Flüsterwald - Eine neue  Bedrohung. Die versteinerten Katzen (Flüsterwald, Staffel II, Bd. 2) - Andreas Suchanek - E-Book

Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Die versteinerten Katzen (Flüsterwald, Staffel II, Bd. 2) E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Spannende Wendungen, viel Witz und maximaler Lesespaß – die erfolgreiche Abenteuerreihe ab 9 Jahren geht weiter! Endlich ist es so weit. Lukas, Ella und ihre Freunde reisen in den fernen Flüsterwald, der ein Katzenwald ist. Doch dort angekommen bietet sich ihnen ein katastrophales Bild: Alle Katzen vor Ort sind versteinert! Erneut war die fremde Magierin ihnen einen Schritt voraus. Welche Ziele verfolgt ihre Gegnerin? Ungeachtet aller Gefahren schmieden die fünf Freunde einen Plan, um die Magierin aufzuhalten … Die Fantasy-Reihe mit Suchtfaktor – endlich Band 2 von Staffel II!

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Über das Buch

Endlich ist es so weit. Lukas, Ella und ihre Freunde reisen in den fernen Flüsterwald, der ein Katzenwald ist. Doch dort angekommen bietet sich ihnen ein katastrophales Bild: Alle Katzen vor Ort sind versteinert! Erneut war die fremde Magierin ihnen einen Schritt voraus. Welche Ziele verfolgt ihre Gegnerin? Ungeachtet aller Gefahren schmieden die fünf Freunde einen Plan, um die Magierin aufzuhalten …

Die Fantasy-Reihe mit Suchtfaktor – endlich Band 2 von Staffel II!

Lukas (Mensch)

*Leseratte und Abenteurer

*muss sich in einer neuen Stadt zurechtfinden

*seine Familie hat keine Ahnung vom Flüsterwald oder von Magie

Ella (Mensch)

*Lässt sich von niemandem aufhalten

*Liebt ihren Großvater über alles

*hat viel in der Theater-AG gelernt

Felicitas (Elfe)

*zaubert gerne (was nicht immer klappt wie geplant)

*fühlt sich im Internat einsam und unternimmt deshalb öfter (verbotenerweise) Streifzüge

Rani (Menok)

*Nachwuchsautor, forscht über Menschen

*spielt für sein Leben gerne und ist schokoladensüchtig

Punchy (Katze)

*heißt mit vollem Namen: Pedora Ulinde Naftet von Chibalka

*Aufpasserin von Felicitas

*hat Nerven aus Stahl

Inhalt

Prolog

Tante Stefanie

Nur eine Prise

Rückkehr zum Baumhaus

Katzenkunde

Die neue Ausrüstung

Ankunft im Katzenwald

Das steinerne Rätsel

Das Tatzensiegel

Der Katzenpalast

Attacke der Angreiferkatzen

Vom Regen in die Traufe

Unter dem Schnee

Siegelschutz

Stürmische Winde

Die Schneekatzen

In den Schatten des Schneegebirges

Eine Linie gewoben

Vergessen

Gefährliche Ella

Ranis heldenhafte Abenteuer

Verwandle dich!

An den Anfang

An das Ende

Ein waghalsiger Plan

Aussichtslos

Ich habe genug!

Abschied

Die speziellen Tränke

Finde deine innere Mitte

Epilog

Prolog

Mit einem triumphierenden Lächeln betrachtete sie die Schöpfungsapparatur. Es hatte nur ein wenig Manipulation ihrerseits gebraucht, um sie zu etwas Dunklem, Gefährlichem zu verändern. Wie ein ausgetrockneter Schwamm sog die Apparatur nun die Magie der Flüsterwälder auf. Immer mehr und mehr, doch noch lange nicht genug. Die Zahnräder surrten – zwischen goldenen Säulen in einem prunkvollen Saal, umgeben von steinernen Statuen.

Noch konnte sie die Apparatur nicht fortschaffen, da war noch eine Sache, die erledigt werden musste. Aber die erwies sich als äußerst schwierig. Das vertraute Gefühl von Ungeduld keimte in ihr auf. »Das alles geht zu langsam.«

»Wir haben diese machtvolle Apparatur, die Magie tut ihre Wirkung und die Verbindung der Blinzelbahn zu den fernen Wäldern ist abgeschaltet«, sagte Zottelfell. »Haben wir nicht ausreichend Zeit?«

Sie blickte durch den eitrigen Nebel, der sie wabernd umgab, auf die sich sammelnde Magie in der Apparatur. »Nach all den Jahren kehrt das Herz des Waldes im ungünstigsten Augenblick zurück. Es ahnt nicht einmal, warum es so gefährlich für mich ist.«

»Das sollte auch besser so bleiben.« Die Katze leckte sich die Tatzen.

Zottelfells Gelassenheit machte sie noch unruhiger, ja geradezu wütend. »Die Beschützer dieses einen Flüsterwaldes haben die Warnung hoffentlich verstanden. Wehe, sie kommen mir in die Quere. Falls sie versuchen, einen fernen Wald aufzusuchen, müssen wir bereit sein.«

»Die Späher haben nichts gemeldet«, versicherte Zottelfell. »Sie behalten den gesamten Katzenwald im Blick.«

»Das hoffe ich. Andernfalls werden demnächst ein paar mehr Statuen hier stehen«, stellte sie klar. »Es ist noch nicht ausreichend Magie abgezogen worden, vermutlich benötigen wir zwei oder drei Wochen. In dieser Zeit darf uns niemand stören.«

»Als ob sie das könnten.« Zottelfell maunzte triumphierend auf.

»Wir sollten sie nicht unterschätzen.« Der eitrige Nebel wallte bei ihren Worten auf. Dann verlor sich ihr Blick in der Ferne. »Ich warne euch, Beschützer des Waldes! Das hier ist ein Kampf, den ihr nicht gewinnen könnt.«

Sie blickte weiter auf die Schöpfungsapparatur, die von einem funkelnden Stern der Erschaffung zu einem Parasiten geworden war.

Alles verlief nach Plan.

Tante Stefanie

»Hallo, Lieblingsfamilie!«

Sie hatten sich alle an der Tür versammelt, nachdem es dort endlich geklingelt hatte. Der Wind wirbelte durch das Haar von Tante Stefanie, die einen eleganten Mantel und kniehohe Stiefel trug. Sie schien das schlechte Wetter in Winterstein vorausgesehen zu haben. Während im Rest von Deutschland noch recht angenehme Temperaturen herrschten, hatte der Winter das kleine Örtchen bereits fest im Griff.

»Schwesterherz, es ist so schön, dass du da bist«, trällerte Lukas’ Mutter. »Und nur mit zwei Stunden Verspätung.«

»Es hat ein wenig gedauert, bis ich eure Villa gefunden hatte«, trällerte Tante Stefanie in gleicher Stimmlage zurück.

»Herrenhaus«, kam es als Klarstellung, die Tonlage hatte einen ersten Bruch. »Ein uriges.«

»Du hast ja so recht.« Lukas’ Tante sah sich um. »So naturbelassen, quasi rustikal. Wo sind meine Lieblingsnichte und mein Lieblingsneffe?«

»Aber wir stehen doch hier.« Lisa machte einen Satz über die Türschwelle und warf sich gegen die Hüfte ihrer Tante.

Beinahe hätte das zu einer Bruchlandung geführt.

Lukas zupfte an seinem Kragen. Zur »Feier des Tages« hatte er einen Pullover mit einem Hemd darunter anziehen müssen. Dazu Chinos. Als stünde die Abschlussfeier in der Schule an oder so was. Und als wäre das nicht schlimm genug, war seine Mutter mit einem Kamm über ihn hergefallen!

Ein Kamm!

Probehalber zupfte er an seinen Haaren.

»Sie sind noch alle da«, kam es aus den Mundwinkeln gepresst von rechts. »Und jetzt hör auf, ständig daran herumzuzupfen!«

»Da fehlt ein gewisser Neffe«, rief Lukas’ Tante, was er zum Anlass nahm, ebenfalls in den Wind zu treten.

Damit war das Ergebnis des Kamm-Angriffs sowieso wieder zunichtegemacht. Er umarmte seine Tante und freute sich wirklich, sie wiederzusehen. Ein Hauch von Großstadtflair machte sich breit.

Die weitere Begrüßung ging schnell vonstatten und schließlich holten Lukas’ Pa und er einen gewaltigen Reisekoffer sowie mehrere Taschen aus dem SUV seiner Tante.

»Der schluckt bestimmt viel Benzin«, raunte sein Vater.

»Elektroauto«, rief Tante Stefanie von der Eingangstür. »Komplett umweltfreundlich. Seid ihr auch schon umgestiegen?«

»Lehrergehalt«, gab sein Pa nur zurück und Lukas bekam eine Ahnung davon, wie das Abendessen verlaufen würde.

Sie deponierten erst einmal alles im Flur, bevor es weiter in das Esszimmer ging. Der Tisch war bereits gedeckt, was Lukas total gerne erledigt hatte. Hauptsache, es gab endlich etwas zu essen. Es roch nach Bratensoße mit einem Schuss Rotwein darin, das Fleisch war geschmort, dazu gab es selbst gemachte Knödel. Anders gesagt: Seit gestern hielt seine Mutter die gesamte Familie auf Trab, verteilte Aufgaben und prüfte die Kleidung – mit dem Ergebnis, dass sogar der Staubsauger inzwischen seinen Geist aufgegeben hatte.

Das Herrenhaus roch nach Bergfrühling. Ob Professor von Thun, der frühere Besitzer, es überhaupt wiedererkannt hätte?

»Ich habe auch ein paar Geschenke von eurer Oma im Gepäck«, sagte Tante Stefanie und zwinkerte zuerst Lisa, dann ihm zu. »Danke, nicht so viel Knödel.«

Ihr Teller war zur Hälfte gefüllt.

»Achtest du wieder auf deine Linie?«, fragte Lukas’ Mutter.

»Immer. Du auch?«

»Wie war denn deine Fahrt sonst so?«, fragte Lukas.

Er hatte das untrügliche Gefühl, dass sie das Abendessen nicht bis zum Ende schafften, wenn er sich nicht ordentlich ins Zeug legte, um alle möglichen Gesprächsklippen zu umschiffen.

»Eigentlich ganz gut«, erwiderte seine Tante. »Aber ich verstehe wirklich nicht, warum mein Navi ausgefallen ist. Erst nachdem ich den Waldrand hinter mir gelassen habe, hat es wieder funktioniert.«

Lukas zuckte nur ratlos mit den Schultern.

In Wahrheit wusste er natürlich Bescheid. Seitdem er in Winterstein wohnte, hatte er schon einige spannende Abenteuer mit seinen Freunden Ella, Rani, Felicitas und Punchy im Flüsterwald erlebt. Dort lebten magische Wesen, die Menschen nur dann sehen konnten, wenn sie das blaue Flüsterpulver benutzten. Lediglich außerhalb des Waldes waren die magischen Wesen für Menschen auch ohne Flüsterpulver sichtbar. Deshalb verließen sie den Schutz des Waldes fast nie.

Die Warks – Beschützer der Geheimnisse des Flüsterwaldes – patrouillierten mittlerweile noch stärker in den Randgebieten des Waldes. Felicitas hatte Ella und Lukas davor gewarnt, diese Bereiche aufzusuchen. Die Warks hielten mit ihrer Magie Menschen davon ab, den Wald bei Nacht zu betreten. Einzig wenn man das Flüsterpulver benutzte, konnte man problemlos die Grenze passieren. Doch wehe, die Warks erkannten Lukas und Ella dann als Menschen. Das hätte äußerst gefährliche Folgen.

Da es bereits dunkel war, hatte Tante Stefanies Navi wohl ein wenig von der Magie zu spüren bekommen. Ein Glück, dass nicht gleich das Auto ausgefallen war.

»Stimmt’s, Lukas?«, erklang die Stimme seiner Mom.

»Total.« Er nickte eifrig. Nur wozu?

»Das ist so lieb«, sagte Tante Stefanie. »Weißt du, in meinem Alter braucht man einfach ein Bett. Und ich verspreche dir, den Rest des Tages hast du dein Zimmer meistens für dich.«

»Meistens?«, echote Lukas.

»Was soll das heißen, in deinem Alter? Du bist meine Schwester und gerade mal Anfang vierzig.«

»Und das sieht man mir deshalb nicht an, weil ich einen hervorragenden Schlafrhythmus habe«, stellte sie klar.

Lukas seufzte innerlich, als er an die nächsten Wochen dachte. Dabei störte es ihn gar nicht so sehr, dass er auf der Couch ihm Wohnzimmer schlafen musste. Das einzige Problem war, dass er dadurch keinen Zugriff mehr auf die geheime Tür zum Speicher hatte, die sich als Bücherregal getarnt in seinem Zimmer befand. Und auf dem Speicher waren die Portalstanduhr und all die magischen Utensilien versteckt, die sie für ihre Abenteuer benötigten.

Immerhin, für dieses Mal hatte er vorgesorgt.

Heute war bereits Freitag. In den letzten Tagen hatte das Herz des Waldes Ella täglich geprüft. Bei ihrem letzten Abenteuer, bei dem sie sich auf die Suche nach dem zweiten Meisterschlüssel begeben hatten, war Ella am Ende mithilfe eines magischen Rituals mit dem Schlüssel verschmolzen. Seitdem wohnte die Magie des Meisterschlüssels in ihr, doch es dauerte eine Weile, bis sich ihre Wirkung komplett verfestigt hatte.

Und nun war es so weit. Das Herz des Waldes hatte Ella für würdig befunden, die Magie des Meisterschlüssels endlich zu benutzen. Jetzt würde Ella gemeinsam mit Lukas, der über die Siegelmagie verfügte, die Verbindung der Blinzelbahn zu den fernen Flüsterwäldern öffnen können. Ab Samstag würden sie alle zusammen in einen anderen Flüsterwald reisen können. Lukas konnte es kaum erwarten.

»Ich bin ja morgen sowieso nicht hier«, erklärte er.

»Ach?« Tante Stefanie stoppte mitten in der Bewegung, die Gabel direkt vor ihrem geöffneten Mund. »Übernachtest du bei einem Freund?«

»Lukas hat sich mit einer tollen Idee hervorgetan«, sagte sein Pa stolz. »Ella und er haben das Projekt ›Lesenacht in der Schule‹ für den Deutschunterricht entwickelt. Am morgigen Samstag übernachten beide Klassen dort. Es werden Bücher gelesen, geplaudert … ein richtiges Abenteuer.«

»Es wird bestimmt total spannend.« Lukas nickte eifrig.

Gut, dass sein Pa den wahren Plan nicht kannte, den Ella und er ausgeknobelt hatten.

»Du gehst freiwillig in die Schule?« Tante Stefanie führte die Gabel jetzt doch zum Mund, kaute und schluckte.

»Natürlich tut er das.« Die Augen seiner Mutter blitzten. »Wieso sollte er auch nicht?«

»Ja, genau«, beeilte sich seine Tante zu versichern, »warum auch nicht? Jeder liebt die Schule.« Sie blinzelte. »Und wer ist diese Ella?«

»Eine Freundin«, erklärte er.

»Ah, ich verstehe.« Seine Tante lächelte.

Und bevor das Thema in eine andere Richtung abgleiten konnte, schoss Lukas einen Katalog an vorbereiteten Fragen ab, bis das Abendessen endlich überstanden war.

In den Koffern und Taschen seiner Tante befanden sich tatsächlich Kleinigkeiten, die Oma Elisabeth für ihn und seine Schwester mitgegeben hatte. Bücher für Lukas, Stofftiere für Lisa.

Ohne größere Katastrophen brachten sie den Abend zu Ende und Lukas atmete auf. Natürlich war ihm klar, dass die wahre Herausforderung erst noch bevorstand, als er sich in eine Decke auf der Couch einwickelte. Der Flüsterwald wartete.

Nur eine Prise

»Da bist du ja!«, rief Ella. Sie lehnte sich an die Wand des Klassenzimmers und wartete darauf, dass Lukas endlich alles ausgepackt hatte. Anschließend musste er noch seine Luftmatratze aufblasen.

Bereits auf den ersten Blick war Lukas klar, dass sie darauf brannte, die Blinzelbahn zu den fernen Wäldern zu benutzen. Ella wirkte total hippelig.

»Mein Vater hat mir tausendmal eingetrichtert, mich auch ja zu benehmen«, sagte Lukas. »Es scheint ihn nervös zu machen, dass ausgerechnet die Konrektorin eine der Aufsichtspersonen ist.«

Ella trug eine Jogginghose, Turnschuhe und ein weites Sweatshirt.

Lukas war fast identisch gekleidet: Jogginghose, Sneaker und ein Hoodie. Der Samstag war wie im Flug vergangen und seine Aufregung gestiegen.

»Es hat alles geklappt?«, fragte Ella.

»Ich habe einen kleinen Magnet am Riegel auf der Innenseite meines Fensters angebracht.« Er zog einen länglichen Magnetstift aus der Tasche. »Damit kann ich den Riegel von außen hochschieben.«

Eigentlich hatte er schlicht den Riegel am Fenster in seinem Zimmer offen lassen wollen. Leider hatte ein Windstoß letzte Nacht dafür gesorgt, dass das Fenster aufging, und seine Tante hatte sich heute Morgen über die Zugluft beschwert. Das Risiko war also zu groß, dass sie jetzt besonders darauf achtete, dass das Fenster richtig verschlossen war.

»Dann hoffe ich mal, dass alle zügig in ihren Schlafsäcken liegen«, sagte Ella. »Ich kann’s kaum erwarten, dass es endlich losgeht.«

Herr Rechbit schlurfte an ihnen vorbei, die Augen verquollen und heftig niesend. Auf ihre Blicke hin erklärte er: »Allergie. Dieser Schulgarten sollte auf allergene Pflanzen geprüft werden.«

»Nun lassen wir das Formular mal stecken, Herr Rechbit«, erklang die Stimme von Konrektorin Abeni streng. »Sie sind gegen jedes Gras und jede Polle allergisch, da müssten wir den Schulgarten abschaffen. Da wir aber Winter haben, dürfte für ihre verquollene Nase nicht der Garten verantwortlich sein, Herr Kollege. Eher der Staub. Gründen Sie doch eine Putz-AG!«

»Wäre das eine Möglichkeit?« Herr Rechbit blinzelte hoffnungsvoll.

Frau Abeni schenkte ihm einen Blick, der ihre Antwort vorwegnahm. »Ihre Gruppe wartet bereits. Und Ella, du solltest rüber in deine Klasse gehen. Großartige Idee mit der Lesenacht übrigens!«

Da war Lukas sich bei dem strengen Blick von Konrektorin Abeni gar nicht mehr so sicher. Falls diese etwas von ihrem Vorhaben mitbekam … Er wollte sich die Konsequenzen lieber nicht ausmalen. Aber sie hatten ja vorgesorgt.

»Viel Glück. Zwanzig Uhr«, flüsterte Ella und zwinkerte.

Sie rannte zu dem Raum, in dem sie mit ihren Klassenkameradinnen und Klassenkameraden untergebracht war. In jeder Klasse führten ein Lehrer und eine Lehrerin Aufsicht, wobei die pädagogische Energie in dem einen Zimmer einem müden Funken ähnelte und in dem anderen eher die Wucht eines Waldbrands besaß. Konrektorin Abeni versprühte feurigen Einsatz, wollte Lesen mit Leidenschaft. Herr Rechbit sehnte sich schlicht nach einer Nasenspülung und einem wirksamen Antiallergikum.

Gegen neunzehn Uhr lagen sie in ihren Schlafsäcken, eine Person aus der Klasse las abwechselnd vor und die anderen lauschten. Es war gemütlich und Lukas ärgerte es fast, dass er gleich gehen musste. Gerade las Armin aus einem Krimi-Buch. Eigentlich mochte Lukas lieber Fantasy, aber das hier hatte eine Gruppe Jugendlicher als Ermittler.

Um kurz vor zwanzig Uhr öffnete er heimlich eine Phiole, die er aus dem Speicherregal mit den magischen Tränken und Pulvern mitgenommen hatte, und trank deren Inhalt. Es war das Gegenmittel, das ihn für das Kommende immun machte.

Danach schraubte er den Deckel von der Puderdose seiner Tante ab, die er sich für diesen Abend geborgt hatte. Natürlich befand sich darin mittlerweile eine ganz andere Art von Pulver.

Lukas bat Herrn Rechbit darum, das Fenster einen Spalt öffnen zu dürfen. Kurz darauf wehte der sanfte Luftstrom das Pulver aus Lukas’ Dose durch den Raum und Sekunden später erklang eine Symphonie aus Atem- und Schnarchgeräuschen. Das Schlafpulver hatte seine Wirkung getan.

Lukas rappelte sich auf. Er zog seine Jacke über, schlüpfte in seine Turnschuhe und dann leise aus dem Raum.

Ella wartete bereits. »Echt, sobald wir zurück sind, brauche ich auch Schlafpulver. Bei der Schnarchlautstärke.« Sie kicherte.

Lukas grinste breit. »Herr Rechbit hat eine halb verstopfte Nase, der sticht besonders hervor. Aber beeilen wir uns besser.«

Er hielt den Schlüssel für die Eingangstür der Schule in die Höhe, den er dem Informatiklehrer vorsichtig aus der Tasche gezogen hatte. Irgendwie war ihm Konrektorin Abeni zu gefährlich erschienen.

Gemeinsam mit Ella rannte er durch den Flur und die Aula zum Hauptausgang. Der Schlüssel klackte, als Lukas ihn herumdrehte. Sie bestreuten sich gegenseitig ordentlich mit Flugpulver, das Ella mitgebracht hatte.

»Es ist windig, wir müssen aufpassen«, sagte sie.

Lukas ging in die Hocke, zwinkerte und stieß sich ab. Wie ein Katapult schoss er in die Höhe. Dort wurde er allerdings von einer Böe getroffen, die ihn seitlich in Richtung Innenstadt trieb.

»Das meinte ich mit Wind!«, brüllte Ella.

Sie hatte sich eine Mütze aufgesetzt und Lukas zog schnell die Kapuze seines Hoodies über.

Kurz bevor er wie ein Käsehäppchen von der Kirchturmspitze aufgespießt wurde, bekam er den Flug wieder unter Kontrolle. Nebeneinander flogen Ella und er hoch über den alten Marktplatz, vorbei an der Bücherei, in der Franklin, der ehemalige Assistent des Professors, eingezogen war, bis zum Stadtrand. In der Ferne erblickte Lukas das Herrenhaus.

»Da siehst du mal, was ich so mitmache, wenn ich zu dir fliege«, brüllte Ella über den Wind hinweg.

Langsam gingen sie tiefer. Vermutlich saßen seine Eltern noch mit Tante Stefanie im Wohnzimmer, tranken ein Glas Wein und tratschten. In dem Fall wäre es für sie ein Leichtes, sich durch Lukas’ Fenster in sein Zimmer und dann weiter auf den Dachboden hinauf zu schleichen.

Taten sie aber nicht.

Stattdessen lag Tante Stefanie bereits im Bett. Sie trug eine Schlafmaske, hatte sich auf die Seite gedreht und hielt ein Kissen umschlungen. Eines ihrer Beine ragte unter der Decke hervor. Es steckte in einer violetten Schlafanzughose. Zudem hatte sie einen Pulli übergestreift. Grundsätzlich schien es ihr im Haus viel zu kalt zu sein, weshalb die Heizung auch auf Hochtouren lief. Das war so ziemlich das einzige Thema, bei dem sich seine Mutter und seine Tante einig waren.

Lukas hatte den Samstag schwitzend verbracht und seinem Pa war es ähnlich ergangen. Am Nachmittag hatte er ihn beobachtet, wie er heimlich den Thermostat neu einstellte, damit dieser die Temperatur automatisch nach unten regelte.

Tante Stefanie lag bedauerlicherweise genau so, dass ihr Kopf zum Fenster ausgerichtet war. Sollte sie wach werden, würde es nur eine schnelle Handbewegung lang dauern, bis sie sich die Schlafmaske abgestreift hatte und Ella und ihn entdeckte.

»Sie hatte heute Kopfschmerzen«, flüsterte er. »Deshalb ist sie wohl früher zu Bett gegangen.«

Lukas zog den fingerlangen Magnetstift aus der rechten Tasche – beinahe hätte der Wind ihn davongeweht – und führte diesen vorsichtig zum Riegel. Da Glas ein diamagnetischer Stoff war (es unterbrach die magnetische Wirkung nicht, wie Lukas seit dem Chemieunterricht wusste), wirkte der Magnetstift bis zum Riegel auf der anderen Seite.

Ganz langsam bewegte er den Stift an der Außenseite des Fensters in die Höhe. Durch die magnetische Anziehung stieg der Riegel auf der Innenseite ebenfalls nach oben.

Zufrieden stieß Lukas das Fenster auf und sie flogen ins Zimmer.

»Was?«, erklang eine verwirrte Stimme.

Mit einem Satz sausten Ella und er auf die andere Seite des Zimmers und pressten sich zwischen den Schatten an die Zimmerdecke. Tante Stefanie zog die Schlafmaske ab. Mit einem Seufzen stieg sie aus dem Bett.

»Dämliches Fenster«, murmelte sie und hakte den Riegel wieder ein.

Noch während sie zurück unter die Bettdecke kroch, bemerkte Lukas, dass das Flugpulver seine Wirkung verlor. Langsam sank er zu Boden. Ella hielt sich weiter in der Höhe, aber in wenigen Sekunden musste es ihr genauso ergehen.

Tante Stefanie hatte die Maske erneut übergestreift.

Lukas wollte schon aufatmen, als die Wirkung des Pulvers abrupt erlosch. Er fiel wie ein Stein zu Boden und kam mit einem lauten Poltern auf.

»Was?« Wieder friemelte Tante Stefanie an ihrer Schlafbrille.

In wenigen Sekunden würde sie ihn und Ella entdecken.

Rückkehr zum Baumhaus

Lukas reagierte instinktiv.

In seiner Hosentasche befand sich noch immer die Dose mit dem Schlafpulver. Er riss sie aus der Tasche und pustete die verbliebenen Reste in Tante Stefanies Richtung. Bevor diese ihre Schlafbrille ganz abgezogen hatte, kippte sie auch schon zurück auf ihr Kissen und schlummerte selig.

Ella kam auf dem Boden neben Lukas auf. »Was war das denn?«

»Schlafpulver«, erklärte er.

»Ich meinte die Wirkung des Flugpulvers«, sagte sie. »Ich habe doch extra durch Experimente geprüft, wie viel davon wie lange hält. Unsere Dosis hätte eine ganze Stunde wirken müssen.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Vor dreißig Minuten haben wir es aus dem Flakon geholt. Die Magie hat zu schnell nachgelassen.«

»Seltsam.«

Lukas erinnerte sich, wie Ranis Großmenok und Pera im Baumhaus vor einer Woche aufgetaucht waren. Sie hatten davon berichtet, dass Bäume im Menok-Tal, die zuvor magisch besonders schnell nachgewachsen waren, das plötzlich nicht mehr taten. Mit der Magie schien etwas nicht zu stimmen.

Doch sie hatten keine Zeit, diesem Rätsel jetzt weiter nachzugehen. Lukas zog an dem Buch im Regal, das den Mechanismus zur Öffnung der geheimen Tür auslöste. Gemeinsam sausten sie über die Treppe hinauf auf den Speicher, wo Lukas sich erst einmal anstelle der Jogginghosen eine Jeans überzog, dazu andere Sneaker und einen Ersatzhoodie. Nach ihrem Abenteuer im Flüsterwald würde er wieder seine Schulkleidung für die Lesenacht anziehen, die auf diese Weise wenigstens unversehrt blieb. Schließlich konnte er kaum am nächsten Morgen mit erdigen Schuhen und dreckiger Kleidung in der Schule »aufwachen«.

Ella tat es ihm gleich. Im Verlauf der letzten Woche hatte auch sie hier alles Notwendige deponiert.

Die Rucksäcke, in die sie verschiedene magische Pulver eingepackt hatten, standen ebenfalls bereit. Die erste Reise der fünf Freunde sollte in den Heimatwald der Katzen gehen – aus diesem Wald stammte die Katze, die vor Kurzem in ihren Flüsterwald gekommen war. Ganz offensichtlich ein Hilferuf, doch bevor die fremde Katze berichten konnte, war sie bewusstlos geworden und seitdem nicht wieder aufgewacht. Doch schon bald würden Lukas und seine Freunde hoffentlich erfahren, was in dem Katzenwald vor sich ging.

Neben den »normalen« Pulvern und Zaubertränken befanden sich im Rucksack auch einige der geheimnisvollen Tränke, über die Professor von Thun sich ausschwieg. Sie entstammten einem Geheimfach des Speichers, von dem Ella und Lukas bis vor Kurzem nichts gewusst hatten. Dann waren jedoch seltsame böse Angreiferkatzen aufgetaucht und hatten versucht, die Tränke und Pulver in dem Fach zu stehlen.

Lukas und Ella hatten beschlossen, einige der Tränke mit einzupacken und bei nächster Gelegenheit den Professor nachdrücklich damit zu konfrontieren. Von Thun sollte ihnen endlich sagen, was es mit den Tränken auf sich hatte. Den Rest hatte Lukas versteckt. So war sichergestellt, dass die Katzen bei einem erneuten Besuch des Speichers nichts mehr vorfanden.

»Fertig«, sagte Lukas.

Sie zurrten ihre Rucksäcke fest und bestreuten sich erneut mit magischem Pulver, dieses Mal aber Flüsterpulver. Nur dadurch war es ihnen möglich, die Wesen im Flüsterwald zu sehen. Falls dessen Wirkung auch schneller nachließ als gewöhnlich, hatten sie Ersatz dabei.