Fragen können wie Küsse schmecken - Carmen Kindl-Beilfuß - E-Book

Fragen können wie Küsse schmecken E-Book

Carmen Kindl-Beilfuß

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Beschreibung

Dumme Fragen gebe es nicht, heißt es. Ungeschickte Fragen schon, und sie verbauen den Weg zur Antwort, statt ihn zu ebnen. Das gilt für Therapeut:innen oder Journalist:innen ebenso wie im täglichen Leben. Wer richtig fragt, schafft Bewegung. Gut gestellte Fragen wecken die Neugier der Befragten, erhalten ihre Aufmerksamkeit und können Ressourcen erschließen. Mit den richtigen Fragen können Interviewer:innen nicht nur Informationen zutage fördern: Sie können den Befragten auch neue Informationen zurückgeben und dadurch ihre Sichtweise verändern und Prozesse in Gang setzen. Carmen Kindl-Beilfuß fasst in diesem Werkstattbuch zusammen, was man als professionelle:r Interviewer:in über diese zentrale Technik wissen muss: Wie bauen sich gute Fragen auf? Wie lassen sich die richtigen Begriffe finden? Das Buch deckt alle Phasen des Fragens ab - vom beziehungsherstellenden Einstieg bis zum "guten" Abschluss eines Gesprächs. Im Vordergrund steht dabei, wie man durch ressourcenorientiertes Fragen Blockaden auflösen, Probleme umdeuten und Zukunft gestalten kann. Wer das Gelesene umsetzt, wird leichter Antworten finden und schneller zum Ziel kommen, sei es im biografischen Interview mit einzelnen Gesprächspartner:innen oder in der Paar- und Familientherapie. Mit über 1000 Beispielfragen!

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Seitenzahl: 201

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Stimmen zum Buch

»Nicht jede Anleitung zum systemischen Fragen liest sich so kurzweilig und flott wie das vorliegende Buch. Es macht Lust darauf, sich diesem Thema (erneut) intensiv zu widmen und auch bei sich selbst etwas genauer hinzuschauen.«

PersonalEntwickeln

»Inhaltlich durchgängig ist die ressourcenorientierte Ausrichtung, die fantasievoll, frisch, manchmal frech, humorvoll, immer respektvoll gegenüber den Klienten, aber positiv respektlos gegenüber Ideen und Einstellungen daherkommt und so den Fragenempfänger irritiert, verstört, lockt und anregt, eigene Ressourcen auszugraben und Kräfte zu mobilisieren.«

Systhema

»Die Lektüre dieses Buches inspiriert den Lesenden dazu, aktiver Fragen zu stellen, und macht Lust auf den Austausch mit dem/der KlientIn. Wie viele Bücher gibt es schon, die Lust auf Arbeiten machen?«

www.socialnet.de

»Die Beispielfragen sind zwar für Therapiesitzungen konzipiert, aber insbesondere das ›biografische Interview‹ eignet sich auch für Journalisten und Personalchefs.«

Gehirn & Geist

»Das schier unerschöpfliche Repertoire an Fragen und Ideen wirkt sehr ansteckend, ohne dass man sich selbst in seiner Profession in Frage gestellt sieht. In einer Mischung aus Respekt, Humor und Ermutigung entwickelt die Autorin ein fachlich fundiertes Fragebuch, das mehr als Fragen stellt.«

Sozialmagazin

Carmen Kindl-Beilfuß

Fragen können wie Küsse schmecken

Systemische Fragetechniken für Anfänger und Fortgeschritten

Zwölfte Auflage, 2023

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Zwölfte Auflage, 2023

ISBN 978-3-89670-624-9 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8363-1 (ePub)

© 2008, 2023 Carl-Auer-Systeme Verlagund Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Hinweis: Autorin und Verlag haben sich bemüht, für alle Abbildungen die Rechteinhaber ausfindig zu machen und Abdruckgenehmigungen einzuholen. Wo dies nicht möglich war, bitten wir eventuelle Rechteinhaber, sich mit dem Verlag in Verbindung zu setzen.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 . 69115 Heidelberg

Tel. + 49 6221 6438-0 . Fax + 49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Danksagung

Vorwort

I.Grundlagen

1.Die Kunst des guten Fragens

Uncharmante (»dumme«) Fragen

Auswirkungen von Fragen

Der Klient als V. I. P.

Die Konstruktion schöner Fragen

2.Der gelungene Einstieg

Vorannahmen und Erwartungen

3.Das biografische Interview

Das ressourcenorientierte biografische Interview

Von der Hypothese zur Frage oder: Ein wirklich schönes Interview mit Marlene Dietrich

Wendepunkte und Veränderungsmanagement

Fragen zu »schweren Zeiten« – und Wege, wenn die Lösungsorientierung nicht klappt

Zeitreisen mit gewaltigem Ressourcentransfer

Die eigene Lebensbilanz aus der Perspektive der besten Freundin/des besten Freundes

4.Zehn Fragen, die immer gehen

II.Anwendungsfelder

5.Biografiearbeit mit Kindern und Jugendlichen

Methode »Die Einladung ins Abenteuerland«

Die häufigsten »Fehler« im therapeutischen Interview – und wie man sie vermeidet

6.Das Paarinterview

Einstieg und Auftragsklärung

Mit dem Paar ins Freie gehen

Ressourcencheck

Das idealtypische Interview

Was Sie bisher nur zu denken wagten: Fragen zu Sex, Lust und Genuss

Das erotische Potenzial

Besondere Fragen für Paare

7.Das Familieninterview

Die Einladung zum Familiengespräch

Die Auftragsklärung mit »Großfamilien«

Ressourcencheck

Das idealtypische Interview

Heikel – oder ganz easy? Fragen zur Paarbeziehung im Familiengespräch

III.Fragen der Zeit

8.Fragen im Reigen der Jahreszeiten

Frühlingsfragen

Das Sommerinterview

Weihnachtsgespräche

9.Zukunft zum Anfassen – Fragen zu besonderen Lösungsräumen

Fragen zu Lösungsräumen

Zeitreisen »vorwärts«

Zukunftsfragen

10.Das Interview mit Zeitbezug

Das Comeback von Henry Maske

Die Talkrunde bei Beckmann

IV.Die wunderbare Fragebox

11.Fragen können wie Küsse schmecken

Einsatz der Fragebox in der Paarberatung

Einsatz der Fragebox als Gruppenmethode

Die 111 Fragekarten

V.Schluss

12.Warum man eine gute Frage nie gegen eine Antwort eintauschen sollte

13.Der Abschluss eines Interviews ist keine Frage, sondern ein guter Kommentar!

Literatur

Über die Autorin

Danksagung

Ein herzliches Dankeschön …meinen Eltern

für tiefe, verlässliche Wurzeln,meiner Tochter

für einen Ozean aus berührender Gemeinsamkeit,meinem Mann

für Eigensinn und Sinnlichkeit,

meinen Freunden

für Festigkeit und Ermunterung,

allen mutigen Frauen

für Wagnisse und Extravaganzen,

allen intelligenten Männern

für Austausch und Wettbewerb.

Vorwort

Natürlich gibt es bereits gute Bücher zur Methode des Fragens, jedoch immer noch viel zu wenige Interviewer, Therapeuten, Berater und Gesprächspartner, die die Kunst schöner Fragen beherrschen.

Dabei lebt jedes gelungene Gespräch von der Sensibilität und Intelligenz des Interviewers. Wenn Kommunikation zur Begegnung wird, dann fühlt man sich im wahrsten Sinne verstanden, geschätzt und um einige wertvolle Einsichten und frische Ideen reicher.

Das Feine, das Gelungene dieser Lektüre kann darin liegen,

1.methodisch aufzutanken, sich viele Anregungen zu holen,

2.die vorgestellten Fragen und Techniken auf sich selbst abzustimmen, mit der eigenen Couleur anzureichern,

3.sie zukünftig charmant und zum Gesprächspartner passend anzumoderieren,

4.die Ergebnisse des gelungenen Gesprächs genauestens wahrzunehmen und Ihrem Gesprächspartner das, was er gerade erarbeitet hat, sozusagen mit Worten »als Geschenk verpackt« mit nach Hause zu geben.

Letztendlich werden Sie Ihre neue, anregende Sprache in die Gestaltung des Gesamtkontaktes so gut integrieren, dass alles »wie aus einem Guss« wirkt.

Fragen können wie Küsse schmecken ist eine Metapher, eine Einladung, ein kleiner Blick in eine Lebensphilosophie, mit aller Energie bei den Menschen zu sein, leidenschaftlich zu fragen, voranzuwollen und dabei alle verfügbare Behutsamkeit zu zeigen und Lust auf die Schnörkel in der Seele anderer Menschen.

Sinn und Sinnlichkeit bewegen dieses Buch. Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen, die mich aus Vorträgen oder Seminaren kennen, an die kleinen »Mitbringsel«, die Sie nach Hause tragen konnten, die gesungenen Abschiedslieder, die »seelischen Leberwurstbrote« der Diva Marlene Dietrich, die Entführung mit arabischen Prinzessinnen in Tausendundeiner Nacht oder die Herzluftballons zum Erlebnis Paartherapie. Mit all diesen Experimenten versuchte ich, Worte fassbar zu machen, zu sehen, zu schmecken, zu spüren.

Wenn Sie einen genetischen Defekt vermuten, haben Sie wahrscheinlich Recht. Ich komme aus einer sinnlichen Sippe, umgebe mich gerne mit »Zukunftsreisenden« und bin gut gelandet in diesem von Begegnungen geprägten Beruf. Unzählige Male öffneten sich vor mir die schweren Tore unglücklicher Herzen, und ich durfte eintreten in fremde Welten.

Fragen sind die Schlüssel zu diesen Toren, und Sie halten sie in der Hand.

Fragen bringen Bewegung – schöne Fragen ermöglichen ganze Reisen, spannende Abenteuer, zärtliche Begegnungen.

Besinnen Sie sich auf Ihre eigene kreative Schönheit, Ihre Ideen, Ihre Bilder, Ihre Sprache. Entdecken Sie neue Möglichkeiten – verbinden Sie Sinn und Sinnlichkeit!

Ich hoffe, es gelingt mir, Sie genügend durcheinanderzubringen. Denn: Kreativität bedarf einer gewissen Unordnung, einer Neuinszenierung!

Ich vertraue also hier auch auf Sie: Bringen Sie sich selbst durcheinander!

Ich habe in diesem Buch Schnittbogen für gute Interviews ausgearbeitet, Fragelinien entworfen, die Klarheit schaffen sollen, eine Ordnung, die Sie benötigen, um die Führung zu behalten in Ihren professionellen Kontakten, und nach diesen Grundmelodien lassen Sie Ihren eigenen Geist tanzen – frei und ungebunden!

Ich schicke Ihnen Feenkraft für alle Experimente, die Sie wagen, flirrenden Antriebsstoff für alle Trainingseinheiten, die Sie erfolgreich absolvieren. Die kleinen, leichten Wesen werfen Glanz in Ihre Gedanken, laden Sie ein zu eigenen Entwürfen.

Zaubern Sie! Gestalten Sie! Erfinden Sie!

Und genießen Sie!

Ihre

PS: Sie wissen ja, küssen kann im Prinzip jeder, aber die Unterschiede – die Unterschiede!

I.Grundlagen

1.Die Kunst des guten Fragens

»Oh, wunderbar, wunderbar und höchst wunderbarlich wunderbar und nochmals wunderbar …«

William Shakespeare

Eine schöne Sprache ist ein Zaubermittel im Umgang mit anderen Menschen. Sie kann ein Lächeln beim anderen erschaffen, sein Interesse anregen oder in eine sanfte Nachdenklichkeit einladen, zum Träumen bringen oder auch einen glühenden Lavastrom neuer Gedanken fließen lassen.

Schöne Worte treffen uns wie ein Sonnenstrahl, wie ein werbendes Angebot eines anderen Menschen nur für uns selbst. »Hallo, mein Stern – hallo, mein Engel – da bist du ja, mein Schöner – bezaubernd, dein Lächeln – so intensiv dein Strahlen – so erfrischend deine Offenheit – so zärtlich deine Stimme …« Man möchte raunen: »Mach bitte weiter, und hör nie mehr damit auf!«

Und schöne Fragen?

Erinnern Sie sich an den Augenblick, in dem Sie Ihrer großen Liebe begegnet sind? Ein kurzer Blick – ein längerer Blick – ein fragender Blick … und wenn Sie zu den ganz Mutigen gehörten, öffnete sich der Mund Ihres begehrten Gegenübers, und heraus kam …? Eine Frage!

Sind Sie zum ersten Mal hier? Wollen Sie auch zum Bahnhof? Was glauben Sie, welche Mannschaft heute gewinnen wird? Haben Sie eine Ahnung, wo man hier etwas zu trinken kaufen kann?

Humphrey Bogart fragt Ingrid Bergman in dem berühmten Liebesfilm Casablanca beim ersten Glas Champagner gleich tiefgründiger:

»Wer bist du wirklich? … und was warst du vorher? Was hast du getan, und was hast du gedacht?«

Sie antwortet: »Wir hatten ausgemacht: keine Fragen.«

Humphrey Bogart: »Ich seh dir in die Augen, Kleines!«

Die Frage ist der Auftakt zu mehr, sie ist der Beginn eines Miteinanders, das erst endet, wenn die Fragen ausgehen.

Wenn Sie eine SMS schreiben – oder wie ich zu den altmodischen Briefschreibern gehören –, so stellen Sie Fragen, wenn Sie gerne eine Antwort hätten.

Im systemischen Interview ist das Fragen eine zentrale Methode, die viele Vorteile vereint. Die vielfältigen Techniken des zirkulären Fragens

–fördern Informationen zu Tage und konstruieren gleichzeitig neue Informationen im System

–ermöglichen es, mehrere Menschen (Familien, Paare, Lehrer und Schüler, Freunde etc.) gleichzeitig und unter Wahrung der Allparteilichkeit zu interviewen

–wecken die Neugier des Systems und erhalten die Aufmerksamkeit im längeren Interviewprozess aufrecht

–schaffen die Möglichkeit, die Sicht anderer auf die eigene Person genauer kennen zu lernen

–verstärken das Gefühl, an etwas Gemeinsamem zu arbeiten.

Wer fragt, ist interessiert.

Wer fragt, ist klug.

Wer fragt, führt das Gespräch.

Wer fragt, schafft Bewegung.

Wer fragt, gestaltet menschliche Begegnung.

Klienten erwarten von uns »Profis«, dass wir Gespräche gut führen können, dass wir aktiv sind, neugierig und gleichzeitig verschwiegen, dass uns alles interessiert, was zu ihrem Leben gehört, und dass am Ende des Gesprächs eine Lösung in Sichtweite ist.

Uncharmante (»dumme«) Fragen

So angenehm die interessierten, liebevoll gestellten Fragen sein können, so unangenehm sind »dumme Fragen«. Es gibt nichts Schlimmeres als Fragen, die mit einer gewissen Aufdringlichkeit gestellt werden, kein rühmliches Licht auf die Intelligenz des Fragenden werfen oder gar ein gewisses Potenzial von Kränkung in sich bergen.

Frauen können ganze Kolumnen mit solchen Erfahrungen füllen: »Hast du abgenommen?« – »Ist wohl gestern spät geworden?« – »Für Ihr Alter sehen Sie noch sehr gut aus. Was ist Ihr Trick?«

Streng genommen, ist die Frage nach dem Alter immer falsch, da Frauen immer im falschen Alter leben. Mit 8 möchte frau 13 sein, mit 16 mindestens 18, mit 30 höchstens 28 und über 40 ein Leben lang 39.

Marlene Dietrich schaltete mit Beginn ihrer Hollywood-Karriere auf Dauerignoranz, wenn Journalisten mit Penetranz die Altersfrage stellten. Man könnte es deuten als ein Problem mit dem Älterwerden, aber bitte, wer schafft hier das Problem: Marlene oder der Interviewer?

An den folgenden Beispielen aus Zeitschrifteninterviews mit prominenten Zeitgenossen wird leicht ersichtlich, dass man jedem Menschen das Recht einräumen sollte, uncharmante Fragen nicht zu beantworten.

Frage an Sophia Neophitou (Herausgeberin und Stylistin):

Waren Sie schon so kurvig, als Sie Ihren Mann kennen lernten?

Frage an Jamie Oliver (Ikone der Kochkunst):

Sie hatten eine Lernschwäche?

Fragen an Cindy Crawford (Model):

Wie können Sie sichergehen, dass Menschen nicht auf Ihre prominente Schönheit, sondern auf Ihre Persönlichkeit reagieren?

Sie sind jetzt über 40. Ist Altern ein Thema?

Fragen an George Clooney (Schauspieler):

Ist es eigentlich wahr, dass zwischen Ihnen und Renée Zellweger mal was gewesen ist? … Haben Sie noch andere Geheimnisse?

Frage an Pink (Sängerin):

Was bedeutet es für Sie, eine Frau zu werden?

Frage an Natalia Vodianova (Model):

Werden Sie sich diesmal nach der Geburt eine Auszeit nehmen?

Letztes Mal waren Sie ja noch praktisch unbekannt, inzwischen müssen Sie niemandem mehr etwas beweisen.

Fragen an Carolin Murphy (Model):

Was mögen Sie gar nicht an sich?

Würden Sie sich einer Schönheits-OP unterziehen?

Frage an Kai Pflaume (Fernsehmoderator):

Nervt Sie das Image als Schwiegermutters Liebling manchmal?

Frage an Franka Potente (Schauspielerin) nach ihrer ersten Regiearbeit:

Können Sie gut Entscheidungen fällen?

Frage an Bryan Ferry (Sänger):

Sie gelten als eleganter »Ladies’ Man«. Wie stehen Sie zur Liebe?

Fragen an Oliver Pocher (Comedian):

Würden Sie heiraten, sobald Ihre Freundin schwanger wäre?

Warum sind Sie eigentlich noch mit Ihrer Freundin zusammen?

Frage an Dolores Chaplin (Enkelin von Charly Chaplin):

Erinnern Sie sich überhaupt selbst an Ihren Großvater?

Frage an Christoph Maria Herbst (Darsteller des »Stromberg«):

Sie sind schon 41. Ist die Midlife-Crisis schon in Sicht?

Frage an Cameron Diaz (Schauspielerin):

Sind Sie denn sensibel, wenn zum Beispiel Blödsinn über Sie in den Medien verbreitet wird?

Frage an Doris Dörrie (Regisseurin):

Sieht man Sie deshalb so oft mit großen Sonnenbrillen? Als Alternative zum Schleier?

Frage an Tom Tykwer (Regisseur):

Was für ein Verhältnis haben Sie zu Geld?

Frage an Annette Benning (Schauspielerin und Ehefrau von Warren Beatty, 4 Kinder):

Macht es Ihnen gar nichts aus, dass Ihr Mann vor Ihnen so viele Affären hatte?

Frage an Halle Barry (Schauspielerin):

Sie sitzen manchmal abends bei einem Glas Rotwein und finden Ihren Ruhm sinnlos?

Frage an Lauren Hutton (Schauspielerin):

Sie haben Ihrem langjährigen Freund Bob mehrere Millionen Dollar anvertraut, der das Geld dann verschwendet und den Rest einer anderen Frau vererbt hat – rechnen Sie jetzt ab und zu?

Frage an Kate Winslet (Schauspielerin):

Glauben Sie als geschiedene Frau denn überhaupt noch an die wahre Liebe?

Frage an Brad Pitt (Schauspieler):

Sind Sie ein guter Vater?

An diesen Beispielen wird auch die Struktur schlecht formulierter Fragen erkennbar:

1.Es sind häufig Ja-nein-Fragen.

2.Der Inhalt der Frage ist genauso trivial wie ihre Formulierung.

3.Es wird mit einseitigen Annahmen gearbeitet. (Damit beantwortet der Interviewer unmittelbar die Frage, wie er über bestimmte Dinge denkt.)

4.Dem Befragten wird ein Problem unterstellt.

Auswirkungen von Fragen

Wenn wir liebevolle Begleiter für andere Menschen sein wollen, ist es sehr wichtig, dass wir unsere Fragen auf ihre Wirkung hin prüfen. Auch wenn Fragen viel »softer« sind als Statements, so verraten sie doch in ihrer Konstruktion und ihrer Abfolge unsere Gedanken, unsere Zielstellung, unsere Haltung.

»Für mich ist Einsamkeit der Höhepunkt des Luxus.«

Karl Lagerfeld

Als ich 26 war, unterzog ich mich einer analytischen Selbsterfahrung, ich wollte mich besser kennen lernen, einige schmerzhafte Lecks beseitigen, Selbstsicherheit tanken und eine gute Psychotherapeutin werden. Zu diesem Zeitpunkt war meine Promotion kurz vor der Fertigstellung, meine Tochter war drei Jahre alt, ich war glücklich in einer neuen Beziehung und fieberte meiner praktischen Arbeit als Therapeutin entgegen. Natürlich wollte ich so gut wie möglich vorbereitet sein und war offen für alle Arten von nützlichen Hilfestellungen. Etwa in der dritten oder vierten Stunde unserer Arbeit stellte mir mein »Selbsterfahrungscoach« folgende Frage:

»Erinnern Sie sich bitte, als Sie ein Kind waren, wann sind Sie der Einsamkeit das erste Mal begegnet? Wann haben Sie sich das erste Mal alleingelassen gefühlt?«

Einmal abgesehen von der Tatsache, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt gerade weit, weit weg vom Gefühl der Einsamkeit befand, fand ich, es sei eine interessante Frage, und war gerne bereit, darüber nachzudenken.

Ich erzählte meinem Coach, dass ich mich als Kind oft allein beschäftigt habe, da ich keine Geschwister habe und meine Mutter nach der Arbeit viele Dinge im Haushalt zu erledigen hatte.

Ich finde heute noch, dass es eine wertvolle Frage ist (selbstredend etwas anders formuliert), um zu schauen, wie jemand im Laufe seines

Lebens mit diesem Gefühl umzugehen gelernt hat, wie dieses oft als schwierig empfundene Gefühl immer wieder gut integriert werden konnte und wie es gelang, das gefühlte Zuviel an Einsamkeit mit Kontakten und Gemeinsamkeit zu füllen.

Im systemisch-konstruktivistischen Feld gilt der Grundsatz: Fragen sind Interventionen. Vergleichen Sie bitte selbst die beiden Fragemuster, und spekulieren Sie über die Auswirkungen der beiden Interviews:

»Erinnern Sie sich bitte, als Sie ein Kind waren, wann sind Sie der Einsamkeit das erste Mal begegnet?«

… gegenüber:

Wie haben Sie sich gefühlt, als die Mutter Sie so allein ließ und anderen Dingen nachging?

Wo war Ihr Vater?

Was glauben Sie, warum er berufliche Dinge vor die Familie gestellt hat?

Haben Sie sich nach Ihrem Vater gesehnt?

Was haben Sie am meisten vermisst?

Was haben Sie als Kind schon gefühlt, wodurch die Beziehung der Eltern belastet war?

Was meinen Sie, welche Funktion Sie für Ihre Mutter erfüllt haben?

Was haben Sie bei Ihrer Mutter am meisten vermisst?

Hätten Sie gerne Geschwister gehabt?

Wie haben Sie Ihre Enttäuschung und Trauer zum Ausdruck gebracht?

»Erinnern Sie sich bitte, als Sie ein Kind waren, wann sind Sie der Einsamkeit das erste Mal begegnet?«

… gegenüber:

Womit haben Sie sich bereits in so früher Zeit, wenn Sie allein waren, ganz selbständig beschäftigt?

Was hat Ihnen Ihre Mutter erzählt, was Sie schon ganz früh, allein konnten … und was Sie Ihren Eltern vielleicht schon mit Stolz präsentierten?

Wie haben Sie dabei Kontakt zu Ihrer Mutter gehalten? … und wie hat Ihre Mutter zu Ihnen Kontakt gehalten, während sie allerlei Dinge erledigte?

Wie gelang es Ihrem Vater, nach solch langen Arbeitstagen wieder ins Familiengefühl zu kommen? Was haben Sie an den Abenden und den Wochenenden mit ihm erlebt? Was hatten Sie für Genussmomente mit ihm? Was war seine »Spezialität«, um mit Ihnen, als Sie so klein waren, in Kontakt zu kommen?

Wer hat sich neben Ihren Eltern um Sie gekümmert, mit Ihnen gespielt? Mit wem haben Sie was am liebsten gemacht? Woran haben Sie die schönsten Erinnerungen?

Was glauben Sie, was Ihren Eltern in Ihrer Entwicklung besonders am Herzen lag? … und in welchen Situationen haben Sie die Freude Ihrer Eltern, Sie zu haben, besonders gut spüren können?

Welche Initiativen hatten Sie schon früh, um dem Alleinsein zu entkommen? … und wie haben Sie gelernt, es auch zu genießen? … und wie ist es heute mit dem Alleinsein, (Achtung! Es macht einen Unterschied, ob Sie das Wort »Alleinsein« oder »Einsamkeit« benutzen), wie sorgen Sie für ein erholsames Alleinsein?

Wann wird es Ihnen zu viel, und wie sorgen Sie dann für Gemeinsamkeit?

Welche starken Seiten haben Sie durch das Allein-sein-Können entwickelt?

Das erste Interview empfand ich als schmerzlich, zumal es mit einem Satz meines Coachs endete, der mir lange noch nachhing: »Ja, ja, ich fürchte, diese Einsamkeit wird Ihnen immer wieder zu schaffen machen.« Ich wusste, dass er, der 30 Jahre Ältere, es väterlich verstanden wissen wollte, aber es führte auf direktem Weg zu einer Selbstbetrachtung mit bleibenden Beschädigungen. Es fühlte sich nach diesem Gespräch so an, als hätte sich etwas, das ich natürlich kannte, was kam und ging, von nun an in mir festgesetzt. »Es« saß da wie ein ungeliebter Mitbewohner auf Lebenszeit, schlimmer noch: Es war ein Guerillero in der Beziehung zu meinen Eltern, schließlich hatte ich ihrer Unfähigkeit diese Misere zu verdanken.

Nach dem Interview habe ich etwas geweint und ein wenig später zornig-traurig meine Mutter angerufen, um ihr zu sagen, dass sie und mein Vater mich zu früh alleingelassen und mit ihren Problemen belastet hätten. Wenigstens sollte der Kummer dorthin, wo er entstanden war. Meine Mutter reagierte erschrocken, sie konnte den Zusammenhang nicht erkennen, denn sie hatte mich gerade sehr engagiert bei meiner Dissertation unterstützt, versorgte meine kleine Tochter, wenn ich schrieb, und tippte Hunderte Seiten mit Schreibmaschine ab, und unser Verhältnis war, seit ich selbst junge Mutter war, richtig gut. Irgendwie gelang es ihr – wie so oft in explosiven Situationen –, pragmatische Lebensentscheidungen in den Vordergrund zu schieben, so dass wir nach und nach dieser »Problemtrance« entkamen. Trotzdem blieb mir dieses »Einsamkeits-Coaching« meiner frühen Lehrjahre lange in Erinnerung.

Es war ein Dienst an mir selbst, den ich mir während der systemischen Weiterbildung erwies, genau dieses Interview noch einmal zu führen, um mir den neu erworbenen »Perspektivenwechsel« zu gönnen, zu schauen, ob ich den ungebetenen Mitbewohner von damals wieder als Gast sehen könnte, der dann und wann vorbeischaut, ein Gläschen Prosecco oder eine Tasse Kakao mit mir trinkt und wieder verschwindet.

Das Selbstexperiment mit neuen Fragen führte mich in viele Bilder meiner Kindheit, in der nicht alles gelang, aber in der meine Eltern trotz ihrer hohen Belastung durch ihre volle Berufstätigkeit eine Kultur von Ritualen schaffen konnten, die mir als Kind die Liebe und Aufmerksamkeit signalisierten, nach der ich mich sehnte. Wie sagt Ben Furman (1999) so treffend: Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben.

Der Klient als V. I. P.

»So eine wahre, warme Freude ist nicht in der Welt, als eine große Seele zu sehen, die sich gegen einen öffnet.«

Johann Wolfgang von Goethe

Schon lange vor den Talkmastern waren Therapeuten Seelenforscher im Dienst ihrer Klienten (und noch vor ihnen waren es Dichter und Denker). Ganz anders als die Jongleure der Oberflächlichkeit nähern sie sich behutsam den Kostbarkeiten im Innern eines Menschen genauso wie seinen Seelenkratern. Sie durchwandern gemeinsam mit ihm seine vielfältigen Lebenspfade und durchschwimmen große Gemütsseen, manchmal treiben sie auf den Meeren der Verzweiflung, um letztlich mit Kompass, Optimismus und Muskelkraft das rettende Ufer zu erreichen. Dort verabschieden sie sich in der Sicherheit, dass der feste Boden den Schritt ihres Begleiters trägt und er mit neuen Zielen seinen Weg fortsetzen wird. Die Ehrung, von nun an ein »Lebensläufer« und ein »erprobter Kämpfer« oder, wie man heute sagt, ein »Veränderungsmanager« zu sein, wird jedem von ihnen beim Abschied zuteil.

Jeder Mensch freut sich, wenn jemand an seinem Leben Anteil nimmt, ihm seine Aufmerksamkeit schenkt und das Gespräch mit Fragen in ganz vielfältige Richtungen lenkt. Wohlwollende Aufmerksamkeit ist die Grundlage jedes gelungenen Kontakts. Aber von »Profis« wird mehr erwartet, nämlich dass sie auf schnellstem Wege

–das Gefühl von Vertrauen und Sicherheit vermitteln

–zur Offenheit einladen

–ein Bild von der einzigartigen Persönlichkeit des Klienten erhalten

–problemerzeugende und -erhaltende Verhaltensmuster erkennen

–Ressourcen, Erfahrungen, Ideen zur Veränderung (Lösung) finden und nutzen

–für dauerhafte Motivation sorgen.

Es ist deshalb eine schöne Idee, dem Gesprächspartner mit größtmöglichem Interesse und Respekt zu begegnen und ihm das Gefühl zu vermitteln, dass er eine very important person ist (statt »Bekümmerter«, »gescheiterte Existenz«, »Kranker« oder gar »Verrückter«).

Stellen Sie sich vor, egal wer in Ihre Beratungsstelle, Praxis, Klinik, in Ihr Coaching kommt, es ist eine V. I. P., ein Mensch mit einem breit gefächerten, besonderen Potenzial an Lebenserfahrung, das er Ihnen unter guten Umständen offenbaren möchte. Sie bereiten sich auf diesen Kontakt vor wie auf ein gutes Fernsehinterview.

Überlegen Sie sich an dieser Stelle drei Fragen, mit denen man Ihnen eine Freude machen würde, d. h., was Sie selbst in einem solch großartigen Interview gerne gefragt werden möchten.

Sie sitzen also auf einer wirklich bequemen Couch, neben Ihnen steht Ihr Lieblingsgetränk, und Ihr intelligenter und wirklich netter Talkmaster stellt Ihnen z. B. folgende Fragen:

Wenn ein Künstler ein Porträt von Ihnen malen würde in der jetzigen Fülle Ihres Lebens, welche Farben möchten Sie dort gerne sehen?

Wen würden Sie beauftragen?

Welches Ambiente gehört untrennbar zu Ihrer Persönlichkeit?

Und welche Botschaft kann der spätere Betrachter des Bildes in Ihrem Gesicht und Ihrer Haltung entdecken?

Zur Veranschaulichung hier noch einige weitere »Lieblingsfragen«.

Meine Wunschfragen:

Welche Begegnungen mit anderen Menschen haben Sie am nachhaltigsten beeindruckt oder gar geprägt?

Wie leben Sie Ihre künstlerische Seite im Alltag aus? Und welche Wünsche hat die Künstlerin in Ihnen für die kommenden zehn Jahre?

Welche Ihrer wertvollen Überzeugungen hat Ihre Tochter in ihrem eigenen Leben weitergetragen?

Wunschfragen anderer Menschen, die mir zugetragen wurden:

Warum gibt es immer weniger Menschen, mit denen man noch per Handschlag gute Geschäfte machen kann?