Follow Your Flow - Frederik Hümmeke - E-Book

Follow Your Flow E-Book

Frederik Hümmeke

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Beschreibung

Erfolgsautor Dr. Frederik Hümmeke hat sich über mehr als ein Jahrzehnt mit dem Phänomen der Produktivität und den Möglichkeiten ihrer Steigerung beschäftigt. Dabei hat er viele kritische Blicke auf aktuellste wissenschaftliche Erkenntnisse und Studienergebnisse geworfen, aber auch auf seine eigenen Erfahrungen und Einsichten. Mit "Follow Your Flow" hilft er auch Ihnen dabei, produktiver zu werden … und damit glücklicher und zufriedener. Produktivität bedeutet nämlich nicht nur, mehr zu tun. Es geht darum, die richtigen Dinge auf die richtige Weise zur richtigen Zeit zu tun. Es geht darum, ein erfülltes und sinnvolles Leben zu führen, sowohl persönlich als auch beruflich. Dr. Hümmeke zeigt Ihnen, wie auch Sie Ihren individuellen Weg zu mehr Produktivität gehen können. 

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Seitenzahl: 367

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Follow your Flow • Dr. Frederik Hümmeke

Copyright 2024:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Gestaltung Cover: Johanna Wack

Gestaltung und Satz: Sabrina Slopek

Vorlektorat: Claus Rosenkranz

Korrektorat: Elke Sabat

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86470-988-3

eISBN 978-3-86470-989-0

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 ⬩ 95305 Kulmbach

Tel: +4992219051-0 ⬩ Fax: +4992219051-4444

E-Mail: [email protected]

www.books4success.de

www.facebook.com/plassenbuchverlage

www.instagram.com/plassen_buchverlage

Für alle, die bei ihrem persönlichen

Wachstumsprozess über sich

hinauswachsen.

Für mein Team und alle, die aus

Überzeugung mithelfen, die Welt zu einem

besseren Ort zu machen.

Inhalt

Vorwort von Jochen Schweizer

Prolog: Warum dieses Buch nötig ist

Wie fundiert ist dieses Buch?

Teil 1: Die Grundlagen

Was ist Produktivität?

Biophysiologische Grundlagen der Produktivität

Musterbildung: Kernmodus des Gehirns

Logik, kluges Denken und das frontale System

Intelligenz als Faktor

Stress: Wenn nichts mehr geht

Persönlichkeit

Teil 2: Produktivität mit Leichtigkeit

Arbeiten mit dem Körper: Dein Weg zur Produktivität

(D)ein Produktivitätscocktail als Grundlage

Energiemanagement Hebel 1: Schlaf dich produktiv

Endlich mal aktiv: Was macht das Gehirn im Schlaf?

Schlaf dich produktiv: Die richtige Menge

Schlaf dich produktiv: Zum richtigen Zeitpunkt

Jaaa, aber …

Was du gegen Einschlafstörungen tun kannst

Energiemanagement Hebel 2: Ernähre dich produktiv!

Energiemanagement Hebel 3: Beweg dich produktiv!

Dein Produktivitätsprofil: Mit BioTimeBoxing in die Wirksamkeit

Von naiven Einzeltipps zum differenzierten System

Produktivität mit Rückenwind: Dein BioTimeBoxing

Anleitung zu deinem Produktivitätsprofil: Dein BioTimeBoxing

Dein Produktivmodus: Flow verstehen

Die Neurowissenschaft der Prokrastination – und wie es besser geht

Three Levels of Work

Nach dem Anfang ist vor dem Flow: Wie du fünfmal produktiver wirst

Flow-Breaker: Warum der Flow floppt

Flow-Breaker 1 und 2: Über- und Unter-Erregung

Flow-Breaker 3: Der Flowitus interruptus

Flow als Superhebel

Individuelle Faktoren des Produktivmodus

Den Einfluss von Persönlichkeit entschlüsseln

Ordnung und Fleiß

Extraversion und Neurotizismus

Tief im Untergrund: Waves

Stress-Balancing: Das eigene Stressprofil entschlüsseln

Rein in den Stress, rein in den Flow

Raus aus dem Stress, rein in den Flow

Response-Ability

Pause & Play! Die Kunst, zur richtigen Zeit das Richtige zu tun!

Serendipität

Dein Produktivmodus: Synthese – oder: Follow your Flow

Wie alles zusammenhängt

Ab in deinen Flow 1: Dein Flow-Frame

Deine perfekte Arbeitsumgebung

Dein perfekter Produktivzustand

Ab in deinen Flow 2: Flow-Induktion

Dein Flow-Induktions-Prozess

Flow klappt nicht? Flow-Recovery!

3-Days-to-Flow-Recovery-Protokoll

1-Day-to-Flow-Recovery-Protokoll

Consilionieren!

Die Schritte des Consilionierens

Merkst du was?

Teil 3: Wichtige Ziele wirklich erreichen: Dein Weg zum Erfolg

Warum mache ich das eigentlich alles? Motivation und Ziele verstehen

Die Veränderungsfalle

Der Erwartungsfehler

Mysterium Motivation: Dopamine als Belohnungsmotor

Pain and Pleasure anstatt Pain or Pleasure

2x6+X

Pain and Pleasure im Alltag

Von Motivation und der Angst zu scheitern: Gefangen zwischen Himmel und Hölle

Ziele erreichen statt Aufgaben bearbeiten: Den Zielnebel lichten

Finde deine Vision: Die Visionskaskade

Gib Vision und Zielen die logische Struktur: Die Visionsstrukturanalyse

Formuliere deine Vision richtig

Auf das limbische Ziel kommt es an

Auf das frontale Ziel kommt es an

Wenn Ziele zu Stressoren werden

Optimierte Ziele: Sinnvoll den Dopaminabriss vermeiden

Wofür das Ganze? Die Sache mit dem Sinn

Von Purpose und abstrakter Vision zum klaren Jahresziel

Fortschrittskontrolle

Erwartungen, Enttäuschungen und soziale Zwänge

EXKURS: Neinsagen von Kommunikationsexperte Michael Ehlers

Lust auf Visionen?

Du bist jetzt dran

Jetzt aber los! Dein Masterplan für DEINEN Flow

Endnoten

Vorwort von Jochen Schweizer

Haben Sie schon einmal die Stille der Nacht in einem Kajak sitzend erlebt? Auf spiegelglattem nachtschwarzem Wasser, von dem sich feine Nebelfahnen erheben. Nur das sanfte Plätschern des Wassers gegen den Rumpf des Bootes ist zu hören. Solche Momente waren für mich immer von zentraler Bedeutung. In der Ruhe und doch voller Intensität fühle ich mich frei und vollkommen präsent. Jeder Paddelschlag bringt mich nicht nur physisch meinem Ziel näher, sondern auch spirituell tiefer zu mir selbst.

Diese Momente der Klarheit und der inneren Führung waren es, die ich mit Frederik in der Abgeschiedenheit meiner norwegischen Hytte diskutierte. Wir hatten uns in Gespräche über die Kraft solcher Augenblicke vertieft. Vielem, was ich in meinem Leben verstanden habe, gab Frederik durch sein fundiertes Wissen als Neurowissenschaftler eine neue Grundlage.

Frederik ist ein Meister darin, neurowissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischem Unternehmerwissen zu verknüpfen. Er führt mit dem Pragmatismus und der Klarheit eines erfahrenen Geschäftsmanns durch die komplexe Materie des menschlichen Gehirns. Seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge verständlich und anwendbar zu machen, ist beeindruckend.

Wir sprachen darüber, wie Erfolg auf vielen Ebenen des Lebens beginnt. Es war faszinierend zu erkennen, wie vieles, was wir als Unternehmer intuitiv tun, nun wissenschaftlich untermauert und erklärbar ist.

Dieses Buch führt Sie auf den Weg, der Sie sowohl Ihrem wahren Selbst als auch Ihren Zielen näherbringt. Es bietet eine fundierte und gleichzeitig einfach anwendbare Anleitung zu wahrem Erfolg. In unserem Streben nach Produktivität und Effizienz vergessen wir oft die Bedeutung unserer Gesundheit und unseres Wohlbefindens. Schlaf, Bewegung und Ernährung sind die Basis für ein leistungsfähiges Leben. Aber es bedarf mehr: Planung, Motivation, Achtsamkeit und Fokus sind entscheidend, um unsere Ziele zu erreichen. Der Schlüssel liegt darin, all diese Aspekte in Einklang zu bringen.

Dieses Buch ist ein Leitfaden für alle, die ein gesundes und erfolgreiches Leben anstreben. Mithilfe der neuesten Erkenntnisse der Neurobiologie erfahren Sie, wie Sie Ihr Gehirn optimal nutzen, Ihre Produktivität steigern und Ihre Ziele erreichen können. Frederik geht dabei über die Theorie hinaus. Als erfahrener Unternehmer und Coach bietet er praktische Tipps, wie Sie Ihre Gewohnheiten optimieren und auch unter schwierigen Bedingungen erfolgreich sein können.

Die Methoden in diesem Buch werden nicht nur Ihren Horizont erweitern und Ihre Produktivität steigern, sondern Ihnen auch helfen, sich selbst zu finden und einen Weg zu wahrer Erfüllung zu beschreiten. Nutzen Sie die wertvollen Erkenntnisse aus diesem Buch und machen Sie sich auf Ihren Weg. Werden Sie aktiv, erreichen Sie Ihre Ziele und entdecken Sie Ihr wahres Potenzial!

Jochen Schweizer

Prolog:Warum dieses Buch nötig ist

Ich gebe zu: Manchmal rege ich mich fürchterlich auf. Das macht eigentlich gar keinen Sinn. Produktiv ist es schon gar nicht. Ich tue es aber trotzdem … immer dann, wenn mir jemand vorjammert: „Da habe ich aber keine Zeit für!“, „Ich habe aber so viel zu tun …“ Und dieser Mensch tut gleichzeitig nichts dafür, seine Produktivität zu steigern. Wirksam sein, effizient etwas tun, produktiv sein, das alles fällt aber nicht vom Baum. Es wird hart erarbeitet.

Immer wird gejammert, dass man so viel zu tun habe, dass man dies oder das nicht geschafft bekomme. Mehr Zeit brauche man, mehr Ressourcen. Aber eine Optimierung der eigenen Produktivität? Das Projekt packen wir nicht an. Man will produktiver sein. Aber etwas dafür tun? Fehlanzeige. Und dann auch noch mit dem Gejammer diejenigen in ihrer Produktivität stören, die seit Jahren daran arbeiten: Das nervt mich!

Sehen wir den Fakten ins Auge: Die meisten Menschen sind, gemessen an ihrem Potenzial, nicht wirklich produktiv, die meisten sind nur geschäftig. Viel tun heißt nämlich nicht gleichzeitig wirksam zu sein. In Unternehmen arbeiten Mitarbeiter den ganzen Tag unsinnige Sachen, die am besten überhaupt nicht gemacht werden sollten, mit hohem Aktivitätslevel und geringer Produktivität ab. Das ist für niemanden schön. Viel zu tun, ohne etwas wirklich Wichtiges zu bewegen – das frustriert und ist nicht erfüllend. Ein Grund, warum es mich besonders aufregt: Ich war genauso. Es erinnert mich an eine frühere Version von mir, die sehr geschäftig und wenig produktiv war. Die lieber die Wohnung aufgeräumt hat, als die eine, jetzt wichtige Sache zu bearbeiten. Dutzende Beispiele fallen mir ein, die mich an die verplemperte Zeit erinnern. Warum frustriert es so? Frustration ist definiert als enttäuschte Ambition. Wie viel schöner wäre es gewesen, das Wichtigste wirklich abzuarbeiten, um festzustellen, dass es so schlimm gar nicht war, um dann ganz entspannt und zufrieden das Gefühl von Fortschritt in einer Pause genießen zu können?

Doch nicht nur für den Unproduktiven ist es blöd. Es handelt sich hier um eine Lose-lose-lose-Situation.

Wer unproduktiv ist, ist nicht so glücklich, wie er sein könnte.

Wer unproduktiv ist, leistet einen weniger positiven Beitrag für die Kollegen und das Unternehmen.

Wer unproduktiv ist, leistet einen geringeren Beitrag für die Gesellschaft und den Wohlstand.

Wir alle haben etwas davon, wenn wir produktiver werden. Ein wirklich wirksamer Produktiv-Tag mit wirklichem Fortschritt, das fühlt sich gut an. Extrem gut. Und das hat, wie wir noch sehen werden, auch neurobiologische Gründe. Wir erreichen gemeinsam wichtige Ziele … auf der Arbeit, im Verband, im Verein oder im Privatleben. Ich wünsche mir, dass wir alle produktiver werden. Also freue ich mich auch über jeden, der sich in dem Sinne entwickeln will. Und ich freue mich, dass du dieses Buch in der Hand hast und es angehst.

Dieses Buch wollte ich gar nicht schreiben, weil das gar nicht mein Kerngebiet ist. Ich arbeite mit Unternehmern und Führungskräften und bewältige gemeinsam mit ihnen komplexe Herausforderungen. Doch immer wieder fragten mich Mandanten und Mitarbeiter, wie ich es schaffe, so produktiv zu sein. Meistens beginnt die Frage mit „Du schaffst doch immer so viel und bist so megaproduktiv“ und endet mit „Wie machst du denn das eigentlich?“.

Ich hatte mich lange Zeit mit dem Thema beschäftigt und war bereits vor vielen Jahren auf die Suche gegangen. Als ich verstanden hatte, wie wichtig es ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, verbrachte ich beinahe bis zur Obsession ganze Wochenenden mit YouTube und Blogs und konsumierte alle guten und schlechten Tipps und Methoden. Fast alles, und war es noch so offensichtlich unsinnig, habe ich zum einen durch Ausprobieren und zum anderen mittels wissenschaftlicher Papers verifiziert oder falsifiziert. Es entwickelte sich eine über Jahre andauernde Evolution: Ausgestorben sind die falschen Tipps, was funktionierte, hat überlebt und wurde optimiert. Diese Evolution hat mehr als eine Dekade angedauert, mit wichtigen Lerneffekten. Es gibt kein Standard-Produktivitätssystem. Produktivität ist wie eine Unterhose. Du benötigst eine Größe, die dir passt. Jeder hat, was Form und Aussehen betrifft, einen anderen Bedarf und einen anderen Geschmack. Der eine braucht lange Beine, der andere weiche Nähte. Und manche benötigen dringend einen Stoff mit Herzchenmuster. Und meistens sehen wir die Unterhosen der anderen Menschen nicht, was in dem Fall auch gut ist.

Produktivität und Wirksamkeit benötigst du genauso passgenau und individuell für dich. Und auch wenn wir sehen, wie es jemand anderes macht, kann ein Abgucken uns vollkommen fehlleiten, unsere Produktivität ruinieren und uns sogar krank machen.

Wie sollte ich die Frage nun beantworten? Wenn ich erzähle, wie ich es mache, gebe ich falsche Tipps. Und ich hatte keine Lust, mich noch einmal mit dem ganzen Themenfeld zu beschäftigen. Ich ging also auf die Suche nach einem guten Buch oder Onlinekurs, den ich empfehlen könnte. Es wird doch einen klugen Kollegen am Markt geben, der schon einen richtig guten Kurs gemacht hat. Einen, der über naive Tipps und Methoden hinausgeht. Wissenschaftlich fundiert. Der alle wichtigen Themen und Erkenntnisse in wirksame Methoden und in ein funktionierendes und einfach nutzbares System integriert. Ich suchte ziemlich lange …

Einige Kollegen haben mich so lange genervt, dass ich doch begonnen habe, dieses Buch zu entwerfen. Ihr dürft euch also bei meinen Kollegen bedanken. Zum einen bei denen, die mich gepusht haben, zum anderen bei denen, die mich dabei unterstützt haben. Das Konzept hinter dem Buch und das Buch sind das Resultat von Teamarbeit, ich durfte der Dirigent sein.

Das, was dabei herausgekommen ist, hat mich sehr fasziniert und macht mich sehr glücklich. Du wirst sehen, dass noch sehr viel mehr hinter dem Thema steckt, als ich jemals hätte ahnen können. Vielleicht wird dich dieses Buch genauso überraschen wie mich.

Ich hoffe, dass dieses Buch dein Puzzlestück wird, um wirksamer, produktiver und glücklicher zu werden. Und ich hoffe, es wird noch sehr viel mehr bei dir bewegen. Egal, wie es gerade mit deiner Produktivität steht, wichtig ist der Fortschritt. Und dabei hilft ein systematischer Blick auf das Thema.

Wie fundiert ist dieses Buch?

Wissenschaft ist der immer aktuelle Stand des Irrtums. Auch innerhalb der Forschung gibt es verschiedene Meinungen. Zwei Forscher analysieren einen Datensatz, beide finden, dass ein Effekt zwar erkennbar ist, aber der eine sagt, dass er nicht stark genug sei, um berücksichtigt zu werden, der andere ist anderer Meinung. Beide Meinungen sind aber wissenschaftlich fundiert, beruhen nur eben auf unterschiedlichen Interpretationen. Falsch sind sie vielleicht beide. Denn die heutigen Erkenntnisse, das beste Wissen, was wir haben, ist vielleicht morgen bereits überholt.

Dazu kommt: Wissenschaft ist nicht gleich Wissenschaft. Nehmen wir einen Physiker. Bei einem Experiment mit einem Dutzend Versuchsanordnungen misst dieser tausendfach ein Phänomen, um dann dieses Phänomen auf Basis aller Daten zu beschreiben. Das Paper dazu wird von anderen geprüft, das nennt man Peer-Review, bevor es veröffentlicht wird. Eine Horde weiterer Physiker wiederholt das Experiment, generiert neue Daten und veröffentlicht diese nach erneutem Peer-Review. In Kollaboration entsteht gemeinsam eine wissenschaftliche Erkenntnis.

Dieses an sich sehr sichere System des Erkenntnisgewinns kann – das ist mein Punkt – auch sehr, sehr seltsame Blüten treiben. Wenn man genügend Peers hat, die auf der gleichen Welle schwimmen wie man selbst, wenn diese Peers es nicht so genau nehmen, wenn, wie in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“, niemand den Mumm hat zu sagen: „Das ist ja totaler Blödsinn!“, kann Pseudowissenschaft dabei herauskommen. Ich werde an einigen Stellen Forschungslücken aufzeigen oder erklären, warum ich einer aktuellen Meinung der Forschung nicht zustimme.

Dieses Buch ist, wo es möglich war, wissenschaftlich fundiert, aber nicht immer hat die Wissenschaft Antworten. Es behandelt also auch Themen, die wissenschaftlich nicht voll abgedeckt sind. Weil zum Beispiel die Forschung (noch) nicht existiert. Weil das Phänomen zu komplex ist, als dass die Forschung es bisher verstehen könnte.

Neben der Forschungsseite kommen deshalb noch das Handlungswissen und die Erfahrungen hinzu. Zugegeben, diese sind trügerisch. Schlimmstenfalls handelt es sich um Anekdoten, die nur eingeschränkt funktionieren oder sogar in eine falsche Empfehlung münden. Bestenfalls hat sich über viele Jahre ein Handlungswissen herausgebildet, das auch wirklich funktioniert und irgendwann durch Forschung bestätigt werden wird.

In diesem Buch findet sich, nach dem Prinzip „Science First“, immer erst die wissenschaftliche Sicht. Zusammen mit meinen Kollegen habe ich mehr als zwei Jahre mit der Recherche der Forschung verbracht. Diesen gewaltigen Wissensschatz habe ich ergänzt um meine eigenen Erfahrungen und das mir bekannte Anwenderwissen. Aus meinem Team haben viele das Manuskript kritisch durchgelesen und einen Faktencheck gemacht. Darunter sind eine Neurowissenschaftlerin, eine Ärztin, eine Handvoll Arbeitspsychologen und ein Psychiater und so fort.

Sofern es nötige Korrekturen und Updates aus der Forschung gibt, findest du diese unter www.huemmeke.com/flow. Dort findest du auch eine erweiterte Quellenliste und Bonusinhalte. Und du kannst mir auch, solltest du einen Fehler oder eine neue Forschung finden, einen Hinweis zusenden. Prüfe dort gern während des Lesens, ob es neue Inhalte gibt. Und achte auf die Hinweise im Buch, die auf einen Bonusinhalt oder ein Assessment verweisen.

Was ist Produktivität?

Viele möchten heute produktiver sein. Aber was bedeutet das? Geht es darum, länger zu arbeiten? Mehr in weniger Zeit zu erledigen? Effizienter zu sein? Die Wahrheit ist: Produktivität ist all das und noch mehr.

Produktivität hat viele Definitionen. In der Wirtschaft ist es das Verhältnis von Input zu Output. Hohe Produktivität ist dann gegeben, wenn man mit möglichst wenig Einsatz (oder Input) viel brauchbares Ergebnis (oder Output) produziert. Es geht um die Relation von eingesetzter und aufgewendeter Energie und Ressourcen zum Ergebnis. Das nennen wir auch Effizienz. Je weniger Ressourcen, desto besser, je mehr Ergebnis, desto besser. Je mehr das gilt, desto effizienter sind wir. Nun können wir aber sehr effizient ein Ergebnis erreichen, was gar nicht gebraucht wird. Haben wir einen Kundentermin, für den wir ganz effizient eine Präsentation vorbereiten, die dann aber gar nicht genutzt wird, weil der Kunde ganz andere Fragen hat, dann waren wir vielleicht effizient in der Erstellung, aber es war nicht effektiv. Denke bei „effektiv“ an „Effekt haben“. Produktiv sind wir nur dann, wenn wir ein Ergebnis effizient bearbeiten, das auch Wert hat, also gebraucht und genutzt wird.

Es geht also darum, mit möglichst wenig Aufwand viel von dem zu leisten, was uns wirklich weiterbringt. Gleichzeitig bedeutet das, dass du mit ein wenig mehr Einsatz deine Produktivität potenzieren kannst. Und das funktioniert, wenn du weißt, worauf es ankommt. Wenn du weißt, was dein Körper dazu braucht und wie dein Gehirn Produktivität umsetzt. Dieses Wissen ist das Versprechen dieses Buches.

Bevor wir uns genauer anschauen, was du dafür tun musst – denn ohne dich geht es nicht –, gilt es festzustellen: Produktivität ist so viel mehr! Produktivität wird zum Beispiel auch als Leistungsfähigkeit definiert. Gemeint ist damit etwas im Sinne der altertümlich wirkenden Worte „Schaffenskraft“ und „Schöpferkraft“. Es geht um mehr als nur um eine technische Messgröße für Input zu Output. Produktivität wird zu einer Eigenschaft des Produktiven. Natürlich geht es im Kern bei Produktivität darum, deine Ziele auf effizienteste Weise zu erreichen. Es geht darum, die wichtigen Dinge mit möglichst wenig Arbeitseinsatz zu erledigen und keine Zeit für unwichtige Dinge zu verschwenden. Das funktioniert, indem du absichtsvoll mit deiner Zeit und Energie umgehst und dich auf das konzentrierst, was am wichtigsten ist. Aber Produktivität ist noch mehr. Der Hebel liegt dabei auf der Ebene der Selbstführung: Hast du die Kraft und Energie, immer wieder zu schaffen oder zu schöpfen?

Von der Klausur bis zum anspruchsvollen Konzept, vom wichtigen Meeting bis zum Workshop, von der Kreativaufgabe im Job bis zum privaten Projekt: Je mehr Energie wir haben, je mehr Schaffenskraft, umso besser gelingt es uns, produktiv – und dann auch mit den richtigen Werkzeugen – an die Dinge heranzugehen. Je schneller wir alle Aufgaben gut und richtig erledigen, umso mehr wir leisten, also produktiv sind, umso mehr erleben wir Fortschritt, Erfolg und Zufriedenheit.

Spätestens bei dem Wort „Zufriedenheit“ wird klar: Bei Produktivität geht es nicht nur um Arbeit. Es geht um alle Bereiche deines Lebens. Es geht darum, dein Leben, deine Zeit und Energie so zu managen, dass du überhaupt wirklich produktiv sein kannst.

Wie kommst du häufiger in die Produktivität? Wer jeden Abend feiern geht und sich nach fünf Stunden Schlaf mit Brummschädel an den Schreibtisch setzt, braucht sich nicht zu wundern, wenn in Sachen Produktivität nicht viel läuft. Eine Handvoll Aspekte sind für echte Schaffenskraft wichtig, dazu die richtigen Tools.

Produktivität ist, so viel steht fest, kein One-Size-Fits-All-Konzept. Was für eine Person funktioniert, funktioniert möglicherweise nicht für eine andere. Es ist unabdingbar, individuelle Produktivitätsstrategien und -techniken zu finden, die an dich und deine einzigartige Situation angepasst sind.

Vielleicht hast du schon verschiedene isolierte Techniken zur Produktivitätssteigerung ausprobiert, hast mit bestimmten Methoden sogar schon Erfolg gehabt. Vielleicht wunderst du dich aber, dass es Menschen gibt, die mit noch weniger Einsatz und Kraftaufwand noch mehr erreichen.

Wenn du mit deiner aktuellen Produktivität zufrieden bist, leg dieses Buch bitte wieder beiseite. Denn ich will mehr mit dir erreichen: maximale und gleichzeitig mühelose Produktivität!

Das Schlüsselwort ist „mühelos“, denn Produktivität darf auch leichtfallen! Produktivität muss – und darf! – kein Kampf gegen dich und deinen Körper werden. Der pauschale Ratschlag, dass man auf jeden Fall ganz früh aufstehen sollte, um dann produktiv zu werden, ist Unfug. Es ist ein naiver Tipp, der für manche Menschen gar nicht funktionieren kann. Der Grund ist der individuelle Biorhythmus jedes Menschen. Wir sind nicht alle gleich und wir funktionieren nicht alle gleich. Viele allgemein gehaltene Tipps sind sogar gegen unsere Biologie gerichtet. Die Folge sind übermüdete Menschen, die nicht nur weniger produktiv sind, sondern auch Gefahr laufen, auf lange Sicht ihrem Körper zu schaden. Vom Frust, wieder nichts geschafft zu haben, obwohl doch alle mit dieser Methode Erfolg haben, ganz zu schweigen.

Produktivität und harte Arbeit dürfen dir leichtfallen. Es darf Spaß machen! Diesen individuellen Zustand deiner maximalen Produktivität erreichst du nur, wenn du deinen Körper, deinen Geist und dein Verhalten verstehst und aus diesen drei Elementen deinen ganz individuellen Dreiklang bildest.

Um dein maximales Produktivitätspotenzial entfalten zu können, musst du dein Gehirn besser verstehen. Wenn du verstehst, wie dein Denken funktioniert und wie dein Gehirn dich bei deinem Versuch, produktiver zu sein, gern auch mal zum Gegenteil manipuliert, kannst du dich und deinen Körper auf maximale Produktivität programmieren. Erst wenn du auf dieser Ebene Ordnung geschaffen hast, können gern klassische Tipps hinzukommen.

In diesem Buch werden wir die verschiedenen Aspekte der Produktivität untersuchen. Wir werden uns die Wissenschaft hinter der Produktivität und die Strategien ansehen, die du nutzen kannst, um mehr in weniger Zeit zu erledigen. Wir werden auch die häufigsten Fallstricke untersuchen, die selbst die produktivsten Menschen aus der Bahn werfen können – und wie man sie vermeiden kann. Woran die meisten Menschen beim Versuch einer Verhaltensänderung nämlich scheitern, ist, dass sie gegen ihren Körper arbeiten anstatt mit ihm. Diesen Fehler werden wir nicht machen!

Bevor ich mit dir in die Details eintauche, ist mir sehr wichtig, dass du verstehst, dass Produktivität nicht nur bedeutet, mehr zu tun. Es geht darum, die richtigen Dinge auf die richtige Weise zur richtigen Zeit zu tun. Es geht darum, ein erfülltes und sinnvolles Leben zu führen, sowohl persönlich als auch beruflich. Und es geht auch darum, mit voller Kraft, gesund und mit echter Freude an die nötigen Dinge heranzugehen. Produktivität ist der Schlüssel, um dein volles Potenzial zu entfesseln, die Ergebnisse zu erreichen, die du dir wünschst, und das Leben zu führen, das du führen möchtest.

Und genau darum geht es in diesem Buch.

Biophysiologische Grundlagen der Produktivität

Warum solltest du dich mit so komplizierten Dingen wie der Funktionsweise deines Gehirns beschäftigen, wenn du einfach nur mehr Slides in weniger Zeit für deine Präsentation produzieren willst? Und dass man genug schlafen sollte, ist doch ein alter Hut. Die Antwort ist: Du kannst dein Gehirn und deinen Körper ignorieren, wenn du produktiver sein willst. Aber dann wirst du wahrscheinlich gar nicht in echter Produktivität ankommen oder, wenn es kurzzeitig doch klappt, eher früher als später scheitern. Ich werde dir erklären, warum du einen Zustand maximaler Produktivität nur erreichen wirst, wenn du die Funktionsweisen deines Gehirns und deines Körpers und die Wechselwirkung zwischen Gehirn, Bewusstsein/Verhalten und deinem Körper verstehst und mitdenkst. Dass das wichtig ist, ist unmittelbar einsichtig. Musst du auf einer Baustelle ein Loch buddeln, wäre es optimal, wenn du den Bagger gut bedienen könntest und seine Funktionsweise möglichst gut verstehen würdest. Das Gehirn ist als sehr komplexer Bagger unser Werkzeug für die menschliche Produktivität. Und dieses Gehirn ist mit dem gesamten Nervensystem fest integriert im Körper und wird von vielen Faktoren beeinflusst. Unser Ziel ist es, im Zusammenspiel aller wichtigen Faktoren optimale Rahmenbedingungen zu schaffen, die dir eine dauerhafte Verhaltensänderung ermöglichen, die in maximaler Produktivität resultiert. Dazu müssen wir diese Faktoren kennen und verstehen.

Produktivität, wie wir sie in der modernen Welt brauchen, ist für unseren Körper und unser Gehirn kein Standardprogramm. Die erste Aufgabe ist das Überleben und das möglichst energieeffiziente Navigieren durch die Welt, wobei die wichtigsten Aspekte die Nahrungsaufnahme und der Schlaf sind. Das ist auf einer gewissen Ebene produktiv und auch effizient – aber meist nicht hilfreich für das wichtige Projekt, die Präsentation oder was auch immer du gerade aufschiebst. Selbst handwerkliche Tätigkeiten, die oft im Ruf stehen, eher einfacher Natur zu sein, sind alles andere als das. Von Drohnensteuerung über CNC-Fräsen bis zu komplexen Werkzeugen: Die Arbeitswelt ist sehr anspruchsvoll geworden. Aus Sicht der Evolution erst seit extrem kurzer Zeit gibt es ein Arbeitsleben, das diese andere Art von Produktivität und Leistungsfähigkeit benötigt. Wie aber gehen Körper und Gehirn damit um? Die meisten von uns – ich kann es jedenfalls für mich sagen – sind nicht automatisch oder intuitiv produktiv. Wenn es ein Wort für das genaue Gegenteil von Produktivität gäbe, könnte ich damit meine Schulzeit und die ersten Jahre meines ersten Studiums beschreiben. Gleichzeitig gab es aber Themen, wo ich auch schon damals wirklich leistungsfähig und produktiv war, aber eher aus Versehen, nicht geplant.

Gibt es einen Produktivitätsmodus im Gehirn? Und wenn ja, wie funktioniert er? Die Antwort ist keine einfache, das Gehirn ist komplex. Die Beziehung zwischen mess- und nachweisbaren physiologischen Prozessen im menschlichen Gehirn und dem Entstehen von subjektiven Erfahrungen wie Geist oder Bewusstsein ist noch nicht vollständig verstanden. Diese Beziehung zu kennen ist aber essenziell für einen guten Umgang mit sich selbst. Das ist wiederum die Grundlage für wirkliche Produktivität. Wie relevant das ist, möchte ich mit dem folgenden kleinen Einblick zeigen.

Wir wissen, dass das Gehirn aus diversen Nervenzellen besteht, die durch elektrische und chemische Signale miteinander kommunizieren. Diese Signale erzeugen Aktivitätsmuster, die mit diversen Messtechniken wie EEG, fMRT und Co gemessen werden können. Studien haben gezeigt, dass bestimmte Muster neuronaler Aktivität mit bewussten Erfahrungen verbunden sind.1 Zum Beispiel wurde die Aktivität im präfrontalen Kortex mit Selbstbewusstsein, Entscheidungsfindung und Aufmerksamkeit in Verbindung gebracht.2

Ein vor einigen Dekaden an der University of California von Walter Freeman und Christine Skarda durchgeführtes Experiment machte die komplexe Funktionsweise des Gehirns deutlich.3 In einem Tierversuch verbanden sie 64 dünne Elektroden mit den Riechzentren von Kaninchen, sodass sie die Gehirnwellen messen konnten, und präsentierten dann verschiedene Gerüche. „Die Forscher fanden, dass sich bei der Entdeckung eines Geruchs der chaotische Untergrund im Riechzentrum des Gehirns augenblicklich selbst organisierte – das Feuern aller beteiligten individuellen Neuronen verkoppelte sich zu einem kollektiven System. […] Bot man dem Kaninchen einen Geruch an, der ihm nie zuvor begegnet war, so ließ das Riechzentrum Ausbrüche chaotischer Aktivität erkennen. Erschien der Geruch jedoch mehrmals, so wurden diese Ausbrüche allmählich durch erkennbar geordnete Wellenmuster verdrängt.“4

Der Standard ist also eine chaotische neuronale Aktivierung. Je vertrauter wir mit etwas sind, umso mehr wechselt die Aktivierung und zeigt eine messbare Ordnung. So wird alles, was wir wahrnehmen, in einem dafür vorgesehenen neuronalen Netzwerk durch ein Aktivierungsmuster codiert. Es gibt Netzwerke, die nur aktiv werden, wenn eine senkrechte Linie durch das Auge wahrgenommen wird. Ein weiteres codiert eine horizontale Linie, das nächste eine Kurve. Ergänzende Netzwerke geben an, wo die Linien im Raum gesehen werden.5 Ein ganzes Ensemble von Netzwerken wird also aktiv.

Auf einer höheren Ebene gibt es neuronale Netzwerke, die schauen, was aktiviert wird, und das Bild zusammenbauen. Ah! Es ist also ein Tisch mit einer Blume darauf, was da wahrgenommen wird!

Hinzu kommt, dass nun ein Geruch in einem weiteren Netzwerk codiert wird und ein Netzwerk auf wieder höherer Ebene merkt: Es müssen die Blumen sein, die so riechen! Das weiß es von einem anderen Netzwerk, das die Erinnerung liefert, dass Blumen riechen.

Diese Netzwerke, die Input von den Sinnen bekommen, bilden gewissermaßen eine Repräsentationsebene – sie stehen für, also repräsentieren, das Wahrgenommene. Über ihnen stehen die neuronalen Netzwerke, die als Input die Aktivierung von anderen Netzwerken nutzen. Das sind die sogenannten Meta-Repräsentationsebenen.

Wie viele dieser Ebenen es gibt, ist unklar, mindestens zwei Dutzend werden von Naturwissenschaftlern diskutiert. Die von vielen Naturwissenschaftlern und Philosophen vertretene Theorie lautet stark vereinfacht: Bewusstsein findet auf einer der oberen Meta-Repräsentationsebenen statt, einer Ebene, auf der wir die Aktivierung der neuronalen Netze darunter bewusst verarbeiten können und uns als „ich“ erleben. Neben den ganzen unbewussten Dingen, die einfach so ablaufen, können wir aber zum Teil durch diese Ebene die neuronale Aktivierung der Ebenen darunter steuern, zum Beispiel indem wir uns bewegen oder bewusst etwas denken.

Es ist eine Theorie und die Wissenschaftler streiten noch. Einige sagen, dass Bewusstsein aus der koordinierten Aktivität von Neuronen im Gehirn entsteht,6 während andere vertreten, dass es aus den Interaktionen zwischen verschiedenen Hirnregionen entsteht.7 Wieder andere bringen noch ganz andere Ideen ins Spiel. Für uns ist es jedoch gar nicht so wichtig zu wissen, „wie genau“, sondern dass dieser Zusammenhang überhaupt besteht.

Ich finde es unglaublich faszinierend, dass physiologische Vorgänge – der Austausch von biochemischen Signalen und elektrischen Impulsen – in einer Zellmasse in unserem Kopf unser Bewusstsein hervorbringen. Allerdings bedeutet diese Erkenntnis, dass es wahrscheinlich keinen vom Körper unabhängigen Geist oder ein vom Körper unabhängiges Bewusstsein gibt. Das müssen viele Menschen erst einmal verdauen.

Dass das Aufheben eines Gegenstands ein körperlicher Vorgang ist, leuchtet ein. Zu akzeptieren, dass auch unsere Gedanken und unsere Gefühle letztlich das Resultat körperlicher Vorgänge sind, fällt vielen Menschen schon schwerer. Hin und her rasende elektrische Impulse ermöglichen uns die gedankliche Reise ans Ende des Universums und darüber hinaus – sie ermöglichen es uns jedoch auch, unseren Geist acht Stunden lang täglich mit Social-Media-Konsum zu frittieren. Unsere edelsten Gefühle und die daraus resultierenden Verhaltensweisen – Liebe, die zur Selbstaufopferung führt, Altruismus und Güte – sind letztlich das Ergebnis der Ausschüttung von Molekülen und Botenstoffen wie Glutamat und GABA, Monoaminen wie Dopamin und Serotonin, Acetylcholin und vielen anderen.8

Die Entstehung von „Bewusstsein“ ist jedenfalls ein ziemlich komplexes Phänomen, das die Integration von Informationen im Gehirn umfasst. Fest steht, dass eine starke Beziehung zwischen Geist und Körper besteht und sie ständig miteinander interagieren.

Der Geist kann den Körper beeinflussen und umgekehrt, wir kennen es alle aus dem Alltag. Bei einer Grippe ist kein kluger Gedanke zu fassen. Haben wir einen Tag mit viel Energie, läuft es einfach. Die Forschung weiß mittlerweile, wie umfassend die Vernetzung ist.

„Neurowissenschaft“ ist nicht direkt übersetzbar mit „Gehirnforschung“. „Nervensystemforschung“ trifft es besser. Neuronen, also Nervenzellen, sind großzügig über den ganzen Körper verteilt und spielen eine zentrale Rolle, die wir erst in den letzten Jahrzehnten besser verstehen. Sie erklären viele spannende Zusammenhänge. Zum Beispiel können Stress und Angstzustände körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Muskelverspannungen und Müdigkeit verursachen. Andererseits kann ein bestimmtes Verhalten die geistige Gesundheit verbessern, indem durch dieses Verhalten – beispielsweise regelmäßige körperliche Bewegung – Stress und Angstzustände reduziert werden.9 Studien haben gezeigt, dass bestimmte Yoga-Übungen die kognitive Funktion verbessern und die Gehirnaktivität in Bereichen erhöhen können, die mit Aufmerksamkeit und Gedächtnis zusammenhängen.10 Körperliche Aktivität trägt also insgesamt zur Verbesserung der kognitiven Funktion bei, ebenso zur Reduzierung von Stress und Angstzuständen und zur Verbesserung der Stimmung. Wir wissen aus unserem Alltag, wie relevant der gesamte Körper für unser Denken, Fühlen und Handeln ist. Und tatsächlich ist gerade für gute Stimmung zu sorgen etwas, was in unserer persönlichen Verantwortung liegt. Denn ob wir glücklich sind, ist unserem Gehirn egal. Ich würde sogar sagen, dass das Gehirn es physiologisch nicht hergibt, nur glücklich zu sein, aber dazu später mehr.

Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, das Überleben und Entwickeln des Organismus über das Glücklichsein zu stellen. Denn während das langfristige Glücklichsein zwar für das individuelle Wohlbefinden schön ist und auch in einigen Situationen konkrete neurobiologische Funktionen hat, muss es nicht immer gegeben sein, um das Überleben und Fortkommen der Art zu sichern. Das Gehirn hat sich darauf spezialisiert, Verhaltensweisen zu priorisieren, die die Überlebenschancen erhöhen, wie beispielsweise die Suche nach Nahrung, Wasser und Unterkunft sowie die Vermeidung von Gefahren und Bedrohungen.11 Tatsächlich kann das Streben nach konstantem Glück und permanenter Freude, das so gern zelebriert wird, manchmal sogar schädlich für das Überleben sein, da es zu riskantem Verhalten führen kann, das den Einzelnen in Gefahr bringt. Zum Beispiel kann unser Streben nach Spaß und Freude via Drogenkonsum zu Sucht- und Gesundheitsproblemen führen, die das Überleben gefährden können.12 Es bringt uns auch dazu, lieber auf dem Sofa liegen zu bleiben und die anstehenden Aufgaben auf morgen zu verschieben. Das ist bequemer, kurzfristig wohltuender und auch risikoärmer. Aber wie wir beim Yoga-Beispiel gesehen haben, können wir uns bewusst für ein Verhalten entscheiden, das uns guttut, das uns klüger und gesünder macht. Das ist doch mal eine gute Nachricht. Das Problem mit unserem unglaublich komplexen Gehirn ist nur, dass es gleichzeitig unser stärkstes Werkzeug und unsere stärkste Bremse ist.

Die Evolution hat dieses Wunderwerk daraufhin optimiert, dass wir als Organismus überleben. Und diesen Job erledigt es in der Regel überragend gut. Stress, Anspannung und Angst in lebensbedrohlichen, aber auch in geradezu lächerlichen Situationen unseres Lebens, ebenso wie unsere Bequemlichkeit und der Unwille, etwas an unserem Leben zu verändern, sind die archaischen Zeugen dieser Schutzfunktion. Davon, produktiv zu sein und unter den Bedingungen unserer komplexen Lebensumstände permanente Zufriedenheit und konstantes Glück zu verspüren, war in der Evolution leider nie die Rede.

Dein Gehirn, dieses gute Kilo aus Fett, Wasser, Proteinen, Kohlenhydraten und Salzen,13 das in deinem Schädel sitzt, steuert zu wesentlichen Teilen dein Verhalten noch immer so, als würdest du Mammuts jagen – und vieles von deinem Verhalten steuert es ziemlich autonom.

Trotzdem denken wir, wir Menschen wären ja so vernünftig. Und da denken wir total falsch. Schauen wir einmal, wie rational wir wirklich sind. Schon auf der alltäglichen Ebene findest du selbst schnell heraus, dass Vernunft in sehr vielen Fällen offenbar wirklich das Letzte ist, was unser Verhalten steuert.

Denn es wäre klug, spätestens heute mit dem wichtigen Auftrag zu beginnen, gerade weil wir wissen, dass es ohnehin schon knapp wird. Stattdessen heben wir uns die Arbeit lieber für die letzten drei Nächte vor der Deadline auf und fühlen uns nach den dadurch nötig gewordenen „All-Nightern“ so richtig produktiv, auch wenn wir nur mit Hängen und Würgen gerade so das nötige Ergebnis erzielen. Den Gedanken daran, dass das Ergebnis noch viel besser geworden und der Weg dahin ganz entspannt gewesen wäre, hätten wir uns nur früher damit beschäftigt, verdrängen wir.

Auch jenseits von Produktivität ist von Vernunft oft wenig zu sehen. Denn es wäre wirklich gesünder, mal wieder laufen zu gehen, statt mit Chipstüte vor dem Fernseher zu sitzen. Es wäre vernünftiger, das Geld statt in eine Sauftour an den Ballermann in die Altersvorsorge zu investieren. Wir beschweren uns, dass das Schnitzel um die Ecke so teuer geworden ist, und zahlen, ohne mit der Wimper zu zucken, am Flughafen das Dreifache, ohne uns zu beschweren. Und es wäre vernünftig, für die paar Kilometer zum Büro das Fahrrad zu nehmen. Das wäre gesünder und billiger und meistens sogar schneller. Aber nicht doch, Schatz. Lass uns den Q8 e-tron leasen, den brauch’ ich wirklich, weil mir die 300 kW Sicherheit beim Überholvorgang geben, wenn ich unser Kind zur Kita bringe. Und als Bonus gibt es noch den Stress, die enorme monatliche Leasingrate zahlen zu müssen.

Aber wenn du ehrlich zu dir bist, erkennst du intuitiv, wie wenig vernünftig und rational auch sehr viele deiner Entscheidungen sind – und nicht nur deine. Viele andere, mit denen ich darüber spreche, kommen nach anfänglicher Gegenwehr für sich auch zur gleichen Erkenntnis … und können darüber schmunzeln, wie sehr ihr Gehirn ihnen auch die dümmsten Entscheidungen hinterher als klug verkauft.

Wie vernünftig unsere Entscheidungen sind, haben natürlich auch Wissenschaftler untersucht – und haben dabei spannende Ergebnisse und eine Menge Bücher produziert. Während meines Ökonomie-Studiums habe ich einige dieser Bücher kennengelernt, die auf Hunderten von Seiten darlegen, wie und warum wir rational entscheiden, und dann in einem verschämten Schlusskapitelchen erklären, warum es doch bloß Theorien sind und die Praxis ganz anders aussieht. Wir sparen uns den Exkurs hier, die wichtigste Erkenntnis hatten wir nämlich schon.

Für uns ist die Frage nach der Rationalität unserer Entscheidungen vor allem deshalb wichtig, weil jedem Verhalten eine Entscheidung vorausgeht. Beispielsweise die Entscheidung, mit der Arbeit anzufangen oder stattdessen lieber die Wohnung zu putzen. Das ist eine Entscheidung, die wir bewusst und informiert treffen und bei der wir sorgfältig das Für und Wider abwägen. Das bilden wir uns zumindest manchmal ein. In Wahrheit bleibt uns in vielen Fällen auch bei unseren „bewussten“ Entscheidungen der ausschlaggebende Grund verborgen.

Fakt ist, dass unser Gehirn oft nicht auf Basis von Vernunft entscheidet. Gute Entscheidungen und zielführendes Verhalten sind aber extrem wichtig für die Ergebnisse, die wir erarbeiten wollen, also für unsere Produktivität. Wenn Vernunft nicht das entscheidende Kriterium ist, auf dessen Basis unser Gehirn entscheidet: Was ist es dann? Welcher Logik folgt unser Verhalten? Erst wenn wir das wirklich verstehen, können wir die Weichen stellen für echte Produktivität.

Um diese Antwort zu finden, müssen wir sehr genau dort suchen, wo Verhalten gesteuert wird und Entscheidungen passieren: tief in unserem Gehirn.

Musterbildung: Kernmodus des Gehirns

Was macht eigentlich unser Gehirn den ganzen Tag? Worauf basiert seine Arbeit und woher weiß es eigentlich, was es zu wissen glaubt? Ich will dich nicht lange auf die Folter spannen: Der Default-Modus unseres Gehirns ist die Musterbildung. Musterbildung ist eine Kernfunktion unseres Gehirns.

Musterbildung im Gehirn ist Lernen, Mustererkennung ist der Abruf von Gelerntem. Musterbildung ist die Fähigkeit, in einer Menge von Daten vermeintliche Regelmäßigkeiten, Wiederholungen, Ähnlichkeiten oder Gesetzmäßigkeiten zu entdecken. Das spart Zeit – wir können innerhalb von 100 Millisekunden ein Objekt, einen bekannten Menschen oder andere Muster erkennen und zuordnen. Wir bauen uns also eine individuelle Bibliothek von Mustern, auf die wir zurückgreifen. Dabei passieren leider ab und zu Fehler, die wir als sogenannte kognitive Verzerrungen erleben. Eine kognitive Verzerrung (englisch „bias“) ist eine Tendenz oder Neigung, die oft unbewusst unser Urteil und unsere Entscheidungsfindung beeinflusst. Sie kann in verschiedenen Formen auftreten, wie zum Beispiel eine Vorliebe für eine bestimmte Person, Gruppe oder Idee oder eine Tendenz, Informationen auf eine bestimmte Art und Weise zu interpretieren. Wenn dich die Stimme oder die Gestik der neuen Kollegin an deine ungeliebte Grundschul-Mathelehrerin erinnert, wird sie bei dir keinen leichten Stand haben, weil du die negativen Emotionen, die die Lehrerin in dir geweckt hat, leicht auf sie übertragen wirst. Musterbildung und Mustererkennung sind trotzdem sehr nützlich. Es gibt verschiedene Angaben dazu, wie viele Entscheidungen ein Mensch pro Tag trifft. Die Zahlen sind abhängig davon, wie man „Entscheidung“ definiert. Die Angaben reichen von 122 bewussten Entscheidungen bis zu 35.000 Entscheidungen. Forscher der Cornell University schätzen, dass Menschen allein im Zusammenhang mit Essen täglich 226,7 Entscheidungen treffen.14 Eines ist jedenfalls klar: Wir verhalten uns die ganze Zeit und treffen dabei Unmengen an Entscheidungen.

Stell dir vor, du müsstest jeden Tag jede Entscheidung neu und bewusst treffen – angefangen mit der Frage, mit welchem Bein du dich zuerst aus dem Bett schwingst. Das Thema Produktivität könntest du in dem Fall gleich vergessen. Du wärest zu sehr damit beschäftigt zu entscheiden, mit welchem Fuß du zuerst in die Schuhe steigst. Um genau das nicht tun zu müssen, nutzen wir Muster. Und um zu verstehen, wie diese Musterbildung funktioniert, widmen wir uns nun der Neuroanatomie.

Unser Gehirn – übrigens gehören technisch gesehen die teils sichtbare Retina des Auges und alles, was an den Augen „nach innen“ dranhängt, auch dazu – besteht im Wesentlichen aus vielen winzigen Gehirn- beziehungsweise Nervenzellen (Neuronen), dazu kommt dann noch Stütz- und Versorgungsgewebe. Ein durchschnittliches menschliches Gehirn kommt auf ungefähr 100 Milliarden Nervenzellen, so schätzt man. Die Nervenzelle ist die für uns wesentliche kleinste Einheit des Gehirns. Der Körper der Gehirnzelle ist etwa 5 bis 100 Mikrometer groß (ein Mikrometer sind 1/1.000 Millimeter). Ein Neuron besteht vor allem aus dem Zellkörper (Soma), in dem der Zellkern liegt, und verschiedenen „Auswüchsen“. Denn um mit anderen Neuronen Verbindungen aufbauen zu können, gehen von jedem Neuron fein verästelte Dendriten und Axone ab. Funfact: Eine einzige Gehirnzelle kann bis zu 10.000 Dendriten besitzen.

Axone sind längliche Gebilde, die vom Soma abgehen und für die Informationsübertragung verantwortlich sind. Erreicht eine Information einen gewissen Schwellenwert, wird sie über das Axon zu den Synapsen übertragen. Synapsen sind so etwas wie die Anschlussstelle zwischen den Neuronen. Noch ein Funfact: Die Anzahl der Verbindungen zwischen den Neuronen im Gehirn ist größer als die Zahl der bekannten Sterne im Universum. Bei manchen einzelnen Gehirnzellen kommen rund 100.000 Verbindungen an! Dendriten empfangen eingehende Signale von anderen Neuronen oder Sinnesrezeptoren, während Axone elektrische Signale vom Zellkörper weg an andere Neuronen oder Zielzellen weiterleiten.

Abb. 1 Signalübertragung an der Synapse

Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Byrne, J. H., Introduction to Neurons and Neuronal Networks, https://nba.uth.tmc.edu/neuroscience/s1/introduction.html

Als wäre das alles nicht kompliziert genug, gibt es auch noch zwei „Kommunikationsstandards“: Über die auf dem Neuron gebildeten Axone findet eine elektrische Signalübertragung statt. In den Synapsen am Ende werden diese elektrischen Signale in chemischeSignale umgewandelt. Diese zweiteilige Kommunikation ist zentral für die Funktion der Musterbildung. Sie verläuft übrigens immer nur in eine Richtung: Eine Zelle redet, die andere hört zu. Die zuhörende Zelle kann aber wiederum eine Verbindung zur redenden Zelle haben, wo es andersherum ist.

Die Funktionsweise der Kommunikation und deren Auswirkungen auf das Lernen eines Nervensystems wurden erst vor wenigen Jahrzehnten entschlüsselt. Ihr Entdecker Eric Kandel, ein österreichisch-US-amerikanischer Psychiater, Physiologe, Neurowissenschaftler, Verhaltensbiologe und Biochemiker, wurde dafür im Jahr 2000 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.

Bei seinen Untersuchungen an kalifornischen Meeresschnecken fand er heraus, dass die elektrische Signalübertragung in unterschiedlichen Geschwindigkeiten passiert. Wenn eine Schnecke etwas zum ersten Mal macht, dann fließt das Signal sehr langsam, mit etwa 4 km/h, durch das Neuron. Je öfter die Schnecke die Aktion jedoch wiederholt, desto stärker bildet sich physiologisch das Axon aus und desto höher wird auch die Signalgeschwindigkeit. Mit jeder Wiederholung bildet sich um das Axon eine Schicht aus speziellen Zellen aus, die sogenannte Myelin- oder Markscheide. Das einst „nackte“ Axon verwandelt sich in eine Art Cocktail-Würstchenkette. Auf dieser Kette fließt der Strom jetzt jedenfalls nicht mehr träge dahin, sondern wandelt sich in eine Folge von blitzschlagartigen elektrischen Phasenimpulsen. Durch diese Impulse von Knotenpunkt zu Knotenpunkt wird die Signalübertragung auf über 400 km/h beschleunigt. Stell dir vor, du bahnst dir einen Weg durch hohes Gras. Beim ersten Mal bist du noch langsam und vorsichtig, du kennst das Gelände noch nicht und musst dir deinen Weg erst bahnen. Am nächsten Tag geht es schon schneller, du kannst deiner eigenen Spur folgen. Je öfter du der Spur folgst, umso mehr verwandelt sie sich in einen gangbaren Trampelpfad. Irgendwann ist es ein Weg, den du blind gehen kannst. Der Pfad ist jetzt so ausgetreten, dass du sogar ein Fahrrad nehmen kannst. Wenn wir lernen, bauen wir tatsächlich unser Gehirn physiologisch um. Wenn du aufmerksam liest, bilden sich auch bei dir gerade neue Myelinscheiden. Der Effekt passiert genau jetzt.

Abb. 2 Signalgeschwindigkeit

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an http://ms-gateway.ie/my-life-with-ms/introduction/what-is-ms-179.html

Wenn Kinder mit vier oder fünf Jahren das erste Mal Fahrrad fahren, sind sie extrem wackelig und neuronal nur mit 4 km/h unterwegs. Zehn Jahre später und mit Tausenden Kilometern in den Beinen fahren diese Kinder freihändig und mit Handy in der Hand vor dir über die Kreuzung. Was ist passiert? Durch immerwährende Wiederholung haben wir ein ganzes Set an neuronalen Mustern gebaut, das stark moderiert wird durch neuronale Strukturen rund um die Basalganglien, Amygdala und den Hippocampus tief im Gehirn in einem System, mit dem wir uns noch beschäftigen werden. Diese Logik findet sich nicht nur beim Radfahren, also bei Bewegungsmustern, sondern immer, wenn wir etwas lernen: bei den ersten Schritten als Baby genauso wie beim Sprechenlernen bis hin zum philosophischen Erkenntnisgewinn. Wichtig: Muster bilden wir auch dann aus, wenn wir gar nicht bewusst lernen. Das Einmaleins lernen wir bewusst. Radfahren lernen wir am Anfang teilweise bewusst, das Gleichgewicht zu halten passiert aber auch schon zu Beginn unbewusst. Wir bilden aber auch ganz unbewusst Muster aus, wenn es darum geht, wie wir auf und in bestimmten sozialen Situationen reagieren. Ob deine Eltern freundlich zugewandt oder eher gleichgültig waren, führt auf diese Weise ebenfalls zu Mustern in dir. Ob und wie du von Freunden und Lehrern gelobt und gefördert wurdest oder nicht, resultiert in Mustern, beispielsweise darin, wie zuversichtlich du eine Herausforderung angehst. Diese Muster, die wir vom Kleinkindalter an gelernt haben, prägen uns, prägen unser Verhalten zu einem sehr großen Teil. Sie sind ein bestimmendes Element, warum wir tun, was wir tun. Fazit: Muster sind zum großen Teil mitbestimmend für unser Verhalten.

Wir lernen Muster aber nicht ausschließlich über Wiederholung. Die Neurowissenschaft hat einen zweiten Faktor identifizieren können: Je emotionaler wir eine Wiederholung wahrnehmen – wenn wir also beispielsweise eine hohe positive Gestimmtheit haben, wenn wir gerade Glück und Zufriedenheit empfinden –, desto schneller lernen wir hinzu. Wenn die Erfahrungen emotional intensiver werden, erhöht sich die Aktivität von Noradrenalin und Cortisol im Gehirn, was bei der nachhaltigen Repräsentation von Erfahrungen im Arbeitsgedächtnis hilft und synaptische Plastizität fördert. Die Amygdala ist zentral beim emotionalen Lernen. Die Aktivierung der Amygdala nimmt mit der Intensität einer Erfahrung zu, was die Gedächtnisbildung sowohl im Hippocampus als auch im Nucleus Caudatus (eine Region für Gedächtnis, Kognition, Emotion) verbessert. Hippocampus und Amygdala sind quasi Nachbarn im Gehirn, interagieren stark miteinander und kollaborieren insbesondere bei der Bildung des emotionalen Gedächtnisses.15 Das geht so weit, dass wir bei sehr intensiven Erfahrungen, positiv wie negativ, gar keine Wiederholung brauchen. Der schönste Tag unseres Lebens und das schlimmste Ergebnis ist nur einmal passiert, wird aber oft lange und intensiv erinnert, und das ohne Wiederholung.

Wenn wir effektiv produktiv sein wollen, müssen wir entsprechende Verhaltensmuster verinnerlichen und emotional positiv