Football Leaks - Rafael Buschmann - E-Book
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Football Leaks E-Book

Rafael Buschmann

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Beschreibung

»Wie ein Krimi, gegen den ein Elfmeterschießen platte Unterhaltung ist.« Der tödliche Pass

Mit neuen Enthüllungen über die Premier League und den Transferwahnsinn – aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe


Astronomische Ablösesummen. Undurchsichtige Firmennetzwerke in Steueroasen. Spieler, die zu reiner Ware werden. Beim Fußball geht es längst nicht mehr ums schöne Spiel, sondern vor allem um Geld. Sehr viel Geld. Mit Hilfe der Enthüllungsplattform Football Leaks haben die SPIEGEL-Redakteure Rafael Buschmann und Michael Wulzinger exklusive Einblicke in geheime Verträge und Absprachen zwischen Spielern, Beratern und Klubs erhalten. In ihrem nun umfassend aktualisierten und erweiterten Bestseller enthüllen sie die schmutzigen Geheimnisse einer gierigen Branche und zeigen, wie allgegenwärtig fragwürdige Geschäfte im internationalen Profifußball sind.

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Zum Buch

Unkontrollierte Geldströme, Spieler, die zu reiner Ware werden, intransparente Firmengeflechte von Spitzenfußballern und Spielerberatern – Football Leaks enthüllt, wie allgegenwärtig schmutzige Geschäfte im Profifußball sind. Packend erzählen die SPIEGEL-Redakteure Rafael Buschmann und Michael Wulzinger, wie sie mit Hilfe des Whistleblowers John exklusive Einblicke in die geheimen Verträge und Absprachen zwischen Spielern, Beratern und Klubs erhielten und die dunklen Geheimnisse des Fußballbusiness enttarnten. Football Leaks ist eine Reise zu den Abgründen einer enthemmten und gierigen Branche.

Der Autor

Rafael Buschmann, geboren 1982 im polnischen Zabrze, studierte in Münster und Neu-Delhi/Indien Germanistik, Psychologie, Sport und Pädagogik. Seit 2010 war er Reporter im Sportressort von SPIEGELONLINE, bevor er 2013 zum SPIEGEL wechselte. Dort schreibt er vor allem über die Fußballnationalmannschaft, Matchfixing, Geldflüsse im Fußball, Rechtsextremismus im Sport sowie die Ultra- und Hooliganszene. Für die Enthüllungsgeschichte über die mutmaßlich gekaufte Weltmeisterschaft 2006 (»Das zerstörte Sommermärchen«) gewann er mit seinen Kollegen 2016 den Henri-Nannen-Preis.

Michael Wulzinger, geboren 1965 in Dortmund, studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Germanistik in Freiburg und Sevilla und kam nach Stationen bei der Tageszeitung »Die Rheinpfalz« und der »Badischen Zeitung« 1997 ins Sportressort des SPIEGEL. Von 2009 bis 2016 war er Ressortleiter der Sportredaktion, seither arbeitet er im Ressort Deutschland mit dem Schwerpunkt investigative Recherche.

Rafael Buschmann und Michael Wulzinger

FootballLeaks

Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball

Deutsche Verlags-Anstalt

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2017 Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81 673 München, und SPIEGEL-Verlag, Hamburg, Ericusspitze 1, 20 457 Hamburg

Umschlag: Büro Jorge Schmidt, München

Umschlagmotiv: © Getty Images

Typografie und Satz: DVA / Andrea Mogwitz

Gesetzt aus der Minion

ISBN 978-3-641-21399-2V008

www.dva.de

Inhalt

Prolog

Die Enthüller

Inshallah, Könige!

Die Suche

Die Steuertouristen

Der Durchbruch

Leibeigene auf Zeit

Die Krise

Gönnen können

Die Geldregner

Der Datenberg

Verhökerte Lieblinge

Widerspenstig

Der goldene Schuss

Der Zufluchtsort

Das ganz große Geld

Der Gefangene

Die Partner

Auf der Seidenstraße

Schweizer Sickergruben

Im Steuerparadies

Der Besuch

Dokumente der Gier

Feiern und Fragen

Brandbriefe

Das Beben

Aufgedreht

Danksagung

Register

Prolog

Am 2. Dezember 2016 erschien der SPIEGEL mit einer Titelgeschichte, die zwei unterschiedliche Cover hatte. Auf dem einen war das Gesicht Cristiano Ronaldos zu sehen, auf dem anderen das Gesicht Mesut Özils, zwei Weltstars des Fußballs. In ihren Augen leuchteten Euro-Zeichen, die Schlagzeile hieß »Die Geldmeister«. Im Heft fanden sich zu beiden Spielern große Enthüllungsgeschichten über ihre zweifelhafte Steuermoral.

In der folgenden Ausgabe machte das Magazin mit einer weiteren Titelgeschichte auf, die die geheimen Verträge der Profis in der Fußball-Bundesliga beleuchtete. In Dutzenden weiteren Geschichten, die im Heft, auf SPIEGELONLINE und bei SPIEGELTV erschienen, wurde den Lesern und Zuschauern die dunkle, die schmutzige, die kriminelle Seite des Milliarden­geschäfts Fußball gezeigt.

Es ging um eine Sportvermarktungsagentur, die mit den bedeutendsten Klubs Europas Geschäfte macht und die enge Verbindungen in die südosteuropäische Unterwelt pflegt. Es ging um Spielervermittler, die die bekanntesten südamerikanischen Profis bei Klubs wie Real Madrid, Juventus Turin oder Manchester United vertreten und die mithilfe von Strohmännern Beraterhonorare für Transfers und Vertragsverlängerungen im zweistelligen Millionenbereich auf Konten einer Firma auf den British Virgin Islands schleusten, einem Steuerparadies in der Karibik. Es ging um den besonders widerlichen Handel mit minderjährigen Talenten aus Entwicklungsländern, die von einer großen Karriere träumen und an die falschen Leute geraten. Es ging um Finanziers, die skrupellos in Transferrechte von Spielern investierten und deren einziges Interesse darin lag, größtmöglichen Profit aus ihrem Investment zu schlagen. In vielen Beiträgen ging es um die scheinbar ganz alltäglichen Geschäfte im Fußball, einer der schillerndsten Branchen der weltweiten Unterhaltungsindustrie: um geheime Nebenabsprachen, um Gefälligkeiten im sechs- und siebenstelligen Euro-Bereich, um Knebelverträge, den Verdacht der Untreue, den Verdacht des Betrugs. Immer ging es um Geld, und immer ging es auch um Gier.

Möglich gemacht hat diese Einblicke in die Dunkelkammern des Profifußballs die Enthüllungsplattform »Football Leaks«, die im September 2015 damit begonnen hatte, Brancheninterna ins Netz zu stellen – Originalverträge, streng vertrauliche Klauseln, Geldflüsse. Doch dann war es auf der Football-Leaks-Seite plötzlich still geworden: Einer der Macher hatte sich entschlossen, mit dem SPIEGEL zu kooperieren und dem Nachrichten-Magazin einen riesigen Datensatz von 1,9 Terabyte zu überlassen. Woher das Material stammt, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Es kommt aus zahlreichen Ländern, offenbar von Verbänden, Vereinen, Berateragenturen, Konzernen. Eines ist sicher: Es gibt nicht nur die eine Ursprungsquelle für die Dokumente. Ein entscheidendes Argument für die Weitergabe der Daten war aus Sicht von Football Leaks, dass so nicht nur einzelne Schriftstücke veröffentlicht werden konnten, sondern dass die Möglichkeit bestand, die Geschichten und Zusammenhänge hinter den Zahlen und Verträgen zu erzählen.

Weil dieser Datensatz 18,6 Millionen Dokumente enthält, entschloss sich der SPIEGEL, den Schatz mit seinen Partnern vom Recherchenetzwerk European Investigative Collaborations (EIC) zu teilen. Zu dem Verbund gehören die Medienhäuser »Mediapart« in Frankreich, »NRC Handelsblad« in den Niederlanden, »Politiken« in Dänemark, »Le Soir« in Belgien, »L’Espresso« in Italien, »El Mundo« in Spanien, »NewsWeek« in Serbien, »Falter« in Österreich sowie »RCIJ / The Black Sea« in Rumänien. Verstärkt wurde das Investigativprojekt zudem von »The Sunday Times« in Großbritannien und »Expresso« in Portugal.

60 Reporter und Dokumentare, dazu IT-Experten und Juristen arbeiteten sieben Monate lang an einer Röntgenaufnahme des Milliardengeschäfts Fußball, wie es sie niemals zuvor gegeben hat. Dieses Buch beschreibt, wie es dazu kam. Und es erzählt die Geschichte des Informanten, der sich mit den mächtigsten Vertretern einer enthemmten und immer einflussreicher werdenden Branche angelegt hat. Er ist ein junger Mann aus Portugal, der ohne festen Wohnsitz in Osteuropa lebt, intelligent, verwegen, getrieben, gehetzt, zwischen Furchtlosigkeit und Verzweiflung schwankend, ein Romantiker des Fußballs, ein leidenschaftlicher Fan.

Einer, der es nicht ertragen könne, wie er selbst von sich sagt, dass die Branche durchsetzt sei von gewissenlosen Geschäftemachern. Als eines seiner Hauptmotive für Football Leaks, das größte Datenleck in der Geschichte des Sports, bezeichnet er seine Wut: die Wut auf die Profiteure des schmutzigen Geldes, das der Fußball anzieht und bewegt. Er nennt sie »die Feinde des Spiels«, ihnen gilt sein Feldzug, sie will er bloßstellen, entlarven, überführen, mit nicht zu widerlegenden Fakten: Verträgen und Nebenabreden, Kontoauszügen, Rechnungen. Die Feinde des Spiels sind nun auch seine, er wurde vom Jäger zum Gejagten.

Vier Kapitel dieses Buches betreffen Personen und Themen, um die es bereits im SPIEGEL ging: Cristiano Ronaldo, den skrupellosen Sportvermarkter Doyen, die Gier der Spielerberater und die geheimen Klauseln der Spielerverträge. Diese Geschichten wurden neu aufgelegt, teilweise mit Informationen und Dokumenten, die uns nach den Dezember-Veröffentlichungen im SPIEGEL zugespielt wurden. Neun weitere Kapitel, die hier veröffentlicht werden, stammen ebenfalls aus dem Material von Football Leaks. Sie geben neue Einblicke in die Fußballbranche.

Zwei Geschichten beleuchten die sogenannte Third-Party-Ownership (TPO), die mittlerweile vom Weltfußballverband Fifa verbotene Beteiligung Dritter an den Transferrechten von Fußballprofis, eine davon spielt in Hoffenheim. Sie beschreibt, wie eine Firma, an der der Mäzen Dietmar Hopp beteiligt war, Transferrechte an Spielern seines Klubs erwarb, etwa an dem brasilianischen Nationalspieler Firmino, der für die Rekordablöse von 40 Millionen Euro zum FC Liverpool wechselte. Die andere Geschichte beschäftigt sich mit dem spanischen Spitzen­klub Atlético Madrid, dessen Vereinsboss über Jahre die besten Spieler seines Kaders an einen undurchsichtigen Investmentfonds verhökert hat, hinter dem der portugiesische Berater Jorge ­Mendes steckt.

Der Adidas-Konzern ist einer der einflussreichsten Akteure in der weltweiten Vermarktung des Fußballs. Vertrauliche Dokumente belegen, mit welchen Summen und welchen Verträgen der Sportartikel-Gigant die populärsten Klubs und die prominentesten Stars an sich bindet – und wie die Milliardenzahlungen des Konzerns aus Herzogenaurach den sportlichen Wettbewerb langfristig aushöhlen.

Finanziell sind Vereine wie Real Madrid und Manchester United, zwei Adidas-Klubs, den meisten Konkurrenten in Europa längst entrückt. Wie weit, das enthüllen drei Beiträge. In einem geht es um die Champions-League-Prämien der Real-Stars und eine ebenfalls mit dem Titelgewinn verbundene 13-Mil-lionen-Euro-Klausel im Vertrag ihres Trainers Zinédine Zidane. Ein weiterer Beitrag deckt das Gehalt des bis Sommer 2017 bestbezahlten Spielers der englischen Premier League auf, des Schweden Zlatan Ibrahimović. Ein dritter Beitrag beleuchtet den 105-Millionen-Euro-Transfer seines Mannschaftskameraden Paul Pogba zu Manchester United, des bis Sommer 2017 teuersten Spielers der Welt. Pogbas Berater Mino Raiola hatte für den Franzosen im Jahr zuvor abenteuerliche Summen ausgehandelt. Auch für Raiola wurde Pogbas Transfer zum Deal seines Lebens, er kassierte 49 Millionen Euro. Im Rausch des Geldes hob der Superberater dann offenbar ab. Die Dokumente von Football Leaks belegen, dass Raiola von drei Parteien kassierte: von Pogbas altem Klub Juventus Turin, von Pogbas neuem Klub Manchester United und von Pogba selbst.

Lag die Rekordablöse im Sommer 2016 also noch bei 105 Millionen Euro, so schnellte sie im Jahr darauf um mehr als das Doppelte in die Höhe. Die Summe, die das Irrationale wie das Vulgäre des Geschäfts seither symbolisiert, liegt nun bei 222 Millionen Euro. Das war der Preis, den Paris Saint-Germain (PSG) im August 2017 an den FC Barcelona bezahlte, um den brasilianischen Stürmer Neymar aus seinem Vertrag herauszukaufen. Dieser Deal zeigt, dass selbst Topvereine wie der FC Barcelona erpressbar sind und sich ihrer besten Spieler nicht mehr sicher sein können.

Noch im Sommer 2016 hatten die Katalanen Neymars Vertrag vorzeitig verlängert und ihn zum bestbezahlten Spieler ihres Kaders gemacht, besser entlohnt als der fünffache Weltfußballer Lionel Messi. Dennoch trat Neymar in den Streik, bis er schließlich die Freigabe erhielt und zu jenem Klub wechseln konnte, der wie kein zweiter für die politischen Ambitionen eines Staates instrumentalisiert wird – zu Paris Saint-Germain, dem Prestigeprojekt des Emirats Katar.

Die Dokumente von Football Leaks belegen, wie vergiftet die Atmosphäre zwischen dem FC Barcelona und Neymar war. Sie zeigen aber auch, dass der FC Barcelona, in diesem Fall der Unterlegene, seine Strahlkraft ausnutzt, um anderen Vereinen mit denselben Methoden wie PSG die besten Spieler abspenstig zu machen. Bei Ousmane Dembélé, dem Jungstar von Borussia Dortmund, wirkten die Summen, die Barça ihm bot, um seinen Wechsel zu erzwingen. Bei Philippe Coutinho vom FC Liverpool, dem zweiten Wunschkandidaten des FC Barcelona, kam es erst ein halbes Jahr später zum Transfer. Im Sommer 2017, auch das zeigen die Dokumente von Football Leaks, konnte sich der FC Liverpool den skrupellosen Abwerbeversuchen der Barça-Bosse noch erfolgreich widersetzen.

Doch auch der FC Liverpool handelt nach dem Prinzip: oben sticht unten. Das zeigte der Kauf des holländischen Profis Virgil van Dijk vom FC Southampton im Januar 2018 zum Preis von 70 Millionen englischen Pfund plus vier Millionen Pfund variabler Zahlungen, der bis dahin höchsten Ablösesumme für einen Abwehrspieler. Katarische Vereinsbesitzer mögen die Preisspirale für Topspieler wie Neymar oder den Franzosen Kylian Mbappé in immer neue Höhen treiben. Die Fernsehmilliarden der englischen Premier League hingegen sorgen dafür, dass nicht nur den 1A-Kräften, sondern auch den 1B- und den 1C-Spielern, die es aus allen Kontinenten auf die Insel zieht, mittlerweile Gagen und Prämien bezahlt werden, die noch vor drei Jahren unvorstellbar gewesen wären. 16 Millionen Euro festes Jahresgehalt? 2,5 Millionen Euro für einen Champions-League-Sieg? 55 Millionen Euro Ablösesumme für einen mittelmäßigen Mittelfeldmann? Sechs Millionen Euro in die Hand eines Spielers nach seiner Vertragsunterzeichnung, sieben Millionen Euro für seinen Berater?

Im Material von Football Leaks finden sich zahlreiche Transfervereinbarungen und Arbeitsverträge, die die wichtigsten englischen Profiklubs bis Januar 2018 abschlossen. Jedes Dokument für sich zeichnet das Bild einer grassierenden Hyperinflation.

Der Markt ist entfesselt wie niemals zuvor, und mit das größte Geld lockt in China, wie eine weitere Geschichte in diesem Buch beschreibt. Im Material von Football Leaks finden sich die Belege: Dutzende von Arbeitsverträgen mit Profis wie den Argentiniern Ezequiel Iván Lavezzi oder Carlos Tévez, die den Altstars obszöne Gehälter garantierten – bis zu 56,7 Millionen Dollar netto für nicht einmal zwei Jahre.

Doch für die besten jungen Spieler der Welt bleiben die Sehnsuchtsziele die englische Premier League, die spanische Primera División, die italienische Serie A oder die deutsche Bundesliga. Um den Sprung in eines dieser Länder zu schaffen, müssen die begehrten Talente aus purer Not häufig mit den Bossen ihrer alten Klubs paktieren. Gerüchte über Vereinsfunktionäre, die sich am Verkauf von Spielern in die besten Ligen Europas bereichern, kursieren seit Jahren. Football Leaks liefert dazu umfassende Belege von Klubs auf dem Balkan, betroffen sind Spieler wie der vom Hamburger SV verpflichtete Alen Halilović, Mijat Gaćinović von Eintracht Frankfurt, Tin Jedvaj von Bayer Leverkusen. Im Zentrum dieser mafiösen Machenschaften steht Dinamo Zagreb. In dem Klub regierte ein Familienclan, der über ein Netz von Briefkastenfirmen Ablösesummen im zweistelligen Millionenbereich ins Ausland verschob – nach Hongkong, nach Dubai, nach Malta, in die Schweiz.

Der Profifußball war schon immer eine undurchsichtige Branche, eine Branche, die schnell vergisst und der man schnell verzeiht. Wenn die Helden des Vereins Steuern hinterziehen, ist das für Fans etwas anderes, als wenn Politiker oder Wirtschaftsbosse Steuern hinterziehen. Die Leidenschaft, die im Spiel ist, das Bangen wie das Hoffen, die Wucht der Masse, die Sehnsucht nach Erlösung, all dies hat eine Verführungskraft, die die Verstandeskraft bezwingt. Man ahnte, dass Vereinspräsidenten sich bereichern. Man ahnte, dass Spielerberater sich die Taschen vollstopfen. Man ahnte, dass Ablöse­summen in Steueroasen landen und dass Profis ­verschachtelte Firmenkonstruktionen für ihre Werbeeinahmen aufgebaut haben.

Die Enthüllungen durch Football Leaks sind deshalb so bedrohlich für das Business, weil sie den Unterschied zwischen Ahnung und Gewissheit bedeuten. Denn Football Leaks argumentiert mit Fakten aus originalen Dokumenten. Je deutlicher wird, wie verrottet das System Profifußball tatsächlich ist, wie grotesk überbezahlt die Spieler und Berater, wie korrupt prominente Vereinsvertreter, je weiter sich das Illusionstheater von der Lebenswirklichkeit der Fans entfernt, desto eher könnten sie sich irgendwann doch abwenden.

Fußball ist ein wunderschönes Spiel. Aber die Geduld der Menschen, die dieses Spiel lieben und die es bezahlen, ist nicht grenzenlos.

Hamburg, im März 2018

Rafael Buschmann und Michael Wulzinger

Die Enthüller

Da steht er, der Unsichtbare, das Phantom, der Mann, der keine Spuren hinterlässt. Endlich. Monatelang konnten wir uns nur schreiben. Erst antwortete er gar nicht, dann zögerlich und unregelmäßig. In den Mails stand oft nur das Nötigste, kurze Sätze, kaum Details.

Er ist kein Mensch, der leicht vertraut, das wird schnell klar. Man kann es ihm auch kaum verübeln. Immerhin ist er auf der Flucht, versteckt sich vor der Unterwelt, vor Privatdetektiven und der Polizei. Jeder Fehler könnte ihn enttarnen. Nachvollziehbar, dass so jemand lange braucht, um sich aus der Deckung zu wagen. Nun, im Februar 2016, schreibt er, müsse er etwas persönlich mit uns besprechen. Es sei dringend.

Zu unserem ersten Treffen kommt es in einer Stadt in Osteuropa. Draußen liegt Schnee, drinnen, im kleinen Hotelzimmer, ist es heiß und stickig. Die Heizung lässt sich nicht herunterdrehen. Keine Wohlfühlatmosphäre.

Wie sollen wir ihn überhaupt ansprechen? Nicht einmal einen Namen hat er uns genannt. »Nenn mich John«, sagt er.

So beginnt es also, das Abenteuer, das uns in einer monatelangen Reise zu den Abgründen der Fußballbranche führen wird. John ist Football Leaks. Die kleine Website, die seit einiger Zeit für so große Aufregung sorgt, ist sein Sprachrohr. Seine Daten sind seine Stimme, sie erzeugen Wucht, vom ersten Tag an.

Football Leaks erscheint wie aus dem Nichts im Internet. Damals noch ohne Hinweis auf John oder einen der Macher und auch ohne Erklärung oder Manifest, nur eine Internetseite mit Dokumenten. Ende September 2015 tauchen die ersten Verträge auf, sie dokumentieren wilde Transfergeschäfte mit ­jungen ­Spielern, geben Hinweise auf anrüchige Absprachen zwischen Vereinspräsidenten und Spielerberatern, die teilweise sogar Provisionszahlungen untereinander aufgeteilt haben sollen, sogenannte Kickbacks, schmutzige Deals, von denen man schon lange vermutet, dass sie fester Bestandteil der Branche sind. Nun stehen diese Geheimnisse offen im Netz.

Zuerst erwischt es Portugal. Die Dokumente, die, plopp, auf der Football-Leaks-Homepage erscheinen, stammen aus dem Inneren von Benfica und Sporting Lissabon, später auch vom FC Porto, den drei führenden Klubs des Landes also. Die Dokumente scheinen echt zu sein, sie sind gegengezeichnet, sie tragen Paraphen und Stempel, ihr Inhalt ist streng vertraulich: Firmengeheimnisse, Verschlusssachen, Papiere für den Giftschrank. Woher kommt das Zeug?

Football Leaks äußert sich dazu nicht, stattdessen spült die Website immer mehr Dokumente an die Internetoberfläche, les- und downloadbar für jeden. Die Enthüllungen sind für die Fußballbranche nicht nur eine Provokation, sondern auch eine akute Bedrohung. »Niemand weiß genau, was da gerade passiert, aber jeder weiß, dass er nicht der nächste sein will«, sagt ein Funktionär eines europäischen Fußballklubs der »New York Times«. Seinen Namen nennt der Mann nicht – um die Gruppe nicht unnötig herauszufordern.

John, der Unbekannte aus den Untiefen des Internets, sitzt zu diesem Zeitpunkt irgendwo auf der Welt vor seinem Computer und amüsiert sich prächtig. Er liest in den Fanforen und Medien Spekulationen darüber, wer oder was Football Leaks alles sein soll: eine Einzelperson, eine Gruppe, ein Angestellter der portugiesischen Liga, ein ehemaliger Mitarbeiter des Weltverbandes Fifa. Oder doch ein ehemaliger Spielerberater, der es seinen Konkurrenten, vielleicht gar der ganzen Branche, heimzahlen möchte? Was sind die Motive des oder der Verantwortlichen? Rache? Habgier? Wahnsinn? Lust an der Provokation? Viele Fragen, wilde Spekulationen. Nur eines ist unstrittig: Die Enthüllungen der Football-Leaks-Seite besitzen eine enorme Sprengkraft. Sie sind ein Frontalangriff auf das Milliarden­geschäft Fußball.

In der Wirtschaft und in der Politik, selbst bei den Kirchen gab es in der Vergangenheit immer wieder Leaks, also große Datenmengen, die an die Öffentlichkeit kamen und für Aufruhr sorgten. Aber im Sport? Im Fußball? Die Enthüllungen von Football Leaks sind eine Premiere. Der Angriff der Whistleblower trifft die Branche völlig unvorbereitet. Wer die Football-Leaks-Dokumente liest, kann nur zu dem Schluss kommen, dass der Profifußball nie damit gerechnet hat, dass seine schmutzigen Geheimnisse irgendwann einmal an die Öffentlichkeit geraten könnten.

In den vergangenen Jahren hat die Branche sich immer deutlicher zu einer Parallelwelt entwickelt, mit ganz eigenen Vorstellungen von Recht und Gesetz, Anstand und Moral. Die Millionen und Milliarden, die von Fans, Sponsoren und Fernsehanstalten in den Markt gespült werden, haben womöglich zwangsläufig zu Überheblichkeit und Selbstüberschätzung führen müssen – bis hin zum Größenwahn.

Die Unterhaltungsindustrie Fußball hat eine gesellschaftliche Bedeutung erlangt, die weit über das Spiel hinausragt. Wenn es um die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Branche geht, kommt an den Lobbyisten des Fußballs kein Volksvertreter vorbei – egal, ob Fragen des Steuerrechts, neue Abgabevorschriften für Kapitalgesellschaften oder Landeszuschüsse für Stadionbauten auf der Agenda stehen.

Die Nähe des Profifußballs zur Macht und zu den Mächtigen ist groß, die Grenzen zu Politik und Wirtschaft sind fließend. Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht die deutsche Nationalmannschaft. Zur Wahl des neuen Bundespräsidenten werden auch der Bundestrainer Joachim Löw und der Chef der Deutschen Fußball Liga, Reinhard Rauball, eingeladen. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Reinhard Grindel, war Abgeordneter des Deutschen Bundestages, die Vorstandschefs der Unternehmen Telekom und Audi sitzen im Aufsichtsrat von Bayern München. Und wenn der Weltverband Fifa den Zuschlag für eine Weltmeisterschaft vergibt, kommt sogar der Emir von Katar persönlich nach Zürich.

Doch wenn Politik und Wirtschaft fast überall auf der Welt die Nähe zum Profifußball suchen, weil er sie glänzen lässt, wer kontrolliert dann eigentlich noch diese Branche? Die Medien? Unabhängigen Journalismus bekämpft der Fußball mit Schärfe und Ausgrenzung. Die Pressestellen erlauben Gespräche mit den Sportlern und Funktionären nur dann, wenn sie am Ende jedes Wort, das geschrieben wird, gegenlesen und im Zweifel auch verändern können. Direkte, unverhüllte Nähe zu den Akteuren gibt es für Reporter kaum noch, zumal oft auch noch persönliche Medienberater und Spieleragenten das öffentliche Bild der Kicker mitbestimmen wollen.

Reporter, die sich nicht vereinnahmen lassen, die zu viel schnüffeln, die die Realität und nicht das sorgfältig konstruierte Image beschreiben wollen, werden unter Druck gesetzt und nicht selten ausgebootet. Der Profifußball kann da sehr unangenehm sein, man könnte auch sagen: manipulativ. Kritische Journalisten bekommen oft keine Interviews mehr, dürfen nicht an Hintergrundgesprächen teilnehmen, und es passiert auch, dass die Klubs ihnen ohne Vorwarnung die Akkreditierung, also die Arbeitserlaubnis, entziehen. Hofberichterstatter haben keine Probleme. Den anderen droht auch schon mal Hausverbot.

Die Lage ist simpel: Der Fußball ist mittlerweile so groß geworden, so einflussreich, dass er die Medien nicht mehr braucht. Alles, was Vereine, Verbände, Funktionäre und Spieler zu sagen haben, können sie über YouTube, Twitter und Facebook sagen – ungefiltert und ungeprüft. Zudem sitzen Wochenende für Wochenende Millionen Fans im Stadion und vor den TV-Geräten und bekommen eine Wirklichkeit serviert, die die Branche auch zeigen möchte. Der europäische Fußballverband Uefa geht mittlerweile so weit, dass er bei ­Europameisterschaften die Ausschreitungen von Hooligans aus der Übertragung herausschneidet. Sie schaden dem Produkt.

Gibt es überhaupt noch jemanden, der diese erfolgstrunkene, selbstgerechte Branche kontrolliert? Die Justiz? Die Polizei? Manchmal: ja. In den meisten Fällen: nein. Die Fußballbranche verfügt über genügend Ressourcen, um sich die besten Anwälte, Steuerexperten und Unternehmensberater zu leisten. Deren Aufgaben sind klar abgesteckt: Sie müssen Lösungen finden, um krumme, dreckige Deals sauber und legal erscheinen zu lassen.

Die Football-Leaks-Daten werden deutlich machen, dass fast jeder überdurchschnittlich verdienende Spieler mittlerweile Beteiligungen an einem oder mehreren Unternehmen hält. Insbesondere in Spanien oder England werden eigens Firmen für die Kicker gegründet, an die das Geld für deren Werberechte fließt. Auch die Vereine zimmern mit an diesen labyrinthischen Unternehmensstrukturen, die häufig in Steueroasen in der Südsee oder der Karibik enden. Das Verschachteln, Vernebeln, Verstecken dient dabei nur einem Ziel: der Steuerminimierung. Aus Brutto möglichst viel Netto zu machen scheint der Urtrieb aller Beteiligten zu sein, und so kommt es, dass im Fußball kaum ein größerer Geldfluss einen eindeutigen, geraden Verlauf nimmt.

Ermittler, die einer viel versprechenden Spur folgen, stoßen schnell an ihre Grenzen: die der Nationalstaaten. Spieler wechseln von einem Land ins nächste und von einem Kontinent zum anderen, Honorare für Berater können überallhin gezahlt werden, auch zur kleinsten Bank auf der entlegensten Insel – inklusive der vielen Steueroasen, in denen schmutziges Geld ganz schnell in sauberes verwandelt wird. Polizei und Staatsanwaltschaften müssen diesen Machenschaften oft ohnmächtig zuschauen. Die Justiz arbeitet immer noch sehr länderbezogen, deutsche Steuerfahnder prüfen nach deutschem Recht, französische nach französischem, und der Austausch zwischen den Behörden einzelner Länder ist auch in einer globalisierten Welt überraschend schwer. Manche Rechtshilfeersuche an Länder in Afrika, Südamerika oder in der Karibik sind den Aufwand nicht wert – jeder Polizist in Bochum oder Bordeaux weiß, dass solche Anfragen nicht einmal beantwortet werden.

Die hoch bezahlten Finanz- und Steuerexperten der Fußballwelt kennen diese Schwachstellen, und sie sind Profis darin, die Löcher im System zu nutzen. So wird aus einer zweifelhaften Überweisung eines deutschen Erstligisten an eine Firma auf den British Virgin Islands ein ganz alltäglicher Zahlungseingang auf dem Konto eines Spielerberaters. Solange der Fußball seine Geschäfte so klandestin regeln kann, ist er beinahe unangreifbar.

Dieser Logik folgend hat sich der Fußball längst sein eigenes Regelwerk geschaffen, ein Universum, das Ordnung und Kon­trolle vorgaukelt, in die Geschäfte der Branche soll sich möglichst keine Instanz von außen einmischen. So haben die Verbände ganze Abteilungen und Stäbe aufgebaut, die die Lizenzen für die Profiklubs vergeben. Dabei wird unter anderem überprüft, ob ein Klub sauber und seriös gewirtschaftet hat, ob die Bilanzen stimmen und wer in den Klub investiert. In den Verbänden entstehen auch vermehrt Ethikkommissionen und Compliance-Teams, die alle Deals kontrollieren und vor möglichen Interessenkonflikten warnen sollen. Die Football-Leaks-Dokumente werden deutlich machen, dass vieles davon nur Fassade ist.

Enthüllungen über die Korruptionsorgien beim Weltverband Fifa oder die Sommermärchen-Affäre beim DFB haben die Glaubwürdigkeit der Fußballbranche zuletzt stark ramponiert. Es soll ein Zeichen der Entschlossenheit darstellen und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, wenn Verbände plötzlich Antikorruptionsbeauftragte beschäftigen und Vereine sich den Regeln guter Unternehmensführung verpflichten. Schaut her, lautet die Botschaft, wir haben verstanden – wir ändern unser Geschäftsgebaren, wir sorgen für Transparenz. Nur: Wer mag daran glauben, dass sich ein dermaßen verfilztes Milieu aus sich selbst heraus erneuern kann?

Die Macher von Football Leaks zumindest nicht. Und während die Welt im Herbst 2015 noch rätselt, wer die Betreiber der Plattform sind, starten die Whistleblower schon den nächsten Angriff. Er soll zeigen, dass es in Zukunft jeden treffen kann, weit über Portugal hinaus. Dass kein internes Dokument im Fußballbusiness mehr sicher ist. Dass Football Leaks nicht lockerlässt. Und dass die unsichtbaren Macher auch keine Angst davor haben, sich mit der finsteren Seite des Geldes anzulegen.

Twente Enschede – eine Marionette

Im Herbst 2015 veröffentlicht Football Leaks innerhalb weniger Tage zwei Verträge. Jeder Vertrag für sich taugt zu einem Skandal. Zusammengenommen aber werden sie einem niederländischen Spitzenklub fast zum Verhängnis. Football Leaks erlangt mit diesen Enthüllungen zum ersten Mal europaweite Aufmerksamkeit. Die Vereinbarungen beinhalten so gut wie alles, was den Profifußball langsam, aber unerbittlich zerstört.

Der erste Vertrag, abgeschlossen am 25. Februar 2014 zwischen Twente Enschede und dem Sportvermarkter Doyen Sports, handelt von einem Investorenmodell, das die Fifa wenig später, ab Mai 2015, verbieten wird. Die sogenannte Third-Party-Ownership, kurz TPO, ist eine Art Wette auf Menschen. Kurz zusammengefasst: Ein Investor kauft Anteile an den Transferrechten eines zumeist jungen Spielers und setzt darauf, dass der Spieler so gute Leistungen bringen wird, dass sich sein Marktwert steigert. Wenn der Verein den Spieler dann verkauft, kassiert der Investor eine Rendite. Das ist die einfachste Variante.

TPO kann aber auch als labyrinthisches Konstrukt aufgebaut sein, in dem sich insbesondere hoch verschuldete Klubs verlaufen können. So wie im Fall Twente Enschede. Der niederländische Verein hat in seiner 50-jährigen Geschichte nur mittelmäßige Erfolge gefeiert, erst durch eine millionenschwere Finanzspritze des Edelfans und Funktionärs Joop Munsterman kommen die Triumphe: Twente investiert viel Geld in den eigenen Kader, wird 2010 niederländischer Meister, qualifiziert sich anschließend für die Champions League. Es sind Feiertage.

Doch die Party findet schon bald ein Ende. Der Klub hat sich übernommen, der Kader ist zu teuer, die Ausgaben für die Spieler erdrücken den Verein. Twente müsste jedes Jahr in der Königsklasse spielen, um die Gehälter annähernd zahlen zu können. Pech nur: Der Klub schafft es nie wieder, sich für die Champions League zu qualifizieren. Anfang 2014 ist der Verein hoch verschuldet. Doch statt sich zu besinnen, die teuren Spieler zu verkaufen und auf die eigene Jugend zu setzen, geht Twente einen Weg, der typisch ist für all die falschen und hohlen Versprechungen im Profifußball: Die Vereinsbosse lassen sich mit einem dubiosen Investoren ein.

Doyen Sports, eine Sportrechtefirma mit Sitz in London und auf Malta, erwirbt Anteile an den Transferrechten von fünf Twente-Spielern. Fast alle Profis stehen noch am Anfang ihrer Karriere. Twente ist europaweit bekannt für seine groß­artige Jugendausbildung, in den Jahren zuvor hat der Klub einige Spieler für zweistellige Millionenbeträge verkauft. Der Investor riecht ein großes Geschäft. Twente kassiert für diesen Deal eine Einmalzahlung: fünf Millionen Euro. Peanuts. Der Verein, so wirkt es, tut in dieser Phase alles für frisches, schnelles Geld. Anders lässt sich kaum erklären, warum klar denkende Menschen einen solchen Vertrag unterschreiben.

Denn Doyen kassiert nicht nur, wenn Twente einen der Spieler verkauft. Nein, Doyen baut auch so viel Kleingedrucktes in die Verträge ein, dass sich der Einsatz dieser Drückerkolonne quasi im Schlaf vermehrt – das wirtschaftliche Risiko trägt eigentlich immer nur Twente. Selbst wenn der Marktwert der Spieler in den Keller rauscht, bekommt Doyen einen Teil seines Geldes zurück: Im Fall des Stürmers Luc Castaignos liegt die Summe im ersten Vertragsjahr bei 1,5 Millionen Euro und ­steigert sich pro weiterer Spielzeit um zehn Prozent. Das Geld muss Twente auch dann zahlen, wenn der Spieler Sportinvalide würde und nie wieder Fußball spielen könnte. Doyen würde auch weiter mitverdienen, wenn der Profi an einen anderen Verein verliehen würde. Zudem unterschreibt der abgebrannte Klub eine Klausel, wonach er die Investoren über alle Angebote, Verhandlungen oder auch nur das Interesse eines anderen Vereins an einem der Spieler unverzüglich informieren muss.

Doch damit nicht genug. Bereits am 27. Dezember 2013, also rund zwei Monate vor jenem Fünf-Millionen-Vertrag, haben Twente und Doyen eine weitere Abmachung unterzeichnet. Auch dieses Dokument enthüllt Football Leaks.

Dieser Vertrag hat eine entscheidende Klausel, nach der sich der Verein verpflichtet, Doyen auch dann auszubezahlen, wenn er gegen den Wunsch des Investors einen Transfer ablehnt. Ein Knebelvertrag. Denn nicht der Verein, nicht die sportliche Führung bestimmen von nun an über Mannschafts- und Kaderzusammenstellung, sondern faktisch der Investor, der mit den klubinternen Entscheidungen eigentlich überhaupt nichts zu tun haben sollte. Eine solche Abmachung untergräbt nicht nur den gesamten sportlichen Wettbewerb, die Klausel treibt den Verein auch in eine Situation, in der er nur noch verlieren kann – um Doyen nicht auszahlen zu müssen, ist Twente fast gezwungen, seine besten Spieler zu verkaufen.

Abgesehen von den aus sportlicher Sicht fatalen Folgen solch eines Konstrukts, wirft die Abmachung zwischen Twente und Doyen auch Fragen auf, die die Moral des Spiels und den Umgang von Profivereinen mit ihren Fans thematisieren. Wie kann man es als Verein rechtfertigen, Gewinne mit den Trikotverkäufen der Spieler zu erwirtschaften – und dabei gleichzeitig auf ihren Abgang und hohe Transfererlöse zu hoffen? Wie müssen sich Fans fühlen, denen bei jeder großen Vertragsverlängerung Marketingprojekte suggerieren, dass ein Spieler in den kommenden Jahren auf jeden Fall das Trikot des ­jeweiligen ­Vereins tragen werde – die Klubs aber gleichzeitig einem Investoren versprechen, dass der Spieler beim nächsten Leistungssprung und einem guten Angebot wechseln darf? Es ist der pure Zynismus: einerseits die Loyalität und Treue von Fans auszunutzen, andererseits zu glauben, dass das schon keiner merken werde.

Bis zur Veröffentlichung der Verträge durch Football Leaks sind nämlich nicht nur die Fans ahnungslos. Auch der niederländische Fußballverband KNVB hat keinen Schimmer von diesem zwielichtigen Investorenkonstrukt. Twente hat lediglich den zweiten Vertrag beim Verband eingereicht, den ersten halten der Verein und sein Investor streng unter Verschluss.

Nachdem Football Leaks die Dokumente publik macht, braucht der KNVB nicht lange für eine Bewertung dieser Absprache: Sie sei sittenwidrig. Und damit verboten.

Während die Fans von Twente gegen das unmoralische Geschäftsgebaren ihres Vereins protestieren, bemühen sich Doyen und der Klub um die sofortige Auflösung des Vertrages. Aber auch dieses Ausweichmanöver bleibt Football Leaks nicht verborgen, die Dokumente wandern erneut auf die Website der Enthüller, inklusive heikler Mails, die der Doyen-Sportdirektor Nélio Lucas, von dem hier noch sehr häufig die Rede sein wird, an seine Mitarbeiter verschickt: »Lasst uns keine Zeit verlieren, es ist sehr wichtig, dass sie uns noch dieses Jahr und so bald wie möglich etwas zahlen.« 3,3 Millionen Euro kassieren die Investoren bei der Auflösung des Vertrages.

Für Twente allerdings kommt’s nun erst richtig dicke. Zunächst entzieht der Verband dem Verein die Lizenz für die erste Liga. Nach einigen Verfahren wird die Entscheidung zwar abgemildert, doch dafür werden Twente strenge Finanzauflagen sowie eine dreijährige Sperre für europäische Wettbewerbe aufgebrummt. Außerdem muss der Verein 180000 Euro Strafe zahlen. Statt der Rettung für seine finanziellen Probleme, die der Verein sich von dem Deal mit Doyen versprach, steht er nun deutlich schlechter da als vorher.

War Twente Enschede, der kleine niederländische Klub, nur eine Ausnahme? Ein zu leichtes Opfer, das sich von Investoren hat ausnehmen lassen? Leider nein. Vielmehr liefert dieser Fall nur einen ersten Einblick in die Abgründe des Fußballs. Und Doyen, ein Investor, der zuvor nicht einmal den Kennern der Szene ein Begriff war, steht stellvertretend für all die Glücksritter und Ausbeuter des Sports.

Durch die Enthüllungen von Football Leaks beginnen nun weitere Recherchen über das Business der Investoren. Sie werden in Steueroasen und zu Prostituierten führen, zu Familien, die in der zusammenbrechenden Sowjetunion ein gigantisches Vermögen anhäuften und die nun in der nächsten Generation, ausgestattet mit den besten politischen Kontakten, für ihre Geschäfte den Glanz des Fußballs suchen. Willkommen in der Welt von Doyen Sports.

Inshallah, Könige!

Du bist: der Neuling im Geschäft. Er ist: der Präsident von Real Madrid. Du willst ihm einen Spieler verkaufen. Er bekommt vermutlich jeden Tag so ein Angebot. Du bist einer von zu vielen. Er ist der größte Vereinsboss auf Erden. Was also ist dein Plan? Der älteste Plan der Geschichte: Sex. Denn du bist: Doyen Sports, die skrupelloseste Sportfirma der Welt. Und er ist: doch auch nur ein Mann.

Am 7. August 2013 spielt Real Madrid in Miami gegen den FC Chelsea. Es ist das Finale eines Sommerturniers, bei dem es in Wahrheit nicht um den Pokal geht, den irgendeine Brauerei gestiftet hat, sondern um die Antrittsprämie, die schon vorher feststeht: ein paar Millionen. Für Doyen Sports allerdings, den ehrgeizigen Newcomer im Menschenhandel mit Fußballspielern, soll es das Match des Jahres werden. Ein Match, das nicht auf dem Rasen entschieden wird, sondern in einer Luxussuite in der Nacht vor dem Spiel.

Doyen hat ein Jahr zuvor für kleines Geld Transferrechte an einem Spieler gekauft, der beim FC Sevilla kickt: Geoffrey Kondogbia. Wenn jetzt ein anderer Klub 20 Millionen Euro für ihn bietet, hat Sevilla praktisch keine Wahl, dann müssen die Spanier ihn gehen lassen; dazu zwingt sie der Vertrag. Und Doyen kassiert mit, ein Supergeschäft für die Firma. Also sucht Doyen dringend einen Verein, der bereit ist, für Kondogbia die 20 Millionen zu zahlen. Wann aber gäbe es eine bessere Gelegenheit, einem solchen Deal auf die Sprünge zu helfen, als wenn sich der Präsident von Real Madrid Florentino Pérez womöglich bei einem Sommerkick in Florida langweilt? Denn wie es der Zufall so will, besitzt die Familie Arif, die hinter Doyen steht, genau dort eine 650-Quadratmeter-Residenz auf Fisher Island, der Privat­insel der Superreichen.

Am 6. August gehen auf dem Handy von Doyen-Sports-Boss Arif Arif mehrere WhatsApp-Nachrichten ein. Der Absender ist sein Sportchef Nélio Lucas. »Ich bin in Miami. Gestern war großartig. Ich habe ein paar Vereinspräsidenten ausgeführt, und sogar Florentino kam mit. Sehr lustig. Er hat seinen Schlips abgelegt und getanzt.« Sie seien zusammen in die Mokai Lounge gegangen, einen Klub in Miami Beach, der bekannt ist für aufreizende Girls, deren Dienstkleidung eher nach Geschenkverpackung aussieht, zum Aufreißen.

Nun soll es am nächsten Tag weitergehen, im Appartement auf Fisher Island: »Ich will ein paar Mädchen herbringen lassen«, schreibt Lucas, »für uns«, für »Florentino«. Ob man einer Frau namens »Violet« vertrauen könne; die solle die Callgirls beschaffen. – Arif Arif: »Hab sie nie getroffen, Bruder. Mach, was du machen musst.« Aber Lucas solle doch bitte vorher die Fotos von den Wänden abhängen und das Zimmer von Arifs Vater abschließen. Lucas widerspricht: »Ich werde den Raum Florentino geben! !« – Arif Arif: »Für 20 Millionen Euro. Für Kondogbia.« – Lucas: »Das ist der Grund, warum wir uns um ihn kümmern müssen.«

Am nächsten Abend meldet Lucas lapidar: »Habe letzte Nacht Florentino mit ins Haus genommen. Wahrscheinlich heute noch mal.« Allerdings ohne den Erfolg, den sich Doyen erhofft: »Real zahlt nur 15«, meldet Lucas enttäuscht, nicht 20 Millionen. Doch 15 Millionen reichen nicht, um Sevilla zum Verkauf zu zwingen. Also muss Lucas weitersuchen: »Ich schneid mir die Eier ab, um einen zu finden, der die Klausel für Kondogbia bezahlt.«

Drei Wochen später wird es nicht Real, sondern der AS Monaco sein, der die 20 Millionen zahlt. So macht Doyen mit dem Spieler einen Gewinn, wie es ihn sonst fast nur noch im Drogenhandel gibt: 524 Prozent in 13 Monaten. Und auch das Kennenlernen von Real-Präsident Pérez hat sich für die Firma offenbar gelohnt, wenn auch in anderer Hinsicht. Über Real Madrid prahlt Sportchef Lucas nämlich kurz danach: »Meine Verbindung dorthin ist stärker als Titan.«

Und Pérez selbst? Der sagt zu der angeblichen Sexparty in Miami Beach, er habe sich an diesem Abend mit niemandem getroffen; er sei zwar in diesen Tagen in einer Disco gewesen, vermutlich in der Mokai Lounge, vielleicht habe auch einer der vielen Hundert Gäste mit dem Handy Fotos von ihm gemacht. Mehr sei aber nicht passiert, kein weiteres Treffen, keine Party. Real sei sowieso nie an Kondogbia interessiert gewesen, keiner habe auch nur versucht, ihm Kondogbia anzubieten. Und mit Doyen habe der Verein, soweit er wisse, nie zusammengearbeitet.

Dass Baumogul Pérez, der auch über den deutschen Hochtief-Konzern herrscht, tatsächlich auf eine Einladung von Lucas oder gar auf amouröse Angebote eingegangen wäre, dafür gibt es über den Chat zwischen Arif und Lucas hinaus tatsächlich keinen Beleg und auch keinen Hinweis. Wer weiß, vielleicht wollte sich Sportchef Lucas vor seinem Boss in der Heimat nur aufplustern. Was jedoch bemerkenswert ist: Auf der Website der Firma preist Pérez den Sportvermarkter: »Wir müssen ihre Professionalität hervorheben. Unsere Erfahrungen mit ihnen … sind makellos.« Die Herkunft des Zitats, so Pérez, könne er sich auch nicht erklären; jedenfalls habe er keine Erinnerung, solche Sätze geäußert zu haben.

Schmutzige Pläne, schmutziger Fußball: Der Fall Doyen zeigt, wie Geld aus trüben Quellen in die Branche dringt – und mit dem Geld auch eine Geschäftsphilosophie, wie man sie eher aus Mafia­filmen kennt. Doyen, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, verdient mit den ganz großen Namen: Die Firma vermarktet Neymar, einen der weltweit teuersten Fußballstars, dazu den bestbezahlten Exprofi, David Beckham, längst universale Werbe­ikone. Auch der schnellste Mann der Welt, Usain Bolt, gehört zu den Doyen-Kunden, und Boris Becker ist der bekannteste Deutsche, der sich über Doyen Werbeverträge beschaffen ließ.

Doyen hatte nicht nur den 20-Millionen-Mann Kondogbia unter Vertrag, der inzwischen französischer Nationalspieler ist, sondern auch den 30-Millionen-Mann Eliaquim Mangala, heute Valencia, und den 40-Millionen-Mann Radamel Falcao, heute Monaco. In Deutschland überlegte der Hamburger Sport-Verein, immer auf der Suche nach Geld für seinen so überfüllten wie überforderten Kader, sich mit Doyen einzulassen. »Wir sind auf dem Sprung, eine Partnerschaftsvereinbarung mit Hamburg abzuschließen«, schrieb Arif Arif im Juli 2015 einem Geschäftsfreund.

Football Leaks ist im Besitz zahlreicher Dokumente, mit denen sich die Geschäftspraktiken von Doyen entschlüsseln lassen – und mit denen sich der steile Aufstieg der Firma erklären lässt. Die Dokumente bringen den Schmutz hinter der blank gewienerten Firmenfassade zum Vorschein: Lügen, eine geheime Kasse, Knebelverträge, die Vereine dazu zwangen, Spieler zu verkaufen, und Briefkastenfirmen, hinter denen sich die Doyen-Eigentümerfamilie bis heute verbirgt. Die Firma mit ihrer Zentrale in London wird damit zur Chiffre für die Fußballbranche: Die Oberfläche ist schöner Schein, die dreckige Wahrheit steckt tiefer, in den Zahlen, den Klauseln, den Absprachen. Doyen, das ist heute Fußball. Fußball, das ist Doyen.

Raubtiere

Am 25. Mai 2013 geht es im Londoner Wembley-Stadion um die Macht im deutschen Fußball: Dortmund gegen Bayern, das »German Endspiel« in der Champions League. So gespannt die Fans, so angespannt sind sie in einem Bürohaus im exklusiven Viertel St James’s. Hier, im siebten Stock an der Charles II Street, sitzt Doyen Sports Investments. Und Arif Arif, gerade 27, der Junior, der die Firma seit zwei Jahren mit dem Geld der Familie hochzieht, zählt lieber noch mal durch: Wen muss er alles in seiner VIP-Loge im Stadion unterbringen? Klar: einen Platz für sich, einen für seinen Sportchef Nélio Lucas. Ein paar Doyen-Manager hat er auf der Liste. Einen Spielerberater.

Aber die wahren VIPs auf der Einladungsliste sind andere. Sie sind nicht nur sehr wichtige, sie sind die überlebenswichtigen Personen für Doyen Sports: Arifs Vater, Tevfik Arif, und dessen alte Kumpel, Sascha und Alik. Sascha heißt mit vollem Namen Alexander Maschkewitsch, Alik ist besser bekannt als Alidschan Ibragimow.

Zusammen sind sie zwei Drittel des legendären »Kasachen-Trios«: drei Oligarchen, die mit ihrem Konzern ENRC eine besonders lukrative Form der Rohstoffveredelung betreiben. Schon seit Jahrzehnten dürfen sie die schier unendlichen Bodenschätze Kasachstans in Milliarden auf ihren Privatkonten veredeln – und können sich mit diesem Geld alles kaufen, was ein Oligarch seinem Ruf als ordentlicher Verschwender schuldig ist: Maschkewitsch zum Beispiel hat einen Rolls-Royce Phantom V, zwei Bentleys, einen Ferrari, einen Lamborghini; sechs Mercedes laufen nebenher so mit. Beeindruckend auch, wie er mal beim Shoppen in Frankreich in zwei Tagen 2,1 Millionen Euro für Juwelen, Uhren und Haute Couture verprasste.

In einer streng geführten Kleptokratie wie Kasachstan, in der die Familie des Diktators Nursultan Nasarbajew selbst auf unerfindliche Weise Milliarden angehäuft hat, ist so eine Oligarchenkarriere ohne Deckung von oben kaum möglich. US-Diplomaten betrachten Maschkewitsch als engen Freund des seit 1990 durchregierenden Kasachenherrschers. Und zu den Günstlingen dieses Günstlings gehört wiederum: die Arif-Familie. »Er hilft Paps, sein Kerngeschäft zu behalten«, schreibt Ayla, die Schwester von Arif Arif, in einem Chat über Maschkewitsch. Ja, er sei »dabei ein großer Freund«, antwortet ihr Bruder. An diesem »Kerngeschäft«, dem Rohstoffgeschäft der Arifs in Kasachstan, hängt in der Familie alles, auch das Schicksal der jungen Sportfirma in London. So führt die Einladungsliste für das Champions-League-Finale zu den dunklen Ursprüngen eines Familienimperiums, das nun auch den Fußball beherrschen will.

Tevfik, der ältere, Refik, der jüngere – zwei Brüder saßen Ende der Achtzigerjahre genau da, wo man sitzen musste, um beim Sprung aus dem Kommunismus in den Raubtierkapitalismus der Wendezeit auf der richtigen Seite zu landen. Bei denen nämlich, die sich griffen, was kein Sowjetstaat mehr als Eigentum des Volkes schützte. Die Familie lebte in Kasachstan, dort arbeitete Tevfik schon seit den Siebzigern im Handelsministerium, als Abteilungsleiter für die Hotelsparte. Kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion gab er den Posten auf und machte sich selbstständig. Dafür saß sein Bruder Refik ab 1991 im kasachischen Industrie- und Handelsministerium an einer Schlüsselstelle: Er war der erste Kontaktmann für Ausländer, die ins Geschäft mit Phosphor und Eisenlegierungen einsteigen wollten.

Es ist nicht klar, wie die Arifs danach ihr Vermögen machten. Sicher ist, dass Tevfik für die Reuben-Brüder arbeitete, David und Simon. Zwei gebürtige Inder, die bis Mitte der Neunzigerjahre die staatliche Aluminiumindustrie an sich gerissen hatten. Ihr Konzern galt als das Raubtier des Kapitalismus schlechthin: riesige Gewinne, rücksichtslose Methoden, Hungerlöhne, verseuchte Landschaften. Und Tevfik Arif mittendrin, ihr »agent on the ground«, wie sein Sohn Arif Arif das später nennen wird. Was folgte, war der »Aluminiumkrieg«, ein Revierkampf, bei dem die Reubens am Ende ihr Reich verloren und einige Manager ihr Leben. Man fand sie mit durchgeschnittener Kehle oder von Schüssen durchsiebt. Möglich, dass Tevfik Arif deshalb aus Kasachstan verschwand und in die Türkei ging. »Als die Verflechtung des Geschäfts mit der organisierten Kriminalität begann (unvermeidlich in jenen Tagen), brach er alle Zelte ab«, schrieb der junge Arif Arif dazu im März 2014.

Tevfiks Bruder Refik aber blieb und hatte offenbar auf die Sieger gesetzt: das Kasachen-Trio Maschkewitsch, Ibragimow und den Dritten, Patoch Schodijew. Aus all diesen Wirren ging die Arif-Familie mit einer schönen Rendite hervor. Seit Mitte der Neunzigerjahre kontrolliert sie in Kasachstan die ACCP, eine der weltweit größten Fabriken für Chemikalien auf Chrom­basis. Wer den Arifs das Geld dafür gab? Für jenes Kerngeschäft, in dem »Sascha« Maschkewitsch auch 2013 noch ein so guter »Freund« war, wie der junge Arif schrieb? Möglicherweise eben das Oligarchen-Trio. Ihrem Konzern gehört zufällig eine der größten Minen für Chromerz. Und ohne Erz würde die Fabrik der Arifs stillstehen.

Skandale, Skandale

ACCP ist eine Gelddruckmaschine. Zwischen 2004 und 2014 machte die Familie nach internen Aufstellungen mit dem Verkauf von Chromchemikalien fast 400 Millionen Dollar Gewinn. Das ist die Kriegskasse, über die Refik Arif verfügt. Doch nicht nur Refik, auch sein Bruder Tevfik verdient Millionen für die Familie: Nach seiner Flucht in die Türkei 1993 baute er die Rixos-Kette auf – Ferienhotels der Fünf-Sterne-Liga. Außerdem stieg er in eine der größten türkischen Baufirmen ein, Sembol. Auffällig oft erhielt sie in Kasachstan Staatsaufträge, etwa für die Universität von Astana, die natürlich nach Diktator Nasarbajew benannt ist. Oder für die »Pyramide«, ein Veranstaltungszentrum, dessen Bau der Autokrat persönlich befahl.

Um die Jahrtausendwende emigrierte und expandierte Tevfik Arif in die USA, gründete die Immobilienfirma Bayrock und zog in New York mit einem der bekanntesten, gerissensten und umstrittensten Immobilientycoons einen Hotel- und Apartmentkomplex hoch: mit Donald Trump, dem heutigen US-Präsidenten.

Doch was Tevfik Arif auch anfasste, es klebte meistens der Verdacht eines unsauberen Geschäfts daran, und manchmal auch mehr als das, ein Skandal. Geldgeber fühlten sich getäuscht; es gab Verbindungen zu einem Anlagebetrüger. Und man sah sehr junge »Models« aus Russland und der Ukraine auf Sugar-Daddy-Sause mit Arif und Freunden – das ganze Programm für einen schlechten Ruf. Arif bestritt stets, was man ihm vorwarf; strafrechtlich blieb auch nie etwas haften. Aber in der Türkei war er wochenlang in den Schlagzeilen, nachdem ein Polizeikommando ihn und das komplette Kasachen-Trio an Bord einer Luxusjacht mit den Models aufgegriffen hatte.

Das also ist der Clan, der 2011 in ein neues lukratives Geschäft einsteigen will: den Fußball. Kein Wunder, dass die Arifs ein Auge auf diesen Markt geworfen haben: Experten schätzen den Umsatz im Profifußball allein in Europa auf 20 Milliarden Euro pro Jahr, und die Preise schießen hoch wie Öl aus einer frisch angebohrten Quelle. Ein Markt für Raubtiere.

Refik gibt das Startkapital, knapp 75 Millionen Euro von 2011 bis 2015; zusammen mit Tevfik hat er das letzte Wort, was mit dem Geld passiert. Der Mann aber, dem sie das neue Business anvertrauen, heißt Arif Arif, Tevfiks Sohn. Im Geschäft mit dem Sport soll er offenbar zeigen, was er kann und ob er das Zeug dazu hat, später mal das Familienunternehmen zu leiten, das, was wirklich zählt: die Chemiefabrik, die Immobiliendeals, das Baugewerbe. Arif Arif wird sich als würdig erweisen, seine Methoden sind die Methoden der Familie: schmutzig und erfolgreich.

»Wir werden Milliardäre werden«

Als Arif Arif 2011 in das Geschäft mit dem Fußball einsteigt, hat er davon kaum Ahnung und mit Nélio Lucas zudem einen Sportchef, der in der Branche so gut wie erledigt ist. Lucas überwirft sich nämlich mit seinem Ziehvater, Pini Zahavi, einer Legende unter den Spielerberatern. Zahavi fühlt sich von Lucas hintergangen. »Du hast den Fehler deines Lebens gemacht«, droht Zahavi, »ich will mit dir nichts mehr zu tun haben, und du wirst nicht in der Lage sein, noch irgendetwas zu tun.« Aber da irrt Zahavi; Lucas wird in nur vier Jahren zu den Stars der Branche aufsteigen und mit ihm Doyen Sports, die neu gegründete Sport-Investmentfirma der Arifs.

Arif Arif ist 27, Nélio Lucas 34 Jahre alt, zwei große Jungs, immer auf der Borderline zwischen Vision und Größenwahn. »Was für ein Geschäft wir erschaffen! !! Geld, Geld! !!«, jubelt Nélio, und Arif: »Stell dir uns in zehn Jahren vor: Inshallah, Könige«, und wieder Nélio: »Vergiss nicht unseren Leitsatz: Gemeinsam für immer. Wir werden siegen und Milliardäre werden.« Zehn Jahre geben sie sich dafür, drei Jahre, bis ihre Doyen-Gruppe in den schwarzen Zahlen sein soll.

Ihre Sprache ist Gangsta-Rap, ihr Lebensstil Playboy, ihr Selbstbewusstsein Boxweltmeister. Als sie sich eine neue Wohnung anschauen, prahlt Arif, sie sei »maßgeschneidert für Orgien«. »Oh yes«, schreibt Nélio zurück. Drei Ausrufezeichen. Für Halloween überlegt sich Nélio, ob er als Napoleon, Papst oder Sonnenkönig gehen soll; Arif Arif: »Für mich den Diktator.« Wenn Arif Arif nicht in London ist, dann feiert er oft auf Ibiza oder in Südfrankreich. Seine Schwester macht sich Sorgen. Er solle seine Zeit nicht in Klubs verplempern und lieber seine ganze Energie ins Geschäft stecken. Aber Arif Arif beruhigt sie: »Das Geschäft läuft gut … Ich weiß, was ich tue.«

Die Doyen-Gruppe ist ein großer Gemischtwarenladen. Neben dem Sport gibt es auch die Firma Doyen Capital für den Rohstoffhandel mit Arif Arif an der Spitze. Oder eine Firma Doyen Natural Resources, die an einer Erzmine in Brasilien beteiligt ist. Arif Arif fädelt hier Geschäfte mit Jamie Reuben ein, dem Sohn von David Reuben, oder mit Wladimir Semzov, Immobilienmogul mit belgischem Pass. Väterchens alte Freund- und Seilschaften?

Selbst im Sport laufen zwei Doyen-Firmen nebeneinander: die Doyen Marketing – sie besorgt Stars wie David Beckham, Neymar oder Boris Becker gegen eine Provision Werbeaufträge. Das Kerngeschäft aber liegt bei Doyen Sports Investments, faktisch geführt von Arif Arif, obwohl er offiziell gar nichts damit zu tun hat. Das ist die Sparte, die Sportwetten auf Zweibeiner macht, auf Fußballspieler und ihre künftigen Ablösesummen. Doyen Sports kauft dazu Transferrechte von Talenten ein, spekuliert darauf, dass die Spieler möglichst schnell im Wert steigen – und versilbert das Investment beim Verkauf an den nächsten Verein. So wie bei dem Franzosen Kondogbia. So wie später bei dem niederländischen Klub Twente Enschede.

Der Geldgeber Doyen – neben dem Verein und dem Spieler die »dritte Partei« in solchen Geschäften – stilisiert sich dabei gern als Retter des Fußballs. Man helfe doch nur den kleinen Vereinen, die sich allein, ohne die Finanzkraft von Doyen, kein Toptalent mehr leisten könnten. Gerade Klubs mit viel Tradition, aber wenig Geld könnten mithilfe von Doyen die Lücke zu den reichen Vereinen verkleinern.

Tatsächlich wird die Schere zwischen den Top-Ten-Teams in Europa und dem Rest Jahr für Jahr größer. Geld schießt Tore – in Deutschland für Bayern, in Spanien für Madrid und Barcelona, in Frankreich für Paris Saint-Germain. In ihren Ligen sind diese Klubs kaum noch zu schlagen. Doch was Doyen den abgehängten Teams anbietet, ist nur die Chance, die auch der Kredithai einem armen Schlucker gibt, der bei der Bank keinen Cent mehr bekommt – Geld gegen Knebelvertrag. Entsprechend hoch sind die Zinsen, und Doyen verliert so gut wie nie bei dieser Wette. Dafür sorgen die Würgeklauseln in den Verträgen.

»Der Nigger macht Geld für uns«

Doyens erster Kauf im August 2011 ist Abdelaziz Barrada, ein Marokkaner, der beim Madrider Vorortklub Getafe spielt. 1,5 Millionen Euro zahlt Doyen an Getafe für 60 Prozent von Barrada. Keine zwei Jahre später wechselt der Spieler zu Al-Jazira in die Vereinigten Arabischen Emirate. Die vereinbarte Ablösesumme: 8,5 Millionen Euro. Macht nach Abzug von ein paar Nebenkosten 3,35 Millionen Gewinn für Doyen; umgerechnet 223 Prozent Gewinnsteigerung, so steht das zumindest in den Datenblättern von Doyen. »Nicht schlecht«, schreibt Lucas an Arif Arif, aber zufrieden ist er trotzdem nicht. »Wir konnten ihn nicht mehr kontrollieren. Sein Gehalt war 450000 Euro netto, und sie zahlen ihm nun drei Millionen Dollar netto« – »sie«, das ist der Verein Al-Jazira, zu dem Barrada unbedingt wechseln wollte. Lucas hätte dagegen lieber noch mit dem Verkauf gewartet: »Wenn der Spieler auf mich gehört hätte, hätte ich mehr bekommen«, klagt Lucas und schickt noch ein wüstes Schimpfwort hinterher.

Spieler und Vereine sollen gefälligst tun, was Doyen von ihnen will. Die Kicker sind Spielfiguren, Jetons im großen Fußball­kasino. Am Ende geht es nicht darum, was für sie das Beste ist, sondern was sich für Doyen am meisten rentiert. Beispiel Kondogbia, jener Franzose, der nicht bei Real Madrid landet, dem größten Klub der Welt, sondern nur in Monaco. Nélio Lucas an Arif Arif: »Großartiger Deal für uns.« – Arif Arif: »Glückwunsch, Bruder … Hoffentlich haben wir nicht seine Karriere ruiniert … Mein Herz ist gebrochen.« – Nélio: »Guck aufs Bankkonto in den nächsten Tagen, und Du wirst anders fühlen.« – Arif Arif: »Ich weiß, Bruder, aber ich habe mir diesen Jungen immer als Superstar bei einem großen Klub vorgestellt.« An einen Freund schreibt Arif Arif: »Ich wollte, dass der Junge zu einem ordentlichen Team geht. Aber das hier ist als reines Finanzspiel zu Ende gegangen.«

Auch wenn bei diesem Deal Arif das Herz blutet, andere Spieler sieht auch er als reine Geschäftsmasse. Gefühle sind nicht vorgesehen, und so abgebrüht klingt das dann auch. Als ein Doyen-Star bei einem Spiel mit seiner Nationalelf brilliert, jubelt Arif Arif: Die »bitch. Der Nigger macht Geld für uns.« Bitch, Nigger, fuck: So reden sie untereinander, Lucas und Arif. Hauptsache, krass, cool, kingsize.

Lucas und der junge Arif schreiben einander Nachrichten, als gehörte ihnen die Welt; umso härter die Abstürze, wenn sie daran erinnert werden, dass die Welt immer noch Papa Tevfik und Onkel Refik gehört. »Ich werde jeden Tag gefickt«, jammert Arif junior im Juli 2013 über die Alten. Der Onkel kontrolliere das Geld, er selbst das ganze Management, so weit, so gut. Doch in den Augen der Alten zähle er erst etwas, wenn er seinem Vater und seinem Onkel ihr eingesetztes Kapital zurückgegeben habe. So lange »hängen alle unsere Jobs davon ab, dass ich die Beziehung zu meinem Vater und meinem Onkel manage«. Einmal hat es Sportchef Lucas so satt, dass er seinem Kumpel Arif rät, alles hinter sich zu lassen. Arif Arif: »Kann ich nicht, Bruder, ich hänge fest; der einzige Weg ist, mich da rauszuschneiden, aber das Messer dafür ist eine Million Meilen entfernt.«

Also bleibt ihnen nur, das Geschäft für die alten Arifs immer größer und profitabler zu machen, mit allen Mitteln. Lügen gehen ihnen genauso locker von der Zunge wie Schmutzwörter. »Diese Schwanzlutscher wollen TPO dauerhaft verbieten«, schimpft Arif Arif, als die Fifa erwägt, solche Beteiligungsmodelle, wie Doyen sie bei Twente praktiziert, zu ächten. Dagegen wehrt sich Doyen in Imagebroschüren, stellt sich als Hüter eines blitzsauberen Third-Party-Ownership-Modells dar: Niemals rede Doyen den Klubs in ihre Entscheidungen hinein, nie zwinge Doyen sie, einen Spieler zu verkaufen. Die Wirklichkeit jedoch, das zeigt spätestens der Fall Twente Enschede, sieht anders aus. Ein typischer Doyen-Vertrag mit einem Verein enthält Klauseln, die an der Grenze zur Nötigung sind.

Klauseln, die man auch im Vertrag des Holländers Ola John, den Benfica Lissabon 2012 geholt hat, finden kann. Bei Ola John kaufte Doyen die Hälfte der Transferrechte ein, für 4,575 Millionen Euro. Der Deal: Egal was passiert, Doyen geht immer mit sechs Millionen aus dem Geschäft heraus. Mindestens. »Immer« heißt dabei: Wenn Benfica den Spieler verkauft, aber weniger als zwölf Millionen einnimmt, bekommt Doyen trotzdem sechs Millionen vom Verein. Bringt er mehr als zwölf Millionen, kassiert Doyen sechs Millionen plus 50 Prozent vom Rest. Wenn der Spieler nach drei Jahren noch nicht verkauft ist – kassiert Doyen von Benfica sechs Millionen. Wenn der Spieler Sportinvalide wird: sechs Millionen für Doyen. Wenn Benfica den Spielervertrag auslaufen lässt und deshalb am Ende keine Ablöse mehr kassiert: sechs Millionen. Wenn ein anderer Klub 20 Millionen bietet, Benfica aber nicht verkaufen will – zahlt Benfica trotzdem an Doyen, und zwar die Hälfte, zehn Millionen. Nach einem Klub, der die nötigen 20 Millionen bietet, darf Doyen selbst suchen. Und so weiter.

Spätestens nach drei Jahren macht Doyen bei diesem Deal rund 25 Prozent Gewinn, mindestens. Wenn Doyen das Geld einfordert, bleibt klammen Vereinen meist nichts anderes übrig, als den Spieler zu verkaufen. Wenn er sich denn noch verkaufen lässt. Im Fall von Ola John hat Benfica den Spieler seit 2014 dreimal verliehen – unter anderem an den Hamburger SV –, vermutlich um ihn loszuwerden. Sein Marktwert lag Ende 2016 nur noch bei fünf Millionen. Sollte Doyen nach drei Jahren bei Benfica trotzdem die Sechs-Millionen-Klausel gezogen haben, dürfte der Klub draufgezahlt haben.

Dieser Vertrag ist kein Einzelfall, sondern offenbar ein Standardpapier bei Doyen: Im Kontrakt für den Franzosen Josuha Guilavogui, der seit 2014 in der Bundesliga beim VfL Wolfsburg kickt, gab es ähnliche Klauseln. Ein Jahr zuvor spielte er bei Atlético Madrid, einem Verein, der mehrfach mit Doyen ins Geschäft gekommen ist; 30 Prozent Gewinn in drei Jahren waren Doyen hier garantiert.

Die Geschichte vom fairen TPO-Partner ist also nur eine Legende, jedoch nicht die einzige. Die noch größere Lüge ist die, dass es bei Doyen keine undurchsichtigen Finanzstrukturen gebe. Die Firma sei voll registriert und werde von Wirtschaftsprüfern durchleuchtet, hieß es in einer Präsentation, mit der sich Doyen von schmutzigen TPO-Investoren abheben wollte. Ausgerechnet Doyen. Die ganze Gruppe ist eine Verschachtelung von Offshore-Firmen, mal auf Malta, mal auf den British Virgin Islands, mal in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Briefkastenfirmen werden gegründet, wieder aufgelöst, von den nächsten abgelöst, ein ständiger Reigen. Den Sinn der Postkasten-Inflation verrät Sportchef Nélio Lucas 2013 gewohnt unverblümt in einer Nachricht an Arif Arif: »Wir müssen eine Struktur aufbauen, um uns und die Firma zu schützen, damit keiner irgendetwas über uns herausfindet.« Mit »keiner« könnte auch das Finanzamt gemeint gewesen sein. Von manchen Geldströmen im Doyen-Reich sollte wohl der britische Fiskus nichts wissen, wie die Football-Leaks-Papiere nahelegen.

Nichts aber lässt in Arif junior so sehr die nackte Panik aufsteigen wie die Sorge, die alten Freunde in Kasachstan könnten herausfinden, wer hinter Doyen Sports steckt: auch Papa Tevfik nämlich, Spitzname Skip. Im Juli 2013 berichtet der Wirtschaftsdienst »Bloomberg« aber genau das, und die Arifs sind kurz davor, die Firma von einem Tag auf den anderen dichtzumachen. Nur damit keiner noch mal nachfragt. »Die Kasachen geben einen Scheiß auf mich oder Skip. Wenn sie herausfinden, dass er dahintersteht, werden sie unser Familiengeschäft in Kasachstan verfolgen, und dann ist alles vorbei«, ahnt der junge Arif.

Offenbar gab es nach dem Skandal auf der türkischen Luxusjacht eine klare Botschaft an Tevfik Arif, sich aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Von seinen Freunden, dem mächtigen Kasachen-Trio? Wie aus den Chats des jungen Arif hervorgeht, hatte das Trio seinen Vater fallen gelassen. Oligarch Maschkewitsch wollte demnach erst mal nichts mehr mit ihm zu tun haben: »Er hat Vater die ganze Schuld gegeben, um seinen eigenen Arsch zu retten.« Nun hatte sich alles wieder eingerenkt, man ging in London zusammen ins Stadion und auf Sardinien ins Restaurant. Doch wenn sein Vater noch einmal ins Rampenlicht rücke, sei alles aus, fürchtete Arif junior.

Nélio Lucas hielt das für Paranoia, aber Arif Arif klärte ihn auf, wie das läuft, dort, wo die Familie herkam. Leute wie Nélio hätten doch immer nur in der zivilisierten Welt gearbeitet, nie in Kasachstan oder der Türkei, schreibt Arif Arif. »Sie werden uns ruinieren. Werden unser Geschäft und unsere hochrangigen Beziehungen aufdecken, und dann ist alles vorbei.« Die Marke Doyen sei erledigt, man müsse die übrigen Geschäfte auf Abstand dazu bringen.

So weit kommt es zwar nicht, aber von nun an verschwinden die alten Arifs ganz hinter den Fassaden von Briefkastenfirmen, aus denen nur noch Strohmänner herausschauen. Transparenz? Gibt es nicht mehr. Was für die Arifs auch gut so ist, denn ab 2013 werden die Geschäfte noch schmuddeliger. Mit einer geheimen Kasse.

Die befindet sich in Ras al-Chaima, einem Emirat am Persischen Golf, von dem kaum einer weiß, dass es überhaupt existiert. Genau das schätzen Anleger, die dort Geld verstecken wollen. Der Offshore-Berater von Lucas managt eine Briefkastenfirma namens Denos, die vor allem mit den Sportumsätzen gefüttert wird. Meist gehen bei einem Deal zehn Prozent in das Emirat, insgesamt mehrere Millionen Euro. Bleiben soll das Geld dort aber nicht. Doyen Sport braucht es für Zahlungen, von denen offenbar keiner wissen darf.

Schmiergelder? Vor einem Bauprojekt, bei dem Nélio Lucas die Gespräche führt, fragt er den jungen Arif, ob er seine Verhandlungspartner schmieren solle – Arif Arif: »Ja, Bruder.« Nur weil die Gegenseite angeblich genauso schmieren wollte, Nélio Lucas nämlich, kam es nicht dazu. Und wie sonst soll man deuten, was Lucas dem Arif-Clan zu den hohen Summen bei der Briefkastenfirma Denos erklärte? Dieses Geld gehöre nicht Doyen, »es ist für Leute, die wir bezahlen müssen«. Leute, die ausdrücklich nichts »Schriftliches« wollten. Was der junge Arif in einem Chat noch weiter erläutert: »Er (Nélio Lucas –Red.) muss Leute bezahlen, mit denen er Geschäfte macht, wenn wir kaufen und verkaufen.« Das habe Lucas Arifs Vater von Anfang an klargemacht. Und Papa Tevfik habe ihm, Arif junior, gesagt, er solle sich »aus diesem Thema heraushalten, weil es dubios ist«.

2014 zum Beispiel kauft die Doyen-Gruppe die Hälfte der Bildrechte des belgischen Toptalents Adnan Januzaj ein, der bei Manchester United und auch mal kurz bei Borussia Dortmund spielt. 1,5 Millionen Euro zahlt Doyen offiziell; weitere 500000 aber sollen heimlich über Denos an den Spielerberater von Januzaj fließen – und wie Mails zeigen, von dort wohl in die Tasche von Januzajs Vater. Schwarzgeld von Doyen, um sich das Talent zu angeln?