dem Fenster befand sich eine Sitzbank, auf der sein aktuelles Urban-Fantasy-Buch lag. Natürlich gab es hier nirgendwo einen Teller mit Essensresten.

Den hatte er gestern runtergebracht.

Möglicherweise lagen ein paar Kleidungsstücke hier und dort herum. Aber das störte doch niemanden.

Lukas warf sich auf die Bank, griff nach dem Buch und begann zu lesen. Das Fenster war von innen leicht beschlagen, aber immerhin regnete es nicht. Er vertiefte sich gerade in die Geschichte, als ein Klopfen an der Scheibe erklang.

Ella schwebte vor dem Fenster und bedeutete ihm, es zu öffnen. Schnell drehte Lukas am Knauf und ließ sie zusammen mit einem Schwall kalter Luft herein.

Auf ihrem Kopf saß eine gestrickte Mütze, sie hatte sich tief in ihre Daunenjacke gemummelt. »Der Wind ist echt gemein«, murmelte sie, während sie sanft auf dem Boden landete. »Beinahe wäre ich gegen den Kirchturm geknallt.«

Sie hatten beschlossen, dass Ella von jetzt an mit Flugpulver zu Lukas kommen sollte. So musste er nicht mehr heimlich die Haustür öffnen und sie an seinen Eltern vorbei nach oben schleusen. Auch konnte sie das Haus wieder ganz einfach durchs Fester verlassen, wenn sie tief in der Nacht aus dem Flüsterwald zurückkamen.

»Bist du gut rausgekommen?«, fragte er.

Ella winkte ab. »Meine Mutter hat nichts mitbekommen. Sie glaubt, dass ich so müde sei, weil ich gerade im Wachstum stecke.« Sie kicherte. »Es wäre sicher lustig, wenn sie mich mal beim Fliegen erwischt.«

Lukas wollte gar nicht daran denken, was seine Eltern dazu sagen würden. Dass er mittlerweile gegen Skelette, Schatten, einen dunklen Magier und Warks gekämpft hatte und sogar durch die Zeit gereist war, behielt er lieber auch für sich.

»Wollen wir hoch?«, fragte Ella.

Lukas nickte eifrig. Turnschuhe, einen Rucksack und seine Jacke hatte er vor einer Weile bereits vorsorglich auf dem geheimen Speicher deponiert, um jederzeit aufbruchbereit zu sein.

Ella trat vor das Bücherregal und zog an dem unechten Buch, das den Mechanismus auslöste. Ein Teil des Bücherregals klappte zur Seite. Dahinter kam die Treppe zum Vorschein, die zum Dachboden hinaufführte. Die Wandlampen leuchteten auf.

Sie stiegen nacheinander hinauf, Ella vorneweg, gefolgt von Lukas.

»Felicitas hat sich bisher also nicht gem…«, fragte Ella und verstummte plötzlich mitten im Satz.

Als Lukas den Speicher ebenfalls erreichte, war ihm sofort klar, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Teile der Tiegel, Pulver und Fläschchen aus den Regalen waren umgeworfen worden. Am Boden lagen zerfetzte Bücher, Krallenspuren zogen sich über das Papier.

Lukas atmete scharf ein. »Könnte das ein Wark gewesen sein?«

Sein Blick glitt zur magischen Standuhr, die jederzeit einen Durchgang zum Baumhaus öffnen konnte, das sich im Flüsterwald befand. Doch es gab kein wirbelndes Leuchten, die Zeiger befanden sich in Ruheposition.

»Die Warks können die Portalstanduhren doch gar nicht benutzen«, flüsterte Ella.

Was Lukas natürlich wusste. Trotzdem jagten die echsenartigen Wächter des Flüsterwaldes ihm einen derart großen Schauer über den Rücken, dass er bei Gefahr automatisch immer zuerst an sie dachte.

Sein nächster Tipp wäre der dunkle Magier gewesen, doch den gab es nicht mehr. Obendrein war auch das Portal zum Schattenwald mit den Schattenzwillingen sicher verschlossen.

Ella und er standen am oberen Ende der Treppe und wagten es nicht, sich zu bewegen. Einige der Lampen hier oben brannten, andere waren erloschen. Splitter lagen über den Boden verteilt. Und obgleich es vollkommen still war, glaubte Lukas zu spüren, dass irgendwo in den Schatten etwas lauerte. Den Blick auf Ella und ihn gerichtet.

Vorsichtig machte Lukas einen Schritt, räusperte sich und fragte: »Ist da wer?«

Im gleichen Augenblick flog etwas durch die Luft. Mit einem Fauchen landete eine Katze auf Lukas. Er verlor das Gleichgewicht und krachte rücklings zu Boden. Krallen zerfetzten seinen Hoodie, gelbbraune Augen starrten ihn an. Die Katze wirkte völlig verwahrlost, ihr Fell war verklebt und struppig.

»Weg von ihm!«, rief Ella und wollte Lukas zu Hilfe eilen.

Die Katze machte einen Satz zur Seite und prompt stolperte Ella. Sie krachte frontal auf Lukas. Ein weiteres Fauchen erklang, das Geräusch von Tatzen, die über Holz glitten. Ein kurzes Wusch-Geräusch.

Stille.

Die Katze war einfach in die Dunkelheit gesprungen und fort war sie. Ganz ohne Magie, ohne Portal, ohne Pulver. Einfach so.

Lukas starrte in die Schatten und fragte sich, was gerade geschehen war.

Das versteckte Zauberfach

Lukas kam auf die Beine und betrachtete seinen zerfetzten Hoodie. Vielleicht sollte er seiner Tante einen Tipp geben, womit sie ihm eine Freude machen konnte. So langsam gingen ihm die Ausreden aus, warum so viele seiner Hoodies verschwanden. Am Ende landeten sie zerrissen und verdreckt im Müll, was er seiner Mutter wohl kaum sagen konnte. Und das waren nur jene, die von Blutspuren verschont geblieben waren. Letztere konnte er noch nicht einmal einfach in die Mülltonne werfen, wo sie möglicherweise doch jemand entdeckte.

»Wieso greift uns eine Katze an?«, fragte Ella und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und wie ist sie hier herein- und wieder hinausgelangt?«

Darauf wusste Lukas leider keine Antwort. »Mich würde brennend interessieren, was sie hier gewollt hat.«

Er eilte zur Seite, wo der große Ohrensessel stand, und schlüpfte in seine Turnschuhe, die er dort abgestellt hatte. Dadurch waren seine Füße vor den herumliegenden Scherben besser geschützt.

»Aber eins ist sicher: Das war definitiv keine normale Katze.«

Ella nickte. »Normale Katzen springen nicht einfach in die Schatten und verschwinden. Andererseits hatte diese rein äußerlich mit Punchy nicht viel gemein. Das Fell war ungepflegt, richtig verklebt. Und diese eitrig-gelben Augen.« Sie schüttelte sich.

Ella ging durch den Raum und ließ ihren Blick schweifen, sah sich alles genau an. Lukas wusste, dass sie Detektivromane mochte und eine Leidenschaft für gute Rätsel hatte. »Also die Bücher hat sie auf jeden Fall zerfetzt und die ganzen Fläschchen … Von dem Pulver ist kaum noch etwas übrig.«

Was wohl bedeutete, dass sie sich erneut daranmachen mussten, selbst welches herzustellen. Beim Flüsterpulver war ihnen das bereits gelungen. Zum Glück! Denn nur mithilfe des Flüsterpulvers konnten sie die Magie des Flüsterwaldes wahrnehmen. Andernfalls hätte ein Streifzug bei Nacht nur Kälte und Matsch bereitgehalten. Doch mit dem Pulver konnten sie die magischen Wesen des Waldes – darunter auch Felicitas, Rani und Punchy – in ihrem Zuhause sehen und besuchen.

»Ich kann’s kaum erwarten, wieder das Feuerpulver herzustellen«, sagte Lukas seufzend. Das war natürlich reine Ironie. Es konnte bei der Herstellung durchaus etwas schiefgehen und er wollte nicht versehentlich eine Explosion auslösen.

»Schau mal.« Ella winkte ihn herbei. »Hier sind Kratzspuren an der Wand.«

Links des Treppenaufgangs ging die Regalwand in einen Bereich über, wo Bücher gestapelt waren. An einem der Regale waren tiefe Kratzspuren zu erkennen.

»Sieht so aus, als habe sie … Ich habe keine Ahnung«, sagte Lukas.

»Seltsam.« Ella runzelte die Stirn. »Ich meine, sieh mal, dieses Buch da. Das hat den gleichen Einband, mit gleicher Farbe, wie das unten in deinem Zimmer.«

»Der Mechanismus zum Öffnen?«, fragte Lukas. »Stimmt. Aber das würde ja bedeuten …« Er streckte die Hand aus und zog an dem Buch.

Tatsächlich geschah etwas. Zwar klappte das Regal nicht auf und gab Treppenstufen frei, dafür drehte es sich einmal um sich selbst. Ein auf der Rückseite verborgenes, zweites Regal kam zum Vorschein. Auf Schulterhöhe war ein großes Schild angebracht, auf dem stand: Verbotene Tränke. Warnung, nicht benutzen!

»Das ist die Schrift meines Großvaters.« Ella betrachtete fasziniert die Flakons. »Merkwürdig. Was sind denn verbotene Tränke?«

Lukas ging näher heran. »Die Schrift ist ganz krakelig und verblichen. Diese Tränke muss er vor langer Zeit angefertigt haben. Ich glaube, da steht ›Schrumpfpulver‹.«

»Und hier: Katzenwandlung«, las Ella. »Meinst du, der Trank verwandelt uns in Katzen, wenn wir ihn trinken?«

Lukas zuckte ratlos mit den Schultern. »Aber warum hat dein Großvater das Schild dorthin gehängt?«

»Das müssen wir ihn schon selbst fragen«, erwiderte Ella. »Aber diese fremde Katze wollte vermutlich an diese Pulver und Tränke herankommen. Hier am Rand sind noch mehr Kratzspuren und an den unteren Büchern. Wenn wir nicht gekommen wären, hätte sie es bestimmt geschafft.«

Ein großer Teil der Beschriftungen war unleserlich, was Lukas zwei Dinge sagte. Zum einen würde er auf gar keinen Fall einen magischen Trank zu sich nehmen, von dem er die Wirkung nicht kannte. Zum anderen blieb es ein Rätsel, was die fremde Katze mit den Tränken gewollt hatte.

Lukas fuhr mit seinem Finger über die Staubschicht auf dem Regal und schnippte die Fluse davon. »Vielleicht kann uns Punchy hierbei weiterhelfen.«

»Weil sie als Katze so gesprächig ist?« Ella grinste frech.

»Oder die Elfen.« Lukas ging zum Sessel, schälte sich aus seinem zerrissenen Hoodie und zog einen Ersatzhoodie an, den er bereitgelegt hatte. »Die müssten doch alles über ihre Beschützer wissen.«

Ella setzte gerade zu einer Antwort an, als sie zusammenzuckte. Lukas ging es nicht anders. Die Tätowierung auf seinem rechten Handgelenk erwärmte sich.

Nachdem sie den dunklen Magier besiegt hatten, hatte das Herz des Waldes sie zu Beschützern des Flüsterwaldes und Verteidigern der Herzburg ernannt. Kurz darauf hatte sich auf ihren Handgelenken eine Art Tattoo abgezeichnet. Über das Tattoo konnten sie den Hilferuf des Herzens empfangen.

Anfangs hatte es noch die Form von ineinander verschlungenen Kreisen gehabt. Doch nach und nach hatte es sich verändert. Jetzt zeichnete sich auf ihren Handgelenken ein großer Kreis ab, auf dessen Linie fünf kleine Symbole prangten. Lukas konnte spüren, wen sie repräsentierten.

Das kleine Buch war er selbst, weil er so gerne las. Die Maske gehörte zu Ella, weil sie das Schauspielen liebte. Die winzige Schreibfeder stand für Rani. Eine Lilie repräsentierte Felicitas, sie liebte Blumen. Dann konnte die Musiknote nur noch für Punchy stehen, was auch immer das zu bedeuten hatte. Vermutlich miaute sie einfach gerne und das war quasi das Gleiche wie Singen.

Bisher war es noch nie vorgekommen, dass sich ihr Tattoo erwärmt hatte und sie darüber einen Hilferuf empfangen hatten. Bis jetzt.

Beschützer des Waldes, kommt zur Herzburg!Der Flüsterwald ist in Gefahr.

Es war die Stimme des Herzens, die wie warmes Wasser durch Lukas’ ganzen Körper floss.

»Wow«, sagte Ella. »Das kann man gar nicht überhören.«

»Wir müssen zur Herzburg.«

Lukas schlüpfte in seine Jacke und zog den Rucksack über. Ella war längst dabei, die Zeiger der Portaluhr auf fünf vor zwölf zu drehen, damit sich der magische Durchgang aktivierte.

Der Wirbel baute sich auf.

»Bereit?«, fragte Ella.

»Springen wir«, erwiderte Lukas.

Mit einem energischen Satz warfen sich beide in den Strudel, nur um nach einem kurzen Schleudergang im Baumhaus-Hauptquartier im Flüsterwald zu landen.

»Ihr habt euch Zeit gelassen«, erklang die Stimme von Rani. »Ich war schon ganz lange hier.«

Der kleine Menok, der äußerlich einer Mischung aus Hamster und Biber ähnelte, war zudem mit einem Greifschwanz ausgestattet, der bei keinem Tier aus der Menschenwelt zu finden war. Er lag gemütlich ausgestreckt auf den aufgeschichteten Kissen.

»Das liegt aber nur daran, dass du deine gesamte Freizeit hier verbringst«, stellte Felicitas klar. Sie hatte vermutlich ebenfalls den Hilferuf aus der Herzburg erhalten und erwartete die Freunde, um sie wie immer bei ihren Abenteuern im Flüsterwald zu begleiten. Sie musste sich bereits in der Nähe aufgehalten haben.

Die unterarmlange Elfe war die Tochter der Elfenkönigin Felinde von Siebenstern. Sie war über viele Jahre unbemerkt Trägerin des Herzens gewesen, das sich zwischen Felicitas und ihrer Mutter aufgeteilt hatte. Zwar war das Herz des Waldes wieder erstanden, doch ein Teil war noch immer in der Elfe zurückgeblieben, das Echo seiner allumfassenden Magie. Wie sich dies auf Felicitas’ Zauber auswirkte, würde die Zukunft zeigen.

»Warum verbringst du die ganze Zeit hier?«, fragte Lukas.

»Es ist einfach so nett hier oben«, gab Rani zurück.

»Es liegt an Pera«, half Felicitas aus.

»Gar nicht wahr«, protestierte der Menok. »Nur ein bisschen. Obwohl es absolut toll ist, dass sie jetzt bei uns wohnt. Und meine Brüder ständig um sie herumrennen. Und sie einen Zusammen-wohnen-Vertrag aufgesetzt hat.«

Lukas wechselte einen schnellen Blick mit Ella.

»Sie hat was aufgesetzt?«, fragte die.

»Es ist eine Liste mit Forderungen, die wir alle mit unserem Greifschwanzabdruck besiegelt haben«, erklärte Rani. »Es ist gar nicht so leicht, alles einzuhalten. Pani muss jetzt immer mit einer Wäscheklammer auf der Nase schlafen, weil sein Schnarchen sonst im ganzen Bau zu hören ist. Und die Essenszeiten wurden verschoben. Aber das nehmen wir natürlich gerne in Kauf, damit sie bei uns bleibt. Unser Bau ist jetzt der beliebteste im ganzen Menok-Tal und ständig kommen die Nachbarn vorbei und fragen meine Eltern, wie es so ist, mit einem Menok-Mädchen zu wohnen. Ich glaube, sie hoffen darauf, Pera abwerben zu können. Um dem ganzen Trubel zu entgehen, ziehe ich mich dann öfter hierher zurück.«

Lukas sah sich um. »Wo ist Punchy?« Normalerweise wich die Katze keinen Zentimeter von Felicitas’ Seite, deren Beschützerin sie war.

»Sie ist schon beim Herz des Waldes«, sagte Felicitas. »Ich war bereits auf dem Weg hierher, um euch einen Besuch abzustatten, als die Nachricht kam. Wir müssen ebenfalls sofort dorthin.«

Lukas wurde ernst. »Weißt du, was passiert ist?«

Die Elfe schüttelte den Kopf. »Aber es hat etwas mit den Katzen zu tun.«

»Das haben wir schon vermutet«, kam es von Ella. »Eine hat uns gerade angegriffen.«

»Was?!« Felicitas drehte vor Aufregung einen Looping in der Luft. »Erzählt mir alles auf dem Weg.«

Elfenstaub rieselte und prompt wuchsen Lukas und Ellas Ohren wieder spitz zu. Damit würden sie notfalls als Elfen durchgehen, die gerade als Kundschafter aus Winterstein zurückkehrten und noch nicht auf die normale Größe zurückgeschrumpft waren.

Rani öffnete die Tür im Baumstamm und gemeinsam eilten sie die Treppenstufen hinab zur Blinzelbahn, die sie zur Herzburg bringen würde. Auf dem Weg berichtete Lukas von der Attacke der Katze.

Möglicherweise konnte tatsächlich Punchy Licht ins Dunkel bringen.

Wiedersehen mit dem Herzen

Ein Blinzeln, gefolgt von einem turbulenten Schleudergang und sie standen auf der Zielplattform. Sie hatten die Herzburg erreicht.

Ringsum gab es jedoch keine Blinzelbahnhaltestelle, wie es normalerweise bei der unterirdischen Blinzelbahn üblich war. Stattdessen war der Boden mit rotem Samt ausgekleidet, eine Schale mit Früchten stand auf einem hüfthohen Holztischchen. Daneben war eine Vase mit bunten Blumen platziert.

»Wie nett.« Felicitas roch an einer Banane. »Da bekomme ich direkt Hunger.«

Natürlich konnten sie hier schlecht verweilen, wenn das Herz des Waldes doch einen Hilferuf zu ihnen ausgesandt hatte. Lukas wandte sich der Tür zu, die an einer Seite des Raumes in die Wand eingelassen war. Sie war mit einem Steinportal verschlossen, das mit dem gleichen Symbol versehen war wie die Tattoos auf ihren Handgelenken. Vor dem Steinportal befand sich auf dem Boden eine runde Steinplatte.

Seinem Instinkt folgend stellte Lukas sich darauf.

Mit einem Schaben öffnete sich das Portal.

»Das ist nicht schlecht«, rief Ella. »Falls es doch einmal ein Feind hierherschafft, kommt er sicherlich nicht weiter. Es öffnet sich bestimmt nur für Beschützer des Waldes.«

Sie stiegen die Treppe auf der anderen Seite nach oben und erreichten das Erdgeschoss der Herzburg. Lukas rannte zu einem Fenster und schaute hinaus. Bei ihrem letzten gemeinsamen Abenteuer im Flüsterwald war der Berg, der einst genau an dieser Stelle gestanden hatte, wie eine Eierschale zerplatzt, als das Zuhause des Herzens von ganz weit unter der Erde wieder in die Höhe gestiegen war. Jetzt thronte die Herzburg auf einer Anhöhe und ringsum war sie von einem tiefen Burggraben umgeben, in dem Nebel wallte. Dahinter breitete sich dichtes Grün aus. Bäume ragten empor, dazwischen schimmerten Blumen.

»Es hat sich alles verändert«, sagte Ella leise, die neben Lukas getreten war.

»Die Magie des Herzens bringt Leben und Freude überallhin zurück«, verkündete Felicitas. Sie räusperte sich und deutete auf einzelne Zelte. »Es gibt immer noch ein paar Feiernde, die die Rückkehr des Herzens bejubeln.«

»Was?« Lukas blinzelte verdutzt. »Selbst nach zwei Wochen noch?«

Sie wandten sich ab und eilten weiter durch die Gänge. Irgendetwas führte sie instinktiv in die Richtung, in der Lukas den Thronsaal vermutete.

»Die großen Festlichkeiten gingen mehrere Tage lang«, erwiderte Rani anstelle von Felicitas. »Das ganze Menok-Tal ist dazugekommen, es war sehr lustig. Einmal habe ich sogar an etwas genippt, das heißt Wein.«

»Oh ja, davon habe ich gehört«, verkündete die Elfe. »Es war ein einziger Schluck – und danach …«

»Ist gar nichts passiert«, rief Rani. »Überhaupt nichts.«

»… bist du herumgetaumelt und in einen Suppenkessel gefallen.« Sie flog sofort höher, vermutlich, um genug Abstand zwischen sich und den Menok zu bringen.

»Das war Absicht«, verkündete Rani. »Die Suppe war lecker.« Etwas leiser ergänzte er: »Und leider sehr heiß.«

Lukas unterdrückte mühevoll ein Lachen.

»Ein Glück, dass dir nichts passiert ist«, sagte Ella.

»Ein Stollenzwerg hat ihn an seinem Greifschwanz herausgezogen«, sprach Felicitas weiter. »Ich glaube, dein Fell ist noch immer etwas verklebt, Rani.«

Rani erstarrte in der Bewegung. »Was? Aber ich habe doch extra dreimal gebadet, das besondere Shampoo benutzt und dazu Glanzöl einmassiert.« Hektisch tastete der Menok sich ab, erkannte dann aber das breite Grinsen auf Felicitas’ Gesicht. Mit einer schadenfrohen Grimasse sagte er: »Ich habe ja gehört, dass Mirabella von Sommerlicht viel schönere Blumen in ihrem Zimmer hat.«

Wie angeknipst verfärbte sich das Gesicht der Elfe knallrot. »Das ist eine Lüge!«

»Wer ist Mirabella von Sommerlicht?«, wollte Ella wissen.

»Erwähne ihren Namen nicht!«, verlangte Felicitas.

»Welchen denn?«, fragte Rani unschuldig. »Mirabella? Mirabella von Sommerlicht? Oder nur von Sommerlicht?«

Felicitas drehte einen Looping und setzte zum Sturzflug an.

»Da vorne ist der Thronsaal!«, rief Lukas und hoffte inständig, dass er damit recht behielt.

»Ja, so ein Fest ist wirklich aufschlussreich.« Der kleine Menok linste betont unschuldig zu Felicitas hinauf.

Lukas würde die Elfe in einer ruhigen Minute fragen, was es mit ihrer Feindschaft zu dieser Mirabella von Sommerlicht auf sich hatte.

Die Flügeltür vor ihnen klappte nach innen auf und sie betraten den Thronsaal. Der Boden war mit einem roten Brokatteppich ausgelegt, an den Wänden hingen Bilder in Holzrahmen, mit Elfenstaub besprenkelt. Die eingespannten Leinwände zeigten Szenen und Orte aus dem Flüsterwald.

In einem Regen aus violetten Funken erschien das Herz des Waldes als schimmernde Lichtsphäre. Nahezu in der gleichen Sekunde wirbelte ein pelziger Körper aus einem der Schatten hervor.

»Punchy«, rief Felicitas erfreut.

Sie sauste hinunter und umarmte ihre Beschützerin innig. Nacheinander begrüßten die Freunde die Katze ebenfalls.

»Du hast uns gerufen«, sagte Lukas an die leuchtende Sphäre gewandt. »Was ist passiert?«

»Etwas Schlimmes«, erwiderte das Herz des Waldes.

Rani hatte sein Büchlein gezückt und machte sich bereits Notizen. »Wir benutzen einfach ein Gefahrenthermometer«, schlug er vor. »Menschen haben das auch. Das bekommen sie ins Ohr oder in den Po gesteckt und damit wird gemessen, wie gefährlich sie sind.«

Lukas schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Natürlich sprach Rani von einem Fieberthermometer, was er wie immer völlig falsch interpretiert hatte.

»Oder wir lassen das lieber«, warf Ella ein und wechselte schnell das Thema. »Das Herz wollte uns bestimmt gerade erklären, was los ist.«

Glücklicherweise reagierte es umgehend. »Eine Besucherin aus einem fernen Flüsterwald ist bei uns eingetroffen, eine fremde Katze. Leider ist sie in keinem guten Zustand. Sie hat Verletzungen davongetragen und ist nicht ansprechbar.«

Zu den Worten leuchteten neben dem Herzen durchscheinende Bilder auf, die das Gesagte zeigten. Szenen, in denen sich mehrere Katzen über eine bewusstlose Artgenossin beugen.

»Das ist ja furchtbar«, flüsterte Lukas.

»Unsere Besucherin wird es überstehen«, sprach das Herz weiter, »doch ein Zauber hält sie im Tiefschlaf. Etwas Schreckliches muss geschehen sein und leider können wir nicht herausfinden, was. Ihr müsst wissen, dass die Katzen die Macht besitzen, über die Katzenlinien jeden Ort im Flüsterwald zu erreichen. Dazu müssen sie einfach in die Schatten springen, wo sich die Katzenlinien verbergen. Ebenso können sie über die Katzenlinien auch in andere Flüsterwälder reisen. Doch im Augenblick ist das nur noch innerhalb unseres eigenen Flüsterwalds möglich – die Linien zum Herkunftswald der verletzten Katze sind am Zerfallen. Es ist zu gefährlich, sie noch zu benutzen. Dieser ferne Wald kann also nicht mehr erreicht werden.«

Ellas Blick war noch immer auf die Sphäre gerichtet, wo sich die Katzen um ihre Artgenossin kümmerten. Es war nichts zu hören, eine reine Bildübertragung. »Was immer in dem anderen Flüsterwald vorgefallen ist – könnte eine solche Gefahr auch uns erreichen?«

»Das ist meine Befürchtung«, erklärte das Herz des Waldes. »Außerdem wollen wir natürlich jedem helfen, der uns um Hilfe ersucht.«

Lukas wechselte einen kurzen Blick mit Ella. »Die Gefahr, vor der die Besucherkatze geflohen ist, hat uns womöglich bereits erreicht.« Er berichtete von dem Vorfall auf dem magischen Speicher.

Punchy maunzte aufgebracht.

»Das ist seltsam«, sagte das Herz des Waldes. »Katzen greifen normalerweise keine Menschen und erst recht nicht sich untereinander an. Es kann natürlich Zufall sein, dass diese beiden Ereignisse so nah beieinander liegen, aber es stellt sich durchaus die Frage, ob eure Angreiferkatze auf dem Speicher auch etwas mit dem Angriff auf unsere Besucherkatze zu tun hat. Früher hat es durchaus einzelne Clans gegeben, die über Gebietsansprüche mit anderen in Auseinandersetzung gerieten. Doch das ist lange her. Seit vielen Jahren herrscht Friede zwischen allen Katzen. Ich würde ja die Königin des Katzenwaldes kontaktieren, sie könnte mir sicher mehr, über die Lage der Katzen berichten, aber das ist aktuell leider unmöglich.«

Lukas staunte. »Es gibt einen Katzenwald?«

»Damit kommen wir zum zweiten Punkt«, erklärte das Herz. »Es gibt einen Katzenwald, aber der ist momentan nicht erreichbar. Ihr müsst wissen, dass es möglich ist, mit Hilfe der Blinzelbahn in die fernen Wälder zu reisen.« Das Herz des Waldes machte eine kurze Pause. »Doch es gibt einen Weg, die Reiseverbindung der Flüsterwälder untereinander zu trennen. In den dunklen Jahren ist dies geschehen, damals war die Blinzelbahn sogar innerhalb unseres Flüsterwaldes nur beschränkt einsetzbar. Nun hat jemand die Verbindung nach außen erneut abgeschaltet und den Meisterschlüssel gestohlen.«

»Den Meisterschlüssel?«, echote Lukas.

»Mit ihm kann jede Verbindung der Blinzelbahn von den Blinzelingenieuren an- oder abgeschaltet werden«, erklärte das Herz. »Wir haben keine Möglichkeit, den fernen Flüsterwald aufzusuchen, solange die Verbindung der Blinzelbahn deaktiviert ist.«

»Und ohne den Schlüssel können wir sie nicht wieder einschalten«, schloss Ella. »Aber können die Blinzelingenieure da nichts tun?«

»Genau da beginnt eure Aufgabe«, erklärte das Herz des Waldes. »Ihr sucht die Blinzelingenieure auf und bittet sie um den zweiten Meisterschlüssel. Es gibt eine Ersatzversion, falls etwas schiefgeht.«

Lukas bekam große Augen.

Er durfte die Blinzelingenieure besuchen.

»Und das ist nicht alles«, sagte das Herz. »Kommt mit!«

Das Herz schwebte aus dem Thronsaal, dann weiter einen Gang entlang, bis es eine Tür aus Stein erreichte. Die Freunde folgten ihm. Als die Tür sich rumpelnd öffnete, flimmerte die Luft über der Schwelle – wie über einer asphaltierten Straße an einem heißen Sommertag. Sie gingen hindurch und standen in einer Werkstatt.

Eine weitere Überraschung wartete auf sie.

In der Werkstatt

»Großvater!«, rief Ella.

Archibald von Thun blieb gerade noch ausreichend Zeit, die Arme auszubreiten, schon hatte Ella sich hineingeworfen.

Lukas war damit beschäftigt, sich zu fragen, wie sie hierhergekommen waren und wo ›hier‹ überhaupt war.

»Du hast ihn befreit«, jubelte Ella.

Ihr Großvater herzte sie noch einmal, schob sie dann aber sanft zurück. »Leider nicht, mein Schatz.« Archibald von Thun trug ein kariertes Flanellhemd und verschlissene Jeans. »Wir befinden uns noch immer im Gefängnis. Ihr wisst ja, dass es sich um ein magisches handelt, das ich nicht verlassen kann. Aber das Innere passt sich dem Bewohner an.« Er breitete die Arme aus. »Deshalb ist es jetzt eine Werkstatt für magische Apparaturen.« Er zwinkerte. »Auf diese Art habe ich jede Menge Spaß und kann den ganzen Tag neue Dinge entwickeln und bauen.«

Der Raum war gewaltig und umfasste neben der Werkstatt noch weitere Bereiche, wie ein großes Loft. Lukas wusste kaum, wo er zuerst hinsehen sollte. Auf den Werkbänken um sie herum lagen allerlei Metallteile, Zahnräder und Steine in verschiedenen Farben.

In Sichtweite, etwas weiter hinten, befand sich die Küche, wo an einer Holzleiste Tassen unterschiedlicher Größe und Form hingen. Auf einer Herdplatte kochte heißes Wasser, vermutlich, um Tee zuzubereiten.

Es gab eine Ecke mit flauschigen Kissen, einem Fernseher, einem Computer und Büchern. Daneben eine Tür, hinter der Lukas das Badezimmer vermutete. Eine andere konnte dann nur noch das Schlafzimmer sein.

»Hier hat sich viel verändert«, sagte Lukas.

Archibald von Thun nickte stolz. »Ich habe mir meine perfekte Werkstatt geschaffen und kann den Bereich mit meiner Fantasie immer wieder verändern. Es ist richtig schön. Und auf diese Weise kann ich mir alle Materialien beschaffen, die ich für neue Geräte benötige. Nur Zaubertränke und Pulver kann ich nicht herstellen, dafür wären Rohstoffe nötig, die dieser Ort nicht produzieren kann: Pflanzen und Sandarten.«

Das Herz schickte einen warmen Lichtschimmer in den Raum. »Der Professor ist direkt mit der Herzburg verbunden und ich habe ihn gebeten, ein paar Dinge herzustellen, die euch bei eurem kommenden Abenteuer von Nutzen sind.«

»An dieser Stelle möchte ich festhalten, dass ich überhaupt nichts davon halte, dass ihr noch immer durch den Flüsterwald rennt und euch in Gefahr begebt«, sagte der Professor ernst. Als Ella ansetzte, etwas zu sagen, sprach er schnell weiter: »Aber ich habe längst kapiert, dass ich es mit Dickköpfen zu tun habe, die ich nicht davon abhalten kann. Daher möchte ich wenigstens helfen, euch zu beschützen.«

Es hätte Lukas keinen Augenblick gewundert, wenn der Professor Ella direkt mit einem weiteren Zauber davon abgehalten hätte, den Flüsterwald je wieder zu betreten.

»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Großvater«, sagte Ella. »Wir sind quasi Profis.«

Ein lautes Scheppern erklang.

Alle Augen richteten sich auf Rani, der auf einer der Werkbänke saß und eine Kurbel in der Hand hielt. Der Rest des dazugehörigen Gerätes lag in Einzelteilen am Boden.

»Das war jetzt aber nicht sehr robust«, verkündete der Menok.

»Profis, hm?« Archibald von Thun blickte Ella skeptisch an.

»Wir arbeiten daran«, sagte sie hüstelnd.

Punchy maunzte, was irgendwie dabei half, die Aufmerksamkeit wieder auf das eigentliche Thema zu richten.

»Richtig.« Der Professor warf noch einmal einen skeptischen Blick auf Rani, der gerade die Kurbel fallen ließ, dann sagte er: »Ich habe hier schon alles zurechtgelegt.«

Auf einem viereckigen Tisch aus hellem Holz, der im Zentrum der Werkstatt stand, lagen mehrere Gegenstände.

»Einmal hätten wir hier Erde-Luft-Pulver«, erklärte der Professor. »Das hatte ich noch in meinem Rucksack und ihr könnt es gerne benutzen. Es kann euch helfen, wenn ihr in Höhlen unterwegs seid und ein Erdrutsch den Weg versperrt.«

»Wofür ist es denn gut?«, fragte Rani.

Von Thun blinzelte. »Nun ja, es macht eben Erde zu Luft.« Etwas leiser murmelte er vor sich hin: »Profis«, und schüttelte den Kopf. Als Nächstes tippte er auf eine Dose. »Hierin befinden sich Saatkörner. Im Notfall könnt ihr damit innerhalb von kürzester Zeit Wurzeln wachsen lassen, die euch schützen oder einen einfachen Befehl ausführen.«

»Könnte ich damit in meinem Bau …«, begann Rani.

»Nein«, unterbrach der Professor.

»Aber meine Brüder …«, wollte der Menok weitersprechen.

»Nein«, sagte Archibald von Thun nachdrücklich. »Das ist kein Spielzeug.«

»Was ist das da?«, fragte Lukas und deutete auf vier Manschetten aus Leder mit Metallanschlägen. An der Seite befanden sich kleine Öffnungen und dahinter etwas, das an eine runde Muschel erinnerte.

»Ich nenne sie ›Klettermanschetten‹«, erklärte der Professor. »Dieses runde Teil enthält ein Metallseil mit einem Pfeil vorne dran, den ihr abschießen könnt. Er hakt sich ein und wenn die Manschette das Seil wieder aufrollt, werdet ihr hochgezogen. Sobald das geschehen ist, löst der Pfeil sich wieder und kann erneut abgeschossen werden. Das funktioniert magisch, in den Metallornamenten sitzt die Magie. Deshalb trefft ihr auch immer. Außerdem sind die Manschetten vor einwirkender Magie geschützt, damit sie niemand manipulieren kann. Ich will ja nicht, dass ihr abstürzt.«

Das, fand Lukas, war das absolut genialste Gadget von allen. Sofort musste er an den einen oder anderen Helden aus seinen Büchern denken, der so etwas benutzte.

»Ihr setzt die Klettermanschetten aber bitte nur im Notfall ein«, ergänzte der Professor. »Haltet euch doch am besten von Abgründen fern.«

Lukas erkannte am freudigen Funkeln in Ellas Augen, dass sie am liebsten auch sofort mit den Manschetten losgeklettert wäre. Oder sich über etwas geschwungen hätte. Natürlich konnte sie das ihrem Großvater niemals sagen.

»Total«, erklärte sie stattdessen mit einer Überzeugungskraft, mit der sie in der Theater-AG alle umgehauen hätte. »Wir sind immer absolut vorsichtig.«

Ein Klirren erklang.

Es war aus Ranis Richtung gekommen, der auf der Anrichte in der Küche saß. Eine der Tassen lag zerbrochen am Boden. »Ich dachte, ich hätte Schokolade gerochen.«

Lukas verdrehte innerlich die Augen. Er dachte ernsthaft darüber nach, Rani allein deshalb mit Schokolade zu versorgen, damit der das nächste Abenteuer einfach verschlief. Denn sobald er Schokolade aß, verfiel er in einen koma-ähnlichen Tiefschlaf. Der Menok brachte es noch im Alleingang fertig, die Blinzelbahn in die Luft zu jagen.

»Profis«, wiederholte der Professor und schlug sich die Hand vor die Stirn.

»Beschützer des Flüsterwaldes«, hielt Lukas dagegen. »Immerhin haben wir alleine den dunklen Magier besiegt.«

Wogegen der Professor wohl kaum etwas sagen konnte. Dass es dabei zu dem einen oder anderen Missgeschick gekommen war, musste man ja nicht extra erwähnen.

»Da wäre noch etwas, Großvater«, sagte Ella und berichtete vom Angriff der Katze auf dem Speicher und dem Regal mit den verborgenen Tinkturen.

»Davon sollte eigentlich niemand etwas wissen«, sagte der Professor leise. »Diese Tinkturen waren quasi … ein Experiment. Das ist eine lange Geschichte. Letztlich zählt aber nur, dass der Versuch fehlgeschlagen ist. Die Tränke sind unberechenbar, ich konnte ihre Wirkung nicht stabilisieren.«

»Ich danke Ihnen, Archibald von Thun«, sagte das Herz des Waldes feierlich. »Sie erweisen dem Flüsterwald einen großen Dienst, indem Sie Ihr Wissen zur Verfügung stellen. Gemeinsam werden wir dafür sorgen, dass keine neue Gefahr hier Fuß fassen kann.«

»Und in der Zwischenzeit suche ich nach einem Weg aus diesem Gefängnis – auch wenn es sehr gemütlich ist.« Der Professor deutete ein Nicken an.

Mit einer innigen Umarmung verabschiedete sich Ella von ihrem Großvater. Lukas verstaute das Pulver und die Saatkörner, bevor er zwei der Manschetten nahm und sie sich anlegte. Eine am rechten, eine am linken Handgelenk. Ella tat es ihm gleich.

»Tschüss, Professor.« Lukas winkte ihm zum Abschied zu.

»Viel Erfolg!«, wünschte ihnen Archibald von Thun.

Sie übertraten die flimmernde Schwelle und das Steinportal schloss sich hinter ihnen. Gemeinsam mit dem Herzen standen sie wieder in dem Gang, der zum Thronsaal führte.

»Die Blinzelbahn ist bereits auf das neue Ziel ausgerichtet«, erklärte das Herz. »Von dort aus wird Pedora Ulinde Naftet von Chibalka euch den Weg zum Eingang des Reichs der Blinzelingenieure weisen.« Das Herz schickte einen wärmenden Schauer, der ihnen Mut machte. »Jetzt ist es an euch, den zweiten Meisterschlüssel zu besorgen, damit die Verbindung zu den fernen Flüsterwäldern wiederhergestellt werden kann. Der Flüsterwald zählt auf euch.«

Damit wurde es zu einem verwaschenen Fleck und verschwand.

Die Freunde begaben sich zur Blinzelbahn.

Treppe in die Tiefe

Die Freunde erreichten den Raum mit dem roten Samtteppich, der Schale mit den Früchten und dem bunten Blumenstrauß. Wie vom Herz des Waldes versprochen, war die Zielhaltestelle auf der Blinzelbahnplattform bereits eingestellt. Lukas blinzelte – mehr versehentlich, als um eine Fahrt auszulösen – und schon wurden sie durcheinandergewirbelt. Am Ziel wartete ein bisher unbekannter Bahnhof.

Dieser unterirdische Blinzelbahnhof erinnerte an eine ausladende Höhle, die voller Pflanzen war. Wurzelstränge ragten aus der Wand, Steinbrocken lagen am Boden. Ein Rinnsaal aus Wasser floss stetig an den Strängen herab, Pfützen hatten sich gebildet. Die Erde war matschig.

»Ein Wunder, dass hier noch nicht alles eingestürzt ist«, sagte Ella.

»Das kann aber jederzeit passieren«, merkte Rani an. »Ich habe starke Zweifel, was die Stabilität dieses Blinzelbahnhofs angeht.«

Punchy fauchte und sah sich mit angelegten Ohren um.

»Droht hier Gefahr?«, fragte Lukas die Katze.

Die Beschützerkatze schüttelte den Kopf und sprang zwischen den Pfützen hindurch auf Gestrüpp zu. Es raschelte, dann war sie verschwunden.

»Das bedeutet wohl, wir sollen ihr folgen«, meinte Lukas.

»Bist du sicher?«, fragte Rani. »Vielleicht bedeutet es ja in Wirklichkeit, dass wir hier warten sollen, bis sie zurück ist.«

»Nein«, sagte Felicitas entschieden, »wir sollen ihr folgen.«

Und wie ein Flugzeug im Sturzflug raste die Elfe auf die Sträucher zu, durch das Blätterwerk hindurch, und war ebenfalls verschwunden.

Lukas ging näher, bog Äste und Gestrüpp beiseite. Dahinter konnte er einen schmalen Tunnel ausmachen, der von einem schwebenden Licht erhellt wurde.

»Seht ihr genug?«, rief Felicitas aus dem Tunnel heraus zu ihnen hinüber.

»Ja, danke für das magische Licht«, erwiderte Ella.

Rani kam schnell näher gehüpft, um sich zwischen Ella und Lukas hindurchzuschlängeln. Auf diese Art war er in beide Richtungen beschützt.

Auch hier im Gang war der Untergrund matschig, überall floss Wasser die Steinwände hinab. Konnte es sein, dass sie sich unter einem See befanden?

Daran wollte Lukas lieber nicht denken. Er erinnerte sich noch allzu gut an sein Tauchabenteuer im Giftmüllsee der Meerjaner. Wenn der Gang hier einstürzte und Wasser hindurchschoss, hatten sie ein echtes Problem.

Hatte er den Unterwassertrank eigentlich noch im Rucksack? Er konnte sich nicht genau daran erinnern, was er eingepackt hatte.

Glücklicherweise machte der Gang lediglich eine kurze Biegung, dann war er auch schon zu Ende und öffnete sich zu einer kreisrunden Höhle. In deren Mitte stand eine Skulptur aus Stein, die einer geschlossenen Lilienblüte ähnelte.

»Ist die schön«, hauchte Felicitas.

»Aber auch ziemlich nutzlos«, merkte Rani an.

»Schönheit ist niemals nutzlos!«, protestierte die Elfe.

»Das weiß ich doch.« Der Menok strich sich über sein flauschiges Fell.

»Ich meinte natürlich, die Schönheit der Natur«, ergänzte die Elfe neckend.

Ranis Pfoten gefroren in der Bewegung. »Willst du damit etwa sagen, dass mein Fell …«

»Du hast angefangen«, gab sie zurück.

»Aber es stimmt doch, dass die Skulptur nutzlos ist!« Rani hoppelte zu der geschlossenen Steinblüte und klopfte mit seinem Greifschwanz dagegen.

Prompt erzitterte der Boden.

Mit einem Satz brachte sich der Menok hinter Lukas in Sicherheit und umklammerte dessen Bein.

»Fass doch heute einfach nichts mehr an«, schlug Ella vor. »Es sind jetzt genug Sachen kaputtgegangen.«

Doch die Skulptur ging nicht zu Bruch. Stattdessen entfalteten sich die Blütenblätter. Dann glitten sie langsam zu Boden und gaben den Weg auf eine Treppe frei, die in die Tiefe führte. Den Weg nach unten erhellten die typischen Wasserlichter, die im Flüsterwald so weit verbreitet waren. Wie so oft in Holzgitterkugeln halb in die Steinwand eingelassen.

Schweigend stiegen sie die Stufen hinab, Punchy sprang erneut voraus. Obgleich sie anfangs gefaucht hatte, schien sie nicht ängstlich zu sein. Gab es also keine Gefahr?

»Manchmal wünschte ich wirklich, sie könnte uns einfach sagen, was sie denkt«, erklärte Lukas.

»Oh ja«, erwiderte Felicitas seufzend, die neben seinem Gesicht schwebte. »Das wäre so toll. Punchy und ich könnten uns stundenlang unterhalten, bis tief in den Morgen Geschichten erzählen.«

Lukas musste an den gelangweilten Blick der Katze denken, den diese so häufig aufsetzte. Vielleicht war es doch besser, dass sie nicht sprechen konnte.

»Da hat Punchy ja noch mal Glück gehabt, dass ihr das erspart bleibt«, sagte Rani bedauerlicherweise prompt.

»Das habe ich gehört«, rief Felicitas.

Lukas runzelte die Stirn. Zwar hatten Rani und Felicitas sich seit jeher viel geneckt, doch ihm kam es so vor, als würden die beiden sich seit der Erwähnung von Mirabella von Sommerlicht noch öfter streiten.

»Sag mal, Felicitas«, sagte Lukas vorsichtig, »was hat es eigentlich mit dieser Mirabella von Sommerlicht auf sich?«

Die Elfe wirkte, als würde sie sich jeden Moment von einer glitzernden Sternschnuppe in einen glutroten Kometen verwandeln. »Sie hat etwas sehr Gemeines getan.«

»Und das wäre …?«, hakte Lukas nach und schluckte.

»Wir hatten im Internat die Aufgabe, einen Aufsatz zu schreiben über Zauber, die schiefgegangen sind.«

»Das heißt aber anders«, warf Rani ein, zog sein Buch hervor und blätterte eifrig. »Die Überschrift war: ›Magische Katastrophen und wie wir sie in Zukunft vermeiden‹.«

Felicitas gefror in der Luft und es hätte Lukas keinen Augenblick gewundert, wenn sie wie ein Stein zu Boden geplumpst wäre. »Woher weißt du das?«

»Die nette Mirabella hat mir ihren Aufsatz auf dem großen Flüsterfest zu lesen gegeben«, erklärte Rani. »Ich habe mir die wichtigsten Passagen abgeschrieben.«

»Sie hat was?« Jetzt war Felicitas’ Stimme heiser.

»Sie hat mir auf dem Flüsterfest …«, begann der Menok erneut.

»Felicitas hat es verstanden«, sagte Ella. »Was stand denn in dem Aufsatz drin?«

»Es ging um diesen bedauerlichen alten Zwischenfall«, erklärte die Elfe und ergänzte mit einer wegwerfenden Handbewegung: »Mit dem Siebenbachtal.«

»In dem jetzt niemand mehr lebt«, ergänzte Rani vorlaut.

»Das war aber nicht nett«, haspelte Ella schnell.

»Es steht genau drin, was Felicitas falsch gemacht hat«, berichtete Rani. »Soll ich es euch vorlesen?«

»Nein«, riefen Ella und Lukas gleichzeitig.

Obwohl es Lukas brennend interessiert hätte, endlich zu erfahren, welcher Zauber damals so schiefgelaufen war. Bei ihrem ersten Zusammentreffen hatte die Elfe das Siebenbachtal kurz erwähnt, aber nie verraten, was passiert war.

»Mirabella von Sommerlicht hat sich darüber lustig gemacht«, sagte Felicitas und ließ die Flügel hängen. »Und das ist nur eines von vielen Dingen.«

Ella tippte sich auf die Schulter und die Elfe sank dankbar darauf.

»Zum Glück liegt das ja hinter dir«, sagte Lukas aufmunternd. »Schließlich bist du nicht mehr im Internat und musst dich auch nicht mehr mit dieser Mirabella herumschlagen.«

Solange das Herz des Waldes sich jeweils zur Hälfte in Felicitas und Felinde von Siebenstern befunden hatte, war die Magie in beiden so mächtig gewesen, dass es für die Elfe zu gefährlich gewesen war, sich im selben Raum mit ihrer Mutter aufzuhalten. Das war auch der Grund gewesen, warum Felinde ihre Tochter auf ein Internat hatte schicken müssen. Nun, da das Herz des Waldes wiedererstanden war, gab es zwar noch einen kleinen Rest der Herzmagie in der jungen Elfe. Aber sie konnte sich ihrer Mutter wieder gefahrlos nähern.

»Doch, ich bin noch auf dem Internat«, sagte Felicitas unglücklich. »Meine Eltern wollen, dass ich das Lernjahr noch zu Ende mache.«

»Die paar Monate«, warf Ella ein.

»In Menschenjahren sind das …« Felicitas dachte nach.

»Zwanzig«, warf Rani hilfreich ein.

»Vier«, korrigierte Felicitas. »Du kannst überhaupt nicht richtig in Menschenzahlen umrechnen!«

Das hätte wohl die nächste Diskussion ausgelöst, hätten sie nicht in diesem Augenblick das untere Ende der Treppe erreicht. Dort wartete Punchy bereits. Der weitere Weg war bis unter die Decke mit Geröll und Erde versperrt.

Im Reich der Blinzelingenieure

»Ich könnte graben«, schlug Rani vor. »Wir Menoks sind ausgezeichnete Tunnelbuddler.«

»Ein wenig Magie vielleicht?« Felicitas ließ eine Prise Elfenstaub flirren.